Dr.HANS PETER HASELSTEINER Academy of Life 1
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Dr.HANS PETER HASELSTEINER Academy of Life 1
academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner Dr.HANS PETER HASELSTEINER Academy of Life 1. Tag: Galaabend am 12. November 2008 Frau Mag.Brigitte Ederer, Vorsitzende des Vorstandes der Siemens AG Österreich eröffnete den Abend und begrüßte mit der Moderatorin Barbara van Melle den Stargast. Nach einer Videozuspielung über den Werdegang des Industriellen und Politikers begann das Interview, das Sie in gekürzter Form nachlesen können. Redaktion: Peter Dusek BRIGITTE EDERER: Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der Academy of life, liebe Departmentleiter. Den heutigen Gast kenne ich noch aus einer ganz anderen Funktion, nicht aus der Wirtschaft, sondern ich war mit dem HPH, wie er in Kurzform heißt, gemeinsam im Parlament - nicht in einer gemeinsamen Fraktion, aber gemeinsam im Parlament. Ich freue mich schon ganz besonders darauf, weil er einfach einen bemerkenswerten Lebensweg hat und auch sehr offen darüber spricht, was man seiner Meinung nach nicht machen sollte, und über das was man vielleicht doch machen sollte und was einen stärkt. Ich darf Ihnen heue einen ganz spannenden Abend wünschen und jetzt die Moderatorin, Frau Barbara van Melle hier sehr herzlich begrüßen. Ich übergebe ihr das Podium und das Mikrofon. Vielen Dank. BARBARA VAN MELLE: Herr Dr. Haselsteiner, wir haben jetzt den kurzen biographischen Film über Sie gesehen. Bei der Academy of life sind Menschen eingeladen, die auf ihrem Lebensweg Außergewöhnliches erreicht haben. Bei Ihnen steht eine wirtschaftliche Kraft, eine Energie, dahinter, mit der Sie aus einem kleinen Kärntner mittelständischen Unternehmen einen Konzern gemacht haben, der auf dem Weg ist, in Europa die Nummer Eins zu werden. Und uns stellt sich die Frage, was befähigt einen Menschen auch mit dem Hintergrund seiner eigenen Biographie zu wirklich ganz Außergewöhnlichem in seinen Leistungen. Sie haben in einem Interview aus dem Jahr 2005 gesagt , dass es Zeit für eine neue Wirtschaftethik, eine neue Rollenverteilung ist, weil sie eine Krise befürchten. Jetzt haben wir die Finanzkrise. Wie visionär haben Sie vorausgesehen, was jetzt passiert ist? DR. HANS PETER HASELSTEINER: So sonderlich visionär finde ich das nicht. Die Debatte liegt schon zehn Jahre zurück und dieses Szenario wurde schon damals für mehr oder weniger wahrscheinlich eingestuft. Es gibt da umfangreiche Literatur und unzählige Debattenbeiträge. Ich hatte eine mir innewohnende - ich würde jetzt nicht sagen Angst – das wäre das falsche Wort, aber glücklicherweise ein Kontrollinstrument. Wenn alles besonders gut geht, frage ich mich immer: Was könnte diesen Verlauf beeinträchtigen, was habe ich falsch gemacht, oder was muss ich tun und so weiter. Und wenn man sich damit auseinandersetzt, musste man zwangsläufig darauf kommen, dass die Teilnehmer an diesem weltweiten Spiel - es ging ja nicht nur um Wirtschaften, es war immer auch sehr viel Casino dabei - das Spiel überziehen und dass dann irgendwann einmal eine Lawine losbricht. Dass unser Wirtschaften auf Vertrauen beruht ist ja eine Binsenweisheit und wenn das Vertrauen erschüttert ist, ist es schwierig, es wieder herzustellen. Das sehen wir jetzt und werden wir in den nächsten, hoffentlich nur Monaten und nicht Jahren sehen. BARBARA VAN MELLE: Wenn wir bei Ihrem eigenen Unternehmen bleiben, wie wirkt sich die Krise jetzt zum Beispiel in den Kernmärkten des Konzerns aus? DR. HANS PETER HASELSTEINER: 12.11.2008, abends Seite - 1 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Unternehmensbereiche, da werden gar nichts spüren. Zum Beispiel in Russland oder der Straßenbau in Polen. Da sind wir in Märkten tätig, wo die Krise nicht stark durchgeschlagen hat. Wir können uns gerne darüber unterhalten, warum ich der Meinung bin, dass die Krise in Russland als erstes überwunden sein wird, wo sie in die Realwirtschaft am wenigsten eindringt. Im Straßenbau in Polen haben wir so große Programme und so hohe Auftragsüberhänge, dass wir davon ausgehen, dass der Unternehmensbereich nicht leiden wird. Es wird aber Unternehmensbereiche geben, die sehr stark von der privaten Nachfrage abhängen, das sind zum Beispiel der Hochbau in Ungarn, oder der Hochbau in der Slowakei, wo wir davon ausgehen müssen, dass nach Abarbeitung des bestehenden Auftragüberhanges die private Nachfrage ausbleiben wird. Unter Umständen zur Gänze, vielleicht nur mehr mit 25%, so dass wir schon rechnen müssen, dass der Konzern insgesamt um 2 Milliarden schrumpfen wird. Ob es uns gelingen wird, diese ganzen 2 Milliarden durch andere Geschäftsfelder und durch neue Märkte wieder aufzuholen, das bezweifle ich stark. Wir werden uns bemühen, aber es wird sicherlich eine nennenswerte Lücke übrig bleiben, und wenn man das dann in Mitarbeitern und Kapazitäten umrechnet, dann sind es auf jeden Fall hunderte, unter Umständen auch tausende. BARBARA VAN MELLE: Sie haben gesagt, dass Sie mit der Auswirkung der Krise sicher nicht in diesem Jahr, aber dann ab 2010 rechnen. Sie haben mir erzählt, dass in ihrem Konzern nicht alle sofort auf die Krise angemessen reagiert haben, sondern dass das mit einer Verzögerung stattfindet. DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ich hatte am Wochenende eine Konzern-Tagung in Luzern und die Konzernspitze bei uns besteht aus 72 Führungskräften. Ich habe eigentlich angenommen, dass alle mit großer Depression nach Luzern fahren und niedergeschlagen sein werden. Zu meiner großen Überraschung hat mich ich da eine sehr positive Stimmung empfangen. Ich habe gesagt: „Bin ich im falschen Film, oder bin ich der Einzige, der sich Sorgen macht?“ Dafür gab es zweierlei Gründe. Einmal, weil viele oder einige glücklicherweise nicht betroffen sind, und das auch richtig erkennen. Und die anderen, weil sie sich ein bisschen der Hoffnung hingeben, dass der Auftragsüberhang, der ihnen ja weit ins Jahr 2009 hinein helfen wird, ausreicht, um neue Möglichkeiten im Markt zu erwerben. Da bin ich aber skeptisch und es ist natürlich die Aufgabe eines verantwortungsvollen Managements das Worst Case Szenario einmal zu zeichnen und sich darauf einzurichten und zu überdenken, was passiert, wenn, und dann einfach das Timing so zu setzen, dass der Konzern nicht gefährdet wird. BARBARA VAN MELLE: Es tauchen im Zuge dieser Finanzkrise plötzlich Wörter in den Wschaftsberichterstattungen auf, die dort sonst wenig Platz haben. Da geht es sehr stark um Wirtschaftsethik. Da geht’s zum Beispiel auch um den Begriff der Gier, die jetzt sehr viel zitiert worden ist. Wie wichtig ist die Gier für eine gesunde Wirtschaft? Gehört sie zum Wesen des Kapitalismus und auch zum Wesen das Menschen? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Dass der Mensch ein Egoist ist und seine ureigensten Interessen vertritt, das ist ja klar. Wenn man dann Gier sagt, dann ist es wertend, denn dann findet man, dass es übertrieben ist. Ich glaube, da haben viele dazu beigetragen und haben auch viele zugeschaut. Wenn Sie sich erinnern, vor wenigen Jahren wurde ein Wort geprägt: „Essern“. Ich weiß nicht, wer sich von den Anwesenden noch erinnert. Essern kommt vom Herrn Esser, der war seinerzeit Vorstandsvorsitzender von Mannesmann und hat es zustande gebracht mit einem millionenschweren Abwehrkampf zuerst Vodafon als Übernehmer zu bekämpfen. Und dann hat er sich doch geeinigt und hat dafür Abfindungen in einer unverschämten Höhe bekommen. Interessanter Weise hat nicht nur sein Aufsichtsratschef Ackermann zugestimmt, sondern auch der Gewerkschaftsboss, der in demselben Aufsichtsrat saß. Damals war es selbstverständlich und es ist in den letzen Wochen und Monaten noch 12.11.2008, abends Seite - 2 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner selbstverständlich gewesen, dass Millionen und zig Millionen Abfertigungen bezahlt wurden. Es ist immer noch selbstverständlich in Österreich: Die Aktienoption hat immer noch eine Steuerbegünstigung. Share Options, das ist steuerbegünstigt, mit einem kleinen Betrag zwar. In Wahrheit gehört natürlich Stock Options als die versuchte Bestechung oder Anleitung zur Bestechung ins Strafgesetzbuch. Es ist ja ganz klar, was da passiert: Die Aktionäre versuchen den Vorstand zu bestechen, ihre Interessen einseitig wahr zu nehmen und den Kurs zu treiben. Von Enron angefangen haben alle großen Wirtschaftsskandale der letzen zehn Jahre Stock Options im Hintergrund gehabt. Viele andere Entwicklungen haben sich in den letzen 20 bis 30 Jahren durch neue Technologien ergeben. Wenn Sie heute in so einen Trading Room einer Investmentbank hineinschauen, dann sieht man, dass das nicht mehr wie früher Aktienhändler oder Wertpapierhändler sind. Da gibt es eine unerhörte Industrie, die diese Spekulationen anheizt. Seit Jahrzehnten gibt es für die Finanzmärkte den tauglichen Vorschlag, eine Umsatzsteuer auf jede Finanztransaktion einzuführen, eine ganz minimale, damit dieses oszillierende Spekulieren, wo in einer Stunde 60 Mal ein und dieselbe Aktie hin- und hergeschoben wird, verhindert wird. Da wird immer wieder gesagt: „Das geht nicht, da müssten ja alle mitmachen, und da machen ja die Bahamas nicht mit, und da machen die Cayman Islands nicht mit, New Jersey macht auch nicht mit.“ Das sind natürlich lauter Ausreden der Politik und der Verantwortlichen, wobei natürlich riesige Interessensgruppen dahinter stehen. Aber diese Versäumnisse müssen wir jetzt bezahlen. Jeder ist sich bewusst, dass der Preis vollkommen unangemessen ist. Es wäre alles andere ein Klacks gewesen im Verhältnis zu dem, was wir jetzt vor uns haben. Ich hoffe aber sehr, dass diese neue Weltfinanzordnung, die uns versprochen wurde, auch den Namen verdient. Ich hoffe sehr, dass die Nationalstaaten das nicht wieder verwässern und dass es dann wieder heißt: „Ja um Gottes willen, in Luxemburg geht es nicht, in Österreich geht es auch nicht, denn wir haben unser Bankgeheimnis.“ BARBARA VAN MELLE: Wir haben im Film Ihr soziales Engagement gesehen. Es ist jetzt für viele Menschen nicht mehr nachvollziehbar, dass es zwar möglich ist, in einigen Wochen 2000 Milliarden Dollar aufzubringen, um dieses Weltfinanzsystem nieder zu halten, aber es über unzählige Jahre nicht möglich war, auch nur einen Bruchteil dieser Summe aufzuwenden, um Armut oder Hunger auf dieser Erde zu bekämpfen. DR. HANS PETER HASELSTEINER: Darin liegt eine große Gefahr des politischen Ausschlachtens dieses Themas. Es gibt ausreichend Wortmeldungen, die sich sehr vehement gegen diesen Bankenrettungsplan aussprechen und sagen: „Wie gibt’s das, dem Bankenchef schiebt man es sozusagen hinten hinein, und die Bedürftigen kriegen es nicht.“ Leider ist es nicht ganz so einfach. Es sind auch keine Geschenke, die hier gemacht werden - hoffentlich. Wenn wir aber das System nicht stützen und nicht retten, dann sind das Elend und die Verelendung umso viel größer. Ich glaube, das kann jeder der hier Interessierten Wirtschaftsinteressierten nachvollziehen. Es ist undenkbar ohne Massenelend und Massenverarmung ein Wirtschaftssystem platzen zu lassen, das haben wir ja nicht einmal in den 30er Jahren erlebt. Da war es schlimm genug und die Verelendung war schlimm genug, und vor allem die politischen Folgen. Ein weiterer Weltkrieg war die Folge. Es wäre auch diesmal vollkommen indiskutabel. Die Staaten müssen das System stützen und retten. Dass sie davor und danach nicht mehr für Sozialprogramme oder für internationale Wirtschafts- oder Entwicklungshilfen und ähnliches ausgegeben haben, ist bedauerlich, aber in der Politik gilt natürlich auch immer wieder die Tagespriorität. Und in diesem Fall war die einfach gegeben und daher war da die politische Entscheidung verhältnismäßig einfach. BARBARA VAN MELLE: Wenn wir beim Thema „Gier“ von der Weltwirtschaft auf das Individuum gehen: Sie haben den Vorschlag gemacht, Reiche mit einem Spitzensteuersatz um 80% zu besteuern. Wer ist denn eigentlich wirklich reich? Und wie werden Reiche besteuert? 12.11.2008, abends Seite - 3 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner HANS PETER HASELSTEINER: Wir bekommen ja jetzt bald eine Steuerreform: ohne Vermögenssteuer, wie ich gehört habe, ohne Erbschaftssteuer und ohne Wertzuwachssteuer, bravo kann ich nur sagen. Eine Steuerreform und ein Steuersystem ist ja nicht gerecht, wenn der Finanzminister oder die Politiker sagen: „Das ist gerecht, wir haben uns das gut überlegt, das ist gerecht.“ Sondern es ist dann gerecht, wenn es ein breites und überwiegendes Volksempfinden trägt. Die Menschen müssen glauben und empfinden, dass es fair ist. Und wenn sie es als fair empfinden, dann wir erstens der Widerstand gegen dieses System klein bleiben, es wird die Hinterziehung verhältnismäßig klein bleiben, ein paar gibt es immer, denen kann der Steuersatz nicht klein genug sein. Und hier glaube ich, dass die Reichen, die wirklich gut Verdienenden, die Reichen vom Vermögen her, einfach einen Beitrag leisten müssen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es als fair und gerecht empfunden wird, wenn neben Arbeit- Lohn- und Einkommensteuer, von der Mehrwertsteuer bis zur Mineralölsteuer und was immer, das Vermögen sozusagen vollkommen draußen überbleibt. Wir besteuern Arbeit, Konsum und viele andere Dinge. Vergnügungen, weil es die Vergnügungssteuer gibt, wenn man ins Theater geht, ist eine Steuer drauf usw. usw., aber das Vermögen bleibt vollkommen unberührt. Ich glaube nicht, dass das fair ist. Vor allem meinen Kollegen der Industriellenvereinigung halte ich oftmals das Argument vor: „Es ist ja nicht Gott gewollt und auch nicht selbstverständlich, dass Wohlhabende oder überdurchschnittlich gut Verdienende in Österreich eine solche Art von Lebensqualität genießen können, wie wir sie genießen. Und da schließe ich mich jetzt ein, und einige die hier sitzen natürlich auch. Wir können in ein Beisel gehen und können dort ein Bier trinken. Wir brauchen keinen Bodyguard, wir müssen unsere Kinder nicht besonders beschützen. Man zündet unser Haus nicht an, wir haben keinen Stacheldraht, keine Mauern; wenn Sie schauen auf die Aqua Antica, wo die Filmstars leben, selbst in Italien, aber wurscht, ob in Frankreich, in England, es ist überall anders. Wir sind hier wirklich sehr, sehr privilegiert, und ich finde, das ist auch etwas wert. Dass der soziale Frieden erhalten bleibt, ist überhaupt das Wichtigste. Es muss dieser Konsens zwischen den wirklich Reichen, den gut Verdienenden und den weniger gut Verdienenden und auch denen, die vom sozialen Netz gestützt werden, möglich sein. Von materiellem Reichtum kann man sprechen, wenn jemande mehr Geld hat als seine Wünsche, selbst die letzten noch kosten, und wenn er keine Angst haben muss, dass er diesen Status verliert. BARBARA VAN MELLE: Was denken Sie, was in Ihrer Biographie maßgeblich dafür war, dass Sie Ihren Weg gehen konnten. Von wem waren Sie beeinflusst? Abgesehen von der Tatsache, dass Sie die Ausbildung und Ihre Talente haben. DR. HANS PETER HASELSTEINER: Das waren drei Pfeiler. Ich hatte einen preußischen Vater, der bedauerlicher Weise früh gestorben ist, aber mich lange genug erziehen konnte, dass er seine bleibenden Spuren hinterlassen hat. Er hat ein Wertegefüge gehabt, das ich erst lange nach seinem Tod richtig würdigen konnte. Er war sehr gefestigt in seiner Meinung, was sich gehört und was sich nicht gehört – das klingt vielleicht ein bisschen altmodisch. Mein Vater war da sehr strikt. Er hat zum Beispiel vor verschiedenen Menschen einfach eine Wand aufgebaut, mit denen wollte er nichts zu tun haben. Er hat sie nicht in irgendeiner Form angegriffen, aber er hat gesagt: „Für mich nicht, das ist nicht meine Meinung.“ Das ist ja etwas, was wir schon lange verlernt haben, wir geben ja zumindest jedem die Hand. Dass jemand einen Handschlag verweigert, weil er jemanden für einen Gauner hält, das habe ich schon viele Jahre nicht erlebt. Wir sind da sehr viel, ich will jetzt nicht sagen toleranter, denn das ist das falsche Wort, wir sind da sehr viel weniger sorgsam. 12.11.2008, abends Seite - 4 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner Dann hatte ich erfreulicher Weise eine sehr liberale Mutter, die hat mir beigebracht, dass nicht alles, was die Obrigkeit sagt, richtig ist und dass man nicht alles glauben soll, was die Pfarrer sagen. Das war das Zweite. Das Dritte ist dann sicher: Ich war ab meinem zehnten Lebensjahr in einem Internat. Das ist natürlich eine harte aber sehr nützliche Schule. Ich weiß nicht, ob man dort soziale Kompetenzen lernt. Aber bis zu einem gewissen Grad weiß man wie die Regeln gehen. Was ist fair, was ist unfair? Was macht man, was erlaubt die Gruppe? Also das lernt man natürlich sehr schnell und sehr gründlich und das begleitet einen dann ein ganzes Leben. Und dann wurde dort auch ein bisschen diese Ader genährt, den sozialen Ausgleich zu suchen. Es war mir immer unangenehm, wenn der eine mehr gehabt hat und der andere weniger. Ich war ja auch im Internat nicht gerade extrem privilegiert, aber ich war auch nicht arm. Und da waren natürlich auch welche dabei, von denen man gewusst hat, dass es nicht selbstverständlich ist, dass sie überhaupt studieren dürfen. Da haben wir in der Gemeinschaft einfach auch teilen gelernt, mit Freunden mit Spezis. BARBARA VAN MELLE: Sie haben auch etwas erlebt, was heute normal ist. Sie waren ein uneheliches Kind. Das war Mitte der 50iger Jahre noch ganz anders als heute. Heute sind unzählige Menschen nicht mehr verheiratet. Was das etwas ein Stigma, das man gespürt hat? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ja, meine Mitschüler haben das transportiert, was die Eltern ihnen vorgegeben haben. Zu dieser Zeit war die Einstellung dazu noch sehr eng. Es hat natürlich alle Scheinheiligkeiten gegeben. Aber ich war recht robust im Körperbau und wenn da einer meine Mutter auch nur mit dem geringsten Wort angegriffen hat, dann war die Linke schon da. Da hat es nicht lange gedauert, dann war dieses Kapitel abgeschlossen. BARBARA VAN MELLE: Sie haben den Begriff „Scheinheiligkeit“ verwendet. Sie bekamen in der Gruppe ein hohes soziales Gefühl, aber hat es Sie auch nicht gelehrt, gegen Vorbehalte, Ressentiments oder Scheinheiligkeit, die in diesem Land sehr häufig vorkommt, Widerstand aufzubauen? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Kinder mit zehn nicht scheinheilig sind. Die Scheinheiligen waren die Eltern und die Kinder im Internat haben sich dieser Scheinheiligkeit auch weitgehend entziehen können. Ich habe dann einige meiner damaligen Mitschüler wieder getroffen und festgestellt, dass manche von ihnen von der elterlichen Tradition wieder aufgefangen wurden. Aber ich glaube der überwiegende Teil nimmt aus dieser Internatszeit etwas mit. So eine Gruppe duldet die Scheinheiligkeit nicht. BARBARA VAN MELLE: Wären Sie eine Frau in dieser Position, dann wäre schon die erste Frage gewesen: „wie haben Sie es geschafft, Karriere und Familie unter einem Hut zu bringen?“ Das bleibt den Männern erspart. Sei haben drei erwachsene und einen siebenjährigen Sohn. Sie haben einen Satz gesagt, den ich mir gemerkt habe: „Erziehen ist nicht schwer, schwer ist zu lieben, was dabei herauskommt.“ Wie ist das mit Ihren Söhnen? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ja natürlich, das Loslassen und das Akzeptieren, dass die Kinder ihr Leben nach den eigenen Vorstellungen gestalten, ist etwas, was man erfahren oder lernen muss. Ich habe das gelernt und es war gar nicht einfach. Aber in der Zwischenzeit bin ich so weit, dass ich sage: „Okay, wichtig ist mir, dass meine Kinder glücklich werden. Wie sie das machen, ist mir nicht mehr wichtig.“ Ich habe großes Verständnis, dass sie zögern oder es ablehnen, meine Karriere zu machen. Ich will Ihnen jetzt keinen Witz erzählen, aber da gäbe es natürlich einen prima feinen. Rothschild sitzt in der zweiten Klasse ganz hinten, da kommt 12.11.2008, abends Seite - 5 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner der Kondukteur und sagt: „Aber Herr Baron wollen sie nicht vorne Platz nehmen, da gibt’s Champagner und Lachsbrötchen.“ Da sagt er: „Nein, nein um Gottes willen, in Zeiten wie diesen es das doch viel zu teuer.“ Sagt der andere: „Aber ihr Sohn ist doch Gastgeber vorne.“ Da sagt er: „Na ja, der hat einen reichen Vater.“ Ich glaube, dass die Kinder diesen Erfolgshunger und auch diesen Ehrgeiz nicht mehr haben. Der eine oder der andere hat ihn vielleicht und wird ihn anders verwirklichen. Und dann scheuen sie sich die Schuhe des Vaters anzuziehen, auch das verstehe ich. Meine Mitarbeiter oder meine Kollegen würden gar nicht verstehen, wenn ich jetzt sagen würde: „Ich habe eine Erbpacht und mein Sohn folgt.“ Die Söhne sollen nicht ausgeschlossen werden, sie sollen die Chance haben. Wenn sie tüchtig und gut genug sind, werden sie die Chance auch wahrnehmen können und wenn nicht, dann werden sie etwas anderes machen. Ich finde das sehr in Ordnung. Das Loslassen bei den Kindern war eine bittere und eine schwierige Situation für mich, es ist schon einige Jahre her. In der Zwischenzeit lebe ich ganz gut damit. BARBARA VAN MELLE: Wie konnten Sie Beruf und Familie vereinbaren? Da gibt es eine Frau im Hintergrund? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ich habe großes Glück mit meiner Frau Ulli. Sie hat mir nicht nur die Erziehungslast weitgehend abgenommen und ihr Leben sehr traditionell der Familie gewidmet, ohne dabei unglücklich zu sein. Ich war ja weniger zu Hause, aber es gab keine Aggressionen deshalb und sie hat auch ein großes Maß an Toleranz bewiesen, so dass die Ehe gehalten hat. BARBARA VAN MELLE: Sie haben vorhin von der Wertehaltung Ihres Vaters gesprochen, die Sie sehr stark geprägt hat. Ich mache jetzt diesen Bogen wieder zum Geschäft und stelle Ihnen eine sehr simple Frage: Welche Grenzen gibt es für Sie im Geschäftemachen, wenn es um die Expansion geht, um den russischen Markt, der für Sie sehr wichtig ist. Wo Sie sagen dort ist die ethische Grenze für mich erreicht, dort gehe ich nicht hin. DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ich muss jetzt mich und meine ganze Generation und auch meine Kollegen in all den vielen Ländern ein bisschen in Schutz nehmen. Es ist für uns alle schwierig gewesen ein so radikales Umdenken einzusetzen, wie wir das jetzt tun. Wir beschäftigen uns mit Ethikkatalog und Ethikbeauftragten und Ethik da und Ethik dort, dass einem schon oft einmal angst und bange wird. Wir gehören ja zu jener Generation, wo 5% nützliche Abgaben - das war ja nichts anderes als Bestechungsgelder – oder Zuwendungen noch absolut steuerabzugsfähig waren. Ich weiß nicht, wann das abgeschafft wurde , aber vor zehn oder acht Jahren hat man hineingeschrieben: Libyen 5%. Gebraucht haben wir 10 oder 8, aber 5% waren absetzbar. Die anderen 5% waren Gewinn. So und jetzt dieses Umdenken in viele tausend Köpfe einzupflanzen ist einfach ein schwieriger Prozess. Und wenn dann die Journalisten kommen und sagen: „Ja können sie einen Garantie übernehmen Herr Dr. Haselsteiner?“ Dann sage ich: „Nein, wenn Sie in Ihrer Redaktion mehr sind als zwei, dann können Sie die Garantie auch nur bestenfalls für sich selbst übernehmen. Aber dass der andere in die Portokasse greift, das wissen Sie auch nicht.“ Wir versuchen die Regeln so strikt zu machen, dass sie nicht nur gesetzeskonform sind, sondern dass wir auch sagen können wir sind da in einer gewissen Liga. Bedauern aber natürlich, dass oftmals mit zweierlei Maß gemessen wird. Insbesondere bewundere ich ja immer die Amerikaner, die uns das zu einem gut Teil nach Europa gebracht haben und gesagt haben: In old Europe ist alles schlecht. Aber sie haben nur andere Methoden. Sie bestechen nicht mit Geld, sondern mit F16 Kampfflugzeugen oder mit Rüstungssystemen, oder mit einem kleinen Krieg im Irak. Und dann kommt der Herr Cheney mit Halliburton hinten nach und macht 20 Milliarden Dollar Umsatz. Halliburton ist ein Baukollege, der uns dann wieder uns einlädt: „Wollt´s nicht im Irak große Umsätze machen als Subunternehmer?“ Er hat den Schinken und wir den Knochen. Da haben wir natürlich abgelehnt. Die Länder in Europa, insbesondere die neuen Eu- 12.11.2008, abends Seite - 6 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner Mitgliedsländer machen große Fortschritte, wir wüschen uns natürlich, dass es noch schneller geht, aber im Großen und Ganzen können wir mit den Situationen leben. In einige Länder, wenn auch ganz wenige, gehen wir nicht. Wir gehen nicht nach Weißrussland zum Beispiel. Dabei geht es nicht nur um Staatskorruption, da gibt es auch andere handfeste wirtschaftliche Gründe. Die wirtschaftliche Krise fördert unsere Bemühungen nicht gerade. In Zeiten der Not, in Zeiten des zunehmenden Staats-Interventionismus ist dieses Thema sicherlich auch wieder in einem neuen Licht zu sehen und ich glaube nicht, in einem besseren. BARBARA VAN MELLE: Es gibt natürlich auch immer wieder anhand einzelner Aufträge oder Vorhaben Kritik. Ich denke jetzt an das türkische Staudammprojekt, und zum Beispiel auch an Sotschi. Wie geht man mit dieser Kritik um? Von diesem Staudamm am Tigris in der Türkei sind wirklich viele Menschen betroffen - 50 000 Kurden etwa , man kennt die Zahl nicht ganz genau, die dann aus diesem Gebiet abgesiedelt werden. Es wird ein gigantisches Gebiet und dadurch auch die antike Stadt Hasankeyf und archäologische Ausgrabungen überflutet. Es gibt ökologische Auswirkungen, die man nicht kennt. Da heißt es von Kritikerseite: Wie kann man dort bauen? Wie begegnen Sie dieser Kritik? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ich habe ja gerade im letzten Wahlkampf einige Sträuße mit meinen grünen Kolleginnen und Kollegen ausgefochten. Und da habe ich so argumentiert: „Die internationale Gemeinschaft hat einen glaubwürdigen Kriterienkatalog für die Zulassung oder nicht Zulassung dieses Projektes erstellt. Und wenn das olympische Komitee sich mit einem Standort befasst und bei dieser Befassung alle Implikationen mit einschließt und zu einem positiven Ergebnis kommt, dann finde ich es unfair, vom Bauausführenden zu verlangen, zu verzichten und zu sagen: „Ich baue es nicht, es soll der andere bauen, Hauptsache ich habe ein gutes Gewissen und ich war nicht dabei.“ Wenn wir davon ausgehen können, dass ordnungsgemäß geprüft wurde, dann wollen wir und können wir nicht auf eine Anbotslegung und gegebenenfalls auf eine Ausführung verzichten. Ich habe ein anderes großes Kraftwerk in der Türkei gebaut. Bei diesem Kraftwerk Birecik hat es dieselben Argumente gegeben. In einem Trogtal, das grün ist weil da unten der Fluss fließt, wurde auf 300km aufgestaut, dutzende Dörfer mit allem was an Archäologie da ist, ist natürlich auch überflutet, wenn man es nicht vorher rettet, was ja oftmals der Fall ist. Aber es gibt auch eine andere Seite der Medaille: Die nutzbare Ackerbaufläche wurde durch das Projekt vertausendfacht und zusätzlich kommt noch die Energiegewinnung für das Land. Gegen den Vorwurf, den man den Türken immer macht, dass sie das gezielt in Ostanatolien machen, wo die kurdische Minderheit lebt, muss man sagen: „Das ist zwar richtig, aber es sind die einzigen zwei Flüsse, die sie haben.“ BARBARA VAN MELLE: Zu Beginn dieses Filmes ist ein Thema vorgekommen, das für Ihre Person sehr wichtig ist: Ihr politisches Engagement. Das ist sehr außergewöhnlich für jemanden, der das ja nicht notwendig hätte. Sie sind ja sicher unzählige Male gefragt worden: „Warum tun Sie sich das an.“ Sie haben 1994 bis 1998 für das Liberale Forum einen Sitz im Parlament gehabt,1999 ist dann das Liberale Forum bei den Nationalratswahlen gescheitert. 2008 ist das Liberale Forum wieder angetreten und hat eine Niederlage erlebt. DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ich war immer ein politisch interessierter Mensch. Mein Beruf bedingt es, sich politisch zumindest am Laufenden zu halten, und auf tirolerisch würde man sagen „a Goschn“ habe ich auch immer gehabt. Zu einem Zeitpunkt, wo es auch beruflich möglich war, in der Firma war alles okay, Expansionen hat es keine gegeben, es gibt ja auch Stillstandsphasen, hat mich die Frau Dr. Schmid eingeladen. Diese politische Kombination hat mich interessiert. Ich habe mir gesagt: Irgendwann muss man ja auch selber Flagge zeigen, jawohl ich mache 12.11.2008, abends Seite - 7 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner das.“ Ich habe es nicht bereut. Es war interessant, es war, na ja, ich will nicht sagen fruchtlos. Das einzig Tröstliche ist, dass die vielen Stunden, die ich mit meinen Kollegen verbracht und über verschiedene Themen diskutiert habe - die Grundsicherung ist sicherlich das am meisten bekannte, aber auch das europäisches Berufsheer und andere Dinge dass die nach unserm Ausscheiden aus dem Parlament von den anderen Parteien aufgegriffen wurden. Selbst die Grünen sind draufgekommen, dass die Grundsicherung vielleicht keine schlechte Idee wäre. Das war irgendwie befriedigend. Es ist für eine kleine Oppositionspartei ein hartes Brot. Trotzdem würde ich sagen, die jungen Menschen sollten sich auch mit der Möglichkeit befassen, in die Politik zu gehen. Es wäre wichtig für unser Land, es wäre wichtig für die Demokratie, und es ist wichtig, dass wir die Negativauslese die wir allenthalben erkennen können, verbessern. Es sollten eben nicht nur Menschen in die Politik gehen, die aus der Politik sowohl ihr Einkommen als auch ihr Sozialprestige ableiten und keine Alternative dazu haben. Das macht unfrei. Diese Armen haben ja unerhörte Zwänge. Es wird eine Politik gemacht, die immer nach dem nächsten Wahltag schielt auch wenn der nächste Wahltag jetzt auf Bundesebene auf fünf Jahre hinausgeschoben wurde worüber man noch trefflich diskutieren könnte. Der Kern vieler Fehlentwicklungen und vieler Versäumnisse ist, dass die Politik nur immer hinten nach rennt. Wenn nicht mehr vorausschauend gestaltet, überlegt und umgesetzt wird, ist es traurig für uns. Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Für mich war das ein ganz trauriger oder ein schlechter Tag, als Frau Merkel in Paris kürzlich dem Herrn Sarkozy gesagt hat, dass er sich brausen soll mit seinem europäischen Rettungsplan. Dann ist sie nach Berlin geflogen und bevor sie gelandet war, hat sie die Nachricht von der Pleite dieser einen Bank bekommen. Also die Flugzeit hat ausgereicht, um das alles anders zu sehen. Ja, jetzt hätte ich mir aber sehr gewünscht, dass es in einer solchen Situation eine europäische Initiative gegeben hätte. Diese Interessenspolitik auf der nationalen Ebene und der Populismus, der uns allenthalben begleitet, das Schielen, wie kommt es an, wo habe ich eine Mehrheit, ist eine echte Katastrophe. Und daher glaube ich auch, dass die junge Generation aufpassen muss, dass man ihnen dieses Europa nicht wieder wegnimmt, so mangelhaft es sein mag. Europa ist ja noch lange nicht fertig, das wissen wir, und ich will ja gar nichts beschönigen. Aber eines ist auch klar, es ist eine unerhört wertvolle Entwicklung für diesen Kontinent und ich hoffe sehr, dass die junge Generation stark und auch vehement genug ist, dass sie all diesen nationalistischen Tendenzen einen Korb gibt. BARBARA VAN MELLE: Sie sind einmal in einem Interview gefragt worden: Kann ein grundanständiger Mensch eigentlich in die Politik gehen? Wie bekommt man Menschen in die Politik unter den Vorrausetzungen, die zurzeit herrschen, die moralischen Werte haben, die authentisch sind, die ihren eigenständigen Weg gehen. Und die nicht nach diesem Wahltag schielen, sondern Reformen umsetzen. DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ich wäre falsch verstanden worden, wenn es so wäre, dass ich sage: „Unsere Politiker sind nicht von der ethischen und moralisch Seite einwandfrei.“ Die allermeisten sind es, Ausnahmen gibt es immer. Und ich glaube in Österreich können wir da durchaus zufrieden sein. Es ist nicht der Mangel der Aufrichtigkeit und des aufrichtigen Bemühens. Vielleicht ist es ein bisschen der Mangel an Phantasie oder des Mutes und des strukturierten Denkens. Ein politisches Amt wenn man es lange genug hat, korrumpiert natürlich. Es vergehen vier Jahre, in Zukunft fünf Jahre und nochmals fünf Jahre und nochmals fünf Jahre, dann ist er also 15 Jahre im Parlament gewesen, und dann kommt er drauf, dass er nichts anderes mehr kann. Es hat sich in der Zwischenzeit der Arbeitsmarkt verändert und dann ist er unvermittelbar. Ich habe mir ja oftmals den Spaß gemacht, und habe geschaut, wie ich mit meinen Parlamentskollegen arbeiten könnte. Frau Mag. Ederer habe ich nicht bekommen, die wurde vorzeitig von anderer Seite abgeworben. Ich habe immer gesagt: „Die SPÖ hat den breitesten Nachwuchs.“ Aber auch in der SPÖ gibt es Nachwuchssorgen. Dr. Haider, Gott habe ihn selig, hat mir einmal gesagt: „Weißt du, mein größtes Problem ist, ich weiß 12.11.2008, abends Seite - 8 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner nicht, woher ich die Leute nehmen soll, damit ich meine Mandate besetzen kann.“ Es würde unserer Gesellschaft gut tun, wenn insbesondere die jungen Menschen einen Abschnitt für die Politik einplanen. Es ist sicher befriedigend und auch bereichernd. BARBARA VAN MELLE: Wieder zu einem Thema, das ich übertiteln könnte mit Kommunikation. Viele der Politiker und Politikerinnen, das wird ja sehr häufig auch kritisiert, haben unzählige Schulungen durchlaufen. Sie werden im Endeffekt zu oft sehr normierten Menschen, die in Interviews gekonnt Fragen ausweichen. Man sagt von Ihnen, dass Sie sehr authentisch, sehr mit einem großen Selbstverständnis auftreten, aber niemals mit einer Präpotenz, wo man dann Distanz zu den Menschen spüren könnte. Was halten Sie von Schulungen, von Coachings und all dem, was es braucht, um zum perfekten Rhetoriker zu werden? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Nichts bis wenig. Ich habe das immer abgelehnt, ich habe meine Kollegen ab und zu immer wieder zu einem Seminar eingeladen, wo wir unter Anleitung Brainstorming gemacht haben. Aber wir haben nicht Sprechen oder Argumentieren gelernt. Ich glaube , in der Zwischenzeit ist die Hochblüte dieser Welle auch vorbei, die Menschen schätzen es wieder, wenn diese Authentizität rüber kommt und der Erfolg von verschiedenen Politikern ist ja auch ein guter Beweis dafür. Dieses Geschliffene, die Fragen nicht beantworten, das hasse ich ja so wie so. BARBARA VAN MELLE: Wie wichtig ist das Benehmen, die Konvention, wenn Sie zum Beispiel Menschen einstellen? Wie wichtig ist das für eine berufliche Karriere? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ich stelle einen winzig kleinen Prozentsatz meiner Mitarbeiter selbst ein. Ich habe viele Male eine Antrittsvorlesung meiner Fachhochschule in Kärnten gehalten. Der Titel war immer: „Was erwartet die Wirtschaft von meinen Absolventen der Fachhochschule“. Ich habe dann den jungen Leuten immer gesagt, so im Expresstempo: Natürlich eine fundierte Ausbildung, die kriegt ihr in diesem Haus. Englisch müsst ihr sowieso perfekt lernen, das ist klar, dann braucht ihr mindestens eine Ostsprache, das ist auch klar, und dann braucht´s jede Menge Softteamfähigkeit usw. usw. Und dann braucht ihr noch etwas, wenn ihr Karriere machen wollt, und das sind Manieren. Ich kenne in meinen Unternehmungen einen mir freundschaftlich verbundenen Mitarbeiter, der ist deshalb in seiner Karriere stecken geblieben, weil er einfach in diesem Punkt nicht herzeigbar war. Das ist bis zu einem gewissen Grad geschäftsschädigend. Die jungen Leute unterschätzen das und auch die Amerikaner, die ja noch in diesem Punkt viel verklemmter sind wie wir. Es ist dort auch viel strenger. Sie geben sich nur alle so lässig. Aber wenn es um die wahren Karrieremöglichkeiten und Chancen geht, dann muss man ja auch noch den Seelenstrip machen, was ich ohnehin von Herzen ablehne. BARBARA VAN MELLE: Es fehlt noch ein ganz wichtiges Kapitel, das ist ihr soziales Engagement: Ihre Zusammenarbeit mit Pater Georg Sporschill, das Kinderheim in Moldawien. Mittlerweile gibt es auch Altenprojekte. In Österreich unterstützen Sie zum Beispiel Ute Bock. Mit Ute Bock wird eine Frau unterstützt, die auch polarisiert. Kinderheime sind eines, aber Ute Bock unterstützt auch schwarz-afrikanische Flüchtlinge hier, und ist ganz einfach jemand, der sehr vielen Anfeindungen ausgesetzt ist. Wieso diese Unterstützung der Ute Bock? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ute Bock wurde deshalb unterstützt, weil sie einfach in wirtschaftlicher Not war, und weil niemand anderer da war, der ihr wirklich geholfen hat. Das war ja mitten im Wahlkampf und ich hatte eigentlich mir der Frau Dr. Schmid vereinbart, dass wir nichts tun, weil wir angenommen haben, das wird ohnehin erledigt werden. Und dann ist aber nichts gekommen 12.11.2008, abends Seite - 9 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner und die Situation wurde immer prekärer. Dann kam der Pater zu mir und hat gesagt, das geht so nicht und wir haben uns entschlossen zu helfen. Im Grunde möchte ich mich nicht verzetteln. Ich habe mein soziales Engagement so wie mein kulturelles Engagement definiert. Es ist landesmäßig Moldawien aus dem Grund, weil wir dort noch nicht oder nicht tätig sind, weil man uns nicht vorwerfen kann, wir tauschen da irgendwelche Geschäfte. Wir werden zwar irgendwann dort auch was bauen, aber zurzeit tun wir das noch nicht. Moldawien ist das ärmste Land Europas. Eine wirkliche Schande für Europa und eine Schande für die Union, dass diesem Land nicht anders und wirkungsvoller geholfen wird, insbesondere nach dem Eintritt Rumäniens in die Union. Die Schengengrenze wurde auf Rumänien ausgeweitet und 2011 auf Bulgarien. Dann hätten die Moldawier eine Außengrenze nach Europa und eine Außengrenze zur Ukraine. Ein schlimmeres Szenario kann man sich eigentlich nicht vorstellen. In Moldawien ist es so, dass zuerst die Kinder die Betroffenen waren, weil die Eltern einfach alle weg waren und die Kinder zurückgelassen haben. Das ist nicht nur in Moldawien ein schlimmes soziales Szenario, sonders auch anderswo, aber in Moldawien ist es besonders gravierend. Das haben wir jetzt einigermaßen erledigt, nicht nur Georg Sporschill und die Concordia sondern natürlich auch staatliche und andere Organisationen. Aber jetzt ist in Moldawien eine Situation, die in erster Linie die Alten betrifft. Ich war im vorigen Jahr vor Weihnachten in Moldawien im Kinderdorf und habe mir die Situation bei den Alten angeschaut. Und die sind wirklich im wahrsten Sinne erfroren und verhungert. So unauffällig leise an Schwäche gestorben. Durch keine Kalorien von außen, und keine Kalorien von innen. Sie sind in ihren Katen ganz einfach erloschen. Das hat mich dann doch unter die Haut getroffen, und dann habe ich mit dem Georg vereinbart, dass wir eine Aktion starten. Finanzminister Molterer hat uns geholfen, hat die Hälfte übernommen, wir werden dort 12 Millionen Euro investieren in insgesamt 10 Sozialzentren, wo wir Suppenküche machen und wo wir den Alten Notbetten und sanitäre Einrichtungen geben. Das ist mein sozialer Schwerpunkt. Da haben Sie auch oft gefragt, warum und wieso? Erstens ist es angebracht, dass die wohlhabenden Nationen und auch die wohlhabenden Individuen einen Beitrag leisten und zweitens ist es auch so ein unglaubliches Glücksgefühl und so eine Befriedigung. BARBARA VAN MELLE: Sprechen wir jetzt über die Kunst und Ihr Mäzenatentum. Das sind einerseits die Festspiele in Erl in Tirol, andererseits der Kunstpreis und die Kunstsammlung. Sie haben es auch im Film kurz gesagt, dass Menschen, denen der Blick auf die Kunst oder der Zugang zur Kunst fehlt, auch vieles im Leben fehlt. Wie ist das mit Ihnen selbst, was eröffnet Ihnen die Kunst? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Eine emotionale Ebene, die sonst verschlossen wäre. Ich bin von meiner Mutter geprägt, die volksmusikalisch sehr aktiv und auch sehr erfolgreich war. Aber nicht nur das, ich war schon als Kind bei den Vorgängern der Osterfestspiele in Salzburg. Das war damals immer sakrale Musik, allerdings unvergessen und unvergleichbar mit heute. Alle großen Messen mit Weihrauch, das gibt’s ja heute fast nicht mehr. Hinten der Chor und das Orchester und dann die großen Schubert- und Mozartmessen. Vorne sind sie achtspännig in den Brokatgewändern aufgetreten. Das war wirklich ein Erlebnis der besonderen Art. Das hat mich schon als Kind beeindruckt, weniger die Predigt, die mir zu lang war. Das war mein Zugang zu dieser Schiene. Zur bildenden Kunst bin ich gekommen, weil mich ein Mitarbeiter - Willi Weiß - dazu ermutigt hat. In den 70er Jahren sind bei uns in den Büros hunderte von großen imposanten Baustellenfotos gehangen, Fotos oder bestenfalls als Steigerung Aquarelle von Baustellen. Ich kann mir vorstellen, dass es bei Siemens auch Fotos von großen Maschinen gibt. Außerdem hatten wir noch Porträts von den Chefs, in Essig und Öl – sie kennen das: Die mit den schweren Goldrahmen. Das war also die Kunst. Und dann haben wir begonnen unsere Mitarbeiter zu provozieren und haben ganz verrückte Sachen aufgehängt. Da gab es natürlich einen Aufruhr: Was wir glauben und die Schweinerei, alle Argumente dieser Welt hat es gegeben. Viele Jahre später habe ich begonnen die Bilder einmal umzuhängen, die Bilder gingen konzernweit im Kreislauf. Und da hat sich gezeigt, 12.11.2008, abends Seite - 10 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner dass einzelne Mitarbeiter eine Beziehung zu bestimmten Bildern bekommen haben. Gerade für Menschen, die beruflich mit nichts anderes zu tun haben als Länge mal Breite mal Höhe mal Gewicht und Beton und Stahl usw.., ist die Konfrontation mit Kunst sehr gut. BARBARA VAN MELLE: Ich möchte gegen Ende unseres Gesprächs auch über Niederlagen sprechen, weil das mindestens so wichtig ist wie der Erfolg. Wie wichtig ist es mit den eigenen Fehlern und an den eigenen Fehlern zu lernen? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Es gibt keinen größeren Fehler, als den eigenen Fehler nicht einzugestehen und auch nicht angemessen darauf zu reagieren. Ich glaube, viele wirklich große Niederlagen entstehen nur aus diesem Grund. In den Büros gibt es diesen blöden Spruch: „Der Chef irrt sich nie“. Wenn der Chef wirklich so einer ist, der sich nie irrt, dann lebt die Firma oder die Unternehmung immer gefährlich. Ich ermutige meine Mitarbeiter und mein Management und sage: „Bitte, ihr dürft Fehler machen.“ Einen Fehler zu verstecken zu wollen, selbst verniedlichen zu wollen, das ist ein wirklich gefährlicher Weg. Weil er in der Konsequenz um so viel teurer wird, dass man das ja gar nicht mehr abschätzen kann. Daher ist es glaube ich das Wichtigste, den Fehler zu erkennen, ihn zu analysieren, die angemessenen Maßnahmen zu beschließen und zu sagen: „So, den Fehler haben wir, den habe ich gemacht, so wird er ausgebügelt und so machen wir es.“ Wenn jemand das nicht tut und nicht kann, dann muss man sofort einschreiten. BARBARA VAN MELLE: Wir haben vorher über das Thema Personalentscheidung gesprochen. Das Korrigieren einer solchen falschen Entscheidung kostet viel Geld und erfordert viel Mut. DR. HANS PETER HASELSTEINER: Gerade die fehlerhaften Personalentscheidungen sind schwierig zu lösen. Ein halbes Jahr nach der Einstellung hinzugehen und zu sagen: „Nein du bist es nicht, danke vielmals“ ist nicht leicht. Erstens kostet das etwas und zweitens wird das entsprechend hämisch kommentiert. Es hat in Österreich einen Fall gegeben, wo jemand nur ein halbes Jahr oder noch kürzer im Vorstand war. Die Medien haben dann reportiert: Diese Flasche von Aufsichtsrat kann nicht einmal einen gescheiten Vorstand bestellen. Sinngemäß, es wird ja nicht so offen, sondern versteckt geschrieben. Viel angemessener wäre die Anerkennung gewesen, dass er einen Fehler rechtzeitig erkannt und korrigiert hat. Fehler erkennen und Schaden minimieren ist sehr wichtig. BARBARA VAN MELLE: Sie selbst bezeichnen sich immer als Agnostiker und sie sagen, dadurch ist Ihnen die Möglichkeit der Beichte und der Sündenvergebung nicht gegeben, sondern Sie müssen ganz einfach ein anständiges Leben führen. Wenn es zum Beispiel um Korruption geht, wo beginnt die Korruption einer Person? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ich glaube, wenn die Eitelkeit überhand nimmt, dann ist man gefährdet. Wenn man dafür empfänglich ist, wenn jemand „Honig ums Maul“ schmiert, oder wenn einer ihm nach dem Mund redet: „Jawohl, Herr Chef und sie haben Recht Herr Chef,“ dann lässt er sich auf diese Art und Weise korrumpieren. Da gibt es alle möglichen Spielarten: Orden und Auszeichnungen, eine riesige Liste gibt es von so kleinen Schritten. Ganz der geringste Teil der Korruption hat mit Geld zu tun. Der überwiegende Teil der Korruption spielt sich ganz anders ab und ist mindestens genau so giftig, aber natürlich nicht strafbar. Aber es verändert die Entscheidung, es verändert die Persönlichkeit, es verändert das Empfinden, es verwässert die Urteilsfähigkeit und damit die unternehmerischen Fähigkeiten. 12.11.2008, abends Seite - 11 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner BARBARA VAN MELLE: Das heißt, man muss sehr wachsam sein. Reicht es alleine wachsam zu sein, oder braucht man Korrektive von außen? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Korrektive von außen sind immer gut. Irgendwo einen Menschen oder zwei, drei zu haben, mit denen man sich austauschen kann und wo man seine Sorgen und seine Überlegungen, rückhaltslos kommunizieren kann, ist natürlich enorm wertvoll. Gerade in Zeiten wie diesen sich auszutauschen und zu fragen: „Na bitte, wie schätzt du das ein?“, ohne Angst zu haben, dass man sich blamiert. Das ist ein sehr wertvoller Baustein für einen erfolgreichen Unternehmer oder Manager. BARBARA VAN MELLE: Wir sind eine unglaublich privilegierte Generation. Wir leben in einer Friedenszeit von 60 Jahren. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen, und vielleicht auch die größten Gefahren für die Zukunft? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Mich beschäftigt eine Frage, die ich nicht beantworten kann: Wie wird die notwendige Umverteilung funktionieren, damit wir den globalen Frieden erhalten können. Wir haben wie gesagt, auf Grund der europäischen Entwicklung diese 60 Jahre keinen Krieg gehabt, eine ganze Generation. Meine Vatergeneration, Großvatergeneration, Urgroßvatergeneration und dann können Sie noch weiter zurückgehen: Jede Generation hatte mindestens einen großen Krieg in Europa. ich gehöre der ersten Generation an, die diesen Krieg nicht miterlebt hat. Und jetzt gibt es schon die zweite und dritte, die das nicht erlebt hat. Früher hat der Krieg und die anschließende Währungsreform die Umverteilung erledigt. Und jetzt möchte ich gerne wissen, was nach dieser Krise passiert mit diesen Billionen an Geldseen, die irgendwo sitzen, die jetzt nicht investiert werden und die auch nicht jenen zur Verfügung stehen, die sie konsumieren wollten oder könnten. Was passiert mit diesem Geld? Und was für Auswirkungen hat es auf unsere globale Wirtschaft? Heißt das jetzt Deflation oder Inflation? Wie ist das mit den Geldtheorien? Was passiert mit den explodierenden Defiziten und Staatsschulden der Industrienationen? Das sind die Fragen und die Herausforderungen der nächsten Zeit. Für die junge Generation ist das Wichtigste, dass sie diese europäische Einigung nicht gefährden und damit wieder einen Rückschritt zu machen. „Wir, ich und meine Generation, wir haben natürlich nicht nur in Frieden gewirtschaftet und aufgebaut, sondern auch unter unglaublich günstigen Bedingungen. Wir haben ja 30 Jahre Wachstum gehabt. Nicht nur auf Grund dieser Krise, die wir jetzt durchleben, sondern auch schon vorher war es für die junge Generation viel schwieriger als zu meiner Zeit. Es gab viel mehr Wettbewerb viel mehr Auslese, die Herausforderungen waren viel konsequenter. Insofern muss man jedem jungen Menschen die Daumen halten, und sagen: „Yes you can. » PUBLIKUMSFRAGE: Sie haben vorher über Ihr politisches Engagement gesprochen. Bei der letzten Nationalratswahl haben wir vielmehr Wahlmöglichkeiten gehabt, als wir es jemals zuvor hatten. Eine Partei war das Liberale Forum, in dem Sie angetreten sind. Letztlich haben wir wieder die gleichen Parteien gewählt. Was glauben Sie, warum war das so? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Fragen Sie mich? Ich weiß so viel wie Sie. Weder die Frau Dr. Schmid noch ich haben das gemacht um zu verlieren. Wir haben tatsächlich geglaubt, dass wir dieses Mal eine Chance hätten. Ich habe mit der Politik meinen Frieden gemacht. Ich wollte es jetzt noch einmall wissen, ich bin damit auf die Nase gefallen. PUBLIKUMSFRAGE: 12.11.2008, abends Seite - 12 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner Sie sind mit Ihrem Unternehmen in sicherlich einem der härtesten Märkte die es gibt sehr erfolgreich unterwegs. Wie schaffen Sie es, diesen sozialen Gedanken, dass der Staat auch Aufgabe übernehmen soll mit diesen harten Entscheidungen, die sie in Ihrem Unternehmen treffen müssen – Jobabbau, Anpassung von Kapazitäten – zu kombinieren? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Erstens einmal haben wir ein sehr striktes Regime, was unsre Mitarbeiter betrifft. Da ist natürlich Leistung im Vordergrund. Wir haben zwar eine Sozialstiftung, wo wir dann unverschuldet Betroffene oder Verarmte oder in soziale Schieflage Geratene auffangen. Aber im Prinzip ist das eine klare Sache. Man kann nicht hergehen und sagen: „Ich führe eine Unternehmung nach sozialen Gesichtspunkten.“ Man muss seine sozialen Standards haben, aber eine Unternehmung kann nur überleben, wenn klar ist, dass die betriebswirtschaftlichen Grundregeln eingehalten werden. Das heißt, wir haben so viele Arbeitsplätze wie wir Arbeit haben und nicht mehr und auch nicht weniger. Das ist das Eine. Aber alles andere außerhalb der Unternehmung ist das, was ich glaube, dass wohlhabende oder erfolgreiche Menschen eben tun sollten. Ich trete für eine schärfere Stiftungsbesteuerung ein, die meiner Meinung nach mindestens so besteuert gehört wie eine Kapitalgesellschaft, nämlich mit 25%. Auch ein anderes Thema haben wir bis jetzt nicht angeschnitten und das sind meine Steuervorschläge. Wenn jemand zwei Millionen verdient, dann soll er sie verdienen, auch vier oder sechs. Die Politik kann nicht hergehen und sagen: „Er darf nicht mehr als 500 000 verdienen.“ Das ist ein Rückfall in eine ideologische Erbsünde. Aber man kann sagen, über 500 000 80% oder 90% Besteuerung. Ein Eingriff in die autonome Wirtschaft ist auf jeden Fall der falsche Weg, aber zu besteuern ist das Richtige. Die soziale Frage durch eine Umverteilung zu beantworten ist der richtige Weg. Die Caritas, Pater Georg Sporschil und andere Sozialprojekte, das geschieht freiwillig, das macht man zum eigenen Seelenfrieden. Wäre ich gläubig würde ich sagen: „Damit mir das Himmelreich garantiert wird.“ Nachdem ich es nicht bin, begnüge ich mich damit, dass ich mich freuen kann und mir sagen kann, ich habe wenigstens hier versucht einen kleinen Beitrag zu leisten. Und das ist sehr, sehr befriedigend. PUBLIKUMSFRAGE: Sie haben gesagt, dass Ihr Einstieg in die Politik eigentlich aus Fadesse erfolgt ist. Aber wollten Sie mit Ihrer Beteiligung an dem Liberalen Forum nicht doch etwas Neues aufbauen, etwas, das Ihnen die beiden Großparteien nicht geben konnten? DR. HANS PETER HASELSTEINER: Ich war ja lange genug bei der ÖVP, da hätte ich ja nicht zurückkehren wollen. Landeshauptmann Wallnöfer war ein wirklich väterlicher Freund zu mir. Wäre ich in Tirol geblieben, hätte ich sicherlich eine politische Karriere in Tirol gemacht. Als ich in die Politik einstieg, war in meinem Beruf nicht gerade die Hölle los und ich habe die Politik nicht verlassen, weil ich nicht an das Liberale Forum geglaubt habe, im Gegenteil, deshalb war auch die Niederlage so erschütternd, sondern weil ich die Strabag gekauft habe. Ich bin aus dem Parlament ausgeschieden, weil ich wieder eine berufliche Herausforderung hatte, die ich der politischen vorziehen wollte und musste. Das bin ich auch meinen vielen Mitstreitern schuldig. Es ist sicherlich eine der wichtigsten unternehmerischen Aufgaben, gute, selbstständige, kritische, unternehmerische Menschen zu gewinnen, die für einen oder mit einem in einem solchen Unternehmen arbeiten. Insofern muss ich sagen: „Nein, nein fad war mir nicht und die politische Aufgabe war schön, aber sie hatte eben ihre Zeit. BARBARA VAN MELLE: Ich bitte jetzt die Departmentleiter ihr Programm für den morgigen Tag vorzustellen. EUGEN MARIA SCHULAK, DEPARTMENT FÜR PHILOSOPHIE: Es wird morgen im Seminar um die Ethik oder eine mögliche Ethik des Unternehmertums gehen. Unternehmer wie Sie, aber auch viele Freiberufler und Selbstständige sind die 12.11.2008, abends Seite - 13 - academy_of_life_Wien Hans Peter Haselsteiner einzigen, die real Steuer zahlen. Sie sind doch ein Rückgrat! Das Seminar ist ein Angebot an Unternehmer, Selbstständige und an Freiberufler und die, die es werden wollen. Und das ist der Grund warum dieses Thema gewählt wurde. Ethik des Unternehmertums. CLAUDIA KILLERMANN, DEPARTMENT FÜR PSYCHOLOGIE: Das Zitat, das meinem Seminar morgen als Input dient, ist angelehnt an den Satz: Kinder erziehen ist leicht, man muss nur das Ergebnis lieben können. Ich denke, das lässt sich auf alle Lebensbereiche ausdehnen. Auch auf die Wirtschaftslage, beziehungsweise Wirtschaftskrise. Geld ausgeben von einem Kredit ist leicht, ich muss es nur irgendwann zurückzahlen können. Und so möchte ich mich mit dem Thema Selbstverantwortung auseinandersetzen: Selbstverantwortung heißt, ich bin mir der Konsequenz meines Handelns bewusst und ich bin auch bereit für diese einzugestehen. WOLFGANG KAINZ, DEPARTMENT KUNST DES LEBENS: Wir werden morgen bauen, keine Angst Frau Ederer, wir werden hier nicht das ganze Siemens Forum umbauen, sondern mit Schachteln und Kisten diverse Gebilde bauen und werden dann schaun, ob es einen Sinn oder Unsinn von Feng Shui bei diesen Gebäuden gibt, wie weit das einen Stellenwert hat. ANETTE SCHEINER, DEPARTMEN FÜR KOMMUNIKATION: Kommunikation ist im menschlichen Zusammenleben etwas ganz Essenzielles. Es gibt ja sehr viele Arten der Kommunikation. Wir haben heute Abend hier erlebt, wie spannend, wie informativ und wie interessant so ein Abend sein kann, wenn Menschen am Werk sind, die diese Ebene sehr gut beherrschen. Jetzt kann man sagen, bei Journalisten erwartet man das eher, Herr Haselsteiner ist Bauunternehmer, war aber auch Politiker, von dem man das auch erwarten kann. Wir wollen uns morgen diesen Abend noch einmal genau anschauen und uns fragen: „Wie macht er das? Warum kommt er so glaubwürdig, so authentisch, so sicher über die Rampe? Hat er da Tricks? Oder hat er das vielleicht ganz ausführlich gelernt? Oder ist er ein Naturtalent? Nach dem was Sie selber gesagt haben, ließe das ja eher auf letzteres schließen. Dabei sollen die Teilnehmer an dem Workshop die Gelegenheit haben ihre eigene Kommunikationsfähigkeit ein wenig unter Beweis zustellen, und das dann im Rahmen der Gruppe diskutieren. Es ist natürlich wichtig, dass man auch auf die nonverbale Kommunikation schaut, weil ich denke, dass gerade diese Dimension wahnsinnig viel ausmacht, ob ein Mensch glaubwürdig ist und Überzeugungskraft besitzt und damit auch seine eigenen Ziele durchsetzen kann. BENJAMIN KNEIHS, DEPARTMENT FÜR RECHT UND ETHIK: Ich bin Wirtschaftjurist und möchte das Verhältnis Staat und Wirtschaft zum Thema machen: Vergaberecht für öffentliche Bauaufträge, Wettbewerbsrecht, Beihilfenrecht. Weil von der Krise und den Bankenrettungen viel die Rede war. Weil ich Verfassungsrechtler bin, möchte ich auch von der andren Seite kommen. Sie sind vor dem Wahlkampf ein bisschen scheel angeschaut worden: Soll sich ein Industrieller eine Politik kaufen können? Parteienfinanzierung, Wahlrecht, Parteienrecht im Allgemeinen wäre das zweite Feld. HARALD KLIEN, DEPARTMENT FÜR WIRTSCHAFT: Wir werden uns damit beschäftigen, welche Risken muss ich eingehen, welche Investments muss ich tätigen, um eine solche Karriere machen zu können? Und dann werden wir uns damit beschäftigen, wie reich ist man, wann ist man reich genug? Ist das nur mit Geld verbunden oder auch mit vielen anderen Aspekten? 12.11.2008, abends Seite - 14 -