Arbeitsrecht - Hochschule Merseburg

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Arbeitsrecht - Hochschule Merseburg
Hochschule Merseburg (FH)
Prof. Dr. G. Federhoff-Rink
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
-Arbeitsrecht-
Empfohlene Studienliteratur:
Brox/Rüthers/Henssler, Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2004
Wilhelm Dütz, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2003
Abbo Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2004
Erfurter Kommentar, 5. Aufl., 2005
Wörlen/Metzler-Müller, Zivilrecht 1000 Fragen und Antworten
Rechtssprechung:
www.bundesarbeitsgericht.de
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Quellen des Arbeitsrechts
1. Europarecht (z. B. Rechtsverordnung (VO); Richtlinie (RL))
2. Grundgesetz
3. (Zwingendes) Gesetzesrecht
4. (Zwingende) Tarifvertragsnormen, § 4 I 1 TVG
5. (Zwingende) Betriebsvereinbarungsnormen, § 77 IV BetrVG
6. Arbeitsvertragliche Regelung
7. (Dispositive) Gesetzesnormen, Betriebsvereinbarungs- und Tarifvertragsnormen
8. Gesamtzusage, betriebliche Übung
9. Weisungsrecht (Direktionsrecht) des Arbeitgebers
Normenanwendung nach dem:
- Rangprinzip
- Günstigkeitsprinzip
- Ablösungsprinzip
- Spezialitätsprinzip
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Begründung des Arbeitsverhältnisses
Fragerechte des Arbeitgebers:
-
Zulässig sind nur solche Fragen, an deren Beantwortung der Arbeitgeber ein
berechtigtes billigenswertes Interesse hat. Unzulässige Fragen berechtigen zur
sanktionslosen Lüge.
-
Personalfragebögen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrates gem. § 94 Abs. 1
BetrVG
Einzelne Fragen:
-
Gewerkschaftszugehörigkeit: zulässig zur Feststellung der Tarifbindung, wenn ArbG
gleichzeitig Verbandszugehörigkeit offenbart;
-
Gesundheitszustand: nur bei besonderem Interesse für den Betrieb, die übrigen
Arbeitnehmer oder in Bezug auf die konkrete Tätigkeit (z.B. bei Ansteckungsgefahr);
-
Schwerbehinderteneigenschaft: Fragerecht str.;
-
Vorstrafen: nur bei Vorstrafen im Zusammenhang mit der angestrebten Tätigkeit;
-
Schwangerschaft: grundsätzlich unzulässig;
-
Partei- oder Religionszugehörigkeit: nur bei Tendenzunternehmen;
-
Vermögensverhältnisse:
nur
bei
leitenden
Angestellten
und
ArbN
in
Vertrauensstellung (z.B. Mitarbeiter Banken)
Offenbarungspflichten des Arbeitnehmers:
-
ArbN muss grundsätzlich nur zulässige Fragen des Arbeitgebers beantworten, es
besteht keine Offenbarungspflicht
-
Ausnahme: wenn die verschwiegenen Umstände dem ArbN die Erfüllung der
arbeitsvertraglichen Pflichten unmöglich machen oder für den in Betracht
kommenden Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind; Beispiele:
Wettbewerbsverbot, Freiheitsstrafe, ansteckende Krankheit mit Gefährdung der
anderen ArbN
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Inhalt des Arbeitsverhältnisses
Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des
Arbeitsverhältnisses
die
wesentlichen
Vertragsbedingungen
schriftlich
niederzulegen
(Nachweisgesetz – NachwG, § 2).
Für den Fall, dass im Arbeitsvertrag keine individuelle Regelung getroffen wurde, ist auf das
Gesetz oder den Tarifvertrag, evtl. auf Betriebsvereinbarungen (z.B. zur Arbeitszeit)
zurückzugreifen:
-
Kündigungsfristen ( § 622 BGB)
-
Vergütung ( § 612 BGB)
-
Arbeitszeit (ArbZG, TzBfG)
-
Urlaub (BUrlG)
-
Krankheit (EntgeltfortzahlungsG)
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Urlaub
Der Arbeitnehmer hat während seines Urlaubs Anspruch auf Lohn ohne Arbeit aus § 611
BGB i. V. m. Arbeitsvertrag und §§ 1,11 BUrlG. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der
Arbeitgeber ihm den Urlaubseintritt gestattet hat, denn der Arbeitnehmer hat kein
Selbstbeurlaubungsrecht.
Gemäß § 7 BUrlG sind bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des
Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, es stehen dringende betriebliche Gründe
(z.B. fristgebundene Auftragserledigung) entgegen.
Voraussetzungen des Urlaubsanspruches:
-
wirksamer Arbeitsvertrag
-
Wartezeit (§ 4 BUrlG) erfüllt
-
Urlaub noch nicht oder nur teilweise genommen; Urlaubsjahr noch nicht abgelaufen
-
dringende betriebliche Bedürfnisse stehen Urlaub nicht entgegen
Î Arbeitgeber muss den Urlaub gewähren, anderenfalls macht er sich
schadenersatzpflichtig
Gesetzlicher Mindesturlaub (§ 3 BUrlG):
20 Urlaubstage bei 5-Tage-Woche
24 Urlaubstage bei 6-Tage-Woche
beachte:
Regelung von Teilurlaubsansprüchen in § 5 BUrlG
Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs in § 7 BUrlG
Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. In diesem muss der Urlaub beim Arbeitgeber beantragt
werden. Die Übertragung des Urlaubs in das nächst folgende Kalenderjahr bis zum 31.03. ist
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gesetzlich als Ausnahme vorgesehen. Wird der Urlaub auch bis zum 31.03. nicht
genommen, so verfällt er unweigerlich.
Ordentliche Kündigung
Beachte:
I. Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts
a) Kraft Gesetzes
-
§ 15 KSchG: Betriebsratsmitglieder
-
§ 22 Abs. 2 BBiG: Auszubildende
-
§ 2 ArbPlSchG: Wehrdienstleistende und Wehrübende
-
§ 78 ZivildienstG: Zivildienstleistende
-
§ 9 MuSchG: Schwangere und Wöchnerinnen
-
§ 18 BErzGG: während der Elternzeit
b) Tarifvertrag
c) Einzelarbeitsvertrag
-
z. B. befristetes Arbeitsverhältnis (§15 Abs. 3 TzBfG)
II. Kündigungserklärung
1. Form (§ 623 BGB: Schriftform)
2. Inhalt
d) Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft
e) Kündigungsgrund
aa) Grds. keine Angabe
bb) Ausnahme: Gesetz oder Tarifvertrag
3. Zugang
III. Vorliegen etwaiger Zustimmungen oder Anzeigen
-
§ 85 SGB IX: Schwerbehinderte (Zustimmung Integrationsamt)
-
§ 17 KSchG: Anzeige bei Massenentlassungen
IV. Anhörung des Betriebsrates (§ 102 BetrVG)
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Soziale Rechtfertigung der Kündigung
Vorfrage:
Sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gegeben ?
Welches Arbeitsgericht ist örtlich zuständig ?
1. Anwendbarkeit des KSchG
a.) Persönlicher Anwendungsbereich (§§ 1 I, 14 KSchG)
aa.) Mindestens sechsmonatiger ununterbrochener Bestand des
Arbeitsverhältnisses (§ 1 KSchG)
bb.) Unanwendbar bei gesetzlichen Vertretern juristischer Personen
und Organen von Personengesellschaften (§ 14 I KSchG)
b.) Betrieblicher Anwendungsbereich (§ 23 I KSchG)
2. Fristgemäße Erhebung der Kündigungsschutzklage
Drei Wochen nach Zugang der Kündigung (§ 4 Satz 1 KSchG), sonst Fiktion der
sozialen Rechtfertigung (§ 7 KSchG)
3. Soziale Rechtfertigung der Kündigung
a.) Kündigungsgründe (§ 1 II 1 KSchG):
aa.) Gründe in der Person des Arbeitnehmers
bb.) Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers
cc.) Dringende betriebliche Erfordernisse
-
bei betriebsbedingter Kündigung: Sozialauswahl (§ 1 III, IV
KSchG) und Weiterbeschäftigungsmöglichkeit prüfen
4. Betriebsratsanhörung gem. § 102 BetrVG
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Sozialauswahl (bei betriebsbedingter Kündigung)
a) Festlegung der Personen, die in die Sozialauswahl einzubeziehen sind
1. Vergleichbarkeit
von
der
ausgeübten
Tätigkeit
her
=
austauschbar
(Direktionsrecht)
2. alsbaldige Substituierbarkeit (ohne lange Einarbeitungszeit)
3. auf derselben Ebene der Betriebshierarchie: horizontale Vergleichbarkeit
4. Sonderkündigungsschutz? (SGB IX, MuSchG, BetrVG)
b) Sozialauswahl aus den ermittelten Arbeitnehmern unter Berücksichtigung der
Kriterien für die Sozialauswahl
1. Lebensalter
2. Dauer der Betriebszugehörigkeit
3. Unterhaltspflichten
4. Schwerbehinderung
c) Nichteinbeziehung von Arbeitnehmer/innen, die nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus
der Sozialauswahl herausfallen, weil deren Weiterbeschäftigung
- wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder
- zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur
im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
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Fristlose (außerordentliche) Kündigung
Die außerordentliche Kündigung setzt grundsätzlich einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 I
BGB voraus:
1. Arbeitsvertragspflichtverletzung
Zunächst ist zu klären, ob der Sachverhalt (z. B. ständiges Zuspätkommen, Diebstahl,
Selbstbeurlaubung, Arbeitsverweigerung usw.) an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund
zur Kündigung abzugeben.
Handelt es sich hierbei um eine oder mehrere (regelmäßig schuldhafte) Verletzungen von
Arbeitsvertragspflichten? Wenn ja, welche?
2. Abmahnung
Ist der Arbeitnehmer klar und deutlich vor diesem (letzten) Vorfall schon einmal abgemahnt
worden? Beachte: Von einer Abmahnung kann ausnahmsweise dann abgesehen werden,
wenn die einmalige Verfehlung des Arbeitnehmers derart schwer wiegt, dass eine
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist (z. B. bei Straftaten).
3. Interessenabwägung
Die Interessenabwägung muss zu dem Ergebnis führen, dass dem ArbG die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Interessen des Arbeitgebers: Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Betriebes, Vermeidung
von Vermögensschäden, Schutz der Arbeitskollegen
Interessen des Arbeitnehmers: Art und Häufigkeit der Taten des Arbeitnehmers, Alter, Dauer
der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Möglichkeit der Versetzung im Betrieb mit der
Chance, dass die bisher begangenen Taten sich dann nicht wiederholen
4. Erklärungsfrist § 626 Abs. 2 BGB
5. Umdeutungsmöglichkeit
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Änderungskündigung (§ 2 KSchG)
Gegenstand einer Kündigung kann immer nur das Arbeitsverhältnis als Ganzes sein.
Notwendig wird eine Änderungskündigung, wenn der ArbG aufgrund der arbeitsvertraglichen
Festlegungen die Arbeitsbedingungen nicht mittels Direktionsrecht einseitig ändern kann (z.
B.: Änderung der Arbeitszeit) und der ArbN einer einvernehmlichen Änderung seiner
Arbeitsbedingungen nicht zustimmt.
Eine Änderungskündigung ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses verbunden mit dem
Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter geänderten Arbeitsbedingungen (§ 2
KSchG).
Gründe:
betriebsbedingt
personenbedingt
verhaltensbedingt
Aufgrund einer Änderungskündigung stehen dem ArbN drei Reaktionsmöglichkeiten zu:
- Der ArbN kann das Änderungsangebot annehmen. Die Kündigung ist dann nicht mehr
relevant, da sich ArbG und ArbN auf die geänderten Arbeitsbedingungen geeinigt haben.
- Der ArbN kann das Änderungsangebot ablehnen. Die Änderungskündigung wird dann zur
Beendigungskündigung.
- Unterliegt die Änderungskündigung dem KSchG, hat der ArbN die Möglichkeit, das
Änderungsangebot unter Vorbehalt anzunehmen und Änderungskündigungsschutzklage zu
erheben (§ 2 KSchG). Das Arbeitsgericht prüft dann die soziale Rechtfertigung der
Änderungskündigung (§ 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG). Je nach Ausgang des Verfahrens
muss der ArbN unter geänderten Arbeitsbedingungen weiterarbeiten (ArbG gewinnt den
Prozeß) oder er muss zu alten Arbeitsbedingungen beschäftigt werden (ArbN gewinnt).