KWA Hanns-Seidel-Haus in Ottobrunn

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KWA Hanns-Seidel-Haus in Ottobrunn
Heimaufsicht, Gesundheitsförderung und Prävention
München, 08.10.2014
Landratsamt München
Vollzug des Bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG)
Prüfbericht gemäß PfleWoqG;
Träger der Einrichtung:
KWA Kuratorium Wohnen im Alter gemeinnützige AG
Biberger Str. 50
82008 Unterhaching
Geprüfte Einrichtung:
KWA Hanns-Seidel-Haus
Ottostr. 44
85521 Ottobrunn
In der Einrichtung wurde am 29.07.2014 eine unangemeldete, routinemäßige Gesamtbegehung
der Einrichtung durch die FQA am Landratsamt München durchgeführt.
Die Prüfung umfasste folgende Qualitätsbereiche:
Arzneimittel
Pflege- und Dokumentation
Freiheitsentziehende Maßnahmen
Verpflegung
Wohnqualität
soziale Betreuung
Personal
Hierzu hat die FQA beim Landratsamt München für den Zeitpunkt der Prüfung folgendes festgestellt:
Die allgemeine Verwendung der Begriffe „Bewohner“, „Mitarbeiter“ etc. in diesem Bericht ist geschlechtsneutral zu bewerten und soll keinesfalls diskriminierend sein. Vielmehr soll dies einem
ungestörten Textfluss beim Lesen dienen.
I.
Daten zur Einrichtung:
Einrichtungsart (Mehrfachnennungen möglich):
Stationäre Einrichtung für ältere Menschen
Stationäre Pflegeeinrichtung
Stationäre Einrichtung für Menschen mit Demenz
Stationäre Kurzzeitpflegeeinrichtung
Für alte Menschen
Mariahilfplatz 17
81541 München
Telefon 089 6221-0
-2-
angebotene Plätze:
75
belegte Plätze:
73
Einzelzimmerquote:
22,7 %
Fachkraftquote (gesetzliche Mindestanforderung 50%):
55,7 %
Auszubildende:
II.1
3 (2 im 1. Ausbildungsjahr, 1 im 3. Ausbildungsjahr als Pflegefachkraft)
Positive Aspekte und allgemeine Informationen
Die Einrichtung liegt in zentraler Lage an einer belebten Straße in Ottobrunn, wenige Gehminuten
vom S-Bahnhof entfernt. Neben der stationären Pflegeeinrichtung bietet der Träger im selben
Haus, in Form des Wohnstifts, betreutes Wohnen und zusätzlich Tagesbetreuung und Kurzzeitpflege an.
Das Haus verfügt über ein helles großzügiges Foyer mit einer Rezeption, die an 7 Tagen in der
Woche besetzt ist. Weitere ansprechende und großzügige Räumlichkeiten, wie das CaféRestaurant mit Terrasse, die Bibliothek, verschiedene Wintergärten, Festsaal, Kapelle, hauseigene
Kegelbahn und die Gartenanlage mit Ruheinseln und Bocciabahn stehen den Bewohnern des
Wohn- und des Pflegestifts für die unterschiedlichsten Aktivitäten zur Verfügung. Große Fensterfronten, ansprechendes hochwertiges Mobiliar, verschiedene Sitzecken, frische Blumen auf Tischen und Kommoden, Grünpflanzen, Steh- und Tischlampen, Bilder und Fotos verleihen dem
Haus ein wohnliches und freundliches Ambiente.
Ein Medienraum bietet Bücher, Tageszeitungen, einen PC mit Drucker und einen Internet-Treff.
Für kleine Einkäufe bietet „Unser kleiner Laden“ Artikel des täglichen Bedarfs und ermöglicht so
den Bewohnern des Hauses entsprechend dem Normalitätsprinzip ein regelmäßiges selbstbestimmtes Einkaufserlebnis, das die Mobilität der Bewohner unterstützt.
Friseur, Fußpflege und Ergotherapie sind weitere Dienstleistungen, die in Räumlichkeiten im Haus
angeboten werden.
Jeder Pflegewohnbereich verfügt über einen eigenen Pflegestützpunkt und einen Aufenthalts/Speiseraum. Für die soziale Betreuung steht neben o. g. Räumlichkeiten des Hauses, dem Pflegewohnbereich auch das sog. Kaminzimmer im Untergeschoss zur Verfügung. Nahezu alle Zimmer verfügen über einen Balkon.
Hinsichtlich der sozialen Betreuung ist die Biografiearbeit der Einrichtung vorbildlich. Die Biografie
wird individuell, differenziert und aussagekräftig erstellt und aktuell fortgeschrieben. Alle im Laufe
der pflegerischen und betreuenden Versorgung gemachten Feststellungen werden kommuniziert
und festgehalten. Die Daten stehen jedem Mitarbeiter, der mit Aufgaben, die den Bewohner betreffen, betraut ist, wie Pflegekräfte, Betreuer, zur Verfügung. Dies stellt sicher, dass sich die Mitarbeiter schnell in die relevanten Sachverhalte einlesen können. Gleichzeitig können die Mitarbeiter auf
die Informationen zurückgreifen und somit innerhalb ihres Handlungsspielraums agieren.
Angebote entstehen aus den individuellen Bedürfnissen und Interessen der Bewohner, z. B. spontanes Kochen eines Schaschliktopfes am Nachmittag des Prüftages auf Grund der Nachfrage der
Bewohner.
-3Die Angebote der sozialen Betreuung sind inhaltlich angemessen und anspruchsvoll. Sie werden
von den Mitarbeitern der sozialen Betreuung immer wieder reflektiert und angepasst und orientieren sich an den Lebenswirklichkeiten, den Interessen und Fähigkeiten der Bewohner.
Es werden Synergieeffekte zwischen dem ambulanten Wohnstift und dem stationären Pflegestift
genutzt. So unterstützen die rüstigen Bewohner des Wohnstiftes die Bewohner des Pflegestiftes
z.B. bei Transfers zu Veranstaltungen, oder einfach durch ihre Gesellschaft. Für die Bewohner des
Wohnstiftes ist es bereichernd eine Aufgabe zu haben bzw. wieder das Gefühl zu haben, gebraucht zu werden. Durch die Kombination von ambulanter und stationärer Wohnform unter einem
Dach herrscht Leben im Haus. Es finden verschiedenste Veranstaltungen und Angebote wie Kurse
der Volkshochschule, Theateraufführungen, vierteljährlich wechselnde Bilderausstellungen von
Künstlern im Haus statt. Es gibt ein Kommen und ein Gehen. Gesellschaftliches Leben ist sichtund spürbar im Hanns-Seidel-Haus.
Ein Großteil der Angebote und Veranstaltungen im Haus sind in der Regel sowohl für Bewohner
des Wohn- als auch des Pflegestiftes offen.
In der Einrichtung engagieren sich etwa 56 ehrenamtliche Mitarbeiter auf verschiedenste Weise.
Durch Besuche, Gespräche, Spaziergänge, Singen und Musizieren (Veeh-Harfe), Gesellschaftsspiele oder Angebote wie Handarbeiten oder Vorlesen tragen diese zur Lebensqualität der Bewohner im Hause bei.
Die Einrichtung betreibt das Konzept der Öffnung nach außen nicht nur durch das Integrieren von
Außenstehenden in den Einrichtungsalltag, sondern beteiligt sich selbst auch außerhalb z.B. durch
Mitwirkung in der Pflegesprechstunde im Rathaus.
Alle Mitarbeiter des Hauses, so auch Mitarbeiter der Rezeption, Hauswirtschafts-, Reinigungs- und
Hausmeisterkräfte und auch Praktikanten werden in Thematiken der Altenhilfe, insbesondere der
Palliativpflege geschult und dahingehend für die Belange und Bedürfnisse der Bewohner sensibilisiert. Die Einrichtung vertritt hier die klare Haltung, dass durch diese konsequente Aufklärung und
Sensibilisierung aller Mitarbeiter den Bedürfnissen und dem Wohle der Bewohner angemessen
entsprochen werden kann und auch das gegenseitige Verständnis der Mitarbeiter untereinander
gefördert wird, was letztlich wieder den Bewohnern zugute kommt.
Das Hanns-Seidel-Haus beschäftigt regelmäßig Praktikanten der Fachoberschule für Soziales
oder von umliegenden Gymnasien. Diese werden entsprechend von der Einrichtung geschult und
für die Bedürfnisse und Belange der Bewohner sensibilisiert.
Den Bewohnern werden Ausflüge in die nähere Umgebung, so zum Treff der Generationen ins
Gymnasium Neubiberg, zum Besuch des Christkindlmarktes, des Straßenfestes oder als Spaziergang zur Eisdiele im Ort ermöglicht. Im Juli stand ein Busausflug an den Tegernsee auf dem Programm. 2x im Jahr wird ein Ausflug für Schwerpflegebedürftige geplant. Hierzu wird ein Bus mit
entsprechenden Rollstuhlplätzen angemietet.
Im Rahmen der Gemeinwesenarbeit kooperiert das Haus mit dem Hospizverein Ottobrunn, den
Pfarreien und Firmlingen im Ort, den ortsansässigen Kindergärten und Schulen, u. a. im Projekt:
Dialog der Generationen. Katholische und Evangelische Gottesdienste finden wöchentlich in der
hauseigenen Kapelle statt. Es werden eigens für die dementiell beeinträchtigten Bewohner Gottesdienste durchgeführt, so nach Ostern oder zu Allerheiligen. Eine Mitarbeiterin erklärt, dass zu
Allerheiligen viele Bewohner traurig seien, weil sie ihren verstorbenen Angehörigen nicht mehr an
den Gräbern gedenken können. Deshalb wird alljährlich zu Allerheiligen ein Gottesdienst mit Kerzen und Fotos der Angehörigen organisiert.
-4II.2
Qualitätsempfehlungen
II.1
Kernqualitätsbereich: Gesundheitsvorsorge/ Qualitätsindikator: Verabreichung von Arzneimitteln
II.1.1 Eine Bewohnerin erhält das Medikament „Palladon 2,6 mg“ als Festmedikation. Bei dem
Medikament handelt es sich um ein Betäubungsmittel. Das Medikament ist sachgerecht gelagert, jedoch ist die ärztliche Unterschrift, hinsichtlich der monatlichen Überprüfung des
ordnungsgemäßen Bestandes, nicht nachvollziehbar.
II.1.2 Es wird empfohlen, auf besondere Sorgfalt im Umgang mit Betäubungsmitteln zu achten.
Dies bezieht sich sowohl auf die ordnungsgemäße Gabe gemäß der ärztlichen Anordnung
als auch auf eine nachvollziehbare Führung des BTM-Buches. Gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3
Betäubungsmittelverordnung sind die Betäubungsmittelbücher durch den verschreibungsberechtigten Arzt am Ende jeden Kalendermonats zu prüfen und sofern sich der Bestand
geändert hat durch Namenszeichen und Prüfdatum zu bestätigen. Der Einrichtung wird
empfohlen, die behandelnden Ärzte regelmäßig z. B. per Fax auf diese bestehende Verpflichtung hinzuweisen.
III.
Erstmals festgestellte Abweichungen (Mängel)
Erstmals festgestellte Abweichungen von den Vorgaben des Gesetzes nach Art. 11
Abs. 4 S. 1 PfleWoqG, aufgrund derer gegebenenfalls eine Mängelberatung nach Art.
12 Abs. 2 S. 1 PfleWoqG erfolgt.
III.1
Kernqualitätsbereich: Erhalt und Förderung der eigenständigen Lebensführung/ Qualitätsindikator: Soziale Lebensbereiche
III.1.1 Am Prüftag findet am Vormittag planmäßig die Gymnastik statt. Diese wird von einer Mitarbeiterin der sozialen Betreuung durchgeführt. 21 Bewohner, die z. T. im Rollstuhl sitzen,
nehmen daran teil. Für die 21 Teilnehmer ist der Platz im Aufenthaltsraum nicht ausreichend. Die Teilnehmer sitzen im Stuhlkreis mit ihren Rollstühlen und den Stühlen sehr eng
beieinander und können keine ausladenden Bewegungen mit ihren Armen oder Beinen
machen, was bei einem Gymnastikangebot nicht zweckdienlich erscheint. Einige geplante
Übungen sind daher kaum oder nicht sachgemäß ausführbar. Der durchführenden Mitarbeiterin ist das Problem bekannt, sie verbalisiert auch während der Durchführung des Angebotes immer wieder den Platzmangel.
III.1.2 Der Träger ist kraft Gesetzes verpflichtet, den festgestellten Mangel abzustellen, um die
Qualitätsanforderungen an den Betrieb der Einrichtung sicherzustellen (Art. 3 PfleWoqG).
III.1.3 Der Einrichtung wird geraten, das Angebot so zu gestalten, dass für alle Teilnehmer ein
ausreichender Aktionsradius gewährleistet ist (z. B. größerer Raum oder Begrenzung der
Teilnehmerzahl je Angebotseinheit).
III.2
Kernqualitätsbereich: Gesundheitsvorsorge/ Qualitätsindikator: Verabreichung von Arzneimitteln/ Umgang mit ärztl. Anordnungen
III 2.1 Obwohl laut Pflegeverlaufsbericht erstmals am 11.07.2014 um 14:06 Uhr dokumentiert
wurde, dass ein Bewohner eine stark gerötete rechte Ferse hat, wurden keine pflegerischen Interventionen ergriffen. Am Folgetag ist dokumentiert, dass aus der Wunde Sekret
ausfliese, diese offen ist und nach eigenem Ermessen versorgt wurde. Welche Verbandsmaterialien hierfür die Einrichtung ohne Arztanordnung und Rezept benutzt hat, geht aus
der gesamten Pflegedokumentation und Gesprächen mit der Einrichtung nicht hervor. Eine
Wunddokumentation wurde hierzu nicht angelegt. Die Informationsweitergabe an den behandelnden Arzt erging laut Einrichtung, bedingt durch das Wochenende, erst am
-514.07.2014, wobei dieser unmittelbar einen Behandlungsplan an die Einrichtung delegierte.
Die Zusammenarbeit bezüglich des Wundmanagements mit dem behandelnden Hausarzt
sowie des externen Wundmanagers wird als sehr zufriedenstellend beschrieben. Der Expertenstandard „chronische Wunden“ ist nicht im vollen Umfang erfüllt.
III 2.2 Der Träger ist kraft Gesetzes verpflichtet, den festgestellten Mangel abzustellen, um die
Qualitätsanforderungen an den Betrieb der Einrichtung sicherzustellen (Art. 3 PfleWoqG).
III 2.3 Es wird geraten, ein Handeln, ohne entsprechende Arztanordnung von delegationsfähigen
ärztlichen Leistungen, wie die sterile Wundversorgung an Bewohnern, zu unterlassen. Zu
den Sorgfaltspflichten der ausführenden Person gehören die Durchführungsverantwortung
sowie die sorgfältige Prüfung der eigenen Fähigkeiten und der formalen Ausbildung. Jede
Person ist grundsätzlich für ihr Handeln (Tun oder Unterlassen) verantwortlich.
Ferner wird der Einrichtung im Sinne der Organisationsverantwortung geraten, bei Nichterreichbarkeit des behandelnden Hausarztes dessen Vertretung entsprechend in die Ablauforganisation zu implementieren.
III.3
Kernqualitätsbereich: Gesundheitsvorsorge/ Qualitätsindikator: Sturzprophylaxe
III.3.1 Eine Bewohnerin liegt im Bett neben dem zum Prüfzeitpunkt eine Bettmatratze vorgelagert
ist. Diesbezüglich erklärt die Einrichtung, dass bei unwillkürlichen Drehbewegungen der
Bewohnerin Sturzfolgeverletzungen reduziert werden sollen. Ferner erklärt die Einrichtung,
dass die vorgelagerte Bettmatratze eine Alternative zu hochgestellten Bettgittern darstellt
und diese notwendig sei, da sich die Bewohnerin mit bekannten rezidivierenden Stürzen
stets selbst überschätzt. Die letzten beiden Bewohnerstürze (28.06.2014 sowie 15.07.2014)
während selbstständiger Gehversuche ereigneten sich laut den Sturzereignisprotokollen im
Bewohnerzimmer. Die Bewohnerin zog sich bei dem Sturzereignis am 28.06.2014 als Folge
eine Radiusfraktur zu.
Aus dem Sturzprotokoll vom 15.07.2014 geht hervor, dass die Bewohnerin, vermutlich während eines eigenständigen Versuchs das Bett für einen Toilettengang zu verlassen, das
Gleichgewicht verloren hat, gestürzt ist und liegend auf der vorgelagerten Matratze aufgefunden wurde.
Zum Prüfzeitpunkt äußert die Bewohnerin ihre willentlichen Bewegungen und würde laut
eigener Aussage, wenn diese Hilfe benötigt, die Glocke am Bett betätigen. Eine hierfür erstellte Pflegeplanung in Bezug auf eine „Gangunsicherheit“ vom 13.07.2014 entspricht nicht
dem tatsächlichen Bewohnerzustand in Ätiologie und Bewohnerressource. Die hierfür abgeleiteten präventiven Maßnahmen für eine Sturzrisikoreduzierung entsprechen nicht dem
tatsächlichen individuellen Bedarf. Erkannte Sturzrisikofaktoren, die sich aus den genannten Stürzen ergaben, wurden für eine individuelle Pflegeprozessplanung nicht konsequent
und reflektiert verfolgt. Ein diesbezüglicher PDCA-Zyklus ist nicht erkennbar.
Die Einrichtung wurde darauf hingewiesen, dass bei willkürlich ausgeführten Bewegungen
eine vorgelagerte, nicht trittfeste Bettmatratze ein zusätzliches Sturzrisiko darstellt. Ferner
kann eine solche vorgelagerte Bettmatratze die Bewohnerin daran hindern das Bett zu verlassen und somit ggf. als „Freiheit einschränkende Maßnahme“ angesehen werden. In diesem Zusammenhang wurde der Einrichtung empfohlen, genau zu hinterfragen, ob die angewandte, vorgelagerte Bettmatratze eine geeignete Maßnahme zur Sturzprophylaxe oder
auch zur Reduzierung von Sturzverletzungen darstellt. Im Anschluss dieser Beratung wurde seitens der Einrichtung die vorgelagerte Bettmatratze entfernt.
III.3.2 Der Träger ist kraft Gesetzes verpflichtet, den festgestellten Mangel abzustellen, um die
Qualitätsanforderungen an den Betrieb der Einrichtung sicherzustellen (Art. 3 PfleWoqG).
III.3.3 Stürze stellen insbesondere für ältere und kranke Menschen ein hohes Risiko dar. Sie gehen häufig mit schwerwiegenden Einschnitten in die bisherige Lebensführung einher, die
von Wunden und Frakturen, über Einschränkung des Bewegungsradius, infolge verlorenen
Vertrauens in die eigene Mobilität, bis hin zum Verlust einer selbstständigen Lebensfüh-
-6rung, reichen. Es wird geraten, durch rechtzeitige Einschätzung der individuellen Risikofaktoren, eine systematische Sturzerfassung, Information und Beratung von Bewohnern und
Angehörigen zu gewährleisten, sowie durch eine gemeinsame Maßnahmenplanung und
Durchführung eine sichere Mobilität zu fördern.
III.4
Kernqualitätsbereich: Gesundheitsvorsorge/ Qualitätsindikator: Dekubitusprophylaxe
III.4.1 Ein zum Prüfzeitpunkt im Bett liegender Bewohner zeigt augenscheinlich ein sehr hohes
Dekubitusrisiko, wie es auch aktuell in der Pflegedokumentation so eingeschätzt wurde. Die
Einrichtung erklärt, dass der Bewohner aktuell einen intern entstandenen, rezidivierenden
Dekubitus im Sakralbereich (Grad I) habe und es hierfür seit dem 14.05.2014 eine ärztliche
Verordnung zur Wundversorgung gebe. Die Pflegefachkraft räumt ein, dass zum Prüfzeitpunkt die aktuelle Wundversorgung nicht der ärztlichen Anordnung entspricht. Gründe für
diese Abweichung konnten zum Prüfzeitpunkt nicht geklärt werden. Hinsichtlich der erstellten Pflegeplanung in Bezug auf die „Dekubitusprophylaxe“ vom 24.05.2014 entspricht diese
nicht dem tatsächlichen Bewohnerzustand. Die hierfür schriftlich abgeleiteten Präventivmaßnahmen zur Dekubitusprophylaxe, entsprechen zum Prüfzeitpunkt nicht dem tatsächlich ermittelten individuellen Bedarf. Obwohl aktuell ein Sacraldekubitus vorliegt, wurde dieser in der Pflegeprozessplanung nicht berücksichtigt. Obwohl durch die geplanten, unzureichenden Präventivmaßnahmen erneut ein Sacraldekubitus entstanden ist, wurden die geplanten Präventivmaßnahmen nicht dem tatsächlichen Bewohnerzustand angepasst und
nicht überprüft, ob diese noch effizient und geeignet sind. Ein diesbezüglicher, reflektierter
PDCA-Zyklus ist nicht erkennbar.
Die Einrichtung konnte im Anschluss dieser Mangelfeststellung beim behandelnden Hausarzt eine Aufhebung der Verordnung zur Wundversorgung ab dem 29.07.2014 nachreichen.
III.4.2 Der Träger ist kraft Gesetzes verpflichtet, den festgestellten Mangel abzustellen, um die
Qualitätsanforderungen an den Betrieb der Einrichtung sicherzustellen (Art. 3 PfleWoqG).
III.4.3 Bei der Planung von Pflegemaßnahmen wird geraten, individuelle Ressourcen und Einschränkungen der Bewohner zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn bekannt ist, dass sich durch die geplanten Präventivmaßnahmen eine Verschlechterung des
Bewohnerzustandes ergeben hat. Bei Veränderungen des Bewohnerzustands sind die
Maßnahmen ggf. in der Pflegeplanung anzupassen. Die Einrichtung liegt in der Organisationsverantwortung.
III.5
Kernqualitätsbereich: Gesundheitsvorsorge/ Qualitätsindikator: Verabreichung von Arzneimitteln
III.5.1 Eine Bewohnerin erhält gemäß ärztlicher Verordnung vom 17.07.2014 das Medikament
„MCP Tabletten“ als Bedarf. Zum Prüfzeitpunkt ist das Medikament im Bewohnervorrat
nicht enthalten.
III 5.2 Der Träger ist kraft Gesetzes verpflichtet, den festgestellten Mangel abzustellen, um die
Qualitätsanforderungen an den Betrieb der Einrichtung sicherzustellen (Art. 3 PfleWoqG).
III 5.3 Um einen ordnungsgemäßen Umgang mit Medikamenten, entsprechend der ärztlichen Anordnung, zu gewährleisten wird geraten, angesetzte Bedarfsmedikamente in der Einrichtung vorzuhalten. Nur so kann schnell entsprechend der ärztlichen Anordnung reagiert
werden.
-7III.6
Kernqualitätsbereich: Gesundheitsvorsorge/ Qualitätsindikator: Verabreichung von Arzneimitteln
III.6.1 Eine Bewohnerin bekommt das Medikament „MCP Stada“, verordnet als Bedarfsmedikament. Die Medikamentenflasche des Flüssigmedikaments ist geöffnet und nicht mit Anbruchs- und Verfallsdatum versehen.
III 6.2 Der Träger ist kraft Gesetzes verpflichtet, den festgestellten Mangel abzustellen, um die
Qualitätsanforderungen an den Betrieb der Einrichtung sicherzustellen (Art. 3 PfleWoqG).
III 6.3 Es wird geraten, Arzneimittel mit Anbruch- und Verfallsdaten zu beschriften. Arzneimittel –
insbesondere Salben, Emulsionen und Lösungen – verändern ihre Konsistenz mit längerer
Lagerung und aufgrund äußerer Einflüsse; sie sind nur begrenzt verwendungsfähig. Das
Vermerken des korrekten Anbruch- und Verfallsdatums ist bei diesen Arzneimitteln entscheidend, um einen ordnungsgemäßen Umgang gewährleisten zu können. So sind Tropfen nach dem Öffnen meist nur begrenzte Zeit haltbar. Ohne das gesonderte und gesicherte Vermerken eines Anbruchdatums mit ggf. notwenigen, zusätzlichen korrekten Hinweisen
zum Verfall (insb. bei vorzeitigem Verfall des Medikaments nach Anbruch) kann die Haltbarkeit des Medikaments nur erschwert festgestellt und eine gesicherte Abgabe nur eingeschränkt gewährleistet werden. Bei der Ermittlung des zutreffenden Verfallsdatums sind
insbesondere bei Flüssigmedikamenten Auswertungen der zugehörigen Beipackzettel vorzunehmen, sofern Anhaltspunkte für einen von der Prägung abweichenden, vorzeitigen
Verfall nach Anbruch des Medikaments bestehen.
III.7
Qualitätsbereich: Bewohnersicherheit
III.7.1 Eine Stationsküche wird mit offen stehender und arretierter Eingangstür vorgefunden. In
der Küche hält sich zum Prüfzeitpunkt kein Personal auf. In der Küche werden Desinfektionsmittel und Sanitärreiniger in Behältnissen ohne Sicherheitsverschluss aufbewahrt. Des
Weiteren werden direkt von den Wohnbereichen zugängliche Lagerräume, in denen Desinfektionsmittel in Behältnissen ohne Sicherungsverschluss aufbewahrt werden, unverschlossen vorgefunden.
III.7.2 Der Träger ist kraft Gesetzes verpflichtet, den festgestellten Mangel abzustellen, um die
Qualitätsanforderungen an den Betrieb der Einrichtung sicherzustellen (Art. 3 PfleWoqG).
III.7.3 Ältere Menschen können kleingedruckte oder zu bunte Schriften nicht oder nur mit Mühe
lesen; sie verwechseln z. B. Getränkeflaschen mit Reinigungsmitteln oder Shampoo. Ältere
und betagte Menschen haben häufig einen reduzierten Geruchs- und Geschmackssinn.
Deshalb können sie nicht oder nur schlecht feststellen, ob sie etwas Genießbares essen
und trinken. Es wird geraten, Reinigungs- oder Desinfektionsmittel niemals in Reichweite
von Bewohnern gelangen zu lassen bzw. diese in einem abgeschlossenen Raum aufzubewahren.
IV.
Erneut festgestellte Mängel, zu denen bereits eine Beratung erfolgt ist
Erneut festgestellte Abweichungen von den Vorgaben des Gesetzes nach Art. 11
Abs. 4 S. 1 PfleWoqG nach bereits erfolgter Beratung über die Möglichkeiten der Abstellung der Mängel, aufgrund derer eine Anordnung nach Art. 13 Abs. 1 PfleWoqG
geplant ist oder eine nochmalige Beratung erfolgt.
Zum Prüfzeitpunkt 29.07.2014 wurden durch die FQA beim Landratsamt München, im Hinblick auf bereits vorangegangene Heimbegehungen, keine erneuten Mängel, zu welchen
bereits eine Beratung erfolgt ist, festgestellt.
-8V.
Festgestellte erhebliche Mängel
Festgestellte erhebliche Abweichungen von den Vorgaben des Gesetzes nach Art. 11
Abs. 4 S. 1 des PfleWoqG, aufgrund derer im Regelfall eine Anordnung nach Art. 13
Abs. 2 PfleWoqG erfolgt.
V.1.1 Ein Bewohner befindet sich zum Prüfzeitpunkt in seinem Zimmer sitzend im Rollstuhl. Der
rechte Fuß mit einem bestehenden Fersendekubitus (Grad III) ist hierbei ohne pflegerische
Begründung, die diese Handlung rechtfertigt, an der Rollstuhlfußstütze fixiert. Der Bewohner kann den Fuß selbst nicht mehr ausreichend bewegen, um den hierdurch herbeigeführten Fersendruck entlasten zu können. Im Ergebnis stellt dieser Umstand einen unnötig herbeigeführten Druck auf einen bestehenden Fersendekubitus dar. Dieser ausgeübte, dauerhafte Druck auf das bereits geschädigte Gewebe, führt zu zusätzlichen Schmerzen im
Wundbereich sowie zu einer Verschlimmerung des bestehenden Druckgeschwürs. Obwohl
es sich hierbei um einen der Einrichtung bekannten, rezidivierenden Fersendekubitus handelt, ist dessen dokumentierte Pflegeplanung, bezüglich der Dekubitusprophylaxe, sehr allgemein gehalten und ohne individuelle Maßnahmenplanung. Der aktuelle Bewohnerzustand, bezüglich der zuletzt evaluierten Pflegeplanung vom 13.04.2014, spiegelt nicht den
tatsächlichen Bewohnerzustand wieder. Ein PCDA-Zyklus ist nicht erkennbar. Obwohl der
Einrichtung bekannt ist, dass die geplanten und durchgeführten Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe nicht effektiv genug sind und sich aufgrund dessen erneut ein Druckgeschwür gebildet hat, wurden die bisher geplanten Maßnahmen beibehalten.
V.1.2 Der Träger ist kraft Gesetzes verpflichtet, den festgestellten Mangel abzustellen, um die
Qualitätsanforderungen an den Betrieb der Einrichtung sicherzustellen (Art. 3 PfleWoqG).
V.1.3 Im Rahmen der Dekubitusprophylaxe wird dringend geraten, dass zeitnah Lagerungen,
Mobilisierungen und Lagerungshilfsmittel aus der Maßnahmenplanung hervorgehen. Hierbei müssen Selbstpflegedefizite der Bewohner frühzeitig und fachgerecht ermittelt werden.
Die an der Pflege beteiligten Mitarbeiter müssen Pflegeprobleme, Pflegemaßnahmen und
Pflegeziele auf ihre Relevanz prüfen und den individuellen Ressourcen und Einschränkungen des Bewohners frühzeitig anpassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn bereits ein hohes Risiko eingeschätzt wurde und Gesundheitsbeeinträchtigungen wie Dekubitalulcera
entstanden sind.
VI.
Veröffentlichung des Prüfberichtes
Dieser Prüfbericht wird dem Wunsch des Trägers entsprechend veröffentlicht.
Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei dem am Tag der Einrichtungsbegehung bzw.
Prüfung festgestellten Sachverhalt um eine Momentaufnahme handelt, sodass ein im
Nachgang zu der Prüfung evtl. erfolgtes Abstellen von Mängeln im Rahmen des Anhörungsverfahrens unberücksichtigt bleiben musste.
Die überprüfte Einrichtung, die Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern,
die Regierung von Oberbayern, der Bezirk Oberbayern und der MDK erhalten einen Abdruck dieses Prüfberichts zur Kenntnis.
VII.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe entweder
Widerspruch eingelegt (siehe 1) oder unmittelbar Klage erhoben (siehe 2) werden.
1. Wenn Widerspruch eingelegt wird:
Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Landratsamt München, Mariahilfplatz 17, 81541 München einzulegen. Sollte über den Widerspruch ohne zureichenden
-9Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden werden, so kann Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht in München, Postfachanschrift: Postfach 20 05 43, 80005
München, Hausanschrift: 80335 München, Bayerstraße 30 schriftlich oder zur Niederschrift
des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erhoben werden.
Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Die Klage muss den Kläger, den Beklagten (Freistaat Bayern) und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur
Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, der angefochtene
Bescheid soll in Urschrift oder in Abschrift beigefügt werden. Der Klage und allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
2.
Wenn unmittelbar Klage erhoben wird:
Die Klage ist beim Bayerischen Verwaltungsgericht in München, Postfachanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München, Hausanschrift: 80335 München, Bayerstraße 30 schriftlich
oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts zu erheben. Die Klage muss den Kläger, den Beklagten (Freistaat Bayern) und den Gegenstand
des Klagebegehrens bezeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, der angefochtene Bescheid soll in Urschrift oder in Abschrift beigefügt werden. Der Klage und allen Schriftsätzen
sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Mieruch