Aston Martin DB4GT Zagato

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Aston Martin DB4GT Zagato
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Traumklassiker | Aston Martin DB4GT Zagato
Asto
Martin
DB4GT n
Zagato
Auf d
er J
dem F agd nach
errari
250
GTO
Sportversion auf Ferrari-Jagd
Der Schöne ist
Britische Technik und italienisches Design: Meist kommt dabei etwas Schönes heraus,
manchmal sogar etwas brutal Schönes. Wie der Aston Martin DB4GT Zagato – ein wahres
Prachtbiest auf vier Rädern. Die pracht- und kraftvollen Rundungen begeistern noch heute.
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I
m Jahre 1959 präsentierte Aston Martin mit
dem GT die Sportversion des DB4 – kürzer,
leichter und stärker. Wohlhabende AmateurRennfahrer konnten mit ihm zwar flott einen
Haken schlagen, aber für ernsthaft betriebenen
Motorsport war der GT mit seinem Plattformrahmen aus Stahl einfach zu schwer. Nachdem
Aston Martin die Sportwagen-Weltmeisterschaft 1959 gewonnen hatte, zog sich das Unternehmen aus dem GT-Rennsport zurück,
doch Werksunterstützung konnte weiterhin abgefordert werden. So traf Hilfe in Gestalt von
kompetentem Personal aus Astons ehemaligem
Werksteam ein. Nur mit konkurrenzfähigem
Material haperte es, galt es doch, gegen den
neuesten Supersportwagen von Ferrari anzugehen: den legendären 250 GTO.
Um dem italienischen Flitzer Paroli zu bieten,
stellte Aston Martin Überlegungen für ein noch
stärkeres DB4GT-Modell an. John Wyer, Astons
damaliger Geschäftsführer, war mit Tony Crook
bekannt, einem ehemaligen Rennfahrer und
nun Händler exquisiter Automobile. Crook war
Die „Lightweight“-Bauweise sollte
das Gewicht des DB4GT verringern.
zudem Mitinhaber von Bristol Cars, für die er
1959 bei Zagato in Italien eine spezielle „Lightweight“-Ausführung des Bristol 406 S bestellt
hatte. Wyer ließ sich und seinem Chef David
Brown den Wagen zeigen und siehe da: Beide
Männer waren von der Arbeit Zagatos sehr
angetan und sahen im Lightweight-Aufbau
die Lösung für das Gewichtsproblem des Aston
Martin GT.
Wenn diese Front im Rückspiegel auftauchte, konnte man Anfang der 60er
nur noch die Spur räumen.
ein Biest
AUTO CLASSIC 2/2015
Ein Fall für Zagato
Über Crook nahm Wyer Kontakt mit den Gebrüdern Zagato auf, um einen Aston Martin in
Auftrag zu geben, der auf Basis eines DB4GTChassis in der Lage sein sollte, Ferrari zu schlagen. Und nun kam ein junger Designer namens
Ercole Spada ins Spiel, der sich schon immer
für Automobile begeistert und bereits während
der Schulzeit seine Lehrbücher mit Skizzen
selbstentworfener Karosserien geschmückt hatte. Der damals 21-jährige Spada durfte sich bereits bei der Gestaltung des Bristol einbringen.
Aston Martin bescherte ihm seinen ersten komplett eigenverantwortlichen Auftrag – seine Karriere sollte 50 Jahre dauern. Das einzige vorgegebene Element war der klassische AstonKühlergrill, den er mit einer aggressiveren
Form, gleich einem aufgerissenen Haifischmaul, interpretierte.
Als Spada die ersten Linien zog, legte er sie
wie eine Haut über die mechanischen Elemente
und gab dabei den Insassen nur den allernotwendigsten Platz. Tatsächlich schaffte es Zagato, den ersten Prototyp (mit einer Motorattrappe aus Holz) in nur neun Wochen fertigzustellen! Der Entwurf ging zu Aston Martin, wo ihn
die Geschäftsleitung wohlwollend abnickte, einen GT-Motor installieren ließ und ihn zurück
nach Mailand schickte. Rechtzeitig zum Start
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Traumklassiker | Aston Martin DB4GT Zagato
Von den 19 gefertigten Zagato gleicht keiner dem anderen. Streng genommen handelt es sich bei jedem Exemplar um ein Unikat.
schildes wieder zur Besinnung: Kostete schon
der Standard-DB4 stolze 3.900 Pfund (wofür
man sich damals alternativ acht Minis kaufen
konnte), so waren für die Zagato-Version über
5.400 Pfund fällig. Einige wohl
An Überholprestige mangelte es Aston Martins begüterte Enthusiasten mit
Motorsportambitionen konnte
damals stärkstem Sportwagen kaum.
dies jedoch nicht abschrecken.
Jene Besucher, die von der maskulin-aggres- Aston Martin gab daher Zagato für eine Kleinsiven, aber dennoch eleganten Linie des Aston serie von geplanten 25 Exemplaren grünes
Zagato wie magisch angezogen wurden, ka- Licht, wobei die Bezeichnung „Serie“ fast übermen spätestens beim Betrachten des Preis- trieben ist. Denn eigentlich ist jeder Zagato ein
TECHNISCHE DATEN
Hersteller
Modell
Karosserie
Motor
Hubraum (ccm)
Leistung (PS bei U/min)
Getriebe
Antrieb
Fahrwerk vorne
Aston Martin, Newport Pagnell/England
DB4GT Zagato
Aluminium-Magnesium-Legierung auf filigraner Trägerstruktur aus Stahlrohren
6-Zyl.-Reihe aus Alu, wassergekühlt, 2 obenliegende Nockenwellen
3.670
314 bei 6.000
manuelle, vollsynchronisierte 4-Gang-Schaltung (David Brown)
Heckantrieb
Einzelradaufhängung an Querlenkern mit Stabilisator, Schraubenfedern mit
Stoßdämpfern, Zahnstangenlenkung
Fahrwerk hinten
Starrachse mit Längslenkern, Schraubenfedern mit Stoßdämpfern, Watt-Gestänge
Bremsen
hydraulisches Girling-Bremssystem auf Scheibenbremsen rundum, ohne Servo
Räder/Reifen
16-Zoll-Borrani-Speichenräder, 6.00 x 16 Zoll
Radstand (mm)
2.027
Maße L x B x H (mm)
4.267 x 1.684 x 1.280
Leergewicht (kg)
1.225
Höchstgeschwindigkeit (km/h) 247
Beschleunigung
von 0–100 km/h (s)
ca. 6,2
Bauzeit
1960–63
Stückzahl
19
124
Unikat, da die Karosserieteile per Hand in
Form gebracht und anschließend auf dem jeweiligen Chassis individuell angepasst wurden.
Manchmal hatten Kunden auch Sonderwünsche wie Chromstoßstangen, Scheinwerfer ohne Plexiglasabdeckung oder einen geänderten
Lufteinlass in der Motorhaube. Das wurde
dann – ohne Formlehren – frei Hand umgesetzt. Das hatte natürlich seinen Preis.
Eine Frage der Arbeitsteilung
Für die Herstellung lieferte Aston Martin fahrfertige GT-Chassis, die für den zu erwartenden
Einsatz im Motorsport geänderte Schraubenfedern, härtere Stoßdämpfer-Einstellungen
und eine überarbeitete Lenkgeometrie spendiert bekamen. In Mailand angekommen, wurden die Chassis mit einer leichten, wahrlich
nur eierschalen-dicken Karosserie versehen
und anschließend – bis auf fünf Exemplare,
die vor Ort in Italien vollendet wurden – wieder nach England zurückgesandt. Satte 314
vorsätzlich übertriebene Pferdestärken gab
Aston Martin werbewirksam für den schnittigen Zagato an, tatsächlich waren es aber nie
mehr als 270.
Ein größeres Problem war das mangelnde,
bei Rennen jedoch so notwendige Drehmoment. Davon konnte der Zagato trotz feinster
Motorenbaukunst nicht genug liefern. Wie
beim „normalen“ GT besaß auch der Leichtmetall-Sechszylinder des Zagato eine Doppelzündung, zwei Zündverteiler und eine erhöhte
Kompression. Tief unten im Motorblock rotierte eine siebenfach gelagerte und nitrierte
Chrom-Molybdän-Kurbelwelle. Das Getriebe,
Fotos: Michael Schäfer
der London Motor Show vollendet, präsentierte
sich der erste DB4GT Zagato auf dem Messestand von Tony Crook, wo er sich den Platz mit
dem Zagato-Bristol 406 S teilte.
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welches David Browns eigene Zahnradfabrik
zulieferte, konnte durch den für die Gangwechsel erforderlichen festen Griff nicht verhehlen,
dass es aus einem Konzern stammte, der überwiegend mit landwirtschaftlichen Maschinen
sein Geld verdiente.
Der Kofferraum des Aston-Zagato beherbergte einen gewaltigen 136-Liter-Renntank,
auf dem das mit Lederriemen gesicherte Reserverad thronte. Mit Scheiben aus Plexiglas
(mit Ausnahme der Windschutzscheibe), einer
reichlichen Verwendung von Aluminium, dem
Verzicht auf Stoßstangen und einem durchbohrten Rahmen reduzierte sich das Gewicht
des Zagato, verglichen mit dem DB4 Saloon,
zwar um zweieinhalb Zentner auf 1.225 Kilogramm – doch wirklich leicht war das immer
noch nicht.
Für den Rennsport geschaffen
Der Großteil der bis 1963 mit Zagato-Karosserie hergestellten GT erhielt eine Straßenzulassung. Die restlichen jedoch waren damals so
kompromisslos auf Rennsport zugeschnitten,
dass sie auch nur dort bewegt werden durften.
Während der Bauzeit flossen Erkenntnisse aus
bereits ausgelieferten Modellen in die im Bau
befindlichen Exemplare ein.
Meist betraf es Karosseriedetails für eine
verbesserte Aerodynamik, weshalb beispielsweise die beiden Tankeinfüllstutzen nach und
nach in der Karosserie versanken. So unterscheiden sich alle Zagato-Modelle mehr oder
weniger stark voneinander. Eigentlich für den
Motorsport gedacht, konnte der Aston die in
ihn gesetzten Erwartungen aber dennoch nicht
erfüllen. Ein Rennmechaniker brachte die
Schwierigkeiten des Zagato auf einen Nenner:
„Ferrari baute einen Rennwagen und leitete
davon eine Sportwagenversion ab. Aston Martin baute einen Sportwagen und leitete davon
eine Rennversion ab.“ Die Ferrari waren daher
viel leichter, hatten eine bessere Traktion und
ein stabileres Chassis.
Unter diesen Voraussetzungen konnten die
Briten die Italiener, bei allem Engagement,
nicht schlagen. Da dies offenkundig war, konnten auch nur 19 der geplanten 25 Zagatos verkauft werden – die letzten Exemplare sogar nur
mit einem erheblichen Preisnachlass. Heruntergefahrene Rennfahrzeuge galten damals
als reine Gebrauchsobjekte, die nach Nutzung
und nachfolgender Ausmusterung nur wenige
Interessenten fanden. Heute sind sie Millionen
wert und damit absolute Traumklassiker!
Michael Schäfer
Die Form des Kühlergrills wird im Inneren vom Instrumententräger aufgegriffen.
Als Motoren noch Kunstwerke waren: der DOHC-Sechszylinder mit Doppelzündung.
MARKTWERTE
Modell: Aston Martin DB4GT
Baujahr: 1960–63
Zustand (in Euro)
1: 500.000
2: 370.000
3: 260.000
4: 150.000
5: 80.000
Quelle: EurotaxSchwacke/Interclassic
AUTO CLASSIC 2/2015
Dieser Zagato fährt noch Rennen, daher der Strom-Notaus-Schalter und Feuerlöscher-Knopf.
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