Arthrose
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Arthrose
FAKTEN AU F AB RU F Seite 1 von 5 R h e u m at i s c h e E r k ra n ku n ge n – Ar throse Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, der degenerative Rheumatismus stellt die häufigste Form chronischer Gelenkerkrankungen dar, 50 Prozent der Rheumakranken sind davon betroffen. Die Wahrscheinlichkeit, an Arthrose zu erkranken, nimmt im Alter zu, aber auch junge Frauen können beispielsweise eine Fingergelenkarthrose bekommen. FOCUS hat in Zusammenarbeit mit Dr. Helmut Sörensen wichtige Informationen zum Thema „Arthrose“ zusammengestellt. Der Experte à 1 Dr. Helmut Sörensen ist Rheumatologe in Berlin. Er war 17 Jahre Chefarzt in der Rheumaklinik Berlin-Wannsee und leitet jetzt ein ambulantes Rheuma-Zentrum im Krankenhaus Waldfriede in Berlin. Seit 1985 ist Sörensen Präsident der Deutschen Rheuma-Liga Berlin. Was bedeutet Ar throse? Der degenerative Rheumatismus betrifft die Gelenke (Arthrose) oder die Wirbelsäule (Spondylarthrose). Es handelt sich um einen irreversiblen Gelenkschaden, der häufig durch Fehlbelastung entsteht, aber auch durch Verletzungen oder angeborene Gelenkdefekte verursacht sein kann. Bei der Arthrose ist die Knorpelschicht der Gelenke erkrankt, was zum Verlust derselben und zur Deformierung der betroffenen Knochen führen kann. Schmerzen und Schwellungen der Gelenke sowie eine Bewegungseinschränkung gehen mit der Krankheit einher. Eine Arthrose kann aber auch ohne besondere Belastung entstehen. In diesem Fall ist das Gleichgewicht zwischen dem ständigen Knorpelaufbau und -abbau gestört, d. h. es wird mehr Knorpel abgebaut als aufgebaut. Warum das passiert, ist bisher nicht bekannt. Naturgemäß kommt Arthrose häufiger bei älteren Menschen vor. Aber auch junge Menschen können auf Grund von Gelenküberlastung (aus beruflichen Gründen, bei verschiedenen Sportarten, bei Übergewicht) oder von angeborenen Fehlbildungen Arthrose bekommen. Bei der Hüftgelenkdysplasie ist beispielsweise die Hüftgelenkpfanne von Geburt an zu klein. Dadurch verteilt sich der Druck des Körpergewichts auf eine viel zu kleine Fläche und ist damit für die Gelenkpfanne viel zu hoch, was zu einer Bewegungseinschränkung führen kann. Wenn diese Erkrankung bereits früh behandelt wird (indem man Babys mit Hüftgelenkdysplasie für FAKTEN AU F AB RU F Arthrose Seite 2 von 5 einige Wochen einen Spreizhosengips anlegt), kann die zu klein geratene Hüftpfanne noch größer wachsen. Gegen die genetischen (vererbten) Faktoren der Arthrose (z. B. Fingergelenkarthrose), die bei der Krankheit eine große Rolle spielen, kann man sich nicht schützen. Entstehung und Verlauf einer Ar throse Die Arthrose und Spondylarthrose entstehen durch Verschleiß der Gelenke bzw. der Wirbelsäule. Ein Gelenk besteht aus einem Gelenkkopf, der sich in einer Gelenkpfanne bewegt. Die Knochenenden bzw. Gelenkkopf und -pfanne, sind mit Knorpel überzogen, der dem Gelenk eine sehr elastische und glatte Oberfläche verleiht. Die Knorpelschicht verhindert, dass die Knochen aufeinander reiben und ermöglicht den Gelenkenden, reibungslos gegeneinander zu gleiten – was die Beweglichkeit der Gelenke ausmacht. Außerdem funktioniert der Knorpel als Stoßdämpfer. Damit das Gelenk nicht auseinander fällt, wird es von einer Gelenkkapsel umschlossen, von seitlichen und zum Teil kreuzförmig angeordneten Bändern (z. B. beim Knie) in der geeigneten Richtung geführt und von den umgebenden Muskeln gestützt. 2 Die Gelenkkapsel ist innen mit der papierdünnen Gelenkinnenhaut ausgekleidet, die Gelenkschmiere produziert. Diese besteht aus einer schleimigen Flüssigkeit, die nicht nur durch die Benetzung der Knorpeloberfläche das reibungslose Gleiten des Gelenkknorpels ermöglicht, sondern alle „Nahrungsbestandteile“ für den Knorpel enthält. Durch jede Gelenkbewegung wird also die „Gelenkschmiere“ in den Knorpel „einmassiert“ – so wird er ernährt. Mangel an Bewegung heißt daher Unterernährung des Knorpels – der erste Schritt zum Verschleiß. Die Arthrose beginnt in der Knorpelschicht der Gelenke. Durch Über- und Fehlbelastung erleidet sie kleine Verletzungen, ist nicht mehr glatt, sondern rau, und der Abrieb führt im schlimmsten Fall zum völligen Verlust der Knorpelschicht. Dann reibt Knochen auf Knochen, und das Gelenk wird völlig zerstört. Der abgeriebene Knorpel und Knochen reizen die Gelenkinnenhaut, die mit einer sekundären Entzündung reagiert. Dabei wandern Entzündungszellen in die Gelenkinnenhaut, um die aufgenommenen Abriebteilchen abzubauen. Es kommt dadurch zu Schwellung, Schmerzen und oft praller Füllung der Gelenkhöhle mit Flüssigkeit („Reizerguss“). Dadurch werden die Bänder überdehnt und die Muskeln um das Gelenk herum schwach, was zur Instabilität der Gelenke führt. Hierdurch wird der Verschleiß beschleunigt, bis die Gelenkfunktion vollkommen verloren gegangen ist. Das kann so weit führen, dass Patienten im Rollstuhl sitzen müssen. Wenn eine Arthrose rechtzeitig erkannt wird, kann sie bis zu einem gewissen Grad durch eine entsprechende Behandlung aufgehalten werden. FAKTEN AU F AB RU F Arthrose Seite 3 von 5 Wie erkennen Sie eine Ar throse? Eine Arthrose macht sich in der Regel durch Schmerzen in den betroffenen Gelenken bemerkbar. Der Arzt – meist der Orthopäde oder der Rheumatologe – kann durch die mikroskopische Untersuchung der Gelenkflüssigkeit die Arthrose von einer Arthritis (Gelenkentzündung) unterscheiden. Durch Röntgen- und Ultraschalluntersuchungen beurteilt er die Art und das Ausmaß der Arthrose. In schwierigen Fällen wird auch die Computertomographie (CT) oder die Kernspintomographie (MRT) eingesetzt. Expertenà Hinweis „Bei anhaltenden Gelenkschmerzen oder -schwellungen muss der Arzt – Orthopäde oder Rheumatologe – konsultiert werden. Wird die Arthrose früh erkannt, können die Beschwerden gelindert werden, auch wenn die Abnutzung der Gelenke nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Vor allem kann durch die Behandlung oft der Einsatz einer Gelenkendoprothese (TEP) hinausgezögert werden.“ Bei allen Arthroseformen liegen ähnliche Verschleißerscheinungen vor: Abrieb des Knorpels in verschieden starker Ausprägung, z. T. nur oberflächlich, z. T. bis auf den Knochen, Löcher im Knochen und wulstförmige Knochenanbauten an den Rändern der Gelenke. 3 Bei der Fingergelenkarthrose entstehen z. B. dicke Knoten an den Fingerendgelenken (Heberden-Knoten, früher fälschlicherweise als Gichtknoten bezeichnet) und meist auch schmerzhafte Daumensattelgelenkverformungen (Rhizarthrose). Am häufigsten sind die Knie-, Hüft-, und Großzehengrundgelenke befallen. Viele Menschen haben Rückenschmerzen, die durch Verschleiß von Bandscheiben und der dadurch hervorgerufenen Fehlbelastung der kleinen Wirbelgelenke verursacht werden. Wie wird die Ar throse behandelt? Wenn Ihr Arzt bei Ihnen eine Arthrose diagnostiziert hat, sollten Sie in erster Linie eine Überlastung der Gelenke vermeiden und gegebenenfalls Gehstützen verwenden. Außerdem sollten Sie sich ausreichend bewegen. Sportarten, die die Gelenke entlasten wie Schwimmen, Radfahren und Walking statt Jogging sind zu empfehlen. Die medikamentöse Behandlung zielt 1.) auf die Stabilisierung des Knorpels und 2.) auf die Beseitigung der schmerzhaften sekundären Entzündung der Gelenkinnenhaut. Stabilisierung des Knorpels. Es gibt noch keine erprobte Methode, verloren gegangenen Knorpel wieder aufzubauen. So genannte Knorpelschutzpräparate sind häufig nicht Erfolg versprechend. Die meisten mussten wegen Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen FAKTEN AU F AB RU F Arthrose Seite 4 von 5 werden. Heute gibt es Substanzen, die im Knorpelstoffwechsel eine Rolle spielen. Aus wissenschaftlichen Untersuchungen gibt es Hinweise, dass die Einnahme von Substanzen wie Glucosaminsulfat, Chondroitinsulfat oder S-Adenosyl-Methionin bzw. die lokale Einspritzung von Hyaluronsäure stabilisierend auf den Knorpel wirken und die Symptome der Arthrose lindern. Diese Substanzen kommen normalerweise im Knorpel selbst vor und werden für den Knorpelaufbau benötigt. Operative Verfahren bis hin zum Einsatz von künstlichen Gelenken sowie Experimente mit gezüchteten Knorpelzellen oder mit dem Einbau von knorpelähnlichem Kunststoff sind Erfolg versprechend. Wenn ein Gelenk völlig zerstört ist, bzw. die Schmerzen nicht mehr erträglich sind, können die zerstörten Gelenkanteile herausoperiert werden und durch Metall – meist Titan – sowie Kunststoff ersetzt werden. Diese Endoprothesen werden seit langem für Hüft- und Kniegelenke mit Erfolg eingesetzt und können 15 Jahre oder länger halten. Wenn sie sich vorher lockern, müssen sie allerdings durch neue Endoprothesen ersetzt werden. Bei der Knorpelzüchtung verwendet man Knorpelzellen des Patienten, lässt sie sich in Zellkulturen im Labor vermehren und spritzt sie dann unter „Flicken“ von körpereigenem Gewebe, die man vorher über verletzte oder abgeriebene Knorpelstellen im Gelenk genäht hat. Dies hat jedoch nur bei kleinen Knorpeldefekten Erfolg. 4 Neuerdings wird an der Entwicklung von elastischen Kunststoffblöcken gearbeitet, die man als Knorpelersatz in den Gelenkknochen einsetzt, wenn dort der Knorpel zerstört ist. Beseitigung der Gelenkinnenhautentzündung. Die schnellste Beschwerdelinderung in der Gelenkinnenhaut erzielt man mit einer entzündungshemmenden Cortisonspritze in die Gelenkhöhle. Diese Wirkung hält in der Regel nur wenige Wochen an. Eine längere, monatelange, in Einzelfällen auch jahrelange Wirkung lässt sich durch die Einspritzung von schwach radioaktiven Substanzen erreichen, deren Betastrahlen die Entzündungszellen in der Gelenkinnenhaut hindern, sich zu vermehren. Dieses Verfahren heißt Radiosynoviorthese (RSO). Wichtig ist die Ruhigstellung der behandelten Gelenke nach der RSO für 3 bis 5 Tage, und dass die RSO nur von Ärzten, die in dieser Methode erfahren sind, durchgeführt wird. Dann ist das Nebenwirkungsrisiko sehr gering. Wird die radioaktive Substanz versehentlich nicht exakt in die Gelenkhöhle, sondern ins umlegende Gewebe gespritzt, kann es zu Gewebsschäden mit Wundheilungsstörungen kommen. Die Einnahme von schmerzlindernden und entzündungshemmenden Medikamenten, wie Paracetamol, Tramadol, Tilidin und den nicht steroidalen (nicht kortisonhaltigen) Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac und Ibuprofen, lässt sich oft nicht vermeiden. Sie wirken aber nicht so gezielt wie die beschriebenen lokalen Maßnahmen, bei denen Medikamente direkt ins Gelenk gespritzt werden. Nicht zu unterschätzen ist die Rolle der physikalischen Therapie mit Wärme- oder Kälteanwendungen, Elektrotherapie und vor allem der Krankengymnastik. Besonders Wirbelsäulen- FAKTEN AU F AB RU F Arthrose Seite 5 von 5 leiden sollen nicht nur durch lokale schmerz- und entzündungshemmende Spritzen und Medikamente behandelt werden, sondern Krankengymnastik und die Weiterführung der dort erlernten Übungen zu Hause bieten die beste Aussicht auf eine länger anhaltende Linderung der Beschwerden. Spezialisierte Ärzte finden Sie in der großen FOCUS-Ärzteliste, Goldmann, ISBN 3-442-30955-7. Sie können das Buch auch direkt bestellen unter www.focus.de/shop. Beachten Sie: Dieses Dokument ist nach bestem Wissen erstellt worden. Trotzdem können wir keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Ausführungen und Formulierungen übernehmen. 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