Grillt Knut! Sofort! Und öffentlich!

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Grillt Knut! Sofort! Und öffentlich!
Grillt Knut! Sofort! Und öffentlich!
Ein Vorschlag wie der Eisbär eine Wohltat für alle werden könnte*
Autor: Karl Peters
Datum: 25. März 2007
Seit Wochen ist Knut der Eisbär, ein Insasse des Berliner Zoos, im Mittelpunkt
öffentlicher Aufmerksamkeit. Nicht nur die Berliner Blätter und Sender,
durchweg von ausgesuchter Provinzialität, nehmen sich des jungen Bären an.
Die "New York Times" (Knut is cute), das schwedische "Aftonbladet", der
englische Sender "Sky News": Alle Welt kümmert sich um Knut. Der Berliner
"Tagesspiegel", ein Weltblatt das sogar in Kyritz an der Knatter gelesen wird, hat
eine Fanpage eingerichtet: "Oh, wie süß!" ist die häufigste der dort
erscheinenden Metaphern. Ein echter Klima-Minister macht sich mit ihm
gemein, die "Bildzeitung" bringt jeden Tag etwas über den Bären, die
"Süddeutsche" bietet im Internet eine Fotostrecke mit 29 Bildern an und die
vorgeblich seriöse ARD sendet fünf Wochen lang jeden Samstag um 11.50 Uhr
Neues vom Knuddel-Bären. Aber was geschieht danach? Wenn Knut größer und
größer, unappetitlich riechen und süße kleine Robbenbabys zu Frühstück essen
wird? Knut muss zum Charity-Bären avancieren, zum Mittelpunkt öffentlicher
Wohlfahrt.Und die Wohltat beginnt mit seinem öffentlichen Tod. Knut wird,
leicht betäubt (damit der Tierschutzverein nicht schon wieder protestiert), auf
der Bühne der Staatsoper unter den Linden an einen Pfahl gebunden. Das
Wachbataillon der Bundeswehr zieht auf, die Nationalhymne erklingt und
Wolfgang Thierse hebt feierlich an: "Der Bär, früher ein Wesen ohne Sitz und
Stimme, hat seit der deutschen Einheit . . ." Der Saal ist dicht gefüllt mit
zahlenden Gästen: Schon die schlechtesten Plätze werden den Charity-Preis
von tausend Euro kosten. Königliche Hoheiten, Exzellenzen und die Nouveaux
Riches der Hauptstadt umklammern vor lauter Ergriffenheit ihre
Champagnergläsern fester als gewöhnlich. Der Trauermarsch aus der Sonate in
b-moll von Chopin wabert in den Saal und in das Aufwallen der Musik fällt ein
Schuss, abgegeben von einem tapferen Mann der KSK-Spezialkräfte der
Bundeswehr, nur kurzzeitig aus Afghanistan für diese Präzisionstötung
abkommandiert. Die Hornbläser des Deutschen Jagdverbandes markieren mit
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ihrem Halali das Ende einer Veranstaltung deren Senderechte von Günter
Netzer weltweit vermakelt werden. Der Erlös der
"From-Life-to-Death-Presentation" geht unmittelbar, in Form von
McDonald-Gutscheinen, an die deutschen Straßenkinder.Da Wild, und wie sonst
sollte man Knut bezeichnen, vor der Zubereitung immer ein wenig abhängen
muss, wird der Eisbär nach seiner Exekution für eine gute Woche in einem
Schaufenster des KaDeWe ausgestellt: Mit einer Zitrone im Maul, umlegt von
edlem Gemüse, das täglich erneuert wird, erwirbt sich der Bär den nötigen
Hautgout durch einfaches Liegen. Anschauen ist kostenlos, fotografieren dürfen
die Zigtausende von Menschen, die Knut täglich die letzte Ehre erweisen
allerdings nicht: In einer Lex-Knut wird das ausschließliche Fotorecht dem
Starfotografen Jim Rakete übertragen. Jims Fotos werden in einem Bildband
unter dem Titel "Deadline one Ice" vermarktet. Noch streiten sich die
Entwicklungshilfeministerin ("Das Geld geht an die Negerkinder!") und die
Familienministerin ("Jeder Cent gehört den Vielgebärenden!") um den Gewinn
aus dem Buch."Kochen bei Kerner", so heißt die Sendung des ZDF, in der Knut
dann zerlegt und in unterschiedlichen Tranchen zubereitet wird. Man darf
davon ausgehen, dass der TV-Koch Tim Mälzer beim Entbeinen das große
Messer führt. Noch unklar ist die Menge von Rosmarin und Knoblauch, mit der
die Haut des abgezogenen Bären eingerieben werden soll. Ganz sicher gibt es oh wie süß - Preiselbeeren als Beilage. Auch ist eine Farce von Innereien
vorgesehen. Allerdings ohne die Leber: Die wird zu einer zarten Paté verarbeitet
und später mit einem Haute Sautern 1er cru . . . Aber so weit ist es ja noch nicht.
In diesem Stadium bleibt festzuhalten, dass die Einnahmen aus den
Werbeeinblendungen dieser Sendung in den "Cool-Knut-Medien-Preis" fließen
sollen. Ausgezeichnet werden wahrscheinlich jene tapferen TV-Sprecher, die in
den Öffentlich-Rechtlichen ohne schamrot zu werden die Nachrichten
verlesen.Nach dem öffentlichen Kochen die öffentliche Verkostung: Auf dem
Berliner Gendarmen-Markt beginnt schon der Aufbau einer Bühne, von der aus
der gegarte und portionierte Knut öffentlich versteigert werden wird. Unter den
Augen der Welt-Medien (CNN und Gala sponsern die Charity-Auktion) und unter
der Leitung von Günter Jauch, wird auch der tote Bär noch Gutes tun. Zur
Versteigerung sind nur handverlesene Inhaber von Platin-Kreditkaren
zugelassen und sie dürfen gewiss sein: Jeder Happen, den sie, teuer ersteigert,
in sich reinwürgen, kommt den Hungernden in aller Welt zu gute. Noch wird
überlegt, ob man in einigen afrikanischen Gebieten, wie zum Beispiel dem
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Sudan, Public-Viewing-Meilen einrichten soll, um das Ereignis live zu
übertragen. Experten gehen davon aus, dass so mancher Darbende schon vom
Zuschauen für immer satt sein könnte.Knut wird auch nach dem Dessert noch
von Nutzen sein. Ausgestopft und mit einer kleinen aber feinen Mechanik
versehen, ist sein Platz demnächst im Foyer der Museumsinsel. Wer immer
einen Euro in das weit aufgerissene Maul des toten Raubtiers wirft, der leistet
seinen Beitrag gegen die Klimakatastrophe und für die Erhaltung der letzten
Eisbären. Man schätzt, dass dem toten Bären täglich etwa tausend Euro
entnommen werden könnten. Die Linde AG hat sich bereit erklärt für diesen
Betrag, einhundert Norm-Eisschollen zum Selbstkostenpreis herzustellen und
die NATO sicherte schon zu, die Schollen über dem Polarkreis gezielt
abzuwerfen. Dass die Firma Wall AG, einer der größten Betreiber von
Klohäuschen weltweit, sich den Slogan "Eisbär geht durch den Magen, aber wo
geht er hin?" hat patentieren lassen, wurde vom Staatsminister für Kultur, Bernd
Neumann, umgehend und mit Schärfe dementiert: Für Scheisse, so Neumann,
sei ausschließlich die Bundesregierung zuständig. Ziemlich frei nach Jonathan
Swift
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