Aus dem Inhalt - Oikocredit Förderkreis Baden
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Aus dem Inhalt - Oikocredit Förderkreis Baden
Rundbrief Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. Herbst 2014 Studienreise Bolivien: Aus der Armut gekickt Nach langer Arbeitslosigkeit baute der Bolivianer in einem Hinterhofverschlag einen ersten Tischkicker. Heute hat er vier Angestellte. Ein Kredit des Oikocredit-Partners FONCOM machte es möglich. Dass in seiner Werkstatt feste Arbeitsplätze entstanden sind, ist in einem Land wie Bolivien besonders wichtig. Im sogenannten „Armenhaus“ Südamerikas hat nur rund ein Viertel der Menschen einen sicheren Job. Die Arbeitslosenzahlen sind erdrückend, die Industrie ist wenig entwickelt. Kinderarbeit sowie der Anbau von Koka sind nach wie vor weit verbreitet. Kleinunternehmer brauchen Startkapital „Mit dem Kickergeschäft habe ich eine echte Nische gefunden“, erzählt Felix der Förderkreis-Bildungsreferentin. Nicht jeder könne Tischkicker bauen, so der 58-Jährige, denn dafür wären umfassendes Know-how, viel handwerkliches Geschick und Startkapital nötig. Wie hochwertige Kicker hergestellt werden, habe er bereits in den 80er Jahren von einem Freund gelernt. Aber erst nach vielen Jahren vergeblicher Arbeitssuche entschied er sich, sein Glück mit einem eigenen Kicker-Geschäft zu versuchen. Lange suchte er allerdings vergebens nach einer Bank, die bereit war, ihm Geld für Werkzeug und Material zu leihen. Ein Nachbar gab ihm den entscheidenden Tipp. Der Oikocredit-Partner FONCOM vergibt Kredite nach anderen Prinzipien als herkömmliche Banken. Mit einem Darlehen über wenige Hundert Dollar wurde der Traum von der eigenen Tischkickerwerkstatt Wirklichkeit. Das Vertrauen wurde nicht enttäuscht. Figuren aus Toyota-Motoren Seit nunmehr 15 Jahren fertigt Felix fast alles in seiner Werkstatt in Handarbeit: aus Holz schneidet er den Tisch zu, aus alten Toyota-Motoren schmilzt er das Aluminium für die Spieler-Figuren. Diese werden dann von seiner Frau Victoria liebevoll bemalt. Besonders in der Vorweihnachtszeit laufen die Geschäfte auf Hochtouren. Dann müssen auch Familienmitglieder Hand anlegen, um die Auftragslage zu bewältigen. Inzwischen verkauft Felix seine Tische in ganz Bolivien und träumt davon, sie nach Peru und Ecuador zu exportieren. Dank kontinuierlicher Investitionen hat sich der Bretterverschlag zu einer geräumigen Werkstatt gemausert. „Tischkicker sind mein Leben“, sagt Felix und setzt darauf, das florierende Geschäft an eines seiner Kinder zu übergeben. Zwei seiner Söhne studieren, ein dritter unterstützt ihn in der Werkstatt. Das Leben der Familie hat sich zum Besseren gewendet. Ulrike Pfab Weitere Studienreiseberichte w www.oikocredit.de/blog Foto: Patricio Crooker Wer bei Oikocredit Geld anlegt, finanziert mitunter sehr unkonventionelle Ideen. Not macht bekanntlich erfinderisch. Dies gilt auch für Felix Yucra Cardenas. Ihn hat Dr. Christina Alff, Bildungsreferentin im Förderkreis Baden-Württemberg, auf ihrer Bolivien-Studienreise im Mai kennengelernt. Dr. Christina Alff mit Felix Yucra Cardenas am Tischkicker Aus dem Inhalt w 2 Mitgliederversammlung 2014 w 4 Termine w 5 Jahreshauptversammlung Peru w 6 Kooperative aus dem Bilderbuch w 8 Mikrofinanzkonferenz in Andhra Pradesh w 9 Frauen in Führungspositionen Aus Baden-Württemberg Verdoppelung landwirtschaftlicher Finanzierungen Knapp 200 Personen bei der Mitgliederversammlung in Tübingen Die Vereinten Nationen haben 2014 zum internationalen „Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft” ausgerufen. Das passt zum Engagement von Oikocredit, das die Kredite für kleinbäuerliche Projekte in den vergangenen Jahren deutlich erhöht hat. Bei der Mitgliederversammlung am 17. Mai im Gemeindehaus der Eberhardskirche in Tübingen sprachen dazu zwei Experten. An Hunger kann man sich nicht gewöhnen – daran, dass hunderte Millionen Menschen chronisch unterernährt sind, offenbar schon. Denn „Jahr für Jahr sterben mehr Menschen durch Hunger als durch Aids, Malaria und Tuberkulose zusammen“, erklärte Politikwissenschaftler Patrick Weltin. Das ist nicht neu, aber genauso paradox und skandalös wie die Tatsache, dass „die Welt schon jetzt in der Lage ist, genug Nahrung für 12-14 Milliarden Menschen zu produzieren“, dass trotzdem „meist ausgerechnet die hungern, die in der Landwirtschaft tätig sind, also selbst Nahrungsmittel produzieren“ und dass „70 % der Unterernährten in Ländern mit Nahrungsmittelüberschüssen leben“, so der Politologe weiter, der unter anderem für das Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene in Siegburg geforscht hat. Drei Schatzmeister – zwei davon a.D.: Johannes Kress, Jürgen Hanßmann und Helmut Götz (v.l.) Fleischkonsum, Verschwendung, Biokraftstoffe… Ursachen für den millionenfachen Hunger weltweit gibt es viele. Weltin zählte unter anderem auf: Kriege, instabile Rohstoffmärkte, Landgrabbing, steigender Fleischkonsum, Lebensmittelverschwendung, Bodendegradierung, Exportsubventionen und Biokraftstoffe. „Was hilft? Was kann Oikocredit tun?“, fragte der zweite Referent des Vormittags, Dr. Florian Grohs. Die Antwort gab der Direktor für Kredite bei Oikocredit International selbst: „Kleinbäuerliche Landwirtschaft fördern, faire Arbeitsbedingungen und Löhne schaffen, fachliche Beratung anbieten, ökologische, da nachhaltige Anbaumethoden unterstützen.“ Oikocredit hat von 2009 bis 2013 das Portfolio für landwirt- Förderkreis-Vorstand Dr. Willi Knecht schaftliche Partnerorganisationen verdoppelt, insgesamt gut 150 Agrarpartner werden derzeit unterstützt. Angesichts des erhöhten Ausfallrisikos von landwirtschaftlichen Finanzierungen sei die Genossenschaft damit auf einem guten Weg, so der Oikocredit-Direktor. „Warum sprechen wir von Kleinbauern?“, fragte ein Teilnehmer während der anschließenden Podiumsdiskussion. Der Begriff „Kleinbauer“ sage doch nur etwas über die Größe aus Neuer Vorstand Roland Hübner Der 54-jährige Diplombetriebswirt aus Schlierbach im Kreis Göppingen ist seit über 35 Jahren im genossenschaftlichen Bankensektor tätig. Als freiberuflicher Unternehmensberater unterstützt er Genobanken bei Organisationsentwicklung, Prozessoptimierung sowie Kosten- und Risikomanagement – Themen, die auch für Oikocredit immer wichtiger werden. Das Ehrenamt pflegt er schon seit seiner Jugend, unter anderem bei der Kinderhilfsorganisation Plan International. „Erfahrungen mit Armut bei ehrenamtlichen Einsätzen in Ländern wie Ecuador, Paraguay oder Loas haben mich bestärkt, mein entwicklungspolitisches Engagement weiter auszubauen.“ Roland Hübner wurde im Juli vom Vorstand als Nachfolger von Steffen Müller gewählt, der berufsbedingt vorzeitig ausgeschieden ist. 2 Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. – Rundbrief Herbst 2014 Roland Hübner Aus Baden-Württemberg und werde zumindest bei uns als etwas nicht gerade Konkurrenzfähiges angesehen. Die Anregung des Teilnehmers: Statt von „kleinbäuerlicher“ sollte man doch eher von „privater und genossenschaftlicher“ Landwirtschaft sprechen. Vorstandswahlen Am Nachmittag fand die eigentliche Mitgliederversammlung statt. Dabei ging es auch um Personalien. Steffen Müller, erst vor einem Jahr in den Förderkreis-Vorstand gewählt, ist für den baden-württembergischen Genossenschaftsverband nach Paraguay gegangen und kann somit seine hiesige Vorstandsarbeit nicht fortsetzen. Als Nachfolger konnte Roland Hübner gewonnen werden (s. Kasten links unten). Der 67-jährige katholische Pädagoge und Theologe Dr. Willi Knecht aus Ulm stellte sich als neues Vorstandsmitglied vor. Nachdem Schwester Juliane vorzeitig ausgeschieden war, wurde er für deren verbleibende Amtszeit satzungsgemäß durch den Vorstand gewählt. Lateinamerika und besonders Peru ist er seit fast 40 Jahren verbunden. Neben seiner Förderkreistätigkeit ist er stellvertretender Vorsitzender des Katholischen Gesamtkirchengemeinderates Ulm. Dr. Knecht engagierte sich zudem viele Jahre als Vorsitzender bei aktion hoffnung. Der Vorsitzende Dr. Dieter Heidtmann und Petra Pfeiffer stellten sich zum zweiten Mal zur Wahl und wurden bestätigt. Beide sind seit drei Jahren dabei. Das Protokoll der Mitgliederversammlung kann in der Geschäftsstelle angefordert werden. Die nächste Mitgliederversammlung findet am Samstag, 25. April 2015 im Hospitalhof in Stuttgart statt. Genaue Informationen bekommen Sie im Januar zugeschickt. Philipp Pfäfflin Oikocredit in der Freibadumkleide Nach erfolgreicher Fokusregion Tübingen steht Ulm in den Startlöchern Für Guerilla-Marketing war die 10-köpfige Ehrenamtlichengruppe aus Tübingen zwar nicht zu haben, aber ein bisschen unkonventionell und überraschend waren die Werbemaßnahmen in unserer Fokusregion trotzdem. So staunte der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer sicher nicht schlecht, als er eines schönen Morgens einen brandneuen OikocreditSattelbezug „Bewege die Welt mit deinem Geld“ auf seinem Fahrrad vorfand. Und dass in der Frauenumkleide des Tübinger Freibades die Geldanlage bei Oikocredit thematisiert wird, passiert sicher auch nicht alle Tage. Auf das erreichte Ergebnis der konzentrierten Öffentlichkeitsund Bildungsarbeit im Landkreis Tübingen sind die Gruppe und die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit Ulrike Pfab sehr stolz. „Ob bei Veranstaltungen mit Sven Giegold oder im WeltethosInstitut, ob beim Afrikafestival oder bei der Nacht der Nachhaltigkeit, wir konnten unsere postmaterielle Zielgruppe gut auf die Anlagemöglichkeit bei Oikocredit ansprechen“, so Johannes Dürr, der sich schon seit Anfang der 80er-Jahre ehrenamtlich im Förderkreis engagiert. Der Gruppe ist es im vergangenen Jahr gelungen, die Zahl der Neueintritte aus Tübingen zu verfünffachen. Der Spaß kam dabei nie zu kurz. Das ist sicher mitunter ein Grund, warum die Gruppe nach der intensiven einjährigen Arbeit ihre Arbeit fortsetzt. Das erste Treffen der neu gegründeten Regionalgruppe Tübingen hat bereits stattgefunden. Dabei wird der Austausch gepflegt und festgelegt, was gemacht wird. Die Geschäftsstelle unterstützt dabei natürlich nach wie vor. Wenn auch Sie an einer Regionalgruppe interessiert sind, dann melden Sie sich bei Ulrike Pfab ([email protected], Tel. 0711-120005-14). Gerne überlegen wir mit Ihnen, wie wir von der Geschäftsstelle aus die Regionalgruppengründung anstoßen und die Arbeit begleiten können. Ulrike Pfab Dank der Arbeit der Ehrenamtlichengruppe haben sich die Neueintritte aus Tübingen verfünffacht. In Ulm und um Ulm und um Ulm herum – dort sollen die Aktivitäten unserer nächsten Fokusregion stattfinden. Wer Lust hat, ab 2015 für ein Jahr in die ehrenamtliche Arbeit bei Oikocredit einzusteigen, bitte bei Ulrike Pfab melden! Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. – Rundbrief Herbst 2014 3 Aus Baden-Württemberg Termine 04.11.2014 19.30 Uhr Stuttgart-Birkach: Wie Mikrofinanz hilft, Wege aus der Armut zu finden. BolivienVortrag mit Dr. Christina Alff (Oikocredit), Pfarrer-Kohler-Saal, Alte Dorfstraße 47 05.11.2014 20.00 Uhr Waldbronn (KA): Wie Mikrofinanz hilft, Wege aus der Armut zu finden. BolivienVortrag mit Dr. Christina Alff (Oikocredit), Evangelisches Gemeindezentrum, Goethestraße 8 12.11.2014 19.30 Uhr Tübingen: Wie Mikrofinanz hilft, Wege aus der Armut zu finden. Bolivien-Vortrag mit Dr. Christina Alff (Oikocredit), Schlatterhaus, Österbergstraße 2 13.11.2014 19.30 Uhr Bretzfeld (KÜN): Gutes gemeinsam gedeihen lassen, Vortrag wie soziale Geldanlagen Landwirtschaft und den Fairen Handel unterstützen mit Andrea Seitz (Oikocredit), Gemeindehaus der ev. Kirchengemeinde Bretzfeld-Rappach, Adolzfurter Straße 8 18.11.2014 19.00/19.30 Uhr Ettlingen (KA): Alternative Geldanlagen in der Praxis, Vortrag mit Dr. Christina Alff (Oikocredit), Evang. Paulusgemeinde, Schlesierstraße 3 20.11.2014 19.00 Uhr Wilhelmsfeld (HD): Wie Mikrofinanz hilft, Wege aus der Armut zu finden. BolivienVortrag mit Dr. Christina Alff (Oikocredit), Ort noch offen 07.12.2014 Herbrechtingen (HDH): Mit Geld die Welt 10.30–11.45 Uhr FAIRändern? Vortrag zu ethischen Geldanlagen am Beispiel von Oikocredit mit Helmut Götz (Oikocredit), Evangelisches Gemeindehaus 24.01.2015 10.00 Uhr Gundelfingen/Brenz: Oikocredit – Geld anlegen für mehr Gerechtigkeit, Vortrag mit Ulrike Pfab (Oikocredit), Gemeindezentrum Friedenskirche 06.–08.03.2015 Bad Boll (GP): Kleinbäuerliche Landwirtschaft – ökofaires Zukunftsmodell? Tagung zum UN-Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft, veranstaltet von der Evangelischen Akademie Bad Boll und dem Oikocredit Förderkreis BadenWürttemberg e.V., Programm und An meldung: www.ev-akademie-boll.de 11.03.2015 19.00 Uhr Ludwigsburg-Hoheneck: Mit Geld die Welt FAIRändern? Vortrag zu ethischen Geldanlagen mit Dr. Christina Alff (Oikocredit), Ort noch offen 19.03.2015 15.00 Uhr Böblingen: 15 Uhr Kaffee und Kuchen, ab 15.30 Uhr: Geld anlegen für mehr Gerechtigkeit, Vortrag mit Gebhard Böhm (Oikocredit), Evangelisch-methodistische Kirche, Friedrich List Str. 69 Weitere Informationen finden Sie auf unserer Website w www.baden-wuerttemberg.oikocredit.de Vielen Dank für Ihre Unterstützung! Unser Briefkasten war den Sommer über gut gefüllt. An manchen Tagen kamen große Stapel Umschläge bei uns an. Knapp die Hälfte unserer Mitglieder hatten wir gebeten, uns diverse Dokumente zur gesetzlich notwendigen Nachidentifizierung zu schicken. Danke, dass Sie sich rasch drum gekümmert haben! Prominenter Besuch beim Oikocredit-Stand auf der Messe FAIR HANDELN im April 2014: Pater Shay Cullen von der philippinischen Organisation PREDA besuchte uns. Seit vielen Jahren engagiert sich der irische Priester für misshandelte Kinder auf den Philippinen. Dazu gehört auch die Förderung von einkommensschaffenden Maß nahmen für Mangobauernfamilien. Deren Ernte findet über die Fairhandelsorganisation dwp ihren Weg in unsere leckeren Mangomonkeys, die wir gern als give-away verteilen. Gerlinde Maier-Lamparter, Ulrike Pfab, Shay Cullen, Angela Weidner (v.l.). 4 Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. – Rundbrief Herbst 2014 Oikocredit Zu Gast im Land des fairen Kaffees Jahreshauptversammlung in Piura, Peru Mittelfristig wird sich das Oikocredit-Portfolio verändern. Zwar wird Mikrofinanz ein wichtiges Standbein bleiben, es wird aber ergänzt um ein stärkeres Engagement in der Landwirtschaft (angestrebt sind 15%) und einem knapp 10%-igen Portfolio erneuerbare Energien. Hier wird an die Finanzierung z.B. von Energiegenossenschaften in Costa Rica oder von Windkraftanlagen in Kenia gedacht. Ein wichtiger Beitrag zur Klimagerechtigkeit und zu sauberer Energie für alle! Zur Jahreshauptversammlung sind etwa 100 Personen nach Piura im Norden Perus gekommen. Mit Frank Rubio und Carina Torres stellten sich die zwei AgrarexpertInnen von Oikocredit vor, die das internationale Oikocredit-Kompetenzzentrum zu Landwirtschaft bilden. Von ihrem Büro in Lima aus beraten sie weltweit die Oikocredit-KollegInnen in allen Fragen rund um landwirtschaftliche Finanzierungen. Einen tiefen Einblick gewährten sie uns z.B. in die komplexen Fragestellungen bei der Finanzierung von Wertschöpfungsketten. Geschäftsführer David Woods erläuterte die Entwicklungen im Mikrofinanzmarkt. Zunehmend sind lokale Mittel zur Refinanzierung vorhanden. Großer Bedarf besteht nach wie vor bei risikoreicheren, kleinen und ländlichen Mikrofinanzinstitutionen, die sich neben Finanzierungen auch Beratungsleistungen von Oikocredit wünschen. Doch die Mittel für das sog. capacity building sind begrenzt. Oikocredit muss in den nächsten Jahren nach weiteren Geldquellen für diesen einzigartigen Service suchen. Daneben muss sich Oikocredit die eigene Kostenstruktur kritisch anschauen. Erste Überlegungen einer internationalen Arbeitsgruppe wurden vorgestellt, wie sich die Beteiligungsstrukturen an Oikocredit verbessern lassen. Die Delegierten begrüßten die Initiative und votierten dafür, diese Weiterentwicklung der Genossenschaft voran zu treiben. Manuela Waitzmann wurde für drei Jahre in das internationale Koordinierungsgremium zwischen Oikocredit und den Förderkreisen gewählt. Die alte und die neue Vorsitzende: Salome Sengani (rechts) und Jacinta Hamann de Vivero Die Jahreshauptversammlung hat eine neue Satzung beschlossen. Aus dem seitherigen Verwaltungsrat wurde nun ein Aufsichtsrat, das Management Team übernimmt die Aufgaben des Vorstands. Mit dieser Änderungen wurde formal nachvollzogen, was längst Realität ist und inzwischen auch von den Aufsichtsbehörden gefordert wurde: eine klare Trennung zwischen der operativen und der aufsichtsrechtlichen Ebene. Die Genossenschaft wählte nach Ablauf des Mandats von Frau Salome Sengani aus Südafrika eine neue Vorsitzende, Frau Jacinta Hamann de Vivero aus Peru. Vizepräsident wurde Herr Richard Librock aus Kanada. In den Aufsichtsrat wurden gewählt: Frau Ayaan Adam aus Somalia/USA, Herr Richard Librock aus Kanada (Wiederwahl), Frau Annette Austin aus Australien und Frau Asa Silfverberg aus Schweden. Manuela Waitzmann Kaffeerost und Klimawandel Im Norden Perus wird viel Kaffee angebaut. Das ideale Klima auf etwa 1.500 m Höhe bietet beste Voraussetzungen dazu. Oikocredit finanziert einige Kaffeekooperativen, die sich mithilfe größerer Investitionen gut am Markt positionieren können und besten fair trade Kaffee produzieren. „Je mehr Wert im Land kreiert werden kann, umso höher die Erträge, die erzielt werden können“, weiß Förderkreis-Vorstandsmitglied Dagmar Eisenbach als gelernte Wirtschaftswissenschaftlerin. Sie freute sich, dies in Peru im Rahmen der Jahreshauptversammlung persönlich erleben zu können. Kleinbäuerliche Strukturen werden in den Genossenschaften erhalten und ein diversifizierter und ökologischer Anbau vor Ort gefördert. Doch der Kaffeerost und der Klimawandel machen den peruanischen Kaffeebauernfamilien zu schaffen. Mehr dazu lesen Sie im Oikocredit Blog: w www.oikocredit.de/blog Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. – Rundbrief Herbst 2014 5 Oikocredit-Partner APPBOSA: Kooperative aus dem Bilderbuch Die bio- und fairtrade-zertifizierte Bananenkooperative Asociación de Pequeños Productores de Banano Orgánico Samán y Anexos (APPBOSA) in Nordperu erhält seit 2007 Darlehen von Oikocredit. Die Bananen der rund 400 Kleinbauern werden weltweit exportiert und sind auch in vielen deutschen Supermärkten erhältlich. „Seit ich Mitglied bei APPBOSA bin, bekomme ich mehr für meine Bananen. Das Geld stecken wir in die Ausbildung der Kinder“, so Valentin Ruiz. Der Produzent baut zusammen mit seinen zwei Brüdern auf 2,5 ha bio-faire Bananen an. Damit verdient er auch für peruanische Verhältnisse kein Vermögen. Doch dank Fairtrade-Zertifizierung, Direktexport und höherer Liquidität hat sich die Marktposition von APPBOSA deutlich verbessert. Das macht sich im Geldbeutel der Bananenbauern bemerkbar. Ein innovatives Bananentransportsystem Kleinbäuerliche Landwirtschaft fördern: Die Brüder Valentin (l) und Manuel Ruiz sind Mitglieder bei APPBOSA. Für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung sind verlässliche Finanzpartner notwendig. Oikocredit ermöglichte den Bau eines neuartigen Kabeltransportsystems, das die geernteten Bananen auf dem Weg zur Waschstation schont und deren Qualität verbessert. Auch die Entwicklungskosten für das in Peru bisher unbekannte Transportsystem hat Oikocredit übernommen. Seit Beginn der Zusammenarbeit hat sich der Umsatz von APPBOSA vervierzigfacht. Gegen Armut und Landflucht Davon profitieren nicht nur die Kleinbauern. „APPBOSA möchte die Lebensqualität von Produzentenfamilien verbessern und auch die umliegenden Gemeinden daran teilhaben lassen“, erklärt der Geschäftsführer. So unterstützt die Genossenschaft Gemeindezentren ebenso wie Gesundheits stationen oder Sportvereine. Das fördert den Zusammenhalt und beugt der Landflucht in die großen Städte vor. Derzeit arbeitet Oikocredit mit 35 Agrar- und Mikrofinanzpartnern in Peru, finanziert notwendige Investitionen, bietet kompetente Beratung und Weiterbildungsmaßnahmen. Die Partner schaffen Arbeitsplätze, sichern Existenzen und stärken das Gemeinwohl. Ulrike Pfab Oikocredit brachte Expertise und gab den Kredit für ein innovatives Kabeltransportsystem. Weitere Berichte und Fotos von Partnerorganisationen w www.oikocredit.de/blog Verbessertes Format für eRundbrief Ob Smartphone, Tablet-Computer oder Laptop mit Internet-Zugang – die Nutzung von mobilen Endgeräten nimmt rasant zu. Deswegen gibt es diesen Rundbrief bereits seit längerem papierfrei als pdf-Datei. Nun bieten wir ihn in neuem Format als lesefreundlichen eRundbrief an. Direkt aus der E-Mail heraus können Sie alle Artikel lesen und erhalten Verlinkungen zu weiteren Informationen. Mehrere hundert 6 Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. – Rundbrief Herbst 2014 Mitglieder nutzen bereits unseren elektronischen Service. Sind Sie interessiert, dann melden Sie sich in unserer Geschäftsstelle (Adresse auf der Rückseite). Jeder Rundbrief, den wir nicht verschicken müssen, spart Papier und Porto. Selbstverständlich schicken wir Ihnen aber auch weiterhin den Rundbrief in gedruckter Form zu. Fairer Handel „Leckere Schokolade am Titicacasee“ Dr. Frank Eichinger besucht Fair-Handels-Partner in Südamerika „Ich bin unglaublich privilegiert“, freut sich OikocreditAnleger Dr. Frank Eichinger. Denn als ehrenamtlicher Vorstand von TransFair e.V. diskutiert der 35-Jährige nicht nur viel über den Fairen Handel, hält Vorträge oder leistet bei den Pfadfindern Bildungsarbeit zum Thema, sondern er kommt auch an Informationen aus erster Hand. So zum Beispiel vor kurzem wieder bei der Kakao-Kooperative El Ceibo in Bolivien. Angefangen hat es mit einem befristeten Arbeitsvertrag. Frank Eichingers Arbeit in Karlsruhe wurde nicht verlängert und er dachte sich: Das ist die Chance. Ein halbes Jahr raus aus dem Alltag, mit dem Rucksack quer durch Südamerika, von Ecuador im Norden bis Feuerland im Süden. Seine Freundin musste er nicht lange überzeugen, auch sie war bereit für eine Zäsur. Keine importierte Schokolade mehr Frank Eichinger ist nicht zum ersten Mal in Südamerika. Als Gruppenleiter der Pfadfinder nahm er an einer Begegnungsreise mit bolivianischen Pfadfindern teil, das war 2001 während seines Studiums. Schon damals hat ihn der Titicacasee fasziniert, der höchstgelegene schiffbare See der Welt, an dessen Ufer er auch damals Schokolade kaufte. Als er jetzt wieder im Motorfloß die peruanisch-bolivianische Grenze überquert und Hunger auf einen kleinen Snack bekommt, staunt er nicht schlecht. Statt wie damals importierte NestléProdukte werden einheimische Schokoladen von El Ceibo angeboten. „Viel leckerer als die Importware.“ Begeistert kauft er sich eine Tafel und zeigt sie seiner Freundin: „Schau, da wo die Schokolade gemacht wird, wollen wir hinfahren.“ Wenige Tage später sind sie im Ort Sapecho im bolivianischen Amazonastiefland. Hier haben im Jahr 1977 KakaoKleinbauern eine Genossenschaft gegründet. „Davor lief es nicht gut“, erzählt Bernardo Apaza, Exportmanager bei El Ceibo. „Es fehlten das Fachwissen und die Organisation.“ Zudem waren die damals noch unorganisierten Kleinbauern den Zwischenhändlern ausgeliefert, die vergleichsweise schlechte Preise zahlten. Mittlerweile, so erfahren Frank Eichinger und seine Freundin, sind an der Kooperative rund 1.200 Produzentenfamilien beteiligt. Rund 90 Prozent des Kakaos werden in Bio-Qualität angebaut. Während früher fast der gesamte Kakao exportiert wurde, verkauft El Ceibo heute etwa 40 Prozent der Ernte auf dem bolivianischen Markt – so zum Beispiel auch an den Straßenkiosken am Titicacasee. Mit Krediten von Oikocredit, die inzwischen alle zurück gezahlt sind, baute El Ceibo Anlagen, in denen Kakao verarbeitet wird, und später eine Schokoladenfabrik in El Alto in der Nähe der bolivianischen Hauptstadt La Paz. Frank Eichinger gefällt die Besichtigung der Genossenschaft und das Gespräch mit den Mitarbeitern. So bekommt Dr. Frank Eichinger ist ehrenamtliches Vorstandsmitglied bei der Initiative TransFair e.V., die das Fairtrade-Siegel für fair gehandelte Produkte vergibt und Lobbyarbeit für faire Handelsbeziehungen leistet. Seit gut sechs Jahren ist Eichinger Mitglied beim Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg. Von September 2013 bis März 2014 reiste der 35-Jährige Informatiker durch Südamerika. er einen wirklichen Einblick in die Arbeitsbedingungen im Fairen Handel und mit diesem Hintergrundwissen kann er sich zurück in Deutschland guten Gewissens für den Fairen Handel einsetzen. Nicht immer eine Erfolgsgeschichte Während seiner sechs Monate in Südamerika besucht Frank Eichinger neben der bolivianischen Kakao-Genossenschaft El Ceibo auch eine Bananenplantage in Peru und eine Fairtrade-Blumenfarm in Ecuador. Nicht jede Initiative ist eine Erfolgsgeschichte. Auch El Ceibo, das als Vorbild für genossenschaftliche Kooperationen gilt, hat derzeit mit Problemen zu kämpfen. Die Fruchtfäule befällt die Kakaopflanzen. „Einzelne Bauern hätten angesichts dieser Herausforderung sicherlich aufgegeben“, glaubt Frank Eichinger und erzählt von der El Ceibo eigenen Versuchsanstalt. Durch Kreuzen und Veredeln werden dort pilzresistente Kakaopflanzen gezüchtet, die die Kooperativenmitglieder zum Selbstkostenpreis kaufen können. Zurück in Deutschland hat Frank Eichinger eine neue Arbeit in Hamburg gefunden. Dem Oikocredit Förderkreis BadenWürttemberg will er trotzdem treu bleiben. Philipp Pfäfflin Oikocredit ist Mitglied bei TransFair. TransFair hat wiederum Geld bei Oikocredit angelegt. Ein gemeinsames Ziel ist es, die kleinbäuerliche Landwirtschaft voranzubringen. Mehr zu El Ceibo und zum Fairen Handel finden Sie auch hier: w http://bit.ly/frank_fairtrade Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. – Rundbrief Herbst 2014 7 Oikocredit Die Krise als Chance Mikrofinanz in Andhra Pradesh Wie hat die Mikrofinanzkrise 2010 im indischen Andhra Pradesh die Arbeit von Oikocredit verändert? Vor welchen Herausforderungen steht der Sektor aktuell? Das waren einige Fragen bei einer internationalen Mikrofinanzkonferenz Anfang August in Hyderabad, die von Oikocredit organisiert wurde. Maanaveeya wurde 2004 als eigenständige Tochter von Oikocredit in Hyderabad in dem indischen Bundesstaat Andhra Pradesh gegründet. Heute stellt Maanaveeya 60 Partnern ein Kreditportfolio von 65 Mio. Euro zur Verfügung und ist damit das kapitalstärkste Regionalbüro von Oikocredit. Die Ursachen der Krise Nach der Liberalisierung des indischen Finanzsektors in den 90er Jahren gründeten sich tausende Mikrofinanzinstitutionen (MFI), die sich erstmals an ärmere KundInnen richteten. Das waren vor allem so genannte „non banking financial companies“ (NBFC), die lediglich Kredite vergeben und keine Spareinlagen annehmen durften. Viele der MFI machten im Lauf der Zeit äußerst profitable Geschäfte. Gespart wurde an der Kundenbetreuung: „Sie wurden lax, überprüften ihre Kunden nicht mehr ausreichend, und so kam es zu schneeballartigen Kreditpyramiden, bei denen mit dem einen Kredit Zins und Tilgung des vorigen gedeckt wurden“, sagt der Wirtschaftsjournalist Tamal Bandyopadhyay. Dem überhitzten Markt fehlte ein Kontrollsystem. Etliche überschuldete Frauen verzweifelten und nahmen sich das Leben. Die Regierung von Andhra Pradesh reagierte 2010 mit strikten Regulierungen im MFI-Sektor, u.a. mit einer Zinsobergrenze. Die Folgen für Maanaveeya Maanaveeya suchte neue Partner und investierte in innovative Sektoren wie Wasserversorgung, Sanitär, erneuerbare Energien und landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten. Weiterlesen Dr. Christina Alff berichtet: „Indien: Sinnvolle Kredite für Toiletten“ w www.oikocredit.de/blog Neu erschienen ist eine 16-seitige Hintergrundbroschüre zum Engagement von Oikocredit im Mikrofinanzmarkt. Sie können das Heft kostenfrei in der Geschäftsstelle bestellen oder online lesen. w www.oikocredit.de/mikrofinanz 8 Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. – Rundbrief Herbst 2014 Feierliche Eröffnung der Konferenz mit Tor Gull und Albert Hofsink als Oikocredit-Ehrengäste und Mitgliedern des Vorstands von Maanaveeya. Die RednerInnen der Partnerorganisationen und unabhängiger Finanzinstitutionen sehen die Krise heute als überwunden an. Die meisten nehmen sie sogar als Chance wahr, sich auf die Ursprünge zu besinnen: sich an den Bedürfnissen der KundInnen zu orientieren und die Armut zu reduzieren. Gewürdigt wurde Maanaveeya für das unermüdliche Eintreten für kundenorientierte Dienstleistungen – auch als dies zwischenzeitlich nicht „en vogue“ war. Die Chancen der Mikrofinanz Der Entwurf eines neuen Mikrofinanzgesetzes liegt nun vor. Es sieht u.a. vor, dass MFI mit einem Kreditbüro zusammen arbeiten müssen, um Überschuldung zu vermeiden. KundInnen dürfen nur bei zwei Institutionen gleichzeitig einen Kredit haben. Dieses System funktioniert in anderen Ländern (z.B. Bolivien) erfolgreich. Darüber hinaus können MFI Bank lizenzen erwerben und so ihren KundInnen die gesamte Palette an Finanzdienstleistungen von Spareinlagen bis Überweisungen anbieten. Erläutert wurde, wie neue Technologien, u.a. das mobile Banking, den MFI-Sektor beeinflussen werden. Kostengünstigere Transaktionen können mittelfristig zu besseren Konditionen für KundInnen führen. Die neue Regierung hat zudem ein ehrgeiziges Ziel ausgegeben: Bis Anfang 2016 sollen 100 % der Erwachsenen in Indien über ein Bankkonto verfügen. Bislang sind es lediglich 35 %. Dr. Christina Alff Oikocredit Oikocredit geht voran Frauen in Führungspositionen Wofür sind Sie zuständig? Was gefällt Ihnen am besten? Oostwaard: Ich bin für das Berichtswesen, die laufende Erfassung und Auswertung der Finanzergebnisse, die Buchhaltung und den Zahlungsverkehr verantwortlich. Mir gefällt, dass ich an der künftigen Strategie unserer wachsenden Organisation mitarbeiten kann. Schoot: Ich bin für den Kapitalzufluss, für die Betreuung der Anlegerinnen und Anleger weltweit sowie für das Marketing und die Kommunikation verantwortlich. Mir gefällt die Dynamik meiner aktuellen Position: In der Geschäftsführung gestalte ich die Strategie mit und bin für Themen rund um Führung und Leitung verantwortlich. Außerdem arbeite ich mit einem großen internationalen Team sowie mit Ehrenamtlichen und Anlegerinnen und Anlegern zusammen. In der Geschäftsführung von Oikocredit besteht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern. Wie sah es bei früheren Unternehmen von Ihnen aus? Oostwaard: Ich habe bei einer der vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gearbeitet. Dort hatte das ausgewogene Frauen-Männer-Verhältnis ebenfalls einen hohen Stellenwert. Ich weiß, dass das nicht leicht zu erreichen ist, selbst wenn die gesamte Organisation sich darum bemüht und alle das Konzept uneingeschränkt unterstützen. Deshalb bin ich stolz, jetzt eine Position im männlich dominierten Finanzbereich innezuhaben. Schoot: Oikocredit steht im Vergleich zu meinen früheren Arbeitgebern auf der Ebene Geschäftsführung und Aufsichtsrat gut da. 2009 war ich die erste Frau in der Geschäftsführung, Oikocredit hat also in relativ kurzer Zeit viele Schritte zur ausgewogenen Mitwirkung von Frauen und Männern getan. Gibt es in Ihrem Bereich Herausforderungen für Frauen? Oostwaard: Ich glaube, dass es bei Positionen im Finanzbereich noch eine unsichtbare Barriere für Frauen gibt. Frauen setzen sowohl beruflich als auch privat oft andere Prioritäten, die im Finanzwesen nicht immer ganz verstanden oder akzeptiert werden. Schoot: Als ich anfing, im internationalen Kontext zu arbeiten – unter anderem in Kriegsgebieten – wurde mir deutlich, was ich für ein Glück hatte, in einem Land mit Chancengleichheit aufzuwachsen. Bestimmte Bereiche sind tatsächlich noch männlich dominiert, vor allem in Führungspositionen. Was raten Sie jüngeren Frauen, die in Ihrem Bereich arbeiten möchten? Oostwaard: Seid nicht schüchtern, steht zu euren Zielen. Seid ihr selbst, findet euren Weg und macht die Dinge auf eure Art. Letztendlich können wir so alle von einer ausgewogenen Beteiligung von Frauen und Männern profitieren. Schoot: Das sehe ich auch so. Entwickelt euch weiter und bleibt euch treu. Je ausgeglichener du als Mensch bist, desto erfolgreicher kannst du sein. Verwirklicht eure Träume, seid bereit, euch außerhalb der Norm zu begeben, kennt eure Stärken und setzt sie nutzbringend ein! Oikocredit International Foto: Clemens Rikken Der Anteil der Frauen in Führungspositionen stagniert laut einer britischen Studie weltweit bei 24 Prozent. Anders bei Oikocredit: Dort sind Frauen und Männer bei den Mitarbeitenden seit vielen Jahren gleich stark vertreten; in der internationalen Geschäftsführung wurde 2013 ein ausgewogenes Verhältnis erreicht. Anlass genug für ein Interview mit der Finanzdirektorin Irene van Oostwaard und der Direktorin für Anlegerbetreuung Ylse van der Schoot. Ylse van der Schoot und Irene van Oostwaard CO2-Kompensation von Flügen Ob Studienreisen oder Jahreshauptversammlungen – die ehrenund hauptamtlichen Förderkreis-Mitarbeitenden sind immer wieder zu Oikocredit-Treffen mit dem Flugzeug unterwegs. Der dadurch verursachte Umweltschaden ist uns durchaus bewusst. Um zumindest das dabei freigesetzte CO2 auszugleichen, beschloss der Vorstand ab diesem Jahr unsere Flüge bei der Klima-Kollekte zu kompensieren. Dieser kirchliche Kompensationsfonds investiert das eingezahlte Geld etwa in Solar- oder Biogasanlagen, die beispielsweise in Südafrika oder Indien das Treibhausgas vermeiden, das durch den Flug freigesetzt wurde. Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. – Rundbrief Herbst 2014 9 Oikocredit-Partner Finance Trust Bank ist eine ugandische Mikrofinanzbank, die 1984 gegründet wurde, um Frauen Finanzdienstleistungen zu bieten. Seit 2004 ist Finance Trust Partner von Oikocredit. Heute hat die Bank über 200.000 Kundinnen und Kunden – die Mehrheit von ihnen sind Frauen. Wir sprachen mit Geschäftsführerin Annet Nakawunde Mulindwa während eines Besuchs in Deutschland über spezielle Angebote für ihre Kundschaft und wie sie speziell Frauen fördert. Finance Trust ist eine der ältesten Mikrofinanz-Akteure in Uganda. Wie kam es dazu? Nakawunde: Finance Trust wurde von einer Gruppe von Frauen gegründet, denen aufgefallen war, dass Frauen wirtschaftlich benachteiligt waren, weil sie keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen hatten. Sie legten ihre eigenen geringen Ersparnisse zusammen und verliehen diese an Gruppen armer Frauen. Über die Jahre wuchs und veränderte sich die Organisation und fing auch an, Darlehen an Männer zu vergeben. Aber Frauen mit niedrigem und mittlerem Einkommen stehen nach wie vor im Fokus. Wir haben festgelegt, dass Frauen immer mindestens 60 Prozent unserer Kundschaft ausmachen sollen. Sie haben viele verschiedene Angebote wie Sparkonten oder Bildungskredite. Wie kommen Sie auf neue Projektideen? Nakawunde: Wir orientieren uns am Bedarf unserer Kundinnen und Kunden, die uns nach bestimmten Projektideen fragen. Aber wir machen auch Marktforschungsstudien, um zu sehen, was benötigt wird. Und wir passen die Angebote den Bedürfnissen und Verwendungszwecken unserer Kundschaft an. Eine Bäuerin, die mit einem Kredit Saatgut kauft, kann nicht sofort anfangen, ihren Kredit zu tilgen und bekommt daher flexible Rückzahlungsmodalitäten. Können Sie ein Beispiel für ein von Ihnen neu entwickeltes Finanzprodukt geben? Nakawunde: Ein Beispiel ist das „Mama Safe“-Sparkonto. Wir haben überlegt, bei welchen Herausforderungen wir Frauen konkret unterstützen können. Ein wichtiger Bereich ist die Gesundheit. Frauen brauchen z. B. einen sicheren Ort, wo sie Kinder zur Welt bringen können. Wir haben also ein Produkt entwickelt, das Sparen, Kredit und Krankenversicherung kom- biniert. Die Krankenversicherung kostet rund 150 USD, die direkt an das Versicherungsunternehmen gehen, mit dem wir zusammenarbeiten. Allerdings haben wir festgestellt, dass viele Frauen die 150 USD für die Krankenversicherung nicht auf einmal zahlen können. Deshalb geben wir ihnen ein Darlehen von 150 USD. Damit können sie die Versicherungskosten decken und dann den Betrag Schritt für Schritt im Laufe eines halben oder ganzen Jahres zurückzahlen. Foto: Ulrike Haug Uganda: Eine Bank von Frauen für Frauen Annet Nakawunde Sie haben auch spezielle Sparangebote für Mädchen. Nakawunde: In unserem Land werden Mädchen oft sehr früh schwanger, sie werden öfter Opfer von Gewalt als Jungen und viele von ihnen verlassen die Schule ohne Abschluss. Manche sind schon mit 12 Jahren verheiratet, haben mit 14 eigene Kinder und viele von ihnen leben in Slums. Deshalb muss man sich um diese Mädchen kümmern und schauen, vor welchen Herausforderungen sie stehen. Unter unseren Kundinnen haben wir 5.000 Mädchen zwischen 10 und 18 Jahren. Für diese Mädchen haben wir in unseren Filialen eigene Schalter mit einer erhöhten Stufe eingerichtet, damit sie auf Augenhöhe mit den Mitarbeitenden sprechen können. Sie bekommen keine Kredite von uns, aber Sparkonten. Außerdem schulen wir sie in finanzieller Grundbildung, Gesundheitsfragen und Unternehmertum. Wenn es unsere Mittel zulassen, bringen wir die Mädchen einmal im Jahr zu einer Konferenz zusammen. Ist die finanzielle Grundbildung eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Mikrofinanzangebote? Nakawunde: Finanzielle Grundbildung ist essentiell. Viele Leute haben nie gelernt, mit Geld umzugehen. Wenn wir Darlehen vergeben, dann schulen unsere Kreditsachbearbeitenden die Kreditnehmerinnen und -nehmer in finanziellen Fragen. Besonders bei Darlehen, die an Gruppen vergeben werden, nutzen wir die ersten Treffen vor der Auszahlung des Kredits für die Schulung der Gruppenmitglieder. Oikocredit International Oikocredit unterzeichnet Erklärung internationaler Investoren zum Klimawandel Anlässlich des UN-Klimagipfels Ende September in New York hat Oikocredit das „2014 Global Investor Statement on Climate Change“ unterzeichnet. Die Erklärung ruft Regierungen auf, strengere Richt linien zum Klimaschutz und zu sauberen Energien zu verabschieden. David Woods, Geschäftsführer von Oikocredit International, erklärte 10 Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. – Rundbrief Herbst 2014 dazu: „Oikocredit als sozialer Investor beschäftigt sich damit, wie der Klimawandel die Schwächsten in den Gesellschaften trifft, nicht nur damit, was dieser für Auswirkungen auf unsere Geschäftstätigkeit hat. Deshalb ist es ein Muss, dass wir bei Oikocredit unseren Beitrag leisten, um den Klimawandel einzudämmen.“ Oikocredit-Partner Die Schwestern von Maimón Taxi Wie in vielen lateinamerikanischen Ländern ist auch in der Dominikanischen Republik die Gesellschaft männlich geprägt. Zwar zeichnen sich allmählich Veränderungen ab, doch für viele Frauen spielt sich das Leben immer noch zwischen Haushalt und der ständigen Auseinandersetzung mit dem „Machismo“ der Männer ab. Nancy und Fidelia Espinal haben sich nicht mit dieser traditionellen Frauenrolle abgefunden. Die Schwestern betreiben seit 2003 in ihrer Heimatstadt Maimón einen Taxi- und Transportbetrieb. Sie hatten festgestellt, dass es eine Nachfrage nach verlässlichen Beförderungsangeboten gab. Die ersten beiden Fahrzeuge finanzierten Nancy und Fidelia Espinal mit einem Kredit der Oikocredit-Partnerorganisation COOPMAIMÓN. Das ist eine Genossenschaft, die ihren etwa 70.000 Mitgliedern Kredite und Sparmöglichkeiten sowie Schulungen und Sozialprogramme bietet. Unter den Mitgliedern sind viele Frauen mit eigenen Betrieben. Mittlerweile haben die Schwestern 17 Fahrzeuge. Dazu gehören ein Lastwagen, fünf Pkw für Firmenfahrdienste und zwei Busse. Das Geschwisterpaar beschäftigt inzwischen elf männliche Fahrer in Vollzeit. Viele von ihnen betonen, gern für eine Frau zu arbeiten, wegen der guten Arbeitsbedingungen bei Maimón Taxi und weil sie krankenversichert sind. Das ist nicht selbstverständlich in der Dominikanischen Republik, wo die offizielle Arbeitslosenrate bei 14 Prozent liegt, etwa 35 Prozent der Bevölkerung in Armut leben und das Bruttonationaleinkommen pro Kopf umgerechnet kaum mehr als 4.000 Euro beträgt (zum Vergleich: in Deutschland sind es rund 33.000 Euro pro Kopf). „Es ist nicht immer leicht, ein Unternehmen zu führen“, erzählt Nancy Espinal. Doch sie und ihre Schwester hätten Foto: Pedro Genaro Frauen in einer Männerwelt Nancy Espinal, Maimón Taxi immer den Traum gehabt, einen Betrieb zu gründen, der Menschen sicher und schnell zur Arbeit und zum Flughafen transportiert. „Das Verkehrsgeschäft ist nicht einfach, die Branche ist von Männern dominiert. Aber unsere Fahrer bringen uns sehr viel Respekt entgegen und unterstützen uns als Unternehmerinnen. Dass wir Frauen sind, hat nie eine Rolle gespielt, weder als wir einen Kredit zur Erweiterung der Firma beantragt haben, noch beim Umgang mit unserem größtenteils männlichen Personal. Unser Traum ist jetzt, nicht nur das Unternehmen weiter auszubauen, sondern auch ein Vorbild für andere Frauen zu sein, die in einer männlich dominierten Branche Erfolg haben möchten.“ Oikocredit International Trinken Sie schon Oikocredit-Kaffee? Eine milde Hochland-Arabica-Mischung mit besonderem Genuss und mehrfachem Nutzen: Das ist Credit Café. Der fair gehandelte, feine BioKaffee stammt von Kleinbauernorganisationen in Nicaragua, El Salvador und Mexiko. Einige der Kooperativen konnten mit Krediten von Oikocredit die Produktions- und Arbeitsbedingungen verbessern. Den Credit Café gibt es gemahlen oder als Bohne und ist in einigen Weltläden erhältlich. Außerdem kann er direkt bei El Puente bezogen werden: EL PUENTE GmbH, Lise-Meitner-Str. 9, 31171 Nordstemmen, Tel: 05069 3489-0, E-Mail: [email protected], www.el-puente.de Weitere Bezugsadressen finden Sie auf unserer Website w www.oikocredit.de/credit-cafe/wo-gibt-es-credit-cafe Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. – Rundbrief Herbst 2014 11 Aktuelles und Impressum Dreharbeiten für Oikocredit-Erklärfilm Wie funktioniert Oikocredit? Das zu erklären, ist nicht ganz einfach. Ein neues Video kann dabei helfen. In zweieinhalb Minuten folgt es dem Weg des Geldes von einem deutschen Anleger bis zu einer typischen afrikanischen Mikrokredit-Kundin. Das Studio ist abgedunkelt, nur das Filmset gleißend hell ausgeleuchtet. Im Hintergrund wartet der neue Traktor der Kaffeekooperative auf seinen Einsatz. Etwas verloren steht die Hauptdarstellerin in ihrem gepunkteten Kleid im Scheinwerferlicht. Geduldig wartet sie, bis Hühner und Küken in Aufnahmeposition sind. Daneben liegt noch der tote Hahn aus der letzten Aufnahme. Mikroküken, Miniaturdarsteller und Mikrokredite Keine Sorge: Hier kommt kein Tier zu Schaden. Die Küken sind nur wenige Millimeter groß und Hauptdarstellerin Binta misst auch kaum mehr als drei Zentimeter. Doch gibt es im Senegal überhaupt Hühnerzüchterinnen? Vor dem Dreh mit Modellbau-Darstellern stand die Recherche. Denn in manchen Ländern und Kulturen verbieten Tradition oder ungleiche Rechte Frauen bestimmte Tätigkeiten. Grünes Licht dann aus dem Oikocredit-Regionalbüro Westafrika: Hühnerzucht ist realistisch. Bitte weiterempfehlen Nach zwei Tagen Dreh und zwei weiteren Tagen Schnitt und Vertonung ist ein kurzes Video entstanden, dass Oikocredit auch Menschen ohne viel Vorwissen erklärt. Sympathisch und auf das Wesentliche reduziert. Wenn Sie Lust haben, dann sehen Sie es sich doch auch einmal an – oder zeigen Sie es anderen. w www.oikocredit.de/oikocredit-effekt Wir über uns Die internationale Genossenschaft Oikocredit ist ein Pionier der nachhaltigen Geldanlage. Mit dem Kapital ihrer Anlegerinnen und Anleger vergibt Oikocredit Finanzierungen an Mikrofinanzinstitutionen, Genossenschaften und andere sozial orientierte Unternehmen in Entwicklungsländern. Diese Partner teilen die sozialen und wirtschaftlichen Ziele von Oikocredit: Sie schaffen Arbeitsplätze, fördern ländliche Entwicklung und unterstützen Menschen auf ihrem Weg in die wirtschaftliche Eigenständigkeit. Seit der Gründung im Jahr 1975 ist Oikocredit zu einem der weltweit führenden Entwicklungsfinanzierer geworden. Privatpersonen, aber auch Kirchengemeinden sowie Organisationen und Unternehmen können über die Förderkreise Anteile kaufen. Dabei geht es ihnen nicht um Profitmaximierung, sondern um die soziale Wirkung ihrer Investition. Die Mindestanlage beträgt 200 Euro, die Dividende in der Regel zwei Prozent. Der OikocreditFörderkreis Baden-Württemberg e.V. hat derzeit gut 6.400 Mitglieder und verwaltet treuhänderisch deren Oikocredit-Anteile von mehr als 96 Millionen Euro. Sie sind schon Mitglied und möchten weitere Oikocredit-Anteile erwerben? Überweisen Sie bitte den Anlagebetrag auf unser Treuhandkonto für Anteilskäufe: Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. IBAN: DE90 6039 1310 0007 7100 03, BIC: GENODES1VBH Konto 7710 003, BLZ 603 913 10 (Volksbank Herrenberg–Nagold–Rottenburg eG) Bitte geben Sie im Verwendungszweck Ihre Investment-Nummer I-xxxxx und den Hinweis „Kauf Anteile“ an. Nach der Verbuchung erhalten Sie von uns eine Bestätigung. w www.oikocredit.de 12 Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. – Rundbrief Herbst 2014 Impressum Herausgeber Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. Vogelsangstraße 62 70197 Stuttgart Telefon: 0711-120005-0 (Zentrale) Fax: 0711-120005-22 E-Mail: [email protected] www.baden-wuerttemberg.oikocredit.de Geschäftszeiten Montag bis Donnerstag 9–12 und 13–16 Uhr Redaktion Philipp Pfäfflin Layout Karin Lupfer V.i.S.d.P. Dr. Dieter Heidtmann Druck und Vertrieb Berufsbildungswerk Waiblingen; gedruckt auf 100% Altpapier: RecyStar 90g (Blauer Engel, Nordic Environmental Label, ISO 9706) mit Bio-NovavitFarbe auf Basis nachwachsender Rohstoffe und ohne Schwermetalle. Treuhandkonto für Anteilskäufe Konto 7710 003, Volksbank Herrenberg eG, BLZ 603 913 10 IBAN: DE90 6039 1310 0007 7100 03 BIC: GENODES1VBH Vereinskonto für Mitgliedsbeiträge Konto 32 450 044, Volksbank Esslingen eG, BLZ 611 901 10 IBAN: DE55 6119 0110 0032 4500 44 BIC: GENODES1ESS Vereinskonto für Spenden Konto 32 450 001, Volksbank Esslingen eG, BLZ 611 901 10 IBAN: DE52 6119 0110 0032 4500 01 BIC: GENODES1ESS (Zuwendungsbestätigungen werden ab 200 Euro ausgestellt.)