Didaktische Medien und ihre Produktion
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Didaktische Medien und ihre Produktion
Didaktische Medien und ihre Produktion von Paul Klimsa Prof. Dr. Paul Klimsa Didaktische Medien sind Medien, die in Lehr- und Lernzusammenhängen eingesetzt werden. Seitdem Paul Heimann am Anfang der sechziger Jahre sein Modell der Didaktik vorgestellt hat [1], hat sich an der theoretischen Auffassung von den vier den Unterricht konstituierenden Elementen nichts geändert. Nach wie vor stehen Ziele – Heimann sprach von Intentionen – am Anfang des didaktischen Bemühens, dann werden Inhalte gewählt und mit Hilfe von Unterrichtsmethoden in Lehr- und LernHandlungen aufgelöst. Durch Nutzung von Medien werden die Inhalte dann dem gesamten Konzept des Unterrichts angemessen transportiert (Abb. 1). Waren als Medien in den 60er Jahren eine Tafel, ein Overhead-Display/Polylux bzw. ein Dia-Projektor im Einsatz, so sind es heute ein digitales Whiteboard bzw. ein Laptop mit einem Lichtstarken Datenprojektor, ein Tablet-PC oder beispielswiese „Social Software“, die die Lernenden im Internet zu einem Lernteam verbindet. Auf den ersten Blick scheint also die Änderung klein und nur in dem Fortschritt der Medientechnik zu liegen. Anthropologisch-psychologische Bedingungen n ne M n et ie d ho ed M en In te lte nt ha io In Anthropologisch-psychologische Auswirkungen situativ-sozial-kulturelle Auswirkungen normbindende Faktoren bedingungssetzende Faktoren formschaffende Faktoren situativ-sozial-kulturelle Bedingungen Abb. 1: Das Didaktik-Modell nach Heimann [1] Medien sollten früher der didaktischen Planung dienlich sein, d.h. die Wahl der Ziele, Inhalte und Methode waren entscheidend. Medien rückten jedoch im Laufe der Zeit immer mehr in das Zentrum des didaktischen Bemühens, was zuweilen in der Praxis zur unerwünschten Umkehrung der Vorgehensweise führte (zudem der/die lehrende Person wenig Erfahrung hatte). Medien standen dann im Mittelpunkt. Diese Umkehrung der didaktischen Sicht ist auch heute noch falsch: Nicht zuerst Medien sollten das didaktische Geschehen bestimmen, sondern stets eine Folge der Zielfestlegung sein. Was jedoch, wenn Medien als Lernziel in den Mittelpunkt rücken? Hierzu einige Beispiele, die zeigen, wie sich die Position der Medien im Modell von Heimann verändert hat. 1. Beispiel 1 Der Unterricht ist ausgerichtet auf die Nutzung einer speziellen Software in Unternehmen unterschiedlicher Branchen, die u.a. Teamarbeit und Lernverbunde unterstützt sowie Wissensaustausch ermöglicht. Im Unterricht müssen zentrale Funktionen des Systems und seine Leistung vorgestellt werden. Als Zielsetzung wäre also zu definieren, dass die Mitarbeiter mit dem System in allen seinen Funktionen aktiv umgehen können und eine Grundkompetenz zur Realisierung gemeinsamer Projekte erlangen. Inhaltlich muss man alle Funktionen der Software identifizieren, die den aktiven Umgang mit ihr ermöglichen. Dazu muss man sich auf bestimmte Ankerpunkte der Software festlegen und eine Stoffreduktion vornehmen. Die gewählten Inhalte müssen nun in Lehr- und Lern-Handlungen übersetzt werden. Als Methode kann man beispielsweise eine mehrstufige Unterweisung wählen. In allen Schritten muss man also Entscheidungen treffen, aber die Wahl des Mediums ist bereits von Anfang an klar. Ohne das Softwaresystem selbst wird es nicht gehen. Man kann zusätzlich Arbeitsblätter anfertigen, eine PC-Präsentation vorbereiten, bzw. weitere Medien, wie z.B. onlinebasierte Lernsoftware erstellen und einsetzen. Die Mediennutzung steht aber schon zu Beginn der Planung an einer zentralen Stelle der Überlegungen, wie z.B. eine Seminarbeschreibung im Internet: http://www.tu-ilmenau.de/?id=21822. 4 2. Beispiel 2 Zwei Gruppen von Medien-Studenten sollen gemeinsame journalistische Beiträge vorbereiten. Problem ist dabei, dass beide Gruppen ca. 800 km voneinander entfernt sind. Die eine Gruppe studiert in Deutschland, die andere in Polen. Schon zu Beginn der didaktischen Planung müssen also Medien einbezogen werden und in Bezug auf ihre geplante Nutzung sind Ziele zu definieren. Dabei ist nicht nur der Umgang mit speziellen Werkzeugen für die Kooperation über das Internet notwendig, sondern solche Fähigkeiten wie beispielsweise die Reflexion der begrenzten Kommunikationsmöglichkeiten und ein angemessener Informationsaustausch. Selbstverständlich gehört zu den Zielen auch das Schreiben von Texten bzw. das Drehen eines Video-Films, doch die Medienentscheidungen müssen schon bei der Zielbestimmung einfließen (vgl. Klimsa in dieser Ausgabe). Aus den beiden Beispielen können wir ableiten, dass in einer medial dominierten Arbeits-, Lehr- und Lernwelt Medien im Unterricht heute mehr als in der Vergangenheit einen zentralen Faktor darstellen (Abb. 2). M Anthropologisch-psychologische Bedingungen n ne io d ho et n ie ed M en In te lte nt ha In Anthropologisch-psychologische Auswirkungen situativ-sozial-kulturelle Auswirkungen normbindende Faktoren bedingungssetzende Faktoren formschaffende Faktoren situativ-sozial-kulturelle Bedingungen Abb. 2: Das modifizierte Didaktik-Modell nach Paul Heimann [1] Die Produktion von didaktischen Medien steht aus diesem Grund heute an einer exponierten Stelle, wenn man Lernprozesse planen muss. Oft – wie auch schon früher – kann das zur teilweisen Ausblendung bzw. Unterschätzung der Bedeutung anderer Elemente des Unterrichts führen. Medien ersetzen keine Inhalte, Medieneinsatz ist zudem an sich allein noch keine Methode. Denkt man jedoch an alle Faktoren zusammen, können didaktische Medien ihre gewünschte und vor allem erwünschte Stellung im Lernprozess einnehmen und wesentlich zur Qualität der Bildung beitragen. Die wissenschaftlichen Ansätze zu diesem Thema und die Lerntheorien haben sich inzwischen beachtlich entwickelt, so dass der Umfang der Produktion von didaktischen Medien im Bildungsbereich enorm verbreitet ist [2]. Eine Lerntheorie bestimmt den allgemeinen Rahmen für didaktische Überlegungen von Lernprozessen mit Medien, die wiederum für eine erfolgreiche – oder eine misslungene – Entwicklung von Lernanwendungen – wie beispielsweise im eLearning – ausschlaggebend sind. Wenn eine theoretische Konstruktion nur rezeptive Vorgänge beim Lernen zulässt und die Wirksamkeit des Lernprozesses in Kategorien beobachtbaren Verhaltens festlegt, so entspricht die daraus abgeleitete Lehr- und Lernpraxis den konstruierten Festlegungen. Gelernt werden kann eben nur das, was zuvor festgelegt/operationalisiert wurde. Setzt man in der Theorie voraus, dass es eine objektive Wirklichkeit gibt, so gilt es im eLearning-System, die Informationen über diese Wirklichkeit zu vermitteln. Gibt es keine objektive Wirklichkeit, so gilt es, die Realität durch Erwerb von notwendigen Strategien zu bewältigen. Die Rolle der Medien resultiert in solchen Zusammenhängen immer aus den theoretischen Überlegungen: Das was die Theorie nicht erfasst, wird sich auch in der medialen Umsetzung nicht wieder finden. Es ist keineswegs einfach, die Theorien im Hinblick auf die Verwendung von eLearning zu systematisieren. Oft stellt man in der Praxis fest, dass ein Lernprogramm keine scharfe Trennung zwischen der Umsetzung unterschiedlicher Lerntheorien bedeutet, sondern eine pragmatische Integration verschiedener Ansätze in einem medialen Lernprodukt zeigt. Die Produktion didaktischer Medien kann dabei im Modell der Medienproduktion [3] gezeigt werden, das davon ausgeht, dass erst das Zusammenspiel der drei konstituierenden Elemente der Medienproduktion zur Entsteheung eines spezifischen Medienroduktes – z.B. eines didaktischen Mediums – führen kann. Es sind die Elemente: Content als (gegenwärtig meist) digitale Inhalte, die auf einer Vermittlungsplattform den Nutzern zur verfügung stehen; Technik als digitale Technik, die die Produktion ermöglicht, aber auch dem Content einen spezifischen Vermittlungskanal zuweist; Organisation als übergreifende Institution/Struktur oder als übergreifend strukturierender Ablaufprozess, in dem Ressourcen zusammengeführt werden, um geplante Medienprodukte hervorzubringen [4]. 5 Um didaktische Medienprodukte zu entwickeln, müssen diese Produkte vier Phasen durchlaufen: Preproduktion (Ziele definieren, korrespondierende Inhalte und Methoden wählen sowie Medien festlegen), Produktion (Entwicklung eines Prototyps, Usability-Test, Korrektur/Anpassung des didaktischen Konzeptes, Produktion der Medien, begleitende – formative – Evaluation), Postproduktion (abschließende – summative – Evaluation, Korrektur/Anpassung des didaktischen Konzeptes, Fertigstellung des Produktes) und Distribution (Vertrieb/Einführung des Medienproduktes). Die Distribution ist oft selbst mit Bildungsaufgaben verbunden, da es nicht nur darum geht, Lernanwendungen online oder offline zu verteilen, sondern auch die Kompetenz für ihre Nutzung erst zu ermöglichen. Wenn wir die Erkenntnisse nun auf unsere zwei eingangs gezeigten Beispiele übertragen, bedeutet das, dass im ersten Beispiel die Mitarbeiter als Nutzer eines softwarebasiertes Kooperationssystems mit einer besonderen Kompetenz für den Umgang mit dem System als Medienprodukt vorbereitet werden müssen. Im zweiten Beispiel erwerben die Studenten beider Universitäten zunächst Nutzungskompetenz von Kommunikationsund Kollaborationswerkzeugen, um im zweiten Schritt gemeinsame Medienprodukte zu erstellen. In beiden Fällen sind Prozesse der Medienproduktion von didaktischen Medien im Sinne eines optimalen Ergebnisses zu steuern. Dies muss in einem zuvor festgelegten didaktischen Rahmen erfolgen und erfordert auch die Beteiligung von Trainern/ Dozenten/Ausbildern. Damit sind didaktische Medien in zwei ineinander greifende didaktische Prozesse eingebunden: Zum einem wird die Medienproduktion durch didaktische Notwendigkeit der Unterrichtsvorbereitung definiert, zum anderen müssen die Bedingungen der Nutzung didaktischer Medienprodukte den anvisierten didaktischen Zielen entsprechen und mit angemessenen Maßnahmen flankiert werden. 3. Literatur [1] Heimann, P. (1976). Didaktik als Unterrichtswissenschaft. Stuttgart: Ernst-Klett-Verlag. [2] Klimsa, P., & Issing, L. J. (Hrsg., 2011). Online-Lernen. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. 2. verbesserte und ergänzte Auflage. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag. [3] Krömker, H., & Klimsa, P. (2011). Medienproduktion: Eine neue wissenschaftliche Perspektive. Medienproduktion – Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis, Jahrgang 1, Heft 1, 4-7. Abgerufen 20.12.2012 von http://www2.tu-ilmenau.de/zsmp/ sites/default/files/uploads/ZSMP-Ausgabe1-komplettoptimiert.pdf [4] Krömker, H., & Klimsa, P. (Hrsg., 2005). Handbuch Medien produktion. Produktion von Film, Fernsehen, Hörfunk, Print, Internet, Mobilfunk und Musik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Didaktisch genutzte Medien sind nicht mehr aus Lern- und Lehrprozessen wegzudenken und ihre Bedeutung wird auch künftig weiterhin wachsen. Um optimale Lehr- und Lernsituationen zu schaffen, ist es daher unerlässlich, die Prozesse der Produktion der digitalen Medien zu reflektieren, um sie besser steuern zu können. In dem vorliegenden Heft der Online-Zeitschrift für Medienproduktion finden die Leser einige Anregungen für eigene Medienproduktions- und Mediennutzungspraxis im Lehr- und Lernkontext. 6