Pornographie bei Pro Familia?

Transcription

Pornographie bei Pro Familia?
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 12 /
12. Wahlperiode
16. 09. 96
395
Kleine Anfrage
des Abg. Michael Herbricht REP
und
Antwort
des Sozialministeriums
Pornographie bei Pro Familia?
K le in e A nfra ge
Ich frage die Landesregierung:
1. Auf welche Weise und in welchem Umfang wurden/werden die von der Deutschen Gesellschaft für Sexualberatung und Familienplanung e. V. („Pro Familia“) vertriebenen „Jahrbücher der Erotik“ auch in Baden-Württemberg verbreitet?
2. Ist es richtig, daß von den bislang unter dem Titel „Mein heimliches Auge“ erschienenen zehn Bänden insgesamt sieben als jugendgefährdend eingestuft und
beanstandet wurden?
3. Inwieweit ist es richtig, daß diese Bände über einen vereinseigenen Versandhandel vertrieben wurden/werden und somit die Gefahr bestand/besteht, daß sich
auch Kinder diese Titel zuschicken lassen konnten/können?
4. Welche Hinweise gibt es dafür, daß in den „Jahrbüchern der Erotik“ auch Darstellungen enthalten sind, die dem Bereich der Kinderpornographie zuzuordnen
sind?
5. Inwieweit trifft es zu, daß in den beanstandeten Bänden sowohl die Texte als
auch die Fotografien als pornographisch eingestuft wurden und daher nicht über
den Versandhandel vertrieben werden dürfen?
6. Ermittelt die Staatsanwaltschaft in Baden-Württemberg ähnlich wie in Hessen
gegen „Pro Familia“ wegen Verbreitung pornographischer Schriften bzw. wegen
Verbreitung von Kinderpornographie?
7. Inwieweit teilt die Landesregierung die öffentlich verbreitete Meinung des Geschäftsführers der Pro-Familia-Vertriebsgesellschaft, wonach die beanstandeten
Bände lediglich „eine Satire auf die Erotik und dazu noch Kunstbücher“ seien?
Eingegangen: 16. 09. 96 / Ausgegeben: 20. 12. 96
1
Landtag von Baden-Württemberg – 12. Wahlperiode
Drucksache 12 / 395
8. Trifft die Ankündigung zu, wonach bereits ein neuer Band der „Jahrbücher der
Erotik“ in Vorbereitung ist?
9. Mit welchen öffentlichen Mitteln aus welchen Einzelhaushalten wird „Pro Familia“ in Baden-Württemberg für jeweils welche Aufgaben unterstützt?
10. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit, „Pro Familia“ die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, sollte der Versandhandel mit pornographischen
Druckerzeugnissen nicht endgültig eingestellt werden?
16. 09. 96
Herbricht REP
Ant wort *)
Mit Schreiben vom 29. November 1996 Nr. 6–0141.5/12/395 beantwortet das Sozialministerium namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Innenministerium und dem Justizministerium die Kleine Anfrage wie folgt:
Zu 1. und 3.:
Die im Konkursbuchverlag Claudia Gehrke, Tübingen, erschienene Buchreihe
„Jahrbücher der Erotik – Mein heimliches Auge“ wurde nicht von der Deutschen
Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e. V. (Pro
Familia), sondern von der Pro Familia Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG,
Frankfurt, vertrieben. Hierbei handelt es sich um ein selbständiges Wirtschaftsunternehmen, dessen Kommanditisten Einzelpersonen sind, darunter auch Mitglieder
von Pro Familia. Die geschäftsführende GmbH wird gebildet durch neun Pro-Familia-Landesverbände, u. a. dem baden-württembergischen, dem Bundesverband
und dem hessischen Förderverein der Pro Familia. Die Vertriebsgesellschaft orientiert sich an den Zielen des Verbandes Pro Familia e. V., handelt jedoch in eigener
Verantwortung.
Die Buchreihe „Jahrbücher der Erotik“ wird seit März 1996 im Katalog der ProFamilia-Vertriebsgesellschaft angeboten. Der Vertrieb wurde am 22. August 1996
eingestellt, nachdem bekannt geworden war, daß ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vertriebs pornographischer Schriften
eingeleitet worden war.
Zwischen März und August 1996 hat die Pro-Familia-Vertriebsgesellschaft nach
eigenen Angaben insgesamt 30 Bände aus der Reihe „Jahrbücher der Erotik“ im
Wege des Versandes an öffentliche und kirchliche Einrichtungen sowie erwachsene Einzelpersonen verkauft. Die jeweiligen Kunden sind der Vertriebsgesellschaft namentlich bekannt, sie hat der Landesregierung jedoch nicht mitgeteilt, wie
viele dieser Kunden aus Baden-Württemberg stammen.
Zu 2. und 7.:
Von den seit 1985 im Konkursbuchverlag Tübingen erschienenen elf Bänden der
Reihe „Jahrbücher der Erotik – Mein heimliches Auge“ ist bisher keiner als jugendgefährdend eingestuft worden. Das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis hat allerdings mit Schreiben vom 20. Dezember 1995 bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften beantragt, den Band X der Reihe in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufzunehmen. In seiner Begründung schreibt das Jugendamt, daß ein Teil der Geschichten und Bilder des Buches pornographische
*) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt.
2
Landtag von Baden-Württemberg – 12. Wahlperiode
Drucksache 12 / 395
Darstellungen enthielten. Das sogenannte Dreiergremium der Bundesprüfstelle hat
die Aufnahme des Buches in die Liste der jugendgefährdenden Schriften im vereinfachten Verfahren abgelehnt, da eine offenbare Jugendgefährdung (§ 15 a des
Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften – GjS) nicht vorliege.
Eine abschließende Entscheidung über die Indizierung liegt noch nicht vor.
Zu 4.:
Die Zentralstelle des Landes Baden-Württemberg zur Bekämpfung gewaltverherrlichender, pornographischer und sonstiger jugendgefährdender Schriften hat den
Band II der „Jahrbücher der Erotik“ überprüft. Hierbei konnten keine kinderpornographischen Darstellungen im Sinne von § 184 Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB)
festgestellt werden. Auch dem baden-württembergischen Landeskriminalamt liegen keine entsprechenden Hinweise vor.
Zu 5.:
Die Zentralstelle des Landes Baden-Württemberg zur Bekämpfung gewaltverherrlichender, pornographischer und sonstiger jugendgefährdender Schriften hat mitgeteilt, daß der von ihr überprüfte Band II der „Jahrbücher der Erotik“ mehrere
Bildteile und Textbeiträge enthalte, die der „einfachen“ Pornographie im Sinne
von § 184 Abs. 1 StGB zuzurechnen seien. Sofern der Schrift nicht der Rang und
der Charakter eines Kunstwerks zukommt – nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts kann auch Pornographie unter
dem Schutz der Kunstfreiheit (Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz) stehen –, ist ihr
Vertrieb im Wege des Versandhandels gemäß §§ 184 Abs. 1 Nr. 3 StGB, 4 Abs. 1
Nr. 3 GjS unzulässig.
Zu 6.:
Berichte baden-württembergischer Staatsanwaltschaften über die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gegen Pro Familia wegen Verbreitung pornographischer Schriften oder Kinderpornographie liegen dem Justizministerium BadenWürttemberg sowie der Zentralstelle des Landes Baden-Württemberg zur Bekämpfung gewaltverherrlichender, pornographischer und sonstiger jugendgefährdender Schriften nicht vor. Soweit der Landesregierung bekannt ist, erfolgt der
Vertrieb der „Jahrbücher der Erotik“ ausschließlich durch die Pro-Familia-Vertriebsgesellschaft in Frankfurt/Main. Für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens örtlich zuständig ist daher die dortige Staatsanwaltschaft.
Zu 8.:
Auf der Frankfurter Buchmesse 1996 hat der Konkursbuchverlag Tübingen den
Band XI der Reihe „Mein heimliches Auge“ vorgestellt.
Zu 9.:
Pro Familia wird vom Sozialministerium wie folgt gefördert:
a) Der Pro-Familia-Landesverband erhält einen institutionellen Zuschuß von
25.000 DM pro Jahr für die anteilige Finanzierung der Personal- und Sachkosten
seiner Geschäftsstelle.
b) Die Träger von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen erhalten einen Festbetrag von 50.000 DM pro Jahr für jede hauptberuflich angestellte, vollzeitbeschäftigte Fachkraft (bei Teilzeitbeschäftigung anteilig). Darüber hinaus erhalten die Trägerverbände eine sog. Zusatzförderung zur teilweisen Abdeckung der
Kosten für Erstkontakt- und Verwaltungskräfte sowie der Sachkosten.
3
Landtag von Baden-Württemberg – 12. Wahlperiode
Drucksache 12 / 395
Die örtlichen Pro-Familia-Vereine als Träger von 17 von insgesamt 97 Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen haben im Jahr 1996 für Beratungsfachkräfte
einen Förderbetrag von insgesamt etwa 1,3 Millionen DM erhalten. Dem ProFamilia-Landesverband wurde für den gleichen Zeitraum eine Zusatzförderung
in Höhe von 409.000 DM gewährt, die von diesem nach eigenem Ermessen auf
die einzelnen Beratungsstellen aufgeteilt wurde.
Zu 10.:
Der Vertrieb der in der Anfrage genannten Schriften erfolgt nicht durch den ProFamilia-Landesverband Baden-Württemberg, sondern durch die Pro Familia Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG in Frankfurt/Main.
Dr. Vetter
Sozialminister
4