Der entgeltliche Pflichtteilsverzicht

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Der entgeltliche Pflichtteilsverzicht
RECHT
Andrea Kaiser
Der entgeltliche
Pflichtteilsverzicht
Entgeltlicher Erbverzichtsvertrag als Ausnahme vom unentziehbaren Erbteil
die auf diese Weise gebildete MasDas schweizerische Erbrecht schützt die dem Erblas- wird
se zum Verkehrswert im Zeitpunkt des
ser besonders nahestehenden Personen vor willkürli- Todes bewertet [1].
chen Handlungen des Erblassers, indem es – besondere Enterbungsgründe vorbehalten – einen Teil des 2. Der Verzicht
sind verschiedene Formen des
ihnen von Gesetzes wegen zustehenden Erbteils für Möglich
Verzichts. Der in der Praxis wohl häuunentziehbar erklärt. Und doch sind Ausnahmen von figste Fall ist der vollständige Verzicht
jegliche Erbansprüche. Daneben
diesem Grundsatz möglich: Der Erblasser kann mit auf
kommt aber auch der Verzicht auf den
dem Erben einen Vertrag abschliessen, wonach dieser Pflichtteil unter Vorbehalt des gesetzlichen Erbrechts oder der Verzicht unter
auf seinen Pflichtteil (teilweise) verzichtet.
Pflichtteilsvorbehalt vor. Im ersten Fall
Im folgenden werden die Voraussetzungen und die Möglichkeiten eines
solchen Vertrages dargestellt. Ausserdem soll kurz umrissen werden, welchen Schutz das Gesetz den Miterben
sowie den Erbschaftsgläubigern zukommen lässt. Ausgangspunkt der
folgenden Darstellung bildet der
Sohn, der zum Aufbau seines Unternehmens bereits zu Lebzeiten seiner
Eltern einen grösseren Geldbetrag
benötigt und deshalb mit diesen einen
entgeltlichen Erbverzichtsvertrag abschliesst.
Zur Berechnung des Pflichtteils sind
nicht nur die bei der Abwicklung des
Nachlasses noch vorhandenen Aktiven
zu berücksichtigen, sondern auch die
bereits zu Lebzeiten ausgerichteten
Leistungen des Erblassers, sofern sie
der Ausgleichung oder Herabsetzung
unterliegen. Ferner sind u.U. gewisse
Versicherungsansprüche hinzuzurechnen (Art. 476 ZGB). Mit Ausnahme
der landwirtschaftlichen Grundstücke
1. Der Pflichtteil
Pflichtteil heisst jener Teil des gesetzlich vorgesehenen Erbanspruchs, der
besonders Nahestehenden in unentziehbarer Weise zusteht und vom
Erblasser nicht beschränkt werden darf
(Art. 471 ZGB). Geschützt sind nach
geltendem Recht der Ehegatte sowie
die Nachkommen und Eltern des
Erblassers. Die Eltern erlangen allerdings nur dann von Gesetzes wegen
Erbenstellung, wenn keine Nachkommen vorhanden sind (Art. 458 ZGB).
Der Schweizer Treuhänder 10/02
Andrea Kaiser, Advokatin, Prokuristin
Rechtsabteilung, Ernst & Young AG,
Basel
erlangt der Erbe die einfache Stellung
eines nicht geschützten Erben, weshalb
er vom Erblasser durch eine Verfügung
von Todes wegen ganz oder teilweise
von der Erbfolge ausgeschlossen werden darf. Beim Verzicht unter Pflichtteilsvorbehalt geht der den Pflichtteil
übersteigende Erbanspruch unter.
Selbstverständlich steht es dem Erben
frei, sich auch nur einen Teil seines
Pflichtteils vorzubehalten.
Der Verzicht kann auch mit Bedingungen verbunden werden. Das Gesetz
selbst sieht zwei solcher Bedingungen
vor: Zum einen wird der Verzicht hinfällig, wenn er zugunsten bestimmter
Erben ausgesprochen wurde und diese
aus irgendeinem Grund die Erbschaft
nicht antreten können (Art. 496 Abs. 1
ZGB). Zum anderen fällt der Verzicht
dann dahin, wenn er zugunsten von
Miterben der gleichen Parentel [2] erfolgte und wenn im Zeitpunkt des Erbfalls weder diese Miterben selbst noch
ihre Nachkommen als Erben berufen
sind (Art. 496 Abs. 2 ZGB). Da der
Ehegatte nicht zur Parentelenordnung
gehört, wird der Verzicht nach Abs. 2
unwirksam, wenn die Angehörigen der
Parentel des Verzichtenden weggefallen sind, der Ehegatte aber überlebt
hat. Der Ehegatte und der Verzichtende teilen sich somit die Erbschaft [3].
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Andrea Kaiser, Der entgeltliche Pflichtteilsverzicht
Vorbehältlich einer anderslautenden
Vereinbarung wirkt der Verzichtsvertrag auch gegenüber den Nachkommen des Verzichtenden. Keine Rolle
spielt es dabei, ob der Verzichtende
eine Abfindung erhalten hat und ob er
den Erbfall überhaupt erlebt (Art. 495
Abs. 3 ZGB). Stellt sich der Erbverzicht im Nachhinein als wirkungslos,
d.h. unnötig heraus, so dürfen die effektiven Erben eine bereits geleistete
Abfindung nicht mehr zurückfordern.
Um einen solchen Fall handelt es sich
beispielsweise dort, wo der verzichtende Sohn, ohne Nachkommen zu
hinterlassen, vor seinem verwitweten
Vater stirbt. Die Tochter als einzige
Erbin kann die an den Bruder geleistete Abfindung nicht mehr zurückverlangen [4].
tische Grenzen gesetzt [9]. Irrelevant
ist ferner, ob die Gegenleistung dem
Verzichtenden oder einem Dritten zugesprochen wird und zu welchem Zeitpunkt sie ausgerichtet werden soll, ob
noch zu Lebzeiten des Erblassers oder
erst auf dessen Todesfall [10]. Eine Abfindung auf den Todesfall liegt z.B.
dann vor, wenn derjenige, zu dessen
Gunsten verzichtet wurde, verpflichtet
wird, dem Verzichtenden ein Vermächtnis auszurichten [11], oder wo der Verzichtende durch das Ausrichten einer
Rente abgesichert werden soll.
Die Frage, wem der durch den Verzicht
frei werdende Teil zugute kommen
solle, haben Bundesgericht und Lehre
in dem Sinn entschieden, dass der Erblasser frei darüber solle verfügen können [5]. Die Pflichtteile der Miterben
werden vom Verzicht somit nicht tangiert.
4.1 Form des Verzichts
3. Die Entgeltlichkeit
Die Motive für einen entgeltlichen
Erbverzicht sind vielfältig. Denkbar ist,
dass der Präsumtiverbe bereits zu Lebzeiten des Erblassers grössere Geldbeträge benötigt (z.B. zum Aufbau einer
eigenen Existenz) oder die Familienangelegenheiten bereinigt wissen möchte,
ehe er auswandert [6]. In Frage kommen aber auch die Nachfolgeregelung
in grösseren Unternehmen [7] oder die
Situation, dass anlässlich der Nachlassliquidation mit grösseren Schwierigkeiten zu rechnen ist und der Querulant
deshalb schon vorzeitig abgefunden
werden soll [8].
Als Abfindung in Frage kommt alles,
was für den Verzichtenden von Nutzen
ist und von ihm als erstrebenswert
erachtet wird. Ob der Verzichtende
durch eine bloss teilweise Entschädigung oder durch die Ausrichtung des
vollen Äquivalents abgegolten werden
soll, bleibt den Parteien überlassen.
Aufgrund der Ungewissheit der künftigen Vermögensentwicklung sind einem
vollständigen Ausgleich allerdings prak890
4. Die Rechtsnatur des
Erbverzichtvertrages
Ein Verzicht auf erbrechtliche Ansprüche ist nur in der Form des Erbverzichtvertrages möglich. Nach herrschender
Lehre handelt es sich dabei um ein
Rechtsgeschäft von Todes wegen [12]
und nicht um eine eigentliche Verfügung von Todes wegen. Dies deshalb,
weil der Erblasser lediglich die Erklärung des Verzichtenden entgegennimmt, ohne selbst von Todes wegen
zu verfügen. Die von ihm zugesicherte
Gegenleistung stellt eine Handlung
unter Lebenden dar. Trotz diesen Besonderheiten kommen aber die allgemeinen Bestimmungen über die Verfügungen von Todes wegen zur Anwendung [13].
Da der Erbverzichtsvertrag nicht nur
ein Rechtsgeschäft von Todes wegen
darstellt, sondern gleichzeitig auch die
Merkmale eines Vertrages aufweist,
kommen auf ihn im übrigen auch obligationenrechtliche Grundsätze zur
Anwendung. Sofern das ZGB für den
Erbvertrag eine Spezialnorm vorsieht,
geht diese vor. Ansonsten gilt es, für
jeden Problemkreis eine eigenständige
Lösung zu suchen [14].
4.2 Die Rechtsnatur
im engeren Sinn
Die Rechtsnatur des Erbverzichtvertrages mit Abfindungsvereinbarung ist
heftig umstritten. Mit der neueren
Lehre wird auch vorliegend davon ausgegangen, dass die Parteien einen Austausch von Leistungen (Abfindung und
Verzicht) beabsichtigen und es sich damit um einen synallagmatischen Vertrag handelt [15].
5. Das nachträgliche
Ungleichgewicht
Ändern sich die Verhältnisse nach Abschluss des Vertrages gravierend, indem
z.B. dem Erblasser unvorhergesehenerweise beträchtliches zusätzliches Vermögen zukommt oder der Verzichtende unerwarteterweise verarmt, so kann
das Bedürfnis nach einer Änderung der
getroffenen Vereinbarung bestehen.
Haben die Parteien in den Erbverzichtsvertrag eine Anpassungsklausel
integriert, sind die Verhältnisse klar.
Häufig wird in Erbverzichtsverträgen
jedoch eine solche Norm fehlen. Da die
Vermögensentwicklung nicht sicher
vorhergesagt werden kann, fallen in
der Regel sowohl ein Grundlagenirrtum als auch die Berufung auf die
clausula rebus sic stantibus nicht in Betracht [16].
Nach Art. 513 Abs. 2 ZGB kann der
Erblasser einen Erbeinsetzungs- oder
Vermächtnisvertrag einseitig aufheben,
wenn nachträglich ein Enterbungsgrund
eintritt. Beim Erbverzicht hat der
Verzichtende seine Erbenstellung jedoch bereits aufgegeben, weshalb
dieser Artikel keine Anwendung finden kann. Der Erblasser kann die
bereits geleistete Abfindung deshalb
nur dann zurückfordern, wenn er sich
durch eine entsprechende Anpassungsklausel abgesichert hat [17].
Erhält der Verzichtende die ihm für
den Pflichtteilsverzicht zugesicherte
Gegenleistung nicht, so kann er nach
Art. 514 ZGB vom Vertrag zurücktreten. Entsprechend Art. 102 OR hat er
den Erblasser in Verzug zu setzen, ehe
ihm nach unbenutztem Ablauf der
Nachfrist die Wahlmöglichkeiten nach
Art. 107–109 OR offenstehen.
Ob dem Erblasser ein zu Art. 514 ZGB
analoges Rücktrittsrecht zusteht, falls
sich der Verzicht des Präsumtiverben
als ungültig erweisen sollte, ist umstritDer Schweizer Treuhänder 10/02
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ten. Relevant wird diese Frage insbesondere dort, wo der Verzichtende infolge Urteilsunfähigkeit oder Unmündigkeit den Vertrag überhaupt nicht
abschliessen konnte. Geht man wie
vorliegend davon aus, dass der entgeltliche Erbverzicht ein synallagmatischer
Vertrag ist, so erübrigt sich die analoge
Anwendung von Art. 514 ZGB, da der
Vertrag ohnehin nichtig ist.
6. Die Verletzung der
Pflichtteile bei den Miterben
Erhält der Verzichtende eine zu hohe
Abfindung, können die Pflichtteile der
Miterben verletzt werden. Art. 535
Abs. 1 ZGB sieht deshalb vor, dass die
Miterben in einem solchen Fall die
Herabsetzung verlangen können. In
einem ersten Schritt wird der Abfindungsbetrag daher zum Nachlass hinzugerechnet. Ob er effektiv herabzusetzen ist, ergibt sich anhand der in
Art. 532 ZGB festgelegten Reihenfolge: Nur wenn die Pflichtteile der Miterben nicht durch die Herabsetzung
letztwilliger Verfügungen oder jüngerer lebzeitiger Verfügungen gewahrt
werden können, wird die Abfindung
herabgesetzt [18], wobei aber der
Pflichtteil des Verzichtenden zu wahren ist (Art. 535 Abs. 2 ZGB). Er darf
also nicht schlechter gestellt werden,
wie wenn er nicht verzichtet hätte.
Inhalt und Umfang der herabsetzbaren
Leistung bestimmen sich nach Art. 528
Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 630 ZGB. Der
Restitutionsbetrag betrifft deshalb den
ganzen Abfindungsbetrag mit Ausnahme der Nutzungen. Da der Verzichtende weiss, dass es anlässlich der
Teilung des Nachlasses zu einer Herabsetzung kommen könnte, wird er ersatzpflichtig, wenn den Miterben aus
der Übernutzung der Sache ein Schaden erwächst [19]. Keine Rolle spielt es
dabei, ob der den Pflichtteil übersteigende Betrag beim Verzichtenden
überhaupt noch vorhanden ist [20].
Wird noch vor der Teilung von den Miterben gegenüber dem Verzichtenden
eine Herabsetzungsklage geltend gemacht, so steht diesem das Wahlrecht
offen, ob er die Herabsetzung der empfangenen Leistung erdulden oder den
Der Schweizer Treuhänder 10/02
Erbverzichtsvertrag einseitig aufheben, die Abfindung in den Nachlass
einwerfen und an der Teilung partizipieren will. Entscheidet er sich für die
Aufhebung des Erbverzichtvertrages,
so erlangt er wieder die volle Erbenstellung, was dazu führt, dass er auch
wieder für die Erbschaftsschulden haftbar gemacht werden kann [21].
Auch wenn der Abgefundene nur auf
den seinen Pflichtteil übersteigenden
Erbanspruch oder auf einen Teil seines
Pflichtteils verzichtet hat, können die
Pflichtteile der Miterben verletzt werden. Da dem nur teilweise Verzichtenden für den übrigen Teil weiterhin Erbenstellung zukommt, richtet sich die
Herabsetzung in diesem Fall nicht nach
Art. 527 Ziff. 2 ZGB, sondern – wie
wenn kein Verzicht vorliegen würde –
nach Art. 527 Ziff. 1 ZGB. Überdies ist
die Ausgleichung möglich, sofern sie
angeordnet (Art. 626 Abs. 1 ZGB) bzw.
nicht ausdrücklich wegbedungen (Art.
626 Abs. 2 ZGB) wurde. Den Miterben
steht folglich mittels der Ausgleichung
die Möglichkeit offen, ihren gesamten
gesetzlichen Erbteil zu beanspruchen
[22]. Den Verzichtenden bringt dies in
die u.U. ungemütliche Lage, dass er
sich zusätzlich zur Ungewissheit über
die erblasserische Vermögensentwicklung viele Jahre später einer Ausgleichung ausgesetzt sehen kann. Er ist
daher gut beraten, anlässlich der Ausformulierung des Erbauskaufvertrages
auch die Frage einer allfälligen Ausgleichung zu regeln.
noch herrschender Lehre) die schuldbetreibungsrechtlichen Rechtsbehelfe
versagt haben [24] und muss die Abfindungszahlung innerhalb der letzten
5 Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgt sein. Nicht massgebend ist somit
der Vertragsschluss selbst. Im übrigen
setzt eine erfolgreiche Anwendung von
Art. 497 ZGB voraus, dass der Abgefundene im Zeitpunkt des Erbganges
aus der Gegenleistung noch bereichert
ist (Art. 62 ff. OR).
Dabei handelt es sich um eine subsidiäre Haftung, die nur dann greift,
wenn durch die annehmenden Erben
sowie den Nachlass selbst keine Befriedigung der Erbschaftsgläubiger möglich ist. In analoger Anwendung von
Art. 495 OR dürfen die Gläubiger den
Verzichtenden erst dann zur Zahlung
anhalten, wenn die Voraussetzungen,
die für den Rückgriff des Gläubigers
auf den einfachen Bürgen gelten, sinngemäss erfüllt sind [25]. Andernfalls
steht dem Verzichtenden die Einrede
der Vorausklage zu [26].
Umstritten ist, wie lange die Gläubiger
den Schutz von Art. 497 ZGB anrufen
können. Aufgrund des in Art. 497 ZGB
enthaltenen Verweises auf das Bereicherungsrecht liegt es nahe, auch dessen Verjährungsregeln anzuwenden.
Es ist daher von einer relativen Verjährungsfrist von einem Jahr und einer
absoluten Verjährungsfrist von 10 Jahren auszugehen [27]. Diesbezügliche
Entscheide des Bundesgerichts sind
allerdings – soweit ersichtlich – noch
ausstehend.
7. Der Gläubigerschutz
Verzichtet der Pflichtteilserbe gänzlich
auf seinen Erbteil, so erwirbt er im Erbgang nicht nur keine Aktiven, sondern
er haftet auch nicht mehr für die Erbschaftsschulden. Dadurch wäre es dem
Erblasser grundsätzlich möglich, sein
Vermögen durch Erbauskauf auf seine
Nachkommen zu übertragen und sich
anschliessend zum Nachteil seiner
Gläubiger zu verschulden. Unter gewissen Voraussetzungen sieht das Gesetz daher eine Haftung des Verzichtenden vor (Art. 497 ZGB). Erforderlich
ist nicht nur eine momentane Illiquidität, sondern eine regelrechte Überschuldung [23]. Zudem müssen (nach
8. Schlussbetrachtungen
In der Praxis zeigt sich, dass nur relativ
selten ein entgeltlicher Erbverzichtsvertrag abgeschlossen wird. Dies ist
zum einen auf das heikle Thema zurückzuführen, hängt zum anderen aber
wohl auch mit der unausgewogenen
Ausgestaltung dieses Instituts zusammen: Verändern sich im Laufe der Zeit
die Verhältnisse des Erblassers zugunsten seiner Nachkommen, können nur
diejenigen von diesem Vermögenszuwachs profitieren, denen überhaupt
noch Erbenstellung zukommt. Dem
vollständig Verzichtenden ist somit die
891
RECHT
Andrea Kaiser, Der entgeltliche Pflichtteilsverzicht
Berufung auf veränderte Verhältnisse
grundsätzlich verwehrt. Demgegenüber muss der Verzichtende stets damit
rechnen, dass er die erhaltene Abfindung zur Ausgleichung bringen muss
oder dass sie der Herabsetzung unterliegt. Stirbt der Erblasser innerhalb der
ersten fünf der auf den Verzicht folgenden Jahre, so läuft der Abgefundene
zusätzlich Gefahr, auch noch für die
Erbschaftsschulden in Anspruch genommen zu werden.
Anmerkungen
1 Staehelin Daniel, in: Honsell Heinrich/Vogt
Peter Nedim/Geiser Thomas (Hrsg.), Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,
Schweizerisches Zivilgesetzbuch II, Art.
457–768 ZGB, Basel und Frankfurt am Main,
1998, Art. 474, Rz 14.
2 Der Begriff «Parentel» steht im Erbrecht für
alle Stammeshäupter mit ihren Nachkommen, die in gleicher Weise mit dem Erblasser
verwandt sind. Die Nachkommen des Erblassers gehören zur ersten Parentel, seine Eltern
sowie deren (nicht) gemeinsame Kinder zur
zweiten. Vgl. dazu: Staehelin (Fn 1), Vorbemerkungen zu Art. 457–466, Rz 3.
3 Breitschmid Peter, in: Honsell Heinrich/ Vogt
Peter Nedim/Geiser Thomas (Hrsg.), Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,
Schweizerisches Zivilgesetzbuch II, Art. 457768 ZGB, Basel und Frankfurt am Main,
1998, Art. 496 Rz 3; Tuor Peter, in: Berner
Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, Band III, das Erbrecht, I. Abteilung, die Erben, Art. 457–536, 2. Aufl., Bern,
1964, Art. 496, Rz 11; Escher Arnold, in: Zürcher Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, III. Band, das Erbrecht, 1. Abteilung, die Erben, Art. 457–536, 3. Aufl.,
Zürich, 1959, Art. 496, Rz 4.
4 Escher (Fn 3), Art. 496, Rz 11.
5 BGE 50 II 450; Escher (Fn 3), Art. 535, Rz 2;
Forni Rolando/Piatti Giorgio, in: Honsell
Heinrich/Vogt Peter Nedim/Geiser Thomas
(Hrsg.), Kommentar zum schweizerischen
Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch
II, Art. 457–768 ZGB, Basel und Frankfurt
am Main, 1998, Art. 535, Rz 2.
6 Druey Jean Nicolas, Testament und Erbvertrag – praktische Einsatzmöglichkeiten, in:
Breitschmid Peter (Hrsg.), Testament und
Erbvertrag, Bern und Stuttgart, 1991, S. 24;
Escher (Fn 3), Art. 495, Rz 2, 10.
7 Picenoni Vito, Der Erbvertrag in Theorie und
Praxis, in: ZGBR, 1967, S. 257 ff.
8 Tuor (Fn 3), Art. 495, Rz 10.
9 Breitschmid (Fn 3), Art. 495, Rz 6.
10 Unveröffentlichter BGE vom 25. Mai 2000,
5C.91/2000; Breitschmid (Fn 3), Art. 495, Rz 6.
11 Piotet Paul, in: Schweizerisches Privatrecht,
IV/1, Erbrecht, Basel und Stuttgart, 1978,
S. 455 sieht allerdings im Verzicht auf den
Pflichtteil gegen Ausrichtung eines Vermächtnisses gar keinen Pflichtteilsverzicht.
12 Tuor Peter/Schnyder Bernhard/Schmid Jörg,
Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Aufl.,
892
Zürich, 1995, S. 492; Picenoni Vito, Die Auslegung von Testament und Erbvertrag,
Zürich, 1955, S. 91; Büttiker Arnold, Der Erbverzicht nach Schweizerischem ZGB, Diss.
Bern, 1942, S. 43 ff.; a. M.: Piotet (Fn 11),
S. 174; Schmid Hermann, Struktur des entgeltlichen Erbverzichts gemäss Art. 495 Abs.
1 ZGB, Diss. Bern, 1991, S. 15.
20
21
22
13 Büttiker(Fn 12), S. 44.
14 Itschner Albert Johannes, Die Bindung des
Erblassers an den Erbvertrag, Diss. Basel,
1974, S. 132; Giacometti Laurent, Die Nacherbeneinsetzung als Verfügungsart im Erbvertrag sowie ihre Beschränkung in personeller und materieller Hinsicht, Diss. Zürich,
1972, S. 5; Grundler Yvo, Willensmängel des
Gegenkontrahenten beim entgeltlichen Erbvertrag, Diss. St. Gallen, 1998, S. 21.
15 Breitschmid (Fn 3), Vorbemerkungen zu Art.
494-497, Rz 6; vgl. allerdings bereits Eugen
Huber anlässlich der Erschaffung des ZGB:
Nachweis bei Grundler (Fn 14), S. 63.
23
24
25
16 Grundler (Fn 14), S. 128 ff.
26
17 Tuor (Fn 3), Art. 513, Rz 28.
18 Forni/Piatti (Fn 5), Art. 535, Rz 3.
19 Tuor Peter/Picenoni Vito, in: Berner Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Band III, das Erbrecht, II. Abteilung,
der Erbgang, Art. 537–640 ZGB, 2. Aufl.,
Bern, 1964, Art. 630, Rz 7 ff.; Escher Arnold,
27
in: Zürcher Kommentar zum Schweizerischen
Zivilgesetzbuch, III. Band, das Erbrecht,
2. Abteilung, der Erbgang, Art. 537–640,
3. Aufl., Zürich, 1959, Art. 630, Rz 15.
Escher (Fn 3), Art. 535, Rz 3.
Tuor (Fn 3), Art. 535/536, Rz 5.
Breitschmid (Fn 3), Art. 495, Rz 8; Escher (Fn
19), Art. 626, Rz 54.
Breitschmid (Fn 3), Art. 497, Rz 1; Piotet
Paul, La responsabilité du répudiant ou renonçant envers les créanciers successoraux
comparée aux solutions des art. 193 CC et 285
ss LP; in: ZGBR, 1993, S. 76; Wegmann Rudolf, Die Beschränkungen der subjektiven
Rechte des Erben durch Gläubiger, Miterben
und Ehegatten nach dem Recht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Diss. Zürich/Zug,
1937, S. 58.
Vgl. statt vieler: Escher (Fn 3), Art. 497, Rz 3;
a.M. Breitschmid (Fn 3), Art. 497, Rz 2.
Gübeli Christian A., Gläubigerschutz im Erbrecht, Diss. Zürich, 1998, S. 92.
Giovanoli Silvio, in: Berner Kommentar zum
Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Band IV,
das Obligationenrecht, 2. Abteilung, die einzelnen Vertragsverhältnisse, Art. 492–515
OR, Bern, 2. Aufl., 1978, Art. 495 OR, Rz 9 ff.
So auch Escher (Fn 3) Art. 497, Rz 7; a.M.
Breitschmid (Fn 3), Art. 497, Rz 4; Wegmann
(Fn 23), S. 110; Gübeli (Fn 25), S. 99.
RESUME
La renonciation à la réserve
légale à titre onéreux
En vertu du droit successoral suisse,
les proches parents du de cujus (disposant, défunt) ne peuvent pas être
privés contre leur gré d’une part de
leurs droits successoraux; il s’agit de
la réserve légale. Les ayants droit ont
toutefois la possibilité de renoncer à
leur réserve légale par pacte successoral. Un tel pacte peut prévoir soit une
renonciation pure et simple à tous les
droits successoraux ou seulement à la
réserve légale sous réserve des dispositions légales du droit successoral ou
encore aux droits successoraux à l’exception de la réserve légale. Dans tous
ces cas, la renonciation vaut aussi pour
les descendants du renonçant, sauf
disposition contraire. Lorsqu’une indemnité compensatoire est prévue,
celle-ci peut être attribuée au renonçant lui-même ou à un tiers et elle
peut être versée soit du vivant du de
cujus soit après son décès. Si le renonçant ne reçoit pas la contre-prestation
qui lui revient, il peut, en vertu de
l’article 514 CC, résilier le pacte successoral. Si l’indemnité compensatoire
lèse les réserves légales des cohéritiers, ces derniers peuvent formuler
une demande en réduction (art. 535,
al. 1, CC). De plus, en cas de renonciation partielle seulement, ils ont la
possibilité d’exiger une compensation
(rapport). La responsabilité du renonçant peut être engagée à des conditions strictes afin de ne pas léser les
droits des créanciers. Toutes ces circonstances, ajoutées au caractère délicat de cette institution, font que les
pactes de renonciation sont très peu
utilisés dans la pratique.
AK/MA
L’Expert-comptable suisse 10/02