Die Betriebsratsanhörung bei der Einstellung

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Die Betriebsratsanhörung bei der Einstellung
„Die Betriebsratsanhörung bei Einstellung und
Kündigung“
Teil 1: Die Betriebsratsanhörung bei der Einstellung
Joachim Schulze
Mitglied der Geschäftsleitung, Rechtsanwalt/Verbandsjurist, SACHSENMETALL
Dresden, 23.01.2014
Betriebsratsanhörung bei Einstellung vom 23.01.2014
1
Die Betriebsratsanhörung bei der Einstellung
Schwerpunkte:
• Arten der Beteiligungsrechte des Betriebsrates
• Allgemeine Mitwirkungsrechte des Betriebsrates in personellen Maßnahmen
• Der Katalog der Zustimmungsverweigerungsgründe, Formen und Fristen
• Das Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung
• Vorläufige Maßnahmen nach § 100 BetrVG
gem. §§ 99 Abs.
Abs 4
4, 100 Abs
Abs. 2 BetrVG
• Die Zustimmungsersetzungsverfahren gem
• Besonderheiten bei Leiharbeitnehmern
Betriebsratsanhörung bei Einstellung vom 23.01.2014
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1
Arten der Beteiligungsrechte des Betriebsrates
Informationsrechte
Mitwirkungsrechte
Vetorechte
Mitbestimmungsrechte
Allgemeines InfoInfo
Recht: § 80 II
Beispiele:
Beispiele:
Beispiele:
§ 90 Umgestaltung
Arbeitsplätze
§ 99 personelle
Einzelmaßnahme
§ 87 Soziale
Angelegenheiten
§ 102 Kündigung
§ 103 Kündigung
BR-Mitglied
§ 85 Beschwerde
Besondere InfoRechte:
§ 92 Personalplanung,
§ 105 Einstellung
leitende Angestellte
§ 91 besondere
Belastungen
§ 94 Personalfragebogen
Herausgabeverlangen
beim Arbeitsgericht im
B
Beschlussverfahren
hl
f h
Rechtswirkung:
Rechtswirkung:
Rechtswirkung:
Entscheidungsrecht
g
liegt
g
beim Arbeitsgeber
Arbeitgeber
g
muss
fehlende
Zustimmung durch
Arbeitsgericht
ersetzen lassen
Maßnahme nur wirksam
mit Zustimmung des
Betriebsrat. Bei
Nichteinigung entscheidet
über das „Ob“ und „Wie“
die Einigungsstelle.
Betriebsrat hat lediglich
Verhandlungsrecht
Bei Missachtung – grobe
Pflichtverletzung gem.
§ 23 III BetrVG
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Mitwirkungsrechte in allgemeinen personellen
Angelegenheiten
§ 92 BetrVG
zu besetzende
PLANSTELLE
(Stellenbeschreibung/Anforderungsprofil)
innerbetriebliche
Stellenausschreibung
§ 93 BetrVG
§ 106 BetrVG
Personalinserat
Arbeitsagentur etc.
Bewerbungseingang
Vorauswahl aufgrund der
vorliegenden Personalakte und Beurteilungen
§ 94 BetrVG
Vorauswahl aufgrund der
Bewerbungsunterlagen
Bewerbungsgespräch
(Mitarbeiter/Bewerber)
Entscheidung
- Einsatzstelle - Personalleitung
Betriebsrat
Versetzung
§ 99 BetrVG
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Einstellung
4
2
Personalplanung § 92 BetrVG
•
Personalplanung = jede Planung in den Bereichen
 Personalbedarf
P
lb d f
 Personalbeschaffung
 Personaleinsatz
 Personalentwicklung
•
Betriebsrat hat Unterrichtungsrecht bei Fragen der Personalplanung. Methoden der
Personalplanung
•
Betriebsrat hat Beratungsrecht über Art und Umfang der zur Personalplanung
erforderlichen Maßnahmen; Vermeidung von Härten bei der Personalplanung
•
Betriebsrat hat Vorschlagsrecht für Einführung und Durchführung einer
Personalplanung
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Ausschreibung von Arbeitsplätzen § 93 BetrVG
(Initiativrecht des Betriebsrates)
•
Betriebsrat kann verlangen, dass freie Stellen allgemein oder für bestimmte
g
ausgeschrieben
g
werden.
Tätigkeiten
•
Mindestinformationen der Ausschreibung:
 zu besetzende Position (Vollzeit/Teilzeit)
 Qualifikationen
 aussagekräftige Aufgabenbeschreibung
 Angabe der Entgeltgruppe
 Zeitpunkt der Stellenbesetzung
•
Bei Verstoß: Zustimmungsverweigerungsgrund (§ 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG)
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3
Personalfragebogen § 94 BetrVG
•
Personalfragebogen = formularmäßig gefasste Zusammenstellung von Fragen, die
ein Bewerber beantworten soll,, damit Arbeitgeber
g
Aufschluss über Person,,
Kenntnisse und Fähigkeiten des Befragten erhalten kann.
•
Damit eine Frage in einen Personalfragebogen gestellt werden kann, muss ihr Inhalt
individualrechtlich zulässig sein.
Exkurs:
Fragerecht des Arbeitgebers
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Alle Mitbestimmungsrechte bei personellen
Einzelmaßnahmen § 99 Abs. 1 BetrVG
Die Zustimmung des Betriebsrates ist erforderlich für jede
•
Einstellung (= tatsächliche Beschäftigung; auch Leiharbeitnehmer)
•
Versetzung =
Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches
+
erhebliche Änderung
der Arbeitsumstände
oder
voraussichtlich länger
als einen Monat
•
Eingruppierung (= erstmalige Festlegung der Lohn- / Gehaltsgruppe)
•
Umgruppierung (= Veränderung der Lohn- / Gehaltsgruppe);
Umgruppierung „nach unten“ auch arbeitsrechtlich nur schwer möglich
(Einvernehmen, Änderungskündigung)
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4
Einstellung
•
Einstellung = tatsächliche Aufnahme der Beschäftigung im Wege der Eingliederung
in den Betrieb zur Verwirklichung
g des arbeitstechnischen Zwecks durch
weisungsgebundene Tätigkeit zusammen mit den dort beschäftigten Arbeitnehmern.
•
Betriebsrat-Beteiligung vor Einstellung:
Betriebsrat muss beteiligt werden, solange Arbeitgeber noch keine abschließende
und endgültige Entscheidung getroffen hat
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Einstellung
Sachverhalt
Einstellung ja/nein
unbefristetes/befristetes AV
Aushilfsarbeitsverhältnis
geringfügige Beschäftigung
Azubis/Betriebspraktikanten
freie Mitarbeiter
Verlängerung befristetes AV
Umwandlung befr
befr. in unbefr.
unbefr AV
Rückkehr aus Elternzeit
Erhebliche Erhöhung der Arbeitszeit
Leiharbeitnehmer
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5
Mitbestimmungsrechte bei personellen
Einzelmaßnahmen, § 99 BetrVG – Einstellung
Einstellung (Begründung eines AV)
Arbeitnehmer
1. Abschluss des Arbeitsvertrages
g
(unbefristet/befristet)
2. Weiterbeschäftigung nach Fristablauf
(bei befristetem AV!)
3. Übernahme aus anderem Betrieb des gleichen
Unternehmens
4. Eingliederung von betriebsfremden Personen
(Leiharbeiter nicht OB, sondern ANZAHL,
Einsatztage, Zeit, Auswirkungen)
5. Übernahme von Azubis
1. im Sinne des § 5 BetrVG
2. Leiharbeitnehmer gemäß § 14 II AÜG
3. Selbständige bei „Eingliederung“ – freie
Mitarbeiter
4. Leitende Angestellte – nur
Informationspflicht, dass Einstellung
erfolgen soll, wenn kein
Sprecherausschuss vorhanden
keine Einstellung
Die Übertragung bestimmter, absonderbarer Arbeiten auf
Fremdfirmen und deren Arbeitnehmer, z. B. Werkvertrag,
wenn nicht in Personalhoheit des Betriebes eingegliedert,
aber Informationsrecht.
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Schematischer Ablauf
Schematisch sieht der Ablauf der Mitbestimmung bei Einstellungen, Ein- und
g pp
g und Versetzungen
g so aus:
Umgruppierungen
Situation
Wer muss
handeln?
Was ist zu tun?
Planung einer
Einstellung,
Eingruppierung,
Umgruppierung
oder
Versetzung
Arbeitgeber
Unterrichtung des
Betriebsrats über
eine geplante
Maßnahme
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Gelten Formvorschriften?
Nein, aber die
Information muss
konkret und unter
Vorlage von Unterlagen erfolgen.
Gelten Fristen?
Nein, aber die
Information muss
vor der geplanten
Maßnahme
erfolgen.
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6
Pflichten des Arbeitgebers
nach § 99 Abs. 1 BetrVG
Arbeitnehmer
Arbeitgeber
legt dem Betriebsrat vor
unterrichtet den Betriebsrat über:
1. Bewerbungsunterlagen
2. Unterlagen über
Auswirkungen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Einstellungsabsicht
Auskunft über Person
Auskunft über Auswirkung
vorgesehener Arbeitsplatz
vorgesehene Eingruppierung
Antrag auf Zustimmung
Betriebsrat
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Umfang der Unterrichtung
•
vorgesehener Arbeitsplatz
•
A t der
Art
d Tätigkeit,
Täti k it Arbeitsbereich
A b it b i h
•
Arbeitszeit
•
Person des Arbeitnehmers (Name, Sozialdaten)
•
Qualifikation
•
Beginn und (geplante) Dauer des Einsatzes
•
Auswirkungen der geplanten Maßnahme
•
Durchführung einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung
(falls vom Betriebsrat verlangt)
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Besonderheiten bei Leiharbeitnehmern
•
vorgesehener Arbeitsplatz
•
A t der
Art
d Tätigkeit,
Täti k it Arbeitsbereich
A b it b i h
•
Arbeitszeit
•
Person des Leiharbeitnehmers (Name, Sozialdaten)
•
Qualifikation
•
Beginn und (geplante) Dauer des Einsatzes
•
Auswirkungen der geplanten Maßnahme
•
Durchführung einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung
(Ausschreibungspflicht)
•
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag
•
Schriftliche Erklärung des Verleihers über Besitz der Erlaubnis
gem. § 1 AÜG
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Rechtsfolgen unterlassener oder unvollständiger
Unterrichtung
•
einwöchige Stellungnahmefrist des Betriebsrates nach § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG wird
g
nicht ausgelöst.
•
Zustimmungsfiktion des § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG greift nicht
•
lässt Entleiher Leiharbeitnehmer dennoch tätig werden, handelt er
betriebsverfassungswidrig; der Betriebsrat kann Verfahren nach
§ 101 BetrVG einleiten und so die tatsächliche Beschäftigung verhindern; wird
daraufhin die Beschäftigung des Leiharbeitnehmers unterbrochen, kann Entleiher
gegenüber Verleiher in Annahmeverzug geraten.
•
Ordnungswidrigkeit nach § 121 BetrVG – Verhängung einer Geldbuße von bis zu
10 000 EUR durch zuständige Behörde möglich.
10.000
möglich
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Schematischer Ablauf
Schematisch sieht der Ablauf der Mitbestimmung bei Einstellungen, Ein- und
Umgruppierungen
g pp
g und Versetzungen
g so aus:
Situation
Wer muss
handeln?
Der Betriebsrat wurde
informiert.
Betriebsrat
Was ist zu tun?
a) Zustimmung
oder
b) Schweigen
oder
c) Zustimmungsverweigerung
Gelten Formvorschriften?
Gelten Fristen?
Nein
Nein
Nein
Die Verweigerung
muss schriftlich und
unter Angabe von
Gründen erklärt
werden.
Schweigen gilt
binnen 1 Woche
als Zustimmung.
Die Verweigerung
muss binnen
1 Woche erklärt
werden.
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Abschließender Katalog der
Zustimmungsverweigerungsgründe
(§ 99 Abs. 2 BetrVG)
Nr. 1
Verstoß gegen Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung
Nr. 2
Verstoß gegen Auswahlrichtlinien
Nr. 3
Besorgnis der Benachteiligung anderer Belegschaftsmitglieder
Nr. 4
Besorgnis der Benachteiligung der betroffenen Arbeitnehmer
Nr. 5
unterlassene Ausschreibung
Nr. 6
Besorgnis der Störung des Betriebsfriedens durch betroffenen Arbeitnehmer
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Beispiele für Zustimmungsverweigerung
Begründung:
„durch
d h di
die Maßnahme
M ß h
werden
d im
i Betrieb
B t i b angestellte
t llt A
Arbeitnehmer
b it h
b
benachteiligt,
ht ili t d
da eine
i
vorhandene Mitarbeiterin (BR-Vorsitzende) vertragswidrig nicht beschäftigt wird und
durch die Einstellung dieser Zustand zementiert würde.
Des Weiteren liegt ein Antrag der Mitarbeiterin ……… auf Stundenerhöhung vor.“
„Die im Arbeitsvertrag vorgesehene Befristung ist unzulässig.“
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verbietet die auch nur befristete Beschäftigung
von Leiharbeitnehmern, wenn sie einen dauerhaft anfallenden Bedarf abdecken sollen
(Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.01.2014 - 3 TaBV 43/13).
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Schematischer Ablauf
Schematisch sieht der Ablauf der Mitbestimmung bei Einstellungen, Ein- und
g pp
g und Versetzungen
g so aus:
Umgruppierungen
Situation
Wer muss
handeln?
Was ist zu
tun?
Der BetriebsArbeitgeber
rat verweigert die
Zustimmung.
Antrag auf
gerichtliche
Ersetzung der
Zustimmung
Der Arbeitgeber
möchte die
Maßnahme
vorläufig
durchführen.
Durchführung
der vorläufigen
Maßnahme,
Information des
Betriebsrats
Arbeitgeber
Betriebsratsanhörung bei Einstellung vom 23.01.2014
Gelten Formvorschriften?
Gelten
Fristen?
Der Antrag ist im
arbeitsgerichtlichen
Beschlussverfahren
zu stellen.
Nein
Nein
Nein
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Vorläufige Maßnahmen nach § 100 BetrVG
Unterrichtung Betriebsrat:
„Wir
Wi b
beabsichtigen,
b i hti
di
die Ei
Einstellung
t ll
vorläufig
lä fi d
durchzuführen.
h füh
Di
Die Ei
Einstellung
t ll
d
des H
Herrn
……… ist aus sachlichen Gründen dringend erforderlich. Denn im Gegensatz zu den
anderen beiden internen Mitbewerbern ist Herr ……… aufgrund seiner Sprachkenntnisse
der einzige, der den längerfristigen krankheitsbedingten Ausfall des bisherigen
Stelleninhabers kompensieren kann. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden,
dass die Überwachung der Auslagerung von Zoll- und Freigutsendungen sowie die
Terminkontrolle in der Zollabteilung reibungslos erledigt werden. Es handelt sich bei
diesen Aufgaben um unaufschiebbare Arbeiten. Werden diese Aufgaben nicht von Herrn
……… kurzfristig durchgeführt , hätte das den zeitweisen „Zusammenbruch“ der
Zollabteilung zur Folge
Folge. Des Weiteren würde der ordnungsgemäße Ablauf der von der
Zollabteilung abhängigen Tätigkeiten im Unternehmen beeinträchtigt.“
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Schematischer Ablauf
Schematisch sieht der Ablauf der Mitbestimmung bei Einstellungen, Ein- und
g pp
g und Versetzungen
g so aus:
Umgruppierungen
Situation
Wer muss
handeln?
Der Arbeitgeber
führt die
Maßnahme
vorläufig durch.
Betriebsrat
Der Betriebsrat
hat die Erforderlichkeit der vorl.
Maßnahme
bestritten.
Arbeitgeber
Was ist zu tun?
Gelten Formvorschriften?
Gelten Fristen?
a)
Zustimmung
oder
Nein
Nein
b)
Schweigen oder
Nein
Nein
c)
Bestreiten der
Erforderlichkeit
der vorläufigen
Maßnahme
Nein
Antrag auf gerichtl.
Feststellung der
Erforderlichkeit der
vorläufigen
Maßnahme.
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Der Antrag ist im
arbeitsgerichtlichen
Beschlussverfahren
zu stellen.
Die Erforderlichkeit muss
unverzüglich
bestritten werden
werden.
Der Antrag ist
binnen 3Tagen zu
stellen.
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Antrag auf Zustimmungsersetzung
§ 99 Abs. 4 BetrVG
Antrag:
Namens und
N
d iin V
Vollmacht
ll
ht d
der A
Antragstellerin
t
t ll i und
dB
Beteiligten
t ili t zu 1
1. bitt
bitten wir
i um
Einleitung eines Beschlussverfahrens und beantragen,
1. festzustellen, dass die Zustimmung des Antragsgegners und Beteiligten zu 2. zu der
beabsichtigten Einstellung des Herrn ……… als „Mitarbeiter Zoll“ in die Abteilung …
als erteilt gilt,
hilfsweise,
2. die von dem Antragsgegner und Beteiligten zu 2. verweigerte Zustimmung zur
Einstellung des Herrn ……… als „Mitarbeiter Zoll“
Zoll in die Abteilung … zu ersetzen,
3. festzustellen, dass die am ……… durchgeführte Einstellung von Herrn ……… als
„Mitarbeiter Zoll“ in die Abteilung … aus sachlichen Gründen dringend erforderlich
war.
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Vorläufige Maßnahme § 100 BetrVG
I.
Arbeitgeber
1. vorläufige Durchführung der Maßnahme (§ 100 I 1 BetrVG)
a) entweder vor Äußerung des Betriebsrates oder
b) nach Zustimmungsverweigerung
2. unverzüglich (mündl./schriftl.) Unterrichtung des Betriebsrates (§ 100 II 1 BetrVG)
3. Aufklärung des Arbeitnehmers über Sach- und Rechtslage (§ 100 II 2 BetrVG)
II.
Betriebsrat
Unverzügliches (mündl./schriftl.) Bestreiten der dringenden Erforderlichkeit der
Maßnahme gegenüber dem Arbeitgeber - § 100 II 2 BetrVG; anderenfalls
Zugeständnis dass Maßnahme dringend erforderlich war
Zugeständnis,
war.
III. Arbeitgeber
innerhalb von 3 Tagen beim Arbeitsgericht Antrag stellen:
1. auf Ersetzung der Zustimmung,
2. auf Feststellung, dass Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich
war (§ 100 II 3 BetrVG)
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Mitbestimmung BR bei Einsatz von
Leiharbeitnehmer (§ 99 BetrVG)
vollst. Unterrichtung des BR
gem. § 99 I
g
BetrVG
geplanter
Einsatz
L ihAN
LeihAN
 Einsatz kann erfolgen
Wochenfrist § 99 II BetrVG
Fr. Sa. So. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So.
• keine Zustimmungsverweigerung
(Zustimmung gilt als erteilt)
• Zustimmung
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Mitbestimmung BR bei Einsatz von
Leiharbeitnehmer (§ 99 BetrVG)
vollst. Unterrichtung des BR
gem. § 99 I
g
BetrVG
geplanter
Einsatz
L ihAN
LeihAN
Wochenfrist § 99 II BetrVG
Einsatz erst,
wenn
Zustimmung
durch
Arbeitsgericht
ersetzt
ohne Zustimmung
 kein Einsatz
STOPP
Fr. Sa. So. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So.
Zustimmungsersetzungsantrag
Zustimmungsverweigerung
gem. § 99 BetrVG
des Arbeitgebers beim Arbeitsgericht
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Vorläufige Einstellung (§ 100 BetrVG)
vollst. Unterrichtung des BR
gem. § 99 I
g
BetrVG
geplanter
Einsatz
LeihAN
unverzügl. Mitteilung des
AG an BR, dass
Einstellung wegen
Dringlichkeit vorläufig
g
wird
durchgeführt
(Gründe)
AG beantragt beim Arbeitsgericht
• Zustimmungsersetzung
• Feststellung der Dringlichkeit
Wochenfrist § 99 II BetrVG
vorl.
Einstellung bis rechtskr. Entscheidung ArbG
3 Werktage
Fr. Sa. So. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So.
BR bestreitet unverzüglich
Dringlichkeit
Zustimmungsverweigerung
gem. § 99 BetrVG
Betriebsratsanhörung bei Einstellung vom 23.01.2014
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Vorläufige Einstellung (§ 100 BetrVG)
vollst. Unterrichtung des BR
gem. § 99 I
BetrVG
geplanter
Einsatz
LeihAN
Wochenfrist § 99 II BetrVG
Fr. Sa. So. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So. Mo. Di. Mi. Do. Fr. Sa. So.
unverzügl. Mitteilung des AG an BR, dass
Einstellung wegen Dringlichkeit vorläufig
durchgeführt wird (Gründe)
 weiteres Verfahren wie Folie 27
Betriebsratsanhörung bei Einstellung vom 23.01.2014
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14
Tarif – Verhandlungsergebnis vom 24.05.2012:
Hemmung des § 100 BetrVG
•
Kein Vetorecht des Betriebsrates
•
Lediglich Hemmung der vorläufigen personellen Einstellung durch Einhaltung einer
tariflichen 10 - bzw.
b
3
3-Tages-Frist.
Tages Frist
•
Frist gilt nicht für Not- und außergewöhnliche Fälle, kurzfristige Vertretungsfälle und
Ersetzungsfälle von Zeitarbeitnehmern
Unterrichtung BR
§ 99 BetrVG
Gesetz
Tarif
Zustimmungsverweigerung BR
und Einleitung 100er Verfahren
1 Woche
Zeitarbeitnehmer
kann vorläufig
eingesetzt werden
10 Tage nach 99er Antrag oder
3 Tage nach Zustimmungsverweigerung
Betriebsratsanhörung bei Einstellung vom 23.01.2014
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Betriebsratsanhörung bei Einstellung vom 23.01.2014
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„Die Betriebsratsanhörung bei Einstellung und
Kündigung“
Teil 2: Die Betriebsratsanhörung bei einer Kündigung
Wilma Kaiser
Rechtsanwältin/Verbandsjuristin, SACHSENMETALL
Dresden, 23.01.2014
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
1
Die Betriebsratsanhörung bei einer Kündigung
• Die Anhörung des Betriebsrates vor Kündigungen nach
§ 102 BetrVG
• Folgen einer mangelhaften Anhörung
• Mitteilung von Bedenken des Betriebsrats
• Widerspruchsgründe
p
g
gem.
g
§ 102 Abs. 3 BetrVG
Wilma Kaiser
Rechtsanwältin/Verbandsjuristin, SACHSENMETALL
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
2
1
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen
•
Das Anhörungsverfahren setzt voraus, dass im Unternehmen ein Betriebsrat wirksam
besteht.
•
Besteht kein Betriebsrat kann Mitbestimmungsrecht nicht ausgeübt werden.
•
Betriebsrat hat Mitbestimmungsrecht in Form eines Informations- / Anhörungsrecht
•
Arbeitgeber hat Gründe für die Kündigung mitzuteilen.
Stichtag: Konstituierung des Betriebsrates, § 29 BetrVG
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
3
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen
Wann besteht die Pflicht den Betriebsrat anzuhören?
A. § 102 BetrVG „… vor jeder Kündigung …“
•
bei ordentlicher/außerordentlicher Kündigung
g g
•
bei Probezeitkündigung, bei Kündigung vor Arbeitsantritt
•
bei vorsorglicher/hilfsweiser Kündigung
•
bei Wiederholungskündigung (bei z. B. Verfahrensmangel)
•
bei Änderungskündigung
•
bei Massenentlassungen
•
ABER nicht bei Aufhebungsverträgen!
•
Einigen sich die Parteien aber auf Beendigung durch Kündigung und
Abwicklungsvertrag so ist der Betriebsrat zur Kündigung wiederum anzuhören.
B. Das zugrundeliegende Arbeitsverhältnis ist unerheblich.
•
Probearbeitsverhältnis, Aushilfsarbeitsverhältnis, Befristeter Arbeitsvertrag
•
Geringfügige Beschäftigung, Teilzeit-Arbeitsverhältnis, etc.
Unerheblich ist, ob auf das Arbeitsverhältnis das KSchG Anwendung findet.
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
4
2
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen
1. Anhörungspflicht bei: alle Arbeitnehmer, einschl. der zu ihrer Berufsausbildung,
Beschäftigten,
g , Außendienstler,, Telearbeiter und Heimarbeitnehmer;; § 5 BetrVG
2. Keine Anhörung bei:
a) § 5 Abs. 2 BetrVG: „Mitglieder von Organen jur. P.“, „Gesellschafter einer
Personengesamtheit“
b) § 5 Abs. 3 BetrVG; „leitende Angestellte“, aber: Mitteilungspflicht gem. § 105
BetrVG ggü. Betriebsrat
3. Empfangszuständigkeit für Anhörung bei Kündigung:
a) Anhörung hat ggü. Betriebsratsvorsitzenden, bei Verhinderungsfall dessen,
ggü. Stellvertreter zu erfolgen (Empfangszuständigkeit), § 26 Abs. 2 Satz 2
BetrVG:
b) existiert Kündigungsausschuss dann ggü. dessen Vorsitzenden/Stellvertreter
c) einfache Betriebsratsmitglieder fungieren nur als Erklärungsboten
(Problem: Fristanlauf)
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
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Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Wann ist der Betriebsrat zu hören?
1. Vor Ausspruch der Kündigung.
2 Ni
2.
Nicht
ht erfolgte
f l t oder
d ffehlerhafte
hl h ft A
Anhörung
hö
iistt fü
für di
die schon
h ausgesprochene
h
Kü
Kündigung
di
nicht nachholbar.
3. Versäumte oder fehlerhafte Anhörung führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.
4. Selbst wenn der Betriebsrat der Kündigung zugestimmt hat und auch der
nachträglichen, korrigierten Anhörung zustimmt, bleibt die vormals ausgesprochene
Kündigung unheilbar unwirksam.
Nur Ausspruch erneuter Kündigung dann möglich.
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
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3
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Inhalt und Form der Anhörung
1. Form
a) keine Formvorschrift im Gesetz
b) Aber: Darlegungs- und Beweislast für ordnungsgemäße Anhörung im
Kündigungsschutzprozess obliegt dem Arbeitgeber Ö daher schriftlich!
2. Inhalt
Umfassende Information des Betriebsrates über die beabsichtigte Kündigung unter
Beachtung des Grundsatzes der subjektiven Determination
a) betriebsbedingte Kündigung
b) personenbedingte Kündigung
c) verhaltensbedingte Kündigung
¾ ordentliche/außerordentliche Tat- oder Verdachtskündigung
In jedem Fall umfassende Sachverhaltsschilderung.
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
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Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Inhalt der Betriebsratsanhörung (Sozialangaben)
a) Name , Anschrift
b) Geburtsdatum,
Geburtsdatum Familienstand
c) Unterhaltspflichten, Anzahl der Kinder
d) etwaig bestehender Sonderkündigungsschutz
e) Eintrittsdatum in das Unternehmen (Kündigungsfristberechnung)
f)
Funktion, welche der zu Kündigende im Unternehmen ausübt
g) Vergütung (inklusive sämtlicher Bestandteile), wöchentliche Stundenzahl
h) Kündigungsfrist (gesetzlich oder vertraglich vereinbarte)
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
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4
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Inhalt der Betriebsratsanhörung
Ö zwingend mitzuteilen ist der gesamte kündigungsrelevante Sachverhalt,
schlagwortartige Darstellung genügt nicht
a) personenbedingt – verhaltensbedingt – betriebsbedingt
b) ordentliche/außerordentliche Tat-/Verdachts-/Änderungskündigung
c) aber auch den zu Kündigenden entlastende Tatsachen bei z. B.
verhaltensbedingter Kündigung
d) Gesichtspunkt zur Interessenabwägung
3. bei Verdachtskündigung
Stellungnahme des zu kündigenden Arbeitnehmers
4. Sonstiges
a)) Eb
Ebenfalls
f ll mitzuteilen:
it t il
Ermahnungen, Abmahnungen, Personalgespräche, Probleme im Arbeitsverhältnis, welche u.U. im Kündigungsschutzverfahren vorgetragen werden sollen.
b) Der Betriebsrat muss in die Lage versetzt werden, nach der Unterrichtung
(Anhörung) auf Basis dieser mitgeteilten Informationen den Kündigungssachverhalt beurteilen zu können, ohne zusätzliche eigene Nachforschungen
anstellen zu müssen.
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
9
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Grundsatz der subjektiven Determination
a) Der Arbeitgeber hat die von ihm für maßgeblich erachteten Gründe so mitzuteilen,
g
Nachforschungen
g die
dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene
Kündigungsgründe prüfen und hierzu Stellung nehmen kann.
b) Reichen die mitgeteilten Gründe nicht aus, um die Kündigung materiell-rechtlich zu
rechtfertigen, liegt zwar u.U. eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung vor, aber
das Gericht wird dennoch die Unwirksamkeit dieser feststellen, da es dem
Arbeitgeber verwehrt ist, Gründe wirksam im Prozess vorzutragen, welche nicht
Gegenstand der Anhörung waren. (Nachschieben von Kündigungsgründen)
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
10
5
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Beispiel 1. - Probezeitkündigung
•
Im Falle der Probezeitkündigung ist weniger mehr!
•
Der Hinweis auf Fehler des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis versetzt diesen nur in
die Lage, diese u. U. vor Gericht anzugreifen und die Anhörung als fehlerhaft zu
rügen (BAG Urteil vom 12.09.2013, 6 AZR 121/12).
•
Begründung:
− „…nach dem Verlauf der Probezeit haben wir den Eindruck gewonnen, dass der
Arbeitnehmer nicht geeignet ist, für die Fortsetzung der Tätigkeit in unserem
Unternehmen.“
− „Der Arbeitnehmer genügt nach unseren allgemeinen, subjektiven
Einschätzungen unseren Anforderungen nicht.“
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
11
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Beispiel 2. – betriebsbedingte Kündigung
Die Mitteilung an den Betriebsrat muss enthalten:
a) Grund,
Grund warum Arbeitspatz des zu Kündigenden entfallen ist/entfällt
b) konkrete Darlegung der unternehmerischen Entscheidung es Arbeitgebers und
die Kausalität für den Wegfall des Arbeitsplatzes
c) keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb vorhanden
d) keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit auch zu schlechteren Konditionen
vorhanden
e) Grundsozialdaten nach § 1 KSchG, wenn Sozialauswahl durchzuführen ist
f)
Sozialauswahl, u. U. aus Sozialauswahl herausgenommene Personen
•
Im Kündigungsschutzprozess können nur Sachverhalte wirksam vorgetragen
werden, welche schon in der Anhörung benannt wurden.
•
Auf neuen Sachverhalt und nachgeschobenen Gründen, welche nicht in der
Betriebsratsanhörung enthalten waren, kann die Wirksamkeit der ausgesprochenen
Kündigung nicht mehr gestützt werden.
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
12
6
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Beispiel 2. – betriebsbedingte Kündigung
Kündigungsschutzgesetz anwendbar:
a) anders als bei der Probezeitkündigung: ist hier tatsächlich ein „mehr
mehr“ i.
i S
S. vv.
Vollständigkeit an Informationen an den Betriebsrat erforderlich
b) wenn mehrere Kündigungsgründe vorliegen, auf die sich gestützt wird, sind diese
bei der Betriebsratsanhörung mitzuteilen und die zugrundeliegenden Sachverhalte
zu erläutern.
Änderungskündigung:
a) Vor der ordentlichen als auch der außerordentlichen Änderungskündigung ist der
Betriebsrat zu hören.
b) Dem Betriebsrat sind nach § 102 BetrVG die Gründe für die beabsichtigte
Änderung der Arbeitsbedingungen und der Inhalt des Änderungsangebotes
mitzuteilen.
c) Bei Ablehnung des Änderungsangebotes steht die Beendigungskündigung im
Raum.
d) Zugleich ist aber auch der Betriebsrat über die im Änderungsangebot enthaltene,
mögliche Versetzung zu informieren und die Zustimmung einzuholen, § 99 BetrVG.
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
13
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Beschlussfassung des Betriebsrates
•
Anhörung muss so frühzeitig geschehen, dass der Betriebsrat in Ruhe beraten und
g
beschließen kann – als Gremium
über Stellungnahme
•
bei ordentlicher Kündigung 1 Woche ab Zustellung Anhörungsunterlagen o.
Unterrichtung
•
bei außerordentlichen Kündigung 3 Tage
•
Mängel in der Willensbildung sind unerheblich, wenn Fristen abgewartet werden!
Sie gehören zur Sphäre des Betriebsrates und führen nicht zur Unwirksamkeit der
Kündigung
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
14
7
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Reaktion des Betriebsrates auf Anhörung:
1. bei ordentlicher Kündigung: § 102 II 1 BetrVG – 1 Woche ab Fristablauf
a) § 102 II 1 BetrVG – Betriebsrat kann schriftlich Bedenken gegen die Kündigung
äußern
b) § 102 III BetrVG – Betriebsrat kann der Kündigung widersprechen
•
§ 102 IV BetrVG – form- und fristgerechter Widerspruch ist durch den
Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zuzuleiten (mit Kündigungsschreiben)
c) „Zustimmungsfiktion“, wenn der Betriebsrat die Frist tatenlos verstreichen lässt
2. bei außerordentlichen Kündigung: § 102 III S. 3 BetrVG: der Betriebsrat hat Bedenken
unverzüglich, spätestens innerhalb von 3 Tagen, schriftlich mitzuteilen.
3. Betriebsrat kann Fristen abkürzen indem er zustimmt, Bedenken oder Widerspruch
erklärt und/oder erklärt: „er habe abschließend beraten“.
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
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Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Reaktionsmöglichkeiten des Betriebsrates - § 102 BetrVG
1. Betriebsrat fragt nach:
a) bei bereits ausreichender Information: Anhörungsfrist des § 102 II BetrVG läuft
weiter
b) bei unzureichender Information beginnt die Frist erst nach Übermittlung der
angeforderten Information zu laufen (BAG vom 06.02.1997 – 2 AZR 265/96)
2. Betriebsrat erklärt Zustimmung oder erklärt sich abschließend:
a) Zustimmung Ö Anhörungsverfahren ist beendet
b) abschließende Erklärung keine Stellungnahme abzugeben Ö
Anhörungsverfahren ist beendet
3 Betriebsrat äußert Bedenken:
3.
a) im Gegensatz zum Widerspruch können diese sich auf jeden Grund stützen
b) Bedenken haben keine formalisierte Bedeutung im Kündigungsschutzprozess
c) löst keinen Weiterbeschäftigungsanspruch aus
d) hat schriftlich unter Angabe von Gründen zu erfolgen, § 102 II S. 1 BetrVG
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
16
8
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Reaktionsmöglichkeiten des Betriebsrates - § 102 BetrVG
4. Der Widerspruch des Betriebsrates zur Kündigung:
a) muss zweifelsfrei und unmissverständlich sein
b) muss begründet sein
c) muss Gründe und Tatsachen angeben, die das Vorliegen von mindestens
einem der in § 102 III BetrVG abschließend festgelegten Widerspruchsgründe
zumindest möglich erscheinen lassen.
d) § 102 III BetrVG – zusammenfassend gekürzt –
(1) soziale Gesichtspunkte sind nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden
(2) Kündigung verstößt gegen eine Richtlinie nach § 95
(3) an anderem Arbeitsplatz im selben Betrieb oder anderen Betrieb des Unternehmens
Weiterbeschäftigung möglich
(4) die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers wäre nach zumutbaren Umschulungsoder Fortbildungsmaßnahmen möglich
(5) Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen ist
möglich und der Arbeitnehmer hat sein Einverständnis hiermit erklärt
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
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Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Reaktionsmöglichkeiten des Betriebsrates - § 102 BetrVG
4. Rechtsfolgen des Widerspruchs
a) Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers
Arbeitnehmers, § 102 V BetrVG
Kündigungsschutzklage + Fortbeschäftigungsbegehren des Gekündigten wird
geltend gemacht
b) Arbeitnehmer kann Weiterbeschäftigung auch nach Ablauf der Kündigungsfrist
bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses
verlangen, soweit nicht überwiegende und schwerwiegende Belange des
Arbeitgebers entgegenstehen.
c) Weiterbeschäftigung hat zu unveränderten Arbeitsbedingungen unter
Weiterzahlung des bisherigen Arbeitsentgeltes zu erfolgen.
d) Durchsetzung über einstweilige Verfügung und/oder Urteilsverfahren.
e) Kündigung gilt als sozial ungerechtfertigt, wenn der behauptete
Widerspruchsgrund tatsächlich vorliegt, § 1 II S. 2 Nr. 1 und S. 3 KSchG.
f)
Stellungnahme des Betriebsrates ist bei Widerspruch dem Arbeitnehmer mit
der Kündigung durch den Arbeitgeber zuzuleiten, § 102 V BetrVG.
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
18
9
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Voraussetzung des Anspruches auf Weiterbeschäftigung
a) Betriebsrat hat form- und fristgerecht widersprochen
b) Arbeitnehmer hat innerhalb der 3-Wochenfrist Klage erhoben
c) Arbeitnehmer hat neben Klageerhebung ausdrücklich die vorläufige
Weiterbeschäftigung verlangt
Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers:
•
ausnahmsweise keine Weiterbeschäftigung, wenn Arbeitsgericht aufgrund
einstweiliger Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung entbindet
•
Kündigungsschutzklage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolgt oder erscheint
mutwillig
•
Weiterbeschäftigung führt zu unzumutbaren wirtschaftlichen Belastungen des
Arbeitgebers (Ausnahme)
•
Widerspruch Betriebsrat aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen offensichtlich
unbegründet
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
19
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Sonderfälle
•
§ 15 KSchG:
ordentlich unkündbar sind: Mitglieder
g
des Betriebsrates,, der Jugendg
und
Auszubildendenvertretung, des Wahlvorstandes sowie Wahlbewerber (je mit
unterschiedlicher Dauer des Sonderkündigungsschutzes)
•
§ 103 I BetrVG:
−
echtes Zustimmungserfordernis: „Kündigung…bedarf der Zustimmung des BR.“
−
keine Zustimmungsfiktion bei „Nicht-Reaktion“ des Betriebsrates
−
analog § 102 II 3 BetrVG Ö „Drei-Tages-Frist“ zur Anhörung
−
Betriebsrat kann Zustimmung auch außerhalb der Frist abgeben
−
bei Verweigerung: § 103 II BetrVG – Zustimmungsersetzung durch
Arbeitsgericht
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
20
10
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
§ 105 BetrVG – leitende Angestellte
•
nur Informationsrecht des Betriebsrates
•
„personelle
ll Ä
Änderung“
d
“ – jede
j d Ä
Änderung
d
d
der Füh
Führungsfunktion
f kti d
des lleitenden
it d
Angestellten
•
rechtzeitige Mitteilung
•
Kündigung ohne Information Betriebsrat nicht unwirksam
•
Achtung: liegt … leitender Angestellter nicht vor – muss Anhörung nach § 102
BetrVG erfolgen.
•
in Zweifelsfällen vorsorglich Anhörung nach § 102 BetrVG
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
21
Betriebsratsanhörungen bei Kündigungen
Praxistipp
Die Anhörung ist nicht formgebunden, daher kann sie schriftlich und/oder mündlich
g
erfolgen.
Es kann daher sinnvoll sein, bei Übergabe des Anhörungsbogens nochmals den
Gesamtsachverhalt zusammenfassend zu erläutern – auch diese Informationen können,
auch wenn nicht im schriftlichen Teil enthalten, später im ggf. zu führenden
Kündigungsschutzprozess vorgetragen werden, da der Betriebsrat informiert wurde.
Diese erfolgte Erläuterung sollte sodann auch via Verweis in der Anhörung vermerkt
sein.
„Im Übrigen verweisen wir auf das mit Ihnen geführte Gespräch vom …… in welchem
wir die Kündigungsgründe und die dazu erfolgten Überlegungen bezüglich der
vorgenommenen Interessenabwägung ausführlich mit Ihnen erörtert haben.“
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
22
11
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Betriebsratsanhörung bei Kündigungen vom 23.01.2014
23
12
Muster zur Anhörung des Betriebsrats bei Einstellung
An den Betriebsrat
Empfangsbestätigung des Betriebsrates
über den/die Betriebsratsvorsitzende(n)
Frau/ Herrn …
erhalten am … nebst aller Anlagen
- im Hause -
Für den Betriebsrat:
(Unterschrift)
(Firmenstempel)
Ort, Datum
Anhörung des Betriebsrats zur beabsichtigten Einstellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir beabsichtigen, zum … folgende/n Arbeitnehmer/in einzustellen:
Name:
…
Vorname:
…
geb. am:
…
wohnhaft in:
…
Straße:
…
Familienstand: …
Kinderzahl:
…
Fachliche Vorbildung:
…
besondere soziale Eigenschaften*):
…
Vorgesehener Arbeitsplatz:
…
Werk/Abteilung:
…
Vorgesehene Eingruppierung (nach Einarbeitung):
…
Sonstige Bemerkungen:
…
Um den vorgesehenen Arbeitsplatz bewerben sich außerdem:
….
*) z.B. Schwerbehinderung
**) Nichtzutreffendes bitte streichen/evtl. Beiblatt benutzen und/oder die Gründe zusätzlich mündlich erläutern
2
Die Bewerbungsunterlagen des von uns ausgesuchten Bewerbers sind als Anlage beigefügt.
Ebenso sind die übrigen Bewerber/innen beigefügt.
Wir bitten um Zustimmung zur Einstellung und Eingruppierung.
Die – zumindest vorläufige – Einstellung und Eingruppierung der o. g. Person/en zum angegebenen Zeitpunkt ist aus folgenden Gründen dringend erforderlich**):
…
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift Arbeitgeber
Abschließende Stellungnahme des Betriebsrats
Zu der beabsichtigten Einstellung
□
□
erteilen wir unsere Zustimmung
verweigern wir unsere Zustimmung aus folgenden Gründen**):
…
Für den Betriebsrat
____________________
_____________________________________
(Ort, Datum)
(Unterschrift des/der Betriebsratsvorsitzenden
oder Stellvertreters/in)
[Briefkopf des Arbeitgebers]
An den Betriebsrat der [Firma des Arbeitgebers]
- z.Hd. Herrn/Frau Betriebsratsvorsitzende/n - im Hause [Ort, Datum]
Unterrichtung über geplante Einstellung und Einholung der Zustimmung zur Einstellung
von Herrn/Frau ________ gemäß § 99 BetrVG
Sehr geehrte/r Frau/Herr [Name des/der Betriebsratsvorsitzenden],
wir beabsichtigen, den/die Bewerber/in, Herrn/Frau [Name], geboren am [Datum, Familienstand,
Unterhaltspflichten], wohnhaft in [Adresse], einzustellen. Die Einstellung soll zum [Datum] erfolgen. Wir möchten Sie und Ihr Gremium hiermit über diese Einstellung sowie die Auswirkungen
dieser geplanten Einstellung unterrichten und um Ihre Zustimmung zu dieser beabsichtigten Einstellung ersuchen.
1
Zur Person und Qualifikation von Herrn/Frau [Name]
Herr/Frau [Name] soll als [Tätigkeitsbezeichnung] in der Abteilung/in dem Bereich [Bereich bezeichnen] eingestellt werden. Die Einstellung soll mit einer Wochenarbeitszeit
von [Anzahl] Stunden im Rahmen eines bis zum [Datum] befristeten/oder in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis erfolgen. Herr/Frau [Name] wird entsprechend [je nachdem,
wonach sich die betriebliche Gehaltsstruktur bemisst, zum Beispiel Tarifvertrag] in
die Vergütungsgruppe/Tarifgruppe [Gruppe bezeichnen] eingeordnet oder im Falle des
Nichtbestehens einer Tarifbindung oder einer Bezugnahme mit [Betrag] EUR monatlich
brutto vergütet werden.
Herr/Frau [Name] war bis zum [Datum] als [Funktion/Position] bei der [Name des bisherigen Arbeitgebers] beschäftigt. [Alternativ für den Fall der Aufnahme der ersten
beruflichen Tätigkeit hier den Abschluss der Ausbildung darstellen]. Den beruflichen
Werdegang im Einzelnen können Sie den hier als Anlage 1 zu dem Anhörungsschreiben
beigefügten Bewerbungsunterlagen des Bewerbers entnehmen.
2
Zu den Mitbewerbern von Herrn/Frau [Name]
Um die Position als [Position angeben] haben sich neben Herrn/Frau [Name] weitere
[Anzahl] Bewerber beworben. Die Bewerbungsunterlagen der anderen Bewerber sind diesem Schreiben als Anlage 2 beigefügt. [Die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber
sind dem Betriebsrat nach § 99 BetrVG zuzuleiten].
Unsere Entscheidung zur Auswahl von Herrn/Frau [Name] zur Einstellung beruhte insbesondere darauf, dass [kurze Begründung der Entscheidung].
3
Zu den Auswirkungen der Einstellung von Herrn/Frau [Name]
Die Einstellung von Herrn/Frau [Name] erfolgt unter Beachtung der maßgeblichen Gesetze, tarif- und betriebsvereinbarungsrechtlichen Regelungen. Es besteht keine Besorgnis,
dass durch die Einstellung von Herrn/Frau [Name] andere Arbeitnehmer Nachteile erleiden.
Wir bitten Ihr Gremium, innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG schriftlich unter Angabe
von Gründen zu diesem Einstellungsbegehren Stellung zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
______________________________
_____________________________
(Ort/Datum)
(Unterschrift Arbeitgeber)
Muster zur Beteiligung des Betriebsrats bei einer Versetzung, Umgruppierung und ggf.
einer Änderungskündigung
An den Betriebsrat
Empfangsbestätigung des Betriebsrates
über den/die Betriebsratsvorsitzende(n)
Frau/Herrn …
erhalten am … nebst aller Anlagen
- im Hause -
Für den Betriebsrat:
(Unterschrift)
(Firmenstempel)
Ort, Datum
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir beabsichtigen, zum … folgende(n) Arbeitnehmer/in zu versetzen und umzugruppieren, so wie
ihm/ihr eine dahingehende Änderungskündigung auszusprechen a.
Name: …
wohnhaft in: …
Vorname: …
Straße:
Familienstand:
…
geb. am:
…
…
Kinder/Geburtsdaten: …
besondere soziale Eigenschaften b):
…
fachliche Vorbildung:
…
bei uns beschäftigt seit:
…
bisheriger Arbeitsbereich:
…
Werk/Abteilung:
…
bisherige Lohn-/Gehaltsgruppe:
…
vorgesehener Arbeitsbereich:
…
Werk/Abteilung:
…
vorgesehene Lohn-/Gehaltsgruppe:
…
Kündigungsfrist:
…
Gründe für die Maßnahme c):
a
b
c
Nichtzutreffendes bitte streichen.
z. B. Schwerbehinderung
Hier sind alle Gründe anzugeben, auf die die Maßnahme gestützt werden soll. Evtl. Beiblatt benutzen und/oder die Gründe
zusätzlich mündlich erläutern.
2
…
sonstige Bemerkungen (z. B. weitere Bewerbungen um den Arbeitsplatz):
…
Wir bitten Sie um Zustimmung zur Versetzung/und Umgruppierunga). Die – zumindest vorläufige
– Versetzung/und Umgruppierunga) der o. g. Person zum angegebenen Zeitpunkt ist aus folgenden Gründen dringend erforderlicha):
…
Der/die Arbeitnehmer/in ist mit den Maßnahmen einverstanden.
Für den Fall, dass der/die Arbeitnehmer/in mit den Maßnahmen nicht einverstanden ist:
Gleichzeitig beabsichtigen wir, dem/der Arbeitnehmer/in eine Änderungskündigung zum
…………….. auszusprechen, da die Versetzung und Umgruppierung aus den o. g. Gründen
dringend erforderlich ist.
Wir bitten hierzu um Ihre Stellungnahme nach § 102 BetrVG.
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift Arbeitgeber
Abschließende Stellungnahme des Betriebsrats
Zu der beabsichtigten Versetzung und Umgruppierunga)
□
□
erteilen wir unsere Zustimmung
verweigern wir unsere Zustimmung aus folgenden Gründen:
…
Gegen eine Änderungskündigung haben wir
□
□
□
keine Bedenken
folgende Bedenken
….
erheben wir Widerspruch aus folgenden Gründen:
…
Für den Betriebsrat
____________________
_____________________________________
(Ort, Datum)
(Unterschrift des/der Betriebsratsvorsitzenden
oder Stellvertreters/in)
Schematisch sieht der Ablauf der Mitbestimmung bei Einstellungen, Ein- und Umgruppierungen und
Versetzungen so aus:
Situation
Wer muss Was ist zu tun?
handeln?
Arbeitgeber Unterrichtung des
Planung einer
Betriebsrats über
Einstellung,
eine geplante
Eingruppierung,
Maßnahme
Umgruppierung oder
Versetzung
Der BetriebsBetriebsrat a) Zustimmung
rat wurde informiert.
oder
b) Schweigen oder
c) Zustimmungsverweigerung
Arbeitgeber Antrag auf
gerichtliche
Ersetzung der
Zustimmung
Der Arbeitgeber
Arbeitgeber Durchführung der
möchte die
vorläufigen
Maßnahme vorläufig
Maßnahme,
durchführen.
Information des
Betriebsrats
Betriebsrat a) Zustimmung
Der Arbeitoder
geber führt die
Maßnahme vorläufig
durch.
b) Schweigen oder
c) Bestreiten der
Erforderlichkeit der
vorläufigen
Maßnahme
Der Betriebsrat hat Arbeitgeber Antrag auf
gerichtliche
die Erforderlichkeit
Feststellung der
der vorläufigen
ErforderMaßnahme
lichkeit der
bestritten.
vorläufigen
Maßnahme
Der Betriebsrat verweigert die
Zustimmung.
Gelten Formvorschriften?
Nein, aber die
Information muss
konkret und unter
Vorlage von Unterlagen erfolgen.
Nein
Gelten Fristen?
Nein, aber die
Information muss
vor der geplanten
Maßnahme
erfolgen.
Nein
Nein
Schweigen gilt
binnen einer
Woche als
Zustimmung.
Die Verweigerung muss Die Verweigerung muss
schriftlich und unter
binnen einer
Angabe von Gründen
Woche erklärt
erklärt werden.
werden.
Der Antrag ist im
Nein
arbeitsgerichtlichen
Beschlussverfahren zu
stellen.
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Die Erforderlichkeit muss
unverzüglich
bestritten werden.
Der Antrag ist
binnen drei Tagen
zu stellen.
Der Antrag ist im
arbeitsgerichtlichen
Beschlussverfahren zu
stellen.
Rundschreiben
Talkenberg
Informationsrechte des
Betriebsrates - Werkverträge
2124-20.30
21. September 2013
I. Einleitung
Die von den Gewerkschaften und insbesondere der IG Metall getriebene Kampagne gegen Werkverträge erreicht zunehmend die
M+E-Betriebe. Verstärkt machen die Betriebsräte Informationsrechte
aus dem BetrVG zum Thema Werkverträge geltend. Einer einheitlichen
Beratung unserer Mitgliedsunternehmen soll dieser Kurzleitfaden dienen.
Der Begriff Werkverträge wird in
diesem Kontext häufig undifferenziert verwandt; je nach Einzelfall
handelt es sich auch um
Dienstverträge.
Die Informationsrechte des Betriebsrates werden von der Rechtsprechung teils sehr großzügig ausgelegt. Die bislang ausdrücklich durch
die Rechtsprechung bestätigten Inhalte des Informationsrechts werden nachfolgend dargestellt. Verallgemeinernd können folgende Aussagen vorangestellt werden:
 Unterrichtung nur über Werkverträge auf dem Betriebsgelände und
von gewisser Dauer,
 Vorlage nur vorhandener Unterlagen (keine Beschaffungspflicht
des Arbeitgebers),
 Unterrichtung des Betriebsrates nur unter ausdrücklichem
Geheimhaltungsvorbehalt.
II. Rechtliche Ausgangslage
Nach § 80 Abs. 2 BetrVG hat der Betriebsrat einen Anspruch auf umfassende Unterrichtung und auf Vorlage der für die zur Durchführung
seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen. Als Aufgabe des Betriebsrats kommen hierbei insbesondere die Überwachungsrechte des
§ 80 Abs. 1 BetrVG und die Beratungsrechte bei der Personalplanung
nach §§ 92, 92a BetrVG in Betracht.
Die Unterrichtung erstreckt sich
auch auf die Beschäftigung von
Personen im Betrieb, die nicht in
einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen
(§ 80 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
Hinweis: Ein echtes Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99
BetrVG steht dem Betriebsrat jedoch nur dann zu, wenn der Werkvertragseinsatz tatsächlich eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung darstellt.
Ausgenommen sind hier aber nach
der Gesetzesbegründung Personen, die nur kurzfristig im Betrieb
beschäftigt sind (z. B. der Elektriker, der eine kaputte Lampe im
Betrieb reparieren soll).
Unterlagen im Sinne des § 80 BetrVG sind die beim Arbeitgeber vorhandenen schriftlichen Aufzeichnungen. Zu diesen gehören auch die
bei ihm in Datenverarbeitungsanlagen vorhandenen Dateien, die der
vorlageverpflichtete Arbeitgeber auszudrucken und dem Betriebsrat
auszuhändigen hat.1
Dem Arbeitgeber ist die Prüfung erlaubt, ob aus den Unterlagen Angaben hervorgehen, die in keinem Zusammenhang mit der geltend gemachten Überwachungsaufgabe oder einer anderen Betriebsratsaufgabe stehen. Solche Angaben kann der Arbeitgeber unkenntlich machen.2
1
2
BAG v. 16.08.2011 – 1 ABR 22/10.
BAG v. 16.08.2011 – 1 ABR 22/10; BAG 17.03.1983 - 6 ABR 33/80.
Informationsrechte des Betriebsrates bei Werkverträgen
Der Betriebsrat muss darlegen, dass er die begehrte - stichtagsbezogene3 - Auskunft zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben benötigt.
Missbräuchliche oder unbegründete Auskunftsverlangen sind daher
ausgeschlossen.
Weitere Informationspflichten können sich aus §§ 106, 111 BetrVG
ergeben.
III. Informationsumfang in der Praxis
In den bislang bekannten Schreiben der Betriebsräte werden folgende
Informationen verlangt:
Gesamtübersicht über alle Fremdbeschäftigten
… mit Auflistung der JA4
Einsatztage und
der Einsatzzeiten
Nach der Rechtsprechung des BAG muss der
Arbeitgeber an den Werktoren geführte (d.h. bereits vorhandene) Kontrolllisten, aus denen sich
die Einsatztage und die Einsatzzeiten der einzelnen Fremdarbeitnehmer ergeben, dem Betriebsrat
auf Verlangen zur Verfügung stellen. Denn der
Betriebsrat könne im Rahmen seiner Beteiligung
bei der Personalplanung auch vorschlagen, gegenwärtig von Fremdfirmen verrichtete Arbeiten
durch Arbeitnehmer des Betriebes, ggf. auch
durch neu einzustellende Arbeitnehmer, verrichten
zu lassen (§ 92a BetrVG).
… nach Einsatzbe- JA
reichen
(Aufgabenbeschreibung)
Allgemeine,
personenunabhängige
Benennung
der Einsatzbereiche, da im Rahmen der Personalplanung der Betriebsrat auch vorschlagen kann,
gegenwärtig von Fremdfirmen verrichtete Arbeiten
durch Arbeitnehmer des Betriebes, ggf. auch
durch neu einzustellende Arbeitnehmer, verrichten
zu lassen (§ 92a BetrVG).
… gegliedert nach NEIN
der
Häufigkeit
des Einsatzes
… unter Benennung NEIN
des
jeweiligen
Vertragsverhältnisses
3
4
2
Auswertung bzw. Kategorisierung der Informationen sind Aufgabe des Betriebsrates.
Auswertung bzw. Kategorisierung der Informationen sind Aufgabe des Betriebsrates.
BAG v. 15.12.1998 – 1 ABR 9/98.
BAG v. 31.01.1989 – 1 ABR 72/87.
Informationsrechte des Betriebsrates bei Werkverträgen
Vorlage der vertraglichen Vereinbarungen
…
mit Werkver- JA5
tragsunternehmen
(anderen
Arbeitgebern)
Nach der Rechtsprechung kann der Betriebsrat
auch die Vorlage des Vertrages mit dem Drittunternehmer verlangen, um überprüfen zu können,
ob es sich nicht doch um Zeitarbeit handelt und
Beteiligungsrechte in Betracht kommen.
… mit Auftragneh- JA6
mern (Soloselbstständige)
Ein Beteiligungsrecht nach § 99 BetrVG stünde
dem Betriebsrat auch dann zu, wenn es sich um
den Einsatz eines Scheinselbstständigen handelte. Das muss er prüfen können.
…
mit Subunter- NEIN
nehmen
Der Arbeitgeber muss nur vorhandene Unterlagen
vorlegen; bei diesen Verträgen ist der Arbeitgeber
gar nicht Vertragspartner.
… mit Hinweis, wem JA
das
Weisungsrecht zusteht
Ein pauschaler Hinweis auf das Weisungsrecht
des Werkvertragsunternehmens oder ggf. Verweis
auf die vertragliche Regelung ist sinnvoll, da für
die Frage, ob es sich um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung oder Scheinselbstständigkeit handelt,
die Frage des Weisungsrechts eine vorrangige
Rolle spielt.
Angabe über soziale Standards
… Höhe des Ent- NEIN7
gelts
des
Fremdpersonals
Die Höhe des an den Auftraggeber zu zahlenden
Entgeltes braucht, auch wenn es bekannt sein
sollte, nicht offen gelegt zu werden, da der Betriebsrat nur Auskunft über die im Zusammenhang
mit der geltend gemachten Überwachungsaufgabe
oder einer anderen Betriebsratsaufgabe verlangen
kann.
…
die bei der NEIN8
Vergabe von Aufträgen gelten
Arbeitsbedingungen in fremden Betrieben gehören
nicht zum Aufgabengebiet eines Betriebsrates.
Praxishinweis: Soweit solche aber beachtet
werden, kann dies bei der Erörterung mit dem
Betriebsrat vorteilhaft sein.
… und wie diese NEIN9
geprüft werden
Arbeitsbedingungen in fremden Betrieben gehören
nicht zum Aufgabengebiet eines Betriebsrates.
Praxishinweis: Soweit solche Prüfungen erfolgen,
kann dies bei der Erörterung mit dem Betriebsrat
vorteilhaft sein.
5
BAG v. 31.01.1989 – 1 ABR 72/87; BAG v. 09.07.1991 – 1 ABR 45/90; BAG
v. 15.12.1998 – 1 ABR 9/98 (Art der Entlohnung bei freien Mitarbeitern).
6
BAG v. 15.12.1998 – 1 ABR 9/98.
7
BAG v. 16.08.2011 – 1 ABR 22/10.
8
wird nicht einmal von Ulber in AiB 2013, 285 gefordert.
9
wird nicht einmal von Ulber in AiB 2013, 285 gefordert.
3
Informationsrechte des Betriebsrates bei Werkverträgen
IV. Empfehlungen für die Praxis
Da dem Betriebsrat grundsätzlich Informationsrechte zustehen, sollte
dem Verlangen des Betriebsrates in den dargestellten Grenzen nachgekommen werden, auch wenn die Informationen betriebsintern zu
weiteren Diskussionen führen können.
1. Vorgehensweise in einzelnen Fragen
Der vereinbarte Preis mit dem Werkvertragsunternehmen kann nach
derzeitiger Lesart der Rechtsprechung geschwärzt werden.
In den Werkverträgen sollte klargestellt werden, dass das Weisungsrecht gegenüber dem Fremdpersonal beim Werkvertragsunternehmer
liegt. Daran muss auch bei der Durchführung des Vertrages festgehalten werden. Schulungen der Führungskräfte in dieser Frage sind unbedingt zu empfehlen.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Betriebsräte Informationen an die IG Metall weitergeben, sollten die Informationen unbedingt unter den Vorbehalt der Geheimhaltung gemäß § 79 BetrVG
gestellt werden. Dieser Hinweis sollte hervorgehoben werden.
2. Textbaustein Geheimhaltungsvorbehalt
„Hiermit teilen wir Ihnen mit, dass es sich bei den in diesem Schreiben und in
den Anlagen … aufgeführten Angelegenheiten und Inhalten um geheimhaltungsbedürftige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handelt. Die aufgeführten Inhalte und Angelegenheiten unterliegen daher der Geheimhaltungspflicht
nach § 79 BetrVG. Die Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
ist nach § 120 BetrVG strafbar.“
4
Beim Einsatz von Werkverträgen
auch auf dem Betriebsgelände
handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers, die keinem echten
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates unterliegt.
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 12.09.2013, 6 AZR 121/12
Betriebsratsanhörung in der Wartezeit
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom
22. November 2011 - 17 Sa 961/11 - aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 12. Mai 2011
- 6 Ca 166/11 - wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten noch darüber, ob der Betriebsrat vor einer in der gesetzlichen Wartezeit
erklärten ordentlichen Kündigung ordnungsgemäß angehört worden ist.
2 Die Klägerin war seit dem 1. Juli 2010 bei der Beklagten (vormals: Beklagte zu 3.) beschäftigt. In § 2 des Arbeitsvertrags ist eine Probezeit bis zum 31. Dezember 2010 mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen zum 15. des Monats bzw. zum Monatsende vereinbart. Die
Beklagte ist ein Versorgungsdienstleister mit Sitz in P, der Transport- und Serviceleistungen
im Gesundheitswesen anbietet. Die Klägerin wurde als Mitarbeiterin im Bereich Logistik und
Hausservice im Klinikverbund der früheren Beklagten zu 1. in W eingesetzt, die den Hol- und
Bringdienst mit Wirkung zum 1. Juli 2010 an die Beklagte fremdvergeben hatte, statt ihn wie
bisher im Verbund mit der früheren Beklagten zu 2., bei der die Klägerin bis zum 30. Juni
2010 beschäftigt war, zu erbringen. Es ist rechtskräftig festgestellt bzw. unstreitig, dass zwischen der früheren Beklagten zu 1. und der Klägerin kein Arbeitsverhältnis bestand, kein
Betriebsübergang auf die Beklagte erfolgt ist und das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der
früheren Beklagten zu 2. zum 30. Juni 2010 wirksam beendet worden ist.
3 Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 14. Dezember 2010 den an ihrem Sitz gebildeten Betriebsrat vorsorglich und „ohne eine Präjudizierung, ob eine Zuständigkeit des Betriebsrats
für die Betriebsstätte W vorliegt“ zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin an. Neben den
Sozialdaten der Klägerin, ihrem Eintrittsdatum und Beschäftigungsort teilte die Beklagte dem
Betriebsrat mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des 31. Dezember 2010
ordentlich fristgerecht unter Einhaltung der Kündigungsfrist von 14 Tagen zu kündigen. Weiter heißt es in dem Anhörungsschreiben:
„Auf das Arbeitsverhältnis findet das KSchG noch keine Anwendung, es wurde zudem eine sechsmonatige Probezeit vereinbart. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist nicht in unserem Interesse.“
4 Mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung, weil ihm kein Kündigungsgrund genannt worden sei. Er könne nicht nachvollziehen,
ob es sich um eine betriebsbedingte, personenbedingte oder verhaltensbedingte Kündigung
2
handele und ob soziale Aspekte hinreichend berücksichtigt worden seien. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Dezember 2010 zum 15. Januar 2011.
5 Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung - mit ihrer am 18. Januar
2011 erhobenen Klage geltend gemacht, die Beklagte habe den Betriebsrat nicht ausreichend informiert. Die Beklagte habe im Verlauf des Rechtsstreits vorgetragen, ihr Kündigungsentschluss beruhe auf der Würdigung konkreter, objektiver Tatsachen. Diese habe sie
dem Betriebsrat mitteilen müssen.
6 Die Klägerin hat zuletzt beantragt
1.
festzustellen, dass das zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende
Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 28. Dezember 2010
nicht aufgelöst wird;
2.
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 15. Januar 2011 hinaus entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 23. Juni 2010 zu unveränderten Bedingungen als Mitarbeiterin für den Bereich Logistik und Hausservice gegen Zahlung
einer Bruttomonatsvergütung von 1.850,00 Euro, bezogen auf eine 40Stundenwoche, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag weiterzubeschäftigen.
7 Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sich die Klägerin innerhalb der Probezeit nicht für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses qualifiziert habe. Sie
hat im Einzelnen angeführt, worauf sie diese Einschätzung stützt, und dies mit konkreten
Beispielen belegt. Diese Wahrnehmungen seien jedoch nur Vorüberlegungen bei ihrer Beurteilung, ob sich die Klägerin bewährt habe, gewesen. Im Ergebnis habe die Beklagte das
verneint. Diesen Schluss habe sie anschließend ihrer Abwägung zugrunde gelegt, ob sie das
Risiko eingehen wolle, die Klägerin nach Ablauf der Wartezeit in ein kündigungsgeschütztes
Arbeitsverhältnis zu übernehmen, und sie sei zu der Entscheidung gelangt, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Wartezeit hinweg nicht ihrem unternehmerischen
Interesse entsprochen habe. Mit der Kundgabe ihres Abwägungsergebnisses, die Klägerin
nicht weiterbeschäftigen zu wollen, das subjektiv das unmittelbare Kündigungsmotiv gewesen sei, habe sie den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet.
8 Das Arbeitsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage im noch
rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
9
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die
Kündigung der Beklagten vom 28. Dezember 2010 mit dem 15. Januar 2011 beendet worden. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Kündigung nicht nach § 102
Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Andere Unwirksamkeitsgründe macht die Klägerin nicht
mehr geltend. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt nicht zur Entscheidung an.
3
10 I. Die Revision rügt allerdings ohne Erfolg, das Landesarbeitsgericht habe seine Prüfungskompetenz überschritten. Es sei nicht befugt gewesen, seine Auslegung des unbestimmten
Rechtsbegriffs „ordnungsgemäße Anhörung“ an die Stelle der Auslegung dieses Begriffs
durch das Arbeitsgericht zu setzen.
11 1. Die Revision geht bereits von einem unzutreffenden Ausgangspunkt aus, wenn sie annimmt, es gehe bei der Frage, ob der Betriebsrat „ordnungsgemäß angehört“ worden sei,
um die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr im Wege der Rechtsfehlerkontrolle zu prüfen, ob die Vorinstanz die Bestimmung des
§ 102 BetrVG rechtsfehlerfrei angewandt hat. Gemäß § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO unterliegt
das mit einer zulässigen Berufung angefochtene Urteil, von den in § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO
und § 65 ArbGG genannten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, der inhaltlich
unbeschränkten, nicht an die geltend gemachten Berufungsgründe gebundenen Überprüfung auf Fehler bei der Anwendung formellen und materiellen Rechts durch das Landesarbeitsgericht. Das Berufungsgericht hat insoweit den Prozessstoff selbstständig nach allen
Richtungen von Neuem zu prüfen, ohne dabei an die rechtlichen Gesichtspunkte und Beurteilungen der Parteien oder der Vorinstanz gebunden zu sein. Insbesondere hat es alle in
Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen (vgl. BGH 25. Januar 2005 - XI ZR
78/04 - zu II 2 der Gründe).
12 2. Die Revision missversteht zudem die Funktion des Berufungsverfahrens, wenn sie annimmt, bei der Überprüfung der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe durch das Arbeitsgericht komme dem Landesarbeitsgericht nur eine begrenzte Prüfungskompetenz zu, die
der des Revisionsgerichts entspreche. Zu Unrecht folgert die Revision dies aus dem Verweis auf § 546 ZPO in § 513 Abs. 1 ZPO. Bei dieser Argumentation berücksichtigt sie nicht,
dass das Landesarbeitsgericht weiterhin (auch) Tatsachengericht ist.
13 a) Durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (Zivilprozess-Reformgesetz - ZPO-RG)
vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) ist die Berufungsinstanz zwar zu einem Instrument zur
Kontrolle und Beseitigung von Fehlern der erstinstanzlichen Entscheidung umgestaltet worden (BGH 14. Juli 2004 - VIII ZR 164/03 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 160, 83). Anders als im
Revisionsverfahren ist das angefochtene Urteil im Berufungsverfahren aber nicht nur auf
Rechtsfehler hin zu überprüfen. Vielmehr gehört es gemäß § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO, der
über die Verweisung in § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren Anwendung findet (ErfK/Koch 13. Aufl. § 66 ArbGG Rn. 26), zu den Aufgaben
des Berufungsgerichts, das Urteil der Vorinstanz auch auf konkrete Anhaltspunkte für Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellungen
zu prüfen und etwaige Fehler zu beseitigen (BGH 12. März 2004 - V ZR 257/03 - zu II 2 b
aa (3) der Gründe, BGHZ 158, 269). Es dient insoweit auch der Kontrolle und Korrektur
fehlerhafter Tatsachenfeststellungen (BGH 19. März 2004 - V ZR 104/03 - zu II 2 d
bb (3) (a) der Gründe, BGHZ 158, 295).
14 b) Das Berufungsgericht kann seine mit der Einrichtung einer zweiten - wenn auch beschränkten - Tatsacheninstanz verbundene Funktion, die Einzelfallgerechtigkeit zu gewährleisten, nur erfüllen, wenn es die rechtliche Tatsachenwürdigung der Vorinstanz zumindest
im selben Umfang zu überprüfen hat, in dem auch die zugrunde liegenden Tatsachenfest-
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stellungen überprüft werden dürfen. Deshalb ist ungeachtet der Bezugnahme in § 513
Abs. 1 ZPO auf die revisionsrechtliche Bestimmung des § 546 ZPO die Prüfungsbefugnis
des Berufungsgerichts bezüglich der erstinstanzlichen Auslegung von Individualvereinbarungen und unbestimmten Rechtsbegriffen nicht in gleichem Umfang wie die des Revisionsgerichts beschränkt (aA Holthaus/Koch RdA 2002, 140, 154; ErfK/Koch 13. Aufl. § 66
ArbGG Rn. 28). Vielmehr hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Auslegung solcher
Vereinbarungen und Rechtsbegriffe in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob die Auslegung überzeugt. Insoweit haben Berufungs- und Revisionsgerichte auch nach der Reform
des Rechtsmittelrechts weiterhin unterschiedliche Funktionen. Die Beschränkung des revisionsrechtlichen Prüfungsumfangs beruht auf der Funktion der Revision, die Klärung
grundsätzlicher Rechtsfragen, die Fortbildung des Rechts und die Wahrung der Rechtseinheit zu fördern. Aufgrund dieser sog. „Leitbildfunktion“ der revisionsgerichtlichen Entscheidung für zukünftige Fälle werden nur die verallgemeinerungsfähigen Aspekte der Auslegung von Individualvereinbarungen und unbestimmten Rechtsbegriffen in die revisionsgerichtliche Überprüfung einbezogen. Diese Leitbildfunktion und die daraus abzuleitende
Rechtfertigung für die eingeschränkte Überprüfung der Auslegung von Individualvereinbarungen und unbestimmten Rechtsbegriffen im Revisionsverfahren sind auf das Berufungsverfahren auch nach dessen Umgestaltung nicht zu übertragen (BGH 14. Juli 2004 - VIII ZR
164/03 - zu II 1 a bb und II 1 b aa und bb der Gründe, BGHZ 160, 83; Düwell/Lipke/MaulSartori ArbGG 3. Aufl. § 64 Rn. 86; im Ergebnis wohl auch GMP/Germelmann 8. Aufl. § 64
Rn. 74, der darauf hinweist, dass im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren gemäß § 67
ArbGG im stärkeren Umfang als im Zivilverfahren neue Tatsachen berücksichtigt werden
können).
15 II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht die Kündigung vom 28. Dezember 2010 gemäß
§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG als unwirksam angesehen.
16 1. Das Landesarbeitsgericht hat nicht aufgeklärt, ob der am Sitz der Beklagten in P gebildete Betriebsrat für die in W beschäftigten Arbeitnehmer zuständig war. Nur wenn das der Fall
gewesen wäre, könnte die streitbefangene Kündigung wegen der Verletzung der Pflichten
der Beklagten aus § 102 BetrVG unwirksam sein (vgl. BAG 8. Januar 1980 - 6 AZR
659/77 - zu II 1 der Gründe). Es kann jedoch zugunsten der Klägerin unterstellt werden,
dass der Betriebsrat am Sitz der Beklagten vor der Kündigung der Klägerin anzuhören war.
17 2. Die Anhörung des Betriebsrats vom 14. Dezember 2010 genügt den Anforderungen des
§ 102 Abs. 1 BetrVG.
18 a) Die Kündigung ist unstreitig in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG erfolgt.
19 b) Auch in der gesetzlichen Wartezeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit Urteil vom 13. Januar 1978 - 2 AZR 717/76 - zu III 1 der Gründe, BAGE
30, 386) der Betriebsrat vor der beabsichtigten Kündigung zu hören. Dies folgt schon aus
dem Wortlaut des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wonach der Betriebsrat „vor jeder Kündigung“ zu hören ist. Auch wenn ein individual-rechtlicher Kündigungsschutz nicht oder noch
nicht besteht, soll der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, auf den Arbeitgeber einzuwirken, um ihn ggf. mit besseren Argumenten von seinem Kündigungsentschluss abzubrin-
5
gen. Dafür muss der Betriebsrat die Gründe kennen, die den Arbeitgeber zur Kündigung
veranlassen (BAG 3. Dezember 1998 - 2 AZR 234/98 - zu II 1 der Gründe).
20 c) Bei einer Kündigung in der Wartezeit ist die Substantiierungspflicht nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern
allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 828/08 - Rn. 26). Dies folgt aus dem
Grundsatz der subjektiven Determination.
21 aa) Nach diesem Grundsatz ist der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört,
wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die
Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen
Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben,
dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 773/10 - Rn. 30). Schildert der
Arbeitgeber dem Betriebsrat den seiner Kündigungsentscheidung zugrunde liegenden
Sachverhalt bewusst irreführend, ist die Anhörung unzureichend, die Kündigung deshalb
unwirksam. Eine vermeidbare oder unbewusste Fehlinformation macht die Betriebsratsanhörung dagegen noch nicht unwirksam (vgl. BAG 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu
II 3 der Gründe, BAGE 78, 39).
22 bb) Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber bei Wartezeitkündigungen zu stellen sind, ist deshalb zwischen Kündigungen, die
auf substantiierbare Tatsachen gestützt werden (vgl. BAG 8. September 1988 - 2 AZR
103/88 - zu II 3 b aa der Gründe, BAGE 59, 295) und Kündigungen, die auf personenbezogenen Werturteilen beruhen, die sich in vielen Fällen durch Tatsachen nicht näher belegen
lassen (BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 920/93 - zu II 4 a der Gründe, BAGE 77, 13), zu differenzieren. In der ersten Konstellation genügt die Anhörung den Anforderungen des § 102
BetrVG nur, wenn dem Betriebsrat die zugrunde liegenden Tatsachen bzw. Ausgangsgrundlagen mitgeteilt werden. In der zweiten Konstellation reicht die Mitteilung allein des
Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung aus. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG sein
Werturteil gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu substantiieren oder zu begründen.
Darum genügten die Mitteilungen, die Arbeitnehmerin habe sich „während der Probezeit
nicht bewährt“ und sei „nicht geeignet, die ihr übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu
erfüllen“ (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 828/08 - Rn. 26 f.), „nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung genügt die Arbeitnehmerin unseren Anforderungen nicht“ (BAG
3. Dezember 1998 - 2 AZR 234/98 -) oder der Arbeitnehmer habe die „in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt“ (BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 920/93 - aaO) jeweils den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats.
23 d) Liegen dem subjektiven Werturteil des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis nicht über die
Wartezeit hinaus fortsetzen zu wollen, nach Zeit, Ort und Umständen konkretisierbare Tatsachenelemente zugrunde, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über diesen Tatsachenkern bzw. die Ansatzpunkte seines subjektiven Werturteils nicht informieren. Es genügt für
eine ordnungsgemäße Anhörung, wenn er allein das Werturteil selbst als das Ergebnis sei-
6
nes Entscheidungsprozesses mitteilt. Diese Auslegung der Pflichten des Arbeitgebers im
Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG bei Kündigungen innerhalb der Wartezeit, die auf
subjektive Werturteile gestützt werden, ist Konsequenz des Grundsatzes der subjektiven
Determination. Sie koordiniert den formellen Kündigungsschutz nach § 102 BetrVG mit dem
materiellen Kündigungsschutz des Arbeitnehmers während der Wartezeit in einer Weise,
die sowohl den (Grund-)Rechten des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers sowie dem
Zweck des Anhörungsverfahrens Rechnung trägt und diese wechselseitigen Rechte und
Interessen zum Ausgleich bringt.
24 aa) Die Wartezeit dient der beiderseitigen Überprüfung der Arbeitsvertragsparteien, ob sie
das Arbeitsverhältnis über die Wartezeit hinaus fortsetzen wollen (BAG 22. April 2010 6 AZR 828/08 - Rn. 26). In der Wartezeit besteht Kündigungsfreiheit auch des Arbeitgebers. Diese Freiheit ist durch Art. 12 Abs. 1 GG bzw. durch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit iSv. Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Die grundrechtliche Gewährleistung erstreckt sich
auch auf das Interesse des Arbeitgebers, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen (BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 zu B I 3 a der Gründe, BVerfGE 97, 169; vgl. auch 21. Juni 2006 - 1 BvR 1659/04 - Rn. 13,
BVerfGK 8, 244). In der gesetzlichen Wartezeit unterliegt die Bildung der Meinung des Arbeitgebers, ob ein Arbeitnehmer seinen Vorstellungen entspricht, von Missbrauchsfällen
abgesehen keiner Überprüfung nach objektiven Maßstäben. Kommt der Arbeitgeber bei
dieser Prüfung zu einem negativen Ergebnis, kann er das Arbeitsverhältnis grundsätzlich
frei kündigen, ohne auf entgegenstehende Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen zu müssen (BAG 23. April 2009 - 6 AZR 516/08 - Rn. 23, BAGE 130, 369). Die während der Wartezeit grundsätzlich bestehende Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers ist das
Gegengewicht zu dem im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes entstehenden
materiellen Kündigungsschutz, der die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers nicht unerheblich beschneidet.
25 (1) Insoweit ist die kündigungsrechtliche Ausgangssituation vergleichbar mit der freien unternehmerischen Entscheidung, die einer betriebsbedingten Kündigung zugrunde liegt.
Kündigungsgrund ist die getroffene unternehmerische Entscheidung und sind nicht die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen (vgl. HaKo/Nägele 4. Aufl. § 102
BetrVG Rn. 105). Beruht diese Entscheidung auf innerbetrieblichen Gründen, müssen dem
Betriebsrat nur die nach dieser freien unternehmerischen Entscheidung beabsichtigten organisatorischen Maßnahmen als der eigentliche Kündigungsgrund sowie deren Auswirkungen auf das Beschäftigungsbedürfnis dargestellt werden (vgl. KR/Etzel 10. Aufl. § 102
BetrVG Rn. 62d). Die Erläuterung der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Hintergründe, Motive oder Vorüberlegungen ist dagegen nicht erforderlich (vgl. BAG 21. September
2000 - 2 AZR 385/99 - zu B II 3 b der Gründe; APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 109a).
26 (2) Der erst nach Ablauf der Wartezeit eintretende Kündigungsschutz darf durch die Anforderungen, die an eine Anhörung nach § 102 BetrVG gestellt werden, nicht vorverlagert
werden. Eine Vermengung der formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Anhörung mit
der Überprüfung der Kündigungsgründe aufgrund der Prozesssituation bezweckt § 102
BetrVG nicht (BAG 26. Januar 1995 - 2 AZR 386/94 - zu II 2 a der Gründe). Die formellen
7
Anforderungen an die Unterrichtung des Betriebsrats sind deshalb an dem Schutzniveau
des materiell-rechtlichen Kündigungsschutzes des Arbeitnehmers in der Wartezeit zu messen (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 828/08 - Rn. 26; Tiling ZTR 2012, 554, 556 nimmt zu
Unrecht an, dass die Fehleranfälligkeit der Wartezeitkündigung insbesondere darauf beruhe, dass das verfahrensrechtliche Schutzniveau höher sei als das materiell-rechtliche).
27 (3) Dementsprechend ist dem Betriebsrat bei einer auf einem subjektiven Werturteil beruhenden Kündigung in der Wartezeit nur dieses Werturteil als der eigentliche Kündigungsgrund mitzuteilen. Die dem Urteil zugrunde liegenden Erwägungen bzw. Ansatzpunkte
müssen auch dann nicht mitgeteilt werden, wenn sie einen substantiierbaren Tatsachenkern haben (vgl. bereits BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 920/93 - zu II 4 a der Gründe,
BAGE 77, 13). Etwas anderes gilt nur dann, wenn in Wirklichkeit nicht das Werturteil, sondern bestimmte konkrete Verhaltensweisen oder Tatsachen den eigentlichen Kündigungsgrund bilden.
28 (a) Werturteile sind in einer Vielzahl von Fällen durch Tatsachen nicht belegbar (vgl. BAG
18. Mai 1994 - 2 AZR 920/93 - zu II 4 a der Gründe, BAGE 77, 13). Deshalb kann vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, sein Werturteil gegenüber dem Betriebsrat zu substantiieren oder zu begründen, wenn er die Kündigungsentscheidung lediglich auf ein subjektives,
nicht durch objektivierbare Tatsachen begründbares Werturteil stützt (vgl. BAG 22. April
2010 - 6 AZR 828/08 - Rn. 26).
29 (b) Gleichwohl werden Werturteile in aller Regel nicht aus dem bzw. im luftleeren Raum
getroffen. Sie beruhen vielfach auf einer Vielzahl kleinerer Beobachtungen, Vorfälle oder
Verhaltensweisen und damit auf mehr oder minder fundierten, objektiven Tatsachen, die
der Arbeitgeber oft nicht abschließend reflektieren kann und will und die oft auch nicht objektivierbar sind. Gleichwohl vermitteln diese Umstände in ihrer Gesamtheit dem Arbeitgeber bzw. dem zuständigen Vorgesetzten das Gefühl, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht sinnvoll erscheint, sondern der Arbeitgeber von seiner Kündigungsfreiheit
Gebrauch machen will (auf dieses Gefühl abstellend bereits BAG 3. Dezember 1998 2 AZR 234/98 - zu II 1 der Gründe). Dieses Gefühl manifestiert sich dann in einem Werturteil, etwa „der Arbeitnehmer ist ungeeignet“ oder „der Arbeitnehmer erbringt keine ausreichende Leistung“ oder „der Arbeitnehmer hat die Probezeit nicht bestanden“, das dann den
Kündigungsgrund bildet.
30 (c) Wird die Kündigung auf ein so gewonnenes subjektives Werturteil gestützt, ist strikt zwischen dem Werturteil selbst als dem eigentlichen Kündigungsgrund und dem diesem Urteil
zugrunde liegenden Tatsachenkern zu differenzieren. Dem Betriebsrat muss nur der eigentliche Kündigungsgrund, dh. das Werturteil, nicht aber die Grundlage dieser subjektiven
Einschätzung mitgeteilt werden.
31 bb) Diese Auslegung trägt auch dem bereits in der Wartezeit bestehenden, aus Art. 12 GG
(vgl. BVerfG 21. Juni 2006 - 1 BvR 1659/04 - Rn. 13, BVerfGK 8, 244) und den Diskriminierungsverboten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hergeleiteten Kündigungsschutz des Arbeitnehmers hinreichend Rechnung. Es bleibt ihm unbenommen, im Rahmen
der abgestuften Darlegungslast zu der Betriebsratsanhörung Indizien darzulegen, die dafür
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sprechen, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat bewusst falsch bzw. unvollständig informiert hat und in Wirklichkeit doch wegen konkreter Tatsachen gekündigt hat (zu dieser
Möglichkeit der Rechtsverteidigung des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess bereits BAG 3. Dezember 1998 - 2 AZR 234/98 - zu II 2 der Gründe). Trägt der Arbeitnehmer
derartige Indizien vor, muss der Arbeitgeber beweisen, dass er den Betriebsrat nicht bewusst irreführend informiert hat (vgl. BAG 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 3 c der
Gründe, BAGE 78, 39).
32 cc) Auch der Zweck der Betriebsratsanhörung ist bei einer solchen Differenzierung zwischen dem Werturteil und dem Tatsachenkern dieses Urteils gewahrt. Die Anhörung soll,
wie ausgeführt, den Betriebsrat in die Lage versetzen, auf den Arbeitgeber einzuwirken, um
ihn ggf. mit besseren Argumenten von seinem Kündigungsentschluss abzubringen. Das ist
zwar bei einem unbestimmten Werturteil schwieriger als bei einer auf konkrete Tatsachen
gestützten Kündigung. Gleichwohl kann der Betriebsrat auch bei einer auf ein solches Urteil
gestützten Kündigung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers einwirken. Insbesondere kann er versuchen, den Arbeitgeber mit Sachargumenten zu einer besseren Einschätzung des Arbeitnehmers zu bewegen. Er kann insoweit unter Umständen sein möglicherweise umfassenderes Tatsachenwissen über die Umstände der Leistungserbringung
des Arbeitnehmers einbringen (vgl. dazu BAG 13. Juli 1978 - 2 AZR 717/76 - zu III 2 a der
Gründe, BAGE 30, 386). Dabei kann er gemäß § 102 Abs. 2 Satz 4 BetrVG auch den Arbeitnehmer anhören und sich den Sachverhalt aus dessen Sicht darstellen lassen (vgl.
KR/Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 94; Thüsing in Richardi BetrVG 13. Aufl. § 102
Rn. 107; APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 137 und KR/Etzel aaO nehmen insoweit eine
Pflicht des Betriebsrats zur Anhörung des Arbeitnehmers an). So haben sich die Betriebsräte im Vorfeld der den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juli 1978 (2 AZR 717/76 - BAGE 30, 386), 18. Mai 1994 (- 2 AZR 920/93 - BAGE 77, 13) sowie vom
21. Juli 2005 (- 6 AZR 498/04 -) zugrunde liegenden Kündigungen trotz der lediglich mitgeteilten pauschalen Werturteile nicht gehindert gesehen, umfangreiche und substantiierte
Stellungnahmen unter Nennung der Gründe, die aus ihrer Sicht gegen die Kündigungsabsicht sprachen, zu verfassen.
33 e) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die von der Beklagten angestellten Vorüberlegungen seien für die Kündigungsentscheidung von Bedeutung gewesen und hätten dem
Betriebsrat mitgeteilt werden müssen, auch wenn die meisten Gründe nicht durch Tatsachen konkretisiert werden könnten, sondern auf subjektiven Wertungen beruhten und jeder
Grund für sich allein nicht ausschlaggebend für die Kündigung gewesen sei, wird vorstehenden Maßstäben nicht gerecht.
34 aa) Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe als Resultat verschiedener Wahrnehmungen,
die selbst nicht der eigentliche Kündigungsgrund gewesen seien, den Schluss gezogen,
dass sich die Klägerin aus ihrer Sicht in der Probezeit nicht bewährt habe. Diesen Schluss
habe sie ihrer Abwägung zugrunde gelegt, ob sie das Risiko eingehen wolle, die Klägerin
nach Ablauf der Wartezeit in ein kündigungsgeschütztes Arbeitsverhältnis zu übernehmen.
Sie sei zu der Entscheidung gelangt, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über
die Wartezeit hinweg nicht ihrem unternehmerischen Interesse entsprochen habe. Subjektiv
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sei ihr unmittelbares Kündigungsmotiv das Abwägungsergebnis gewesen.
35 bb) Diesen Tatsachenvortrag hat das Landesarbeitsgericht seiner rechtlichen Würdigung
zugrunde gelegt und ihn damit für den Senat bindend festgestellt (vgl. zur Tatsachenfeststellung in den Entscheidungsgründen BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 626/09 - Rn. 59). Die
Klägerin hat keine Gegenrügen erhoben.
36 cc) Die Beklagte hat ihren nach diesen bindenden Feststellungen maßgeblichen Kündigungsgrund, nämlich ihre subjektive Entscheidung, als Ergebnis ihrer Abwägungen das
Arbeitsverhältnis nicht über die Wartezeit hinaus fortsetzen zu wollen, weil dies nicht in ihrem Interesse liege, dem Betriebsrat vollständig mitgeteilt. Auf die einzelnen, im Prozess
vorgetragenen Vorfälle und Beobachtungen hat sie sich zur Rechtfertigung ihrer Kündigung
nicht berufen. Im Gegenteil hat sie im Kammertermin vor dem Landesarbeitsgericht unwidersprochen vorgetragen, diese Umstände seien jeder für sich genommen nicht ausschlaggebend für die Kündigung gewesen. Ihre Vorüberlegungen, die zu ihrer Entscheidung geführt haben, das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Wartezeit zu kündigen, musste sie dem
Betriebsrat deshalb nicht mitteilen (vgl. bereits BAG 22. April 2010 - 6 AZR 828/08 - Rn. 27;
27. Oktober 2005 - 6 AZR 27/05 - Rn. 40). Anders als die Klägerin annimmt, hat die Beklagte ihr Kündigungsmotiv dem Betriebsrat auch hinreichend deutlich erklärt. Mit der Angabe,
die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses liege nicht in ihrem Interesse, hat die Beklagte zu
erkennen gegeben, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der
Wartezeit nicht ihre Absicht sei bzw. nicht ihrem Willen entspreche (vgl. Duden Das Synonymwörterbuch 4. Aufl. Stichwort: „Interesse“ Nr. 3). In der Zusammenschau mit dem Hinweis darauf, dass das Kündigungsschutzgesetz noch keine Anwendung finde, ließ diese
Begründung nur den Rückschluss zu, dass die Kündigung allein von subjektiven Wertungen
getragen war. Genauso gut hätte die Beklagte mitteilen können, dass sie sich entschlossen
habe, von ihrer Kündigungsfreiheit Gebrauch zu machen.
37 f) Mit dem Schreiben vom 14. Dezember 2010 hat die Beklagte den Betriebsrat ausreichend über den Zeitpunkt der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses informiert. Sie hat die Kündigungsfrist mitgeteilt und klargestellt, dass die Kündigung in naher
Zukunft, nämlich noch vor dem 31. Dezember 2010, erklärt werden sollte (vgl. BAG 20. Juni
2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 38).
38 3. Auf die von der Revision aufgeworfene Frage nach den Rechtsfolgen einer fehlerhaften
Betriebsratsanhörung (zu dieser Frage zuletzt BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 773/10 Rn. 30) kommt es nicht an.
39 III. Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar
(§ 561 ZPO). Die Klägerin macht keine weiteren Unwirksamkeitsgründe der Kündigung vom
28. Dezember 2010 mehr geltend. Insbesondere rügt sie nicht mehr, die Parteien hätten
stillschweigend eine zeitliche Vorverlagerung des Kündigungsschutzes vereinbart (vgl. zur
Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 874/95 - zu II 1 a
der Gründe). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Kündigung die Klägerin
diskriminierte, sittenwidrig war, gegen § 242 BGB verstieß oder willkürlich war. Entschließt
sich der Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis nicht über die Wartezeit hinaus fortzusetzen,
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ohne dies auf objektivierbare Faktoren stützen zu können oder zu wollen, macht dies die
Kündigung allein noch nicht willkürlich. Gerade eine solche Kündigung ist Teil der in der
Wartezeit grundsätzlich bestehenden Kündigungsfreiheit, die dem Arbeitgeber das Recht
gibt, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen und sich dabei von seinem „Bauchgefühl“
leiten zu lassen (vgl. BAG 3. Dezember 1998 - 2 AZR 234/98 - zu II 1 der Gründe). Bis zum
Ablauf der Wartezeit kann sich der Arbeitgeber - außerhalb von hier nicht vorgetragenen
und nicht ersichtlichen Missbrauchs-, insbesondere Diskriminierungsfällen - frei von solchen
Arbeitnehmern trennen, bei denen er während der Wartezeit den Eindruck gewonnen hat,
dass eine weitere Zusammenarbeit nicht sinnvoll ist. Von dieser Kündigungsfreiheit hat die
Beklagte Gebrauch gemacht.
40 IV. Die Klägerin hat gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens
zu tragen.
Fischermeier
Gallner
Wollensak
Spelge
Lorenz