Abschied von Dietrich Kittner
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Abschied von Dietrich Kittner
Dietrich Kittner – Weitere Nachrufe , 15.02.2013 http://www.redglobe.de/deutschland/feuilleton/5785-abschied-von-dietrich-kittner#comments Abschied von Dietrich Kittner Kultur Freitag, den 15. Februar 2013 um 13:27 Uhr Dietrich Kittner Der Kabarettist Dietrich Kittner ist tot. Wie sein Produzent Andreas Barthel mitteilte, starb Kittner am Freitag morgen im Alter von 77 Jahren in seinem Wohnort in Österreich. Der 1935 geborene Künstler gehörte zu den namhaftesten linken Politkabarettisten der Bundesrepublik. 1960 gründete er in Göttingen ein Studentenkabarett. Lange Zeit lebte er in Hannover und trat in einer festen Spielstätte sowie auf ausgedehnten Tourneen mit zahlreichen Programmen auf. Mit provozierenden Aktionen setzte er sich immer wieder mit der Behördenbürokratie auseinander und kämpfte u.a. gegen die 1968 beschlossenen Notstandsgesetze. Mitte der 60er Jahre aus der SPD ausgeschlossen, wurde Kittner Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) nahe und war seit 1998 Mitherausgeber der Zeitschrift »Ossietzky«. Er war Mitglied der DFG-VK, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der Tucholsky-Gesellschaft, des Schriftstellerverbandes (VS), der Erich-Mühsam-Gesellschaft und Ehrenmitglied des Freundeskreises Ernst Busch. 2 . 15.02.2013 http://www.kpoe-steiermark.at/die-steirische-kpoe-trauert-um-dietrich-kittner.phtml Die steirische KPÖ trauert um Dietrich Kittner Ernest Kaltenegger: "Sein bissiger Humor wird uns fehlen" Der Kabarettist und Wahlsteirer Dietrich Kittner ist am 15. Februar 2013 im Alter von 77 Jahren verstorben. Kittner war seit den frühen 1960erJahren als Kabarettist tätig und prägte das kulturelle Geschehen in seiner Heimatstadt Hannover entscheidend mit. Der Träger des Deutschen Kleinkunstpreises (1984) feierte erst vor kurzem sein 50. Bühnenjubiläum. Kittners legendäre Provokationen und Interventionen haben oft eine ungeahnte Wirkung erzielt, z.B. als er 1969 als Mitinitiator der Aktion „Roter Punkt“ eine Art selbstorganisierten öffentlichen Nahverkehr ins Leben rief, um die privaten Hannoveraner Verkehrsbetriebe ÜSTRA– erfolgreich – zu einer Rücknahme von exorbitanten Fahrpreiserhöhungen zu bewegen. Schließlich wurden die Preise drastisch gesenkt und die Verkehrsbetriebe von der Kommune übernommen. Als prononciert linker Künstler, der aus der SPD ausgeschlossen worden war, war er mit einer Reihe von Repressalien konfrontiert, unter anderem durfte er im öffentlichrechtlichen Rundfunk der BRD nicht aufgeführt werden. Trotzdem war er auch abseits seiner Heimat auf zahlreichen internationalen Festivals präsent, unter anderem auch beim steirischen herbst. Kittner war der steirischen KPÖ sehr verbunden hat und trat, als es sein Gesundheitszustand noch zuließ, auch im Rahmen von Veranstaltungen des KPÖBildungsvereins auf. Aus gesundheitlichen Gründen übersiedelte Kittner Anfang der 1990er-Jahre in die Südsteiermark, von wo aus er seine Tourneen startete. In seinem neuen Heimatort Dedenitz war er gut integriert und pflegte stets seine Kontakte zur Nachbarschaft. Sein besonderes Engagement galt immer dem Frieden und dem Kampf gegen Rüstung, Militarismus und Rechtextremismus. Ernest Kaltenegger, der Dietrich Kittner seit Jahrzehnten kannte und schätzte: „Unser Mitgefühl gilt seiner Frau Christel Kittner. Sein bissiger Humor und seine politischen Akzente werden nicht nur in seiner Heimat fehlen, sondern auch in Österreich.“ Foto: Manfred Werner, Wikipedia 3 , 16.02.2013 / Feuilleton / Seite 2 Die Frage nach dem Klavier Gegen den Staat, das bekannte Unwesen: Dietrich Kittner ist gestorben Von Christof Meueler Auftritt von Dietrich Kittner am 12. Januar 2008 auf der XIII. Rosa Luxemburg Konferenz in Berlin Foto: Christian Ditsch/Version Der Kabarettist Dietrich Kittner ist tot. Er starb am Freitag im Alter von 77 Jahren in Bad Radkersburg in der Steiermark, wo er seit längerem lebte. Aber was heißt schon Kabarett? »Kabarett ist ja nur in Dikaturen verboten«, erzählte er 2010 dieser Zeitung, »die BRD ist aber bekanntermaßen eine Demokratie! Da gibt es einen Trick: Man sendet Comedy und Klamotte, Komiker und Kunstfurzer unter dem Oberbegriff Kabarett. Es gibt ja begnadete Komiker und Comedians, aber Kabarett ist das eben nicht. Übrigens, es muß ein Beamter gewesen sein, der das Wort Kleinkunst erfunden hat.« Kittner war Klassenkampf und Grassroots, aber auch Intellektueller, Gitarrist, Autor und arbeitender Lesender: 230 Auftritte im Jahr waren für ihn früher normal. Er kam vom anderen Stern, dem roten. Den trug er auch offen am Revers. 1971 aus der SPD geflogen, hatte er seit 1974 praktisch Auftrittsverbot im Fernsehen, weil er partout von der Eigentumsfrage nicht lassen wollte. Die ist in der Bundesrepublik bis in die Linkspartei hinein tabu. Sich zu erkundigen, wem denn die Banken und die Konzerne gehören, das ist wie die Frage nach dem Klavier, das Stan Laurel und Oliver Hardy die Treppe hochtragen wollen und das immer wieder zurückkommt: wer nicht aufpaßt, hat schon verloren. Kittner selbst bezeichnete sich am liebsten als »Denkspaßmacher«. Wenn man ihm nachsagte, er sei politisch vorhersehbar, dann war genau das auch seine beste Qualität, denn er hatte keine Lust auf »dein Staat – das bekannte Unwesen«. Seine Scherze richten sich gegen das Kapital als gesellschaftliches Verhältnis, die Programme und Platten hießen entsprechend »Schöne Wirtschaft«, »Hai- Society« oder »Wollt ihr den totalen Mief?«. Er kam aus 4 einem Studentenkabarett in Göttingen, das er mit seiner Frau Christel gegründet hatte. Ab 1966 trat er als »Kittners kritisches Kabarett« solo auf, später auch in seinem eigenen Theater in Hannover, das auf Wunsch des CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht als einziges Privattheater Niedersachsens nicht subventioniert werden durfte. Was trieb ihn an? 2010 erzählte er der jungen Welt, die er nicht nur regelmäßig las, sondern auch verschiedentlich unterstützte: »Eine meiner ersten Kindheitserinnerungen ist das Bild der brennenden Synagoge in meiner kleinen schlesischen Heimatstadt Oels, heute Olesnica. Die mit mir gleichaltrige kleine Tochter des Rabbiners in der Wohnung über uns. Sie war mit ihrer ganzen Familie plötzlich weg, und niemand der Erwachsenen wollte uns Kindern sagen, wie und wohin. Später im Januar 1945 der Anblick dreier Soldaten, die an Bäumen hingen mit einem Schild vor der Brust: ›Ich Schwein habe den Führer verraten.‹ Am Tage zuvor hatten sie mir noch eine Tafel Schokolade geschenkt. Ich habe entsetzt meine Mutter gefragt. Die fing an zu weinen. Da wußte ich genug und habe im Alter von neun Jahren Haß entwickelt auf Krieg und Nazis.«