ambassade de france - Französische Botschaft

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Frankreich – Info
Herausgeber : Französische Botschaft
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Oktober 2001
Serie: Analysen und Betrachtungen
Die Küstengebiete Frankreichs
von Armand Frémont*
Frankreich ist eines der wenigen Länder in Europa und weltweit mit drei langen Küstenlinien:
am Ärmelkanal und an der Nordsee, am Atlantik und am Mittelmeer (siehe Karte). Aufgrund
dieser 5.500 km langen Küsten, zu denen die 1.500 km in den Übersee-Departements und Territorien hinzuzuzählen sind, ist Frankreich unbestreitbar zu den Seenationen zu rechnen. Die
Küstenregionen und die Kultur ihrer Bewohner haben stark zur Ausbildung der französischen
Nation beigetragen, aber sicherlich nicht so stark, wie man manchmal hoffen konnte. Die
Küsten stellen einen wichtigen Bevölkerungs- und Kulturraum dar. Nach Ansicht des Historikers
Fernand Braudel darf man allerdings nicht vergessen, dass Frankreich sich zunächst aus
seinen Binnenterritorien entwickelt hat, an erster Stelle im Pariser Becken.
Von Dünkirchen bis Menton - 5.500 km Küste
Die Küstenregionen Frankreichs weisen eine außerordentliche Vielfalt an Profilen, Klimazonen,
Landschaften, Traditionen und Wirtschaftsaktivitäten auf.
Im Nordwesten öffnet sich das Land auf den recht schmalen Ärmelkanal und die Nordsee, die
eine geringe Tiefe haben. Sie waren lange Schauplatz der Rivalität zwischen den Seenationen
Frankreich und England. Heute ist dies der am stärksten befahrene Seeweg der Welt, denn er
verbindet den Atlantischen Ozean mit den großen Industrie- und Bevölkerungszentren
Nordwesteuropas, dem Pariser Becken, Flandern, dem Londoner Becken, den Niederlanden,
Norddeutschland und den skandinavischen Staaten. Als Fenster Frankreichs auf diese Zonen
starker Wirtschaftstätigkeit ist die Ärmelkanal- und Nordseeküste auch stark durch ihre alten
Seetraditionen und durch die Nähe zu Paris geprägt. Die Mündung der Seine, zwischen Rouen
und Le Havre, ist die Hauptachse für diesen lebhaften Handelsaustausch.
Die Atlantikküste im Westen, die auch „Atlantischer Bogen“ genannt wird, ist relativ weit von den
großen internationalen Seewegen entfernt, die vor dem Golf von Biscaya verlaufen, und hat
auch eine gewisse Entfernung zu den großen Ballungsgebieten Westeuropas. Die beiden
großen Mündungsgebiete der Loire und der Gironde erscheinen aufgrund der natürlichen
Gegebenheiten als Gegenden intensiverer Wirtschaftsaktivität mit der Bretagne und dem LoireTal mit Nantes einerseits und der Aquitaine mit Bordeaux andererseits als Hinterland, während
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die Küsten des Poitou und der Charente in der Mitte sowie die Küsten der Landes und des
Baskenlandes im Süden auch Gegenden mit großer Küsten- oder Seetradition sind.
Die Mittelmeerküste im Südosten ist die Wiege der ältesten Kulturen mit Hafenstädten wie
Marseille oder Nizza, die schon in der Antike gegründet wurden. Das Mittelmeerklima mit seinen
trockenen und sonnigen Sommern und milden Wintern entwickelt dort seinen ganzen Reiz.
Außerdem liegt die französische Mittelmeerküste am Ende einer der großen Nord-SüdVerbindungsachsen Westeuropas: dem Rhône-Tal, das im Norden in das Tal der Saône und
noch weiter in das Rhein- und das Moseltal übergeht. So begreift man die strategische Lage
von Marseille, das nicht weit vom Rhône-Delta entfernt liegt.
Die Übersee-Departements und -Territorien sind fast ausschließlich tropische Inseln oder
Inselgruppen im Karibischen Meer, im Indischen Ozean oder im Pazifischen Ozean. Durch sie
verfügt Frankreich über eine große so genannte „ausschließliche Wirtschaftszone“, in der ihm
auf einer Breite von 200 Seemeilen vor der Küste die alleinige Nutzung erlaubt ist (siehe Artikel
„Die französischen Überseegebiete“).
Der Reiz der Küsten
Die Küsten haben schon immer eine große Anziehung auf die Menschen ausgeübt. Die
Bevölkerungsdichten sind in den meisten Küstenregionen die höchsten Frankreichs (mehr als
200 Einwohner je km2). Die im Zusammenhang mit der letzten Volkszählung durchgeführten
Untersuchungen zeigen, dass sich daran auch künftig nichts ändern dürfte und die Bevölkerung
in den kommenden Jahren vor allem in den Ballungszentren sogar zunehmen dürfte.
Die Erfindung der Küsten, wie es der Historiker Alain Corbin so schön ausdrückte, erfolgte in
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der zunächst auf die aristokratische und bürgerliche
Gesellschaft beschränkte Modetrend, Seebäder aufzusuchen, sollte das Bild der Küsten
verändern, während gleichzeitig die größten Häfen durch die koloniale Expansion Frankreichs
und die Öffnung der internationalen Märkte einen neuen Impuls erhielten. So entdeckte man
neue Küsten, wo die steilen Kalkklippen als Sehenswürdigkeiten, die Sandstrände als Seebäder
und die großen Häfen als Wirtschaftszentren (Dünkirchen, Le Havre, Rouen, Nantes, Bordeaux,
Marseille) Bedeutung gewannen.
Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts schöpften die Künstler einen guten Teil ihrer
Inspiration aus der Atmosphäre der Meeres- und Küstenlandschaften. Die Seine-Bucht wurde
durch die Maler Claude Monet, Eugène Boudin und andere zu einer Wiege des
Impressionismus. Auch die Schule von Pont-Aven in der Bretagne, Cézanne in der Provence,
die Maler in L’Estaque bei Marseille, die Fauves in Collioure oder Picasso an der Côte d’Azur
beteiligten sich, jeder auf seine Art, an der Neuentdeckung der Küsten. Romane, Filme,
Fernsehen, Journalismus und Mode schufen oder wiederentdeckten die Romantik der Häfen,
die malerische Welt der kleinen Fischer, die Psychologie der alten Kaufmannstraditionen, die
Geschichte und die Abenteuer des Meeres, die Verführung der Kunst, den schönen Schein der
Seebäder, den Hedonismus der Strände, des Sandes, des Wassers und der Sonne: Marseille,
Honfleur, Saint-Tropez... Es gibt nicht einen Küstenabschnitt und nicht einen Hafen, der nicht
seine Maler, seine Ausstellungen, seine Filmemacher, seine Romanciers hätte.
Der Massentourismus findet folglich an den Küsten Frankreichs alle Elemente der Verlockung.
In einem Land, in dem rund zwei Drittel der Bevölkerung im Urlaub verreisen und das die
meisten ausländischen Besucher aufweist (im Jahr 2000 75,5 Millionen Touristen), sind die
Küsten die sommerlichen Hauptreiseziele. Große Anziehung üben die Küsten auch auf
Dauergäste, insbesondere Ruheständler, aus sowie, in den schönsten Gegenden, vor allem am
Mittelmeer, auf die Unternehmen des Dienstleistungssektors und der High-Tech-Branche. So
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verdoppelt oder verdreifacht sich eine ohnehin schon hohe Bevölkerungszahl in den zwei oder
drei Sommermonaten. Und auch wenn die Freizeitgewohnheiten sich verändern, bleiben die
Küsten doch die Hauptreiseziele in Frankreich. Hierher zieht es rund ein Drittel aller Urlauber in
der kurzen Sommersaison.
Die Küsten fördern auch die Freizeitbranche. Die Zahl und Größe seiner Jachthäfen sowie die
Bedeutung seiner Produktion von Segel- und Schlauchbooten, von denen 40 % exportiert
werden, platzieren Frankreich europa- und sogar weltweit an erster Stelle. Die
Haupteinnahmequelle der Küstenregionen ist der Tourismus mit einem Jahresvolumen von 290
Milliarden Franc. Sein Umsatz ist zwölf Mal höher als der der Fischerei und fünfzehn Mal höher
als der der Seehäfen.
Der Vielfalt der Seebäder und ihres jeweiligen Stils entspricht die Vielfalt der französischen
Küsten, die alle Möglichkeiten bieten. Alte Badeorte wie Trouville und Deauville an der Küste
der Normandie, die geradezu die Urahnen, die eleganten und ein wenig snobistischen Pioniere
unter den Seebädern sind, wo man noch heute Marcel Proust oder Claude Monet begegnen
könnte... Der weltweite Ruhm der Côte d’Azur von Cannes über Nizza bis Monte Carlo mit
Filmstars, Jazzgrößen, Erdölscheichs und russischen Financiers neben den Größen des „Show
Bizz“...
Der mit staatlicher Unterstützung erfolgte Ausbau der touristischen Infrastruktur an der Küste
des Languedoc-Roussillon zur Beherbergung der sonnen- und strandhungrigen
Urlaubermassen der Mittelschicht Frankreichs und Nordeuropas... Die Familienurlaubsorte und
die vielfältigen touristischen Angebote zwischen Loire und Gironde, die zauberhaften
Landschaften und das gemäßigte Klima, die einfachen Badeorte, die gehobene Küche mit ihren
Spezialitäten aus Meeresfrüchten, die noch unverfälschte Natur, die Schönheit der Inseln
Noirmoutier, Oléron, Yeu und Ré...
Die Wirtschaftstätigkeit
Frankreichs Küsten werden in erster Linie durch die Freizeit- und Tourismusindustrie genutzt.
Seine Seewirtschaft ist zur Zeit von geringerer Bedeutung.
Die überaus zahlreichen Fischereihäfen, rund 300 an der Zahl, verteilen sich über die gesamte
Küste. Durch die Anlieferung frischer Produkte für die Sommergäste und durch ihr Lokalkolorit
sind sie auch Teil der Tourismuswirtschaft. Die französische Fischerei muss sich sozial,
wirtschaftlich und rechtlich an die EU Richtlinien anpassen, was nicht immer ohne Konflikte
verläuft. Gemessen an der Fangtonnage steht die französische Fischereiflotte in der
Europäischen Union hinter Dänemark, Spanien und Großbritannien an dritter Stelle, aber weit
abgeschlagen hinter den weltweit größten Fischereinationen Russland, des Fernen Ostens und
Südamerikas.
Die Wirtschaftstätigkeit ist geographisch stark auf die südliche und westliche Küste der
Bretagne (40 % der Fänge; Le Guilvinec als größter französischer Hafen vom Umschlagswert
her), auf Boulogne an der Küste des Pas-de-Calais (größter französischer Hafen von der
Tonnage her) und auf einige Häfen der Normandie, der Vendée und der Charente konzentriert.
Vor allem bei Marennes und auf der Ile d’Oléron, im Bassin d’Arcachon und an der Küste der
Basse-Normandie ergänzen die Austern- und die Muschelzucht diese Wirtschaftstätigkeiten mit
hohem Mehrwert. Auf den Märkten für Frischfisch und Fischerzeugnissen ist eine zunehmende
Globalisierung erkennbar.
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Die französischen Reeder investieren im Ausland, insbesondere in Marokko, im Senegal
und in Madagaskar. Aber die Fischgroßhändler und die Konservenfabriken müssen auf Importe
zurückgreifen.
Die Passagierhäfen beschränken sich auf kurze Streckenverbindungen: auf den ÄrmelkanalVerkehr ab Calais, dem mit jährlich 20 Millionen Reisenden größten französischen
Passagierhafen und einem der weltweit größten, außerdem ab Boulogne, Dieppe, Le Havre,
Caen, Cherbourg und Saint-Malo, sowie auf den Schiffsverkehr von und nach Korsika ab
Marseille, Nizza und Bastia. Zu erwähnen sind noch die Anlaufstationen der Kreuzfahrtschiffe in
fast allen diesen Häfen sowie in Fort-de-France und in Pointe-à-Pitre auf den Antillen.
Die Werften von Saint-Nazaire am Atlantik haben sich beim Bau großer Kreuzfahrtschiffe, die
fast alle für ausländische Reedereien bestimmt sind, auf den weltweit ersten Platz
emporgearbeitet.
Die Handelshäfen nehmen aufgrund ihrer Vielfalt, ihrer Lage, ihrer hochwertigen Einrichtungen,
ihrer technischen Leistungen und ihrer Kapazität in Europa und weltweit einen beneidenswerten
Platz ein.
Marseille, am Mittelmeer und im Mündungsgebiet der großen Achse Saône-Rhône gelegen, ist
mit 90 Millionen Tonnen Umschlag (1998) der größte Hafen Frankreichs und der drittgrößte der
Europäischen Union. Le Havre, am Ärmelkanal und nicht weit von Paris gelegen und somit der
Meereszugang des Pariser Beckens, steht mit 65 Millionen Tonnen innerhalb Frankreichs an
zweiter und innerhalb Europas an fünfter Stelle.
Wichtige Industrieansiedlungen ergänzen die Hafeneinrichtungen. Sechs große autonome
Häfen besitzen einen Sonderstatus und genießen die besondere Fürsorge des Staates:
Dünkirchen, Le Havre, Rouen, Nantes und Saint-Nazaire, Bordeaux, Marseille und Pointe-àPitre. Große Projekte werden in Le Havre mit dem „Port 2000“ realisiert. Der internationale
Handelsverkehr nimmt stetig zu.
Mehr als die Hälfte der französischen Importe und über ein Viertel der Exporte werden auf dem
Seeweg transportiert.
Dennoch kann die Situation der Häfen und des Seehandels in Frankreich nicht wirklich
zufriedenstellend genannt werden. Die französische Handelsmarine ist geschrumpft und nimmt
nur noch den 28. Platz weltweit ein, nachdem sie sich lange unter den zehn größten halten
konnte.
Der Wettbewerb zwischen den europäischen Häfen ist sehr heftig, und die größten
französischen Häfen könnten in Schwierigkeiten geraten, wenn sich der Trend zur
Konzentration des Verkehrs auf einige große Zentren fortsetzen würde, insbesondere beim
Containerverkehr, der ertragstärksten Sparte. Marseille hält seinen Rang unter den größten
Häfen Europas am Mittelmeer nur durch die Importe von Erdöl- und Erdgas. Bordeaux, La
Rochelle und Nantes am Atlantik spielen eher eine Nebenrolle. Am Ärmelkanal profitieren Le
Havre, Rouen und Dünkirchen von dem großen Seeverkehrsaufkommen der großen
nordeuropäischen Handelsroute entlang der Küsten von Le Havre bis Hamburg.
Die Militärhäfen ergänzen die Skala einer Seewirtschaft, die zwar sehr aktiv, aber nicht ohne
Probleme ist. Die französische Marine hat Brest und Toulon zu ihren beiden Hauptstützpunkten
gemacht und profitiert von deren geschützten Reeden und der außergewöhnlichen Wassertiefe.
Cherbourg und Lorient spielen eine ähnliche Rolle. Die militärischen Einrichtungen und die
Arsenale, in denen die Kriegsschiffe gebaut, ausgerüstet und repariert werden, beschäftigen
viele Arbeiter, Ingenieure und Techniker. Ein starker Trend zur Rüstungsbegrenzung und
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Rationalisierung führt allerdings zu einem sehr deutlichen Rückgang. So bleiben auch die
Militärhäfen nicht vom Rückgang der Wirtschaftstätigkeit in diesem Bereich verschont.
Allgemeiner gesagt: ein Netz maritimer Einrichtungen droht zu verschwinden. Es verdankte, seit
dem 18. Jahrhundert mit Colbert, viel und sicherlich zu viel staatlicher Protektion. Es war
wirtschaftlich und sozial stark geschützt. Es war eng verbunden mit zahlreichen zugehörigen
Industriezweigen oder Schwerindustrien, die verschwanden oder zumindest ihre
Beschäftigtenzahlen reduzieren mussten. Es ist bezeichnend, dass fast alle um einen Hafen
organisierten Wirtschaftszonen eine Arbeitslosenquote verzeichnen, die deutlich über dem
nationalen und dem jeweiligen regionalen Durchschnitt liegen. Der Kontrast zum Erfolg des
Tourismus in den Küstenregionen ist um so auffallender.
Raumordnung und Küstenschutz
Wie in jedem anderen Land stellen die Küstenregionen sowohl einen sensiblen Naturraum als
auch ein Kulturerbe dar. Die Öffentlichkeit und der Staat haben dies nach dem Piquard-Bericht
von 1973 und dem Küstenschutzgesetz von 1986 begriffen. Der Naturraum stellt im Idealfall die
Vision einer noch unberührten Natur, einer durch das Industriezeitalter und die Freizeitkultur
nicht beeinträchtigten Schönheit, einer engen Beziehung zwischen Mensch und Natur wieder
her. Die Küstenregionen erscheinen als Museum von Landschaften, die aufgrund ihrer Form,
ihres Klimas, ihrer Flora und ihrer Fauna diesen Bedürfnissen entsprechen. Die wichtigsten
Küstenformen wurden von Generationen von Wissenschaftlern und ganzen Scharen von
wissenschaftlichen Gesellschaften untersucht: die Felsen der Sedimentbecken oder der
erdgeschichtlich
alten
Gesteinsmassive,
die
Strände
und
Dünenketten
der
Schwemmlandküsten, die von Sümpfen, Strandseen und Schlickzonen gesäumten
Trichtermündungen und Deltas. Alle diese Landschaften wechseln sich an den französischen
Küsten ab, so dass diese nie monoton wirken.
Aber dieser Naturraum ist auch ein nationales Kulturerbe - aufgrund der Gemeinschaften, die
ihn genutzt oder besiedelt haben und dies teilweise noch heute tun und ihn sehr oft mit mehr
Achtung behandeln, als dies die Urlaubermassen oder die Industrie tun können.
So bemüht man sich, historische Stätten, Hafenstädte, alte Fischerhäfen, Industriebrachen,
Festungen, Leuchttürme, Kapellen und verschiedenste archäologische Überreste zu schützen,
in denen Natur und Geschichte verschmelzen.
Die Gefahren, die die Küsten und ihr Erbe bedrohen, sind beträchtlich, da der Kontakt von Meer
und Land, der Kontakt der Menschen mit diesem besonderen Naturraum auch fast immer ein
Konflikt ist. Die Gefahren sind naturgegeben, wenn es stürmt, wenn Erosion Felsen und Dünen
angreift, wenn anderswo Land angeschwemmt wird. Wenn sich die klimatischen
Veränderungen auf unserem Planeten fortsetzen, könnten sie diese Schäden verstärken, vor
allem an den Küsten des Ärmelkanals und des Atlantiks, wie die heftigen Stürme von 1999
gezeigt haben.
Aber es gibt auch vom Menschen ausgehende Bedrohungen, die ausnahmslos auf die
Wirtschaftstätigkeit unserer Zeit zurückzuführen sind: Gefahren für das Meer durch
Schiffshavarien, durch schleichende oder massive Verunreinigungen durch Erdöl, wobei sich
am Eingang des Ärmelkanals und an seiner engsten Stelle eine sehr sensible Zone befindet, da
hier ein außerordentlich dichter Verkehr herrscht; Gefahren durch die Industrie- und
Hafenzonen, die aus den drei großen Mündungsgebieten der Seine, der Loire und der Gironde
sowie aus der Region um Marseille sowie das Rhône-Delta besonders gefährdete Gebiete
machen.
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Und auch Gefahren durch die starke Konzentration
touristischer
Gefahren, die zwar weniger dramatisch, aber dennoch nicht weniger groß sind.
Einrichtungen,
Doch die größte Gefahr ist die Kombination aller dieser Gefährdungen, das sehr verworrene
Netz der entgegengesetzten kollektiven und individuellen Interessen sowie die Unfähigkeit, die
Partikularinteressen dem Wesentlichen unterzuordnen. Denn die Doktrin, die sich schrittweise,
gegen nuancenlose Grundsätze, durchsetzt, besagt, dass ein Gleichgewicht in einem
konzeptionellen Dreieck gefunden werden muss, in dem Städtebau und Tourismus,
Industrialisierung und Hafenanlagen, Schutz der Natur und Schutz des Kulturerbes vereint
werden und sich gegenseitig fördern anstatt behindern.
Seit dreißig Jahren betreibt die öffentliche Hand eine Raumordnungs- und Küstenschutzpolitik,
die diesen Zielen dienen soll. Seit Anfang der 70er Jahre war die innovativste und beharrlichste
Arbeit der Schutz eines beträchtlichen Teils der Küsten vor einer ungesteuerten Bebauung und
unkontrollierten Industrialisierung. Das Conservatoire du littoral et des rivages lacustres, die
Behörde zum Schutz der Küsten und Seeufer, eine der wichtigsten in den 70er Jahren
geschaffenen Einrichtungen, deren Arbeit durch die des Office national des forêts (Nationale
Waldbehörde) ergänzt wird, besitzt inzwischen rund 20 % der Grundstücke an den Küsten.
Um die Kontrolle der Schifffahrt in den sensibelsten Gebieten, insbesondere vor Brest und im
Ärmelkanal sicherzustellen, wurden verschiedene Vorkehrungen getroffen, aber diese müssten
durch europäische Maßnahmen ergänzt werden. Die großen Hafen- und Industrieanlagen, die
für die wirtschaftliche Entwicklung unerlässlich sind, sind Teil der teilräumlichen
Infrastrukturvorgaben (DTA).
Seine drei Küstenlinien am Ärmelkanal und an der Nordsee, am Atlantik und am Mittelmeer
verschaffen Frankreich eine sehr wertvolle Küsten- und Meeresposition. Auch für Europa stellen
sie einen Reichtum dar, da sie heute länderübergreifend genutzt werden.
Die Küsten des französischen Mutterlandes
(Zu Übersee siehe den Artikel „Die französischen Überseegebiete“)
Legende:
Städte mit mehr als einer Million Einwohnern
Städte mit mehr als 400.000 Einwohnern
Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern
Bekannte Tourismuszentren
Andere Gebiete mit intensiver touristischer Nutzung
Bedeutende Handelshäfen
Bedeutende Passagierhäfen
Militärhäfen
Fischereihäfen
Touristisch erschlossene Küsten
Sehr sensibler Bereich
Literatur zum Thema:
Schirmann-Duclos (D.) et Laforge (F.), La France et la mer, PUF, 1999.
*Armand Frémont ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Delegation für
Raumordung und regionale Entwicklung (DATAR).
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Für diesen Artikel zeichnet nur der Verfasser verantwortlich.