2 V 278/15
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2 V 278/15
FINANZGERICHT HAMBURG Az.: 2 V 278/15 Beschluss des Senats vom 02.03.2016 Rechtskraft: rechtskräftig Normen: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2 Leitsatz: Ein fortlaufender monatlich im Voraus getroffener bedingter Gehaltsverzicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers stellt eine verdeckte Gewinnausschüttung dar, wenn die Vereinbarung nicht vertragsgemäß durchgeführt wurde und sich ein Fremdgeschäftsführer auf den Verzicht nicht eingelassen hätte. Überschrift: Körperschaftsteuer: Verdeckte Gewinnausschüttung Gründe: I. Die Beteiligten streiten über das Vorliegen von verdeckten Gewinnausschüttungen in den Jahren 2010 bis 2012. Die Antragstellerin, eine GmbH, wurde im Jahr 2003 gegründet. Geschäftsführer und Alleingesellschafter ist Dr. A (im Folgenden: A). Zweck der Gesellschaft ist die Unternehmensberatung, etwa im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Beschaffung von finanziellen Mitteln, bei Investitionen und bei sog. mergers & acquisitions. Die Antragstellerin schloss am … 2003 mit A einen Dienstvertrag. Darin war als Vergütung des Geschäftsführers unter anderem ein monatliches Bruttogehalt von 10.000 € vorgesehen, zahlbar jeweils zum fünfzehnten eines Kalendermonats. Diese Gehaltsvereinbarung wurde mehrfach geändert, zuletzt mit Gesellschafterbeschluss vom … Dezember 2009; darin wurde das monatliche Gehalt auf 14.300 € brutto bestimmt. Von Januar 2010 bis einschließlich Dezember 2012 verzichtete A mit jeweils gleichlautenden Schreiben im Voraus monatlich auf sein Gehalt von 14.300 €. Die Antragstellerin, vertreten durch die Gesellschafterversammlung, bestehend aus A, nahm den Verzicht jeweils an. Der Verzicht stand unter der Bedingung, dass der Gehaltsanspruch insoweit wieder auflebt, wie das handelsrechtliche Ergebnis der Gesellschaft vor Steuern zum Jahresende ausreicht, um den Gehaltsverzicht zu decken. Hinsichtlich des dann noch nicht ausgeglichenen Teils des Gehalts sollte der Verzicht endgültig sein. Als Grund für den Gehaltsverzicht wurde jeweils die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin angegeben. Für einige Monate verzichtete A nur auf einen Teil seines Gehaltes und zwar für November 2011 auf 10.300 €, für Dezember 2011 auf 9.300 €, für April 2012 auf 9.300 €, für Mai 2012 auf 9.300 € und für November 2010 auf 11.716,68 €. Die Antragstellerin erzielte in den Streitjahren folgende handelsrechtliche Ergebnisse vor Steuern: 2010 57.481,66 € 2011 2012 83.653,83 € 115.435,80 € Sie bildete in ihren Jahresabschlüssen folgende Rückstellungen für die zum Jahresende jeweils wieder aufgelebten Gehaltsansprüche des A: 2010 0€ 2011 83.653,83 € 2012 115.435,80 € A bezog und lohnversteuerte in 2010 insgesamt einen Bruttolohn von 20.519,28 €. Abzüglich des Sachwertbezugs für die private PKW-Nutzung lag eine Gehaltszahlung von 3.623,92 € vor. Eine Ermittlung und Rückstellung für wieder aufgelebte Gehaltsansprüche des A fand in 2010 nicht statt. A wurde in 2011 insgesamt ein Bruttolohn von 9.000 € (November 4.000 € und Dezember 5.000 €) und in 2012 in Höhe von 12.538,32 € (April und Mai jeweils 5.000 € und November 2.583,32 €) gutgeschrieben. Unter Berücksichtigung dieser Gehaltszahlungen verzichtete A in 2011 endgültig auf 47.165 € und in 2012 auf 75.363 €. Verrechnungen der Antragstellerin mit wieder aufgelebten und zurückgestellten Gehaltsansprüchen des A erfolgten in 2013 und 2014. Am … Juni 2003 vereinbarten die Antragstellerin und A im Rahmen eines Darlehensvertrags, dass die Verzinsung von Salden der Verrechnungskonten 6 % p. a. betrug. Die Zinsen sollten danach am Ende des Geschäftsjahrs nachträglich gutgeschrieben oder belastet und kapitalisiert werden. Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft und umgekehrt gelten als jederzeit fällig, sofern nicht im Einzelfall etwas Abweichendes schriftlich vereinbart ist und als (gemeint ist wohl nicht) krisenbestimmt. Mit Vereinbarung vom … Dezember 2011 wurde die Verzinsung mit Wirkung vom 1. Januar 2012 auf 3 % reduziert und durch Gesellschafterbeschluss bestätigt. Die Gesellschaft gewährte A fortlaufend Darlehen. Der Bestand Verrechnungskontos entwickelte sich zum jeweiligen Jahresende wie folgt: 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 des 0€ 0€ 456,09 € 11.410,09 € 75.198,12 € 88.324,77 € 197.974,58 € 230.342,55 € 350.310,41 € 459.113,16 € 504.594,29 € Für 2010 wurden Zinsen von 14.262,29 €, für 2011 von 17.331,72 € und für 2012 von 12.408,53 € gebucht. Tilgungen auf das Darlehen erfolgten in 2010 in Höhe von insgesamt 78.825,21 €, in 2011 in Höhe von 0 € und in 2012 in Höhe von 11.900 €. Bei der Antragstellerin fand im Jahr 2014 eine Außenprüfung statt. Der Antragsgegner behandelte die Lohnzahlungen (tatsächliche Zahlungen und Rückstellungen) als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) und rechnete deshalb folgende Beträge dem Gewinn der Klägerin außerbilanziell hinzu: 2010 3.623,92 € 2011 2012 124.435,80 € 96.237,15 € Ferner ging der Antragsgegner davon aus, dass auch der Zuwachs des Darlehens für A in Höhe von 136.600 € in 2011 und von 128.600 € in 2012 als vGA zu qualifizieren sei. Zudem sei die Verzinsung nicht fremdüblich und mit einem Zinssatz von 10 % anzusetzen. Die Differenz zu der von der Antragstellerin vorgenommenen Verzinsung werde als verdeckte Gewinnausschüttung außerbilanziell wie folgt gewinnerhöhend hinzugerechnet: 2010 9.128,31 € 2011 3.514,17 € 2012 7.595,47 € Im Rahmen der Prüfung wurde zudem festgestellt, dass Aufwendungen für Tageszeitungen als Betriebsausgaben gebucht worden waren. In 2010 waren dies 1.199,59 € zuzüglich 86,18 € Vorsteuern, in 2011 867,78 € zuzüglich 63,25 € Vorsteuern und in 2012 862,68 € nebst 62,89 € Vorsteuern. Auch diese Beträge rechnete der Antragsgegner als nicht abziehbare Betriebsausgaben hinzu und versagte den Vorsteuerabzug. Der Antragsgegner erließ auf dieser Grundlage am 22. Oktober 2015 Änderungsbescheide zur Körperschaftsteuer 2010 bis 2012, zum Gewerbesteuermessbetrag und zur Gewerbesteuer 2010 bis 2012 sowie zur Umsatzsteuer 2010 bis 2012. Die Antragstellerin legte am 4. November 2015 Einsprüche gegen diese Bescheide ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Der Antragsgegner lehnt den AdV-Antrag mit Bescheid vom 8. Dezember 2015 ab. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden worden. Die Antragstellerin hat am 17. Dezember 2015 bei Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Es lägen keine vGA vor. Die Gehaltsverzichte seien zivilrechtlich wirksam, eindeutig und im Voraus vereinbart worden. Bei ihr, der Antragstellerin, handele es sich um eine personalistisch geprägte GmbH. Anhand der schriftlichen Vereinbarungen müsse von einem konkludenten Gesellschafterbeschluss ausgegangen werden. Es sei klar gewesen, in welcher Höhe der ursprüngliche angemessene Gehaltsanspruch wieder aufleben würde. Die Gehaltsvereinbarung sei auch ernst gemeint und tatsächlich durchgeführt worden. Es läge keine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis vor. Die Gehaltsverzichte hätten nicht die Gewinnsituation der Gesellschaft gesteuert, sondern Letztere habe umgekehrt die Höhe der Bezüge des A festgelegt, die damit hinreichend definiert gewesen seien. Es hätten auch keine ständigen Änderungen der Gehaltszahlungen vorgelegen. Der Gehaltsverzicht sei fremdüblich, A habe nicht allein aus Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Situation, sondern auch zur Abwendung einer Insolvenz und damit zur Sicherung seiner Gehaltsansprüche zugestimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liege ein Darlehen an A vor, weil die Zahlungen über ein Verrechnungskonto gebucht worden seien. Die Rückzahlung des Darlehens sei auch von Anfang an gewollt gewesen. A sei ernstlich bestrebt gewesen, die erhaltenen Mittel in absehbarer Zeit wieder zurückzuführen. Er habe bereits erhebliche Beträge zur Tilgung der Darlehensschuld aufgebracht. In 2013 und 2014 seien weitere Tilgungen in Höhe von 93.533 € und 83.346 € erfolgt. Das Darlehen sei nicht uneinbringlich. Der Gehaltanspruch für 2014 bestehe in voller Höhe. Daraus könne eine weitere Tilgungsleistung erbracht werden. Die Gesellschaftsanteile des A hätten zudem an Wert gewonnen und dieser könne voraussichtlich ohne Probleme bei Bedarf eine andere Arbeitsstelle mit vergleichbaren Bezügen erhalten und auf dieser Grundlage das Darlehen zurückführen. Die Verzinsung mit 10 % sei nicht angemessen. Sie, die Antragstellerin, habe ein eigenes Interesse an der Darlehenshingabe gehabt. Nur dadurch habe A seine privaten Ausgaben decken und einen bedingten Gehaltsverzicht aussprechen können. Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2010 bis 2012, über die Gewerbesteuer 2010 bis 2012 und über Umsatzsteuer 2010 bis 2012, jeweils vom 22. Oktober 2015, ab Fälligkeit in Höhe von insgesamt 90.036,33 € auszusetzen. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Die Zahlung des Geschäftsführergehaltes stelle eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensminderung dar. Die bedingten Gehaltsverzichte seien nicht zivilrechtlich wirksam geschlossen worden. Es fehle jeweils an dem Gesellschafterbeschluss. Die Verzichte seien nicht fremdüblich. Ein Fremdgeschäftsführer verzichte nicht auf vollständige Monatsgehälter, wenn keine anderen regelmäßigen Einnahmen für den Lebensunterhalt zur Verfügung stünden, auch wenn das Gehalt am Jahresende gegebenenfalls wieder auflebe. Die Vereinbarungen seien nicht eindeutig und auch nicht ernsthaft durchgeführt worden. Es lägen keine Ausführungen und keine Dokumentation zur wirtschaftlichen Notwendigkeit des Verzichts vor. Ferner sei zweifelhaft, ob die wirtschaftliche Situation tatsächlich jeweils einen vollständigen Gehaltsverzicht erforderlich gemacht habe, wenn doch laufend Gelder als Darlehensmittel an den GesellschafterGeschäftsführer geflossen seien, dies zum Teil in der Größenordnung des Bruttomonatsgehalts. Es sei nicht hinreichend konkret festgelegt, wann der Besserungsfall eintrete, wann und in welcher Höhe der Lohnanspruch wieder auflebe. Zudem fehle es an einer Vereinbarung zur Fälligkeit der Nachzahlung. Der Verzicht entspreche nicht dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, weil der gesamte Gewinn habe abgeschöpft werden sollen. Das Gehalt des Gesellschafter-Geschäftsführers sei von der Gewinnsituation der Gesellschaft abhängig gewesen, was auf eine „Nur-Tantieme-Regelung“ hinauslaufe, die als vGA zu qualifizieren sei. In Bezug auf das Verrechnungskonto für A liege jedenfalls ab 2011 mit Blick auf die Erhöhungen des Bestands eine vGA vor. Der Bestand habe sich laufend nach oben entwickelt und mehr als das Zehnfache des Stammkapitals der Antragstellerin erreicht. Nennenswerte Tilgungsleistungen seien in 2011 und 2012 nicht zu verzeichnen. A habe neben dem Lohnanspruch keine weiteren regelmäßigen Einkünfte gehabt. Deshalb habe kein Geld für die Tilgung zur Verfügung gestanden. Die Antragstellerin habe dennoch weiteres Geld zur Verfügung gestellt, ohne Sicherheiten zu verlangen und zudem den Zinssatz vermindert. Der Rückzahlungsbetrag habe sich 2013 auf 504.594,29 € erhöht. Selbst bei Ausbezahlung des vollen Nettolohns und bescheidener Lebensführung seien immer noch mehrere Jahre zur Tilgung erforderlich. Dies spreche für eine Uneinbringlichkeit des Darlehens ab 2011. Verrechnungskonten seien angemessen zu verzinsen. Es handele sich dem Grunde nach um eine Art Überziehungskredit, deshalb seien als Vergleichsmaßstab die für einen Dispokredit als Obergrenze zu zahlenden Schuldzinsen heranzuziehen. Der Durchschnittszinssatz für solche Kredite habe in den Streitjahren 11,76 % betragen. Mangels Besicherung des Verrechnungskontos und wegen der finanziellen Situation des Gesellschafters seien 10 % ein angemessenes und fremdübliches Risikoentgelt. In Bezug auf die Umsatzsteuerbescheide habe die Antragstellerin keine Einwände vorgetragen. Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestünden insoweit auch bei nochmaliger Überprüfung nicht. II. Der Antrag ist zum Teil unzulässig (1) und im Übrigen weitgehend unbegründet (2). 1) Der Antrag auf AdV ist unzulässig, soweit er sich gegen die Gewerbesteuerbescheide 2010 bis 2012, die Bescheide über die Zinsen zur Körperschaftsteuer 2010 bis 2012 und die Bescheide über den Solidaritätszuschlag 2010 bis 2012 richtet. Die Gewerbesteuerbescheide sind Folgebescheide zu den Bescheiden über den Gewerbesteuermessbetrag 2010 bis 2012. Soweit eine AdV in Bezug auf den Grundlagenbescheid (§ 170 Abs. 10 der Abgabenordnung – AO -) erfolgt, ist auch die Vollziehung des Folgebescheids auszusetzen (§ 69 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Die Antragstellerin wendet sich in den Streitjahren jeweils gegen die Berechnung des Gewerbeertrags und damit des Gewerbesteuermessbetrags und macht keine eigenständigen Einwände gegen die Gewerbesteuerbescheide geltend. Sie hätte deshalb - wie bereits im Einspruchsverfahren - AdV gegen die Gewerbesteuermessbescheide beantragen müssen, die insoweit als Grundlagebescheide Bindungswirkung entfalten. Für einen eigenständigen AdV-Antrag gegen die Gewerbesteuerbescheide fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil eine AdV der Gewerbesteuermessbetragsbescheide von Amts wegen eine AdV der Gewerbesteuerbescheide nach sich zieht (vgl. BFHBeschluss vom 24. August 2004 IX S 7/04, juris; FG Hamburg Beschluss vom 13. Mai 2005 I 130/05, EFG 2005, 1282). Entsprechendes gilt für die Zinsbescheide zur Körperschaftsteuer und die Bescheide über den Solidaritätszuschlag für die Streitjahre. Diese Bescheide sind jeweils Folgebescheide zu den Körperschaftsteuerbescheiden (vgl. § 233a Abs. 5 AO; § 1 Abs. 5 des Solidaritätszuschlaggesetzes; BFH-Beschluss vom 23. Dezember 2002 IV B 13/02, BFH/NV 2003, 737 – zum Zinsbescheid; FG Hamburg Beschluss vom 3. November 2015 6 V 259/15, juris – zum Solidaritätszuschlag). 2) Der Antrag hat, soweit er zulässig ist, zum weit überwiegenden Teil keinen Erfolg. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unbilligen Härte sind weder von der Antragstellerin vorgetragen worden, noch nach Aktenlage erkennbar. Eine Aussetzung der Vollziehung kommt deshalb nur wegen Vorliegens von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Änderungsbescheide vom 22. Oktober 2015 in Betracht. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BFH/NV 2011, 1549; vom 6. November 2008 IV B 126/07, BStBl II 2009, 156). Die Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde und präsenten Beweismitteln ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116). Daran gemessen, bestehen überwiegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Änderungsbescheide vom 22. Oktober 2015. a) Der Antragsgegner hat den Gewinn der Antragstellerin in den Streitjahren 2010 bis 2012 zu Recht außerbilanziell durch den Ansatz von vGA in Form der Lohnzahlungen erhöht (2010: 3.624 €, 2011: 124.435,80 €, 2012: 96.237,15 €). aa) Eine vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die sich auf den Unterschiedsbetrag i. S. des § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirkt, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist in der Regel gegeben, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vorteil gewährt, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter vergleichbaren Umständen einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 2003 I R 38/02, BStBl II 2004, 139, m. w. N.). Bei Leistungen einer Kapitalgesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter ist eine vGA auch dann anzunehmen, wenn diese nicht auf einer im Voraus getroffenen, klaren und eindeutigen sowie tatsächlich durchgeführten Vereinbarung beruhen (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 36/03, BStBl II 2004, 307, m. w. N.). Schließlich ist bei der Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs nicht nur auf die Sicht der Gesellschaft, sondern auch auf die Position des Leistungsempfängers abzustellen; eine vGA kann deshalb auch dann vorliegen, wenn eine Vereinbarung zwar für die Gesellschaft günstig ist, ein gesellschaftsfremder Vertragspartner sich aber im eigenen Interesse nicht auf sie eingelassen hätte (vgl. BFH-Urteile vom 17. Mai 1995 I R 147/93, BStBl II 1996, 204; vom 20. Oktober 2004 I R 4/04, BFH/NV 2005, 723). bb) Vorliegend sind die Gehaltsverzichtsvereinbarungen mit A als Alleingesellschafter-Geschäftsführer jeweils im Voraus getroffen worden und auch zivilrechtlich wirksam. Zwar bedürfen der Abschluss, die Änderung und eine Beendigung von Verträgen mit Geschäftsführern nach § 8 Abs. 3 der Satzung der Antragstellerin einen Beschluss der Gesellschafterversammlung mit einer Zustimmung von mindestens 75 % des vorhandenen Stammkapitals. Beschlüsse können aber auch außerhalb von Gesellschafterversammlungen in Textform gefasst werden (§ 48 Abs. 2 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG -). A war Alleingesellschafter der Klägerin und hat ausweislich der schriftlichen Vereinbarungen über die bedingte Gehaltsverzichte jeweils für sich als Geschäftsführer und für die Gesellschafterversammlung gehandelt und unterschrieben. Er war als Geschäftsführer auch befugt, als Vertreter der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen Rechtsgeschäfte abzuschließen und somit von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit. Es kann im vorliegenden summarischen Verfahren zwar nicht festgestellt werden, dass A seiner Verpflichtung nachgekommen ist, die Gesellschaftsbeschlüsse jeweils zu protokollieren (§ 48 Abs. 3 GmbHG, § 8 Abs. 6 der Satzung der Antragstellerin). Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, würde eine Verletzung dieser Verpflichtung die Wirksamkeit der Beschlüsse nicht berühren (vgl. Bayer in Lutter/Hummelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 48 Rn. 36 m. w. N.). cc) Die Gehaltsverzichtsvereinbarungen dürften auch klar und eindeutig genug sein. Der wiederauflebende Gehaltsanspruch kann anhand des handelsrechtlichen Ergebnisses der Antragstellerin vor Steuern hinreichend bestimmt ermittelt werden. Es fehlt zwar eine Regelung dazu, wann dieser Anspruch fällig werden soll. Mangels besonderer Fälligkeitsregelung ist der wiederaufgelebte Gehaltsanspruch nach § 271 Abs. 1 BGB aber in Gänze sofort fällig geworden. Ergänzend dazu ist in § 42a Abs. 2 GmbHG in Verbindung mit § 9 Abs. 2 der Satzung der Antragstellerin geregelt, dass die Gesellschafter den Jahresabschluss innerhalb der gesetzlichen Frist festzustellen haben. Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine kleine Gesellschaft im Sinne von § 267 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB). Deshalb war der Jahresabschluss jeweils spätestens bis Ende des 11. Monats des nächsten Geschäftsjahrs festzustellen. Geschäftsjahr der Antragstellerin ist das Kalenderjahr (§ 4 Abs. 1 der Satzung). Der Abschluss war deshalb jeweils bis Ende November des Folgejahrs festzustellen. dd) Die Gehaltsverzichtsvereinbarungen sind aber nicht vertragsgemäß durchgeführt worden. Im Jahr 2010 ist trotz Vorliegens eines handelsrechtlich ermittelten Gewinns von 57.481,66 € kein wieder aufgelebter Gehaltsanspruch des A ermittelt und rückgestellt worden. Dies ist für 2011 und 2012 zwar erfolgt. Die Jahresabschlüsse sind aber erst nach Ablauf der oben dargestellten vertraglichen und gesetzlichen Fristen ermittelt und festgestellt worden. Für 2011 erfolgte dies von Januar bis März 2013. Der wieder aufgelebte Gehaltsanspruch des A in Höhe von 115.435,80 € ist dementsprechend erst im Mai 2013 gutgeschrieben worden. Für 2012 erfolgte die Ermittlung und Feststellung des Jahresabschlusses im Januar und Februar 2014. Der wieder aufgelebte Gehaltsanspruch des A in Höhe von 83.653,83 € ist daraufhin im April 2014 gutgeschrieben worden. ee) Darüber hinaus hätte sich ein Fremdgeschäftsführer nicht über drei Jahre hinweg mit der Hoffnung auf positive handelsrechtliche Jahresergebnisse auf einen überwiegenden vollständigen Verzicht auf seine monatlichen Gehaltszahlungen eingelassen, wenn er zugleich von der Gesellschaft verzinste Darlehen in beträchtlicher Höhe erhalten hätte, um davon seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Zum einen zeigt die Darlehenshingabe, dass in der Gesellschaft Liquidität vorhanden war, die ein Fremdgeschäftsführer – jedenfalls soweit es für seinen Lebensunterhalt erforderlich gewesen wäre – zur Gehaltszahlung und nicht zur Darlehensausreichung verwendet hätte. Zum anderen waren die Darlehen zurückzuführen, so dass der Geschäftsführer zusätzlich zum möglichen vollständigen Ausfall seiner Gehaltsansprüche Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber der Antragstellerin eingegangen ist, die er – irgendwann – erfüllen müsste. Auf dieses – gleichsam doppelte – Risiko hätte sich ein Fremdgeschäftsführer, auch unter Berücksichtigung einer Treueverpflichtung gegenüber der Antragstellerin und des Bestrebens, seinen Arbeitsplatz zu erhalten, nicht eingelassen. Dieser Umstand zeigt ebenfalls, dass die Gehaltsverzichtsvereinbarungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren (vgl. auch BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 I R 99/87, BStBl II 1990, 454; vom 20. Oktober 2004 I R 4/04, BFH/NV 2005, 723 – zur Bejahung einer vGA bei einem Vertrag, bei dem die Auszahlung des Geschäftsführergehalts in vollem Umfang von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft abhängig ist). Ein fremder Geschäftsführer hätte angesichts der Höhe des Gehaltsanspruchs und dessen monatlicher Fälligkeit zudem eine Verzinsung des wiederaufgelebten Anspruchs verlangt, um seine finanziellen Nachteile abzufedern (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1996 I R 53/95, BFH/NV 1997, 622; FG Hamburg, Urteil von 28. Juni 2012 2 K 199/10, juris). Überdies hätte er auf einer schnelleren Verpflichtung zur Erstellung und Feststellung des Jahresabschlusses bestanden, als innerhalb der gesetzlichen Frist von 11 Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs. ff) Der Beklagte hat auf Grund der fehlenden Durchführung der Gehaltsverzichtsvereinbarungen und der nicht eingehaltenen Fremdvergleichsgrundsätze zu Recht den gesamten Gehaltsaufwand als vGA dem Grunde nach eingeordnet und außerbilanziell gewinnerhöhend zugerechnet (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 2004 I R 4/04, BFH/NV 2005, 723). b) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsgegner zu Recht eine vGA in den Streitjahren 2011 und 2012 darin gesehen hat, dass die Antragstellerin A über das Verrechnungskonto weitere Darlehensmittel zur Verfügung gestellt hat (136.300 € in 2011 und 128.600 € in 2012). Die Erhöhungen des Verrechnungskontos haben sich bei der Antragstellerin zunächst nicht vermögensmindernd ausgewirkt. Die innerbilanzielle Korrektur des Verrechnungskontos und Behandlung als vGA bewirkt auf Gesellschaftsebene keine höhere Steuerlast. Ob A in 2011 und 2012 entsprechende Beträge als vGA zugeflossen sind, ist im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich und gegebenenfalls bei dessen Einkommensteuerfestsetzungen zu klären, für die die Körperschaftsteuerbescheide keine materielle Bindungswirkung im Sinne eines Grundlagenbescheides entfalten (vgl. etwa Bauschatz in Gosch, KStG, 3. Aufl. 2015, § 32a Rn. 28 m. w. N.). Es spricht allerdings wohl Überwiegendes dafür, dass jedenfalls ab Ende 2010 bei einem Darlehensstand von gut 230.000 € und fehlenden Sicherheiten die weiteren erheblichen Zuführungen nicht mehr ernsthaft zur Durchführung der Darlehensvereinbarung mit Rückzahlungsabsicht erfolgten, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren, um – gleichsam als Gehaltsersatz – dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer seinen Lebensunterhalt zu sichern, der ab 2010 durch die bedingten Gehaltsverzichtsvereinbarungen offenbar nicht mit anderen Mitteln bestritten worden konnte. c) Es bestehen allerdings ernstliche Zweifel daran, ob die vom Antragsgegner als vGA angesetzte zusätzliche Verzinsung des Verrechnungskontos rechtmäßig ist (2010: 9.128,31 €; 2011: 3.514,17 €; 2012: 7.595,47 €); insoweit war deshalb AdV zu gewähren. Im Falle der Gewährung eines Darlehens durch die Gesellschaft an ihren Gesellschafter muss die dem Darlehen zugrunde liegende Vereinbarung klar, eindeutig und zivilrechtlich wirksam sein. Soweit dies zutrifft, muss darüber hinaus eine marktübliche Verzinsung vereinbart worden sein. Ober- und Untergrenze der Marktüblichkeit sind der höchstrichterlichen Rechtsprechung zufolge die banküblichen Haben- und Sollzinsen, wobei bislang regelmäßig davon ausgegangen wurde, dass sich Gesellschaft und Gesellschafter die dazwischen liegende Spanne teilen (vgl. BFH-Urteile vom 28. Februar 1990 - I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; vom 19. Januar 1994 - I R 93/93, BStBl. II 1994, 725; und vom 22. Dezember 2003 - I R 36/03, BStBl. II 2004, 307; FG Hamburg Urteil vom 12. September 2012 6 K 110/10, juris). Allerdings sind in Rechtsprechung und Schrifttum Zweifel geäußert worden, inwieweit diese Auffassung nach wie vor Bestand haben kann (vgl. FG Hamburg Urteil vom 12. September 2012 6 K 110/10, juris). So hat beispielsweise das FG Sachsen-Anhalt entschieden, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht angenommen werden könne, wenn die zwischen einer Gesellschaft und ihren GesellschafterGeschäftsführern vereinbarten Zinsen für von den Geschäftsführern ausgereichte Darlehen nicht oder nur geringfügig über den maximal möglichen Obergrenzen der Streubreite für Sollzinsen der Bankkredite liegen (Urteil vom 21.02.2008 - 3 K 305/01, juris; s. dazu auch BFH-Beschluss vom 22.09.2008 I B 69- 71/08, juris). In der Kommentarliteratur heißt es etwa: Soll-Größe eines fremdvergleichsgerechten Verhaltens könne regelmäßig immer nur jener Zinssatz sein, den der ver- oder entleihende Geschäftspartner auf dem "freien" Markt erreichen könne. Die "Bandbreitenbetrachtung" der Rechtsprechung sei insoweit unangebracht; eher schon müsse gefragt werden, ob der Kapitalgesellschaft auf dem "freien" Markt eine anderweitige (alternative) Verwendung der Darlehensmittel zur Verfügung gestanden hätte und welchen "Preis" sie dabei hätte erzielen können (Gosch in Gosch, KStG, 3. Aufl. 2015, § 8 Rz. 693; vgl. auch Häußermann in Ernst & Young, KStG, § 8 Rz. 1235; a. A. hingegen Rengers, in: Blümich, KStG, § 8 Rz. 594 f.). Auf dieser Grundlage ist ernstlich zweifelhaft, ob das Abstellen auf den durchschnittlichen Zinssatz für Überziehungskredite, geschätzt auf 10 %, angemessen ist. Damit wird vom Antragsgegner maßgeblich auf die Konditionen abgestellt, die A bei einer Bank für einen entsprechenden Dispokredit hätte eingehen müssen. Für die Frage der Angemessenheit der Verzinsung und damit einer unterlassenen Vermögensmehrung ist aber maßgeblich auf die Sichtweise eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der Antragstellerin abzustellen und zu fragen, welche marktgerechte Zinshöhe er vereinbart hätte, wobei unter anderen die oben genannten Kriterien eine Rolle spielen können. Dies wird der Antragsgegner im Einspruchsverfahren zu berücksichtigen haben. Dabei sind auch die Gründe zu ermitteln, die für die ursprüngliche Zinshöhe von 6 % maßgeblich waren und warum ab 2012 eine Reduzierung auf 3 % erfolgt ist. d) Die Antragstellerin hat im Übrigen keine Einwände gegen die angefochtenen Bescheide erhoben. Weitere Zweifel an deren Rechtmäßigkeit bestehen nicht. Die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 2010 ist deshalb in Höhe von 1.369,- € (15 % von 9.128 €), die des Körperschaftsteuerbescheides 2011 in Höhe von 527,- € (15 % von 3.514 €) und die des Körperschaftsteuerbescheides 2012 in Höhe von 1.139,- € (15 % von 7.595 €) auszusetzen. Der Antragstellerin sind gemäß § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO sämtliche Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie nur zu einem geringen Anteil obsiegt hat; gemessen an der begehrten AdV von insgesamt 90.036 € beträgt ihr Obsiegen in Höhe von 3.036 € nur knapp 3,4 %. Die Beschwerde ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO vorliegen (§ 128 Abs. 3 FGO).