Diabetische Angiopathie
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Diabetische Angiopathie
Diabetische Angiopathie Kapitel 25: Diabetische Angiopathie Charakteristik: Die diabetische Angiopathie lässt sich in eine Mikro- und eine Makroangiopathie unterteilen. Meist kommen beide gemeinsam vor, wenn auch in unterschiedlicher Bedeutung. Das klinische Bild des diabetischen Fußes wird allerdings noch von einer Polyneuropathie mitgeformt, die ihrerseits eine typische Symptomatik erzeugt . In der Beurteilung des Krankheitsbildes gibt es divergierende Meinungen. Bei der globalen Betrachtung der Pathophysiologie werden stets alle 3 Faktoren in das Kausalgeschehen einbezogen, so dass z. B. eine neuropathische Komponente ohne gleichzeitige Gefäßveränderung (Mediasklerose) nicht entstehen könnte. Nach anderer Auffassung, der therapeutische Erfahrungen zugrunde gelegt sind, entsteht das klinische Bild des diabetischen Fußes in 40 % durch neuropathische Einflüsse, in 25 % ist das Gefäßleiden dominant, während 35 % den Mischformen zuzurechnen sind (Rathmann 1995). Allerdings wird die Forderung, den Ausdruck "diabetischer Fuß" allein für die neuropathisch bedingte Form der plantaren Geschwürsbildung zu verwenden, nicht allgemein akzeptiert. ad 1) Typ I: Insulinmangel-Diabetes Typ Ia: Diabetes im Kindesalter Typ Ib: Diabetes-Beginn vor dem 35. Lebensjahr bevorzugte Tendenz zur Polyneuropathie Typ II: nicht Insulin-abhängiger Diabetes Typ IIa: mit Adipositas Æ Das metabolische Syndrom steht hier im Vordergrund. Es besteht deshalb eine vermehrte Tendenz zur Makroangiopathie in Form von Verschlüssen der A. femoralis und A. profunda femoris Typ IIb: mit Normalgewicht ad 2) Kälte- und Taubheitsgefühl sind meist Folge der Polyneuropathie. Es handelt sich um eine subjektive Empfindung, während sich die Zehen und Fußsohlen infolge der neuropathiebedingten Sympathikolyse ausgesprochen warm anfühlen, sofern keine größere makrozirkulatorische Störung das klinische Bild beherrscht. Zu der dissoziierten "sockenförmigen" Empfindungsstörung gesellt sich im weiteren Verlauf eine Störung des Berührungs- und Vibrationsempfindens. Als Späterscheinung können motorische Schäden auftreten (Atrophie). Die Ursache der Neuropathie ist sowohl vaskulärer Natur (Mikroangiopathie) als auch metabolischen Ursprungs. Die metabolische Theorie besagt, dass durch den gestörten Aldose-Reduktase-Stoffwechsel eine Zunahme des Sorbitgehaltes zustande kommt, der wiederum toxisch auf den Myosinstoffwechsel des peripheren und autonomen Nervensystems einwirkt. Die Konsequenz ist eine Zerstörung der sympathischen Fasern (Autosympathektomie) mit irreparabler Gefäßweitstellung und der Verlust des vaskulären Anpassungsvermögens an variable Umwelteinflüsse. Schädigungen des knöchernen Fußskelettes (diabetisch-neuropathische Osteoarthropathie) beruhen auf der oben beschriebenen pathophysiologischen Situation. Die knöchernen Defekte lassen sich in 3 Arten unterteilen, nämlich Nekrosen der Metatarsalia (im Bereich der Metatarso-Phalangealgelenke). Röntgenbild: Schmelzender Eisstiel (Zuckerstengeldeformität) der betroffenen Metatarsalia Veränderungen im Bereich des Lisfranc´schen Gelenkes. Konsequenz: Naviculare-Luxation Ursache des Knick-Plattfußes in Vorfußabduktion Veränderungen im Chopart´schen Gelenk. Konsequenz: Völliger Einbruch des Längsgewölbes (Wetz 1998). 1 Diabetische Angiopathie Anamnese Diabetes Typ I Typ II 1-- Hypertonie Nikotin Formen des diabetischen Fußes: a) Die vorwiegend neuropathische Form: Fuß warm Hautfarbe normal Fußpulse tastbar Epidermis trocken, rissig Motorische Atrophie der kleinen Fußmuskeln mit Überstreckung der Zehen in den Grundgelenken Rö. Knochendeformität von Metatarsalia ("abschmelzender Eisstiel") Koffein Neuropathie-bedingte fehlende Schweißdrüseninnervation (Autosympathektomie) Nb.: Bereits in den frühen Stadien der Neuropathie lassen sich erhöhte plantare Druckbelastungen nachweisen. Die Mikroangiopathie ist dieser Auffassung zufolge nicht der auslösende Faktor für die Ulcusentstehung. Vermehrte Druckbelastung der Weichteile über den Metatarsalköpfchen Hyperkeratose Blasenbildung b) Die vorwiegend makrovasculäre Form: Beschwerden Sie fehlen entweder ganz oder sind gegenüber der Schwere des Krankheitsbildes erstaunlich gering (distale Nekrose, Gangrän), verminderte Schmerz- und Berührungsempfindung 2-- Kälte- und Taubheitsgefühl; sockenartige beidseitige dissoziierte Missempfindung; Störung des Berührungs- und Vibrationsempfindens; motorische Schäden; knöcherne Defekte 3-- Rhagaden Fuß kalt Hautfarbe blass oder livid Fußpulse fehlen (Kniekehlenpuls!) Akrale Läsionen schmerzhaft (Ruheschmerz mit hämostatischer Besserung durch Hängenlassen der Extremität) Infekt anfänglich nicht obligat Zehen-/Fußrückennekrose bzw. Gangrän Infekt Mal perforans Die Makroangiopathie zeichnet sich durch eine Kombination von Unterschenkelverschlüssen in Verbindung mit Stenosen oder Verschlüssen der A. femoralis aus. Meist ist sie mit gleichartigen Veränderungen der A. profunda femoris gekoppelt, so dass keine ausreichende Kollateralisation zustande kommen kann. c) Die Mischform: Sie ist neben fehlenden Fußpulsen vor allem an der Schmerzlosigkeit der Ulceration erkennbar. Claudicatio Kuppen-/ Fußsohlendefekt Ursache Diagnostik Differentialdiagnose Therapie Zeitlich vorverlegte und besonders schwere Gangart der Arteriosklerose. 6-- Arterielle Verschlusserkrankungen (ohne Begleitdiabetes) konserativ systemische Lyse PTA Bypassoperation Gewebstransplantation 4-- Hyperinsulinämie / Makroangiopathie 5-- Mikroangiopathie Klinik Pulsstatus/Strömungsgeräusche CW-Doppler Duplex-Sonographie 7-8-- Elektr. Oszillogramm Akrale-Oszillographie Volumenplethysmographie Transkutane O2-Partialdruckmessung Laser-Doppler-Fluxmetrie 9-- Angiographie (iv. DSA) 10-- Labor (spezielle Abklärung der Risikokonstellation) NeurologischeNephrologischeOphthalmologische Morbus Buerger Entzündliche Gefäßerkrankungen Dekubitus Untersuchung 2 Diabetische Angiopathie Besonderheiten der Angiopathie bei Diabetes mellitus Makroangiopathie Periphere Lokalisation (Infrapopliteale Verschlüsse) Mönckeberg’sche Mediasklerose Mikroangiopathie Morphologie Kapilläre Basalmembranverdickung Perizytendegeneration (Permeabilität ) Abb. 88) Diabetische Makro- (kurzstreckiger Femoralisverschluss) und Mikro-angiopathie. Z. n. Exstirpation der 2. Zehe mit fortschreitender Fuß-rückennekrose und Lymphangiitis trotz antibiotischer, lokaler und ge-fäßaktiver Therapie (51 jährige Frau). Abb. 89) Akute Osteomyelitis der Großzehe und des Capitulum Metatarsale I bei tastbaren Fußpulsen (Mediasklerose) (56 jähriger Mann). Funktion Vasokonstriktorenantwort Hyperämiereserve Hämorrheologie/ -staseologie Thrombozytenadhäsion/Aggregabilität Erythrozyten-Verformbarkeit Fibrinogen Fibrinolytisches System Abb. 90) Z. n. Vorfußresektion mit sekundärem markstückgroßen plantaren Hautdefekt und überdeckende Bindegewebswucherung. Tastbare Fußpulse (63jähriger Mann). 3 Diabetische Angiopathie ad 3) ad 6) Eine Claudicatio intermittens kommt bei ausschließlich peripherer Verschlusslokalisation im Unterschenkel-/ Fußbereich sehr selten vor. Sie ist vielmehr ein bevorzugtes Symptom des Morbus Buerger. Siehe Seite 211 - Karten Diagnostik ad 4) Körpereigenes Insulin wird zu 50 % in der Leber metabolisiert, während therapeutisch appliziertes Insulin sofort in den großen Kreislauf gerät und in seiner hohen (Anfangs-) Konzentration durch erhöhte Lipidsynthese und erhöhten LDL-Spiegel die Gefäßwand "tangiert". Folge ist die Proliferation von glatten Muskelzellen und die sekundäre Sklerosierung der Gefäßwand (Mediasklerose). Nach heutiger Auffassung kommt der Hyperinsulinämie ursächlich mehr Bedeutung zu als der Hyperglykämie. ad 7) Die elektronische Oszillographie ist durch den erhöhten Oszillationsindex (bei freier Durchgängigkeit) als Folge der Mediasklerose gekennzeichnet. ad 8) Plethysmographie und Großzehen-Oszillographie dienen dem Nachweis akraler Zirkulationsstörungen. Die transkutane Sauerstoffdruckmessung wird in erster Linie zur Beurteilung von Heilungsaussichten eines Ulkus eingesetzt. Die LaserDoppler-Fluxmetrie wird nur an einzelnen Zentren durchgeführt. Sie erlaubt eine genauere Beurteilung der Mikrozirkulation. ad 5) Die Mikroangiopathie ist eine komplexe Form der Zirkulationsstörung in der Endstrombahn. Sie betrifft nicht nur die akralen Gefäßareale der unteren Gliedmaßen, sondern kommt ebenso in den Nieren und in anderen Organen vor. Sie bahnt sich bereits in der subklinischen Phase des Diabetes an und wird als Folge der gestörten Kohlehydrattoleranz gesehen. Sie setzt sich aus einer vaskulären Komponente und einem rheologischen Faktor zusammen. Der rheologische Faktor ergibt sich aus einer erhöhten Viskosität von Blut und Plasma (Hyperfibrinogenämie, vermehrtes a2-Makro-globulin) und einer veränderten Verformbarkeit der Erythrozyten. Daraus resultiert ein erschwerter O2- Transport in das Gewebe, den das Gefäßsystem durch Dilatation der Arteriolen, Kapillaren und Venolen zu kompensieren versucht. Die kapilläre Erweiterung ist mit einer vermehrten Durchlässigkeit für Eiweisspartikel verbunden, was eine Verdickung der Basalmembran und damit eine weitere Erschwernis des O2- Übertrittes in das Gewebe zur Folge hat. Als zusätzliche Faktoren werden ein vermindertes fibrinolytisches Potential und eine gestörte Thrombozytenfunktion (Rauchen!) in Betracht gezogen (s. auch Vorbemerkungen zur Therapie). ad 9) Mit der i.v. DSA lassen sich nur die proximalen Anteile der Unterschenkelarterien ausreichend beurteilen. Mit der Katheter- Darstellung (arterielle DSA) kann man zusätzliche Verschlüsse der Großzehen- und der übrigen Digitalarterien nachweisen. Eine Makroangiopathie der Beckenarterien ist dagegen auffallend selten (Femoralis-Verschluss 18 %, Beckenarterien-Verschluss 3 %) (Alexander 1994). Als Ergänzung eines unklaren Röntgenbefundes kommt der Doppler-Untersuchung eine besondere Bedeutung zu. Verschlüsse der Unterschenkelstammarterien lassen sich exakt lokalisieren. Auch die Duplex-Untersuchung der plantaren und dorsalen Fußarkaden ist eine bedeutsame Informationsmöglichkeit, zumal wenn eine Katheterdarstellung nicht möglich sein sollte. Hierfür sind allerdings leistungsstarke Geräte erforderlich. 4 Diabetische Angiopathie ad 10) Labordiagnostik zur Bestimmung des Gefährdungsgrades: Blutzucker (Tagesprofil) Lipidwerte (Gesamtcholesterin, Triglyceride, LDL, HDL) Fibrinogen Basis-Labor zur Differentialdiagnose entzündlicher Gefäßerkrankungen (gegenüber der diabetischen Angiopathie): Blutbild mit Differential-BB BSG Elektrophorese Therapie der Diabetischen Angiopathie Vorbemerkungen zur operativen Behandlung Besonderheiten der Angiopathie bei Diabetes mellitus Die “diabetische Makroangiopathie” weist insgesamt ein typisches Verteilungsmuster auf: Neben Veränderungen der A. femoralis profunda sind vermehrt die infrapoplitealen Arterien betroffen (Conrad 1967, LoGerfo 1984, Took 1995), wobei diese periphere Akzentuierung grundsätzlich auch für die schlechten Kollateralisationsbedingungen beim Diabetiker verantwortlich gemacht wird. Oftmals liegt sogar nur ein ausschließlich tibioperonealer Okklusionstyp mit einem sog. Querschnittsverschluss der Unterschenkelarterien (Largiader 1984) vor. Die Ursache für die Prädilektion des cruralen Gefäßabschnitts ist bisher noch nicht abschließend geklärt: Nach einer Mitteilung von Lee (1995) soll dieser periphere Verschlusstyp aber vorwiegend Diabetiker mit gleichzeitig bestehender Mediasklerose betreffen, während Diabetiker ohne Mediasklerose eine eher gleichmäßige Verteilung der pAVK auf die femorocrurale Region wie Nichtdiabetiker aufweisen. Dabei darf die Mönckeberg’sche Mediasklerose, die meist eine röhren- förmige Sklerosierung der Tunica darstellt, zunächst nicht mit einer stenosierenden oder obliterierenden Angiopathie gleichgesetzt werden, auch wenn derartige Veränderungen unabhängig davon oder in Kombination vorkommen können. Die Vorstellung von der Beschaffenheit der diabetischen Mikrozirkulationsstörung im Fußbereich hat sich im Laufe der Zeit erheblich gewandelt: Während anfangs vorwiegend eine diabetesspezifische Okklusion auf arteriolärer bzw. kapillärer Ebene angenommen wurde (Goldberg 1959), welche rekonstruktive Maßnahmen quasi sinnlos erscheinen ließ, wird die Mikroangiopathie heute als ein komplexer Prozess gesehen, der im wesentlichen morphologische, hämorrheologische bzw. -staseologische sowie bei gleichzeitigem Vorliegen einer Neuropathie zusätzliche funktionelle Komponenten enthält. Die morphologischen Veränderungen umfassen vor allem eine Verdickung der Basalmembran sowie eine Degeneration der Perizyten (Hoffmann 1994); letzere verursacht in Verbindung mit einer evtl. vorhandenen neuropathisch bedingten Regulationsstörung der Mikrozirkulation (z. B. verminderte Vasokonstriktorenantwort) eine vermehrte transkapilläre Durchlässigkeit und dadurch die für Diabetiker typische Ödembildung (Creutzig 1994). In funktioneller Hinsicht ist daneben noch eine eingeschränkte reaktive Hyperämiereserve nach Verletzungen zu nennen, wodurch eine inadäquate Infektabwehr bzw. Wundheilung begünstigt werden kann. Die Blutkomponenten sind beim Diabetiker insgesamt in Richtung Viskositätssteigerung und Hyperkoagulabilität verändert (Hranduess 1964). In der Summe bedingen die oben aufgeführten Störungen der Mikrozirkulation erfahrungsgemäß keine kritische Ischämie im Fußbereich; ebenso ergeben sich daraus aber auch keine Kontraindikationen mehr für ein gefäßchirurgisches Vorgehen. Nekrosen und Gangrän gehen praktisch ausschließlich auf das Konto der diabetischen Makroangiopathie, wobei vielfach schon isolierte Verschlüsse aller Unterschenkel-Arterien allein derartig schwere Veränderungen bewirken können. 5 Diabetische Angiopathie Initiale Maßnahmen Metabolische Stabilisierung Infektspaltung mit Wunddebridement Sicherung des Keimspektrums Kalkulierte Antibiose Röntgenaufnahme des Fußskelettes informiert über das evtl. Vorhandensein von Fremdkörpern, das Ausmaß einer Osteodestruktion bzw. über eine Gasbildung in den Weichteilen. Weiterführende Diagnostik Verbände mit Antiseptika Pulspalpation Bettruhe Dopplersonographische Bestimmung der systolischen Knöcheldrucke Röntgenaufnahme des Fußskeletts Pole-Test tcPO2-Bestimmung IRA Prinzip von Vollmar I= Infektionskontrolle durch Umwandlung der feuchten Gangrän in eine trockene R= Revaskularisation der nekrobiotischen Grenzzone A= Amputation möglichst sekundär im infektfreien und revaskularisierten Stadium. Zur Sicherung des Keimspektrums ist die Entnahme eines oberflächlichen Abstrichs ungenügend; es empfiehlt sich eine Materialgewinnung aus der Tiefe der Wunde (Kürettage vom Ulkusgrund) bzw. die Verarbeitung von Wundrandexzitaten. Die Gabe von Antibiotika orientiert sich zunächst an dem zu erwartenden, klinikeigenen Erregerspektrum; bei diabetischen Fußläsionen ist aber grundsätzlich von einer polymikrobiellen Besiedelung auszugehen und insbesondere faulig riechende Defekte weisen auf eine Anaerobierbeteiligung hin. In unserer Hand hat sich die initiale Verabreichung eines betalactamasestabilen Penicillins (z. B. Unacid, Augmentan) mit Aktivität auch im anaeroben Bereich bewährt; eine gute Alternative stellen hier auch Gyrasehemmer (z. B. Ciprobay) dar. Nach Erhalt der Testung erfolgt dann im Bedarfsfall die Umstellung des Antibiotikums. Ergänzend können während der akuten Entzündungsphase zur Reduktion der Keimzahl lokal Verbände mit in Antiseptika (z. B. Octenisept) ge tränkten Kompressen aufgebracht werden. Die Einhaltung von Bettruhe ist in dieser Phase dringend erforderlich. Die Durchführung einer Angiographie (i. a. DSA) Weiterführende Diagnostik: Die grobe Zuordnung der Verschlusslokalisation erfolgt zunächst durch Erhebung des Pulsstatus: Bei Vorliegen eines infrapoplitealen Verschlußprozesses sind Femoral- und Popliteapulse tastbar bei nachgeschalteter Pulsauslöschung. Die Verifizierung des Schweregrades der Ischämie gelingt am einfachsten durch die Bestimmung der systolischen Knöcheldrucke; dabei gelten Absolutwerte < 50 mm Hg nach den Richtlinien der ESVS als eindeutige Hinweise für eine kritische Ischämie und erklären hinreichend die Präsenz einer Nekrose bzw. Gangrän. In Fällen mit mediasklerotisch bedingter, partieller (Arm-Bein-Koeffizient > 1,3) bzw. vollständiger Inkompressibilität und damit falsch hohen Werten der malleolären Arterien kann der sog. Pole-Test (Smith 1994) weiterhelfen: Wenn dabei das Dopplersignal über einer Fußarterie bei Hochheben des Beines vor einer Elevation von 65 cm über Herzhöhe erlischt, muss von einer insuffizienten Perfusion ausgegangen werden (13 cm Wassersäule entsprechen 10 mm Hg). Weiterhin kann zur Festlegung des Ischämiegrades die Bestimmung des transkutanen O2-Partialdruckes (tcPO2) herangezogen werden. 6 Diabetische Angiopathie Hierbei markiert entsprechend den ESVSBestimmungen ein Wert unter 100 mm Hg ebenfalls eine kritische Ischämie. Nach initialer Infektkontrolle und erreichter Stabilisierung des Patienten erfolgt dann bei Vorhandensein einer schwerwiegenden AVK die aniographische Diagnostik, wobei im Falle eines kräftigen Femoralispulses ohne Nachweis von Strömungsgeräuschen eine i. a. Feinnadel DSA mit Punktion in der ipsilateralen Leiste zu empfehlen ist. Damit kann die periphere Gefäßsituation einschließlich der Fußarterien präzise dargestellt und somit die beste Information über eine Rekonstruierbarkeit erhalten werden. Therapieoptionen (Systemische Lyse) (Sympathektomie) PTA Bypassoperationen Freier Gewerbetransfer oder gestielte Lappenplastik sondere für die Chirurgie zu beachten, dass – abgesehen von der allgemeinen OP-Fähigkeit - als Kandidaten für rekonstruktive Eingriffe nur Patienten mit potentiell funktionsfähigen Beinen in Betracht kommen: Fälle, in denen nach Absetzen der gangränösen Fußareale keine belastbaren Fussanteile mehr zurückbleiben, gelten als Indikation für eine primäre Majoramputation. Nach erfolgreicher Bypassoperation, für deren Durchführung nur autologes Graftmaterial in Frage kommt, kann dann die Entfernung der nekrotischen Fussanteile erfolgen. Als sehr aufwendige, aber aussichtsreiche Maßnahme kann in Einzelfällen nach gelungener Revakularisation der Versuch eingestuft werden, größere, durch notwendig gewordene Nekrosenabtragung entstandene Gewebedefekte im Fußbereich durch mikrovaskulären Lappentransfer (Ciresi 1993) oder einfacher durch gestielte Lappenplastik (Serletti 1993) zu versorgen. Nachbehandlung Pharmakotherapie (z. B. ASS 100 mg/die) Bypassüberwachungsprogramm (Farb-Duplex) Therapieoptionen: Adäquate Schuhversorgung Schulungsprogramm für Diabetiker Eine systemische Lyse mit Streptokinase bzw. Urokinase ist nach Alexander (1998) beim peripheren Verschlusstyp des Diabetikers als unergiebig anzusehen. Ebenfalls keinen Platz im Behandlungskonzept zumindest der (neuro)ischämischen Gangrän hat infolge der durch die Polyneuropathie bedingten Autodenervierung die operative bzw. chemische Sympathikusausschaltung (Allen 1993). Nachdem nun insgesamt beim Querschnittsverschluß der Unterschenkelarterien diese spezielle Form der Makroangiopathie als Hauptursache für das Vorliegen einer kritischen Fußischämie akzeptiert war, wurden in dieser Situation zunehmend rekonstruktive Maßnahmen, zunächst als Bypassoperationen, später auch als perkutane transluminale Angioplastie (Wack 1994), vorgenommen. Während als Indikation für die Durchführung einer PTA heute vor allem der kurzstreckige Verschluss der tibioperonealen Arterien anzusehenist, bleibt die Domöne der Bypasschirugie nach wie vor die langstreckige infrapopliteale Okklusion. Grundsätzlich ist insbe- Nachbehandlung: Zur sekundären Thromoseprophylaxe ist die Verrdnung eines Thrombozytenaggregationshemmrs, z. B. in Form von ASS 100 mg/die, sinnvoll. In letzter Zeit wurde in Clodipogrel (Isco-ver®) eine dem ASS überlegene Substanz (ADP-RezeptorAntagonist) gefunden. Sie besitzt zusätzlich einen lipidsenkenden Effekt (Bhett 2000). Da sich bei etwa 20 % aller peripheren Venenbypasse innerhalb des ersten postoperativen Jahres gravierende Stenosen mit der Gefahr eines Bypassverschlusses entwickeln können, erscheint es wichtig, diese gefährdeten Bypasse rechtzeitig mit Hilfe eines geeigneten Überachungsprogramms zu erfassen und zu korigieren: Als empfindlichste Kontrollmodalität hat sich hierzu die farbkodierte Duplexsonographie herausgestellt, wobei eine Verdoppelung bzw. Verdreifachung der systolischen Spitzengeschwindigkeit im Verlauf des Bypasses Hinweise auf eine mittelgradige bzw. hochgradige Einengung liefert. 7 Diabetische Angiopathie Selbstverständlich ist auch eine adäquate Schuhversorgung nach erfolgreicher Absetzung der nekrotischen Fussanteile, da sich nur so, insbesondere bei Patienten mit gleichzeitig bestehender Neuropathie, das erreichte Operationsergebnis sichern lässt. Zuletzt ist die Teilnahme an einem strukturierten Schulungsprogramm für Diabetiker zu empfehlen, um eine grundsätzliche Sensibilisierung der Patienten für die Probleme des diabetischen Fuß-Syndroms zu erzielen. Behandlungsergebnisse nach “Distal Origin”Bypassoperationen: Die zur Verfügung stehenden Medikamente sind die selben, die auch bei der nicht-diabetischen Angiopathie eingesetzt werden. Nach geltender Meinung kann bei Patienten der mittleren Altersgruppe das Risiko der vorzeitigen Entwicklung einer Arteriosklerose durch gezielte regelmäßige Bewegung verringert werden, sofern ein Insulinunabhängiger Typ II vorliegt. Der Bewegungsprophylaxe wird die Fähigkeit zugeschrieben, sowohl eine Hyperinsulinämie als auch eine Insulinresistenz zu verhindern und gleichzeitig einer allgemeinen Fettablagerung entgegenzuwirken (Rudermann 1992). Unsere Serie mit “Distal Origin-Bypasses” zur ausschließlichen Überbrückung tibioperonealer Arterienverschlüsse umfasst bislang 115 Rekonstruktionen bei einem Durchschnittsalter der Patienten von knapp über 70 Jahren (26). In allen Fällen lag eine kritische Fußischämie vor (Ruheschmerz 3, Nekrosen /Gangrän 112). Die perioperative Mortalität betrug 2,6 %. Insgesamt konnte eine primäre bzw. sekundäre kumulative Offenheit von 89 % bzw. 97 % nach 1 Monat, von 76 % bzw. 83 % nach 1 Jahr sowie von 60 % bzw. 62 % nach 6 Jahren erreicht werden. Die korrespondierenden Beinerhaltungsraten beliefen sich auf 94 %, 79 % sowie 70 %. Bemerkung zur konservativen Behandlung und zur Prophylaxe der diabetischen Arteriosklerose Die konservative Behandlung ist ein erzwungenes therapeutisches Vorgehen, wenn die lokalen Gefäßverhältnisse oder eine Multimorbidität rekonstruktive Maßnahmen nicht zulassen. Diese Abklärung fällt in die Anfangsphase jeglicher Behandlung, die im übrigen in gleicher Weise abläuft, wie sie für das präoperative Vorgehen vorbeschrieben worden ist. Auch die konservativen Therapiebemühungen werden von dem Prinzip getragen, eine weitestgehende Gliedmaßenerhaltung anzustreben, nachdem sich gezeigt hat, dass Majoramputationen unter Einbeziehung des Oberschenkels stets eine zweifelhafte Langzeitprognose quo ad vitam haben. 8 Diabetische Angiopathie Kumulative primäre/sekundäre Offenheit in % 100 prim. Offenheit sek. Offenheit 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0 6 12 18 24 30 36 42 Intervall (Monate) 48 54 60 66 72 9