ENTSCHEIDUNG der Ersten Beschwerdekammer vom 7. März 2013
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ENTSCHEIDUNG der Ersten Beschwerdekammer vom 7. März 2013
HARMONISIERUNGSAMT FÜR DEN BINNENMARKT (MARKEN, MUSTER UND MODELLE) Die Beschwerdekammern ENTSCHEIDUNG der Ersten Beschwerdekammer vom 7. März 2013 In dem Beschwerdeverfahren R 1161/2012-1 Henderson, Maverick & Williams S.A.H. 82, route d'Arlon LU-1150 Luxembourg Luxembourg Anmelderin / Beschwerdeführerin vertreten durch CBDL PATENTANWÄLTE, Königstr. 57, DE-47051 Duisburg, Deutschland BESCHWERDE betreffend die Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 10 535 722 erlässt DIE ERSTE BESCHWERDEKAMMER unter Mitwirkung von Th. M. Margellos (Vorsitzender), Philipp von Kapff (Berichterstatter) und C. Bartos (Mitglied) Geschäftsstellenbeamtin: P. López Fernández de Corres die folgende Verfahrenssprache: Deutsch ENTSCHEIDUNG VOM 7. MÄRZ 2013 – R 1161/2012-1 – OPACO 2 Entscheidung Sachverhalt 1. Mit Anmeldetag vom 31. Dezember 2011 beantragte Henderson, Maverick & Williams S.A.H. („die Anmelderin“) die Eintragung der Wortmarke OPACO für die folgenden, vorliegend nach nur verfahrensgegenständlichen Waren der Klassen: teilweiser Zurückweisung Klasse 9 – Taschen für Datenverarbeitungsgeräte und Computer, Laptoptaschen, Notebooktaschen; Taschen für Mobiltelefone; Brillenetuis; Kontaktlinsenetuis; Spezialetuis für fotografische Apparate und Instrumente; Etuis für USB-Sticks, MP3- Player und andere Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Daten; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Daten. Klasse 18 – Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Aktenkoffer; Badetaschen; Brieftaschen; Campingtaschen; Einkaufstaschen; Geldbörsen; Handtaschen; Jagdtaschen; Visitenkartentaschen; Kindertragtaschen; Reisetaschen; Rucksäcke; Schultaschen; Taschen mit Rollen; Werkzeugtaschen aus Leder [leer]; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Sonnenschirme. 2. 3. Am 16. Januar 2012 beanstandete die Prüferin die Anmeldung in Bezug auf die oben genannten Waren im Wesentlichen wie folgt: – Die von der angemeldeten Marke erfassten Waren sind solche des täglichen Verbrauchs, die hauptsächlich für Durchschnittsverbraucher mit einen durchschnittlichen Grad an Aufmerksamkeit bestimmt sind. Da es sich bei den Ausdruck „OPACO“ um ein spanischsprachiges Wort handelt, ist der spanischsprachige Verbraucher innerhalb der Gemeinschaft der hier relevante Verbraucher. – Der Ausdruck „OPACO“ bedeutet im Spanischen „undurchsichtig“ bzw. „lichtundurchlässig“. – Dieser macht den Verbrauchern unmittelbar und ohne dass sie darüber nachdenken müssen deutlich, dass die beanspruchten Waren undurchsichtig oder lichtundurchsichtig sind. Demzufolge enthält dieser Ausdruck offensichtliche und direkte Informationen zu der Art und Beschaffenheit der bezeichneten Waren. Er ist somit für diese Waren beschreibend. – Da die Marke in Bezug auf die Waren, für die sie angemeldet wurde, eine eindeutig beschreibende Bedeutung besitzt, wird die Marke bei den maßgeblichen Verkehrskreisen den Eindruck erwecken, dass sie in erster Linie beschreibenden Charakter hat, wodurch jegliche Annahme, dass die Marke eventuell eine Herkunft bezeichnet, ausgeschlossen ist. Die angemeldete Marke besitzt somit keine Kennzeichnungskraft. Die Anmelderin hielt ihren Eintragungsantrag auch nach Beanstandung durch die Prüferin aufrecht. Ihre Stellungnahme vom 16. März 2011 kann wie folgt zusammengefasst werden: ENTSCHEIDUNG VOM 7. MÄRZ 2013 – R 1161/2012-1 – OPACO 3 4. 5. – Das angemeldete Zeichen ist nicht beschreibend, da „OPACO“ im gewöhnlichen Sprachgebrauch der angesprochenen Verkehrskreise die bezeichneten Waren nicht beschreibt. Lederwaren werden nicht in durchsichtige und undurchsichtige eingeteilt oder nach dem Grad ihrer Opazität klassifiziert. Zudem handelt es sich hier um einen Fachausdruck. – Die Verwendung des Begriffs der Opazität ist auf Materialien wie Glas oder Kunststoffe beschränkt, im Lederwarenbereich aber unüblich. Das Zeichen ist somit nicht beschreibend und auch kennzeichnungskräftig. Mit Entscheidung vom 21. Mai 2012 (im Folgenden die „angefochtene Entscheidung“) wies die Prüferin die Anmeldung für die noch verfahrensgegenständlichen Waren gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c GMV zurück. Die Prüferin stützte diese auf die in ihrer Beanstandung genannten Gründe und führte zusätzlich Folgendes aus: – Die Anmelderin übersieht, dass bereits die Möglichkeit, das Zeichen entsprechend zu verstehen, für das Vorliegen des Eintragungshindernisses des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV ausreichend ist. – Darüber hinaus macht der Ausdruck in seiner Gesamtheit den Verbrauchern unmittelbar deutlich, dass die Waren, nämlich Taschen, Rucksäcke, Etuis usw. undurchsichtig sind. Die Lichtundurchsichtigkeit der Taschen schützt die Inhaltsstoffe und Waren vor Licht und Blicken. Dies gilt speziell auch für die Sonnenschirme. – Daher ist das angemeldete Zeichen auch nicht geeignet, die beanspruchten Waren nach ihrer betrieblichen Herkunft zu unterscheiden. Die Anmelderin erhob gegen die angefochtene Entscheidung am 25. Juni 2012 Beschwerde und begründete sie am 6. Juli 2012. Sie führt im Wesentlichen wie folgt aus: – Auch für den spanischen Verbraucher steht „OPACO“ nicht derart konkret in Bezug zu den zurückgewiesenen Waren, um ohne zusätzliche Informationen zur Bezeichnung von Art oder Beschaffenheit der Waren dienen zu können. – Die angefochtene Entscheidung ist insoweit auch widersprüchlich, da andere zugelassene Waren wie Möbel, Dosen und Kästen aus Holz oder Kunststoff ebenfalls lichtundurchlässig bzw. durchsichtig sind oder sein können. – Dies belegt, dass „OPACO“ nicht als Bezeichnung der Art und Beschaffenheit der zurückgewiesenen Waren dienen kann. Entscheidungsgründe 6. Die Beschwerde erfüllt die Anforderungen von Artikel 58, 59 und 60 GMV in Verbindung mit Regeln 48 und 49 GMDV und ist daher zulässig. 7. Die Beschwerde ist im Wesentlichen begründet. Die Anmeldung ist nur in Bezug auf die beanspruchten Sonnenschirme beschreibend. Für die übrigen verfahrensgegenständlichen Waren stehen die Eintragungshindernisse der Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c und b GMV der Anmeldung nicht entgegen. ENTSCHEIDUNG VOM 7. MÄRZ 2013 – R 1161/2012-1 – OPACO 4 8. Die Beschwerde wird in Bezug auf die angemeldeten Sonnenschirme zurückgewiesen. Im Übrigen ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV 9. Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV sind von der Eintragung beschreibende Marken ausgeschlossen, d.h. Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Merkmale der Waren- oder Dienstleistungsgruppen dienen können, für die diese Eintragung beantragt wird. Damit verfolgt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die die Waren- oder Dienstleistungsgruppen beschreiben, für die die Eintragung beantragt wird, von allen frei verwendet werden können. Diese Vorschrift erlaubt daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (siehe Urteil vom 4. Mai 1999, C-108/97 und C-109/97, „Chiemsee“, Randnr. 24-25). 10. Die Prüfung auf absolute Eintragungshindernisse muss dabei streng und vollständig sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu vermeiden und aus Gründen der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung sicherzustellen, dass Marken, deren Benutzung vor Gericht mit Erfolg entgegengetreten werden könnte, nicht eingetragen werden (siehe Urteile vom 6. Mai 2003, C-104/01, „Libertel“, Randnr. 59; und vom 21. Oktober 2004, C64/02 P, „Das Prinzip der Bequemlichkeit“, Randnr. 45). 11. Nur Angaben die unmittelbar beschreibend sind, sind von der Eintragung gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV ausgeschlossen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das fragliche Zeichen bereits als beschreibende Angabe bekannt ist, sondern es reicht aus, dass dies vernünftigerweise für die Zukunft zu erwarten ist. Daher muss auch vom Prüfer kein Nachweis erbracht werden, dass das angemeldete Zeichen bei Angaben im geschäftlichen Verkehr, insbesondere in der Werbung, gemeinhin verwendet wird (siehe Urteil vom 21. Oktober 2004, C64/02 P, „Das Prinzip der Bequemlichkeit“, Randnr. 46). 12. Ebenso ist ein Wortzeichen bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (siehe Urteile vom 4. Mai 1999, C-108/97 und C-109/97, „Chiemsee“, Randnr. 30-31; und vom 23. Oktober 2003, C-191/01 P, „Doublemint“, Randnr. 32). Es ist darauf abzustellen, wie ein im Bereich dieser Waren und Dienstleistungen erfahrenes, normal informiertes und angemessen aufmerksames und verständiges Publikum diese Angabe wahrscheinlich auffassen wird (siehe Urteile vom 16. Juli 1998, C210/96, „Gut Springenheide“, Randnr. 31; vom 22. Juni 1999, C-342/97, „Lloyd Schuhfabrik“, Randnr. 26; und vom 15. September 2005, C-37/03 P, „BioID“, Randnr. 68). 13. Bei den verfahrensgegenständlichen Waren handelt es sich um diverse Taschen, Etuis, Koffer und Rucksäcke aus Leder, Lederimitationen und anderen Materialien, sowie um Sonnenschirme. ENTSCHEIDUNG VOM 7. MÄRZ 2013 – R 1161/2012-1 – OPACO 5 14. Aus den Waren und Dienstleistungen ergibt sich, dass sowohl die allgemeinen Verkehrskreise als auch die Fachverkehrskreise aus dem Leder- und Computerwareneinzelhandel einschlägig sind. Da die angemeldete Marke aus einem spanischsprachigen Begriff besteht, ist davon auszugehen, dass die maßgebenden Verkehrskreise aus den genannten Verbrauchern bestehen, die spanischsprachig sind. 15. Je nach Qualität und Preis der Waren wird dieses Publikum einen normalen oder einen gesteigerten Aufmerksamkeitsgrad für die Auswahl und den Erwerb der Taschen, Etuis, Koffer, Rucksäcke und Sonnenschirme aufwenden. 16. Wie von der Prüferin zu Recht festgestellt und von der Anmelderin nicht bestritten, ist „OPACO“ ein spanisches Wort und hat für den spanischen Verbraucher die Bedeutung „lichtundurchlässig“ bzw. „undurchsichtig“. Es wird auch häufig in den Bedeutungen „dunkel“, „düster“, „trübsinnig“ gebraucht: 1. Que impide el paso a la luz 2. Oscuro, sombrío 3. Triste y melancólico (Quelle: Diccionario de la lengua española de la Real Academia Española). 17. Für die angemeldeten Waren, mit Ausnahme von Sonnenschirmen, sind diese Eigenschaften jedoch keine wesentlichen Merkmale, durch die die Waren beschrieben werden. Anders als etwa bei Weinflaschen oder Duschwänden ist es bei den angemeldeten Waren keine wesentliche Eigenschaft, dass sie aus lichtundurchlässigem oder undurchsichtigem Material hergestellt werden. 18. Wie die Anmelderin zu Recht ausführt, werden Taschen, Etuis, Koffer und Rucksäcke selbst in Fachkreisen allgemein nicht in durchsichtige und undurchsichtige eingeteilt oder nach dem Grad ihrer Lichtdurchlässigkeit klassifiziert. Es wird von den maßgeblichen Verkehrskreisen somit nicht als relevantes Merkmal oder eine spezifische Eigenschaft der bezeichnenden Waren angesehen. Auch aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich kein Anhaltspunkt, dass es sich um einen Begriff handelt, den Wettbewerber zur Beschreibung von Eigenschaften benötigen würden. 19. Anderes gilt nur für die angemeldeten Sonnenschirme, bei denen der – durch Material- und Farbenwahl bedingte – Grad der Lichtdurchlässigkeit eine maßgebliche Eigenschaft der Ware selbst darstellt. 20. Mit den übrigen verfahrensgegenständlichen Waren wird aber das Wort „OPACO“ von den relevanten spanischen Verbrauchern allenfalls als Ergebnis von ergänzenden Informationen, zusätzlichen Gedankenschritten oder weiteren spekulativen Interpretationen in Verbindung gebracht werden. 21. Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV steht der Anmeldung somit nur in Bezug auf die bezeichneten „Sonnenschirme“ entgegen. ENTSCHEIDUNG VOM 7. MÄRZ 2013 – R 1161/2012-1 – OPACO 6 Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b GMV 22. Gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b GMV sind Gemeinschaftsmarken, die keine Unterscheidungskraft haben, d.h. Marken, die nicht geeignet sind, die konkret angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, von der Eintragung zurückzuweisen (siehe Urteil vom 15. September 2005, C-37/03 P, „BioID“, Randnr. 60). 23. Das Wort „OPACO“ ist, wie bereits festgestellt, für die verfahrensgegenständlichen Waren, mit Ausnahme der Sonnenschirme, nicht beschreibend. 24. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er in der Wahrnehmung der maßgeblichen spanischen Verkehrskreise nicht als betrieblicher Herkunftshinweis für die beanspruchten Taschen, Etuis, Koffer und Rucksäcke dienen kann. Insbesondere handelt es sich, wie oben in Randnummer 16 festgestellt, bei „OPACO“ nicht um ein anpreisendes Wort. 25. Folglich steht der angemeldeten Marke auch nicht das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b GMV entgegen. 26. Andere Gründe, aus denen sich weitere Eintragungshindernisse ergeben können, hat die Kammer nicht geprüft. ENTSCHEIDUNG VOM 7. MÄRZ 2013 – R 1161/2012-1 – OPACO 7 Tenor der Entscheidung Aus diesen Gründen entscheidet DIE KAMMER wie folgt: 1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Anmeldung für die Ware „Sonnenschirme“ richtet. 2. Im Übrigen wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben. 3. Die Sache wird zurückverwiesen. zur Th. M. Margellos weiteren Bearbeitung an Ph. von Kapff Geschäftsstellenbeamtin: P. López Fernández de Corres ENTSCHEIDUNG VOM 7. MÄRZ 2013 – R 1161/2012-1 – OPACO die Prüferin C. Bartos