ENTSCHEIDUNG der Ersten Beschwerdekammer vom 17. April 2013

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ENTSCHEIDUNG der Ersten Beschwerdekammer vom 17. April 2013
HARMONISIERUNGSAMT FÜR DEN BINNENMARKT
(MARKEN, MUSTER UND MODELLE)
Die Beschwerdekammern
ENTSCHEIDUNG
der Ersten Beschwerdekammer
vom 17. April 2013
In dem Beschwerdeverfahren R 1179/2012-1
CMC Consumer Medical Care GmbH
Eichendorffstr. 12-14
DE- 89567 Sontheim an der Brenz
Deutschland
Anmelderin / Beschwerdeführerin
vertreten
durch
KAUFMANN
&
STUMPF
PATENTANWALTSPARTNERSCHAFT, Alte Weinsteige 71, DE-70597 Stuttgart, Deutschland
BESCHWERDE betreffend die Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 9 760 794
erlässt
DIE ERSTE BESCHWERDEKAMMER
unter
Mitwirkung
von
Th. M. Margellos (Vorsitzender),
Philipp von Kapff (Berichterstatter) und S. Martin (Mitglied)
Geschäftsstellenbeamter: P. López Fernández de Corres
die folgende
Verfahrenssprache: Deutsch
ENTSCHEIDUNG VOM 17. APRIL 2013 – R 1179/2012-1 – Pureplus
2
Entscheidung
Sachverhalt
1.
Mit Anmeldetag vom 24. Februar 2011, beantragte CMC Consumer Medical
Care GmbH („die Anmelderin“) die Eintragung der Wortmarke
Pureplus
für die folgenden Waren der Klassen:
Klasse 3 – Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Reinigungs- und Pflegemittel für die Haut,
Seifen, Wasch- und Duschlotionen, Reinigungsschaum; Watte und Watteprodukte für
kosmetische Zwecke; Feuchttücher aus Papier und/oder Zellstoff getränkt mit kosmetischen
Lotionen; Wattebällchen, Wattestäbchen, Wattepads, Watte in Bandform; feuchte Pflege- und
Abschminkpads; feuchte Wattestäbchen; Nagellackentfernerpads; Baby-Wattepads.
Klasse 5 – Pflaster, Verbandstoffe, chemische Erzeugnisse für die Körperpflege, zum Schutz und
zur Reinigung der Haut zu medizinischen Zwecken; mit Desinfektionsmitteln getränkte Feuchtund/oder Reinigungstücher aus Papier und/oder Watte und/oder Zellstoff für medizinische und
hygienische Zwecke; mit Desinfektionsmittel und/oder Öl und/oder Reinigungsmitteln getränkte
Watte oder Zellstofftücher für medizinische und hygienische Zwecke; Watte und Watteprodukte
für hygienische Zwecke; medizinische Haut- und Haarpflegeprodukte; Waren aus Zellstoff
und/oder Watte für die Damenhygiene, nämlich Monatsbinden, -höschen, -tampons, Slipeinlagen;
Wöchnerinnenvorlagen; Intimwatte; Windeln, Windeleinlagen und Saugvorlagen, im
Wesentlichen bestehend aus Papier, Zellstoff oder anderen Fasermaterialien, als Einmalartikel für
die Inkontinentenversorgung.
Klasse 16 – Waren aus Papier, soweit in Klasse 16 enthalten; Kosmetik- und Abschminktücher
aus Papier; Papierservietten, Papiertaschentücher, Babywindeln aus Papier; Küchenpapier;
Papierrollen für gewerbliche Zwecke; Papierhandtücher.
2.
Die Anmelderin hielt ihren Eintragungsantrag auch nach Beanstandung durch den
Prüfer aufrecht.
3.
Durch Entscheidung vom 5. Juni 2012 (im Folgenden die „angefochtene
Entscheidung“) wies der Prüfer die Anmeldung für alle Waren gemäß Artikel 7
Absatz 1 Buchstaben c und b GMV in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 2 GMV
zurück. Der Prüfer stützte sich insbesondere auf die folgenden Gründe:
–
Die beanspruchten Waren haben Schönheitsprodukte, Pflaster, verschiedene
sanitäre
Waren,
Kosmetikund
Abschminktücher,
Windeln,
Papierhandtücher und andere Hygienewaren zum Gegenstand. Es handelt es
sich um Waren, die sich teilweise an Durchschnittsverbraucher und teilweise
auch an Gewerbetreibende (Fachkreise wie Ärzte, Sanitäter,
Krankenpflegpersonal usw.) richten. Der Grad der Aufmerksamkeit wird
vorliegend durchschnittlich sein, derjenige der Fachkreise kann etwas erhöht
sein. Vorliegend kommt es auf die Verkehrsauffassung der
englischsprachigen Verkehrskreise an.
–
Diese Verkehrskreise kennen die Ausdrücke „pure“ (rein) und „plus“
(„Plus“, „ein Mehr“). Was das Wort „plus“ betrifft, so ist es nachgestellt,
ähnlich wie „extra“ oder „spezial“, lediglich ein in etlichen Branchen
üblicher, anpreisender Zusatz, der unspezifisch auf Vorzüge oder Vorteile
ENTSCHEIDUNG VOM 17. APRIL 2013 – R 1179/2012-1 – Pureplus
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der fraglichen Waren hinweist, die je nach Fall in einer Verbesserung
gegenüber früheren oder einfacheren Angeboten, einer besonderen
Ausführung, einem Paketangebot, allgemein hoher Qualität oder sonstigen
positiven Eigenschaften bestehen können.
4.
–
Durch die Zusammenfügung von „pure“ und „plus“ zu „Pureplus“ erhält der
Verbraucher nur die Information, dass es sich um Waren handelt, die „rein“
sind und ein Mehr oder ein Extra bieten.
–
Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil die mögliche Bedeutung einer
angemeldeten Marke nicht abstrakt, sondern im Zusammenhang mit den
relevanten Waren zu untersuchen ist. Den Käufern der Waren wird das
Zeichen in Zusammenhang mit den angebotenen Waren begegnen, bei denen
allesamt die Reinheit eine Rolle spielt wie auch die Anmelderin vorträgt.
–
Es trifft zwar zu, dass reine Waren in der englischen Sprache auch mit
„clean“ bezeichnet werden. Der Wortbestandteil „pure“ weist aber eindeutig
auf reine Waren hin. Somit besteht ein hinreichend enger Zusammenhang
zwischen den angemeldeten Waren und der Anmeldung. Das angemeldete
Zeichen beschreibt eine Eigenschaft der Waren, nämlich die Reinheit. Diese
Eigenschaft ist in Hinblick auf alle verfahrensgegenständlichen Waren
wesentlich, insbesondere bei denjenigen, die Desinfektionsmittel verwenden
(Klasse 5).
–
Vorliegend ist auch keine ungewöhnliche Änderung aus Sicht der
maßgeblichen englischsprachigen Verkehrskreise vorgenommen worden (die
bloße Zusammenziehung ist eine werbeübliche Schreibweise). Es trifft zwar
zu, dass der Ausdruck „Pureplus“ in keinem Wörterbuch steht, dennoch ist es
aus der Sicht der angesprochenen englischsprachigen Verkehrskreise ein
sprachüblich geformter Ausdruck. Das Zeichen wird dem Verbraucher im
vorliegenden Fall im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren begegnen
und muss daher auch nicht interpretiert oder einer eingehenden Betrachtung
unterzogen werden.
–
Da keine über eine reine Information hinausgehenden Angaben vorliegen,
wird der Verkehr die angebotenen Waren somit nicht als betriebliche
Kennzeichnung wahrnehmen.
Die Anmelderin erhob gegen die angefochtene Entscheidung am 26. Juni 2012
Beschwerde und begründete sie am 28. August 2012. Sie beantragt, der
Beschwerde stattzugeben und die angemeldete Marke für alle beanspruchten
Waren zur Veröffentlichung zuzulassen und führt im Wesentlichen wie folgt aus:
–
Die beanspruchten Waren in den Klassen 3, 5 und 16 betreffen im
Wesentlichen Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Produkte aus
Zellstoff und Watte für kosmetische und medizinische Zwecke, Pflaster,
Verbandstoffe, sowie Waren aus Papier für den gewöhnlichen und den
Haushaltsgebrauch. Wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend
feststellt, spielt die Eigenschaft der „Reinheit“ hier eine maßgebliche Rolle.
Diese Eigenschaft wird sogar für einen Teil der Waren als selbstverständlich
vorausgesetzt.
–
Der englische Begriff „pure“ ist nicht steigerungsfähig. Insofern kann „plus“
nicht „mehr“ als unverfälscht oder rein sein. Damit weist der Gesamtbegriff
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„Pureplus“ keine klare Bedeutung mehr auf, sondern regt vielmehr zum
Nachdenken an. Damit vermittelt er auch keine hinreichend klare
Werbebotschaft.
–
Das Amt hat bis in jüngste Zeit für die hier maßgeblichen Warenklassen
„Plus“-Marken als reine Wortmarken zugelassen. Dies kann nicht ignoriert
werden und diese uneinheitliche Spruchpraxis bedarf einer dringenden
Korrektur.
Entscheidungsgründe
5.
Die Beschwerde erfüllt die Anforderungen von Artikel 58, 59 und 60 GMV in
Verbindung mit Regeln 48 und 49 GMDV und ist daher zulässig.
6.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Eintragungshindernisse der
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV (beschreibende Angaben) und Artikel 7
Absatz 1 Buchstabe b GMV (fehlende Unterscheidungskraft) in Verbindung mit
Artikel 7 Absatz 2 GMV liegen vor.
7.
Die Beschwerde ist somit zurückzuweisen.
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV
8.
Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV sind von der Eintragung
beschreibende Marken ausgeschlossen, d.h. Marken, die ausschließlich aus
Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der
Merkmale der Waren- oder Dienstleistungsgruppen dienen können, für die diese
Eintragung beantragt wird. Damit verfolgt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV
das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die die
Waren- oder Dienstleistungsgruppen beschreiben, für die die Eintragung
beantragt wird, von allen frei verwendet werden können. Diese Vorschrift erlaubt
daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung als
Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (siehe Urteil vom 4. Mai 1999,
C-108/97 und C-109/97, „Chiemsee“, Randnr. 24-25).
9.
Die Prüfung auf absolute Eintragungshindernisse muss dabei streng und
vollständig sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu vermeiden
und aus Gründen der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung
sicherzustellen, dass Marken, deren Benutzung vor Gericht mit Erfolg
entgegengetreten werden könnte, nicht eingetragen werden (siehe Urteile vom
6. Mai 2003, C-104/01, „Libertel“, Randnr. 59; und vom 21. Oktober 2004, C64/02 P, „Das Prinzip der Bequemlichkeit“, Randnr. 45).
10. Nur Angaben, die unmittelbar beschreibend sind, sind von der Eintragung gemäß
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV ausgeschlossen. Dabei ist es nicht
erforderlich, dass das fragliche Zeichen bereits als beschreibende Angabe bekannt
ist, sondern es reicht aus, dass dies vernünftigerweise für die Zukunft zu erwarten
ist. Daher muss auch vom Prüfer kein Nachweis erbracht werden, dass das
angemeldete Zeichen bei Angaben im geschäftlichen Verkehr, insbesondere in
der Werbung, gemeinhin verwendet wird (siehe Urteil vom 21. Oktober 2004, C64/02 P, „Das Prinzip der Bequemlichkeit“, Randnr. 46).
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11. Ebenso ist ein Wortzeichen bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen,
wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in
Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (siehe Urteile vom
4. Mai 1999, C-108/97 und C-109/97, „Chiemsee“, Randnr. 30-31; und vom
23. Oktober 2003, C-191/01 P, „Doublemint“, Randnr. 32).
12. Bei den zurückgewiesenen Waren der Klassen 3, 5 und 16 handelt es sich um
Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Produkte aus Zellstoff und Watte für
kosmetische und medizinische Zwecke, Pflaster, Verbandstoffe, sowie Waren aus
Papier für den gewerblichen Gebrauch und den Haushaltsgebrauch.
13. Es ist darauf abzustellen, wie ein im Bereich dieser Waren erfahrenes, normal
informiertes und angemessen aufmerksames und verständiges Publikum das für
diese Waren angemeldete Zeichen „Pureplus“ wahrscheinlich auffassen wird
(siehe Urteile vom 16. Juli 1998, C-210/96, „Gut Springenheide“, Randnr. 31;
vom 22. Juni 1999, C-342/97, „Lloyd Schuhfabrik“, Randnr. 26; und vom 15.
September 2005, C-37/03 P, „BioID“, Randnr. 68).
14. Die beanspruchten Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Produkte aus
Zellstoff und Watte für kosmetische und medizinische Zwecke, Pflaster,
Verbandstoffe, sowie Waren aus Papier für den Haushaltsgebrauch richten sich
als Waren des alltäglichen Bedarfs zum einen an den Endverbraucher. Hier ist je
nach Qualität und Preis der Artikel – aber auch der speziellen Bedürfnisse der
Abnehmer etwa in Bezug auf die in diesem Warensegment wichtige
Hautverträglichkeit (Allergien) – von einem normalen bis erhöhten
Aufmerksamkeitsgrad auszugehen.
15. Die angemeldeten Waren richten sich aber, wie die Papierrollen für gewerbliche
Zwecke, auch an ein Fachpublikum, und zwar insbesondere an Betreiber von
Frisör- und Schönheitssalons, Krankenhäusern, Arztpraxen, Apotheken und
Dienstleister im Bereich der Kranken- und Altenpflege. Bei diesen
Verkehrskreisen ist von einem gesteigerten Aufmerksamkeitsgrad auszugehen, da
sich die Auswahl der Waren direkt auf die Qualität ihres eigenen Waren- und
Dienstleistungsangebots auswirken kann.
16. Da es sich vorliegend um eine Gemeinschaftsmarkenanmeldung handelt, richten
sich die angemeldeten Waren potentiell an die genannten Verkehrskreise in der
gesamten Europäischen Union. Das angemeldete Zeichen „Pureplus“ besteht aus
den Wörtern „pure“ und „plus“. Da letztere unter anderem in der englischen
Sprache verwendet werden, wird vorliegend – dem Vorgehen des Prüfers in der
angefochtenen Entscheidung folgend – auf die Wahrnehmung durch die
maßgeblichen englischsprachigen Verkehrskreise in der Union abgestellt.
17. Das englische Wort „pure“ bezeichnet laut dem Oxford English Dictionary als
Eigenschaftswort in Bezug auf körperliche Gegenstände unter anderem:
„not mixed or adulterated; clean, clear, refined; spec. free from contamination or
physical impurity; not mixed with anything that corrupts or impairs.“
18. Somit weist das Wort „pure“ den englischsprachigen Verbraucher darauf hin,
dass die beanspruchten Waren rein – d.h. etwa aufgrund Sterilisation frei von
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Fremdstoffen und Verunreinigungen oder sonstigen schädlichen Elementen oder
Zugaben – sind.
19. Dies wird im Übrigen von der Anmelderin auch nicht nur nicht bestritten,
sondern sie erklärt ausdrücklich, dass die Reinheit des Materials ein
Qualitätskriterium für die Waren sein kann.
20. Wie auch in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, handelt es
sich bei der Reinheit um eine wesentliche Eigenschaft der
verfahrensgegenständlichen Waren.
21. Reinheit kann etwa, je nach Sachzusammenhang, bedeuten, dass eine Ware zu
100% aus dem angegebenen Naturstoff besteht (etwa Baumwolle) und damit
etwa keine Allergien gegen Beimischungen auslösen kann. Dies gilt insbesondere
für die folgenden zurückgewiesenen Waren:
Klasse 3 – Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Reinigungs- und Pflegemittel für die Haut,
Seifen, Wasch- und Duschlotionen, Reinigungsschaum; Watte und Watteprodukte für
kosmetische Zwecke; Wattebällchen, Wattestäbchen, Wattepads, Watte in Bandform;
Nagellackentfernerpads; Baby-Wattepads;
Klasse 16 – Kosmetik- und Abschminktücher aus Papier; Papiertaschentücher, Babywindeln aus
Papier;
Klasse 5 – chemische Erzeugnisse für die Körperpflege, zum Schutz und zur Reinigung der Haut
zu medizinischen Zwecken; Watte und Watteprodukte für hygienische Zwecke; medizinische
Haut- und Haarpflegeprodukte; Waren aus Zellstoff und/oder Watte für die Damenhygiene,
nämlich Monatsbinden, -höschen, -tampons, Slipeinlagen; Wöchnerinnenvorlagen; Intimwatte;
Windeln, Windeleinlagen und Saugvorlagen, im Wesentlichen bestehend aus Papier, Zellstoff
oder anderen Fasermaterialien, als Einmalartikel für die Inkontinentenversorgung.
22. Reinheit kann ferner bedeuten, dass die Waren steril hergestellt und verpackt sind
und keine bakterielle Verschmutzung aufweisen können. Dies gilt insbesondere
für Waren, die der Haar-, Körper- und Schönheitspflege zu medizinischen
Zwecken dienen und welche ihren Zweck in der Regel nur dann erfüllen können,
wenn sie gänzlich frei von schädlichen Fremdstoffen und Verunreinigungen sind,
nämlich:
Klasse 5 – Pflaster, Verbandstoffe, chemische Erzeugnisse für die Körperpflege, zum Schutz und
zur Reinigung der Haut zu medizinischen Zwecken; mit Desinfektionsmitteln getränkte Feuchtund/oder Reinigungstücher aus Papier und/oder Watte und/oder Zellstoff für medizinische und
hygienische Zwecke; mit Desinfektionsmittel und/oder Öl und/oder Reinigungsmitteln getränkte
Watte oder Zellstofftücher für medizinische und hygienische Zwecke; Watte und Watteprodukte
für hygienische Zwecke; medizinische Haut- und Haarpflegeprodukte; Waren aus Zellstoff
und/oder Watte für die Damenhygiene, nämlich Monatsbinden, -höschen, -tampons, Slipeinlagen;
Wöchnerinnenvorlagen; Intimwatte; Windeln, Windeleinlagen und Saugvorlagen, im
Wesentlichen bestehend aus Papier, Zellstoff oder anderen Fasermaterialien, als Einmalartikel für
die Inkontinentenversorgung.
23. In weiterem Zusammenhang kann Reinheit auch bedeuten, dass die beanspruchte
Ware für Reinigungszwecke besonders geeignet ist (etwa: Watte zur Reinigung
der Haut). Dies gilt zum einen für die Waren, die der Haar-, Körper- und
Schönheitspflege zu hygienischen Zwecken im privaten und gewerblichen
Bereich dienen, nämlich:
ENTSCHEIDUNG VOM 17. APRIL 2013 – R 1179/2012-1 – Pureplus
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Klasse 3 – Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Reinigungs- und Pflegemittel für die Haut,
Seifen, Wasch- und Duschlotionen, Reinigungsschaum; Watte und Watteprodukte für
kosmetische Zwecke; Feuchttücher aus Papier und/oder Zellstoff getränkt mit kosmetischen
Lotionen; Wattebällchen, Wattestäbchen, Wattepads, Watte in Bandform; feuchte Pflege- und
Abschminkpads; feuchte Wattestäbchen; Nagellackentfernerpads; Baby-Wattepads;
Klasse 16 – Kosmetik- und Abschminktücher aus Papier; Papierservietten, Papiertaschentücher,
Babywindeln aus Papier; Küchenpapier; Papierhandtücher;
da deren Reinheit von den maßgeblichen Verbrauchern als wichtiges Indiz für
deren besondere Qualität und Verträglichkeit etwa für Allergiker wahrgenommen
wird.
24. Die weiterhin beanspruchten
Waren aus Papier, soweit in Klasse 16 enthalten; Papierrollen für gewerbliche Zwecke
in Klasse 16 können ebenfalls solche Waren umfassen, bei denen die Reinheit
eine wesentliche Eigenschaft darstellt. Die diesbezügliche Unbestimmtheit des
Warenverzeichnisses geht zu Lasten des Anmelders (siehe Entscheidung vom
vom 14. März 2013, R 1968/2012-1 – Darstellung einer Strichabfolge
(BILDMARKE), Randnr. 24 mit Verweis auf die Entscheidung vom
18. Oktober 2012, R 2139/2011-1 – Erotik Kaiser / Kaiser’s et al., Randnr. 30).
25. Im Übrigen hat die Anmelderin auch ausdrücklich anerkannt, dass die
Eigenschaft der „Reinheit“ bei den beanspruchten Waren eine maßgebliche Rolle
spielt und dass diese für einen Teil der Waren sogar als selbstverständlich
vorausgesetzt wird.
26. Das nachgestellte Wort „plus“ bezeichnet im Englischen laut dem Oxford English
Dictionary unter anderem
„with additional qualities or features; above average in quality, more or better
than is required or expected”.
27. „Plus“ weist somit darauf hin, dass die beanspruchten Waren besondere
Qualitätsmerkmale aufweisen (siehe Entscheidungen vom 9. Februar 2009,
R 1315/2008-4, „arthroplus“, Randnr. 12 und vom 8. September 2006,
R 515/2006-2, „premium plus“, Randnr. 17 und 22, beide mit ausführlichen
Nachweisen zur diesbezüglichen Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern).
28. Zwar mag das Wort „plus“ als solches nicht für eine der Eigenschaften oder
Merkmale der bezeichneten Ware beschreibend sein (siehe Urteil vom
9. Oktober 2002, T-360/00, „UltraPlus“, Randnr. 25). Es qualifiziert und verstärkt
somit aber das vorgestellte Adjektiv „pure“, welches – wie bereits in den
Randnummern 17 bis 24 dieser Entscheidung festgestellt – für diese Waren
beschreibend ist.
29. Die maßgeblichen Verbraucher – insbesondere diejenigen, die bei Auswahl und
Erwerb der beanspruchten Waren einen gesteigerten Aufmerksamkeitsgrad an
den Tag legen – werden somit das Zeichen „Pureplus“ direkt und unmittelbar als
Hinweis darauf wahrnehmen, dass es sich um besonders reine – d.h. qualitativ
sehr hochwertige – Körper- und Schönheitspflegemittel, Zellstoff- und
ENTSCHEIDUNG VOM 17. APRIL 2013 – R 1179/2012-1 – Pureplus
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Watteprodukte für kosmetische und
Verbandstoffe sowie Papierwaren handelt.
medizinische
Zwecke,
Pflaster,
30. Unter diesen Umständen ist der Gesamtausdruck „Pureplus“ als beschreibende
Angabe im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV zu qualifizieren
(siehe entsprechend Urteil vom 9. Oktober 2002, T-360/00, „UltraPlus“,
Randnr. 53 in Bezug auf das Präfix „ultra“).
31. Dieses Ergebnis wird nicht durch das zutreffende Vorbringen der Anmelderin in
Frage gestellt, dass der englische Begriff „pure“ nicht steigerungsfähig ist. Es
handelt sich nämlich bei dem Zusatz „plus“ um einen gängigen und insbesondere
zu Werbezwecken sehr häufig eingesetzten anpreisenden Begriff zur
Qualifizierung einer Ware oder der Eigenschaft einer Ware. Als solche wird er
auch von den hier maßgeblichen Verkehrskreisen, insbesondere dem relevanten
Fachpublikum, direkt und unmittelbar verstanden. Daher werden die Verbraucher
durch den zusammengesetzten Begriff „Pureplus“ nicht zum Nachdenken
angeregt, sondern diesen unmittelbar als Hinweis auf die tatsächlichen und
möglichen Eigenschaften der bezeichneten Waren wahrnehmen.
32. Dies wird auch durch die zutreffende Feststellung des Prüfers bestätigt, dass es
sich bei „Pureplus“ um eine bloße werbeübliche Zusammenziehung der beiden
Wörter „pure“ und „plus“ handelt.
33. Somit ist das Zeichen „Pureplus“ für die angemeldeten Waren eine ausschließlich
beschreibende Angabe im Sinne des Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV, die
für Wettbewerber freigehalten werden muss.
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b GMV
34. Wie sich aus Artikel 7 Absatz 1 GMV ergibt, ist das Zeichen schon dann nicht als
Gemeinschaftsmarke eintragungsfähig, wenn eines der aufgezählten absoluten
Eintragungshindernisse vorliegt. Jedes der in Artikel 7 Absatz 1 GMV genannten
Eintragungshindernisse ist unabhängig von den anderen zu sehen und muss
getrennt geprüft werden (siehe Urteile vom 21. Oktober 2004, C-64/02 P, „Das
Prinzip der Bequemlichkeit“, Randnr. 39; und vom 15. September 2005, C37/03 P, „BioID“, Randnr. 29).
35. Die absoluten Eintragungshindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft und
der Eigenschaften beschreibender und üblicher Angaben haben einen je eigenen
Anwendungsbereich und hängen weder voneinander ab noch schließen sie
einander aus (siehe Urteil vom 29. April 2004, C-456/01 P und C-457/01 P,
„Tabs“, Randnr. 45 und 46). Selbst wenn das Vorliegen nur eines
Eintragungshindernisses genügt, können diese auch kumulativ geprüft werden.
36. Gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b GMV sind Gemeinschaftsmarken, die
keine Unterscheidungskraft haben, d.h. Marken die nicht geeignet sind, die
konkret angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von
denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, von der Eintragung
zurückzuweisen (siehe Urteil vom 15. September 2005, C-37/03 P, „BioID“,
Randnr. 60).
ENTSCHEIDUNG VOM 17. APRIL 2013 – R 1179/2012-1 – Pureplus
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37. Der Begriff „Pureplus“ ist, unabhängig von seiner Bedeutung als beschreibende
Angabe (siehe hierzu den vorhergehenden Abschnitt), ein bloß anpreisendes
Wort. Er weist unter anderem darauf hin, dass es sich bei den entsprechend
gekennzeichneten Körper- und Schönheitspflegemitteln, Zellstoff- und
Watteprodukten für kosmetische und medizinische Zwecke, Pflastern,
Verbandstoffen sowie Papierwaren um besonders reine – d.h. qualitativ sehr
hochwertige – Waren handelt.
38. Da die angemeldete Marke somit in erster Linie eine Werbefunktion ausübt, wird
auch der Verbraucher gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Ware schließen.
39. Aus diesem Grund fehlt der angemeldeten Marke auch die nach Artikel 7
Absatz 1 Buchstabe b GMV erforderliche Unterscheidungskraft.
40. Was den Einwand der Anmelderin angeht, es seien vom Amt bis in die jüngste
Zeit zahlreiche „Plus“-Marken zur Veröffentlichung zugelassen worden, ist
zunächst festzustellen, dass diese Marken nicht Gegenstand des vorliegenden
Beschwerdeverfahrens sind und diese zudem auch infolge nachgewiesener
Verkehrsdurchsetzung zugelassen worden sein können.
41. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Zurückweisung von zusammengesetzten,
mit dem Element „plus“ gebildeten Wortmarken von den Beschwerdekammern
bereits in zahlreichen Fällen bestätigt wurde (siehe Entscheidungen vom
9. Februar 2009, R 1315/2008-4, „arthroplus“, Randnr. 12 und vom
8. September 2006, R 515/2006-2, „premium plus“, Randnr. 17 und 22, beide mit
ausführlichen Nachweisen zur diesbezüglichen Entscheidungspraxis der
Beschwerdekammern).
42. Letztlich sei auch daran erinnert, dass nach ständiger Rechtsprechung
Entscheidungen über die Eintragbarkeit eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke
gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen sind (siehe
Urteil vom 22. Mai 2012, T-179/11, „Seven Summits“, Randnr. 68), so dass eine
entgegen den Vorschriften der GMV erfolgte frühere Eintragung einem Anmelder
grundsätzlich keinen Anspruch auf „Gleichbehandlung im Unrecht“ einräumt.
43. Die angefochtene Entscheidung hat somit zutreffend festgestellt, dass der
Anmeldung die Eintragungshindernisse der Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben c
und b GMV in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 2 GMV entgegenstehen.
44. Die Beschwerde ist somit zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNG VOM 17. APRIL 2013 – R 1179/2012-1 – Pureplus
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Tenor der Entscheidung
Aus diesen Gründen entscheidet
DIE KAMMER
wie folgt:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Th. M. Margellos
Ph. von Kapff
Geschäftsstellenbeamtin:
P. López Fernández de Corres
ENTSCHEIDUNG VOM 17. APRIL 2013 – R 1179/2012-1 – Pureplus
S. Martin