Tierschützer: Knut ist vermenschlicht
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Tierschützer: Knut ist vermenschlicht
Berliner Morgenpost: Berlin vom 24.07.2007: Tierschützer: Knut ist vermenschlicht Seite 1 von 2 BERLIN Tierschützer: Knut ist vermenschlicht Deutscher Tierschutzbund fordert Verzicht auf Eisbärenhaltung - Zoo weist Kritik zurück Von Christa Beckmann Die Knut-Show wie hier am 05. Juni gibt es nicht mehr. Der kleine Bär ist mittlerweile zu groß und könnte Ziehvater Thomas Dörflein beim Spiel gefährlich werden Foto: picture-alliance/dpa Die Kritik am Berliner Zoo und seinem Umgang mit Knut verstummt nicht. Erst sorgten selbst ernannte Tierschützer wenige Wochen nach der Geburt des kleinen Eisbären für einen öffentlichen Aufschrei, weil sie gefordert hatten, man hätte das von seiner Mutter verstoßene Jungtier lieber sterben lassen sollen. Gestern nun rügte der Deutsche Tierschutzbund den Zoo scharf. "Die Sozialisation ist gescheitert, Knut wurde zu sehr vermenschlicht", sagte dessen Präsident Wolfgang Apel. Eisbären müssten "generell weg aus Zoos". Es müsse "Schluss sein mit noch mehr Knuts". Apel bezeichnete es als "katastrophal, wenn der Zoo suggeriert, noch mehr Eisbären züchten zu wollen". Zoo-Direktor Bernhard Blaszkiewitz wies die Kritik zurück. "Das entspricht nicht der Realität und dem, was einen Zoo ausmacht", sagte er. Der Zoo werde weiter Eisbären züchten, auch bei Knut gehe es schlicht und ergreifend um den Erhalt dieser weltweit bedrohten Tierart. Am Rande der Eröffnung eines neuen Tierschutzzentrums in Friedrichshain sagte Apel, die Trennung des Jungbären von seinem Tierpfleger Thomas Dörflein hätte viel früher erfolgen müssen. Die "Knut-Show" zweimal am Tag, die von insgesamt mehr als einer Million Menschen besucht wurde, war am 8. Juli nach 108 Tagen eingestellt worden. Der Zoo hatte sich aus Gründen der Vorsicht zu diesem Schritt entschlossen. Mit seinen mittlerweile mehr als 50 Kilogramm und den scharfen Zähnen könnte der Jung-Bär seinem Ziehvater beim gemeinsamen Herumtollen leicht gefährlich werden. "Knut weiß doch nicht mehr, was los ist" Während der Präsident des Tierschutzbundes eine zu späte Trennung von Knut und http://www.morgenpost.de/content/2007/07/24/berlin/912285.html 26.07.2007 Berliner Morgenpost: Berlin vom 24.07.2007: Tierschützer: Knut ist vermenschlicht Seite 2 von 2 seinem Ziehvater bemängelt, hätte sich die Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling eine längere, und sanftere Abnabelungszeit gewünscht: "Knut hätte nicht von einem Tag auf den anderen sich selbst überlassen sein dürfen. Der Bär weiß doch gar nicht mehr, was los ist." Die wiederholten Revierwechsel bezeichnete Hämmerling als "Rumschubserei". Nach dem Ende der Show auf dem Braunbärenfelsen war das Jungtier in ein relativ kleines Revier im rückwärtigen Teil der Eisbären-Anlage verlegt worden. Erst nach einer Protestwelle mit Briefen, E-Mails und Anrufen zog der Zoo die Konsequenz. Knut lebt jetzt auf dem früheren Areal der Brillenbären, die in den Tierpark Friedrichsfelde umziehen mussten. Es ist seine fünfte Station. Zoo-Chef Blaszkiewitz, der beide Anlagen leitet, wies auch den Vorwurf der "Rumschubserei" zurück. "Knut ist nicht rumgeschubst worden. Für einen kleinen Bären hat er jetzt mehr als ausreichend Raum." Er habe außerdem noch ausreichend Kontakt zu Pfleger Dörflein, "allerdings nicht mehr für die Öffentlichkeit". Vorher sei für den Eisbären auf der Brillenbärenanlage kein Platz gewesen. Von Vorteil sei die aktuelle Lösung auch deshalb, weil die Braunbären für die Knut-Show nun "nicht mehr hin und her weggesperrt werden müssen". Für Hämmerling ist die neue Knut-Wohnung nur eine Zwischenlösung. Sie schlug vor, für Knut außerhalb Berlins in einem deutschen oder europäischen Zoo schon heute ein Zuhause zu suchen, "wo er später hoffentlich mit Partnerinnen leben kann. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende." "Es geht allein um das Wohl des Tieres" Nach Ansicht von Zoo-Chef Blaszkiewitz ist es allerdings noch zu früh, um Knut abzugeben. "In diesem Sinn kann er noch nicht sozialisiert werden. Es gibt keinen verfügbaren Platz." Gerade weil es "allein um das Wohl des Tieres gehen kann", werde Knut voraussichtlich bis weit in das Jahr 2008 hinein in Berlin bleiben. Unterstützung bekommt der Berliner Zoo auch von dem Freiburger Bären-Experten Felix Knauer. Er könne zwar speziell zu Knut wenig sagen, weil er nicht ausreichend über die Haltungsbedingungen informiert sei, sagte der Mitarbeiter der Abteilung für Wildtierökologie am Zoologischen Institut der Universität Freiburg. Aber die Forderung, Zoos sollten generell auf die Haltung von Eisbären verzichten, hält er für unangebracht: "So lange die Tiere keine Verhaltensauffälligkeiten zeigen, nicht krank werden und sich vermehren, ist die Haltung akzeptabel." Viele Bären würden in Zoos zudem deutlich älter als in der freien Wildbahn. Auch die fremdartigen klimatischen Bedingungen seien kein Hinderungsgrund: "Wir halten auch Arten, die es zu Hause viel heißer haben wie Geparden oder Antilopen." Der Tierschutz-Beauftragte des Senats, Klaus Lüdcke, forderte den Zoo auf, das dank Knut eingenommene Geld "vernünftig für die anderen Tiere und den Tierschutz im Zoo zu verwenden". Der Zoo kalkuliert in diesem Jahr wegen Knuts Popularität mit mehr als drei Millionen Besuchern und zusätzlichen rund fünf Millionen Euro. Zoo-Chef Blaszkiewitz betonte, das Geld komme ausschließlich den Tieren zu Gute. mit dpa Aus der Berliner Morgenpost vom 24. Juli 2007 http://www.morgenpost.de/content/2007/07/24/berlin/912285.html 26.07.2007