pdf - Aphasie Suisse

Transcription

pdf - Aphasie Suisse
Ausgabe/édition 3/2010
FORUM
VOL. 27
Die Stimme für sprachlose Menschen.
Donnons la parole à ceux qui l‘ont perdue.
La voce di chi ha perso la parola.
Aphasie
und verwandte Gebiete
et domaines associés
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
1
Inhalt / Table des matières
ORIGINALBEITRÄGE – ARTICLES
•Warum ist das witzig? Verständnis und Produktion von Ironie nach Hirnschädigung
5
(Evelyn C. Ferstl & Kate Spurr)
FORUM
•La logopédie pour les résidents d’EMS avec troubles de la communication:
un luxe ou une nécessité?
25
(Mélanie Mudry)
•Kollaboration und Facework in familiären Alltagsgesprächen
41
A
phasiebedingte Kommunikationsstrategien im Spannungsfeld von
­Verständigungssicherung und Gesichtwahrung
(Doris Kym, Yvonne Karpf)
BUCHBESPRECHUNG – LECTURE
•Aphasie-Selbsthilfe
53
Konzepte, Strukturen und Empire
(Norina Lauer)
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
3
4
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
Warum ist das witzig?
Verständnis und ­Produktion von
Ironie nach Hirnschädigung
Evelyn C. Ferstl & Kate Spurr
Zusammenfassung
Pragmatische Sprachfähigkeiten sind nach Hirnschädigung oft eingeschränkt. Ein
­Beispiel dafür ist der sozial unangepasste Umgang mit Humor und Ironie. In der
­Produktion kommt es vor, dass Patientinnen zu oft versuchen, Witze zu machen,
­obwohl das der Gesprächssituation nicht gerecht wird, oder dass Pointen nicht richtig
formuliert werden. Beim Verstehen wurde beobachtet, dass idiomatische oder ironische Äusserungen oft zu wörtlich genommen, und ihre Implikationen nicht ausreichend in Betracht gezogen werden. In der vorliegenden Studie wurden 19 Patientinnen und Patienten verschiedener Ätiologien untersucht, um den Zusammenhang von
Produktion und Verstehen zu beleuchten. Die Verständnisaufgabe beinhaltete das
­Lesen von kurzen Geschichten, die entweder ironische oder wörtlich zu verstehende
Aussagen enthielten. Im Gegensatz zu einer Kontrollgruppe konnten die Patienten
­Fragen zu den ironischen Geschichten kaum richtig beantworten. Jedoch zeigten
­erhöhte Lesezeiten, dass sie den vermeintlichen Widerspruch zwischen dem Kontext
und der Zielaussage durchaus bemerkten. In der Produktionsaufgabe sollten die Teilnehmer eine Garfield-Bildergeschichte erzählen, die ein ironisch-witziges Ende hat.
Korrelationen zeigten einen starken Zusammenhang zwischen Gedächtnisleistungen,
der Sensitivität für die ironische Pointe beim Lesen und der Angemessenheit der
selbst produzierten Garfield-Pointe. Diese Ergebnisse zeigen, dass das Verstehen und
die Produktion von ironischen Pointen eng zusammenhängen, dass aber auch verbale
Gedächtnisleistungen berücksichtigt werden müssen.
Summary
Brain injury often leads to deficits in pragmatic communication skills, such as the
­appropriate use of irony and humor. It has been observed that patients try to be witty
in formal situations, or that they fail to deliver the punchline of a joke. In ­comprehension
tasks, it has been observed that patients interpret utterances too literally and fail to
­understand the social connotations. In the present study, 19 patients of different etiologies were tested in order to uncover relationships between irony comprehension and
production. The comprehension task required reading short stories that were either
­literal or ironic. High error rates confirmed a pragmatic deficit. However, the sentence
reading times indicated that the apparent contradiction between the ironic statement
and the context had been noticed. The production task required patients to retell a cartoon story with an ironic ending. Correlations yielded strong relationships between the
results of a memory test, the sensitivity towards the ironic content in the reading task
and the appropriateness of the produced punchline. Taken together, these results
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
5
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
c­ onfirm that irony appreciation is modality independent, but that it is also important to
take into account memory skills.
Résumé
Les compétences pragmatiques sont fréquemment perturbées à la suite d’une lésion
cérébrale entraînant des difficultés sur le plan des interactions sociales, notamment
par un traitement inadapté de l’humour et de l’ironie. Lors des situations de production,
il apparaît que les patients ont tendance à faire des plaisanteries de manière inadaptée
en regard à la situation de communication, ou encore que certaines conclusions sont
formulées de manière erronée. En compréhension, on relève une propension aux interprétations littérales d’expressions idiomatiques ou à caractère ironique avec une prise
en considération insuffisante de leurs implications.
Dans l’étude suivante, 19 patient(e)s avec des étiologies diverses ont été examinés
afin de mettre en évidence les liens entre leurs capacités de production et de compréhension. L’épreuve de compréhension comportait la lecture de courtes histoires impliquant soit une composante ironique, soit une compréhension littérale. Contrairement
au groupe contrôle, les patients rencontraient d’importantes difficultés à répondre aux
questions portant sur les récits dits ironiques. Par ailleurs, ils présentaient des temps
de lecture plus élevés pour relever la contradiction supposée entre le contexte et
l’énonciation finale. Dans l’épreuve de production, il était demandé aux participants de
raconter une histoire en images (Garfield) qui comportait une fin ironico-comique. Les
analyses ont montré des corrélations significatives entre les capacités de mémoire, la
sensibilité pour les chutes de type ironique en lecture et l’exactitude de la plaisanterie
produite lors de la description de l’histoire en images (Garfield). Ces résultats ­suggèrent
que la production et la compréhension de chutes à caractère ironique sont étroitement
liées, mais aussi que les capacités de mémoire verbale doivent être prises en
­considération lors de l’évaluation.
Sprach- und Kommunikationsstörungen nach Hirnschädigung treten nicht
nur in Form von Aphasien auf, ­sondern
können auch pragmatische Sprach­
nutzung betreffen (Prigatano, Roueche
& Fordyce, 1985). Angemessene
Kommunikation ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg von sozialen Interaktionen (Paradis, 1998). Es
ist daher nicht überraschend, dass
hirngeschädigte Patienten mit pragmatischen Defiziten auch ein erhöhtes Risiko für soziale Isolation und
6
­damit verbundene Einschränkungen
der Lebensqualität besitzen (Prigatano
et al., 1985; Rath, Hennessy & Diller,
2003). Umso wichtiger ist es, die Ursachen für diese nichtaphasischen
Kommunikationsprobleme zu erforschen. Ein Bereich, in dem Patienten
oft auffällig sind, ist die aktive Verwendung und das Verstehen von Humor
(e.g., Coelho, 2006; Gardner, Ling,
Flamm & Silverman, 1975), und ins­
besondere von Ironie (Pexman, 2008).
Ironie ist definiert als eine Äusserung,
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
mit der die Sprecherin genau das Gegenteil des Gesagten ausdrücken will
(Gibbs & Colson, 2007). Ein Beispiel
ist die Bemerkung an einem Regentag: «Das ist ja das perfekte Wetter
für einen Strandausflug!» Zu den
Gründen, warum eine solche Ausdrucksform gewählt wird, gehört, dass
Ironie eine sozial verträglichere Methode darstellt, Meinungen zu äus­
sern, dass Ironie Vertrautheit und
Nähe zwischen den Gesprächspartnern schafft, und dass Ironie erlaubt,
in einer wenig verletzenden, höflichen
Weise Kritik zu üben (vgl. Clark & Gerrig, 1984; Kumon-Nakamura, Glucksberg & Brown, 1995). Wie nun gelingt
es, Ironie im Gesprächs- oder Text­
zusammenhang zu erkennen? In dem
obigen Beispiel wird die Aussage
durch das Wissen um das tatsächliche
Wetter faktisch falsch. Damit verletzt
sie an der Oberfläche die Grice’schen
Konversationsregeln (Grice, 1975).
Diese besagen, dass Kommunikationspartner üblicherweise kooperativ
sind, dass sie informativ sein wollen
und dass daher Aussagen relevant,
eindeutig, und richtig sind. Angesichts
einer offensichtlich falschen Aussage
kann diese Annahme nur aufrecht­
erhalten werden, wenn der Gesprächspartner sie als ironisch – und somit
wieder informativ – uminterpretiert.
Dies wird jedoch nur erfolgreich sein,
wenn zusätzliche Informationen mit
einbezogen werden. In gesprochener
Alltagssprache wird die ironische Inten­
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
tion oft mit paraverbalen Hinweisen
signalisiert (z.B. Prosodie oder Mimik).
Interessanterweise gelingt es aber
auch in der Schriftsprache, ironische
Inhalte zu transportieren. In diesem
Fall hilft die Kenntnis der beteiligten
Personen, sowie Wissen über die
­Situation und den Diskurskontext, um
eine wörtliche Lesart abzulehnen.
Theorien der pragmatischen
Interpretation
In der obigen Beschreibung des Interpretations-Prozesses haben wir implizit angenommen, dass zuerst die
wörtliche Bedeutung erstellt wird, die
dann in einem weiteren Schritt abgelehnt wird, bevor dann in einem dritten Schritt die nichtwörtliche Bedeutung erstellt wird. Dies entspricht dem
klassischen seriellen Prozessmodell
für pragmatisches Verstehen (Grice,
1975), das nicht nur auf Ironie angewandt wird, sondern gleichermassen
z. B. auf Metaphern oder Idiome. Intui­
tiv ist jedoch offensichtlich, dass die
Verarbeitung von übertragenen Bedeutungen in vielen Fällen keinerlei
Schwierigkeiten bereitet. Diese Beobachtung, die auch experimentell vielfach bestätigt wurde, führte zu parallelen Constraint-Satisfaction Modellen. Hier wird postuliert, dass beide
Interpretationen gleichzeitig betrachtet werden, bis am Ende die Lesart
gewinnt, die am stärksten oder
schnellsten aktiviert wird (Pexman,
7
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
2008). Eine weitere Theorie übertragener Bedeutungen ist die Graded
­Salience Hypothesis (Giora & Fein,
1999). Sie basiert auf der Beobachtung, dass die Interpretation stark von
der Salienz oder der Prominenz, der
jeweiligen Lesart abhängt. So ist z.B.
für sehr häufige Idiome die wörtliche
Bedeutung nur schwer zu aktivieren,
oder es gelingt kaum, die Äusserung
eines Freundes, der sonst immer Witze
macht, ausnahmsweise einmal für
bare Münze zu nehmen. Diese Theorie erlaubt auch, Befunde zu erklären,
in denen nicht-wörtliche Interpretationen schneller und leichter verarbeitet
werden, als die entsprechenden wörtlichen. Da aber viele unterschiedliche
Faktoren die Salienz beeinflussen können, macht das Modell in konkreten
Fällen nur dann spezifische Vorher­
sagen, wenn zusätzliche Eigenschaften
beschrieben und experimentell erhoben werden (wie z.B. Häufigkeit).
schreibt die Fähigkeit, anderen Individuen Gefühle, Intentionen und Überzeugungen zuzuordnen. ToM spielt
eine wesentliche Rolle für die sozia­le
Interaktion, und insbesondere für
sozia­le Inferenzen (MacDonald &
­Flanagan, 2004; Monetta, Grindrod &
Pell, 2009). ToM-Defizite wurden z.B.
als wichtiger Baustein für Autismus
identifiziert (Ferstl, 2006), und sie
­wurden für Patienten mit orbito-­
frontalen Hirnläsionen und Amygdala-­
Läsionen (Fine, Lumsden & Blair, 2001)
beschrieben, die ebenfalls Schwierigkeiten im sozialen Miteinander haben.
Obwohl das Verstehen von Ironie
zweifelsohne erfordert, dass die Hörerin eine komplexe Wechselwirkung
zwischen dem Wissensstand des
Sprechers und seiner Intention inferiert, ist ein spezifischer Zusammenhang zwischen ToM und Ironieverständnis jedoch noch nicht nachgewiesen worden (Martin & MacDonald,
2005; Pexman, 2008).
Kognitive Voraussetzungen
Wenn ein Defizit beim Ironieverständnis auftritt, kann dies unterschiedliche
Quellen haben, unabhängig davon,
welches der zuvor genannten Modelle
zugrunde gelegt wird. Wir betrachten
insbesondere Theory-of-Mind, Kohärenzbildung und Exekutivfunktionen.
Der Begriff Theory-of-Mind (Theorie
des Geistes ToM) wurde von Premack
und Woodruff (1978) geprägt, und be-
8
Kohärenzbildung bezeichnet die Fähig­
keit, sprachliche Information mit Vorwissen und Diskurskontext zu verknüpfen (Ferstl, Guthke & von Cramon,
2002). Dieser Prozess ist während
des Verstehens von Texten kontinuierlich erforderlich, um einzelne Sätze
oder Äusserungen in einer zusammenhängenden Repräsentation zu integrieren. Und wie eingangs gesehen,
erfordert das Verstehen von Ironie genau diesen Kohärenzbildungsprozess,
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
also eine Integration der aktuellen
Äus­serung mit dem Vorwissen, den
nicht-verbalen Hinweisen und dem
Diskurskontext.
Patientenstudien zeigen, dass frontale
Läsionen (e.g. Ferstl, Guthke & von
Cramon, 1999, 2002), aber auch
rechts-hemisphärische Läsionen (Beeman, 1993) Inferenzdefizite bedingen
können. Bildgebende Studien haben
ergeben, dass frontomediane Areale
besonders an der Kohärenzbildung beteiligt sind (Ferstl & von Cramon,
2005). Interessanterweise ist dieses
Areal Teil eines Netzwerkes, das nicht
nur während des Textverstehens aktiv
wird, sondern auch während ToM-Aufgaben (Ferstl, 2006).
Schliesslich müssen Exekutivfunktionen (EF) als wesentlich für pragmatische Sprachfähigkeiten gesehen werden. EF kann definiert werden als die
Fähigkeiten, Information in zielgerichteter Weise zu manipulieren und cognitive Teilprozesse zu koordinieren.
Aspekte eines intakten EF-Systems
sind Arbeitsgedächtnis, inhibitorische
Kontrolle (Miyake, Freidman, Emerson, Witziki & Howerter, 2000), aber
auch Planungsverhalten und Strategieanwendung. EF sind sowohl mit
ToM als auch mit Kohärenzbildung
eng verknüpft (Dennis, Agostino,
Roncadin and Levin, 2009; Ferstl,
2006). Vor allem intakte Arbeits­
gedächtnisfunktionen sind für beide
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
dieser Prozesse eine wichtige Voraussetzung (Carlson, Moses & Breton, 2002).
Diese kurze Beschreibung ist natürlich
nicht vollständig, aber sie legt nahe,
dass Hirnschädigungen verschiedener
Genese und Lokalisation zu Defiziten
von pragmatischen Sprachfähigkeiten
führen können.
Die vorliegende Studie
Das Ziel der hier beschriebenen Studie war weder ein rigoroser Test der
verschiedenen Ironie-Theorien, noch
wollten wir die unterschiedlichen
­kognitiven und sozialen Bausteine
von Ironieverständnis differenzieren.
Stattdessen war das Ziel, alltagsrelevante Defizite bei Patienten mit Hirnschädigung nachzuweisen. Die zweite Autorin (KS) war als freiwillige Helferin im Headway House, Newick,
UK, tätig. Dies ist eine nicht-klinische
Tagesstätte für Patienten mit Hirnschädigung, die durch gemeinsame
Aktivitäten an die Wiedereingliederung herangeführt werden sollen. Viele der dort behandelten Patienten
zeigten Auffälligkeiten in der Produktion von Humor.
In zwei Experimenten versuchten wir,
den Zusammenhang zwischen Verständnis und Produktion von ironischen Äusserungen zu beleuchten.
Eine Gruppe von Patienten mit Hirn-
9
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
schädigung, aber ohne Aphasie, wurde gebeten, eine Bildergeschichte mit
ironischer Wendung zu erzählen. Vorher hatten sie eine Reihe von kurzen
Vignetten gelesen, in denen Aus­sagen
entweder ironisch oder wörtlich zu
­interpretieren waren. Lesezeiten und
Antworten auf Verständnisfragen wurden aufgezeichnet. Schliesslich testeten wir mittels einer Rekognitions­
aufgabe die Gedächtnisleistungen der
Patienten.
Die erste Hypothese war, dass Verständnis und Produktion von Ironie
modalitätsübergreifend gestört sein
würden. Daher erwarteten wir Korrelationen zwischen diesen beiden Aufgaben. Darüberhinaus war eine zweite offene Frage, wie weit eine ein­
fache Gedächtnisaufgabe eventuelle
Defizite vorhersagen würde. Und drittens waren wir daran interessiert, ob
die im Headway House verwendete
nichtklinische Erfassung der Sprachund Leseleistungen sich in den ex­
perimentellen Daten widerspiegeln
würde.
Methode
Teilnehmer
19 Patienten mit Hirnschädigungen
nahmen an der Studie teil (15 Männer,
4 Frauen, 21 bis 69 Jahre, M = 50, SD
= 15.0). Alle Patienten befanden sich
im chronischen Stadium (Median: 60
10
Monate nach HS, 6 bis 410 Monate)
und wurden zur Zeit der Durchführung
im Headway House, Newick, UK, behandelt. Die Versuchsleiterin (KS) war
dort als freiwillige Helferin tätig und
die Patienten nahmen im Rahmen
­ihres Aufenthaltes an der Studie teil.
Da es sich nicht um eine klinische
Therapieeinrichtung handelt, lagen
keine spezifischen medizinischen Diagnosen oder neuropsychologischen
Testwerte vor. Die Ätiologien waren
etwa jeweils zur Hälfte traumatische
Ereignisse (z.B. Verkehrsunfälle) und
kardio-­vas­kuläre Erkrankungen, zwei
Patienten hatten virale Erkrankungen.
Eine grobe Einschätzung relevanter
Defizite wurde aus dem AnamneseFragebogen entnommen, den eine
Sozialarbeiterin bei Aufnahme mit den
Patienten erarbeitete.
Es wurde sichergestellt, dass alle
­Patienten in der Lage waren, die beiden Aufgaben (Lesen von Geschichten auf einem Bildschirm, Erzählen
­einer Bildergeschichte) durchzuführen. Insbesondere wurden nur Patienten in die Studie aufgenommen, die
keine schwere Aphasie hatten und
­deren ­Instruktionsverständnis intakt
war. Tabelle 1 zeigt die verfügbare
­demographische und medizinische
­Information sowie die Einteilung in
Gruppen ­gemäss Sprachverständnis
und Lese­fähigkeit.
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
Tabelle 1. Demographische Information der Teilnehmer.
ID
Geschlecht
Ätiologie
M
Alter
(Jahre)
69
Verstehen
Lesen
SHT
Monate seit
Erkrankung
100
6
+
+
7
M
49
SHT
83
+
+
11
M
37
CV
39
+
+
13
M
67
CV
31
+
+
17
M
67
CV
6
+
+
4
M
61
CV
60
+
–-
9
F
47
sonst
151
+
–-
10
M
35
SHT
35
+
–-
14
M
61
CV
21
+
–-
18
M
50
SHT
45
+
–-
1
M
21
SHT
12
–-
+
3
M
51
SHT
410
–-
+
5
F
59
CV
109
–-
+
21
M
42
SHT
186
–-
+
2
F
60
CV
61
–-
–-
8
F
67
CV
47
–-
–-
19
M
52
SHT
39
–-
–-
20
M
33
sonst
402
–-
–-
24
M
22
SHT
141
–-
–-
Tabelle 1: Demographische Information der Teilnehmer.
Note. SHT = Schädel-Hirn-Trauma; CV = kardio-vaskuläres Ereignis; Sprach-
Note: SHT = Schädel-Hirn-Trauma; CV = kardio-vaskuläres Ereignis; Sprachverständnis und
verständniseingeschränkt
und Lesefähigkeit
eingeschränkt
(-) oder intakt
(+), gemäss
Lesefähigkeit
(–) oder
intakt (+), gemäss
Selbstauskunft.
Selbstauskunft.
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
11
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
Material
In der wörtlichen Version war die Aussage im dritten Satz faktisch richtig.
Die Geschichten für die Ironiever- Für die ironische Version wurde jeständnisaufgabe wurden von einem weils ein Teil des ersten oder zweiten
früheren Experiment übernommen Satzes so geändert, dass die Aus­
(Sanger, 2009). Das Material bestand sage im dritten Satz falsch wurde und
aus 16 kurzen Geschichten über All- damit als ironisch zu interpretieren
tagsereignisse, die jeweils aus vier war. Zu jeder Geschichte wurde eine
Ironie
Ironie geschrieben, die
Sätzen zusammengesetzt waren. Die Verständnisfrage
Ironie
22
22
Ironie
Länge der Geschichten variierte von auf die Interpretation
der Aussage
22
Ironie
22
29 bis 54 Wörtern. Der dritte Satz be- ­abzielte. Eine studentische
Kontroll22
stand immer aus einer wertenden gruppe (N = 31) hatte eine durchAussage.
Diese für
richtete
sich Texte
in acht
schnittliche
Lesezeit von elf SekunTabelle 2. Beispiele
die verwendeten
und Verständnisfragen
(ungefähre
Tabelle 2. Beispiele für die verwendeten Texte und Verständnisfragen (ungefähre
Tabelle
2.
Beispiele
für
die
verwendeten
Texte
und
Verständnisfragen
(ungefähre
Geschichten
gegen
eine
Person,
in
den
pro
Geschichte
und eine FehlerÜbersetzung aus dem Englischen).
Übersetzung
aus demfür
Englischen).
Tabelle
2. Beispiele
die verwendeten Texte und Verständnisfragen (ungefähre
Übersetzung
aus
dem
Englischen).
denTabelle
übrigen
Geschichten
kommenrate von (ungefähre
ca. 13% für ähnliche Fragen
2. Beispiele
für die verwendeten
Texte und Verständnisfragen
Übersetzung aus dem Englischen).
Übersetzung
aus dem
Englischen). Jede Getierte
sie die
Situation.
(Sanger, 2009). Beispiele werden in
Wörtlich
schichte kam in zweiIronisch
Versionen vor. Tabelle
2 gezeigt.
Ironisch
Wörtlich
Ironisch
Wörtlich
Ironisch
Wörtlich
Person
Karl’s Schwester
Johanna fiel hin
Karl’s Schwester
Johanna fiel hin
Ironisch
Wörtlich
Person
Karl’s Schwester Johanna fiel hin
Karl’s Schwester Johanna fiel hin
Person
Karl’s
Schwester
Karl’s
Schwester
und verletzte
sich Johanna
am Bein.fiel hin
und verletzte
sich Johanna
am Bein.fiel hin
und verletzte
sich Johanna
am Bein.fiel hin
und verletzte
sich Johanna
am Bein.fiel hin
Person
Karl’s
Schwester
Karl’s
Schwester
und
verletzte
sich
am
Bein.
und
verletzte
sich
am
Bein.
Karl ignorierte
ihre
Schreiefiel
undhin
Karl rannte
sofortJohanna
zu ihr
und
Person
Karl’s
Schwester
Johanna
Karl’s
Schwester
fiel hin
Karlverletzte
ignoriertesich
ihream
Schreie
Karlverletzte
rannte sofort
zu ihr
und
und
Bein. und
und
sich am
Bein.
Karl
ignorierte
ihre
Schreie
und
Karl
rannte
sofort
zu
ihr
und
spielte
seelenruhig
weiter.
rief
einen
Krankenwagen.
und verletzte sich am Bein.
und verletzte sich am Bein.
spielte
seelenruhig
rief einen
Karl
ignorierte
ihreweiter.
Schreie und
Karl
rannteKrankenwagen.
sofort zu ihr und
spielte
seelenruhig
weiter.
rief
“Du
bist
so nettihre
zu mir!”,
“Du
bist
soKrankenwagen.
nett
zuzu
mir!”,
Karl
ignorierte
Schreie und
Karleinen
rannte
sofort
ihr und
“Du
bistseelenruhig
so nett zu mir!”,
“Dueinen
bist soKrankenwagen.
nett zu mir!”,
spielte
weiter.
rief
“Du
bist
so
nett
zu
mir!”,
“Du
bist
so
nett
zu
mir!”,
sagte
Johanna.
sagte
Johanna.
spielte seelenruhig weiter.
rief einen Krankenwagen.
sagtebist
Johanna.
sagte
Johanna.
“Du
so nett zu mir!”,
“Du bist
so nett zu mir!”,
sagte
Johanna.
sagte
Johanna.
“Du bist
so nett zu mir!”,
“Du bist
so nett zu mir!”,
sagte Johanna.
sagte Johanna.
Fand
Fand
sagte Johanna
Johanna.ihren Bruder Karl
sagte Johanna
Johanna.ihren Bruder Karl
Fand Johanna ihren Bruder Karl
Fand Johanna ihren Bruder Karl
Fand Johanna ihren Bruder Karl
Fand
nett?
nett? Johanna ihren Bruder Karl
nett? Johanna ihren Bruder Karl
nett? Johanna ihren Bruder Karl
Fand
Fand
nett?
nett?
Fand Johanna ihren Bruder Karl
Fand Johanna ihren Bruder Karl
nett?
nett?
Jonathan ging zu Paul’s
Situation
Jonathan
ging zu Paul’s
nett?
nett?
Jonathan ging zu Paul’s
Situation
Jonathan ging zu Paul’s
Jonathan
ging zu Paul’s
Situation
Jonathan
ging zu Paul’s
Geburtstagsfeier.
Geburtstagsfeier.
Geburtstagsfeier.
Geburtstagsfeier.
Jonathan
ging zu Paul’s
Situation
Jonathan
ging zu Paul’s
Geburtstagsfeier.
Geburtstagsfeier.
Eine Menge
Nur zwei ging
andere
Jonathan
gingvon
zu Paul’s
Paul’s Freunden
Situation
Jonathan
zu Jungs
Paul’swaren
Eine Menge von Paul’s Freunden
Nur zwei andere Jungs waren
Geburtstagsfeier.
Geburtstagsfeier.
Eine
Menge
Nur
zwei
war schon
da.von Paul’s Freunden
schon
da. andere Jungs waren
Geburtstagsfeier.
Geburtstagsfeier.
war schon
da.von Paul’s Freunden
schon
da. andere Jungs waren
Eine
Menge
Nur
zwei
war
schon
da.von voll
schon
da.
“Es ist
ja richtig
hier,”
“Es ist
ja richtig
hier,”
Eine
Menge
Paul’s
Freunden
Nur
zwei
andere voll
Jungs
waren
“Es ist
ja richtig
“Es istda.
ja richtig voll hier,”
war
schon
da. voll hier,”
schon
“Es
ist
ja richtig
voll hier,”
“Es istda.
ja richtig bevor
voll hier,”
dachte
Jonathan
er Paul
dachte
Jonathan
er Paul
war
schon
da. bevor
schon
dachte
er Paul
dachte
er Paul
“Es
ist Jonathan
ja richtig bevor
voll hier,”
“Es
ist Jonathan
ja richtig bevor
voll hier,”
dachte
er Paul
dachte
er Paul
begrüsste.
begrüsste.
“Es
ist Jonathan
ja richtig bevor
voll hier,”
“Es
ist Jonathan
ja richtig bevor
voll hier,”
begrüsste.
begrüsste.
dachte
Jonathan bevor er Paul
dachte
Jonathan bevor er Paul
begrüsste.
begrüsste.
dachte
Jonathan bevor er Paul
dachte
Jonathan bevor er Paul
begrüsste.
begrüsste.
Waren wenige Leute bei der Party?
Waren wenige Leute bei der Party? begrüsste.
begrüsste.
Waren wenige Leute bei der Party? Waren wenige Leute bei der Party?
Waren wenige Leute bei der Party? Waren wenige Leute bei der Party?
Waren für
wenige
bei der Party?Texte
Waren
wenige
Leute bei der Party?
Tabelle 2: Beispiele
dieLeute
verwendeten
und
Verständnisfragen
Waren wenige Leute bei der Party? Waren wenige Leute bei der Party?
(ungefähre Übersetzung aus dem Englischen).
12
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
Für die Präsentation wurden vier unterschiedliche Listen so erstellt, dass
jede Versuchsperson jede Geschichte
in nur einer Version sah, so dass über
die Gruppe der Versuchspersonen
jede Version neun oder zehn Mal
­vorkam. Ausserdem wurde darauf
geachtet, dass die Ja- und Nein-­
Antworten ausbalanciert waren. Für
den Gedächtnistest wurde eine Rekognitionsaufgabe implementiert. 19
Eigennamen, die in den Geschichten
vorkamen, wurden mit 19 anderen
Namen in zufälliger Reihenfolge auf
ein Blatt gedruckt. Für die Produktion
einer ironischen Geschichte wurde
ein Garfield - Cartoon verwendet
­(Davis, 2000; siehe Abbildung 1). Der
Cartoon besteht aus sechs Szenen,
in denen der Kater Garfield darauf
wartet, dass eine Maus ein Loch
durch die Wand sägt, damit
er sie,
Ironie
wenn sie aus dem Loch heraus24
kommt, mit seinem Tennisschläger
fangen kann. Am Ende stürzt die
Wand jedoch ein, sodass Garfield darunter begraben wird und die Maus
die lachende ­Gewinnerin ist.
Abbildung 1: Garfield-Cartoon, der als Stimulus für die Sprachproduktionsaufgabe
verwendet wurde.
Abbildung 1. Garfield-Cartoon, der als Stimulus für die Sprachproduktionsaufgabe
verwendet wurde.
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
13
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
Durchführung
Das Experiment wurde in einem
r­ uhigen Raum im Headway House
durchgeführt. Die Patienten sassen
vor ­einem Laptop-Computer, bei
dem drei Tasten farbig markiert waren: Grün für JA, rot für NEIN, und
gelb für WEITER. Die Versuchsleiterin sagte den Patienten, dass sie auf
dem Bildschirm kurze Geschichten
satzweise lesen würden. Nach dem
Lesen jeden ­Satzes sollte die gelbe
Taste gedrückt werden, um den
nächsten Satz oder eine abschlies­
sende Frage aufzurufen. Für die Beantwortung einer ­Verständnisfrage
am Ende jeder Geschichte sollten
die JA- und NEIN-­Tasten benutzt
werden. Die Versuchsleiterin stellte
sicher, dass die Patienten die Tasten
lokalisiert hatten, und dass die Ins­
truktionen verstanden worden waren. Nach der Präsentation von zwei
Probedurchgängen wurden die 16
Geschichten nacheinander in zufälliger Reihenfolge gezeigt. Der Laptop
zeichnete die Lesezeiten für jeden
Satz auf, sowie die Antworten und
Antwortzeiten. Diese Aufgabe dauerte ungefähr 15 bis 20 Minuten. Danach wurde das Gedächtnis getestet. Die Patienten erhielten das Blatt
mit den Eigennamen und wurden
­instruiert, die Namen mit einem Stift
zu markieren, die in einer der
­Geschichten vorgekommen waren.
Während der Patient die Gedächtnis-
14
aufgabe bearbeitete – was ungefähr
fünf Minuten dauerte – suchte die
Versuchsleiterin zwei Geschichten
heraus, deren Fragen falsch beantwortet worden waren. Gedruckte
Versionen dieser Geschichten wurden dann dem Patienten nochmals
für ein strukturiertes Interview vorgelegt, das auf Tonband aufgezeichnet wurde. Bei ­jedem Satz fragte die
Versuchsleiterin, wie sich die Hauptperson der ­Geschichte wohl fühlte.
Danach folgte nochmals die Verständnisfrage. Dieses Interview dauerte etwa fünf bis zehn Minuten,
wird jedoch nicht weiter b
­ etrachtet.
Direkt im Anschluss wurde die
Sprachproduktionsaufgabe durchgeführt. Der Cartoon wurde auf den
Tisch gelegt und der Teilnehmer
wurde gebeten, die Bildergeschichte jemandem zu ­erzählen, der die
Bilder nicht sehen konnte. Er erhielt
einige Minuten um sich die Bilder
gut anzuschauen, bevor er mit der
Erzählung begann. Die ­Geschichte
wurde dann auf Tonband aufgezeichnet. Nach dem der Patient geendet
hatte, fragte die Versuchsleiterin
noch einmal explizit: «Was ist die
Pointe dieser Geschichte?» Nach
­Beantwortung dieser Frage wurde
dem Teilnehmer gedankt und er
wurde über den Zweck des Experimentes unterrichtet. Insgesamt dauerte das Experiment weniger als
eine Stunde.
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
Ergebnisse
die Gesamtfehlerrate berechnet. Die
Antwortzeiten wurden nicht ausgeStatistische Test
wertet. Tabelle 3 zeigt die Daten für
die Gesamtgruppe. Insgesamt machWegen der Heterogenität der Ver­ ten die Patienten ca. doppelt so viele
suchspersonengruppe wurden alle Fehler (25%) wie die studentische
statistischen Vergleiche mit nicht-­ Vergleichsgruppe (13%; Sanger, 2009).
parametrischen Tests durchgeführt.
Mann-Whitney U-Tests verglichen Fragen zu ironischen Geschichten wa­Patientenuntergruppen miteinander, ren erheblich schwieriger (Md = 50%)
­Wilcoxon Rangtests wurden für Mess- als Fragen zu wörtlichen Geschichten
wiederholungen benutzt. Für diese (Md = 0%; T = 1, Z = 3.8, p < .0001).
Tests werden Z-Werte berichtet. Spear- Alle Patienten konnten sechs bis acht
man-Rangkorrelationen bestimmten der Fragen zu wörtlichen Geschichten
den Zusammenhang zwischen ver- richtig beantworten, während nurIronie
zwei
schiedenen Variablen.
Patienten weniger als drei Fehler bei
23
den ironischen Geschichten machten.
Fehler
Für jede Versuchsperson wurden
Fehlerraten für Fragen zu ironischen
Tabelle
3. Deskriptive
Statistik fürsowie
die erhobenen Masse.
und
wörtlichen
Geschichten
Variable
Median
Minimum
Fehlerraten (%)
25,0
12,5
50,0
Lesezeit (pro Geschichte in Sekunden)
17,0
8,3
39,5
4
–-2
10
Geschichtenlänge (in Wörtern)
107
44
258
(0 – 15)
Inhaltliche Angemessenheit (0-15)
6,7
0,7
10,0
Pointen-Wert (0
(0-5)
– 5)
1,5
0,0
4,2
Rekognitionswert (max. 19)
Maximum
Note. N = 19
Tabelle 3: Deskriptive Statistik für die erhobenen Masse.
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
15
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
Lesezeiten
Wie in Tabelle 3 gezeigt, waren auch
die Lesezeiten erheblich länger als
die der studentischen Vergleichsgruppe (ca. 17 Sekunden im Vergleich zu
elf Sekunden). Nach dem Entfernen
von sieben fehlerhaften Satz-Lesezeiten (z.B. wegen Abschweifen, fehlerhaftem «WEITER»-drücken, u.ä.),
wurden für jede Versuchsperson die
Satzlesezeiten bei 2.5 Standard­
abweichungen über dem Mittelwert
­gekappt und die Ergebnisse durch
die Satzlänge geteilt (Anzahl der
­Zeichen). Für jeden Satz (von 1 bis 4),
sowie für die Gesamtgeschichte und
jede Bedingung (wörtlich vs. ironisch),
wurden dann mittlere Lesezeiten pro
Zeichen berechnet. Die Lesezeiten
unterschieden sich deutlich für die
beiden Textversionen (Z = 3.2, T =16,
p < 0.001). Ironische Geschichten
waren schwieriger als (Md = 87 ms)
als wörtliche Geschichten (Md = 79
ms). Eine genauere Analyse der einzelnen Sätze bestätigte, dass dies
durch erhöhte Lesezeiten schon auf
dem zweiten (Z = 2.6, T = 31, p <
.01), aber vor allem auf dem dritten
Satz bedingt war (Z = 3.3, T = 14, p <
.001). Im Gegensatz dazu gab
es keiIronie
ne Lesezeitunterschiede für den
25 ersten oder letzten Satz (Z ’s < 1, T ’s >
85, ns). Diese Daten sind in Abbildung 1 gezeigt.
����������
�������� ��� ��������� ����
���
���
��
��
��
��������
���������
��
��
���� �
���� �
���� �
���� �
Abbildung 2: Lesezeiten pro Zeichen (Median) für die vier Sätze der ironischen bzw.
wörtlichen
Geschichten.
Abbildung
2. Lesezeiten pro Zeichen (Median) für die vier Sätze der ironischen bzw.
16
wörtlichen Geschichten.
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
Gedächtnisleistung
Um die Gedächtnisleistung zu quantifizieren, wurde die korrigierte Rekognitionsleistung berechnet, d.h. die Differenz zwischen den Treffern und den
falschen Alarmen. Je höher dieser
Wert, desto besser war die Erinnerung für die Namen. Die Gedächtnisleistung war mit einem Median von 4
(–2 bis 10) ziemlich niedrig, im Vergleich zu einem möglichen Höchstwert von 19.
Sprachproduktion
Nachdem die Erzählungen transkribiert worden waren, bewerteten
sechs unabhängige, naïve Personen
deren Angemessenheit. Sie erhielten
ausführliche Instruktionen für zwei
Skalen. Die erste Skala bewertete die
inhaltliche Vollständigkeit anhand einer
Liste von Schlüsselaussagen (0–15
Punkte), die zweite bewertete die Angemessenheit der Pointe (0–5). Die
Ergebnisse der sechs Urteile waren
hoch reliabel (Cronbach’s Alpha > 0,90)
und wurden daher für jeden Tln und
jede der zwei Skalen gemittelt.
Die Geschichten waren ungefähr 100
Wörter lang. Es wurden etwa sieben
(von 15) Inhaltseinheiten produziert,
aber die Pointe wurde mit einem
­Median von 1.5 nur selten als angemessen bewertet. Wie erwartet korrelierte die inhaltliche Vollständigkeit
mit der Anzahl der produzierten ­Wörter
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
(r = .45, p = .05). Dagegen war die
­ ngemessenheit der Pointe unabhänA
gig von diesen beiden quantitativen
Massen (r = 0.28 bzw. r = 0.25, ns.).
Korrelationen
Um den Zusammenhang zwischen
der Textproduktion, dem Ironieverständnis und dem Gedächtnistest zu
überprüfen, wurden nicht-parametrische Korrelationen mit einer Reihe
von Variablen aus der Leseaufgabe
berechnet. Neben der Gesamtfehlerrate wurde auch die Differenz der
­Fehler zwischen ironischen und wörtlichen Geschichten als Mass des
­Ironieverständnisses betrachtet. Dieses Mass korrelierte hoch mit der
­Gesamtfehlerrate (r = 0,66; p < 0,01),
da die Variabilität der Fehlerraten durch
die ironischen Geschichten bedingt
war.
Interessanterweise ergaben sich Zusammenhänge zwischen allen drei
Aufgaben: die Gesamtfehlerrate und
das Ironiemass korrelierten mit dem
Gedächtniswert (r = -0,47, p < 0,05:
und r = -0,55, p < 0,05). Patienten,
die sich an die Eigennamen besser
­erinnern konnten, machten weniger
Fehler bei den Verständnisfragen, insbesondere zu ironischen Geschichten
(r = -0,59, p < 0,01). Auch die Ironiemasse standen in Zusammenhang:
Patienten, die eine gute Pointe produzierten, konnten sich die Namen
­besser merken (r = 0,55; p < 0,05), sie
17
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
machten weniger Fehler insgesamt
(r = -0,59; p < 0,01), und dies war vor
allem der Fall für ironische Geschichten (r = -0,50, p < 0,05). Die Lese­
zeiten zeigten keine signifikanten Zusammenhänge mit anderen Variablen.
Untergruppenvergleiche
Um zu sehen, ob die durch die anamnestischen Angaben gebildeten Unter­
gruppen sich unterschieden, wurden
die Gesamtlesezeiten, die Fehlerrate,
der Gedächtniswert, die Wortproduktion, die beiden Produktionsmasse
­(Inhalt und Pointe) sowie zwei Ironiemasse betrachtet. Vergleiche zwischen den Patientinnen mit und ohne
Verständnisprobleme, bzw. mit und
ohne Leseprobleme, ergaben keinerlei Unterschiede (alle Z ’s < 1.4). Die
Selbstauskunft im Rahmen des Aufnahmegespräches war somit in keinem der empirischen Masse reflektiert.
Diskussion
Ironieverständnis
Die Gruppe der hier untersuchten
­Patienten hatte erhebliche Schwierigkeiten, Ironie zu verstehen. Während
Fragen zu wörtlich gemeinten Aus­
sagen sehr gut beantwortet wurden,
war die Fehlerrate für ironische Geschichten bei einer Mehrzahl der
Patien­ten im zufälligen Bereich. Dies
18
­ estätigt das Vorliegen nicht-aphasib
scher Kommunikationsdefizite, und
repliziert insbesondere den Befund,
dass ironische Texte für Patienten
schwieriger sind als wörtlich zu interpretierende Texte (e.g. Angeleri, et al.
2008; Martin & MacDonald, 2005).
Auch bei den Lesezeiten gab es eine
breite Streuung. Einige der Patienten
konnten so mühelos lesen wie die
Vergleichsgruppe (ca. 11 s), während
andere zwei oder drei Mal so lange
­Zeiten benötigten. Trotz der Hetero­
genität fanden sich systematische
­Unterschiede zwischen den Bedingungen: Lesezeiten für die ironischen
­Geschichten waren länger als für die
wörtlichen. Interessanterweise galt
dies schon für den Kontextsatz. Um
im zweiten Satz die ironische Lesart
anzubahnen, war dieser meist über­
raschender, also weniger eng mit dem
ersten Satz verknüpft, als dies in der
wörtlichen Bedingung der Fall war
(s. Beispiele in Tabelle 2). Die höheren
Lesezeiten für den zweiten Satz in der
ironischen Bedingung reflektieren also
die erhöhten Inferenz-Anforderungen.
Dieser Befund zeigt, dass die Bedeutung der Sätze verstanden wurde und
mit dem vorherigen Diskurskontext in
einer kohärenten Repräsentation verknüpft wurde.
Die ebenfalls erhöhten Lesezeiten
für die Zielaussage lassen darauf
schliessen, dass die Teilnehmer versuchten, die Sätze in den Textkontext einzubetten und dass der verAphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
meintliche Widerspruch verarbeitet
wurde. Trotz der hohen Fehlerraten
zeigt dies durchaus Sensitivität für
die Texteigenschaften.
Modelle des Ironieverstehens
Die erhöhten Lesezeiten und Fehler­
raten sind im Einklang mit einem seriellen Modell des Ironieverstehens
(Grice, 1975), das das Erkennen eines
Widerspruches postuliert. Andererseits kann man aus den längeren Zeiten nicht ersehen, ob letztendlich die
ironische Interpretation erstellt wurde. Ähnlich wie von Channon et al.
(2007) beschrieben, ist es durchaus
möglich, dass die Patienten die Inkonsistenzen zwar bemerkt hatten, ohne
jedoch dann deren «Auflösung» korrekt vorzunehmen (cf. Ferstl, Guthke
& von Cramon, 1999, 2002), d.h. ohne
die Intention der Sprecherin im sozialen Kontext zu inferieren.
Die Graded Salience Hypothesis kann
diese Ergebnisse ebenfalls erklären.
Unter der Zusatzannahme, dass bestimmte Hirnläsionen zu einer Verminderung der Salienz von ironischen
oder nicht-wörtlichen Interpretationen
führen (vgl. Konkretismus), werden
Defizite sowohl bei Fehlern als auch
Lesezeiten vorhergesagt. Diese Annahme wird durch die Beobachtungen
in dem strukturierten Interview gestützt. Dort hatte die Versuchsleiterin
durch explizite Fragen die Salienz
der unterschiedlichen Interpretationen
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
­ rhöht, was bei zwölf von 19 Patienten
e
zu einer Verbesserung der Leistungen
führte.
Produktion von ironischen
Aussagen
Auch die Produktionsaufgabe ergab
heterogene Befunde. Manche Patienten brauchten nur 50 Wörter, um die
Geschichte zu erzählen, während andere vier bis fünf Mal soviel sprachen.
Längere Erzählungen enthielten mehr
relevante Inhalte. Diese quantitativen
Masse korrelierten aber nicht mit der
Angemessenheit der ironischen Pointe. Die meisten Patienten verpassten
den «Witz der Geschichte», unabhängig davon, wie ausführlich oder vollständig sie deren Inhalt erzählt hatten.
Im Gegensatz dazu gab es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen
den Fehlerraten in der Verständnis­
aufgabe und der Pointen-Produktion.
Schwierigkeiten in der Verwendung
von Ironie waren modalitätsunab­
hängig. In der Konversation auffällige
­Patienten hatten auch Schwierigkeiten
beim Verstehen.
Individuelle Unterschiede
Keines dieser Masse unterschied sich
für Untergruppen, die gemäss der
Selbstauskunft gebildet wurden. Dies
spiegelt möglicherweise die Ungenauigkeit des Aufnahme-Fragebogens wider, oder eine fehlende Awareness
19
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
auf Seiten der Patientinnen. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Interpretation von «Sprachverständnis» oder
«Lesefähigkeit» die hier getesteten
Teilprozesse nicht mit einschloss.
Auch in der klinischen Diagnostik werden nicht-aphasische Kommunikationsdefizite oft nicht dem Bereich
Sprache zugeordnet, sondern dem
Bereich Kognition oder Neuropsychologie (Coelho, 2006).
Im Gegensatz zu den anamnestischen
Daten waren die Ergebnisse der Rekognitionsaufgabe für die Ironieleistungen hochrelevant. Die Gedächtniswerte korrelierten sowohl mit den
Fehlerraten beim Verstehen ironischer
Texte. Dies ist im Einklang mit dem
eingangs postulierten Zusammenhang
von Ironieverarbeitung und Exekutivfunktionen (Channon et al., 2007). Um
die ironische Äusserung mit dem Kontext zu integrieren, müssen die verschiedenen Informationen im Gedächtnis gehalten und manipuliert
werden. Die Korrelation gibt jedoch
keine kausale Richtung an. Eine alternative Erklärung ist, dass besseres
Geschichtenverständnis die Enkodierung von Detailinformationen (wie die
Namen der genannten Personen) erleichtert (Ericsson & Kintsch, 1995).
Die ebenfalls beobachtete Korrelation
zwischen dem Gedächtnismass und
der Angemessenheit der Pointenproduktion ist nicht so offensichtlich.
Während der Produktion der Bilder­
geschichte lag der Cartoon vor, so-
20
dass die unmittelbaren Gedächtnis­
anforderungen minimal waren. Dieses
Ergebnis lässt eher darauf schliessen,
dass alle drei Aufgaben eine gemeinsame Exekutivfunktions-Komponente
beinhalteten, die zu den hohen Korrelationen beitrug.
Fazit und Ausblick
Obwohl diese Studie eine unselektierte Gruppe von Patienten untersuchte,
deren medizinischen, neuropsychologischen und neurolinguistischen Profile
nur sehr rudimentär bekannt waren,
wurde ein pragmatisches Defizit –
­zumindest auf Gruppenebene – bestätigt. Weitere Forschung mit grösseren
Fallzahlen sowie einer differenzierteren Zuordnung zu Läsions- und Ätiologiegruppen ist nötig, um die jeweiligen Beiträge von ToM, Gedächtnis
und Kohärenzbildung genauer zu beschreiben. Auch eine differenziertere
Einzelfallbetrachtung wäre wünschens­
wert. Aus den vorliegenden Daten lassen sich noch keine diagnostischen
Instrumente ableiten.
Für die therapeutische Praxis bestätigt die vorliegende Studie einmal
mehr die Notwendigkeit, nicht-aphasische Kommunikationsstörungen zu
berücksichtigen. Im Idealfall sollte die
neuropsychologische und sprachtherapeutische Diagnostik eine theoretisch begründete Erfassung pragmatischer Leistungen beinhalten (Angeleri
et al., 2008). Dabei ist besonders wichAphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
tig zu versuchen, kognitive und sozialinteraktive Defizite abzugrenzen, um
sie dann in der Therapie gezielt be­
handelt zu können. Unabhängig von
der jeweiligen Diagnose hilft das
­Einbeziehen von witzigen oder ironi-
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
schen Materialien (z. B. Volkmann,
Siebörger & Ferstl, 2008), die Therapie alltagsrelevant und interessant zu
gestalten, und damit die Motivation zu
erhöhen.
Literatur
Angeleri, R., Bosco, F. M., Zettin, M., Sacco, K., Colle, L., & Bara, B. G. (2008). Communicative impairment in traumatic brain injury: a complete pragmatic assessment. Brain and
Language, 107, 229 – 245.
Beeman, M. (1993). Semantic processing in the right hemisphere may contribute to
­drawing inferences from discourse. Brain and Language, 44, 80 – 120.
Carlson, S. M., Moses, L. J., & Breton, C. (2002). How specific is the relation between
­executive function and theory of mind? Contributions of inhibitory control and working
memory. Infant and Child Development, 11, 73 – 92.
Channon, S., Rule, A., Maudgil, D., Martinos, M., Pellijeff, A., Frankl, J., Drury, H., & Shieff,
C. (2007). Interpretation of mentalistic actions and sarcastic remarks: Effects of frontal
and posterior lesions on mentalising. Neuropsychologia, 45 (8), 1725-1734.
Clark, H. H., & Gerrig, R. J. (1984). On the pretense theory of irony. Journal of Experimental
Psychology: General, 113 (1), 121 – 126.
Coelho, C. A. (2006). Cognitive-communication deficits following traumatic brain injury. In
Zasler, N. D., Katz, D. I., & Zafonte, R. D (Eds.). Brain injury medicine: Principles and
practice (pp. 895 – 910). New York: Dermos Medical.
Davis, J. (2000, September 10). Garfield. Albany: Paws Inc. Retrieved November 21, 2009,
from http://www.garfield.com/comics/vault.html
Dennis, M., Agostino, A., Roncadin, C., & Levin, H. (2009). Theory of mind depends on
­domain-general executive functions of working memory and cognitive inhibition in children with traumatic brain injury. Journal of Clinical and Experimental Neuropsychology,
31 (7), 835 – 847.
Ericsson, K. A., & Kintsch, W. (1995). Long-term working memory. Psychological Review,
102 (2), 211 – 245.
Ferstl, E. C. (2006). Theory-of-Mind und Kommunikation: Zwei Seiten der gleichen ­Me­daille?
In H. Förstl (Ed.), Theory of Mind: Neurobiologie und Psychologie sozialen Verhaltens
(S. 67 – 78). Heidelberg: Springer.
Ferstl, E. C., Guthke, T., & von Cramon, D. Y. (1999). Change of perspective in discourse
comprehension: Encoding and retrieval processes after brain injury. Brain and ­Language,
70, 385 – 420.
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
21
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
Ferstl, E. C., Guthke, T., & von Cramon, D. Y. (2002). Text comprehension after brain injury:
Left prefrontal areas affect inference processes. Neuropsychology, 16 (3), 292 – 308.
Ferstl, E. C. & von Cramon, D. Y. (2005). Sprachverstehen im Kontext: Bildgebende Studien
zu Kohärenzbildung und Pragmatik. Sprache – Stimme – Gehör, 29, 130 – 138.
Fine, C., Lumsden, J., & Blair, R. J. R. (2001). Dissociation between «theory of mind» and
executive functions in a patient with early left amygdale damage. Brain, 124, 287 – 298.
Gardner, H., Ling, P. K., Flamm, L., Silverman, J. (1975). Comprehension and appreciation of
humorous material following brain damage. Brain, 98, 399 – 412.
Gibbs, R. W. Jr., & Colson, H. L. (Eds.) (2007). Irony in language and thought: A cognitive
­science reader. New York: Lawrence Erlbaum.
Giora, R., & Fein, O. (1999). Irony comprehension: The graded salience hypothesis. Humor,
12 (4), 425 – 436.
Grice, H. P. (1975). Logic and conversation. In Cole, P., and Morgan, J (Hrsg.), Syntax and
­Semantics 3: Speech Acts, pages 41–58. Academic Press, New York
Kumon-Nakamura, S., Glucksberg, S., & Brown, M. (1995). How about another piece of pie:
The allusional pretense theory of discourse irony. Journal of Experimental Psychology:
General, 124 (1), 3 – 21.
MacDonald, S., & Flanagan, S. (2004). Social perception deficits after traumatic brain injury:
Interaction between emotion recognition, mentalizing ability, and social communication.
Neuropsychology, 18 (3), 572 – 579.
Martin, I., & MacDonald, S. (2005). Evaluating the causes of impaired irony comprehension
following traumatic brain injury. Aphasiology, 19 (8), 712 – 730.
Miyake, A., Friedman, N. P., Emerson, M. J., Witziki, A. H., & Howerter, A. (2000). The ­unity
and diversity of executive functions and their contributions to complex «frontal lobe»
tasks: A latent variable analysis. Cognitive Psychology, 41, 49 – 100.
Monetta, L., Grindrod, C. M., & Pell, M. D. (2009). Irony comprehension and theory of mind
deficits in patients with Parkinson’s disease. Cortex, 45, 972 – 981.
Paradis, M. (1998). The other side of language: Pragmatic competence. Journal of Neurolinguistics, 11 (1/2), 1 – 10.
Pexman, P. M. (2008). It’s fascinating research: The cognition of verbal irony. Current Directions in Psychological Science, 17 (4), 286 – 290.
Premack, D., & Woodruff, G. (1978). Does the chimpanzee have a theory of mind? The
­Behavioural and Brain Sciences, 4, 515 – 526.
Prigatano, G. P., Roueche, J. R., & Fordyce, D. J. (1985). Nonaphasic language disturbances
after closed head injury. Language Sciences, 7 (1), 217 – 229.
Rath, J. F., Hennessy, J. J., & Diller, L. (2003). Social problem solving and community inte­
gration in postacute rehabilitation outpatients with traumatic brain injury. Rehabilitation
Psychology, 48 (3), 137 – 144.
22
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
ORIGINALBEITRAG – ARTICLE
Sanger, C. (2009). Gender differences in the processing of irony: Evidence from eye movements. Unveröffentlichte Bachelor’s-Arbeit. University of Sussex, Brighton, UK.
Volkmann, B., Siebörger, F. Th., & Ferstl, E.C. (2008). Spass beiseite? Materialien zur neurologischen Rehabilitation. Hofheim, D: NAT-Verlag.
Autorin:
Korrespondenzadresse:
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
Evelyn C. Ferstl
School of Psychology
University of Sussex
Falmer, Brighton
BN1 9QH
United Kingdom
Evelyn C. Ferstl
Tel. 0044-1273-876679
E-Mail: [email protected]
23
24
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
FoRUM
La logopédie pour les résidents
d’EMS1 avec troubles de la communication:
un luxe ou une nécessité ?
Mélanie Mudry, 2010
Article issu du travail de mémoire pour l’obtention
du diplôme d’orthophonie-logopédie de l’Université de Neuchâtel
(sous la direction de Mme Laganaro Marina, juin 2009)
Résumé
Dans nos sociétés, l’espérance de vie est en augmentation constante, et la représentation démographique des personnes âgées n’a jamais été aussi élevée dans la population suisse et mondiale. Or, l’âge est le facteur de risque principal des maladies
­neurodégénératives [1], et les atteintes cérébrales focales ont une prévalence grandissante avec l’âge, ces deux pathologies étant susceptibles d’entraver les possibilités de
communication des personnes atteintes. Actuellement, la fréquence des démences et
suspicions de démence dans les EMS suisses approcherait 40% [2], et, selon Aphasie
Suisse [3], 10’000 à 12’000 personnes aphasiques vivaient dans ces établissements en
2000.
Ces constats nous ont amené à nous demander si les soignants des EMS pour personnes âgées avaient la possibilité ou l’habitude de collaborer avec les spécialistes du
­langage et de la communication que sont les logopédistes et, si cela ne devait pas être
le cas, d’en explorer les raisons éventuelles. Pour ce faire, nous nous sommes rendus
au sein de quatre EMS valaisans afin d’y interroger le personnel soignant à ce sujet.
Comme nous le verrons, la collaboration entre ces milieux et les logopédistes est loin
d’être une pratique unanime, et les résultats de l’enquête permettent de mettre en
­évidence plusieurs pistes explicatives. Mais avant la présentation de l’étude, nous
­rapportons dans cet article un certain nombre de données théoriques concernant la
­nature des troubles du langage chez la personne âgée, qu’ils soient progressifs dans le
cadre des démences ou non dans le cadre d’aphasies dites acquises. Cette partie est
suivie d’une revue de la littérature concernant l’efficacité de différents types de prises
en charge et d’interventions logopédiques auprès de la population gériatrique souffrant
de tels troubles.
1
Etablissement Médico-Social
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
25
FORUM
1. Nature des troubles du
langage dans la démence
et l’aphasie du sujet âgé
Les deux principales maladies neurodégénératives causant des troubles
progressifs du langage sont la maladie
d’Alzheimer et la dégénérescence
­lobaire fronto-temporale [4].
1.1. Chez les personnes atteintes de la maladie d'Alzheimer
La maladie d’Alzheimer (MA) est le
type de démence le plus courant, représentant 50% à 75% des démences
chez les personnes âgées (Welsh-­
Bohmer & Warren, 2006, cités par [5]).
Dans le manuel DSM-IV (1994, ­cités
par [6]), la MA est décrite comme une
altération progressive de la mémoire
associée à au moins une autre atteinte
cognitive, comme une aphasie. Elle se
décline sous la forme d'une profonde
amnésie antérograde due à une
­atteinte bilatérale médiale temporale
(Salmon et al., 2002, cités par [5]).
La présentation clinique des troubles
du langage dans la MA est bien documentée. Ils peuvent être présents
dans 8 à 15% des cas au stade
­précoce de la maladie et deviennent la
­règle au cours de celle-ci (Emery,
1996, cité par [7]).
Les aspects phonologiques et syntaxi­
ques sont généralement bien préservés chez ces personnes (Kertesz,
26
1994, cité par [8]), les troubles langagiers étant principalement de type lexical et surtout sémantique. En effet, au
cours de la maladie, la mémoire sémantique se déstructure causant un déficit
de compréhension [9]. On observe également un manque du mot, se traduisant généralement par la substitution
par un mot inadéquat [10] ou un terme
générique (Ripich & Terrell, 1988, ­cités
par [7]). La fluidité verbale est altérée,
que ce soit par une réduction, et dans
ce cas l’évolution se fait souvent vers
un agrammatisme, ou par une logorrhée [11]. Aussi, en évoluant, le discours s’appauvrit, avec un manque de
cohérence, une tangeantialité et des
persévérations [12]. Les patients présentent des tours de parole courts,
des erreurs de référents (Ripich et al.,
1988, cités par [7]), ils introduisent
moins de thèmes (Mentis et al., 1995,
cités par [7]) et les changent plus fréquemment et de façon inattendue
(Garcia & Joanette, 1997, cités par
[7]). Le langage écrit est spécifiquement altéré, et souvent plus précocement que le langage oral [13]. Les difficultés de compréhension écrite font
d’ailleurs partie des premiers signes
rapportés par les patients ou leurs proches (Mathias, 1996, cité par [7]). Le
plus souvent, l'altération de l'écriture
s'apparente à une agraphie de surface
(Croisile, 1999, cité par [8]). Les phrases produites par écrit sont peu complexes sur le plan syntaxique; aussi,
les textes sont plus courts et conAphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
tiennent moins d'informations importantes que chez les sujets normaux
(Croisile et al., 1996, cité par [8]).
Souvent, les patients MA communiquent moins bien que ne laissent
­supposer leurs capacités verbales.
Ils ont des difficultés à ­sélectionner
l’information pertinente, sont peu sensibles aux feedbacks de l’interlocuteur
et utilisent très peu de stratégies compensatoires [14].
1.2. Chez les personnes
­atteintes de dégénérescence
lobaire fronto-temporale
Il n’existe pour l’instant pas de classification unanime concernant les attein­
tes progressives que nous allons
­présenter maintenant (Josephs et al.,
2006a, cités par [4]). La plus répandue
est celle proposée par Neary et al.
(1998, cités par [4]) qui regroupe sous
le nom de dégénérescence lobaire
fronto-temporale (DLFT) trois différents tableaux: la démence frontotemporale (DFT), la démence sémantique (DS) et l’aphasie progressive
­primaire (APP).
A. Démence fronto-temporale
C’est la présentation clinique de la
DLFT la plus fréquente. Elle survient
dans le cadre d’une atteinte bi- ou
­unilatérale (généralement à droite) du
lobe frontal [5]. Les sujets présentent,
en début de maladie, surtout des troubles au niveau du comportement perAphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
FORUM
sonnel et social, avec une fréquente
désinhibition sur le plan langagier
(McKhann et al., 2001, cités par [4]).
Bien que de graves troubles du langage
soient rares dans cette démence, on
observe généralement une production
verbale réduite, une initiation pauvre
[5] et une fluence verbale ­altérée
(Henry, Crawford, & Philips, 2004,
­cités par [8]). De plus, la perte des
connaissances sémantiques est très
fréquente (Golfier et al, 2000, ­cités
par [15]).
B. Démence sémantique
De manière générale, les DS et APP
sont caractérisées par des troubles du
langage, en expression et en compréhension, plus sévères que la MA et la
DFT [5].
Cette démence survient entre 50
et 70 ans [15] et est liée à une atrophie bi- ou unilatérale (généralement
hémisphérique gauche) de la partie
­inférolatérale du lobe temporal antérieur
[5]. Elle se présente sous la forme
d'un trouble progressif de la mémoire
sémantique, causant une détérioration
des connaissances verbales et nonverbales, jusqu'à leur perte [15]. Une
anomie sévère et un déficit de la compréhension des mots à l'oral et à l'écrit
sont observés, ainsi que des difficultés pour les tâches nécessitant des
connaissances conceptuelles, telles
que la dénomination d'images et sur
définition, la fluence catégorielle,
l'appariement mot-image, la définition
27
FORUM
de concepts (Hodges, Patterson,
­Oxbury, & Funnell, 1992, cités par
[16]). Ces troubles sont accompagnés
d'une réduction des connaissances
générales, un déficit de reconnaissance visuelle, une dyslexie-dysorthographie de surface, un déficit de la
mémoire portant sur les souvenirs
­anciens et l'apparition de troubles du
comportement [17]. Toutefois, le langage est fluent et on note une préservation de la syntaxe, de la phonologie,
de la mémoire de travail, du raisonnement non-verbal et des capacités
­visuo-spatiales (Hodges & Patterson,
1996, cités par [16], [18]).
C. Aphasie progressive primaire
L'APP débute généralement entre 45
et 70 ans et évolue en moyenne sur
une période de 8 ans. Cette aphasie
dégénérative est liée à une atrophie
focale progressive des régions périsylviennes gauches. Son diagnostic peut
être établi à l’aide des sept critères
­suivants, établis par Mesulam [19]:
1. Apparition insidieuse d'une détérioration isolée et progressive du langage,
caractérisée par une anomie et/ou un
trouble de la compréhension lexicale.
2. Préservation des activités de la vie
quotidienne.
3. Normalité des fonctions langa­gières
pré-morbides.
4. Absence d'oubli des événements
récents, de troubles des processus
visuels et du comportement lors
des deux premières années de la
28
maladie. Selon McNeil et Duffy [20],
la durée de l'aphasie « pure » peut
varier entre 1 et 15 ans.
5. Présence éventuelle d'une acalculie
et d’une apraxie idéomotrice.
6. Prédominance des troubles du langage durant l'évolution.
7. Exclusion de causes spécifiques.
L’auteur décrit un premier stade, anomique, commun à toutes les APP.
Puis, l’aphasie peut évoluer en diverses formes. Un premier type est l'APP
non-fluente anomique pure, caractérisée par un manque du mot isolé. Une
deuxième catégorie est l'APP non-­
fluente avec agrammatisme, où sont
observés un débit ralenti, une perte de
la prosodie, un manque du mot, une
­articulation laborieuse et une altération
de la répétition. La dernière forme est
l'APP fluente, où l'on relève un manque du mot, des troubles de la compréhension et de la décision lexicale,
une dyslexie-dysorthographie de surface. Selon certains auteurs, notamment Jokel, Rochon, et Leonard [21],
la démence sémantique représente
l'équivalent de cette dernière catégorie. Cependant, Mesulam (2001) affirme
que la reconnaissance visuelle est
­perturbée dans la DS, alors qu'elle ne
l'est pas dans l'APP fluente. D’ailleurs,
alors que les personnes atteintes de
démence sémantique sont généralement institutionnalisées 3-4 ans après
le début de la maladie, celles atteintes
d’APP non-fluente le sont 7-8 ans
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
a­ près le début (Hodges, 2003, cités
par [4]). En fin d'évolution, la symptomatologie de l’APP s'apparente à une
aphasie globale pouvant s'associer à
une altération intellectuelle globale.
1.3. Chez les personnes
­aphasiques âgées
Les troubles cardiovasculaires, dont
les atteintes cérébrovasculaires, font
partie des maladies dominantes chez
les 65-79 ans, notamment en raison
de l’augmentation de la pression artérielle, facteur constituant un important risque d’AVC ischémique ou
hémorragi­que. Or, il a été montré
dans une ­étude à grande échelle [22]
que les ­patients âgés de 80 ans et
plus présentent plus fréquemment
des troubles du langage après leur
premier AVC que les moins de 80
ans, 40.1% des premiers devenant
­aphasiques, versus 29.4% pour les
seconds.
Toutefois, la sémiologie linguistique
des patients aphasiques âgés reste à
préciser. Des recherches récentes
(Engelter et al., 2006, cités par [23]) ne
retrouvent pas de différences entre
les sujets jeunes et âgés concernant
le type d’aphasie (fluente vs. non­
fluente). Par contre, on sait que l’aphasie
chez le sujet âgé s’associe souvent à
d’autres symptômes ayant un impact
sur le langage, tels que la fatigabilité,
des troubles mnésiques, attentionnels, ou exécutifs. Aussi, l’évolution
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
FORUM
vers un syndrome démentiel est plus
fréquente chez cette population [23].
2. Efficacité de
l'intervention logopédique
pour les troubles du
­langage du sujet âgé
Il n’existe pour le moment pas de
r­ ecommandation prouvée concernant
le déroulement du traitement logopédique pour personnes atteintes de
troubles progressifs du langage [4],
mais, comme nous allons le voir, plu­
sieurs pistes de prise en charge ont
déjà été explorées.
2.1. Auprès des personnes atteintes de démence: généralités
Comme le souligne Ylieff [24], effectuer uniquement des bilans langagiers
chez les personnes démentes n'est
pas suffisant: « la tâche du clinicien ne
se réduit pas à comprendre le fonctionnement et les causes d'une conduite déficitaire ou d'un système
­altéré mais consiste surtout à tenter
de la modifier ou de le restructurer »
(p. 302). Or, selon cet auteur, les appro­
ches en milieu gériatrique « se différencient des démarches rééducatives
développées en neuropsychologie »
(p. 301). L’objectif selon lui n’est pas
que le patient récupère des fonctions
perdues, mais plutôt qu’on lui donne
29
FORUM
la possibilité d’actualiser ses capacités préservées grâce à un travail avec
l’entourage et les soignants, afin de
favoriser le maintien des acquis après
la fin du traitement [12].
2.2. Auprès des personnes
atteintes de la maladie
d'Alzheimer
Les interventions de type logopédique
destinées aux patients atteints de la MA
englobent les stimulations et interven­
tions cognitives, l’utilisation de moyens
alternatifs de communication et les
­interventions de type écosystémique.
A. Stimulations et interventions
­cognitives
Plusieurs méthodes de stimulation,
telles que la Validation (Feil, 1994,
1997 cité par [25]), le Snoezelen
(Chung et al, 2002, cités par [26]), la
thérapie par Réminiscence (Thornton
& Brotchie, 1987, cités par [7]), ou la
stimulation cognitive [26] ont été proposées aux personnes souffrant de la
MA, dans le but notamment de réta­
blir la communication. Cependant,
l’efficacité de ces méthodes n’a pas
été prouvée ([11], ­Clare et al., 2003,
­cités par [26]).
Selon Juillerat et al. [7], de plus en
plus d’études, bien qu’elles restent
­rares [6], prouvent toutefois une certaine efficacité de l’intervention sur le
fonctionnement cognitif et notamment mnésique des patients MA. En
30
effet, l'apprentissage implicite, c'està-dire l'acquisition accidentelle de
­connaissances ou savoir-faire, est
­préservé dans la MA (Seger, 1998,
cité par [27]). Selon Van der Linden
(2003, cité par [28]), cette prise en
charge peut prendre une ou plusieurs
des trois directions suivantes:
1) Facilitation du fonctionnement
­cognitif, en favorisant par exemple un
codage multimodal de l'information
ou l'utilisation de procédés mnémotechniques.
2) Réapprentissage de connaissances, en utilisant notamment:
a. La récupération espacée, qui consiste à augmenter progressivement
les intervalles entre la présentation
des informations et leur rappel. Celleci a été utilisée efficacement chez des
patients MA afin d’améliorer leurs performances en dénomination (Moffat,
1989, Abrahams & Camp, 1993, Jacquemin et al., 1993, cités par [28]) et
pour l’apprentissage d’associations
noms – visages (Camp, 1989, Vanhalle, Van der Linden, Belleville, & ­Gilbert,
Bjork, 1988, cités par [28].
b. La technique d’estompage, dans
­laquelle les indices fournis au patient
concernant les informations à récupérer sont progressivement estompés,
jusqu’à ce que les réponses correctes
soient produites sans indice. Cette
méthode s’est montrée efficace pour
l’apprentissage d’associations noms –
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
visages et noms – professions (Fontaine, 1995, cité par [28]).
c. L’apprentissage sans erreur (Baddeley & Wilson, 1994, cités par [28]) consiste à limiter la possibilité de commettre des erreurs en exposant de
­façon répétée le patient à la réponse
correcte. Selon Adam, cette technique
est intéressante pour les personnes
MA, qui, en raison des troubles de la
mémoire épisodique, ont des difficultés à apprendre de leurs erreurs et ont
généralement tendance à persévérer.
Elle a d’ailleurs été utilisée avec succès pour l’apprentissage d’associations
noms – visages (Clare et al., 2000,
­cités par [28]) et permet un certain
maintien des acquis à long terme.
Cependant, Clare et al. (2003, cités
par [26]) ont montré que les approches cognitives ayant pour but un
réapprentissage n’ont montré des
­résultats positifs que pour un nombre
très limité de patients. Ainsi, afin de
faciliter la généralisation des apprentissages, Stokes et Baer (1977, cités
par [12]) recommandent d’introduire
dans le traitement des situations et
stimuli naturels s’ancrant directement
dans la vie quotidienne du patient.
3) Utilisation d'aides externes. Alors
que l'entraînement cognitif apporte
plus de bénéfices pour les patients
orientés, donc à des stades précoces
de la MA, il semblerait que les aides
externes, telles que des carnets de
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
FORUM
communication / mémoire, soient plus
efficaces pour les patients sévèrement atteints [29,30,31]. De manière
générale, les principes et le type de
moyens alternatifs et augmentatifs de
communication (MAAC) utilisés dans
la MA ne diffèrent pas fondamentalement de ceux mis en place chez
d’autres patients cérébro-lésés. Toute­
fois, étant donné l’aspect évolutif de
la maladie, ces supports doivent être
simplifiés, afin que l’apprentissage ne
soit pas trop important et qu’ils soient
rapidement opérationnels. Aussi, les
informations distractives, ainsi que les
situations de double-tâche doivent
être évitées [28].
B. Intervention écosystémique
Allant dans le même sens que McPherson et al., Rousseau [32,33] explique qu'à partir d'un certain stade
d'évolution de la MA, une intervention
cognitive devient difficile, souvent
­inutile voire contre-indiquée et risque
inutilement de mettre la personne en
­situation d'échec. A ce moment, il
­recommande une prise en charge
écosystémique, caractérisée par la
mise en place d’une intervention cogni­
tivo-comportementale (auprès du
­patient dans son milieu de vie, où sont
­utilisées des situations qui lui permettent d'utiliser des actes de langage
qu'il maîtrise encore) et d’une intervention s’effectuant auprès de
l'entourage de la personne (en leur livrant les informations recueillies grâce
31
FORUM
à une grille d'évaluation de la communi­
cation et en leur montrant comment
modifier leur comportement). Cette
thérapie permet un ralentissement de
la dégradation des capacités de communication et évite que l'entourage
renonce trop tôt à communiquer avec
le patient, afin de ne pas l’exclure des
relations sociales.
2.3. Auprès des personnes
atteintes d'une démence
­sémantique
Plusieurs études ont eu pour objet
l’impact des interventions cognitives
chez les patients DS, notamment sur
leurs capacités d’accès lexical [16, 21,
34, 35]. Ces traitements sem­blent
­montrer une certaine efficacité, mais le
maintien des performances, lorsqu’il
est présent, est de durée plutôt courte
et la généralisation est souvent absente.
Pour Snowden et Griffiths (2000, cités
par [36]), le maintien des acquis est
­favorisé par l'utilisation d'items qui
font sens pour le patient. La thérapie
devrait donc avoir lieu dans l’environne­
ment des patients avec des objets de
leur quotidien.
2.4. Auprès des personnes
atteintes d'une aphasie
­progressive primaire
Les fonctions cognitives non-langa­
gières des patients souffrant d’une
APP peuvent être relativement pré-
32
servées durant des années. Ceux-ci
nient rarement leurs déficits et recher­
chent souvent un diagnostic ainsi
qu'une prise en charge (Duffy &
­Peterson, 1992, cités par [37]). Ils
semblent ainsi être de bons candidats pour des traitements logo­
pédiques et pour des méthodes
­utilisées avec des patients aphasiques
« traditionnels » [20].
Il a été proposé que l’intervention
­logopédique auprès des patients APP
suive les axes suivants (Thompson,
1997, cité par [20]):
1) Evaluation précoce et répétée dans
le temps de la parole, du langage et
des fonctions cognitives ;
2) Traitement axé sur les fonctions
­altérées (notamment l’accès lexical) à
ajuster au cours du déclin. Il semble­
rait en effet que les thérapies cogni­
tives puissent avoir un impact bénéfique sur les capacités langagières
des patients APP (Schneider, Thompson, et Luring, 1996, cités par [37],
[38], [39]). Toutefois, les études ont
montré que la généralisation est limitée voire absente et le maintien n'est
possible qu'avec un entraînement
­régulier. Ainsi, comme pour les autres
formes de démences, il est nécessaire de proposer aux patients des
­stimuli qui leur soient hautement
­fonctionnels [4];
3) Introduction précoce de MAAC, tels
qu'un carnet de communication, les
gestes, le dessin ou les moyens informatisés. Bien que les données sur
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
l’efficience et l’efficacité des MAAC
auprès de ces personnes soient quasi
inexistantes [20], ce type d’intervention
promet de grands espoirs (Rogers et
al., 1998, cités par [37]);
4) Implication de l’entourage pour qu'il
prenne connaissance des stratégies
efficaces et qu'il les utilise avec le
­patient ;
5) Prise de conscience des personnes
impliquées que le traitement peut
­augmenter les capacités communicationnelles mais qu'il n’inverse pas la
progression de la maladie.
2.5. Auprès des personnes
aphasiques âgées
Steele, Aftonomos et Munk [40] prouvent dans une étude à grande échelle
que les patients aphasiques peuvent
faire à tout âge des progrès significatifs grâce au traitement logopédique,
et que la façon de les traiter en général peut être valable pour les personnes aphasiques âgées. Selon ces
­auteurs, l'âge en soi n'est donc pas un
facteur prédisant de mauvais résultats
thérapeutiques, mais ils admettent
qu’il va de pair avec un léger déclin de
la magnitude des progrès. En effet, la
comorbidité, les troubles cognitifs et/
ou sensoriels, la situation familiale,
l’absence de soignants, le manque de
motivation etc. peuvent réduire les effets de la rééducation. Des ajustements concernant les outils, le matériel
et les méthodes doivent donc être
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
FORUM
opérés et, comme avec les patients
souffrant d’atteintes dégénératives, un
accent doit être mis sur le dialogue et
la collaboration avec l’entourage afin
éviter l’isolement de la personne [23].
3. Problématique de
l’étude
Cette revue de la littérature nous a
donc permis de relever plusieurs idées
principales. Tout d’abord, le nombre de
personnes âgées avec des pathologies
susceptibles d'entraîner des troubles
du langage dans les EMS est en augmentation constante. Aussi, on observe
un nombre croissant de travaux décrivant la nature des troubles du langage
chez la personne âgée, et, dans une
moindre mesure, d’études prouvant
l’efficacité de certaines interventions
logo­pédiques auprès de ­cette population. Suite à de tels constants, nous
nous sommes demandé si ces ­patients
avaient la possibilité de bénéficier
d’une intervention logopédique. Pour
cela, nous avons entrepris une étude
ayant pour but de dresser un état des
lieux de la collaboration potentielle ou
­effective entre quatre établissements
médico-sociaux (EMS) du Valais central
et les logopédistes, collaboration que
nous pressentions comme plutôt rare.
Si ­cette hypo­thèse devait se ­confirmer,
nous voulions en comprendre certaines
raisons. N’existe-t-il pas de résidents
ayant des difficultés d'expression,
de compréhension et/ou de lecture,
33
FORUM
selon les soignants de ces établissements? S’il en existe, ne représententils qu’un faible pourcentage ? Les connaissances des soignants sur les
champs d’intervention des logopédistes sont-­elles peut-être trop ­restreintes
pour qu’ils pensent faire appel à ces
professionnels ? Ou alors, le personnel
soignant ne voit-il pas l’utilité de collaborer avec eux? Finalement, les infirmiers et aides-soignants sont-ils suffisamment formés à la problématique
des troubles du langage chez les patients, de sorte que la collaboration avec
des logopédistes n’est pas jugée indispensable ?
4. Résultats et discussion
Cinq questions, dont nous allons maintenant vous présenter les résultats,
ont été posées aux soignants (43 au
total ont donné réponse) sous forme
de questionnaires papiers:
4.1. « Y'a-t-il des logopédistes à
qui le personnel de l’EMS peut
faire appel en cas de besoin/
questions? » « Certains résidents ont-ils déjà été évalués
et/ou pris en charge par un(e)
logopédiste après leur entrée
au home? »
Plus de la moitié (60.4%) des soignants
répondent qu’il n’existe pas de logopédistes à qui ils peuvent s’adresser, et
34
26.7% des soignants n’ont pas connaissance de résidents ayant été
­évalués et/ou pris en charge en logo­
pédie depuis leur entrée dans l’EMS.
On relève une importante différence
de collaboration potentielle entre les
divers établissements, mais dans aucun
d’entre eux les soignants n’estiment
à l’unanimité qu’il existe un(e) logo­
pédiste à qui ils peuvent faire appel.
La collaboration entre les soignants
des quatre EMS valaisans et les logopédistes semble donc plutôt rare, ce
qui va dans le sens de notre hypothèse
de départ. Ces données s’accordent
également avec l’enquête menée en
1997 auprès du personnel de tous les
EMS suisses [3], de laquelle il était
ressorti que seul un faible pourcentage
de personnes aphasiques avait été
évalué par un(e) logopédiste, que ces
personnes restent souvent sans soutien
dans ce domaine et que les soignants
se sentent dépassés par ces troubles
spécifiques. En outre, comme le
­relèvent Mahendra et Arkin [41],
l’inter­vention des logopédistes auprès
de personnes institutionnalisées concerne le plus souvent l'évaluation et le
traitement des dysphagies, et non des
aspects communicationnels.
Nous avons ensuite cherché à saisir
certains aspects pouvant expliquer
une si faible collaboration, en question­
nant les soignants sur les sujets
­suivants:
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
4.2. « Est-ce qu'il y a au sein de
l'institution des personnes qui
ont des difficultés à s'exprimer
/ à comprendre ce qu'on leur
dit / en lecture ? Si oui, à quel
pourcentage? »
La totalité des soignants interrogés
­répond qu’il existe des résidents connaissant des difficultés d'expression,
de compréhension et/ou de lecture.
Une très grande partie d’entre eux
estime que ces difficultés concernent
un pourcentage de résidents compris
entre 25 et 75%. Ce sont les difficultés en lecture qui semblent les plus
prévalentes, puisqu’elles concernent
50 à 75% des résidents selon plus
de la moitié des soignants. Relevons
­toutefois que les troubles visuels,
­susceptibles d’expliquer en grande
partie les difficultés en lecture, n’ont
pas été écartés pour cette question.
Ces ­résultats rejoignent de façon générale ceux de Brodie (1986, cités par
[42]), qui ont montré dans une étude
se ­déroulant au sein de homes anglais
que plus de la moitié des résidents
connaissaient des difficultés communi­
cationnelles.
4.3. « Qu'est-ce que, pour vous,
un(e) logopédiste? »
Concernant l’activité des logopédistes,
la plupart des soignants évoque le versant de la prise en charge, mais moins
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
FORUM
de 20% d’entre eux mentionnent le
travail d’évaluation comme faisant partie de l’activité de ces spécialistes. Par
rapport aux champs d’intervention des
logopédistes, on remarque que
l’expression orale est évoquée par la
quasi-totalité des soignants (environ
90%), alors que l’expression écrite, la
compréhension orale et écrite ainsi
que les troubles touchant la sphère
ORL sont chacun mentionnés par
moins de 30% d’entre eux.
Bien que d’importantes divergences
entre les pourcentages de réponses
des différents EMS soient observées,
nous pouvons, sur la base de ces résul­
tats, en inférer que les connaissances
des soignants sur la profession de
­logopédiste semblent, de façon générale, ­assez parcellaire, ce qui peut être
une piste d’explication à la rareté de la
­collaboration.
4.4. « Comment trouvez/
trouveriez-vous le fait
de collaborer avec des
­logo­pédistes? »
La majorité des soignants (92,1%)
estime que la collaboration avec un(e)
logopédiste est / serait utile, voire
­nécessaire. Les raisons citées sont
les suivantes: stimuler les ressources
et capacités cognitives des résidents,
empêcher leur isolement, permettre
une meilleure communication entre
soignants et pensionnaires, posséder
de nouvelles méthodes et connais-
35
FORUM
sances. Un sujet a ajouté que ­cette
collaboration pourrait compenser le
peu de temps dont disposent les soignants pour s’occuper de chacun des
pensionnaires individuellement. Certains ont nuancé leurs réponses en
précisant que la collaboration avec
un(e) logopédiste serait surtout utile
pour les patients aphasiques, ou pour
les résidents motivés, ou encore
qu’elle devrait se faire uniquement de
façon ponctuelle, en cas de besoin.
Selon un soignant, la logopédie est
une profession méconnue par le personnel et dont il pense peu à recourir.
Toutefois, 7,9% des soignants considèrent qu'une telle collaboration ne
serait que peu utile, voire inutile. Les
explications données concernaient
­notamment le coût vraisemblablement
élevé de ce type d’intervention, et le
fait qu’il est trop tard pour que les pensionnaires fassent des progrès.
Quoi qu’il en soit, un pourcentage
­important de soignants estiment que la
logopédie, quels que soient ses champs
d’application, peut être utile auprès des
personnes âgées, ce qui ne constitue
donc pas une voie d’explication de la
­rareté de cette collaboration.
4.5. « Avez-vous été formé(e)
aux difficultés de communication
que peuvent connaître les
patients?»
La grande majorité des soignants affirme
avoir été, même un peu, formée aux
36
difficultés de communication des
­patients. Il est tout de même frappant,
voire inquiétant, d'observer que 17,1%
d'entre eux admettent ne jamais avoir
reçu une telle formation. Comme l’a
observé Grainger dans une étude
(1993, cité par [43]), on peut ainsi penser que les obstacles à la communication sont non seulement dus aux troubles cognitifs de la personne âgée,
mais aussi à l’environnement dans
­lequel elle évolue, notamment celui
des maisons de retraite. D’ailleurs,
ceci explique la mise en place de programmes permettant au personnel
d’institutions pour personnes âgées
d’améliorer leurs compétences communicationnelles avec les résidents,
tels que « FOCUSED » pour les soignants travaillant avec des patients Alzheimer (Ripich, 1994, cité par [12]) ou
« Communicate » pour le personnel
infirmier s’occupant de patients aphasiques [42].
5. Conclusion et
­perspectives
« Approcher du terme de sa vie, c'est
toujours vivre » ([44] p.9). Cette citation
nous rappelle combien il est important
de considérer que les résidents,
même âgés ou très âgés, restent des
personnes à part entière, dans leurs
dimensions biologiques, psychologiques et sociales. Leurs besoins fonda­
mentaux, tels que la possibilité de
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
communiquer, doivent être pris en
compte, et ne peuvent être mis de
côté par nos systèmes de santé.
Or, les résultats de notre étude montrent que la collaboration entre les
­logopédistes et les milieux gériatriques
est loin d’être la règle, malgré le
­besoin potentiel existant. Comment
expliquer cela ? D’où viennent les
­réticences à ce manque de travail en
commun ? Nous proposons ici plu­
sieurs pistes explicatives, non exclusives les unes des autres.
Tout d’abord, il se peut que la réponse
soit à chercher du côté des logopédistes eux-mêmes et de leur représentation de l’utilité d’un travail auprès
des personnes âgées. D’ailleurs, une
­enquête canadienne relativement
­récente (Cleary, Donnelly, Elgan, &
Hopper, 2003, cités par [27]) a montré
que 44% des logopédistes ne pensent pas que des personnes atteintes
de démences puissent bénéficier
d'une intervention logopédique.
Aussi, cette faible collaboration peut
s’expliquer par le manque de connaissances, par les milieux médicaux
notamment, du métier de logopédiste,
en tant que spécialiste de la com­
munication, du langage, de la parole,
de la voix et de la déglutition chez
une population de tout âge. Ceci pourrait être une raison pour laquelle les
médecins travaillant avec une pop­u­
lation gériatrique ne pensent pas
­nécessairement à recourir à ces spécialistes.
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
FORUM
Il se peut également que l’état actuel
des recherches, qui sont bien plus
nombreuses à décrire la nature des
troubles langagiers qu’à tenter de
prouver l’efficacité des interventions
portant sur ces troubles, ne permette
pas une justification d’un tel travail
­auprès du monde médical et surtout
assécurologique.
Enfin et surtout, il nous semble que
cette faible collaboration soit essen­
tiellement due à une problématique
de financement. Comme le soulignent
Höpflinger et Hugentobler ([2] p. 12),
« le domaine de l’aide et des soins aux
personnes âgées malades est traversé par les forces antagonistes de
l’efficacité et de l’efficience économique ». En effet, les tarifs octroyés
actuellement aux logopédistes indépendantes suisses qui travaillent avec
une population adulte, ne peut que
les décourager d’entreprendre des
­déplacements hors de leur cabinet, ce
qui est bien entendu souvent nécessaire lors d’une intervention auprès
d’un patient institutionnalisé. Plus
­actuel que jamais, ce thème donne
lieu en ce moment à de nombreuses
discussions au sein des professionnels. En espérant que des solutions
prometteuses surgiront, nous ne pouvons pour le moment qu’encourager
les cliniciens et chercheurs à poursuivre les études visant à prouver
l’efficacité des interventions logo­
pédiques, notamment auprès de la
population gériatrique.
37
FORUM
6. Références
1. Desgranges B., Faure S., & Eustache F. (2000). L’évaluation des syndromes démentiels.
In X. Seron, & M. Van der Linden (Eds.), Traité de neuropsychologie clinique, tome I
(pp. 319-336). Marseille: Solal.
2. Höpflinger, F., & Hugentobler, V. (2006). Soins familiaux, ambulatoires et stationnaires des
personnes âgées en Suisse: observations et perspectives. Berne: Hans Huber Verlag.
3. Aphasie Suisse (2000). Schlussbericht: Begleitung von Menschen mit einer Aphasie in
­Alters- und Pflegeheimen der Zentralschweiz.
4. Croot, K. (2009). Progressive language impairments: definitions, diagnoses and prognoses. Aphasiology, 23 (2), 302-326.
5. Levy, J. A., & Chelune, G. J. (2007). Cognitive-behavioral profiles of neurodegenerative dementias: beyond Alzheimer’s disease. Journal of Geriatric Psychiatry and Neurology, 20(4), 227-238.
6. Colvez, A., Joël, M. E., & Mischlich, D. (2002). La maladie d’Alzheimer. Quelle place pour
les aidants ? Paris: Masson.
7. Juillerat, A. C., Van Der Linden, M., Seron, X. et al. (2000). La prise en charge des patients Alzheimer au stade débutant. In X. Seron, & M. Van der Linden (Eds.), Traité de
neuropsychologie clinique, tome II (pp. 269-289). Marseille: Solal.
8. Taler, V., & Phillips, N. A. (2008). Language performance in Alzheimer’s disease and mild
cognitive impairment: A comparative review. Journal of Clinical and Experimental
Neuro­psychology, 30(5), 501-556.
9. Sambuchi, N., Michel, B. F., & Bastien, C. (2005). Origine du manque du mot dans la
­maladie d’Alzheimer: accès lexical et mémoire sémantique. In B. F. Michel, F. ­Verdureau,
& P. Combet, (Eds.), Communication et Démence (pp. 63-82). Marseille: Solal.
10. Gatignol, P., David, C., & Guitton, C. (2007). Evaluation du manque du mot. In T. Rousseau (Eds.), Démences: orthophonie et autres interventions (pp. 51-98). Isbergues:
­Ortho Editions.
11. Protat, S., Combet, P., & Michel, B. F., (2005). Communication, accueil de jour et
­démence sévère: effets de la stimulation multisensorielle. In B. F. Michel, F. Verdureau,
& P. Combet, (Eds.), Communication et Démence. Marseille: Solal.
12. Hopper, T., & Bayles, K. (2001). Management of Neurogenic Communication Disorders
Associated with Dementia. In: R. Chapey (Eds.), Language Intervention Strategies in
Aphasia and Related Neurogenic Communication Disorders (4th ed., pp. 829-846).
­Philadelphia: Lippincott, Williams and Wilkins.
13. Croisile, B (2005). Communication, langage écrit et maladie d’Alzheimer. In: B. F. Michel,
F. Verdureau, & P. Combet, (Eds.), Communication et Démence (pp. 83-103). Marseille: Solal.
14. De Partz, M.-P., & Carlomagno, S. (2000). La revalidation fonctionnelle du langage et de
la communication. In X. Seron, & M. Van der Linden (Eds.), Traité de neuropsychologie
clinique, tome II (pp. 191-213). Marseille: Solal.
15. Belliard, S., Peron, J., Lemoal, S., Golfier, V., Vanberten, M., & Vervelletto, M. (2005).
Communication et troubles sémantiques dans les démences. In B. F. Michel, F. Verdureau, & P. Combet, (Eds.), Communication et Démence (pp. 161-177). Marseille: Solal.
38
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
FORUM
16. Graham, K. S., Patterson, K., Pratt, K. H., & Hodges, J. R. (2001). Can repeated exposure
to «forgotten» vocabulary help alleviate word-finding difficulties in semantic dementia?
An illustrative case study. Neuropsychological Rehabilitation, 11(3/4), 429-454.
17. David, D. (2007). Les aphasies progressives primaires. In: J.-M. Mazaux, P. Pradat-Diehl,
& V. Brun (Eds.), Aphasies et aphasiques (pp. 97-110). Issy-les-Moulineaux: Elsevier Masson.
18. Hodges J. R., Martinos, M., Woollams, A. M., Patterson, K., Adlam A. L. R. (2008).
­Repeat and Point: Differentiating semantic dementia from progressive non-fluent
­aphasia. Cortex, 44, 1265-1270.
19. Mesulam, M. M. (2001). Primary progressive aphasia. Annals of Neurology 49 (4), 425–432.
20. McNeil, M. R., & Duffy, J. R. (2001). Primary Progressive Aphasia. In R. Chapey (Eds.),
Language intervention strategies in aphasia and related neurogenic communication disorders (4th ed., pp. 472-486). Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins.
21. Jokel, R., Rochon, E., & Leonard, C. (2006). Treating anomia in semantic dementia:
­Improvement, maintenance, or both? Neuropsychological Rehabilitation,16, 241-256.
22. Di Carlo, A., Lamassa, M., Pracucci G., Basile, A. M., Trefoloni, G., Vanni, P., Wolfe, C. D. A.,
Tilling, K., Ebrahim, S. & Inzitari, D. (1999). Stroke in the very old: clinical presentation and
­determinants of 3-month functional outcome: a European perspective. Stroke, 30, 2313-2319.
23. Moreaud, O., David, D., Brutti-Mairesse, M.-P., Debray, M. & Mémin, A. (2010).
L’aphasie du sujet âgé. Psychol NeuroPsychiatr Vieil, 8, 43-51.
24. Ylieff, M. (2000). Prise en charge et accompagnement de la personne démente. Les
­Cahiers du troisième âge. Bruxelles: éditions Kluwer.
25. Weber, V. (2007). Le travail d’une logopède dans un Cantou. In T. Rousseau (Eds.),
­ émences: orthophonie et autres interventions (pp. 161-172). Isbergues: Ortho Editions.
D
26. Amieva, H., & Dartigues, J.-F. (2007). Les thérapies non médicamenteuses dans la
­maladie d’Alzheimer: intérêts et limites. In T. Rousseau (Eds.), Démences: orthophonie
et autres interventions. (pp. 125-132). Isbergues: Ortho Editions.
27. Hopper, T.L. (2003). «They’re just going to get worse anyway»: Perspectives on rehabilitation for
nursing home residents with dementia. Journal of Communication Disorders, 36, 345 – 359.
28. Adam, S. (2007). Approche neuropsychologique de la prise en charge des stades débutants de la maladie d’Alzheimer. In T. Rousseau (Eds.), Démences: orthophonie et
­autres interventions (pp. 241-286). Isbergues: Ortho Editions.
29. Bourgeois, M. S. (1990). Enhancing conversation skills in patients with Alzheimer's
­disease using a prosthetic memory aid. Journal of Applied Behavior Analysis, 23, 29-42.
30. Bourgeois, M. (1993). Effects of memory aids on the dyadic conversations of indivi­duals
with dementia. Journal of Applied Behavior Analysis, 26, 77-87.
31. McPherson, A., Furniss, F. G., Sdogati, C., Cesaroni, F., Tartaglini, B., & Lindesay, J.
(2001). Effects of individualized memory aids on the conversation of persons with
­severe dementia: a pilot study. Aging and Mental Health, 5(3), 289-294.
32. Rousseau, T. (2001c). Thérapie écosystémique des troubles de la communication dans
la maladie d’Alzheimer. Glossa, 75, 14-21.
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
39
FORUM
33. Rousseau, T. (2007). Thérapie écosystémique des troubles de la communication.
In T. Rousseau (Eds.), Démences: orthophonie et autres interventions (pp. 173-188).
­Isbergues: Ortho Editions.
34. Graham,K. S., Patterson, K. H., & Hodges, J. R. (1999). Relearning and subsequent forgetting of semantic category exemplars in a case of semantic dementia. Neuropsychology, 13(3), 359-380.
35. Snowden, J. S., & Neary, D. (2002). Relearning of verbal labels in semantic dementia.
Neuropsychologia, 40(10), 1715-1728.
36. Croot, K., Nickels, L., Laurence, F. & Manning, M. (2009). Impairment- and activity/participation-directed interventions in progressive language impairment: Clinical and theoretical issues. Aphasiology, 23 (2), 125-160.
37. Cress, C. J., & King, J. M. (1999). AAC strategies for people with primary progressive
aphasia without dementia: two case studies. Augmentative and Alternative Communication, 15, 248-259.
38. McNeil, M. R., Small, S. L., Masterton, R. J., & Fossett, T. R. D. (1995). Behavioural and
pharmacological treatment of lexical-semantic deficits in a single patient with primary
progressive aphasia. American Journal of Speech-Language Pathology, 4, 76-87.
39. Laurence, F., Manning, M., & Croot, K. (2002) Impairment-based interventions in primary
progressive aphasia: Theoretical and clinical issues. Brain Impairment, 3, 157-158.
40. Steele, R. D., Aftonomos, L. B., & Munk, M. W. (2003). Evaluation and treatment of
aphasia among the elderly with stroke. Topics in Geriatric Rehabilitation, 19(2), 98-108.
41. Mahendra, N., & Arkin, S. M. (2003). Effects of four years of exercise, language, and social
interventions on Alzheimer discourse. Journal of Communication Disorders, 36(5), 395-422.
42. Bryan, K., Axelrod, L., Maxim, J., Bell., L, & Jordan, L. (2002). Working with older people
with communication difficulties: an evaluation of care worker training. Aging and ­Mental
Health, 6(3), 248-254.
43. Faber, A. J. (2004). Therapy with the elderly: a collaborative approach. Journal of Family
Psychotherapy, 14(4), 1-14.
44. Vendeuvre-Bauters, I. (2007). Dire la démence. In T. Rousseau (Eds.), Démences: orthophonie et autres interventions (pp. 7-16). Isbergues: Ortho Editions.
Auteure:
40
Mélanie Mudry
Logopédiste
Service de neuropsychologie-logopédie
Clinique Valmont
Route de Valmont
1823 Glion sur Montreux
[email protected]
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
FORUM
Kollaboration und Facework in familiären
­Alltagsgesprächen
Aphasiebedingte Kommunikationsstrategien
im Spannungsfeld von Verständigungs­
sicherung und Gesichtswahrung
Doris Kym, Yvonne Karpf
Zusammenfassung
Die im Folgenden dargestellten Erkenntnisse basieren auf der Bachelorthese Aphasiemanagement im Alltagsgespräch im Studiengang Logopädie (HfH Zürich) von Doris
Kym und Yvonne Karpf, mit wissenschaftlicher Begleitung durch Erika Hunziker, die
sich mit der Evaluation und Förderung der kommunikativen Kompetenzen von aphasiebetroffenen Menschen und ihrem primären sozialen Umfeld befasst. Im Rahmen einer
Einzelfallstudie werden die Kommunikationsstrategien Kollaboration und Facework
aphasiebetroffener Personen in vertrauten Gesprächen beschrieben und deren Bedeutung für die alltagsorientierte Aphasietherapie diskutiert.
Die Analyse aphasischer Gespräche in vertrautem, familiären Rahmen zeigt, dass
­interaktive Verständigungssicherung sowie gegenseitige Gesichtswahrung und Wertschätzung wichtige Voraussetzungen für eine auch sozial gelungene Kommunikation
darstellen. Ausgeprägte Kollaboration exponiert zwar die aphasischen Einschränkungen, in gegenseitigem Einverständnis und respektvoll ausgeführt, sichert sie jedoch
die Partizipation der Betroffenen.
ICF-basierte Aphasietherapie kann insbesondere die Praktiken der Kollaboration und
des Facework sowohl als Ziele für die Therapieplanung als auch als Evaluations­
kriterien nutzen.
I. Einführung
Gespräche sind grundlegende Ereignisse der sozialen Teilhabe. Vertraute
Gespräche im Alltag dienen einerseits
dem Austausch von Informationen,
andererseits dem Ausdruck der gegenseitigen Wertschätzung und damit
der Beziehungsgestaltung. Das heisst,
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
im alltäglichen familiären Gespräch
wird nicht nur der Alltag geregelt, sondern es werden die familiären Rollen
und Beziehungen geformt (Bauer &
Auer 2009).
Aphasiebetroffene sind eingeschränkt
darin, Sprache informationsorientiert
und beziehungsgestaltend zu verwen-
41
FORUM
den. Dies beeinflusst ihre soziale Teilhabe an einer simplen Begrüssungsszene, am Gespräch mit der Nach­
barin, an familiären und kulturellen
Anlässen und im Austausch mit den
engeren Bezugspersonen. Von Aphasie Betroffene müssen – zusammen
mit ihren häufigsten KommunikationspartnerInnen – Kompensationsstrategien entwickeln, die es ihnen erlauben, trotz Aphasie im Alltag erfolgreich und zufriedenstellend zu
kom­munizieren. Es sind dies hauptsächlich Strategien der gemeinsamen
Verständigungssicherung und der gegenseitigen Gesichtswahrung (Facework).
Im biopsychosozialen Modell der ICF
bedeutet Rehabilitation die Adaptation
einer Person an die durch eine Erkrankung veränderten Anforderungen des
Alltagslebens. Alltagsorientierte Aphasietherapie orientiert sich an dieser
Zielsetzung und setzt sich zur Auf­gabe,
die Kommunikationsstrategien der Betroffenen zu optimieren (vgl. dazu kommunikations- und alltags­orientierte
Therapieansätze von Bongartz, 1998;
Glindemann, Kilian & ­Ziegler, 2002;
Coopmans, 2007; Grötzbach, 2008;
Masoud, 2009). Dabei geht es nicht in
erster Linie um das Wiedererlangen
linguistisch korrekter Formen, sondern
um gelingende Kommunikation.
Die Bachelorthese «Aphasiemanagement im Alltagsgespräch» (Kym &
42
Karpf, 2010) untersucht in einer
­Einzelfallstudie, wie ein von Aphasie
­betroffenes Paar in seinen alltäglichen
Kompensationsstrategien Kollaboration und Facework einsetzt. Die These
lautet: Kollaboration und Facework
sind wichtige Aspekte der kompensatorischen Strategien in aphasischen
Gesprächen unter vertrauten Personen. Gesprächsteilnehmende beachten sie, wenn sie aphasiebedingte
Kommunikationsprobleme lokal bearbeiten. Der Einsatz der beiden Strategien muss zudem im Gleichgewicht
stehen, um partizipationsfördernd zu
wirken (Bauer & Auer 2009). Zudem
überprüfte unsere Arbeit die Repräsentation dieser Strategien im ICF-­
orientierten Dokumentationsinstrument TInA (siehe Hunziker & Kolon­
ko, 2009, Originalbeitrag in dieser
Zeitschrift).
Analysiert wurden Tischgespräche zwischen dem aphasiebetroffenen Herrn
Z und seiner Lebenspartnerin Frau Z,
in denen Erlebtes erzählt, informiert,
diskutiert wird und Gefühle ausgetauscht werden. Die Analyse von Gesprächssequenzen, die ausführliche
Phasen der Verständigungssicherung
enthalten, ermöglicht es, den Einsatz
von kompensatorischen Strategien
detailliert zu beschreiben. Methodisch
orientierten wir uns an der Konversationsanalyse. Diese geht davon aus,
dass Gespräche die Wirklichkeit konstruieren und geordnet ver­laufen. Jede
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
Äusserung bildet dabei den Kontext
für die Nächstfolgende und darf nur
aus deren Perspektive ­interpretiert
werden (sequenzielles Vorgehen). Auftretende Probleme der Verständigung
und der sozialen Organisation werden
an Ort und Stelle bearbeitet (Reparaturen, vgl. Bergmann, 1991; Flick, 2007).
Die Konversationsanalyse arbeitet
Strukturen und Merkmale (wiederkehrende Muster und Praktiken) dieser
sprachlichen Interaktion heraus. Hierfür werden natürliche Gespräche aufgezeichnet und (ausschnittweise) trans­
kribiert. Die Analyse macht die angewendeten Praktiken sichtbar und zeigt
auf, dass die Beteiligten deren erfolgreichen Einsatz laufend bewerten.
FORUM
aphasischen Gesprächen weiterentwickelt und die psychosoziale Dimension miteinbezogen. In ihrem Forschungsprojekt haben sie untersucht,
welche kommunikativen Strategien
die Beteiligten entwickeln und anwenden, um aphasiebedingte Probleme
im familiären Gespräch zu lösen. Sie
bezeichnen Kollaboration und Facework als zwei zentrale Merkmale
aphasischer Alltagsgespräche. Auf
diese beiden Aspekte konzentrierte
sich auch unsere Arbeit.
In der Aphasietherapie bietet die Konversationsanalyse die Möglichkeit,
dass aphasische Gespräche als kooperativ gestaltete Interaktionen, für
die alle Teilnehmenden Verantwortung
tragen, gesehen und an ihrem Kommunikationserfolg (statt an linguistischer Korrektheit) gemessen werden.
Sie wird in der Diagnostik eingesetzt,
um herauszuarbeiten, wie sich die
­individuelle Kommunikationsbehinderung auswirkt und welche Strategien
die GesprächspartnerInnen einsetzen,
um die gegenseitige Verständigung zu
organisieren (vgl. Bauer und Kaiser,
1997; Bongartz, 1998; Becker, 2001).
Kollaboration ist eine kooperative Form
der Verständigungssicherung, bei der
die sprachgesunden Gesprächspartner­
Innen den aphasischen TeilnehmerInnen ihre sprachlichen Kompetenzen
zur Verfügung stellen. Sie ist ein auf
Verständigung ausgerichtetes Problem­
lösungsmodell, das die gemeinsame
Verantwortung für das Gelingen des
Gesprächs beinhaltet: Bedeutung wird
gemeinsam hergestellt. Das kollaborative Prinzip zielt zunächst auf Verständigung (kommunikative Effizienz)
und ist in der Regel dann erfolgreich,
wenn die Problemquelle lokalisiert und
ein projektionsstarker Kontext für Hypothesen besteht oder aufgebaut werden
kann. Dies ermöglicht es den sprach­
gesunden GesprächspartnerInnen zu
ergänzen, zu korrigieren, zu raten (hintand-guess) und gezielt nachzufragen.
Bauer und Auer (2009) haben den
­konversationsanalytischen Zugang zu
Mit Facework bezeichnet Goffmann
(1976, siehe auch Bauer & Auer
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
43
FORUM
2009:11ff) Gesprächspraktiken, die die
Gesprächsteilnehmenden verwenden,
um sich permanent ihrer gegenseitigen Achtung und Anerkennung als
vollwertige Mitglieder der Gesellschaft
zu versichern. Facework wird – oft
­abseits der Aufmerksamkeit – in Gesprächen stets mitverhandelt. In Bezug
auf Aphasie hat Gesichtsbedrohung
zwei Dimensionen: Einerseits können
Aphasiebetroffene ihr eigenes und das
Gesicht der GesprächspartnerInnen
schlechter schützen, da sie Sprache
weniger differenziert einsetzen können.
Andererseits bedeuten alle sprachlichen Fehlleistungen eine Gesichts­
bedrohung bzw. Stigmatisierung.
II. Ergebnisse
Aphasiemanagement in vertrauten
Gesprächen bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der Optimierung
des Informationsaustauschs und der
Exponierung der sprachlichen Defizite
der AphasikerInnen. Es fragt sich, wie
die beiden Gegenpole kollaborative
Unterstützung und Gesichtswahrung
auf dem Kontinuum des Aphasie­
managements ausgewogen werden
können. Laut Bauer und Auer (2009)
lässt sich in aphasischen Gesprächen
zeigen, dass sprachgesunde Teilnehmende diesem Anspruch nachkommen, indem sie Initiative und Steuerung der Reparaturen den aphasischen
SprecherInnen überlassen. Die apha-
44
sische Person lädt die sprachgesunde
Teilnehmende dazu ein, sich an der
­interaktionsorganisatorischen und inhaltlichen Steuerung des aphasischen
Gesprächsbeitrags zu beteiligen. Diese muss das Rederecht und gleich­
zeitig die zugewiesene Aufgabe übernehmen, andernfalls kommt es zu
­einem Themenwechsel statt zur
­Verständigungssicherung. Gelingende
Gespräche entsprechen also einem
Balanceakt, in dem gemeinsame Verständigung durch Kollaboration und
Gesichtswahrung in ein Gleichgewicht
gebracht werden müssen. Die Ergebnisse der Bachelorthese bestätigen
diese These.
Werden die individuellen Praktiken
von Herrn und Frau Z in ihrem Zusammenspiel während der Interaktion
­betrachtet, so lässt sich die Frage
­danach, wie das Paar die Strategien
Kollaboration und Facework im paarspezifischen Gespräch einsetzt, differenziert beantworten. Herr und Frau Z
pflegen einen expliziten Umgang mit
lokal auftretenden aphasiebedingten
Kommunikationsproblemen. Der folgende kurze Ausschnitt aus ­einer analysierten Gesprächssequenz gibt Einblick in ihre Praktiken:
Herr Z schaltet die Videokamera ein,
setzt sich zu Frau Z an den Mittagstisch und erzählt ihr von einer seiner
Tätigkeiten des vergangenen Morgens,
den sie getrennt verbracht haben.
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
FORUM
Transkript eines Dialogs zwischen Herr und Frau Z
01
HZ höt am Morge han i dings gmacht (-)
blickt zu FZ, unterbricht die Bewegung Hand - Mund
FZ
Initiierung einer Erzählung:
unspezifische Proform lässt
offen, womit er sich
beschäftigt hat
blickt auf Teller, führt eine Gabel Spaghetti zum Mund
02
HZ sääh
blickt auf eigenen Teller, dreht Spaghetti auf die Gabel
(3.0)
Reparaturinitiierung
für ‹dings›;
Wortsuchpause
03
HZ Kamera (--) isch ned gánge.
behält den Blick auf seinem Teller und bereitet mit
Messer u. Gabel die nächste Essportion vor
neue Äusserung, deren
Beziehung zur problematischen Initiierungsäusserung
unklar ist. Reparatur für
‹dings›?
FZ
blickt zu HZ und isst weiter
r eagiert mit erhöhter
Aufmerksamkeit auf die
Unklarheit
04
FZ
weli Kamera?
hält den Blickkontakt zu HZ aufrecht und hält mit
dem Essen inne
Initiiert Reparatur
(Verstehenssicherung)
ungeteilte Aufmerksamkeit
05
HZ (1.5) Rasemaier (blickt zu FZ)
Reparatur von Kamera
06
FZ
s cheint noch nicht zu
verstehen, denn sie ratifiziert
den Reparaturversuch HZs
nicht, sondern wartet
07
HZ de=ä Rásemaier (-) isch nümm gange.
blickt FZ an
08
FZ
09
HZ d Ka (-) d Kamera isch kapott gsi.
blickt auf seinen Teller, belädt die nächste Gabel
10
FZ
(6.0)
blickt weiter zu HZ, verlangsamt Kaubewegungen
hm’m
richtet Oberkörper und Kopf ruckartig auf
behält weiterhin den Blickkontakt zu HZ
d Kamera vom Rásemaier, das verstahn i jetz ned;
Hand mit leerer Gabel sinkt zum Tellerrand,
streckt Kopf leicht nach vorne
11
HZ s Ka (-) Kabel, s Kabel
blickt zu FZ
12
FZ
ah, s Kábel (--) mh
hält mit der Bewegung inne
führt seinen Reparaturversuch
aus
s ignalisiert jetzt Verstehen
und Interesse
r eformuliert seine Äusserung
von 03
zeigt Interesse, gibt sich noch
nicht zufrieden
initiiert nächste Reparatur
weiter hohe Aufmerksamkeit
2. Reparatur von ‹Kamera›
ratifiziert die Reparatur
zeigt weiter Interesse
(Fortsetzung siehe S. 47)
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
45
FORUM
Gesprächsbeiträge des Aphasiebetrof­
fenen werden – wie das oben auf­
geführte Beispiel zeigt – in mehreren
Reparaturschlaufen gemeinsam offen
bearbeitet (04: weli Kamera; 08:
d Kamera vom Rásemaier, das verstahn i jetz ned). Die Reparaturinitia­
tive geht dabei sowohl von HZ (Z 02,
03) als auch von Frau Z aus. Sie ­sichert
ihr Verstehen (Z 04, 10).
Die interaktiven Reparatursequenzen
sind gekennzeichnet davon, dass sie
viel Raum und Zeit beanspruchen und
HZ die Zeit, die er benötigt, von FZ
auch zugesprochen bekommt (Z 02,
05 und 06: Pausen, in denen Herr Z
die Sprechrolle behält). Darüber hinaus kooperieren Herr und Frau Z aufs
Engste: Die lokale Verständigung wird
durch die Rückfragen Frau Zs fort­
laufend gesichert. Diese Rückfragen
­demonstrieren Frau Zs Verstehen
bzw. Nichtverstehen, indem sie die
für sie problematischen Äusserungen/
Äusserungsteile möglichst genau lokalisiert (Z 04, 10). So kann Herr Z versuchen, seine Reparaturbemühungen
am ­Wissensstand von Frau Z auszurichten.
In anderen Daten zeigt sich ebenfalls,
dass Herr und Frau Z eng zusammen
arbeiten. Sie bauen die aphasischen
Aussagen Schritt für Schritt auf, lokalisieren Problemquellen explizit, ergänzen fehlende Wörter, setzen vage
­Äusserungsteile in referenzstarken
46
Kontext oder erläutern sie anhand von
Beispielen und Konkretisierungen. Ein
Thema wird dann beendet, wenn die
Verständigung hergestellt ist (12).
Der aphasische Gesprächspartner
Herr Z setzt seine Hauptstrategien –
geordneter Aufbau seiner Aussage in
mehreren selbstinitiierten Reparaturschlaufen und Einladung zur Lexikalisierungshilfe – in den analysierten
­Sequenzen gewohnheitsmässig ein.
Seine Frau, die sprachgesunde Gesprächspartnerin, variiert zwischen
rein assistierenden und gesprächssteuernden Praktiken, je nachdem,
wie sie den Stand der lokalen Verständigung einschätzt. Handelt es sich um
ein reines Lexikalisierungsproblem,
dessen Kontext sie (noch) nicht kennt,
übernimmt sie auf Einladung hin eine
assistierende Rolle.
Sieht sie die Verständigung lokal stark
gefährdet, dann übernimmt sie zwischendurch kurzzeitig die Steuerung
des Gesprächs mit eigenen Beiträgen
oder Fragen. Dabei stützt sie sich zuweilen auf (angenommenes) gemeinsames Wissen. Dass dieses Vorgehen
problematisch sein und zu lokalen
Konflikten führen kann, in denen Herr
Z seine Position als Wissender und
Verantwortlicher verteidigt, zeigt die
folgende Sequenz.
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
FORUM
Transkript eines Dialogs zwischen Herr und Frau Z
hesch drígschnitte? (5.0)
blickt auf den eigenen Teller und zerschneidet das Essen
13
FZ
14
HZ s Ka – mere
nimmt Blickkontakt mit FZ auf, hält mit dem
Schneiden inne
15
FZ
16
HZ vormene (-) vorme Wuche ischs nümme gange;
behält die Ruhestellung bei
17
FZ
vom Rásemaier
dreht Spaghetti auf die Gabel
konkrete Fragestellung von FZ
übergeht die Frage und führt
sein Thema fort
FZ ‹kürzt ab› in dem sie zeigt,
dass sie verstanden hat: das
Kabel vom Rasenmäher
klärt zeitlichen Kontext
Hesch es gflickt (-)
dreht Spaghetti auf die Gabel
jä das weiss i
blickt HZ an
ringt unaufgefordert
b
scheinbar gemeinsames
Wissen ein
ond jetz?
1.1.1.1 dreht weiter Spaghetti auf die Gabel
konkrete Frage zum Vorwärtskommen im Gespräch
18
HZ hed ned (-) hed ned dengs gha
hält mit dem Essen inne
19
FZ
20
HZ nei (--) nüt
hält Blickkontakt zu FZ aufrecht
hält in der Bewegung inne, Kopfschütteln
21
FZ
22
HZ ja (-) dasch ned gange;
hält das Besteck ruhig im Teller
23
FZ
24
HZ isch gar ned gange (energisch) (0.5)
nei nei (-) aber du heschs gflickt;
hält die Gabel ohne Bewegung im Teller
Vor ere Wuche hesch du doch det usse de Stecker
ääh (-) a dem Stecker umeknuppet
wendet kurz den Blick Richtung Steckdose, belädt
die Gabel fertig
jetz au weder ned
blickt auf den eigenen Teller, führt Gabel vor den Mund
beugt Oberkörper nach vorne
mh,
nimmt Blickkontakt auf und isst weiter
25
FZ
26
HZ :s anders Dings gno;(-)äh (-) Kabel; (0.7)
27
FZ
28
HZ zämegmacht bes alls het
belädt die Gabel
mh
wendet Blick ihrem Teller zu, schiebt mit Messer das
Essen auf die Gabel
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
v ersucht auf den unterschiedlichen Wissensstand (Kabel
geflickt – nicht geflickt)
hinzuweisen
beharrt auf ihrem Wissen
widerspricht, verteidigt als
primär Zuständiger seinen
Wissensstand mit zusätzlicher
Gestik
icherung des
S
­angenommenen Wissens
gestische Unterstützung
estätigung der Beobachtung,
B
dass die Reparatur erfolglos war
fragt nach, um ihren
Wissensstand zu aktualisieren
ält die Sprecherrolle und
h
klärt seine Frau auf
gestische Unterstützung
Bestätigung
HZ fährt fort
kurze Bestätigung
Abschluss
47
FORUM
Mit der konkreten Fragestellung (13)
übernimmt Frau Z unaufgefordert die
Gesprächsführung und möchte vermutlich das Gespräch beschleunigen.
Herr Z will nach wie vor verantwortlich
für das Gespräch bleiben, geht nicht
auf diese Frage ein, sondern will seine
Erklärung betreffend des defekten
­Kabels zu Ende führen (14, 16). Frau Z
assistiert nicht, sondern umgeht eine
weitere langwierige Reparaturschlaufe
(s’Kamera statt s’Kabel 14) mit Hilfe
von vorgängig gemeinsam aufgebautem Wissen (Rasemaier) und treibt so
das Gespräch voran (15). Nach der
kurzen Klärung des zeitlichen Kontextes (16) wendet FZ nochmals die
­Strategie des angenommenen gemeinsamen Wissens an (17, 19) an –
nur diesmal ist dieses Wissen nicht
deckend. Dies führt HZ in die sehr
schwierige Situation, etwas inhaltlich
klären zu müssen und stellt zusätzlich
seine kommunikativen Kompetenzen
in Frage (Face-bedrohend). In dieser
Situation reagiert Herr Z energisch
(20), lässt eine kurze Sicherung des
bisher Verstandenen von Frau Z zu
(21), verteidigt dann bis zum Schluss
seiner Mitteilung die Verantwortung
für das Gespräch mit Vehemenz (22 –
28). Frau Z realisiert den kritischen
Punkt der Face-Bedrohung und reagiert
mit zustimmenden, zurückhaltenden
Verständigungsbestätigungen (25, 27).
Verständigungsorientierte Praktiken,
die nicht in gegenseitigem Einver­
nehmen geschehen und den Partizipa-
48
tionsstatus der aphasischen Person
bedrohen, hemmen die Verständigung.
Das Aphasiemanagement von Herrn
und Frau Z ist im Allgemeinen geprägt
durch hohe Autonomie von Herrn Z.
Er bleibt über lange Phasen Verantwortlicher und Sprecher seiner Aus­
sagen. Er bespricht beharrlich sein
Thema, bis ein gewisses Niveau der
Verständigung erreicht ist. Die sprach­
gesunde Gesprächspartnerin Frau Z
gibt ihm Zeit für Selbstreparaturen
und schenkt ihm – besonders in kritischen Situationen – ihre ungeteilte
Aufmerksamkeit. Sie setzen kollaborative Praktiken zur gegenseitigen
­Verständigung erfolgreich und zugleich gesichtswahrend ein.
Die offenen, ausführlichen, gemeinsam
ausgeführten Reparaturen exponieren
einerseits die aphasische Problematik.
Andererseits stellen sie psychosoziale
Fähigkeiten dar, welche den kommunikativen Austausch zwischen den
GesprächpartnerInnen und damit die
Verständigung fördern. Gelungene
Gespräche stärken wiederum den
Selbstwert der Primär- und Sekundärbetroffenen, wirken also gesichtswahrend.
Mit ihren Strategien – Zusammen­
arbeit, offene Bearbeitungen der aphasi­
schen Probleme, grundsätzliches Interesse am vom Gegenüber eingeführten Thema, ungeteilte Aufmerksam-­
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
keit in kritischen Gesprächssituationen,
­ inander ernst und wichtig nehmen,
e
einander trotz grossem Aufwand
­verstehen wollen – konstruieren die
Gesprächsteilnehmenden eine soziale
Normalität, die sich weniger an den
Gesprächen Sprachgesunder orientiert, sondern vielmehr gezeichnet
ist von gegenseitigem Respekt und
möglichst ausgeglichenem Partizipationsstatus. Dies stärkt den durch das
Stigma Aphasie gefährdeten Partizipationsstatus der aphasiebetroffenen
Person. Die Gespräche des Paars Z
­reduzieren sich trotz Aphasie nicht
auf Informationsaustausch, sondern
behalten die kreative Funktion der
­Beziehungsarbeit. Der im Zweiersetting gestärkte Selbstwert beider GesprächspartnerInnen und die Selbstverständlichkeit im offenen Umgang
mit Aphasie wirken sich partizi­
pationsfördernd auf den weiteren
­sozialen Kontext aus und tragen zu
­einer Verbesserung der Lebensqualität
bei. Aphasisch bedingte Fehlleistungen
bedeuten immer eine Gesichtsbedrohung. Der offene, kollaborative und
­respektvolle Umgang damit wirkt sich
jedoch gesichtswahrend und verständigungsfördernd aus.
III. Praxisrelevanz
Die Ergebnisse der Gesprächsanalyse
bilden die individuelle Praxis und die
Perspektive zweier vertrauter GesprächsAphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
FORUM
partnerInnen ab, die gesprächsfördernde Strategien entwickelt und in
ihren Gesprächen etabliert haben. Wie
können diese Erkenntnisse nun ver­
allgemeinert und für Zielsetzung,
­Methoden und Evaluation ICF-orientierter Aphasietherapie fruchtbar gemacht werden?
Da Gespräche mit vertrauten Menschen zentrale alltägliche Aktivitäten
der Aphasiebetroffenen darstellen,
gehören sie in die gemeinsame Zieldefinition der Therapie. Aus dem übergeordneten Teilhabeziel (Gespräche
unter vertrauten Personen führen können), werden Aktionsziele (z.B. eine
Verabredung treffen; Erlebtes erzählen; eigene Meinung vertreten) und
daraus das Training kompensatorischer Gesprächsstrategien abgeleitet.
Bezugspersonen (Familie, FreundInnen, Betreuungspersonal) werden in
Therapie, Beratung und Coaching
­einbezogen. Therapieentscheidungen
und -evaluation gründen auf Instrumenten, welche kommunikativ-pragmatische Kompetenzen explizit bewerten (z.B. TInA, Therapieindikatorenliste Aphasie, Hunziker und Kolonko
2009).
Wie die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, sind folgende Praktiken
von Kollaboration und Facework massgeblich verantwortlich für das Gelingen
aphasischer Gespräche im vertrauten
Rahmen.
49
FORUM
Kollaboration:
– Problemquelle lokalisieren und Probleme gemeinsam lösen (kollaborative
Reparaturen)
– Fehlende / entstellte Wörter ergänzen / korrigieren
– Mehrere Reparaturschlaufen
– Referenzstarken Kontext aufbauen
– Aussage schrittweise gemeinsam
aufbauen
– Abschliessende Verständigungssicherung
Facework:
– Autonomie der primärbetroffenen
Person möglichst wahren (durch
Über­lassen der Verantwortung über
die Mitteilung)
– Gegenseitiges Respektieren als vollwertige Gesprächsteilnehmende (indem jede Aussage als wichtig gilt)
–U
ngeteilte Aufmerksamkeit in proble­
matischen Gesprächssituationen
– Sich gegenseitig Raum und Zeit
­geben zur Klärung auftauchender
Probleme
– Assistenz durch sekundärbetroffene
Person nur auf Einladung hin
Ausführliche Gesprächsanalysen können im therapeutischen Alltag aufgrund
des hohen zeitlichen Aufwands wahrscheinlich nur selten geleistet werden. Geht man jedoch davon aus,
dass die möglichen Formen der kompensatorischen Strategien begrenzt
sind und ihre Muster in den verschiedensten Gesprächen (mit verschiedensten Beteiligten) immer wieder zu
finden sind, dann können die Ergebnisse empirischer Untersuchungen
wie der vorliegenden Einzelfallstudie
als Vorlage – im Sinne eines Musterkataloges – für die Diagnostik dienen
und auch auf mögliche alltagsorientierte Therapieziele verweisen.
Literatur
Bauer, A. & Auer, P. (2009). Aphasie im Alltag. Stuttgart: Thieme.
Bauer, A. & Kaiser, G. (1997). «Wie bitte?» Therapieorientierte Befunderhebung bei neurogenen Sprachstörungen. In W. Widdig, T.A. Pollow, I.M. Ohlendorf & J.-P. Mahlin
(Hrsg.), Aphasiologie in den Neunzigern. Therapie und Diagnostik im Spannungsfeld von
Neurolinguistik, Pragmatik und Gesundheit (S. 81–112). Freiburg: Hochschulverlag.
Becker, A. (2001). Pragmatik und Aphasie. Konversationsanalytische Verfahren in der
Aphasie­diagnostik. Frankfurt a.M.: Peter Lang.
Bergmann, J.M. (1991). Konversationsanalyse. In U. Flick, E. Kardorff, H. Keupp, L. Rosenstiel & S. Wolff (Hrsg.), Handbuch qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte,
Methoden und Anwendungen (S. 213–218). München: Psychologie Verlags Union.
Bongartz, R. (1998). Kommunikationstherapie mit Aphasikern und Angehörigen. Stuttgart,
New York: Thieme.
50
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
FORUM
Coopmans, I. (2007). Alltagsrelevante Aphasietherapie. Forum Logopädie 21, S. 6–13.
Flick, U. (2007). Qualitative Sozialforschung. Reinbek bei Hamburg: rowohlt.
Glindemann, R., Ziegler, W. & Kilian, B. (2002). Aphasie und Kommunikation. In G. Goldenberg, J. Pössl & W. Ziegler (Hrsg.), Neuropsychologie im Alltag. (S. 78-97). Stuttgart:
Thieme.
Goffman, E. (1967). Interaction Ritual. Essays on face-to-face behavior. New York: Doubleday.
Grötzbach, H. (2008). Kontext-sensitive Aphasietherapie. Logos interdisziplinär 1/2008 (Jg.
16). S. 26–31.
Hunziker, E. & Kolonko, B. (2009). Sprache, Kommunikation, Partizipation – TInA, eine ICForientierte Entscheidungshilfe für die Aphasietherapie. Aphasie und verwandte Gebiete
3/2009, S. 11–26.
Kym, D. & Karpf, Y. (2010). Aphasiemanagement im Alltagsgespräch. Unveröffentlichte
­Bachelorthese, HfH Zürich. Internet: HYPERLINK http://www.bscw-hfh.ch/pub/bscw.cgi/
d5161253/KymKarpfAbstract.pdf; http://www.bscw-hfh.ch/pub/bscw.cgi/d5161263/KymKarpfMAT.pdf; www.bscw-hfh.ch/pub/bscw.cgi/d5161257/KymKarpfAnhang.pdf
Masoud, V. (2009). Gruppentherapie bei neurologischen Sprachstörungen. Stuttgart: Thieme.
Autorinnen:
Lic. phil. Doris Kym
Obere Weinhalde 33
6010 Kriens
[email protected]
vonne Karpf
Y
Dachmättli 5
5444 Künten
[email protected]
Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
51
52
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010
Buchbesprechung
Aphasie-Selbsthilfe
Konzepte, Strukturen und Empirie
Norina Lauer
197 S., Schulz-Kirchner Verlag 2010 Reihe 13.
Beiträge zur Gesundheits- und Therapiewissenschaft Band 7
ISBN 978-3-8248-0789-5
Die vorliegende Arbeit ist u.a. das
­Ergebnis der Promotionsarbeit von
Frau Dr. Lauer an der RWTH Aachen
bei Professor Dr. Walter Huber zum
Thema Aphasie-Selbsthilfe.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert,
zuerst wird die Aphasie-Selbsthilfe in
Deutschland speziell unter dem Aspekt
der Kooperation zwischen Selbsthilfe
und professionellen Helfern dargestellt.
Dann folgt ein internationaler Überblick über Angebote und Strukturen
von Aphasie-Selbsthilfeorganisationen
und Verbesserungspotenziale werden
diskutiert. Im dritten Teil stellt Norina
Lauer die «Aphasie-Therapiechronik»
als eine mögliche Methode der Optimierung in der akuten und post­akuten
Rehabilitationsphase vor und gibt Einblicke in ihre empirische Erhebung
dazu.
Der Leser erfährt das Thema AphasieSelbsthilfe sehr differenziert unter
multiplen Gesichtspunkten:
– Allgemeine Definition und Geschichte
der Selbsthilfebewegung im allgeAphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010
meinen (Beginn mit der Gründung
der ­Anonymen Alkoholiker – 1935 in
den USA).
– Strukturen der Aphasieselbsthilfeorganisationen (ASHO). Die ASHO
sind meist gemeinnützige Vereine
oder Non-Profit-Organisationen und
ihre zentralen Ziele sind die Beratung
und Information von Menschen mit
Aphasie und deren Angehörigen.
– Finanzierung und Förderung.
– Einbettung in das ICF-Modell: Die
ICF mit ­ihren Konzepten von Akti­
vität und ­Teilhabe unterstützt die
­Forderung der ASHO nach einer
stärkeren Inte­gration der Betroffenen in den Reha­bilitationsprozess
und einer besseren Kooperation
­zwischen Selbsthilfe und professionellen Helfern.
In einem Kapitel wird auf die Zusammenarbeit der Selbsthilfegruppen und
professionellen Helfern eingegangen:
sie besteht aus indirekten und direkten Kooperationsformen. Es werden
aber auch die ungleichen Erwartun-
53
BUCHBESPRECHUNG
gen der ASHO und der professionellen Helfern aufgezeigt.
Im zweiten Teil werden nationale und
internationale Strukturen und An­ge­
bote von ASHO anhand der Ergebnisse
der beantworteten Fragebögen von
25 ASHO analysiert.
Der dritte Teil widmet sich der Projektstudie zur akuten und postakuten
Aphasierehabilitation in Mittelbaden.
Der 2003 gegründete Round-Table zur
Verbesserung der Aphasikerversorgung in der Region Mittelbaden, eine
Zusammenkunft von Aphasietherapeuten und Vertretern der AphasieSelbsthilfe, entwickelte sich zu einem
Qualitätszirkel, der u.a. die AphasieTherapiechronik (ATC) erstellte. Dieses Faltblatt dient der Weitergabe von
Informationen über den Verlauf von
Diagnostik und Therapie und wird dem
Betroffenen übergeben. Die ATC wird
in allen Rehabilitationsphasen aus­
gefüllt und vom Betroffenen im
­ambulanten Bereich an den Folgetherapeuten weitergereicht. Eine Machbarkeitsstudie überprüfte die Anwendbarkeit der ATC, in dem die Einführung
der ATC auf vier Schlaganfallstationen
in Mittelbaden und die Übergabe an
die folgenden Rehabilitationseinrich-
Autorin:
54
tungen untersucht wurde. Ziel der
­Studie war aber auch, weitere Kennzahlen zur Auftretenshäufigkeit, therapeutischen Versorgung, Beratung und
zum Rehabilitationsverlauf zu erheben, die in diesem Buch dargestellt
werden. Das Buch endet mit einer
Auflistung von Empfehlungen zur systematischen und erfolgreichen ATCÜbergabe und -Anwendung. Unklar
bleibt, ob die ATC zu einer Verbesserung des weiteren Rehabilitationsverlaufs dienen könnte. Dazu wäre eine
weitere Studie notwendig.
Alle grösseren Abschnitte und Kapitel
werden prägnant zusammengefasst,
was die Lektüre erleichtert. Nebst sorgfältig zusammengestellten Verzeichnissen (Inhalts-, Abbildungs-, Tabellen-,
Sach- und Abkürzungsverzeichnissen)
sind alle relevanten Dokumente zur
Projektstudie im Anhang enthalten.
Dieses Buch wird jede in der Aphasierehabilitation tätige Fachperson interessieren und zur verstärkten Kollaboration mit Selbsthilfeorganisationen
motivieren. Empfehlenswert für Studierende, die sich insbesondere für
die ICF Ebenen Aktivität und Teilhabe
interessieren sowie Fachpersonen, die
in der Selbsthilfe beratend tätig sind.
Fanny Dittmann-Aubert
Leiterin Logopädie
Kantonsspital Bruderholz
Aphasie und verwandte Gebiete  3 / 2010