Neue Sachlichkeit – Die Literatur Kurt Tucholskys
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Neue Sachlichkeit – Die Literatur Kurt Tucholskys
Facharbeit von Johanna Zimmermann Klasse 41e6 – Profilkurs Deutsch Herr Eede Charlotte Wolff Kolleg Pestalozzistr. 40/41 10627 Berlin Neue Sachlichkeit – Die Literatur Kurt Tucholskys War Kurt Tucholskys journalistische Arbeit Ausgangspunkt für seine kabarettistischen Werke? Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung.................................................................................. 3 2. Neue Sachlichkeit – zwischen Kabarett und Zeitungslyrik...... 4 3. Der Publizist und Lyriker Kurt Tucholsky............................... 5 4. Die Weltbühne – seine journalistische Arbeit.......................... 8 4.1 Die Zeitung............................................................................. 9 4.2 Entstehung der vier Pseudonyme............................................10 5. Das „Schall und Rauch“ – seine kabarettistische Arbeit.......... 12 5.1 Das Kabarett........................................................................... 13 5.2 Arbeit mit und für Artisten..................................................... 13 6. Fazit.......................................................................................... 14 7. Quellenverzeichnis................................................................... 16 8. Eigenständigkeitserklärung.......................................................17 2 1. Einleitung „Was darf die Satire?“ - „Alles!“ 1, zumindest laut Kurt Tucholsky. Die satirische Darstellungsweise tritt in den unterschiedlichsten Formen auf. Man findet sie in literarischen und journalistischen Texten, in Film und Fernsehen oder auch auf Webseiten. Seit Jahrhunderten hat diese Form der Spottdichtung in unserer Kultur Bestand. Mit intelligentem Witz und Humor wird vor allem auf politische und gesellschaftskritische Missstände aufmerksam gemacht. Einen ihrer Höhepunkte hatte die Satire zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In den Zeiten zwischen den Weltkriegen wurde vor allem der Publizist und Lyriker Kurt Tucholsky (1890-1935) bekannt, der mit seinen bissig-satirischen Texten polarisierte. Kurt Tucholsky wurde als Publizist gefeiert und unter anderem durch seine kabarettistischen Werke berühmt. Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen, ob Kurt Tucholskys journalistische Arbeit Ausgangspunkt für seine kabarettistischen Werke war. Hierfür werde ich zunächst die Epoche der Neuen Sachlichkeit literaturgeschichtlich mit Schwerpunkt auf Kabarett und Zeitungslyrik untersuchen. Einer kurzen Darstellung des biographischen Werdegangs Kurt Tucholskys folgt eine Beleuchtung seiner beiden großen Tätigkeitsgebiete: Journalismus und Kabarett. Hierbei stelle ich wiederum seine Arbeit bei der Berliner Zeitung „Die Weltbühne“ und dem Kabarett „Schall und Rauch“ in den Mittelpunkt meiner Betrachtungen. Zusammenfassend wird herausgearbeitet, dass sich Tucholskys Leidenschaft für die deutsche Sprache, ausgehend von seiner journalistisch, literarischen Tätigkeit in einem hoch politisiertem Umfeld, sehr wohl auch in seinem kabarettistisch, künstlerischen Wirken widerspiegelt. 1 KURT TUCHOLSKY „DEUTSCHLAND, DEUTSCHLAND – UNTER ANDEREN“; KURT TUCHOLSKY AUSGEWÄHLTE WERKE; VERLAG VOLK UND WELT; 1960; S. 14 3 2. Neue Sachlichkeit – zwischen Kabarett und Zeitungslyrik Neue Sachlichkeit bezeichnet eine Stilrichtung in der Zeit der Weimarer Republik. Aus der Kunst heraus entwickelt fand sie sich auch in der Literatur, Architektur, Photographie sowie im Film wieder. Anders als im vorangehenden, von überschwänglichem Pathos bestimmten Expressionismus legt die Neue Sachlichkeit nun Wert auf eine knappe, pragmatische, die Realität abbildende Darstellung. Eine genaue Datierung dieser Stilrichtung ist in der Literatur schwer zu benennen, da es keinen exakten Stilbruch in den Werken gegeben hat. Allerdings bedienten sich ab den 20er Jahren die Autoren zunehmend einer kühlen, nüchternen und distanzierten Sprache. Die Literaten schrieben minimalistisch, um maximale Bedeutungen hervorzubringen. Die Texte wurden in leicht verständlicher Alltagssprache oder im Dialekt verfasst, um eine breite Masse an Lesern zu erreichen. Nach dem 1. Weltkrieg sahen vor allem Künstler in der Zeit des Systemwechsels die Möglichkeit neue kulturelle Werte mitzugestalten. Die Texte handelten von großstädtischen Alltagsproblemen, Politik und Gesellschaft. Ohne große Verschleierung wurden sie auf den Punkt gebracht und kritisch hinterfragt. Durch zunehmende Zensur der Kabarettlyrik am Anfang des 20. Jahrhunderts wurden ihre Ausdrucksmöglichkeiten so stark beschnitten, dass sich dieses Genre immer mehr verlor. Allerdings lebte es mit Entstehung der vielen Kleinkunstbühnen nach dem 1. Weltkrieg in Deutschland wieder auf. Das Kabarett bot ein satirisch-witziges Programm, das Lieder, Parodien, kleine Melodramen, Sketche und Songs in loser Folge präsentierte2. Das Kabarett wurde eine Instanz im großstädtischen literarischen Leben und zählte nun zur Gebrauchslyrik in dieser, im Aufschwung begriffenen Zeit. 2 HERMANN KORTE; „LYRIK DES 20.JAHRHUNDERTS (1900-1945); HRSG. KLAUS-MICHAEL BOGDAL UND CLEMENS KAMMLER; OLDENBURG SCHULBUCHVERLAG; 2000; S.93 4 In dieser Phase wurde die Lyrik mit dem Alltagsleben in besonders enger Verbindung gesetzt, da der unbändige Wunsch nach Ordnung, Stabilität und Harmonie die Menschen beherrschte3. Folglich fand man auch kleine Verse und Gedichte in Tageszeitungen wieder, die das aktuelle Geschehen satirisch widerspiegelten. Zeitungslyrik wurde als Gebrauchslyrik verstanden. So sollte man sie auch lesen, und zwar täglich. Während die Reportage faktenreich und schlicht berichtete, sollte das kleine Zeitungsgedicht locker und humorvoll wirken, aber dennoch zum Nachdenken anregen. Zwar erschienen auch während des 1. Weltkriegs kleine Verse in den Tageszeitungen, diese waren jedoch national patriotisch angelegt. 3. Der Publizist und Lyriker Kurt Tucholsky Kurt Tucholsky wurde 1890 in Berlin/ Moabit geboren und starb 1935 in Göteborg. Tucholsky war jüdischer Abstammung und konvertierte später zum Christentum. Er besuchte ein französisches Gymnasium in Berlin. Seine Leistungen waren jedoch so mittelmäßig, dass ihn seine Mutter vom Gymnasium herunter nahm und ihm Privatunterricht geben ließ. Als Externer bestand er 1909 sein Abitur4. Kurt Tucholsky zählt zu den populärsten Publizisten und Lyrikern in der Weimarer Republik. Schon während seiner Schulzeit begann Tucholsky zu schreiben. Seine erste kleine Glosse erschien 1907 im Ulk, eine Beilage des Berliner Tagblatts5. 3 HERMANN KORTE; „LYRIK DES 20.JAHRHUNDERTS (1900-1945); HRSG. KLAUS-MICHAEL BOGDAL UND CLEMENS KAMMLER; OLDENBURG SCHULBUCHVERLAG; 2000; S.96 4 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 46 5 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 48 5 Während des Jurastudiums entwickelte er sein Schreiben und schickte 1911 seine ersten Manuskripte an den sozialdemokratischen Vorwärts. Hier begann er mit kleinen Artikeln, Kommentaren, Gedichten und Glossen. Tucholsky arbeitete sehr diszipliniert – „Kunst, Niveau, Anständigkeit, Gesinnung – es ist nicht leicht!“6. Langsam entwickelte er ein Gespür als politischer Publizist und verfeinerte sein Handwerk der Satire. 1913 erschien sein erstes literarisches Werk, ein moderner Liebesroman, „Rheinsberg – Ein Bilderbuch für Verliebte“, welches großen Erfolg hatte. Vom Erfolg motiviert traute er sich einen Probeartikel an Die Schaubühne später Die Weltbühne zu schicken. Die Schaubühne war eine renommierte Berliner Zeitung, die ihm stets imponierte. Er wurde als freier Journalist eingestellt und es sollte von 1913 bis 1931 zu einer langjährigen Zusammenarbeit unter der Leitung von Siegfried Jacobsohn kommen. Hier entstanden auch seine vier Pseudonyme Theobald Tiger, Peter Panter, Ignaz Wrobel und Kasper Hauser. Zeitgleich entschied er sich sein juristisches Studium abzuschließen und erhielt zu Beginn des Krieges 1914 seinen Doktorabschluss, den er mit cum laude bestand7. Mit Ausbruch des Krieges endete vorerst Tucholskys journalistische Arbeit. Nach dem Krieg begann Tucholsky als Chefredakteur für den Ulk zu arbeiten. Tucholsky verstand sich immer schon als Linksintellektueller, wobei sich diese Haltung während der Tätigkeit für den Ulk radikalisierte. Sein Vorgesetzter Theodor Wolff teilte diese Haltung nicht, doch Tucholsky wollte nicht allwöchentlich „...amputierte Satire produzieren“8 und verfasste weiterhin polemische Gedichte, welche ihm die Kündigung einbrachten. Trotz seiner Artikel bot T. Wolff ihm eine Stelle im Berliner Tagblatt an. Tucholsky übernahm hier die Verantwortung des Feuilletons. 6 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 67 7 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 112 8 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 179 6 Nach der Novemberrevolution 1918 kündigte Tucholsky endgültig beim Berliner Tagblatt und entschied sich für die Berliner Volkszeitung zu schreiben, da sie am ehesten Tucholskys Überzeugung entsprach. Hier fühlte er sich politisch zu Hause. 1919 trat er der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) bei, für die er in der USPD-Presse und der Tageszeitung Freiheit arbeitete. Zudem veröffentlichte er 1919 seinen ersten Gedichtband „Fromme Gesänge“ unter seinem Pseudonym Theobald Tiger. Dieser fasste seine bisher in verschiedenen Zeitungen publizierten satirischen Verse und Gedichte zusammen. Es folgten Arbeiten an diversen Berliner Kabaretttheatern, wobei die Arbeit am Schall und Rauch die erfolgreichste und produktivste war. Von 1919 bis 1923 dichtete Tucholsky erfolgreich Chansons und Couplets mit und für Artisten. Dieses Genre wurde fester Bestandteil seiner literarischen Arbeit9. In der Phase der Inflation unterbrach Tucholsky seine journalistische und literarische Arbeit und nahm eine Stelle als Privatsekretär bei dem Berliner Bankhaus Bett, Simon & Co. an. Doch schon bald kündigte er und ging 1924 als Korrespondent für Die Weltbühne und der Vossischen Zeitung nach Paris. Als 1926 sein langjähriger Freund und Herausgeber S. Jacobsohn starb, übernahm Tucholsky kurzerhand die Leitung. Dies war aber nicht von langer Dauer, da Tucholsky dafür ganz nach Berlin hätte zurückkommen müssen. Es folgten Auslandsaufenthalte und eine Schwedenreise, auf der er für sein zweites Werk „Schloss Gripsholm“ inspiriert wurde. Nach Deutschland kam er nur noch auf kurze Besuche. Während des gesamten Zeitraums seiner Abwesenheit beobachtete, kommentierte und warnte Kurt Tucholsky vor dem innerpolitischen Geschehen in Deutschland. Tucholsky kämpfte weiterhin gegen jede Art von Spießertum, Militarismus und Nationalsozialismus10. 9 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 216 10 XLIBRIS; BIOGRAPHIE KURT TUCHOLSKY; HTTP://WWW.XLIBRIS.DE/AUTOREN/TUCHOLSKY/BIOGRAPHIE?PAGE=0%2C4 (DOWNLOAD: 13.4.12/ 16:04) 7 1929 resigniert er und wanderte endgültig nach Schweden aus. 1933 wurde Kurt Tucholskys deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt und auch seine Werke bei der Berliner Bücherverbrennung vernichtet. 1935 kam Kurt Tucholsky durch eine selbstverschuldete Übermedikation in seinem Haus in Hindås ums Leben. 4. Die Weltbühne – seine journalistische Arbeit Layout der Wochenzeitung „Die Weltbühne“, Dezember 1930 8 4.1 Die Zeitung „Von allen Zeitungen und Zeitschriften, für die Tucholsky arbeitete, war die Weltbühne sein wichtigstes publizistisches Organ“11. Die Weltbühne, damals noch Die Schaubühne, veröffentlichte Artikel, die vor allem das Theater und die Literatur betrafen. 1905 von Siegried Jacobsohn gegründet, ergab sich 1913 der Namenswechsel, als sich die Zeitung auch wirtschaftlichen und politischen Themen zuwandte. „Das einzelne Heft, maximal 36 Seiten, brachte neben Kritiken, Essays und Betrachtungen auch Gedichte, Buchbesprechungen, einen zweispaltig gesetzten Teil „Rundschau“ und eine besonders amüsante Spalte „Antworten“, die oftmals Kabinettstücke geistvoller Journalistik waren.“12 Kurt Tucholsky begann 1913 für Die Weltbühne zu arbeiten. Tucholsky leitete die Rubriken „Antworten“ und „Tagebuch“. Des Weiteren war er die rechte Hand des Herausgebers und suchte nach neuen Autoren für Die Weltbühne. Tucholsky galt als Autor „...mit Urteilsvermögen, hoher Sprachkunst und impressionistischer Gestaltungskraft.“13. In den Anfangsjahren verfeinerte er sein journalistisches Handwerk und S. Jacobsohn nahm ihn unter seine Fittiche. S. Jacobsohn erkannte früh, dass die Zeitung mit seinem neuen Mitarbeiter Tucholsky einen wahren Juwel im Team hatte. Er ermutigte Tucholsky vor allem noch mehr Gedichte zu schreiben. 11 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 216 12 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 89 13 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 90 9 Daraufhin schrieb Tucholsky leichte kleine Verse, die die Liebe und das Leben thematisierten. Die Sprache war realistisch, dennoch komisch und nicht ohne kritische Spitzen14. Diese wurden unter Theobald Tiger, einem seiner vier Pseudonyme veröffentlicht. 4.2 Die vier Pseudonyme Kurt Tucholsky besaß vier Pseudonyme, die er jeweils unterschiedlich verwendete. Es gehört zum Brauch, dass ein Journalist, welcher mehrere Artikel für eine Zeitung oder Zeitschrift schreibt, sich ein Pseudonym zulegt. Da Kurt Tucholsky in mehreren Rubriken für Die Weltbühne geschrieben hat und auch sonst noch bei anderen Zeitungen mitwirkte, entwickelte er schon in den ersten Jahren seiner Arbeit als Publizist alle vier Pseudonyme. Ignaz Wrobel, Kasper Hauser, Peter Panter und Theobald Tiger waren von nun an und für alle weiteren Artikel, Gedichte, Essays, Verse und Werke, die er in seinem Leben verfassen sollte, seine treuen Wegbegleiter. Tucholsky selbst sagte über seine vier Pseudonyme: „Wir lieben vereint, wir hassen vereint – wir marschieren getrennt, aber wir schlagen alle auf denselben Sturmhut.“15 Ignaz Wrobel galt als ernster Mann, der keinen Spaß verstand. Er meldete sich zu Wort, wenn etwas Grundsätzliches gesagt werden musste, vorwiegend bei großen politischen Angelegenheiten. Allerdings kam Wrobels große Zeit erst nach dem 1. Weltkrieg, als Tucholskys politische Arbeit für die USPD zunahm und er auch als Redner auftrat. In der Zeit vor dem Krieg verfasste selbst ein Wrobel noch ein kleines Gedicht16. 14 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 90 15 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 104 16 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 90 10 Nach dem 1. Weltkrieg erfand Tucholsky Kasper Hauser für Die Weltbühne. Dieser war nun vorerst für seine satirischen Artikel der verantwortliche Journalist. Theobald Tiger, der eigentliche Verantwortliche für seine satirischen Texte und Gedichte, wurde zur selben Zeit für den Ulk verpflichtet. So schrieb Kasper Hauser erst Gedichte und später benutze ihn Tucholsky dann als Autor von stillen Betrachtungen17. Peter Panter und Theobald Tiger waren eine Erfindung seines Juraprofessors, der zur Darlegung von Rechtsfällen verschieden Tiernamen benutzte. Tucholsky lieh sich später kurzerhand die Namen18. Peter Panter übernahm für Die Weltbühne die Rubrik „Rundschau“. Er galt als „gemütlicher Herr mit furchtbar feinem Humor“ und beherrschte „die Fähigkeit zur leisen Ironie und ein feines, überscharfes Gehör für das gesprochene Wort.“19. Später benutze Kurt Tucholsky Peter Panter als Korrespondent für die Vossische Zeitung. Theobald Tiger ist Kurt Tucholskys populärstes Pseudonym. Unter Theobald Tiger verfasste er für Die Weltbühne seine ersten Zeitungsgedichte, Parodien und Knittelverse. Später rangen sich Kabarettdirektoren, Diseusen und andere Zeitungsverleger um Tigers bissige Texte. „Tigers Poesien sind von Anfang an eine Absage an die Welt des deutschen Spießbürgers und bleiben es auch.“20 17 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 101 18 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S.100 19 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN;1990; S. 100 20 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN;1990; S. 100 11 5. Das Schall und Rauch – seine kabarettistische Arbeit Entree mit einer alten Jungfer Du gute, alte, liebe Holzschnittmuse! Was? Wir zwei beide rolln ins Cabaret? Dreh dir den Dutt! Zieh an die Seidenbluse! Umschnür dich mit dem Feiertagscorsé! Komm mit, mein Kind! Heut gehen wir unter Leute – Zum ersten Mal – dein Ehrentag ist heute! Und tanzt mit dir dein lieber, fetter Mann -: Geh ran! Und Das Geh Was bleib mir treu! Da sitzt an kleinen Tischen ganz moderne Volk – du Dunnerkiel! da nicht hin! Du künntest was erwischen, sich nicht ziemet als Gesellschaftsspiel! Ich tue, was ich kann. Die andern Knaben Solln dich bewundern, doch nicht gerne haben. Bleib du, trotz Gent und Reichswehroffizier, Bei mir! Und tanz! Sie wollen sich bei uns erheitern. Sieh an, sie hatten so am Tag zu tun – Mit ihren Schecks, mit ihren Hilfsarbeitern - Nun mögen sie des Abends lachend ruhn. Hilf deinem Theobald, du dickes Mädchen! Bei jedem drunten fehlt ein kleines Rädchen – Zieh sie durch den Kakao von A bis Z – Machs nett!21 Theobald Tiger, Schall und Rauch, 1919 21 KURT TUCHOLSKY; „GEDICHTE“; HRSG.. MARY GEROLD-TUCHOLSKY; ROWOHLT VERLAG; 6. AUFL. 2006; S. 255 12 5.1 Das Kabarett Das Kabarett Schall und Rauch wurde 1901 von Max Reinhardt in Berlin gegründet. Nach nur einer Spielzeit wurde aus der erfolgreichen Kleinkunstbühne 1902 das Kleine Theater. Nach dem 1. Weltkrieg eröffnete Max Reinhardt im Keller des Kleinen Theaters erneut das Schall und Rauch. In diesem hatten Künstler nun wieder die Möglichkeit Kabarett zu betreiben. Das Schall und Rauch verstand sich als politisch satirisches Kabarett und zählte zu den erfolgreichsten seiner Zeit22. 5.2 Arbeit mit und für Artisten Kurt Tucholsky war von Anbeginn dabei und prägte das Bild des Schall und Rauchs. Auch wenn das Schall und Rauch nur eineinhalb Jahre geöffnet hatte, fand er hier eine Plattform, sein künstlerisches Talent zu präsentieren. Es entwickelte sich ein künstlerischer Schaffenskreis, der Tucholsky wertvolle Erfahrungen, Inspiration und neue Kontakte vermittelte, welcher ihm auch noch nach Schließung des Kabaretts von Nutzen sein sollte. Seine Chansons wurden unter anderem interpretiert von Gussy Holl, Rosa Veletti, Kate Kühl, Paul Graetz und Trude Hesterberg. Weiter wurde das Profil des Schall und Rauchs von John Heartfield, George Grosz und Walter Mehring mitbestimmt. Alle waren sie Künstler der radikalen Satire. Von Chansons, die ausschließlich am Schreibtisch entstanden sind, hielt Tucholsky nicht viel. Tucholsky vertonte selbst etliche Texte oder entwarf musikalische Skizzen für die Interpretation seiner Werke. 22 WIKIPEDIA SCHALL UND RAUCH; HTTP://DE.WIKIPEDIA.ORG/WIKI/SCHALL_UND_RAUCH; (DOWNLOAD: 13.4.12/ 17:00) 13 Für ihn war die Sprache der Musik die Seele des Chansons, von lediglich am Schreibtisch verfassten Couplets hielt er nicht viel23. In dieser Zeit sind zwei Schallplatten von ihm erschienen. Nach Schließung des Schall und Rauchs schrieb Tucholsky für die Berliner Häuser Café Größenwahn und Wilde Bühne. Fazit Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war vor allem eine schillernde Epoche in den Großstädten Deutschlands. Berlin, München und Leipzig waren magische Anziehungspunkte. Die Menschen suchten nach den schrecklichen Erlebnissen des 1. Weltkrieges Trost und Ablenkung in Varietes, Revuen, Kabaretts und Shows. Diese sollten nicht nur laut, freizügig und bunt sein, sondern auch die politische Sensibilität nach den Irrwegen des vergangenen Krieges schärfen. Künstler, Artisten, Schriftsteller und Literaten sahen hier die Chance neue geistig kulturelle Werte in Zeiten des Systemwechsels aktiv mitzugestalten. Man forderte Demokratie und diese bekam man nur über Aufklärung. Kurt Tucholsky bewegte sich in seiner Zeit in einem Schaffenskreis zu dem Erich Kästner, Rudolf Mosse, Sigried Jacobsohn, Paul Graetz, Walther Mehring, Rosa Valetti, Bertolt Brecht und viele andere Persönlichkeiten gehörten. Diese hatten die gleiche Einstellung und verfolgten ein gemeinsames Ziel – ein demokratisches Deutschland. Seine Kontakte zu den jeweiligen Zeitungen unterstützten und vereinfachten die Zusammenarbeit mit dem Kabarett und begünstigten die Veröffentlichungen seiner literarischen Werke. Vor allem die Bekanntschaft mit Siegried Jacobsohn ebnete seine literarische Karriere. S. Jacobsohn ermutigte Kurt Tucholsky schon in frühen Jahren seine literarische Arbeit auszubauen. Beide teilten die Leidenschaft zur Literatur und Musik. 23 HELGA BEMMANN; „KURT TUCHOLSKY – EIN LEBENSBILD“; VERLAG DER NATION BERLIN; 1990; S. 215 14 Sicherlich kann gesagt werden, dass Tucholskys journalistische Arbeit Ausgangspunkt für seine kabarettistische Arbeit war, da er von Seiten des journalistischen Schaffenskreises viel Unterstützung hatte. Auch verhalf ihm sein Zeitungspseudonym Theobald Tiger zum Sprung zu einer neuen literarischen Karriere. Dies verschaffte Tucholsky Gehör und Tucholsky wollte gehört und gesehen werden. Natürlich liebte er auch das Texten, das Komponieren, das Musizieren, die Künstler und das Genre als solches, aber vor allem war und blieb er ein Kämpfer gegen das konservative und aufkeimende nationalsozialistische System. Kurt Tucholsky als durch und durch politisch denkender Mensch und Pazifist setzte in der Zeit großer Umbrüche zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ihm gemäßen Instrumente ein, um dem heraufziehenden Unheil entgegenzuwirken: Das waren das gesprochene Wort, das geschriebene Wort und das gesungene Wort. 15 Quellenverzeichnis Literatur 1. Kurt Tucholsky „Deutschland, Deutschland – unter Anderen“; Kurt Tucholsky Ausgewählte Werke; Verlag Volk und Welt; 1960 2. Hermann Korte „Lyrik des 20.Jahrhunderts (1900-1945); Hrsg. Klaus-Michael Bogdal und Clemens Kammler; Oldenburg Schulbuchverlag; 2000 3. Helga Bemmann „Kurt Tucholsky – ein Lebensbild“; Verlag der Nation Berlin; 1990; 4. Kurt Tucholsky; „Gedichte“; Hrsg.: Mary Gerold-Tucholsky; Rowohlt Verlag; 6. Aufl. 2006 Internet 1. xlibris; Biographie Kurt Tucholsky; http://www.xlibris.de/Autoren/Tucholsky/Biographie?page=0%2C4 (Download: 13.4.12/ 16:04) 2. Wikipedia Schall und Rauch; http://de.wikipedia.org/wiki/Schall_und_Rauch; (Download: 13.4.12/ 17:00) 16 Eigenständigkeitserklärung Berlin, den 14.4.12 Hiermit bestätige ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die Stellen der Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken (dazu zählen auch Internetquellen) entnommen sind, wurden unter Angabe der Quelle kenntlich gemacht. Johanna Zimmermann 17