I. Genehmigungsbedœrftige, genehmigungsfreie (verfahrensfreie

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I. Genehmigungsbedœrftige, genehmigungsfreie (verfahrensfreie
Formelle ZulÌssigkeitsvoraussetzungen
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I. GenehmigungsbedÏrftige, genehmigungsfreie (verfahrensfreie),
anzeigepflichtige und genehmigungsfreigestellte Vorhaben nach den
Landesbauordnungen
1. Erfordernis des Genehmigungsverfahrens
a) Der Grundsatz der Baufreiheit. Das Baugeschehen im deutschen Rechtsraum wird 1
traditionell ^ jedenfalls theoretisch ^ vom Grundsatz der Baufreiheit beherrscht, derbereits
inTeil I Titel 8 § 65 des Pr. Allgemeinen Landrechts von 1794 normiert war: ,,In der Regel ist
jeder EigenthÏmer seinen Grund und Boden mit GebÌuden zu besetzen oder seine GebÌude
zu verÌndern wohl befugt.̀` Unter der Herrschaft des Grundgesetzes wird die Baufreiheit aus
der Eigentumsgarantie (Art. 14 I 1GG) und zudem aus der allgemeinen Handlungsfreiheit
(Art. 2 I GG) abgeleitet (vgl. BVerwGE 48, 271 = NJW 1976, 340). Die baurechtliche Praxis ist
allerdings dadurch gekennzeichnet, dass es ^ von zumeist unbedeutenden, in den 16 Bauordnungen der BundeslÌnder abschlieÞend aufgezÌhlten baulichen Anlagen abgesehen, die von
jeder Genehmigungs- oder Anzeigepflicht ausgenommen werden ^ fÏr die Errichtung, Ønderung, NutzungsÌnderung und Beseitigung baulicher Anlagen hÌufig einer ausdrÏcklichen
Genehmigung oder jedenfalls der Einreichung von Bauvorlagen im Wege des so genannten
Freistellungsverfahrens bedarf. Die AusÏbung der Baufreiheit ist in diesen FÌllen im Îffentlichen Interesse einer formellen BeschrÌnkung (,,Verbot mit Erlaubnisvorbehalt``) unterworfen, auf deren Beseitigung jedoch ein Anspruch ^ Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung bzw. der Anspruch darauf, das ordnungsgemÌÞ angezeigte Vorhaben ausfÏhren zu
dÏrfen ^ besteht (BVerwGE 16, 120; 42, 115 = NJW 1973, 1518). Neben der formellen EinschrÌnkung der Baufreiheit, die sich in AnsÌtzen bereits im Pr. Allgemeinen Landrecht findet
(vgl. aaO. § 67: ,,. . . der Obrigkeit zur Beurtheilung Anzeige machen``; § 69: ,,VorzÏglich ist
eine besondre obrigkeitliche Erlaubniss nothwendig, . . .̀`), sind bei baulichen MaÞnahmen
eine FÏlle von bundes- und landesrechtlichen Regelungen materieller Natur, insbesondere
Gesetze und Verordnungen, aber auch zahlreiche ortsgesetzliche Bestimmungen (gemeindliche Satzungen), zu beachten, die den Grundsatz der Baufreiheit nahezu in sein Gegenteil
verkehren. Mittlerweile ist es hÎchstrichterlich geklÌrt, dass die Baufreiheit kein unmittelbar aus Art. 14 I GG abzuleitendes Baurecht begrÏndet, sondern dass Inhalt und Schranken
des Eigentums iSd. Art. 14 I 2 GG durch das einfache Recht bestimmt werden (BVerwGE
106, 228 = NVwZ 1998, 842 = BRS 60 Nr. 98;VGH MÏnchen NVwZ-RR 2004, 94).
b) Unterscheidung Bauplanungsrecht ^ Bauordnungsrecht. Die gesetzlichen Re- 2
gelungen, die das Bauen lenken, begrenzen, an bestimmte Anforderungen knÏpfen
usw., gehÎren teils dem Bundesrecht an, (insbesondere das Recht der Raumordnung, das
Bodenrecht, speziell das Bauplanungsrecht); teils handelt es sich um landesrechtliche Vorschriften, wobei insoweit in erster Linie das frÏhere ,,Baupolizeirecht`` zu nennen ist, das
nach der ,,Entpolizeilichung`` des Rechts der Gefahrenabwehr nunmehr allgemein als
,,Bauordnungsrecht`` oder ,,Bauaufsichtsrecht`` bezeichnet wird. Auch baugestalterische
Vorschriften, die nicht einer Gefahrenabwehr im engeren Sinne dienen (,,Kreuzberg-Urteil`,̀ PrOVGE 9, 353 = DVBl 1985, 216) gehÎren dem Landesrecht an. Grundlage dieser
Aufteilung des Îffentlichen Baurechts in einen bundesrechtlichen sowie einen landesrechtlichen Bereich ist Art. 74 I Nr. 18 GG, wonach u.a. das ,,Bodenrecht`` zu den GegenstÌnden
der konkurrierenden Gesetzgebung zÌhlt. In einem Rechtsgutachten vom 16. 6. 1954 stellte
das BVerfG (E 3, 407; s. a. BÎhm in NJW 1954, 1474) fest, dass es eine GesetzgebungszustÌndigkeit des Bundes fÏr das Baurecht als Gesamtmaterie nicht gibt. Seinerzeit wurde erwogen, in einem Bundes-Baugesetz das gesamte Bau-, Boden-, Planungs-, Anlieger- und
Umlegungsrecht im Zusammenhang und bundeseinheitlich zu regeln Das Recht der stÌdtebaulichen (gemeindebaulichen) Planung fÌllt nach den Erkenntnissen des BVerfG hiernach unter den Begriff des ,,Bodenrechts`,̀ soweit es sich um die Îrtliche ^ stÌdtische oder
gemeindliche ^ Planung handelt, wÌhrend die ÏberÎrtliche Planung unter den Begriff der
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ZulÌssigkeit von Vorhaben nach Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
Raumordnung fÌllt. Gegenstand der stÌdtebaulichen Planung ist das Vorbereiten und Leiten der gesamten Bebauung in Stadt und Land, der zu ihr gehÎrenden baulichen Anlagen
und sonstigen Einrichtungen sowie der mit dem Bauen in Verbindung stehenden Nutzung des Bodens. Zur stÌdtebaulichen Planung zÌhlt auch die Kehrseite der MaÞnahmen,
nÌmlich die Abgrenzung des von der Bebauung grundsÌtzlich freizuhaltenden Bodens der
Gemeinde, der wiederum aus den freizuhaltenden GrundstÏcken in beplanten Bereichen
und dem AuÞenbereich besteht. Die ZustÌndigkeit des Bundes fÏr das ,,Baupolizeirecht``
hat das BVerfG nur insoweit bejaht, als dieses Bestandteil des Planungsrechts ist. FÏr den
nach dem Ausscheiden des Bauplanungsrechts verbleibenden Bereich des Baupolizeirechts
hat das Gericht eine ZustÌndigkeit des Bundesgesetzgebers nicht anerkannt.
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Das Recht der stÌdtebaulichen Planung in diesem Sinne ist heute im Wesentlichen
im Baugesetzbuch (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. 9. 2004 (BGBl I
S. 2441) geregelt. Der verbliebene Teil des frÏheren ,,Baupolizeirechts`,̀ das Bauordnungsrecht im heutigen Sprachgebrauch, ist weiterhin Sache der Landesgesetzgebung. Zu diesem Teil des Baurechts zÌhlen etwa Anforderungen konstruktiver und baugestalterischer
Art an Bauwerke und Baustoffe, die Grundlagen des Genehmigungsverfahrens fÏr Bauvorhaben und der Ordnung des Bauvorgangs, die Pflicht zum ordnungsgemÌÞen Unterhalten und Instandsetzen oder Beseitigen bei gefÌhrlichen oder ordnungswidrigen ZustÌnden. Diese Regelungen finden sich heute in den Bauordnungen der BundeslÌnder und
dazu erlassenen zahlreichen Verordnungen. Lediglich hingewiesen sei an dieser Stelle auf
das sog. ,,Baunebenrecht``, zu dem alle nicht spezifisch baurechtlichen Vorschriften des
Îffentlichen Rechts gehÎren, die sich unmittelbar auf das Baugeschehen auswirken (vgl.
hierzu Schulte, DVBl 2004, 925 m. w. N.)
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c) Musterbauordnung und Bauordnungen der LÌnder. Nach dem Ergebnis des
Rechtsgutachtens des Bundesverfassungsgerichts war zu befÏrchten, dass in der Folgezeit
sowohl der Bund als auch die LÌnder von ihren jeweiligen TeilzustÌndigkeiten fÏr das Bauordnungsrecht Gebrauch machen wÏrden. Um einer fÏr alle am Baugeschehen Beteiligten
misslichen Rechtszersplitterung frÏhzeitig zu begegnen, schlossen der Bund und die LÌnder am 21. 1. 1955 die Bad DÏrkheimer Vereinbarung (hierzu nÌher Reichel/Schulte S. 86 ff),
in deren Vollzug im Jahre 1959 eine Musterbauordnung (MBO) ausgearbeitet und spÌter
fortgeschrieben wurde, an der sich die LÌnder bei dem Erlass der jeweiligen Landesbauordnungen orientieren und von deren Inhalt sie nur insoweit abweichen sollten, als dies
durch Îrtliche Bedingtheiten geboten war. Die heutige Musterbauordnung (vgl. hierzu
JÌde, NVwZ 2003, 668), die von der Bauministerkonferenz am 8. 11. 2002 beschlossen
worden ist, ersetzt die Musterbauordnung aus dem Jahre 1997. Jene hatte die ursprÏnglich
dem ,,Muster`` zugedachte Aufgabe, die Einheitlichkeit des Bauordnungsrechts zu bewirken, allerdings weitgehend verfehlt; sie entwickelte sich im Zuge des in den 90er Jahren
und bis heute in allen LÌndern zu beobachtenden Bauordnungsrechtsreformeifers zu
einem ,,Muster ohne Wert`,̀ dem keine ,,Integrations- und Leitbildfunktion`` (JÌde, NVwZ
2001, 982) mehr zukam. Ob die Musterbauordnung 2002 geeignet ist, den Geist der Bad
DÏrkheimer Vereinbarung aufzunehmen und ein weiteres Auseinanderdriften des Bauordnungsrechts zu verhindern (kritisch Schulte, DVBl 2004, 925), wird die Entwicklung der
nÌchsten Jahre zeigen mÏssen. Im Folgenden werden die landesrechtlichen Regelungen
auch in ihren Abweichungen dargestellt (vgl. hierzu auch Reichelt/Schulte), wobei freilich nicht jeder Besonderheit nachgegangen werden kann.
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Ûberblick Ïber die Bauordnungen der LÌnder (Stand: FrÏhjahr 2005):
Landesbauordnung fÏr Baden-WÏrttemberg (LBO BW) i. d. F. v. 8. 8. 1995 (GBl. S. 617, zuletzt
geÌnd. durch G. v. 14. 12. 2004 (GBl. S. 884);
Bayerische Bauordnung (BayBO) i. d. F. der Bek. v. 4. 8. 1997 (GVBl. S. 433, zuletzt geÌnd. durch
G. v. 7. 8. 2003 (GVBl. S. 497);
Bauordnung fÏr Berlin (BauO Bln) i. d. F. v. 3. 9. 1997 (GVBl. S. 421), zuletzt geÌnd. durch G. v.
16. 7. 2001 (GVBl. S. 260);
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Brandenburgische Bauordnung (BbgBO) v. 16. 7. 2003 (GVBl. S. 210), zuletzt geÌnd. durch G. v.
9. 10. 2003 (GVBl. S. 273);
Bremische Landesbauordnung (BremLBO) v. 27. 3. 1995 (GBl. S. 211), zuletzt geÌnd. durch G. v.
8. 4. 2003 (GBl S. 159);
Hamburgische Bauordnung (HBauO) v. 1. 7. 1986 (GVBl. S.183), zuletzt geÌnd. durch G. v.
5. 10. 2004 (GVBl. S. 375);
Hessische Bauordnung (LBO He) v. 18. 6. 2002 (GVBl. S. 274);
Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern (LBauO M-V) v. 6. 5. 1998 (GVBl. S. 468), zuletzt geÌnd. durch G. v. 16. 12. 2003 (GVBl. S. 690);
NiedersÌchsische Bauordnung (NBauO) i. d. F. v. 10. 2. 2003 (GVBl. S. 89);
Bauordnung fÏr das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) i. d. F. der Bek. v. 1. 3. 2000
(GVBl. S. 255), zuletzt geÌnd. durch G. vom 4. 5. 2004 (GVBl. S. 259);
Landesbauordnung Rheinland-Pfalz (LBauO RhPf) v. 24. 11. 1998 (GVBl. S. 365), zuletzt geÌnd.
durch G. vom 22. 12. 2003 (GVBl. S. 369);
Bauordnung fÏr das Saarland (LBO Saar) v. 18. 2. 2004 (ABl. S. 822), zuletzt geÌnd. durch G.
vom 7. 9. 2004 (ABl. S. 1507);
SÌchsische Bauordnung (SÌchsBO) v. 28. 5. 2004 (GVBl. S. 200);
Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BauO LSA) v. 9. 2. 2001 (GVBl. S. 50), zuletzt geÌnd.
durch G. v. 19. 7. 2004 (GVBl. S. 408);
Landesbauordnung fÏr das Land Schleswig-Holstein (LBO SH) i. d. F. der Bek. v. 10. 1. 2000
(GVBl. S. 47, ber. S. 213), zuletzt geÌnd. durch G. v. 15. 6. 2004 (GVBl. S. 153, 158);
ThÏringer Bauordnung (ThÏrBO) i. d. F. der Bek. v. 16. 3. 2004 (GVBl. S. 349).
d) Die Wirkungen der Baugenehmigung. Das zentrale Institut der prÌventiven 6
Bauaufsicht ist ungeachtet der seit Jahren zu beobachtenden Tendenz, von ihr ,,Abschied``
zu nehmen (Ortloff, NVwZ 1995, 112), nach wie vor die in allen Bauordnungen vorgesehene Baugenehmigung, die aufgrund eines fÎrmlichen Genehmigungsverfahrens
erteilt wird. In diesem Verfahren wird sichergestellt, dass bei der Verwirklichung eines (genehmigungsbedÏrftigen) Vorhabens die dafÏr geltenden Îffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden (vgl. § 72 I MBO: ,,Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn
dem Vorhaben keine Îffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prÏfen sind.̀`). Die das Verfahren abschlieÞende
Genehmigung stellt die Ûbereinstimmung des geplanten Bauvorhabens einschlieÞlich seiner Nutzung, die ^ wie etwa bei einem Wohnhaus ^ hÌufig unmittelbar aus der Art des
Bauwerks ersichtlich ist, sich insbesondere aber bei gewerblichen und industriellen Bauten
aus einer konkreten Beschreibung (z. B. Betriebsbeschreibung) ergeben muss, mit den
Îffentlich-rechtlichen Vorschriften fest, soweit die Vorschriften von der BaugenehmigungsbehÎrde zu prÏfen sind. Neben dieser feststellenden Wirkung besitzt die Baugenehmigung auch einen verfÏgenden Inhalt, indem sie dem Bauantragsteller die
Befugnis verleiht, das zur Genehmigung gestellte Vorhaben auszufÏhren und/oder die beantragte bauliche Nutzung aufzunehmen (BVerwGE 20, 124 [126] = NJW 1965, 551). Die
Baugenehmigung beseitigt mithin die formelle BaubeschrÌnkung, deren Missachtung im
Ûbrigen in allen LÌndern als Ordnungswidrigkeit verfolgt wird,
(vgl. § 84 I 1 Nr. 3 MBO; § 75 I Nr. 8 LBO BW; Art. 89 I Nr. 10 BayBO; § 75 I Nr. 3 und 8 BauO
Bln; § 79 I Nr. 5 BbgBO; § 88 I Nr. 3 BremLBO; § 80 I Nr. 6 HBauO; § 76 I Nr. 12 LBO He; § 84 I
Nr. 3 LBauO M-V; § 91 I Nr. 1 NBauO; § 84 I Nr. 13 BauO NRW; § 89 I LBauO RhPf; § 87 I Nr. 7
LBO Saar; § 87 I Nr. 3 SÌchsBO; § 88 I Nr. 3 und 5 BauO LSA; § 90 I Nr. 2 und 4 LBO SH; § 81 I
Nr. 3 ThÏrBO).
Die feststellende Wirkung der Baugenehmigung ist fÏr alle Beteiligten von weitrei- 7
chender praktischer Bedeutung: Solange die Genehmigung wirksam ist, kommt ein
RÏckgriff auf das materielle Baurecht nicht in Betracht. Selbst wenn die BehÎrde die Genehmigung zu Unrecht erteilt hat, weil das Bauvorhaben objektiv dem materiellen Recht
widerspricht, schÏtzt die damit rechtswidrige Baugenehmigung den Bauherrn/EigentÏmer vor bauaufsichtlichen MaÞnahmen der BehÎrde (vgl. dazu unten im FÏnften Teil).
Die frÏher vereinzelt geÌuÞerte Meinung, eine Baugenehmigung sei mit der Vollendung
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ZulÌssigkeit von Vorhaben nach Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
des genehmigten Vorhabens ,,verbraucht`` (vgl. hierzu BVerwGE 22, 129 [132 f]), ist sonach
nur hinsichtlich des verfÏgenden Teils der Baugenehmigung, der Baufreigabe, zutreffend.
Die unter VerstoÞ gegen das materielle Recht erteilte Baugenehmigung kann grundsÌtzlich unter den Voraussetzungen des § 48 I VwVfG zurÏckgenommen werden; in diesem
Fall finden zugunsten des Bauherrn die Vorschriften des § 48 III und IV VwVfG Anwendung. Dies gilt freilich nicht, wenn die RÏcknahme der Genehmigung auf einen begrÏndeten Nachbarrechtsbehelf hin erfolgt (§ 50 VwVfG). Ist allerdings die Baugenehmigung
dem Nachbarn gegenÏber unanfechtbar geworden, entfaltet die Genehmigung ihre feststellende Wirkung auch insoweit: Der Nachbar kann nicht mit Erfolg geltend machen, das
bestandskrÌftig genehmigte Vorhaben verstoÞe gegen nachbarschÏtzende Vorschriften des
Îffentlichen Baurechts. Angesichts dieser den Bauherrn auch im VerhÌltnis zu seinem
Nachbarn schÏtzenden Funktion der unanfechtbaren Baugenehmigung ist die in
allen LÌndern zu beobachtende Tendenz, das Baugenehmigungsverfahren verstÌrkt durch
das sog. Genehmigungsfreistellungsverfahren zu ersetzen (vgl. § 62 MBO und unten im
1a. Teil), aus der Sicht des Bauherrn durchaus ambivalent (krit. auch Schulte DVBl 2004,
925).
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e) Genehmigungspflicht und Planungsrecht. Die landesrechtlichen Vorschriften
betreffend die Baugenehmigungspflicht hatten in der Vergangenheit betrÌchtliche Konsequenzen fÏr die planungsrechtliche ZulÌssigkeit baulicher Anlagen. Bereits nach § 29
S. 1 BBauG v. 23. 6. 1960 und spÌter nach § 29 S. 1 BauGB waren die Vorschriften der §§ 30
bis 37 BBauG/BauGB nur auf solche Vorhaben anwendbar, die nach Landesrecht einer
bauaufsichtlichen Genehmigung oder Zustimmung bedurften bzw. die der zustÌndigen
BehÎrde angezeigt werden mussten (BVerwGE 20, 12 = NJW 1965, 548). War ein Objekt
jedoch genehmigungs- und anzeigefrei (z. B. GewÌchshÌuser bis zu 3 m FirsthÎhe nach
§ 81I Nr. 22 BauO NRW 1970 oder landwirtschaftliche GebÌude zum vorÏbergehenden
Schutz von Pflanzen oder Tieren bis zu 4 m FirsthÎhe, vgl. § 81I Nr. 23 BauO NRW 1970),
konnte seine Errichtung z. B. im AuÞenbereich nicht auf der Grundlage von § 35 II, III
BBauG verhindert werden.Wegen der Gesetzgebungsbefugnis des Bundes fÏr das Bodenrecht (vgl. Art. 74 Nr. 18 GG und Rdn. 2) durften die LÌnder nur hinsichtlich solcher
Vorhaben auf eine bauaufsichtliche Genehmigung oder Zustimmung oder auf eine Anzeigepflicht verzichten, die bodenrechtlich von geringem Gewicht waren. Andere Bauvorhaben, deren planungsrechtliche ZulÌssigkeit wegen ihrer bodenrechtlichen Bedeutung
durch §§ 30 ff BauGB gesteuert werden musste, durften von der Genehmigungs-(Anzeige-, Zustimmungs-)pflicht hingegen nicht ausgenommen werden (BVerwGE 72, 300 =
NVwZ 1986, 208; BVerwG NVwZ 1988, 1019). Nachdem indessen die LÌnder in den letzten Jahren in immer grÎÞerem Umfang Vorhaben von der Baugenehmigungspflicht befreiten, ohne sie ^ jedenfalls ausdrÏcklich - einem Zustimmungs- oder Anzeigeverfahren
zu unterwerfen, sah sich der Bundesgesetzgeber veranlasst, § 29 BauGB durch das Bauund Raumordnungsgesetz vom 18. August 1997 der Entwicklung anzupassen (vgl.
BTDrucks. 13/6392 S. 55): Nunmehr gelten die §§ 30 bis 37 BauGB fÏr alle in § 29 BauGB
bezeichneten Vorhaben unabhÌngig davon, ob diese nach Landesrecht einer Genehmigung
oder einer Zustimmung bedÏrfen oder wenigstens angezeigt werden mÏssen.
2. Die genehmigungsfreien (verfahrensfreien) Vorhaben
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a) Der Katalog der genehmigungsfreien Vorhaben. Ein Baugenehmigungsverfahren, auch wenn es sich um ein sog. ,,vereinfachtes Verfahren`` handelt, in welchem nach
MaÞgabe des jeweiligen Landesrechts die Vereinbarkeit des Vorhabens nur mit bestimmten, in der Bauordnung abschlieÞend bezeichneten Vorschriften zu prÏfen ist (vgl. z. B.
§ 63 MBO), wird von den Bauherren zumeist als ,,lÌstiges Ûbel`` empfunden, das zudem
gebÏhrenpflichtig ist; bei den BehÎrden bindet die Bearbeitung eines Bauantrags persÎnliche und sÌchliche Mittel. Deshalb ist die Frage berechtigt, ob jedes noch so unbedeutende Bauvorhaben der Genehmigungspflicht unterliegen muss. Das Baugenehmigungs6
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verfahren soll im Wege der prÌventiven Kontrolle gewÌhrleisten, dass eine beabsichtigte
BaumaÞnahme in Ûbereinstimmung mit dem Îffentlichen Baurecht ausgefÏhrt wird.
Nun sind allerdings die Rechtsvorschriften, die bei der Errichtung einer Baulichkeit einschlÌgig sind, nach Anzahl und KomplexitÌt sehr unterschiedlich: Bei der Errichtung
eines Hochhauses ist ein ganz anderer Normenkatalog zu beachten als etwa bei einem einfachen Holzschuppen; ein GebÌude mit FeuerstÌtte und Aufenthaltsraum birgt grÎÞere
Gefahren fÏr die Îffentliche Sicherheit oder Ordnung als ein GartengerÌtehaus gleicher
Bauart und GrÎÞe. Ein Vorhaben im AuÞenbereich kann wegen der BeeintrÌchtigung
Îffentlicher Belange (§ 35 II, III BauGB) unzulÌssig sein, wÌhrend ein gleichartiges Objekt
im Innenbereich (§ 34 BauGB) unproblematisch ist. Eine groÞflÌchige Werbetafel schlieÞlich kann das Ortsbild verunstalten; ein kleines Werbeschild an gleicher Stelle hingegen
wÏrde von der Verkehrsauffassung ohne weiteres als nicht verunstaltend angesehen. In der
Erkenntnis, dass von baulichen Anlagen sehr unterschiedliche ,,Gefahrenpotenziale`` ausgehen, verzichten die Landesbauordnungen bei zahlreichen Bauvorhaben geringer
Bedeutung auf jede Form der prÌventiven Kontrolle; die betreffenden Objekte kÎnnen
sogleich ausgefÏhrt werden, ohne dass die BaugenehmigungsbehÎrde beteiligt werden
muss. Manche Bauordnungen sprechen insoweit von ,,verfahrensfreien Vorhaben`` (z. B.
§ 50 LBO BW); in anderen LÌnder ist von ,,genehmigungsfreien Vorhaben`` bzw. von ,,genehmigungsfreien Anlagen`` die Rede (z. B. §§ 65, 66 BauO NRW).
Die Vorhaben, die keiner Baugenehmigung bedÏrfen, sind in den Bauordnungen 10
abschlieÞend aufgefÏhrt. Dazu kÎnnen etwa gehÎren: eingeschossige GebÌude mit einer
Brutto-GrundflÌche bis zu 10 qm, sofern diese nicht im AuÞenbereich errichtet werden;
landwirtschaftliche BetriebsgebÌude (WeideunterstÌnde) mit einer WandhÎhe bis zu 5 m
und einer Brutto-GrundflÌche von hÎchstens 100 qm, wenn diese nur zur Unterbringung
von Sachen oder zum vorÏbergehenden Schutz von Tieren bestimmt sind; landwirtschaftliche GewÌchshÌuser mit einer FirsthÎhe bis zu 5 m und einer Brutto-GrundflÌche von
hÎchstens 100 qm; FahrgastunterstÌnde (WartehÌuschen) fÏr den Îffentlichen Personenverkehr oder fÏr die SchÏlerbefÎrderung; Îffentlich zugÌngliche SchutzhÏtten fÏr Wanderer ohne AufenthaltsrÌume; TerrassenÏberdachungen bis zu einer bestimmten GrÎÞenordnung; Gartenlauben in (genehmigten!) Kleingartenanlagen; WochenendhÌuser auf
genehmigten (!) WochenendplÌtzen; Solarenergieanlagen und Sonnenkollektoren an
DÌchern und WÌnden innerhalb bestimmter GrÎÞenbegrenzungen; sonstige Anlagen der
technischen GebÌudeausrÏstung; Brunnen zur Ver- oder Entsorgung; Anlagen der Telekommunikation und der Îffentlichen Versorgung bis zu 5 m HÎhe und bis zu 10 qm
Brutto-GrundflÌche; Antennen und ihre Masten bis zu einer HÎhe von 10 m; Masten aus
GrÏnden des Brauchtums (z. B. MaibÌume); Signalhochbauten fÏr die Landesvermessung
(trigonometrische Punkte); Flutlichtmasten bis zu einer HÎhe von 10 m; ortsfeste BehÌlter
fÏr Gas oder fÏr brennbare oder wassergefÌhrdende FlÏssigkeiten bis zu einem bestimmten
FassungsvermÎgen; sonstige ortsfeste BehÌlter, GÌrfutterbehÌlter, Fahrsilos, Kompost- und
Ìhnliche Anlagen; Wasserbecken mit einem Inhalt von bis zu 100 cbm; Mauern, StÏtzmauern und Einfriedigungen bis zu 2 m HÎhe (nicht im AuÞenbereich); offene, sockellose
Einfriedigungen fÏr landwirtschaftliche GrundstÏcke (WeidezÌune). Die Beispiele wurden § 61MBO entnommen; in den Landesbauordnungen sind die Regelungen zum Teil
anders gefasst, ohne dass die Abweichungen hier dargestellt werden kÎnnen. Einige der
nachstehend zitierten Vorschriften verweisen auf AnhÌnge, in denen die genehmigungsfreien (verfahrensfreien) Vorhaben bezeichnet sind:
(vgl. § 50 LBO BW; Art. 63 BayBO; § 56 BauO Bln; § 55 BbgBO; § 65 BremLBO; § 61HBauO iVm.
BaufreistellungsVO; § 55 LBO He; § 65 LBauO M-V; § 69 NBauO; § 62 LBauO RhPf; § 61 LBO Saar; § 61SÌchsBO; § 69 BauO LSA; § 69 LBO SH; § 63 ThÏrBO).
b) Zusammentreffen genehmigungsfreier und genehmigungsbedÏrftiger Vor- 11
haben. Die soeben genannten sowie die weiteren in den Bauordnungen aufgefÏhrten
Vorhaben sind allerdings nur baugenehmigungsfrei, wenn es sich um selbstÌndige ObEL 17
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ZulÌssigkeit von Vorhaben nach Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
jekte handelt. Werden sie als Teil einer genehmigungspflichtigen Anlage errichtet,
unterliegen sie der Genehmigungspflicht. Sollen eine genehmigungsbedÏrftige und eine
fÏr sich genommen genehmigungsfreie MaÞnahme als einheitliches Bauvorhaben ausgefÏhrt werden, handelt es sich um einen insgesamt genehmigungsbedÏrftigen Vorgang. Die fÏr ein solches Vorhaben erteilte Baugenehmigung erfasst das Genehmigungsobjekt insgesamt; die Feststellungswirkung der Genehmigung (vgl. Rdn. 6 f) betrifft auch
solche Teile, die bei isolierter Betrachtung genehmigungsfrei sind (OVG MÏnster BRS 66
Nr. 173 = BauR 2004, 304). Nichts anderes gilt, wenn eine genehmigungspflichtige Anlage nachtrÌglich mit einer baulichen Einrichtung versehen wird, die ,,an sich`,̀ weil in
dem Katalog der genehmigungsfreien Vorhaben enthalten, nicht der Genehmigung bedarf. Durch die neue MaÞnahme wird notwendigerweise zugleich die bereits vorhandene
Anlage geÌndert, sodass in einem Genehmigungsverfahren zu untersuchen ist, ob die genehmigungspflichtige Anlage auch nach der Ønderung noch den Îffentlich-rechtlichen
Vorschriften entspricht. Beispiele: Nach allen Landesbauordnungen sind unter gesetzlich
nÌher bestimmten Voraussetzungen Garagen an der GrundstÏcksgrenze zulÌssig bzw. kÎnnen diese GebÌude an der Grenze zugelassen werden (vgl. § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 MBO).
Sollen nun auf einer solchen ,,Grenzgarage`` (dieser Begriff findet sich nicht als Tatbestandsmerkmal in den Grenzabstandvorschriften der Bauordnungen; er wurde in der
Rechtsprechung der OVG und VGH geprÌgt, vgl. z. B.VGH Mannheim NVwZ-RR 2005,
89; OVG Koblenz BauR 2004, 1986; VGH Kassel BRS 66 Nr. 134) eine Dachterrasse angelegt oder eine Parabolantenne montiert werden, stellt sich die in einem Baugenehmigungsverfahren zu beurteilende Frage, ob die Garage, obwohl sie jetzt eine zusÌtzliche,
Ïber das bloÞe Abstellen von Kraftfahrzeugen hinausgehende Funktion wahrnimmt, dennoch grenzabstandrechtlich privilegiert ist. Die betreffenden Anlagen kÎnnen also nicht
isoliert, sondern nur in Verbindung mit der Garage beurteilt werden; sie sind daher genehmigungsbedÏrftig (OVG MÏnster NWVBl. 1990, 380). Eine WÌrmepumpe in einem etwa
2 m langen, 1,20 m hohen und 0,80 m tiefen MetallgehÌuse lÎst AbstandsflÌchen aus; ihre
Errichtung auf dem Flachdach einer Garage kann deren ZulÌssigkeit in Grenzbauweise
entfallen lassen (OVG MÏnster ZfBR 1992, 50). Auch eine Garage mit Parabolantenne ist
keine Grenzgarage (OVG MÏnster BRS 52 Nr. 133 = BauR 1992, 53). Auf diese Rechtsprechung des OVG MÏnster hat der Gesetzgeber reagiert und nunmehr Solarenergieanlagen
und Parabolantennen auf Grenzgaragen fÏr zulÌssig erklÌrt, § 6 Abs. 11 Nr. 1 BauO NRW.
Nach Ansicht des VGH Kassel (ESVGH 49, 77 = BRS 60 Nr. 102 = NVwZ-RR 1999, 297)
sind Parabolantennen auf Grenzgaragen baugenehmigungsfrei. Eine Garage mit ,,Dachterrasse`` ist allerdings keine Grenzgarage im Sinne der einschlÌgigen Vorschrift der
hessischen Bauordnung (VGH Kassel BRS 66 Nr. 134).
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c) Genehmigungsfreiheit und materielles Baurecht. Indem die Landesbauordnungen bestimmte BaumaÞnahmen geringerer Bedeutung aus der Genehmigungspflicht herausnehmen, verzichten sie lediglich auf die prÌventive Kontrolle der Vereinbarkeit mit den
Îffentlich-rechtlichen Vorschriften. SelbstverstÌndlich mÏssen auch genehmigungsfreie
Vorhaben uneingeschrÌnkt dem materiellen Baurecht entsprechen. Dies folgt schon
aus dem in § 1I 1 der meisten Landesbauordnungen beschriebenen Anwendungsbereich,
wonach ,,dieses Gesetz`` fÏr (alle) baulichen Anlagen und Bauprodukte gilt, ohne dass zwischen genehmigungsfreien und genehmigungsbedÏrftigen Anlagen unterschieden wird.
Die Bauordnungen Bayerns, Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns und ThÏringens
betonen an dieser Stelle ausdrÏcklich ihre Geltung fÏr alle baulichen Anlagen. Weil indessen bei Bauherren und auch bei manchen Architekten immer wieder die Vorstellung anzutreffen ist, ein genehmigungsfreies Vorhaben unterliege auch in Ansehung des materiellen
Baurechts weniger strengen Vorschriften als ein genehmigungsbedÏrftiges Objekt, stellen
nahezu alle Landesbauordnungen im Zusammenhang mit der AufzÌhlung der genehmigungsfreien Vorhaben ausdrÏcklich klar, die Genehmigungsfreiheit entbinde nicht von
der Pflicht zur Einhaltung der Îffentlich-rechtlichen Vorschriften (vgl. z. B. § 59 II MBO).
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Nachdem § 29 BauGB die Anwendbarkeit der §§ 30 ff BauGB nicht mehr von landesrechtlichen Genehmigungs-, Zustimmungs- und Anzeigeverfahren abhÌngig macht (vgl.
Rdn. 8), sind genehmigungsfreie Baulichkeiten etwa im AuÞenbereich nur nach MaÞgabe
des § 35 BauGB zulÌssig.
Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans waren schon aufgrund der frÏheren Fas- 13
sung des § 29 BBauG/BauGB dessen Festsetzungen unabhÌngig von der Anwendbarkeit
des § 30 BauGB auch fÏr genehmigungsfreie Vorhaben beachtlich; denn der Bebauungsplan als gemeindliche Satzung (§ 10 I BauGB) gilt unmittelbar und ohne dass es eines
RÏckgriffs auf § 29 BauGB a.F. bedurfte, weil er Rechtsnormcharakter hat (BVerfGE 70,
35 = NJW 1985, 2315 = BRS 44 Nr. 24 sowie BVerwG BRS 59 Nr. 127 = NJW 1997, 2063).
Soll ein Vorhaben, das keiner Baugenehmigung bedarf, abweichend von einer Vorschrift
des materiellen Baurechts ausgefÏhrt werden und kann dies im Wege einer Ausnahme,
einer Befreiung oder ^ nach neuerem Sprachgebrauch ^ eines Abweichungsbescheides zugelassen werden (vgl. § 67 MBO), bewirkt der Abweichungsbescheid (bzw. der Bescheid
Ïber die Ausnahme oder die Befreiung) nicht die formelle RechtmÌÞigkeit des gesamten (Bau-)Vorhabens. Denn im Befreiungs- bzw. Abweichungsverfahren, das schriftlich
zu beantragen ist (§ 67 II MBO), findet gerade keine prÌventive Kontrolle des gesamten
Vorhabens und seiner Ûbereinstimmung mit dem materiellen Recht statt, es wird nur die
Abweichung von einer einzelnen Rechtsvorschrift erlaubt.
Wird ein genehmigungsfreies Vorhaben unter VerstoÞ gegen materielles Bauord- 14
nungsrecht oder andere Îffentlich-rechtliche Vorschriften errichtet, verÌndert usw., kann
die BauaufsichtsbehÎrde die Nutzung untersagen oder den Abbruch fordern. Anders als
im Falle einer erteilten Baugenehmigung, die, solange sie wirksam ist, den RÏckgriff auf
das materielle Recht ausschlieÞt (vgl. Rdn. 7), kann die BauaufsichtsbehÎrde bei genehmigungsfreien Objekten jederzeit das materielle Recht durchsetzen.
Die baurechtliche Genehmigungsfreiheit bedeutet nicht, dass das Vorhaben in 15
jedem Fall ohne eine behÎrdliche Zulassung ausgefÏhrt werden darf. Sofern in Rechtsvorschriften auÞerhalb des Îffentlichen Baurechts Genehmigungspflichten normiert
sind, gelten diese auch hinsichtlich solcher Vorhaben, fÏr die nach den Bauordnungen der
LÌnder keine Baugenehmigung beantragt werden muss. So bedarf ein eingeschossiges GebÌude im Innenbereich mit einer Brutto-GrundflÌche bis zu 10 qm nach § 61I Nr. 1a)
MBO zwar keiner baurechtlichen Genehmigung. Soll das Objekt indessen auf einer
Îffentlichen VerkehrsflÌche ausgefÏhrt werden, muss der Bauherr eine Sondernutzungserlaubnis der insoweit zustÌndigen BehÎrde einholen. Die Errichtung eines Weideunterstandes oder einer SchutzhÏtte fÏr Wanderer ist grundsÌtzlich genehmigungsfrei (vgl.
§ 61I Nr. 1c) und f) MBO); werden diese Anlagen jedoch in einem Landschaftsschutzgebiet errichtet, bedarf es einer Ausnahme oder einer Befreiung von dem landschaftsrechtlichen Bauverbot durch die dafÏr zustÌndige BehÎrde.
d) Meinungsverschiedenheiten betreffend die Genehmigungspflicht. Gelegent- 16
lich ist zwischen dem Bauherrn und der BauaufsichtsbehÎrde streitig, ob eine bauliche
MaÞnahme genehmigungsbedÏrftig ist. Zumeist ist der Bauherr der Meinung, er benÎtige fÏr ein geplantes Vorhaben keine Baugenehmigung, wÌhrend die BauaufsichtsbehÎrde es anders sieht. Es kommt jedoch auch vor, dass der Bauherr eine Baugenehmigung fÏr ein Vorhaben begehrt, welches nach Auffassung der BehÎrde genehmigungsfrei
ist. Damit stellt sich die Frage, auf welche Weise in einer solchen Situation die Rechtslage
^ ggf. gerichtlich ^ geklÌrt werden kann. Man kann dem Bauherrn im ersten Fall kaum
zumuten, mit den Bauarbeiten zu beginnen und die Stilllegung der Baustelle durch die
BehÎrde abzuwarten, um sodann im Anfechtungsprozess gegen die StilllegungsverfÏgung
die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts zu erfahren. Immerhin riskiert der Bauherr
nicht nur die Einstellung der Bauarbeiten, sondern auch den Erlass eines BuÞgeldbescheides. In der umgekehrten Konstellation wird man dem Bauherrn nicht empfehlen kÎnnen,
fÏr ein von der BauaufsichtsbehÎrde als genehmigungsfrei eingestuftes Vorhaben einen
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ZulÌssigkeit von Vorhaben nach Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
Bauantrag zu stellen. Denn er muss damit rechnen, dass der Antrag gebÏhrenpflichtig als
unzulÌssig abgelehnt wird, weil die BehÎrde ^ von ihrem Rechtsstandpunkt aus konsequent ^ meint, ein genehmigungsfreies Vorhaben sei gar nicht genehmigungsfÌhig. Nach
Ansicht des VGH MÏnchen (NVwZ 1988, 944 = BayVBl 1987, 499) kommt im ersten Fall
(Bauherr nimmt fÏr sein Vorhaben Genehmigungsfreiheit an) eine Verpflichtungsklage,
gerichtet auf den Erlass eines Verwaltungsakts, mit dem die BauaufsichtsbehÎrde die Genehmigungsfreiheit zu bescheinigen hat, nicht in Betracht. Dem ist zuzustimmen; denn es
fehlt an einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage, nach der das Gericht die BehÎrde antragsgemÌÞ verurteilen kÎnne. Auch ein Bauvorbescheid (vgl. Rdn. 149 ff) kann fÏr ein baugenehmigungsfreies Objekt nicht erteilt werden (OVG Saarlouis BRS 55 Nr. 142). Jedoch
kann der Bauherr die Feststellungsklage (§ 43 I VwGO) erheben, weil zwischen ihm und
der BauaufsichtsbehÎrde ein streitiges RechtsverhÌltnis besteht, nÌmlich der Streit um die
GenehmigungsbedÏrftigkeit der beabsichtigten BaumaÞnahme (so zutreffend VGH MÏnchen aaO. unter Bezugnahme auf BVerwGE 16, 92; ebenso OVG Saarlouis BRS 55 Nr. 83).
3. Die genehmigungsbedÏrftigen Vorhaben
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a) Genehmigungspflicht, insbesondere bei NutzungsÌnderungen. Die weiter
oben (Rdn. 10) mitgeteilten Beispiele genehmigungsfreier Bauvorhaben stellen ebenso
wenig wie die im 1a. Teil zu behandelnden Vorhaben, fÏr die das sog. Genehmigungsfreistellungsverfahren durchzufÏhren ist, in Frage, dass die Errichtung, die Ønderung, die
NutzungsÌnderung und der Abbruch baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen, die dem Bauordnungsrecht der BundeslÌnder unterliegen, grundsÌtzlich genehmigungspflichtig sind Dies bringt der mit ,,Grundsatz`` Ïberschriebene § 59 MBO
treffend zum Ausdruck: ,,Die Errichtung, Ønderung und NutzungsÌnderung von Anlagen bedÏrfen der Baugenehmigung, soweit in den §§ 60 bis 62, 76 und 77 nichts anderes
bestimmt ist`.̀ Die Vorschriften der Landesbauordnungen weichen in ihrem Wortlaut nicht
nennenswert ab; alle Bestimmungen normieren die Genehmigungspflicht, ,,soweit`` keine
anderen Regelungen bestehen:
(§ 49 I LBO BW; Art. 62 BayBO; § 55 I BauO Bln; § 54 BbgBO; § 64 I BremLBO; § 60 I HBauO;
§ 54 I LBO He; § 62 I LBauO M-V; § 68 I NBauO; § 63 I BauO NRW; § 61LBauO RhPf; § 60 I
LBO Saar; § 59 I SÌchsBO; § 66 I BauO LSA; § 68 I LBO SH; § 62 I ThÏrBO).
18
Jedes Vorhaben, das weder in den abschlieÞenden Katalogen der Landesbauordnungen
betreffend die genehmigungsfreien bzw. freigestellten Vorhaben aufgefÏhrt noch sonst in
einer besonderen Vorschrift von einem bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren ausgenommen ist, bedarf der formellen Legalisierung durch eine Baugenehmigung. Ob
ein Vorhaben im Einzelfall der Genehmigungspflicht unterliegt, lÌsst sich unschwer feststellen, sofern die Errichtung einer Baulichkeit in Rede steht. Auch bei der Ønderung
oder dem Abbruch kÎnnen genehmigungsbedÏrftige MaÞnahmen in Anwendung des
Katalogs der baugenehmigungsfreien (bzw. freigestellten) Vorhaben regelmÌÞig von denjenigen MaÞnahmen unterschieden werden, fÏr die eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist. Abgrenzungsschwierigkeiten kÎnnen sich indessen ergeben, wenn bei einer bestehenden baulichen Anlage die Nutzung geÌndert wird: Soll in einem Einfamilienhaus
ein nicht mehr benÎtigtes Kinderzimmer in ein hÌusliches Arbeitszimmer etwa eines Lehrers umgewandelt werden, liegt gewiss keine NutzungsÌnderung im Sinne der bauordnungsrechtlichen Vorschriften vor; das GebÌude wird weiterhin in Ûbereinstimmung mit
der dafÏr erteilten Baugenehmigung als Wohnhaus genutzt, auch wenn einer der Bewohner
nunmehr einen Wohnraum im Zuge seiner BerufstÌtigkeit (Unterrichtsvorbereitung) in
Anspruch nimmt. Wie verhÌlt es sich jedoch, wenn ein Steuerberater das betreffende GebÌude fÏr sich und seine Familie zu Wohnzwecken erwirbt und er zudem in dem ehemaligen Kinderzimmer seinem ,,freien Beruf`` (vgl. § 13 BauNVO) nachgehen mÎchte? Wenn
in einemWohngebÌude ein Gewerbebetrieb seine TÌtigkeit aufnimmt, dÏrfte ohne weiteres
eine genehmigungspflichtige NutzungsÌnderung anzunehmen sein. Ist jedoch die Umnut10
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Formelle ZulÌssigkeitsvoraussetzungen
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zung eines Ladenlokals, in dem bislang Lebensmittel verkauft wurden, in einen Sex-Shop
eine genehmigungspflichtige NutzungsÌnderung? Immerhin findet in dem Laden weiterhin ,,Einzelhandel`` statt, auch wenn das Warensortiment ein anderes geworden ist.
Bereits diese wenigen Beispiele zeigen: Bei NutzungsÌnderungen kann die Frage, 19
ob ein genehmigungsbedÏrftiger Vorgang stattfindet, nur mit Blick auf das materielle
Recht beantwortet werden: Die neue Nutzung unterliegt der Baugenehmigungspflicht,
wenn zum einen fÏr sie andere (weitergehende) Îffentlich-rechtliche Vorschriften ^ des
Bauordnungsrechts und/oder des Bauplanungsrechts ^ gelten als fÏr die bisherige Nutzung, und wenn zum anderen die Einhaltung dieser Vorschriften in einem Genehmigungsverfahren geprÏft werden muss. Mit anderen Worten: Eine genehmigungspflichtige
NutzungsÌnderung ist gegeben, wenn die ,,Genehmigungsfrage`` neu aufgeworfen wird.
Das ist der Fall, wenn die der einzelnen Art der Nutzung eigene, tatsÌchliche Variationsbreite verlassen wird und durch die VerÌnderung bauordnungsrechtliche oder bodenrechtliche Belange erneut berÏhrt werden kÎnnen (fÏr das Planungsrecht: BVerwG NVwZ
1991, 264 = BRS 50 Nr. 111 = BauR 1990, 582; BVerwG BRS 48 Nr. 138 = NVwZ 1989,
667; VGH MÏnchen BRS 66 Nr. 143 = NVwZ-RR 2003, 726; OVG MÏnster BRS 65
Nr. 158 = NVwZ-RR 2003, 482).
Wegen der Schwierigkeiten, genehmigungspflichtige NutzungsÌnderungen von sonsti- 20
gen Ønderungen zu scheiden, enthalten die meisten Bauordnungen Vorschriften, die sich
nÌher mit den baurechtlich relevanten NutzungsÌnderungen befassen und diese ausdrÏcklich genehmigungsfrei stellen, sofern sie bestimmte Merkmale erfÏllen: Nach § 50 II
LBO BW ist eine NutzungsÌnderung verfahrensfrei, wenn fÏr die neue Nutzung keine
anderen oder weitergehenden Anforderungen gelten als fÏr die bisherige Nutzung oder
durch die neue Nutzung zusÌtzlicher Wohnraum in WohngebÌuden geringer HÎhe im
Innenbereich geschaffen wird. Nach Art. 62 S. 2 BayBO liegt eine NutzungsÌnderung
auch dann vor, wenn einer baulichen Anlage eine andere Zweckbestimmung gegeben
wird. Art. 63 IV Nr. 1 BayBO bestimmt, dass die NutzungsÌnderung von GebÌuden und
RÌumen, die nicht im AuÞenbereich liegen, genehmigungsfrei ist, wenn fÏr die neue
Nutzung keine anderen Îffentlich-rechtlichen, insbesondere auch bauplanungsrechtlichen
Anforderungen als fÏr die bisherige Nutzung in Betracht kommen. § 56 Abs. 2 Nr. 1 BauO Bln ordnet die Genehmigungsfreiheit u. a. fÏr solche NutzungsÌnderungen an, bei
denen fÏr die neue Nutzung keine anderen oder weitergehenden Îffentlich-rechtlichen
Vorschriften gelten als fÏr die bisherige Nutzung. Øhnliche Regelungen finden sich in
§ 55 XII Nr. 1 BbgBO, § 65 II Nr. 1 LBauO M-V, § 62 II Nr. 5 a) LBauO RhPf und § 69 II
S. 2 Nr. 1 BauO LSA. Nach § 60 I 2 HBauO ist die Ønderung der Nutzung von baulichen
Anlagen genehmigungspflichtig, wenn von der im Bebauungsplan festgesetzten Nutzung
abgewichen wird oder wenn besondere Rechtsvorschriften fÏr die Benutzung bestehen.
Diese Vorschriften stellen also ^ augenscheinlich die Praxis der BauaufsichtsbehÎrden und
der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung aufgreifend ^ sinngemÌÞ darauf ab, ob die
,,Genehmigungsfrage`` neu aufgeworfen wird.
Beispiele aus der Rechtsprechung zu genehmigungsbedÏrftigen NutzungsÌnde- 21
rungen:
^ Umwandlung einer Tischlerei in eine Wohnnutzung (OVG MÏnster BauR 2004, 1765),
^ Wiederinbetriebnahme eines landwirtschaftlichen GebÌudes zum Zwecke der Schweinehaltung
(OVG MÏnster BRS 66 Nr. 79 = BauR 2003, 1850),
^ Errichtung einer Mobilfunk-Basisstation eines gewerblichen Netzbetreibers auf und in einem bisher ausschlieÞlich zu Wohnzwecken genutzten GebÌude (VGH Mannheim BRS 62 Nr. 164 = BauR
2000, 712; OVG LÏneburg BRS 65 Nr. 203 = NVwZ-RR 2002, 822 = BauR 2002, 772; OVG
MÏnster BRS 65 Nr. 158 = NVwZ-RR 2003, 482),
^ Umwandlung eines Wellness-Betriebes in ein Bordell (VGH Kassel BRS 65 Nr. 160 = NVwZ-RR
2003, 720),
^ Umwandlung eines Beherbergungsbetriebes in Wohnungen (VGH MÏnchen BRS 66 Nr. 143 =
NVwZ-RR 2003, 726),
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ZulÌssigkeit von Vorhaben nach Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
^ Umnutzung einer Wohnung zum Zwecke der Prostitution (OVG Koblenz BauR 2002, 1692),
^ NutzungsÌnderung eines groÞflÌchigen Einzelhandels bei vollstÌndigem Sortimentswechsel (OVG
MÏnster, Beschl. v. 29. 3. 1999 ^ 10 B 417/99, ,,Juris``),
^ Umwandlung eines Einzelhandelsbetriebes in einen Sex-Shop mit der MÎglichkeit von VideovorfÏhrung (OVG MÏnster, Beschl. v. 26. 3. 1998 - 10 B 501/98, ,,Juris``),
^ Einrichtung einer AuÞenwohngruppe eines Kinderheims anstelle einer bisherigen Nutzung eines
Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung (VGH Kassel ZfBR 1998, 324),
^ NutzungsÌnderung einer Lagerhalle fÏr den GroÞhandel durch LagerverkÌufe an den Endverbraucher (OVG MÏnster BRS 59 Nr. 146),
^ Umwandlung einer GaststÌtte in eine Diskothek (BVerwG BRS 64 Nr. 73; VGH Kassel NVwZ
1983, 687 = BRS 40 Nr. 166),
^ Zusammenlegung von MÎbelmarkt und EinzelhandelsgroÞbetrieb (OVG Saarlouis BRS 46
Nr. 135),
^ Aufstellung von Video-Kabinen im Sex-Laden (OVG LÏneburg BRS 47 Nr. 199),
^ Umwandlung von SB-Laden fÏr Lebensmittel in Porno-Laden mit Video-Kabinen (OVG MÏnster
BRS 47 Nr. 202),
^ Umwandlung einer Eisenwarenhandlung in eine Spielhalle (OVG MÏnster, BRS 50 Nr. 127).
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b) Baugenehmigung als eingeschlossener Bestandteil einer anderweitigen Genehmigung; Vorrang anderer Gestattungsverfahren. Ist ein nach den Landesbauordnungen genehmigungspflichtiges Vorhaben auch nach fachgesetzlichen Vorschriften
genehmigungsbedÏrftig, schlieÞt die fachgesetzliche Genehmigung die Baugenehmigung ein, sofern das Fachrecht (z. B. § 13 BImSchG) oder die Landesbauordnung (z. B.
§ 63 II BauO NRW) dies anordnet. Auch ein Planfeststellungsbeschluss umfasst regelmÌÞig die Baugenehmigung, weil er die ZulÌssigkeit des Vorhabens im Hinblick auf alle
von ihm berÏhrten Îffentlichen Belange feststellt, vgl. § 75 I VwVfG. Die Entbehrlichkeit einer gesonderten Baugenehmigung bedeutet also nicht, dass die bauordnungsrechtlichen Bestimmungen fÏr die Erteilung der aufgrund anderer Gesetze mit Konzentrationswirkung ausgestatteten Erlaubnisse und PlanfeststellungsbeschlÏsse irrelevant sind.
Vielmehr sind sie nunmehr grundsÌtzlich beim Erlass der in den Fachgesetzen geregelten
Erlaubnisse, Genehmigungsverfahren und bei PlanfeststellungsbeschlÏssen zu beachten
(Schenke Rdn. 35). Sollte die immissionsschutzrechtliche Genehmigung wegen Aufhebung
des Genehmigungserfordernisses (vgl. § 18 II BImSchG) wirkungslos werden, erlischt dadurch nicht auch die eingeschlossene Baugenehmigung; diese bleibt vielmehr insoweit
partiell einschlieÞlich hierauf zu beziehender Nebenbestimmungen bestehen (OVG MÏnster NVwZ 1994, 184 = BRS 55 Nr. 153).
22a
Anders als in den soeben erÎrterten Konstellationen stellt sich die Rechtslage nach
§ 60 MBO und den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften (z. B. Art. 87 I BayBO,
§ 60 SÌchsBauO) dar, soweit dort der Vorrang anderer Gestattungsverfahren normiert
ist. Danach ist fÏr bestimmte Anlagen, die nach anderen Rechtsvorschriften zulassungsbedÏrftig sind, keine Baugenehmigung (bzw. Abweichung, Genehmigungsfreistellung,
Zustimmung und BauÏberwachung) erforderlich. Nach § 60 S. 1 Nr. 5 MBO gilt dies u. a.
fÏr Anlagen, fÏr die eine gewerberechtliche Genehmigung oder Erlaubnis erforderlich ist,
ausgenommen gaststÌttenrechtliche Erlaubnisse. Ist also eine Anlage nach der Gewerbeordnung genehmigungspflichtig, braucht fÏr diese eine Baugenehmigung nicht eingeholt
zu werden. Die gewerberechtliche Erlaubnis schlieÞt die Baugenehmigung hierbei
nicht ein, sondern sie erÏbrigt die Erteilung einer Baugenehmigung. Allerdings ist der
Begriff ,,Anlage`` in diesem Zusammenhang baulich-technisch zu verstehen; nicht gemeint sind ,,Vorhaben`,̀ bei denen persÎnliche Eigenschaften des Bauherrn bzw. des Antragstellers von Bedeutung sind.
Beispiel: In einem frÏheren EinzelhandelsgeschÌft soll eine Spielhalle eingerichtet werden. Hierbei
handelt es sich um eine NutzungsÌnderung im bauordnungsrechtlichen Sinne (vgl. Rdn. 18 ff); ferner
liegt ein nach der Gewerbeordnung (vgl. § 33 i GewO) erlaubnispflichtiger Tatbestand vor, bei dem
die persÎnliche ZuverlÌssigkeit des Spielhallenbetreibers von wesentlicher Bedeutung ist (§ 33 i Abs. 2
Nr. 1 iVm. § 33c Abs. 2 GewO).
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