pdf - Aphasie Suisse
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Ausgabe/édition 3/2010 FORUM VOL. 27 Die Stimme für sprachlose Menschen. Donnons la parole à ceux qui l‘ont perdue. La voce di chi ha perso la parola. Aphasie und verwandte Gebiete et domaines associés Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 1 Inhalt / Table des matières ORIGINALBEITRÄGE – ARTICLES •Warum ist das witzig? Verständnis und Produktion von Ironie nach Hirnschädigung 5 (Evelyn C. Ferstl & Kate Spurr) FORUM •La logopédie pour les résidents d’EMS avec troubles de la communication: un luxe ou une nécessité? 25 (Mélanie Mudry) •Kollaboration und Facework in familiären Alltagsgesprächen 41 A phasiebedingte Kommunikationsstrategien im Spannungsfeld von Verständigungssicherung und Gesichtwahrung (Doris Kym, Yvonne Karpf) BUCHBESPRECHUNG – LECTURE •Aphasie-Selbsthilfe 53 Konzepte, Strukturen und Empire (Norina Lauer) Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 3 4 Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE Warum ist das witzig? Verständnis und Produktion von Ironie nach Hirnschädigung Evelyn C. Ferstl & Kate Spurr Zusammenfassung Pragmatische Sprachfähigkeiten sind nach Hirnschädigung oft eingeschränkt. Ein Beispiel dafür ist der sozial unangepasste Umgang mit Humor und Ironie. In der Produktion kommt es vor, dass Patientinnen zu oft versuchen, Witze zu machen, obwohl das der Gesprächssituation nicht gerecht wird, oder dass Pointen nicht richtig formuliert werden. Beim Verstehen wurde beobachtet, dass idiomatische oder ironische Äusserungen oft zu wörtlich genommen, und ihre Implikationen nicht ausreichend in Betracht gezogen werden. In der vorliegenden Studie wurden 19 Patientinnen und Patienten verschiedener Ätiologien untersucht, um den Zusammenhang von Produktion und Verstehen zu beleuchten. Die Verständnisaufgabe beinhaltete das Lesen von kurzen Geschichten, die entweder ironische oder wörtlich zu verstehende Aussagen enthielten. Im Gegensatz zu einer Kontrollgruppe konnten die Patienten Fragen zu den ironischen Geschichten kaum richtig beantworten. Jedoch zeigten erhöhte Lesezeiten, dass sie den vermeintlichen Widerspruch zwischen dem Kontext und der Zielaussage durchaus bemerkten. In der Produktionsaufgabe sollten die Teilnehmer eine Garfield-Bildergeschichte erzählen, die ein ironisch-witziges Ende hat. Korrelationen zeigten einen starken Zusammenhang zwischen Gedächtnisleistungen, der Sensitivität für die ironische Pointe beim Lesen und der Angemessenheit der selbst produzierten Garfield-Pointe. Diese Ergebnisse zeigen, dass das Verstehen und die Produktion von ironischen Pointen eng zusammenhängen, dass aber auch verbale Gedächtnisleistungen berücksichtigt werden müssen. Summary Brain injury often leads to deficits in pragmatic communication skills, such as the appropriate use of irony and humor. It has been observed that patients try to be witty in formal situations, or that they fail to deliver the punchline of a joke. In comprehension tasks, it has been observed that patients interpret utterances too literally and fail to understand the social connotations. In the present study, 19 patients of different etiologies were tested in order to uncover relationships between irony comprehension and production. The comprehension task required reading short stories that were either literal or ironic. High error rates confirmed a pragmatic deficit. However, the sentence reading times indicated that the apparent contradiction between the ironic statement and the context had been noticed. The production task required patients to retell a cartoon story with an ironic ending. Correlations yielded strong relationships between the results of a memory test, the sensitivity towards the ironic content in the reading task and the appropriateness of the produced punchline. Taken together, these results Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 5 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE c onfirm that irony appreciation is modality independent, but that it is also important to take into account memory skills. Résumé Les compétences pragmatiques sont fréquemment perturbées à la suite d’une lésion cérébrale entraînant des difficultés sur le plan des interactions sociales, notamment par un traitement inadapté de l’humour et de l’ironie. Lors des situations de production, il apparaît que les patients ont tendance à faire des plaisanteries de manière inadaptée en regard à la situation de communication, ou encore que certaines conclusions sont formulées de manière erronée. En compréhension, on relève une propension aux interprétations littérales d’expressions idiomatiques ou à caractère ironique avec une prise en considération insuffisante de leurs implications. Dans l’étude suivante, 19 patient(e)s avec des étiologies diverses ont été examinés afin de mettre en évidence les liens entre leurs capacités de production et de compréhension. L’épreuve de compréhension comportait la lecture de courtes histoires impliquant soit une composante ironique, soit une compréhension littérale. Contrairement au groupe contrôle, les patients rencontraient d’importantes difficultés à répondre aux questions portant sur les récits dits ironiques. Par ailleurs, ils présentaient des temps de lecture plus élevés pour relever la contradiction supposée entre le contexte et l’énonciation finale. Dans l’épreuve de production, il était demandé aux participants de raconter une histoire en images (Garfield) qui comportait une fin ironico-comique. Les analyses ont montré des corrélations significatives entre les capacités de mémoire, la sensibilité pour les chutes de type ironique en lecture et l’exactitude de la plaisanterie produite lors de la description de l’histoire en images (Garfield). Ces résultats suggèrent que la production et la compréhension de chutes à caractère ironique sont étroitement liées, mais aussi que les capacités de mémoire verbale doivent être prises en considération lors de l’évaluation. Sprach- und Kommunikationsstörungen nach Hirnschädigung treten nicht nur in Form von Aphasien auf, sondern können auch pragmatische Sprach nutzung betreffen (Prigatano, Roueche & Fordyce, 1985). Angemessene Kommunikation ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg von sozialen Interaktionen (Paradis, 1998). Es ist daher nicht überraschend, dass hirngeschädigte Patienten mit pragmatischen Defiziten auch ein erhöhtes Risiko für soziale Isolation und 6 damit verbundene Einschränkungen der Lebensqualität besitzen (Prigatano et al., 1985; Rath, Hennessy & Diller, 2003). Umso wichtiger ist es, die Ursachen für diese nichtaphasischen Kommunikationsprobleme zu erforschen. Ein Bereich, in dem Patienten oft auffällig sind, ist die aktive Verwendung und das Verstehen von Humor (e.g., Coelho, 2006; Gardner, Ling, Flamm & Silverman, 1975), und ins besondere von Ironie (Pexman, 2008). Ironie ist definiert als eine Äusserung, Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 mit der die Sprecherin genau das Gegenteil des Gesagten ausdrücken will (Gibbs & Colson, 2007). Ein Beispiel ist die Bemerkung an einem Regentag: «Das ist ja das perfekte Wetter für einen Strandausflug!» Zu den Gründen, warum eine solche Ausdrucksform gewählt wird, gehört, dass Ironie eine sozial verträglichere Methode darstellt, Meinungen zu äus sern, dass Ironie Vertrautheit und Nähe zwischen den Gesprächspartnern schafft, und dass Ironie erlaubt, in einer wenig verletzenden, höflichen Weise Kritik zu üben (vgl. Clark & Gerrig, 1984; Kumon-Nakamura, Glucksberg & Brown, 1995). Wie nun gelingt es, Ironie im Gesprächs- oder Text zusammenhang zu erkennen? In dem obigen Beispiel wird die Aussage durch das Wissen um das tatsächliche Wetter faktisch falsch. Damit verletzt sie an der Oberfläche die Grice’schen Konversationsregeln (Grice, 1975). Diese besagen, dass Kommunikationspartner üblicherweise kooperativ sind, dass sie informativ sein wollen und dass daher Aussagen relevant, eindeutig, und richtig sind. Angesichts einer offensichtlich falschen Aussage kann diese Annahme nur aufrecht erhalten werden, wenn der Gesprächspartner sie als ironisch – und somit wieder informativ – uminterpretiert. Dies wird jedoch nur erfolgreich sein, wenn zusätzliche Informationen mit einbezogen werden. In gesprochener Alltagssprache wird die ironische Inten Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE tion oft mit paraverbalen Hinweisen signalisiert (z.B. Prosodie oder Mimik). Interessanterweise gelingt es aber auch in der Schriftsprache, ironische Inhalte zu transportieren. In diesem Fall hilft die Kenntnis der beteiligten Personen, sowie Wissen über die Situation und den Diskurskontext, um eine wörtliche Lesart abzulehnen. Theorien der pragmatischen Interpretation In der obigen Beschreibung des Interpretations-Prozesses haben wir implizit angenommen, dass zuerst die wörtliche Bedeutung erstellt wird, die dann in einem weiteren Schritt abgelehnt wird, bevor dann in einem dritten Schritt die nichtwörtliche Bedeutung erstellt wird. Dies entspricht dem klassischen seriellen Prozessmodell für pragmatisches Verstehen (Grice, 1975), das nicht nur auf Ironie angewandt wird, sondern gleichermassen z. B. auf Metaphern oder Idiome. Intui tiv ist jedoch offensichtlich, dass die Verarbeitung von übertragenen Bedeutungen in vielen Fällen keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Diese Beobachtung, die auch experimentell vielfach bestätigt wurde, führte zu parallelen Constraint-Satisfaction Modellen. Hier wird postuliert, dass beide Interpretationen gleichzeitig betrachtet werden, bis am Ende die Lesart gewinnt, die am stärksten oder schnellsten aktiviert wird (Pexman, 7 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE 2008). Eine weitere Theorie übertragener Bedeutungen ist die Graded Salience Hypothesis (Giora & Fein, 1999). Sie basiert auf der Beobachtung, dass die Interpretation stark von der Salienz oder der Prominenz, der jeweiligen Lesart abhängt. So ist z.B. für sehr häufige Idiome die wörtliche Bedeutung nur schwer zu aktivieren, oder es gelingt kaum, die Äusserung eines Freundes, der sonst immer Witze macht, ausnahmsweise einmal für bare Münze zu nehmen. Diese Theorie erlaubt auch, Befunde zu erklären, in denen nicht-wörtliche Interpretationen schneller und leichter verarbeitet werden, als die entsprechenden wörtlichen. Da aber viele unterschiedliche Faktoren die Salienz beeinflussen können, macht das Modell in konkreten Fällen nur dann spezifische Vorher sagen, wenn zusätzliche Eigenschaften beschrieben und experimentell erhoben werden (wie z.B. Häufigkeit). schreibt die Fähigkeit, anderen Individuen Gefühle, Intentionen und Überzeugungen zuzuordnen. ToM spielt eine wesentliche Rolle für die soziale Interaktion, und insbesondere für soziale Inferenzen (MacDonald & Flanagan, 2004; Monetta, Grindrod & Pell, 2009). ToM-Defizite wurden z.B. als wichtiger Baustein für Autismus identifiziert (Ferstl, 2006), und sie wurden für Patienten mit orbito- frontalen Hirnläsionen und Amygdala- Läsionen (Fine, Lumsden & Blair, 2001) beschrieben, die ebenfalls Schwierigkeiten im sozialen Miteinander haben. Obwohl das Verstehen von Ironie zweifelsohne erfordert, dass die Hörerin eine komplexe Wechselwirkung zwischen dem Wissensstand des Sprechers und seiner Intention inferiert, ist ein spezifischer Zusammenhang zwischen ToM und Ironieverständnis jedoch noch nicht nachgewiesen worden (Martin & MacDonald, 2005; Pexman, 2008). Kognitive Voraussetzungen Wenn ein Defizit beim Ironieverständnis auftritt, kann dies unterschiedliche Quellen haben, unabhängig davon, welches der zuvor genannten Modelle zugrunde gelegt wird. Wir betrachten insbesondere Theory-of-Mind, Kohärenzbildung und Exekutivfunktionen. Der Begriff Theory-of-Mind (Theorie des Geistes ToM) wurde von Premack und Woodruff (1978) geprägt, und be- 8 Kohärenzbildung bezeichnet die Fähig keit, sprachliche Information mit Vorwissen und Diskurskontext zu verknüpfen (Ferstl, Guthke & von Cramon, 2002). Dieser Prozess ist während des Verstehens von Texten kontinuierlich erforderlich, um einzelne Sätze oder Äusserungen in einer zusammenhängenden Repräsentation zu integrieren. Und wie eingangs gesehen, erfordert das Verstehen von Ironie genau diesen Kohärenzbildungsprozess, Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 also eine Integration der aktuellen Äusserung mit dem Vorwissen, den nicht-verbalen Hinweisen und dem Diskurskontext. Patientenstudien zeigen, dass frontale Läsionen (e.g. Ferstl, Guthke & von Cramon, 1999, 2002), aber auch rechts-hemisphärische Läsionen (Beeman, 1993) Inferenzdefizite bedingen können. Bildgebende Studien haben ergeben, dass frontomediane Areale besonders an der Kohärenzbildung beteiligt sind (Ferstl & von Cramon, 2005). Interessanterweise ist dieses Areal Teil eines Netzwerkes, das nicht nur während des Textverstehens aktiv wird, sondern auch während ToM-Aufgaben (Ferstl, 2006). Schliesslich müssen Exekutivfunktionen (EF) als wesentlich für pragmatische Sprachfähigkeiten gesehen werden. EF kann definiert werden als die Fähigkeiten, Information in zielgerichteter Weise zu manipulieren und cognitive Teilprozesse zu koordinieren. Aspekte eines intakten EF-Systems sind Arbeitsgedächtnis, inhibitorische Kontrolle (Miyake, Freidman, Emerson, Witziki & Howerter, 2000), aber auch Planungsverhalten und Strategieanwendung. EF sind sowohl mit ToM als auch mit Kohärenzbildung eng verknüpft (Dennis, Agostino, Roncadin and Levin, 2009; Ferstl, 2006). Vor allem intakte Arbeits gedächtnisfunktionen sind für beide Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE dieser Prozesse eine wichtige Voraussetzung (Carlson, Moses & Breton, 2002). Diese kurze Beschreibung ist natürlich nicht vollständig, aber sie legt nahe, dass Hirnschädigungen verschiedener Genese und Lokalisation zu Defiziten von pragmatischen Sprachfähigkeiten führen können. Die vorliegende Studie Das Ziel der hier beschriebenen Studie war weder ein rigoroser Test der verschiedenen Ironie-Theorien, noch wollten wir die unterschiedlichen kognitiven und sozialen Bausteine von Ironieverständnis differenzieren. Stattdessen war das Ziel, alltagsrelevante Defizite bei Patienten mit Hirnschädigung nachzuweisen. Die zweite Autorin (KS) war als freiwillige Helferin im Headway House, Newick, UK, tätig. Dies ist eine nicht-klinische Tagesstätte für Patienten mit Hirnschädigung, die durch gemeinsame Aktivitäten an die Wiedereingliederung herangeführt werden sollen. Viele der dort behandelten Patienten zeigten Auffälligkeiten in der Produktion von Humor. In zwei Experimenten versuchten wir, den Zusammenhang zwischen Verständnis und Produktion von ironischen Äusserungen zu beleuchten. Eine Gruppe von Patienten mit Hirn- 9 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE schädigung, aber ohne Aphasie, wurde gebeten, eine Bildergeschichte mit ironischer Wendung zu erzählen. Vorher hatten sie eine Reihe von kurzen Vignetten gelesen, in denen Aussagen entweder ironisch oder wörtlich zu interpretieren waren. Lesezeiten und Antworten auf Verständnisfragen wurden aufgezeichnet. Schliesslich testeten wir mittels einer Rekognitions aufgabe die Gedächtnisleistungen der Patienten. Die erste Hypothese war, dass Verständnis und Produktion von Ironie modalitätsübergreifend gestört sein würden. Daher erwarteten wir Korrelationen zwischen diesen beiden Aufgaben. Darüberhinaus war eine zweite offene Frage, wie weit eine ein fache Gedächtnisaufgabe eventuelle Defizite vorhersagen würde. Und drittens waren wir daran interessiert, ob die im Headway House verwendete nichtklinische Erfassung der Sprachund Leseleistungen sich in den ex perimentellen Daten widerspiegeln würde. Methode Teilnehmer 19 Patienten mit Hirnschädigungen nahmen an der Studie teil (15 Männer, 4 Frauen, 21 bis 69 Jahre, M = 50, SD = 15.0). Alle Patienten befanden sich im chronischen Stadium (Median: 60 10 Monate nach HS, 6 bis 410 Monate) und wurden zur Zeit der Durchführung im Headway House, Newick, UK, behandelt. Die Versuchsleiterin (KS) war dort als freiwillige Helferin tätig und die Patienten nahmen im Rahmen ihres Aufenthaltes an der Studie teil. Da es sich nicht um eine klinische Therapieeinrichtung handelt, lagen keine spezifischen medizinischen Diagnosen oder neuropsychologischen Testwerte vor. Die Ätiologien waren etwa jeweils zur Hälfte traumatische Ereignisse (z.B. Verkehrsunfälle) und kardio-vaskuläre Erkrankungen, zwei Patienten hatten virale Erkrankungen. Eine grobe Einschätzung relevanter Defizite wurde aus dem AnamneseFragebogen entnommen, den eine Sozialarbeiterin bei Aufnahme mit den Patienten erarbeitete. Es wurde sichergestellt, dass alle Patienten in der Lage waren, die beiden Aufgaben (Lesen von Geschichten auf einem Bildschirm, Erzählen einer Bildergeschichte) durchzuführen. Insbesondere wurden nur Patienten in die Studie aufgenommen, die keine schwere Aphasie hatten und deren Instruktionsverständnis intakt war. Tabelle 1 zeigt die verfügbare demographische und medizinische Information sowie die Einteilung in Gruppen gemäss Sprachverständnis und Lesefähigkeit. Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE Tabelle 1. Demographische Information der Teilnehmer. ID Geschlecht Ätiologie M Alter (Jahre) 69 Verstehen Lesen SHT Monate seit Erkrankung 100 6 + + 7 M 49 SHT 83 + + 11 M 37 CV 39 + + 13 M 67 CV 31 + + 17 M 67 CV 6 + + 4 M 61 CV 60 + –- 9 F 47 sonst 151 + –- 10 M 35 SHT 35 + –- 14 M 61 CV 21 + –- 18 M 50 SHT 45 + –- 1 M 21 SHT 12 –- + 3 M 51 SHT 410 –- + 5 F 59 CV 109 –- + 21 M 42 SHT 186 –- + 2 F 60 CV 61 –- –- 8 F 67 CV 47 –- –- 19 M 52 SHT 39 –- –- 20 M 33 sonst 402 –- –- 24 M 22 SHT 141 –- –- Tabelle 1: Demographische Information der Teilnehmer. Note. SHT = Schädel-Hirn-Trauma; CV = kardio-vaskuläres Ereignis; Sprach- Note: SHT = Schädel-Hirn-Trauma; CV = kardio-vaskuläres Ereignis; Sprachverständnis und verständniseingeschränkt und Lesefähigkeit eingeschränkt (-) oder intakt (+), gemäss Lesefähigkeit (–) oder intakt (+), gemäss Selbstauskunft. Selbstauskunft. Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 11 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE Material In der wörtlichen Version war die Aussage im dritten Satz faktisch richtig. Die Geschichten für die Ironiever- Für die ironische Version wurde jeständnisaufgabe wurden von einem weils ein Teil des ersten oder zweiten früheren Experiment übernommen Satzes so geändert, dass die Aus (Sanger, 2009). Das Material bestand sage im dritten Satz falsch wurde und aus 16 kurzen Geschichten über All- damit als ironisch zu interpretieren tagsereignisse, die jeweils aus vier war. Zu jeder Geschichte wurde eine Ironie Ironie geschrieben, die Sätzen zusammengesetzt waren. Die Verständnisfrage Ironie 22 22 Ironie Länge der Geschichten variierte von auf die Interpretation der Aussage 22 Ironie 22 29 bis 54 Wörtern. Der dritte Satz be- abzielte. Eine studentische Kontroll22 stand immer aus einer wertenden gruppe (N = 31) hatte eine durchAussage. Diese für richtete sich Texte in acht schnittliche Lesezeit von elf SekunTabelle 2. Beispiele die verwendeten und Verständnisfragen (ungefähre Tabelle 2. Beispiele für die verwendeten Texte und Verständnisfragen (ungefähre Tabelle 2. Beispiele für die verwendeten Texte und Verständnisfragen (ungefähre Geschichten gegen eine Person, in den pro Geschichte und eine FehlerÜbersetzung aus dem Englischen). Übersetzung aus demfür Englischen). Tabelle 2. Beispiele die verwendeten Texte und Verständnisfragen (ungefähre Übersetzung aus dem Englischen). denTabelle übrigen Geschichten kommenrate von (ungefähre ca. 13% für ähnliche Fragen 2. Beispiele für die verwendeten Texte und Verständnisfragen Übersetzung aus dem Englischen). Übersetzung aus dem Englischen). Jede Getierte sie die Situation. (Sanger, 2009). Beispiele werden in Wörtlich schichte kam in zweiIronisch Versionen vor. Tabelle 2 gezeigt. Ironisch Wörtlich Ironisch Wörtlich Ironisch Wörtlich Person Karl’s Schwester Johanna fiel hin Karl’s Schwester Johanna fiel hin Ironisch Wörtlich Person Karl’s Schwester Johanna fiel hin Karl’s Schwester Johanna fiel hin Person Karl’s Schwester Karl’s Schwester und verletzte sich Johanna am Bein.fiel hin und verletzte sich Johanna am Bein.fiel hin und verletzte sich Johanna am Bein.fiel hin und verletzte sich Johanna am Bein.fiel hin Person Karl’s Schwester Karl’s Schwester und verletzte sich am Bein. und verletzte sich am Bein. Karl ignorierte ihre Schreiefiel undhin Karl rannte sofortJohanna zu ihr und Person Karl’s Schwester Johanna Karl’s Schwester fiel hin Karlverletzte ignoriertesich ihream Schreie Karlverletzte rannte sofort zu ihr und und Bein. und und sich am Bein. Karl ignorierte ihre Schreie und Karl rannte sofort zu ihr und spielte seelenruhig weiter. rief einen Krankenwagen. und verletzte sich am Bein. und verletzte sich am Bein. spielte seelenruhig rief einen Karl ignorierte ihreweiter. Schreie und Karl rannteKrankenwagen. sofort zu ihr und spielte seelenruhig weiter. rief “Du bist so nettihre zu mir!”, “Du bist soKrankenwagen. nett zuzu mir!”, Karl ignorierte Schreie und Karleinen rannte sofort ihr und “Du bistseelenruhig so nett zu mir!”, “Dueinen bist soKrankenwagen. nett zu mir!”, spielte weiter. rief “Du bist so nett zu mir!”, “Du bist so nett zu mir!”, sagte Johanna. sagte Johanna. spielte seelenruhig weiter. rief einen Krankenwagen. sagtebist Johanna. sagte Johanna. “Du so nett zu mir!”, “Du bist so nett zu mir!”, sagte Johanna. sagte Johanna. “Du bist so nett zu mir!”, “Du bist so nett zu mir!”, sagte Johanna. sagte Johanna. Fand Fand sagte Johanna Johanna.ihren Bruder Karl sagte Johanna Johanna.ihren Bruder Karl Fand Johanna ihren Bruder Karl Fand Johanna ihren Bruder Karl Fand Johanna ihren Bruder Karl Fand nett? nett? Johanna ihren Bruder Karl nett? Johanna ihren Bruder Karl nett? Johanna ihren Bruder Karl Fand Fand nett? nett? Fand Johanna ihren Bruder Karl Fand Johanna ihren Bruder Karl nett? nett? Jonathan ging zu Paul’s Situation Jonathan ging zu Paul’s nett? nett? Jonathan ging zu Paul’s Situation Jonathan ging zu Paul’s Jonathan ging zu Paul’s Situation Jonathan ging zu Paul’s Geburtstagsfeier. Geburtstagsfeier. Geburtstagsfeier. Geburtstagsfeier. Jonathan ging zu Paul’s Situation Jonathan ging zu Paul’s Geburtstagsfeier. Geburtstagsfeier. Eine Menge Nur zwei ging andere Jonathan gingvon zu Paul’s Paul’s Freunden Situation Jonathan zu Jungs Paul’swaren Eine Menge von Paul’s Freunden Nur zwei andere Jungs waren Geburtstagsfeier. Geburtstagsfeier. Eine Menge Nur zwei war schon da.von Paul’s Freunden schon da. andere Jungs waren Geburtstagsfeier. Geburtstagsfeier. war schon da.von Paul’s Freunden schon da. andere Jungs waren Eine Menge Nur zwei war schon da.von voll schon da. “Es ist ja richtig hier,” “Es ist ja richtig hier,” Eine Menge Paul’s Freunden Nur zwei andere voll Jungs waren “Es ist ja richtig “Es istda. ja richtig voll hier,” war schon da. voll hier,” schon “Es ist ja richtig voll hier,” “Es istda. ja richtig bevor voll hier,” dachte Jonathan er Paul dachte Jonathan er Paul war schon da. bevor schon dachte er Paul dachte er Paul “Es ist Jonathan ja richtig bevor voll hier,” “Es ist Jonathan ja richtig bevor voll hier,” dachte er Paul dachte er Paul begrüsste. begrüsste. “Es ist Jonathan ja richtig bevor voll hier,” “Es ist Jonathan ja richtig bevor voll hier,” begrüsste. begrüsste. dachte Jonathan bevor er Paul dachte Jonathan bevor er Paul begrüsste. begrüsste. dachte Jonathan bevor er Paul dachte Jonathan bevor er Paul begrüsste. begrüsste. Waren wenige Leute bei der Party? Waren wenige Leute bei der Party? begrüsste. begrüsste. Waren wenige Leute bei der Party? Waren wenige Leute bei der Party? Waren wenige Leute bei der Party? Waren wenige Leute bei der Party? Waren für wenige bei der Party?Texte Waren wenige Leute bei der Party? Tabelle 2: Beispiele dieLeute verwendeten und Verständnisfragen Waren wenige Leute bei der Party? Waren wenige Leute bei der Party? (ungefähre Übersetzung aus dem Englischen). 12 Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE Für die Präsentation wurden vier unterschiedliche Listen so erstellt, dass jede Versuchsperson jede Geschichte in nur einer Version sah, so dass über die Gruppe der Versuchspersonen jede Version neun oder zehn Mal vorkam. Ausserdem wurde darauf geachtet, dass die Ja- und Nein- Antworten ausbalanciert waren. Für den Gedächtnistest wurde eine Rekognitionsaufgabe implementiert. 19 Eigennamen, die in den Geschichten vorkamen, wurden mit 19 anderen Namen in zufälliger Reihenfolge auf ein Blatt gedruckt. Für die Produktion einer ironischen Geschichte wurde ein Garfield - Cartoon verwendet (Davis, 2000; siehe Abbildung 1). Der Cartoon besteht aus sechs Szenen, in denen der Kater Garfield darauf wartet, dass eine Maus ein Loch durch die Wand sägt, damit er sie, Ironie wenn sie aus dem Loch heraus24 kommt, mit seinem Tennisschläger fangen kann. Am Ende stürzt die Wand jedoch ein, sodass Garfield darunter begraben wird und die Maus die lachende Gewinnerin ist. Abbildung 1: Garfield-Cartoon, der als Stimulus für die Sprachproduktionsaufgabe verwendet wurde. Abbildung 1. Garfield-Cartoon, der als Stimulus für die Sprachproduktionsaufgabe verwendet wurde. Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 13 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE Durchführung Das Experiment wurde in einem r uhigen Raum im Headway House durchgeführt. Die Patienten sassen vor einem Laptop-Computer, bei dem drei Tasten farbig markiert waren: Grün für JA, rot für NEIN, und gelb für WEITER. Die Versuchsleiterin sagte den Patienten, dass sie auf dem Bildschirm kurze Geschichten satzweise lesen würden. Nach dem Lesen jeden Satzes sollte die gelbe Taste gedrückt werden, um den nächsten Satz oder eine abschlies sende Frage aufzurufen. Für die Beantwortung einer Verständnisfrage am Ende jeder Geschichte sollten die JA- und NEIN-Tasten benutzt werden. Die Versuchsleiterin stellte sicher, dass die Patienten die Tasten lokalisiert hatten, und dass die Ins truktionen verstanden worden waren. Nach der Präsentation von zwei Probedurchgängen wurden die 16 Geschichten nacheinander in zufälliger Reihenfolge gezeigt. Der Laptop zeichnete die Lesezeiten für jeden Satz auf, sowie die Antworten und Antwortzeiten. Diese Aufgabe dauerte ungefähr 15 bis 20 Minuten. Danach wurde das Gedächtnis getestet. Die Patienten erhielten das Blatt mit den Eigennamen und wurden instruiert, die Namen mit einem Stift zu markieren, die in einer der Geschichten vorgekommen waren. Während der Patient die Gedächtnis- 14 aufgabe bearbeitete – was ungefähr fünf Minuten dauerte – suchte die Versuchsleiterin zwei Geschichten heraus, deren Fragen falsch beantwortet worden waren. Gedruckte Versionen dieser Geschichten wurden dann dem Patienten nochmals für ein strukturiertes Interview vorgelegt, das auf Tonband aufgezeichnet wurde. Bei jedem Satz fragte die Versuchsleiterin, wie sich die Hauptperson der Geschichte wohl fühlte. Danach folgte nochmals die Verständnisfrage. Dieses Interview dauerte etwa fünf bis zehn Minuten, wird jedoch nicht weiter b etrachtet. Direkt im Anschluss wurde die Sprachproduktionsaufgabe durchgeführt. Der Cartoon wurde auf den Tisch gelegt und der Teilnehmer wurde gebeten, die Bildergeschichte jemandem zu erzählen, der die Bilder nicht sehen konnte. Er erhielt einige Minuten um sich die Bilder gut anzuschauen, bevor er mit der Erzählung begann. Die Geschichte wurde dann auf Tonband aufgezeichnet. Nach dem der Patient geendet hatte, fragte die Versuchsleiterin noch einmal explizit: «Was ist die Pointe dieser Geschichte?» Nach Beantwortung dieser Frage wurde dem Teilnehmer gedankt und er wurde über den Zweck des Experimentes unterrichtet. Insgesamt dauerte das Experiment weniger als eine Stunde. Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE Ergebnisse die Gesamtfehlerrate berechnet. Die Antwortzeiten wurden nicht ausgeStatistische Test wertet. Tabelle 3 zeigt die Daten für die Gesamtgruppe. Insgesamt machWegen der Heterogenität der Ver ten die Patienten ca. doppelt so viele suchspersonengruppe wurden alle Fehler (25%) wie die studentische statistischen Vergleiche mit nicht- Vergleichsgruppe (13%; Sanger, 2009). parametrischen Tests durchgeführt. Mann-Whitney U-Tests verglichen Fragen zu ironischen Geschichten waPatientenuntergruppen miteinander, ren erheblich schwieriger (Md = 50%) Wilcoxon Rangtests wurden für Mess- als Fragen zu wörtlichen Geschichten wiederholungen benutzt. Für diese (Md = 0%; T = 1, Z = 3.8, p < .0001). Tests werden Z-Werte berichtet. Spear- Alle Patienten konnten sechs bis acht man-Rangkorrelationen bestimmten der Fragen zu wörtlichen Geschichten den Zusammenhang zwischen ver- richtig beantworten, während nurIronie zwei schiedenen Variablen. Patienten weniger als drei Fehler bei 23 den ironischen Geschichten machten. Fehler Für jede Versuchsperson wurden Fehlerraten für Fragen zu ironischen Tabelle 3. Deskriptive Statistik fürsowie die erhobenen Masse. und wörtlichen Geschichten Variable Median Minimum Fehlerraten (%) 25,0 12,5 50,0 Lesezeit (pro Geschichte in Sekunden) 17,0 8,3 39,5 4 –-2 10 Geschichtenlänge (in Wörtern) 107 44 258 (0 – 15) Inhaltliche Angemessenheit (0-15) 6,7 0,7 10,0 Pointen-Wert (0 (0-5) – 5) 1,5 0,0 4,2 Rekognitionswert (max. 19) Maximum Note. N = 19 Tabelle 3: Deskriptive Statistik für die erhobenen Masse. Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 15 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE Lesezeiten Wie in Tabelle 3 gezeigt, waren auch die Lesezeiten erheblich länger als die der studentischen Vergleichsgruppe (ca. 17 Sekunden im Vergleich zu elf Sekunden). Nach dem Entfernen von sieben fehlerhaften Satz-Lesezeiten (z.B. wegen Abschweifen, fehlerhaftem «WEITER»-drücken, u.ä.), wurden für jede Versuchsperson die Satzlesezeiten bei 2.5 Standard abweichungen über dem Mittelwert gekappt und die Ergebnisse durch die Satzlänge geteilt (Anzahl der Zeichen). Für jeden Satz (von 1 bis 4), sowie für die Gesamtgeschichte und jede Bedingung (wörtlich vs. ironisch), wurden dann mittlere Lesezeiten pro Zeichen berechnet. Die Lesezeiten unterschieden sich deutlich für die beiden Textversionen (Z = 3.2, T =16, p < 0.001). Ironische Geschichten waren schwieriger als (Md = 87 ms) als wörtliche Geschichten (Md = 79 ms). Eine genauere Analyse der einzelnen Sätze bestätigte, dass dies durch erhöhte Lesezeiten schon auf dem zweiten (Z = 2.6, T = 31, p < .01), aber vor allem auf dem dritten Satz bedingt war (Z = 3.3, T = 14, p < .001). Im Gegensatz dazu gab es keiIronie ne Lesezeitunterschiede für den 25 ersten oder letzten Satz (Z ’s < 1, T ’s > 85, ns). Diese Daten sind in Abbildung 1 gezeigt. ���������� �������� ��� ��������� ���� ��� ��� �� �� �� �������� ��������� �� �� ���� � ���� � ���� � ���� � Abbildung 2: Lesezeiten pro Zeichen (Median) für die vier Sätze der ironischen bzw. wörtlichen Geschichten. Abbildung 2. Lesezeiten pro Zeichen (Median) für die vier Sätze der ironischen bzw. 16 wörtlichen Geschichten. Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 Gedächtnisleistung Um die Gedächtnisleistung zu quantifizieren, wurde die korrigierte Rekognitionsleistung berechnet, d.h. die Differenz zwischen den Treffern und den falschen Alarmen. Je höher dieser Wert, desto besser war die Erinnerung für die Namen. Die Gedächtnisleistung war mit einem Median von 4 (–2 bis 10) ziemlich niedrig, im Vergleich zu einem möglichen Höchstwert von 19. Sprachproduktion Nachdem die Erzählungen transkribiert worden waren, bewerteten sechs unabhängige, naïve Personen deren Angemessenheit. Sie erhielten ausführliche Instruktionen für zwei Skalen. Die erste Skala bewertete die inhaltliche Vollständigkeit anhand einer Liste von Schlüsselaussagen (0–15 Punkte), die zweite bewertete die Angemessenheit der Pointe (0–5). Die Ergebnisse der sechs Urteile waren hoch reliabel (Cronbach’s Alpha > 0,90) und wurden daher für jeden Tln und jede der zwei Skalen gemittelt. Die Geschichten waren ungefähr 100 Wörter lang. Es wurden etwa sieben (von 15) Inhaltseinheiten produziert, aber die Pointe wurde mit einem Median von 1.5 nur selten als angemessen bewertet. Wie erwartet korrelierte die inhaltliche Vollständigkeit mit der Anzahl der produzierten Wörter Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE (r = .45, p = .05). Dagegen war die ngemessenheit der Pointe unabhänA gig von diesen beiden quantitativen Massen (r = 0.28 bzw. r = 0.25, ns.). Korrelationen Um den Zusammenhang zwischen der Textproduktion, dem Ironieverständnis und dem Gedächtnistest zu überprüfen, wurden nicht-parametrische Korrelationen mit einer Reihe von Variablen aus der Leseaufgabe berechnet. Neben der Gesamtfehlerrate wurde auch die Differenz der Fehler zwischen ironischen und wörtlichen Geschichten als Mass des Ironieverständnisses betrachtet. Dieses Mass korrelierte hoch mit der Gesamtfehlerrate (r = 0,66; p < 0,01), da die Variabilität der Fehlerraten durch die ironischen Geschichten bedingt war. Interessanterweise ergaben sich Zusammenhänge zwischen allen drei Aufgaben: die Gesamtfehlerrate und das Ironiemass korrelierten mit dem Gedächtniswert (r = -0,47, p < 0,05: und r = -0,55, p < 0,05). Patienten, die sich an die Eigennamen besser erinnern konnten, machten weniger Fehler bei den Verständnisfragen, insbesondere zu ironischen Geschichten (r = -0,59, p < 0,01). Auch die Ironiemasse standen in Zusammenhang: Patienten, die eine gute Pointe produzierten, konnten sich die Namen besser merken (r = 0,55; p < 0,05), sie 17 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE machten weniger Fehler insgesamt (r = -0,59; p < 0,01), und dies war vor allem der Fall für ironische Geschichten (r = -0,50, p < 0,05). Die Lese zeiten zeigten keine signifikanten Zusammenhänge mit anderen Variablen. Untergruppenvergleiche Um zu sehen, ob die durch die anamnestischen Angaben gebildeten Unter gruppen sich unterschieden, wurden die Gesamtlesezeiten, die Fehlerrate, der Gedächtniswert, die Wortproduktion, die beiden Produktionsmasse (Inhalt und Pointe) sowie zwei Ironiemasse betrachtet. Vergleiche zwischen den Patientinnen mit und ohne Verständnisprobleme, bzw. mit und ohne Leseprobleme, ergaben keinerlei Unterschiede (alle Z ’s < 1.4). Die Selbstauskunft im Rahmen des Aufnahmegespräches war somit in keinem der empirischen Masse reflektiert. Diskussion Ironieverständnis Die Gruppe der hier untersuchten Patienten hatte erhebliche Schwierigkeiten, Ironie zu verstehen. Während Fragen zu wörtlich gemeinten Aus sagen sehr gut beantwortet wurden, war die Fehlerrate für ironische Geschichten bei einer Mehrzahl der Patienten im zufälligen Bereich. Dies 18 estätigt das Vorliegen nicht-aphasib scher Kommunikationsdefizite, und repliziert insbesondere den Befund, dass ironische Texte für Patienten schwieriger sind als wörtlich zu interpretierende Texte (e.g. Angeleri, et al. 2008; Martin & MacDonald, 2005). Auch bei den Lesezeiten gab es eine breite Streuung. Einige der Patienten konnten so mühelos lesen wie die Vergleichsgruppe (ca. 11 s), während andere zwei oder drei Mal so lange Zeiten benötigten. Trotz der Hetero genität fanden sich systematische Unterschiede zwischen den Bedingungen: Lesezeiten für die ironischen Geschichten waren länger als für die wörtlichen. Interessanterweise galt dies schon für den Kontextsatz. Um im zweiten Satz die ironische Lesart anzubahnen, war dieser meist über raschender, also weniger eng mit dem ersten Satz verknüpft, als dies in der wörtlichen Bedingung der Fall war (s. Beispiele in Tabelle 2). Die höheren Lesezeiten für den zweiten Satz in der ironischen Bedingung reflektieren also die erhöhten Inferenz-Anforderungen. Dieser Befund zeigt, dass die Bedeutung der Sätze verstanden wurde und mit dem vorherigen Diskurskontext in einer kohärenten Repräsentation verknüpft wurde. Die ebenfalls erhöhten Lesezeiten für die Zielaussage lassen darauf schliessen, dass die Teilnehmer versuchten, die Sätze in den Textkontext einzubetten und dass der verAphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 meintliche Widerspruch verarbeitet wurde. Trotz der hohen Fehlerraten zeigt dies durchaus Sensitivität für die Texteigenschaften. Modelle des Ironieverstehens Die erhöhten Lesezeiten und Fehler raten sind im Einklang mit einem seriellen Modell des Ironieverstehens (Grice, 1975), das das Erkennen eines Widerspruches postuliert. Andererseits kann man aus den längeren Zeiten nicht ersehen, ob letztendlich die ironische Interpretation erstellt wurde. Ähnlich wie von Channon et al. (2007) beschrieben, ist es durchaus möglich, dass die Patienten die Inkonsistenzen zwar bemerkt hatten, ohne jedoch dann deren «Auflösung» korrekt vorzunehmen (cf. Ferstl, Guthke & von Cramon, 1999, 2002), d.h. ohne die Intention der Sprecherin im sozialen Kontext zu inferieren. Die Graded Salience Hypothesis kann diese Ergebnisse ebenfalls erklären. Unter der Zusatzannahme, dass bestimmte Hirnläsionen zu einer Verminderung der Salienz von ironischen oder nicht-wörtlichen Interpretationen führen (vgl. Konkretismus), werden Defizite sowohl bei Fehlern als auch Lesezeiten vorhergesagt. Diese Annahme wird durch die Beobachtungen in dem strukturierten Interview gestützt. Dort hatte die Versuchsleiterin durch explizite Fragen die Salienz der unterschiedlichen Interpretationen Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE rhöht, was bei zwölf von 19 Patienten e zu einer Verbesserung der Leistungen führte. Produktion von ironischen Aussagen Auch die Produktionsaufgabe ergab heterogene Befunde. Manche Patienten brauchten nur 50 Wörter, um die Geschichte zu erzählen, während andere vier bis fünf Mal soviel sprachen. Längere Erzählungen enthielten mehr relevante Inhalte. Diese quantitativen Masse korrelierten aber nicht mit der Angemessenheit der ironischen Pointe. Die meisten Patienten verpassten den «Witz der Geschichte», unabhängig davon, wie ausführlich oder vollständig sie deren Inhalt erzählt hatten. Im Gegensatz dazu gab es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Fehlerraten in der Verständnis aufgabe und der Pointen-Produktion. Schwierigkeiten in der Verwendung von Ironie waren modalitätsunab hängig. In der Konversation auffällige Patienten hatten auch Schwierigkeiten beim Verstehen. Individuelle Unterschiede Keines dieser Masse unterschied sich für Untergruppen, die gemäss der Selbstauskunft gebildet wurden. Dies spiegelt möglicherweise die Ungenauigkeit des Aufnahme-Fragebogens wider, oder eine fehlende Awareness 19 ORIGINALBEITRAG – ARTICLE auf Seiten der Patientinnen. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Interpretation von «Sprachverständnis» oder «Lesefähigkeit» die hier getesteten Teilprozesse nicht mit einschloss. Auch in der klinischen Diagnostik werden nicht-aphasische Kommunikationsdefizite oft nicht dem Bereich Sprache zugeordnet, sondern dem Bereich Kognition oder Neuropsychologie (Coelho, 2006). Im Gegensatz zu den anamnestischen Daten waren die Ergebnisse der Rekognitionsaufgabe für die Ironieleistungen hochrelevant. Die Gedächtniswerte korrelierten sowohl mit den Fehlerraten beim Verstehen ironischer Texte. Dies ist im Einklang mit dem eingangs postulierten Zusammenhang von Ironieverarbeitung und Exekutivfunktionen (Channon et al., 2007). Um die ironische Äusserung mit dem Kontext zu integrieren, müssen die verschiedenen Informationen im Gedächtnis gehalten und manipuliert werden. Die Korrelation gibt jedoch keine kausale Richtung an. Eine alternative Erklärung ist, dass besseres Geschichtenverständnis die Enkodierung von Detailinformationen (wie die Namen der genannten Personen) erleichtert (Ericsson & Kintsch, 1995). Die ebenfalls beobachtete Korrelation zwischen dem Gedächtnismass und der Angemessenheit der Pointenproduktion ist nicht so offensichtlich. Während der Produktion der Bilder geschichte lag der Cartoon vor, so- 20 dass die unmittelbaren Gedächtnis anforderungen minimal waren. Dieses Ergebnis lässt eher darauf schliessen, dass alle drei Aufgaben eine gemeinsame Exekutivfunktions-Komponente beinhalteten, die zu den hohen Korrelationen beitrug. Fazit und Ausblick Obwohl diese Studie eine unselektierte Gruppe von Patienten untersuchte, deren medizinischen, neuropsychologischen und neurolinguistischen Profile nur sehr rudimentär bekannt waren, wurde ein pragmatisches Defizit – zumindest auf Gruppenebene – bestätigt. Weitere Forschung mit grösseren Fallzahlen sowie einer differenzierteren Zuordnung zu Läsions- und Ätiologiegruppen ist nötig, um die jeweiligen Beiträge von ToM, Gedächtnis und Kohärenzbildung genauer zu beschreiben. Auch eine differenziertere Einzelfallbetrachtung wäre wünschens wert. Aus den vorliegenden Daten lassen sich noch keine diagnostischen Instrumente ableiten. Für die therapeutische Praxis bestätigt die vorliegende Studie einmal mehr die Notwendigkeit, nicht-aphasische Kommunikationsstörungen zu berücksichtigen. Im Idealfall sollte die neuropsychologische und sprachtherapeutische Diagnostik eine theoretisch begründete Erfassung pragmatischer Leistungen beinhalten (Angeleri et al., 2008). Dabei ist besonders wichAphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 tig zu versuchen, kognitive und sozialinteraktive Defizite abzugrenzen, um sie dann in der Therapie gezielt be handelt zu können. Unabhängig von der jeweiligen Diagnose hilft das Einbeziehen von witzigen oder ironi- ORIGINALBEITRAG – ARTICLE schen Materialien (z. B. Volkmann, Siebörger & Ferstl, 2008), die Therapie alltagsrelevant und interessant zu gestalten, und damit die Motivation zu erhöhen. Literatur Angeleri, R., Bosco, F. M., Zettin, M., Sacco, K., Colle, L., & Bara, B. G. (2008). Communicative impairment in traumatic brain injury: a complete pragmatic assessment. Brain and Language, 107, 229 – 245. Beeman, M. (1993). Semantic processing in the right hemisphere may contribute to drawing inferences from discourse. 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Gender differences in the processing of irony: Evidence from eye movements. Unveröffentlichte Bachelor’s-Arbeit. University of Sussex, Brighton, UK. Volkmann, B., Siebörger, F. Th., & Ferstl, E.C. (2008). Spass beiseite? Materialien zur neurologischen Rehabilitation. Hofheim, D: NAT-Verlag. Autorin: Korrespondenzadresse: Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 Evelyn C. Ferstl School of Psychology University of Sussex Falmer, Brighton BN1 9QH United Kingdom Evelyn C. Ferstl Tel. 0044-1273-876679 E-Mail: [email protected] 23 24 Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 FoRUM La logopédie pour les résidents d’EMS1 avec troubles de la communication: un luxe ou une nécessité ? Mélanie Mudry, 2010 Article issu du travail de mémoire pour l’obtention du diplôme d’orthophonie-logopédie de l’Université de Neuchâtel (sous la direction de Mme Laganaro Marina, juin 2009) Résumé Dans nos sociétés, l’espérance de vie est en augmentation constante, et la représentation démographique des personnes âgées n’a jamais été aussi élevée dans la population suisse et mondiale. Or, l’âge est le facteur de risque principal des maladies neurodégénératives [1], et les atteintes cérébrales focales ont une prévalence grandissante avec l’âge, ces deux pathologies étant susceptibles d’entraver les possibilités de communication des personnes atteintes. Actuellement, la fréquence des démences et suspicions de démence dans les EMS suisses approcherait 40% [2], et, selon Aphasie Suisse [3], 10’000 à 12’000 personnes aphasiques vivaient dans ces établissements en 2000. Ces constats nous ont amené à nous demander si les soignants des EMS pour personnes âgées avaient la possibilité ou l’habitude de collaborer avec les spécialistes du langage et de la communication que sont les logopédistes et, si cela ne devait pas être le cas, d’en explorer les raisons éventuelles. Pour ce faire, nous nous sommes rendus au sein de quatre EMS valaisans afin d’y interroger le personnel soignant à ce sujet. Comme nous le verrons, la collaboration entre ces milieux et les logopédistes est loin d’être une pratique unanime, et les résultats de l’enquête permettent de mettre en évidence plusieurs pistes explicatives. Mais avant la présentation de l’étude, nous rapportons dans cet article un certain nombre de données théoriques concernant la nature des troubles du langage chez la personne âgée, qu’ils soient progressifs dans le cadre des démences ou non dans le cadre d’aphasies dites acquises. Cette partie est suivie d’une revue de la littérature concernant l’efficacité de différents types de prises en charge et d’interventions logopédiques auprès de la population gériatrique souffrant de tels troubles. 1 Etablissement Médico-Social Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 25 FORUM 1. Nature des troubles du langage dans la démence et l’aphasie du sujet âgé Les deux principales maladies neurodégénératives causant des troubles progressifs du langage sont la maladie d’Alzheimer et la dégénérescence lobaire fronto-temporale [4]. 1.1. Chez les personnes atteintes de la maladie d'Alzheimer La maladie d’Alzheimer (MA) est le type de démence le plus courant, représentant 50% à 75% des démences chez les personnes âgées (Welsh- Bohmer & Warren, 2006, cités par [5]). Dans le manuel DSM-IV (1994, cités par [6]), la MA est décrite comme une altération progressive de la mémoire associée à au moins une autre atteinte cognitive, comme une aphasie. Elle se décline sous la forme d'une profonde amnésie antérograde due à une atteinte bilatérale médiale temporale (Salmon et al., 2002, cités par [5]). La présentation clinique des troubles du langage dans la MA est bien documentée. Ils peuvent être présents dans 8 à 15% des cas au stade précoce de la maladie et deviennent la règle au cours de celle-ci (Emery, 1996, cité par [7]). Les aspects phonologiques et syntaxi ques sont généralement bien préservés chez ces personnes (Kertesz, 26 1994, cité par [8]), les troubles langagiers étant principalement de type lexical et surtout sémantique. En effet, au cours de la maladie, la mémoire sémantique se déstructure causant un déficit de compréhension [9]. On observe également un manque du mot, se traduisant généralement par la substitution par un mot inadéquat [10] ou un terme générique (Ripich & Terrell, 1988, cités par [7]). La fluidité verbale est altérée, que ce soit par une réduction, et dans ce cas l’évolution se fait souvent vers un agrammatisme, ou par une logorrhée [11]. Aussi, en évoluant, le discours s’appauvrit, avec un manque de cohérence, une tangeantialité et des persévérations [12]. Les patients présentent des tours de parole courts, des erreurs de référents (Ripich et al., 1988, cités par [7]), ils introduisent moins de thèmes (Mentis et al., 1995, cités par [7]) et les changent plus fréquemment et de façon inattendue (Garcia & Joanette, 1997, cités par [7]). Le langage écrit est spécifiquement altéré, et souvent plus précocement que le langage oral [13]. Les difficultés de compréhension écrite font d’ailleurs partie des premiers signes rapportés par les patients ou leurs proches (Mathias, 1996, cité par [7]). Le plus souvent, l'altération de l'écriture s'apparente à une agraphie de surface (Croisile, 1999, cité par [8]). Les phrases produites par écrit sont peu complexes sur le plan syntaxique; aussi, les textes sont plus courts et conAphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 tiennent moins d'informations importantes que chez les sujets normaux (Croisile et al., 1996, cité par [8]). Souvent, les patients MA communiquent moins bien que ne laissent supposer leurs capacités verbales. Ils ont des difficultés à sélectionner l’information pertinente, sont peu sensibles aux feedbacks de l’interlocuteur et utilisent très peu de stratégies compensatoires [14]. 1.2. Chez les personnes atteintes de dégénérescence lobaire fronto-temporale Il n’existe pour l’instant pas de classification unanime concernant les attein tes progressives que nous allons présenter maintenant (Josephs et al., 2006a, cités par [4]). La plus répandue est celle proposée par Neary et al. (1998, cités par [4]) qui regroupe sous le nom de dégénérescence lobaire fronto-temporale (DLFT) trois différents tableaux: la démence frontotemporale (DFT), la démence sémantique (DS) et l’aphasie progressive primaire (APP). A. Démence fronto-temporale C’est la présentation clinique de la DLFT la plus fréquente. Elle survient dans le cadre d’une atteinte bi- ou unilatérale (généralement à droite) du lobe frontal [5]. Les sujets présentent, en début de maladie, surtout des troubles au niveau du comportement perAphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 FORUM sonnel et social, avec une fréquente désinhibition sur le plan langagier (McKhann et al., 2001, cités par [4]). Bien que de graves troubles du langage soient rares dans cette démence, on observe généralement une production verbale réduite, une initiation pauvre [5] et une fluence verbale altérée (Henry, Crawford, & Philips, 2004, cités par [8]). De plus, la perte des connaissances sémantiques est très fréquente (Golfier et al, 2000, cités par [15]). B. Démence sémantique De manière générale, les DS et APP sont caractérisées par des troubles du langage, en expression et en compréhension, plus sévères que la MA et la DFT [5]. Cette démence survient entre 50 et 70 ans [15] et est liée à une atrophie bi- ou unilatérale (généralement hémisphérique gauche) de la partie inférolatérale du lobe temporal antérieur [5]. Elle se présente sous la forme d'un trouble progressif de la mémoire sémantique, causant une détérioration des connaissances verbales et nonverbales, jusqu'à leur perte [15]. Une anomie sévère et un déficit de la compréhension des mots à l'oral et à l'écrit sont observés, ainsi que des difficultés pour les tâches nécessitant des connaissances conceptuelles, telles que la dénomination d'images et sur définition, la fluence catégorielle, l'appariement mot-image, la définition 27 FORUM de concepts (Hodges, Patterson, Oxbury, & Funnell, 1992, cités par [16]). Ces troubles sont accompagnés d'une réduction des connaissances générales, un déficit de reconnaissance visuelle, une dyslexie-dysorthographie de surface, un déficit de la mémoire portant sur les souvenirs anciens et l'apparition de troubles du comportement [17]. Toutefois, le langage est fluent et on note une préservation de la syntaxe, de la phonologie, de la mémoire de travail, du raisonnement non-verbal et des capacités visuo-spatiales (Hodges & Patterson, 1996, cités par [16], [18]). C. Aphasie progressive primaire L'APP débute généralement entre 45 et 70 ans et évolue en moyenne sur une période de 8 ans. Cette aphasie dégénérative est liée à une atrophie focale progressive des régions périsylviennes gauches. Son diagnostic peut être établi à l’aide des sept critères suivants, établis par Mesulam [19]: 1. Apparition insidieuse d'une détérioration isolée et progressive du langage, caractérisée par une anomie et/ou un trouble de la compréhension lexicale. 2. Préservation des activités de la vie quotidienne. 3. Normalité des fonctions langagières pré-morbides. 4. Absence d'oubli des événements récents, de troubles des processus visuels et du comportement lors des deux premières années de la 28 maladie. Selon McNeil et Duffy [20], la durée de l'aphasie « pure » peut varier entre 1 et 15 ans. 5. Présence éventuelle d'une acalculie et d’une apraxie idéomotrice. 6. Prédominance des troubles du langage durant l'évolution. 7. Exclusion de causes spécifiques. L’auteur décrit un premier stade, anomique, commun à toutes les APP. Puis, l’aphasie peut évoluer en diverses formes. Un premier type est l'APP non-fluente anomique pure, caractérisée par un manque du mot isolé. Une deuxième catégorie est l'APP non- fluente avec agrammatisme, où sont observés un débit ralenti, une perte de la prosodie, un manque du mot, une articulation laborieuse et une altération de la répétition. La dernière forme est l'APP fluente, où l'on relève un manque du mot, des troubles de la compréhension et de la décision lexicale, une dyslexie-dysorthographie de surface. Selon certains auteurs, notamment Jokel, Rochon, et Leonard [21], la démence sémantique représente l'équivalent de cette dernière catégorie. Cependant, Mesulam (2001) affirme que la reconnaissance visuelle est perturbée dans la DS, alors qu'elle ne l'est pas dans l'APP fluente. D’ailleurs, alors que les personnes atteintes de démence sémantique sont généralement institutionnalisées 3-4 ans après le début de la maladie, celles atteintes d’APP non-fluente le sont 7-8 ans Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 a près le début (Hodges, 2003, cités par [4]). En fin d'évolution, la symptomatologie de l’APP s'apparente à une aphasie globale pouvant s'associer à une altération intellectuelle globale. 1.3. Chez les personnes aphasiques âgées Les troubles cardiovasculaires, dont les atteintes cérébrovasculaires, font partie des maladies dominantes chez les 65-79 ans, notamment en raison de l’augmentation de la pression artérielle, facteur constituant un important risque d’AVC ischémique ou hémorragique. Or, il a été montré dans une étude à grande échelle [22] que les patients âgés de 80 ans et plus présentent plus fréquemment des troubles du langage après leur premier AVC que les moins de 80 ans, 40.1% des premiers devenant aphasiques, versus 29.4% pour les seconds. Toutefois, la sémiologie linguistique des patients aphasiques âgés reste à préciser. Des recherches récentes (Engelter et al., 2006, cités par [23]) ne retrouvent pas de différences entre les sujets jeunes et âgés concernant le type d’aphasie (fluente vs. non fluente). Par contre, on sait que l’aphasie chez le sujet âgé s’associe souvent à d’autres symptômes ayant un impact sur le langage, tels que la fatigabilité, des troubles mnésiques, attentionnels, ou exécutifs. Aussi, l’évolution Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 FORUM vers un syndrome démentiel est plus fréquente chez cette population [23]. 2. Efficacité de l'intervention logopédique pour les troubles du langage du sujet âgé Il n’existe pour le moment pas de r ecommandation prouvée concernant le déroulement du traitement logopédique pour personnes atteintes de troubles progressifs du langage [4], mais, comme nous allons le voir, plu sieurs pistes de prise en charge ont déjà été explorées. 2.1. Auprès des personnes atteintes de démence: généralités Comme le souligne Ylieff [24], effectuer uniquement des bilans langagiers chez les personnes démentes n'est pas suffisant: « la tâche du clinicien ne se réduit pas à comprendre le fonctionnement et les causes d'une conduite déficitaire ou d'un système altéré mais consiste surtout à tenter de la modifier ou de le restructurer » (p. 302). Or, selon cet auteur, les appro ches en milieu gériatrique « se différencient des démarches rééducatives développées en neuropsychologie » (p. 301). L’objectif selon lui n’est pas que le patient récupère des fonctions perdues, mais plutôt qu’on lui donne 29 FORUM la possibilité d’actualiser ses capacités préservées grâce à un travail avec l’entourage et les soignants, afin de favoriser le maintien des acquis après la fin du traitement [12]. 2.2. Auprès des personnes atteintes de la maladie d'Alzheimer Les interventions de type logopédique destinées aux patients atteints de la MA englobent les stimulations et interven tions cognitives, l’utilisation de moyens alternatifs de communication et les interventions de type écosystémique. A. Stimulations et interventions cognitives Plusieurs méthodes de stimulation, telles que la Validation (Feil, 1994, 1997 cité par [25]), le Snoezelen (Chung et al, 2002, cités par [26]), la thérapie par Réminiscence (Thornton & Brotchie, 1987, cités par [7]), ou la stimulation cognitive [26] ont été proposées aux personnes souffrant de la MA, dans le but notamment de réta blir la communication. Cependant, l’efficacité de ces méthodes n’a pas été prouvée ([11], Clare et al., 2003, cités par [26]). Selon Juillerat et al. [7], de plus en plus d’études, bien qu’elles restent rares [6], prouvent toutefois une certaine efficacité de l’intervention sur le fonctionnement cognitif et notamment mnésique des patients MA. En 30 effet, l'apprentissage implicite, c'està-dire l'acquisition accidentelle de connaissances ou savoir-faire, est préservé dans la MA (Seger, 1998, cité par [27]). Selon Van der Linden (2003, cité par [28]), cette prise en charge peut prendre une ou plusieurs des trois directions suivantes: 1) Facilitation du fonctionnement cognitif, en favorisant par exemple un codage multimodal de l'information ou l'utilisation de procédés mnémotechniques. 2) Réapprentissage de connaissances, en utilisant notamment: a. La récupération espacée, qui consiste à augmenter progressivement les intervalles entre la présentation des informations et leur rappel. Celleci a été utilisée efficacement chez des patients MA afin d’améliorer leurs performances en dénomination (Moffat, 1989, Abrahams & Camp, 1993, Jacquemin et al., 1993, cités par [28]) et pour l’apprentissage d’associations noms – visages (Camp, 1989, Vanhalle, Van der Linden, Belleville, & Gilbert, Bjork, 1988, cités par [28]. b. La technique d’estompage, dans laquelle les indices fournis au patient concernant les informations à récupérer sont progressivement estompés, jusqu’à ce que les réponses correctes soient produites sans indice. Cette méthode s’est montrée efficace pour l’apprentissage d’associations noms – Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 visages et noms – professions (Fontaine, 1995, cité par [28]). c. L’apprentissage sans erreur (Baddeley & Wilson, 1994, cités par [28]) consiste à limiter la possibilité de commettre des erreurs en exposant de façon répétée le patient à la réponse correcte. Selon Adam, cette technique est intéressante pour les personnes MA, qui, en raison des troubles de la mémoire épisodique, ont des difficultés à apprendre de leurs erreurs et ont généralement tendance à persévérer. Elle a d’ailleurs été utilisée avec succès pour l’apprentissage d’associations noms – visages (Clare et al., 2000, cités par [28]) et permet un certain maintien des acquis à long terme. Cependant, Clare et al. (2003, cités par [26]) ont montré que les approches cognitives ayant pour but un réapprentissage n’ont montré des résultats positifs que pour un nombre très limité de patients. Ainsi, afin de faciliter la généralisation des apprentissages, Stokes et Baer (1977, cités par [12]) recommandent d’introduire dans le traitement des situations et stimuli naturels s’ancrant directement dans la vie quotidienne du patient. 3) Utilisation d'aides externes. Alors que l'entraînement cognitif apporte plus de bénéfices pour les patients orientés, donc à des stades précoces de la MA, il semblerait que les aides externes, telles que des carnets de Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 FORUM communication / mémoire, soient plus efficaces pour les patients sévèrement atteints [29,30,31]. De manière générale, les principes et le type de moyens alternatifs et augmentatifs de communication (MAAC) utilisés dans la MA ne diffèrent pas fondamentalement de ceux mis en place chez d’autres patients cérébro-lésés. Toute fois, étant donné l’aspect évolutif de la maladie, ces supports doivent être simplifiés, afin que l’apprentissage ne soit pas trop important et qu’ils soient rapidement opérationnels. Aussi, les informations distractives, ainsi que les situations de double-tâche doivent être évitées [28]. B. Intervention écosystémique Allant dans le même sens que McPherson et al., Rousseau [32,33] explique qu'à partir d'un certain stade d'évolution de la MA, une intervention cognitive devient difficile, souvent inutile voire contre-indiquée et risque inutilement de mettre la personne en situation d'échec. A ce moment, il recommande une prise en charge écosystémique, caractérisée par la mise en place d’une intervention cogni tivo-comportementale (auprès du patient dans son milieu de vie, où sont utilisées des situations qui lui permettent d'utiliser des actes de langage qu'il maîtrise encore) et d’une intervention s’effectuant auprès de l'entourage de la personne (en leur livrant les informations recueillies grâce 31 FORUM à une grille d'évaluation de la communi cation et en leur montrant comment modifier leur comportement). Cette thérapie permet un ralentissement de la dégradation des capacités de communication et évite que l'entourage renonce trop tôt à communiquer avec le patient, afin de ne pas l’exclure des relations sociales. 2.3. Auprès des personnes atteintes d'une démence sémantique Plusieurs études ont eu pour objet l’impact des interventions cognitives chez les patients DS, notamment sur leurs capacités d’accès lexical [16, 21, 34, 35]. Ces traitements semblent montrer une certaine efficacité, mais le maintien des performances, lorsqu’il est présent, est de durée plutôt courte et la généralisation est souvent absente. Pour Snowden et Griffiths (2000, cités par [36]), le maintien des acquis est favorisé par l'utilisation d'items qui font sens pour le patient. La thérapie devrait donc avoir lieu dans l’environne ment des patients avec des objets de leur quotidien. 2.4. Auprès des personnes atteintes d'une aphasie progressive primaire Les fonctions cognitives non-langa gières des patients souffrant d’une APP peuvent être relativement pré- 32 servées durant des années. Ceux-ci nient rarement leurs déficits et recher chent souvent un diagnostic ainsi qu'une prise en charge (Duffy & Peterson, 1992, cités par [37]). Ils semblent ainsi être de bons candidats pour des traitements logo pédiques et pour des méthodes utilisées avec des patients aphasiques « traditionnels » [20]. Il a été proposé que l’intervention logopédique auprès des patients APP suive les axes suivants (Thompson, 1997, cité par [20]): 1) Evaluation précoce et répétée dans le temps de la parole, du langage et des fonctions cognitives ; 2) Traitement axé sur les fonctions altérées (notamment l’accès lexical) à ajuster au cours du déclin. Il semble rait en effet que les thérapies cogni tives puissent avoir un impact bénéfique sur les capacités langagières des patients APP (Schneider, Thompson, et Luring, 1996, cités par [37], [38], [39]). Toutefois, les études ont montré que la généralisation est limitée voire absente et le maintien n'est possible qu'avec un entraînement régulier. Ainsi, comme pour les autres formes de démences, il est nécessaire de proposer aux patients des stimuli qui leur soient hautement fonctionnels [4]; 3) Introduction précoce de MAAC, tels qu'un carnet de communication, les gestes, le dessin ou les moyens informatisés. Bien que les données sur Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 l’efficience et l’efficacité des MAAC auprès de ces personnes soient quasi inexistantes [20], ce type d’intervention promet de grands espoirs (Rogers et al., 1998, cités par [37]); 4) Implication de l’entourage pour qu'il prenne connaissance des stratégies efficaces et qu'il les utilise avec le patient ; 5) Prise de conscience des personnes impliquées que le traitement peut augmenter les capacités communicationnelles mais qu'il n’inverse pas la progression de la maladie. 2.5. Auprès des personnes aphasiques âgées Steele, Aftonomos et Munk [40] prouvent dans une étude à grande échelle que les patients aphasiques peuvent faire à tout âge des progrès significatifs grâce au traitement logopédique, et que la façon de les traiter en général peut être valable pour les personnes aphasiques âgées. Selon ces auteurs, l'âge en soi n'est donc pas un facteur prédisant de mauvais résultats thérapeutiques, mais ils admettent qu’il va de pair avec un léger déclin de la magnitude des progrès. En effet, la comorbidité, les troubles cognitifs et/ ou sensoriels, la situation familiale, l’absence de soignants, le manque de motivation etc. peuvent réduire les effets de la rééducation. Des ajustements concernant les outils, le matériel et les méthodes doivent donc être Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 FORUM opérés et, comme avec les patients souffrant d’atteintes dégénératives, un accent doit être mis sur le dialogue et la collaboration avec l’entourage afin éviter l’isolement de la personne [23]. 3. Problématique de l’étude Cette revue de la littérature nous a donc permis de relever plusieurs idées principales. Tout d’abord, le nombre de personnes âgées avec des pathologies susceptibles d'entraîner des troubles du langage dans les EMS est en augmentation constante. Aussi, on observe un nombre croissant de travaux décrivant la nature des troubles du langage chez la personne âgée, et, dans une moindre mesure, d’études prouvant l’efficacité de certaines interventions logopédiques auprès de cette population. Suite à de tels constants, nous nous sommes demandé si ces patients avaient la possibilité de bénéficier d’une intervention logopédique. Pour cela, nous avons entrepris une étude ayant pour but de dresser un état des lieux de la collaboration potentielle ou effective entre quatre établissements médico-sociaux (EMS) du Valais central et les logopédistes, collaboration que nous pressentions comme plutôt rare. Si cette hypothèse devait se confirmer, nous voulions en comprendre certaines raisons. N’existe-t-il pas de résidents ayant des difficultés d'expression, de compréhension et/ou de lecture, 33 FORUM selon les soignants de ces établissements? S’il en existe, ne représententils qu’un faible pourcentage ? Les connaissances des soignants sur les champs d’intervention des logopédistes sont-elles peut-être trop restreintes pour qu’ils pensent faire appel à ces professionnels ? Ou alors, le personnel soignant ne voit-il pas l’utilité de collaborer avec eux? Finalement, les infirmiers et aides-soignants sont-ils suffisamment formés à la problématique des troubles du langage chez les patients, de sorte que la collaboration avec des logopédistes n’est pas jugée indispensable ? 4. Résultats et discussion Cinq questions, dont nous allons maintenant vous présenter les résultats, ont été posées aux soignants (43 au total ont donné réponse) sous forme de questionnaires papiers: 4.1. « Y'a-t-il des logopédistes à qui le personnel de l’EMS peut faire appel en cas de besoin/ questions? » « Certains résidents ont-ils déjà été évalués et/ou pris en charge par un(e) logopédiste après leur entrée au home? » Plus de la moitié (60.4%) des soignants répondent qu’il n’existe pas de logopédistes à qui ils peuvent s’adresser, et 34 26.7% des soignants n’ont pas connaissance de résidents ayant été évalués et/ou pris en charge en logo pédie depuis leur entrée dans l’EMS. On relève une importante différence de collaboration potentielle entre les divers établissements, mais dans aucun d’entre eux les soignants n’estiment à l’unanimité qu’il existe un(e) logo pédiste à qui ils peuvent faire appel. La collaboration entre les soignants des quatre EMS valaisans et les logopédistes semble donc plutôt rare, ce qui va dans le sens de notre hypothèse de départ. Ces données s’accordent également avec l’enquête menée en 1997 auprès du personnel de tous les EMS suisses [3], de laquelle il était ressorti que seul un faible pourcentage de personnes aphasiques avait été évalué par un(e) logopédiste, que ces personnes restent souvent sans soutien dans ce domaine et que les soignants se sentent dépassés par ces troubles spécifiques. En outre, comme le relèvent Mahendra et Arkin [41], l’intervention des logopédistes auprès de personnes institutionnalisées concerne le plus souvent l'évaluation et le traitement des dysphagies, et non des aspects communicationnels. Nous avons ensuite cherché à saisir certains aspects pouvant expliquer une si faible collaboration, en question nant les soignants sur les sujets suivants: Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 4.2. « Est-ce qu'il y a au sein de l'institution des personnes qui ont des difficultés à s'exprimer / à comprendre ce qu'on leur dit / en lecture ? Si oui, à quel pourcentage? » La totalité des soignants interrogés répond qu’il existe des résidents connaissant des difficultés d'expression, de compréhension et/ou de lecture. Une très grande partie d’entre eux estime que ces difficultés concernent un pourcentage de résidents compris entre 25 et 75%. Ce sont les difficultés en lecture qui semblent les plus prévalentes, puisqu’elles concernent 50 à 75% des résidents selon plus de la moitié des soignants. Relevons toutefois que les troubles visuels, susceptibles d’expliquer en grande partie les difficultés en lecture, n’ont pas été écartés pour cette question. Ces résultats rejoignent de façon générale ceux de Brodie (1986, cités par [42]), qui ont montré dans une étude se déroulant au sein de homes anglais que plus de la moitié des résidents connaissaient des difficultés communi cationnelles. 4.3. « Qu'est-ce que, pour vous, un(e) logopédiste? » Concernant l’activité des logopédistes, la plupart des soignants évoque le versant de la prise en charge, mais moins Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 FORUM de 20% d’entre eux mentionnent le travail d’évaluation comme faisant partie de l’activité de ces spécialistes. Par rapport aux champs d’intervention des logopédistes, on remarque que l’expression orale est évoquée par la quasi-totalité des soignants (environ 90%), alors que l’expression écrite, la compréhension orale et écrite ainsi que les troubles touchant la sphère ORL sont chacun mentionnés par moins de 30% d’entre eux. Bien que d’importantes divergences entre les pourcentages de réponses des différents EMS soient observées, nous pouvons, sur la base de ces résul tats, en inférer que les connaissances des soignants sur la profession de logopédiste semblent, de façon générale, assez parcellaire, ce qui peut être une piste d’explication à la rareté de la collaboration. 4.4. « Comment trouvez/ trouveriez-vous le fait de collaborer avec des logopédistes? » La majorité des soignants (92,1%) estime que la collaboration avec un(e) logopédiste est / serait utile, voire nécessaire. Les raisons citées sont les suivantes: stimuler les ressources et capacités cognitives des résidents, empêcher leur isolement, permettre une meilleure communication entre soignants et pensionnaires, posséder de nouvelles méthodes et connais- 35 FORUM sances. Un sujet a ajouté que cette collaboration pourrait compenser le peu de temps dont disposent les soignants pour s’occuper de chacun des pensionnaires individuellement. Certains ont nuancé leurs réponses en précisant que la collaboration avec un(e) logopédiste serait surtout utile pour les patients aphasiques, ou pour les résidents motivés, ou encore qu’elle devrait se faire uniquement de façon ponctuelle, en cas de besoin. Selon un soignant, la logopédie est une profession méconnue par le personnel et dont il pense peu à recourir. Toutefois, 7,9% des soignants considèrent qu'une telle collaboration ne serait que peu utile, voire inutile. Les explications données concernaient notamment le coût vraisemblablement élevé de ce type d’intervention, et le fait qu’il est trop tard pour que les pensionnaires fassent des progrès. Quoi qu’il en soit, un pourcentage important de soignants estiment que la logopédie, quels que soient ses champs d’application, peut être utile auprès des personnes âgées, ce qui ne constitue donc pas une voie d’explication de la rareté de cette collaboration. 4.5. « Avez-vous été formé(e) aux difficultés de communication que peuvent connaître les patients?» La grande majorité des soignants affirme avoir été, même un peu, formée aux 36 difficultés de communication des patients. Il est tout de même frappant, voire inquiétant, d'observer que 17,1% d'entre eux admettent ne jamais avoir reçu une telle formation. Comme l’a observé Grainger dans une étude (1993, cité par [43]), on peut ainsi penser que les obstacles à la communication sont non seulement dus aux troubles cognitifs de la personne âgée, mais aussi à l’environnement dans lequel elle évolue, notamment celui des maisons de retraite. D’ailleurs, ceci explique la mise en place de programmes permettant au personnel d’institutions pour personnes âgées d’améliorer leurs compétences communicationnelles avec les résidents, tels que « FOCUSED » pour les soignants travaillant avec des patients Alzheimer (Ripich, 1994, cité par [12]) ou « Communicate » pour le personnel infirmier s’occupant de patients aphasiques [42]. 5. Conclusion et perspectives « Approcher du terme de sa vie, c'est toujours vivre » ([44] p.9). Cette citation nous rappelle combien il est important de considérer que les résidents, même âgés ou très âgés, restent des personnes à part entière, dans leurs dimensions biologiques, psychologiques et sociales. Leurs besoins fonda mentaux, tels que la possibilité de Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 communiquer, doivent être pris en compte, et ne peuvent être mis de côté par nos systèmes de santé. Or, les résultats de notre étude montrent que la collaboration entre les logopédistes et les milieux gériatriques est loin d’être la règle, malgré le besoin potentiel existant. Comment expliquer cela ? D’où viennent les réticences à ce manque de travail en commun ? Nous proposons ici plu sieurs pistes explicatives, non exclusives les unes des autres. Tout d’abord, il se peut que la réponse soit à chercher du côté des logopédistes eux-mêmes et de leur représentation de l’utilité d’un travail auprès des personnes âgées. D’ailleurs, une enquête canadienne relativement récente (Cleary, Donnelly, Elgan, & Hopper, 2003, cités par [27]) a montré que 44% des logopédistes ne pensent pas que des personnes atteintes de démences puissent bénéficier d'une intervention logopédique. Aussi, cette faible collaboration peut s’expliquer par le manque de connaissances, par les milieux médicaux notamment, du métier de logopédiste, en tant que spécialiste de la com munication, du langage, de la parole, de la voix et de la déglutition chez une population de tout âge. Ceci pourrait être une raison pour laquelle les médecins travaillant avec une popu lation gériatrique ne pensent pas nécessairement à recourir à ces spécialistes. Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 FORUM Il se peut également que l’état actuel des recherches, qui sont bien plus nombreuses à décrire la nature des troubles langagiers qu’à tenter de prouver l’efficacité des interventions portant sur ces troubles, ne permette pas une justification d’un tel travail auprès du monde médical et surtout assécurologique. Enfin et surtout, il nous semble que cette faible collaboration soit essen tiellement due à une problématique de financement. Comme le soulignent Höpflinger et Hugentobler ([2] p. 12), « le domaine de l’aide et des soins aux personnes âgées malades est traversé par les forces antagonistes de l’efficacité et de l’efficience économique ». En effet, les tarifs octroyés actuellement aux logopédistes indépendantes suisses qui travaillent avec une population adulte, ne peut que les décourager d’entreprendre des déplacements hors de leur cabinet, ce qui est bien entendu souvent nécessaire lors d’une intervention auprès d’un patient institutionnalisé. Plus actuel que jamais, ce thème donne lieu en ce moment à de nombreuses discussions au sein des professionnels. En espérant que des solutions prometteuses surgiront, nous ne pouvons pour le moment qu’encourager les cliniciens et chercheurs à poursuivre les études visant à prouver l’efficacité des interventions logo pédiques, notamment auprès de la population gériatrique. 37 FORUM 6. Références 1. Desgranges B., Faure S., & Eustache F. (2000). 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Auteure: 40 Mélanie Mudry Logopédiste Service de neuropsychologie-logopédie Clinique Valmont Route de Valmont 1823 Glion sur Montreux [email protected] Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 FORUM Kollaboration und Facework in familiären Alltagsgesprächen Aphasiebedingte Kommunikationsstrategien im Spannungsfeld von Verständigungs sicherung und Gesichtswahrung Doris Kym, Yvonne Karpf Zusammenfassung Die im Folgenden dargestellten Erkenntnisse basieren auf der Bachelorthese Aphasiemanagement im Alltagsgespräch im Studiengang Logopädie (HfH Zürich) von Doris Kym und Yvonne Karpf, mit wissenschaftlicher Begleitung durch Erika Hunziker, die sich mit der Evaluation und Förderung der kommunikativen Kompetenzen von aphasiebetroffenen Menschen und ihrem primären sozialen Umfeld befasst. Im Rahmen einer Einzelfallstudie werden die Kommunikationsstrategien Kollaboration und Facework aphasiebetroffener Personen in vertrauten Gesprächen beschrieben und deren Bedeutung für die alltagsorientierte Aphasietherapie diskutiert. Die Analyse aphasischer Gespräche in vertrautem, familiären Rahmen zeigt, dass interaktive Verständigungssicherung sowie gegenseitige Gesichtswahrung und Wertschätzung wichtige Voraussetzungen für eine auch sozial gelungene Kommunikation darstellen. Ausgeprägte Kollaboration exponiert zwar die aphasischen Einschränkungen, in gegenseitigem Einverständnis und respektvoll ausgeführt, sichert sie jedoch die Partizipation der Betroffenen. ICF-basierte Aphasietherapie kann insbesondere die Praktiken der Kollaboration und des Facework sowohl als Ziele für die Therapieplanung als auch als Evaluations kriterien nutzen. I. Einführung Gespräche sind grundlegende Ereignisse der sozialen Teilhabe. Vertraute Gespräche im Alltag dienen einerseits dem Austausch von Informationen, andererseits dem Ausdruck der gegenseitigen Wertschätzung und damit der Beziehungsgestaltung. Das heisst, Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 im alltäglichen familiären Gespräch wird nicht nur der Alltag geregelt, sondern es werden die familiären Rollen und Beziehungen geformt (Bauer & Auer 2009). Aphasiebetroffene sind eingeschränkt darin, Sprache informationsorientiert und beziehungsgestaltend zu verwen- 41 FORUM den. Dies beeinflusst ihre soziale Teilhabe an einer simplen Begrüssungsszene, am Gespräch mit der Nach barin, an familiären und kulturellen Anlässen und im Austausch mit den engeren Bezugspersonen. Von Aphasie Betroffene müssen – zusammen mit ihren häufigsten KommunikationspartnerInnen – Kompensationsstrategien entwickeln, die es ihnen erlauben, trotz Aphasie im Alltag erfolgreich und zufriedenstellend zu kommunizieren. Es sind dies hauptsächlich Strategien der gemeinsamen Verständigungssicherung und der gegenseitigen Gesichtswahrung (Facework). Im biopsychosozialen Modell der ICF bedeutet Rehabilitation die Adaptation einer Person an die durch eine Erkrankung veränderten Anforderungen des Alltagslebens. Alltagsorientierte Aphasietherapie orientiert sich an dieser Zielsetzung und setzt sich zur Aufgabe, die Kommunikationsstrategien der Betroffenen zu optimieren (vgl. dazu kommunikations- und alltagsorientierte Therapieansätze von Bongartz, 1998; Glindemann, Kilian & Ziegler, 2002; Coopmans, 2007; Grötzbach, 2008; Masoud, 2009). Dabei geht es nicht in erster Linie um das Wiedererlangen linguistisch korrekter Formen, sondern um gelingende Kommunikation. Die Bachelorthese «Aphasiemanagement im Alltagsgespräch» (Kym & 42 Karpf, 2010) untersucht in einer Einzelfallstudie, wie ein von Aphasie betroffenes Paar in seinen alltäglichen Kompensationsstrategien Kollaboration und Facework einsetzt. Die These lautet: Kollaboration und Facework sind wichtige Aspekte der kompensatorischen Strategien in aphasischen Gesprächen unter vertrauten Personen. Gesprächsteilnehmende beachten sie, wenn sie aphasiebedingte Kommunikationsprobleme lokal bearbeiten. Der Einsatz der beiden Strategien muss zudem im Gleichgewicht stehen, um partizipationsfördernd zu wirken (Bauer & Auer 2009). Zudem überprüfte unsere Arbeit die Repräsentation dieser Strategien im ICF- orientierten Dokumentationsinstrument TInA (siehe Hunziker & Kolon ko, 2009, Originalbeitrag in dieser Zeitschrift). Analysiert wurden Tischgespräche zwischen dem aphasiebetroffenen Herrn Z und seiner Lebenspartnerin Frau Z, in denen Erlebtes erzählt, informiert, diskutiert wird und Gefühle ausgetauscht werden. Die Analyse von Gesprächssequenzen, die ausführliche Phasen der Verständigungssicherung enthalten, ermöglicht es, den Einsatz von kompensatorischen Strategien detailliert zu beschreiben. Methodisch orientierten wir uns an der Konversationsanalyse. Diese geht davon aus, dass Gespräche die Wirklichkeit konstruieren und geordnet verlaufen. Jede Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 Äusserung bildet dabei den Kontext für die Nächstfolgende und darf nur aus deren Perspektive interpretiert werden (sequenzielles Vorgehen). Auftretende Probleme der Verständigung und der sozialen Organisation werden an Ort und Stelle bearbeitet (Reparaturen, vgl. Bergmann, 1991; Flick, 2007). Die Konversationsanalyse arbeitet Strukturen und Merkmale (wiederkehrende Muster und Praktiken) dieser sprachlichen Interaktion heraus. Hierfür werden natürliche Gespräche aufgezeichnet und (ausschnittweise) trans kribiert. Die Analyse macht die angewendeten Praktiken sichtbar und zeigt auf, dass die Beteiligten deren erfolgreichen Einsatz laufend bewerten. FORUM aphasischen Gesprächen weiterentwickelt und die psychosoziale Dimension miteinbezogen. In ihrem Forschungsprojekt haben sie untersucht, welche kommunikativen Strategien die Beteiligten entwickeln und anwenden, um aphasiebedingte Probleme im familiären Gespräch zu lösen. Sie bezeichnen Kollaboration und Facework als zwei zentrale Merkmale aphasischer Alltagsgespräche. Auf diese beiden Aspekte konzentrierte sich auch unsere Arbeit. In der Aphasietherapie bietet die Konversationsanalyse die Möglichkeit, dass aphasische Gespräche als kooperativ gestaltete Interaktionen, für die alle Teilnehmenden Verantwortung tragen, gesehen und an ihrem Kommunikationserfolg (statt an linguistischer Korrektheit) gemessen werden. Sie wird in der Diagnostik eingesetzt, um herauszuarbeiten, wie sich die individuelle Kommunikationsbehinderung auswirkt und welche Strategien die GesprächspartnerInnen einsetzen, um die gegenseitige Verständigung zu organisieren (vgl. Bauer und Kaiser, 1997; Bongartz, 1998; Becker, 2001). Kollaboration ist eine kooperative Form der Verständigungssicherung, bei der die sprachgesunden Gesprächspartner Innen den aphasischen TeilnehmerInnen ihre sprachlichen Kompetenzen zur Verfügung stellen. Sie ist ein auf Verständigung ausgerichtetes Problem lösungsmodell, das die gemeinsame Verantwortung für das Gelingen des Gesprächs beinhaltet: Bedeutung wird gemeinsam hergestellt. Das kollaborative Prinzip zielt zunächst auf Verständigung (kommunikative Effizienz) und ist in der Regel dann erfolgreich, wenn die Problemquelle lokalisiert und ein projektionsstarker Kontext für Hypothesen besteht oder aufgebaut werden kann. Dies ermöglicht es den sprach gesunden GesprächspartnerInnen zu ergänzen, zu korrigieren, zu raten (hintand-guess) und gezielt nachzufragen. Bauer und Auer (2009) haben den konversationsanalytischen Zugang zu Mit Facework bezeichnet Goffmann (1976, siehe auch Bauer & Auer Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 43 FORUM 2009:11ff) Gesprächspraktiken, die die Gesprächsteilnehmenden verwenden, um sich permanent ihrer gegenseitigen Achtung und Anerkennung als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu versichern. Facework wird – oft abseits der Aufmerksamkeit – in Gesprächen stets mitverhandelt. In Bezug auf Aphasie hat Gesichtsbedrohung zwei Dimensionen: Einerseits können Aphasiebetroffene ihr eigenes und das Gesicht der GesprächspartnerInnen schlechter schützen, da sie Sprache weniger differenziert einsetzen können. Andererseits bedeuten alle sprachlichen Fehlleistungen eine Gesichts bedrohung bzw. Stigmatisierung. II. Ergebnisse Aphasiemanagement in vertrauten Gesprächen bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der Optimierung des Informationsaustauschs und der Exponierung der sprachlichen Defizite der AphasikerInnen. Es fragt sich, wie die beiden Gegenpole kollaborative Unterstützung und Gesichtswahrung auf dem Kontinuum des Aphasie managements ausgewogen werden können. Laut Bauer und Auer (2009) lässt sich in aphasischen Gesprächen zeigen, dass sprachgesunde Teilnehmende diesem Anspruch nachkommen, indem sie Initiative und Steuerung der Reparaturen den aphasischen SprecherInnen überlassen. Die apha- 44 sische Person lädt die sprachgesunde Teilnehmende dazu ein, sich an der interaktionsorganisatorischen und inhaltlichen Steuerung des aphasischen Gesprächsbeitrags zu beteiligen. Diese muss das Rederecht und gleich zeitig die zugewiesene Aufgabe übernehmen, andernfalls kommt es zu einem Themenwechsel statt zur Verständigungssicherung. Gelingende Gespräche entsprechen also einem Balanceakt, in dem gemeinsame Verständigung durch Kollaboration und Gesichtswahrung in ein Gleichgewicht gebracht werden müssen. Die Ergebnisse der Bachelorthese bestätigen diese These. Werden die individuellen Praktiken von Herrn und Frau Z in ihrem Zusammenspiel während der Interaktion betrachtet, so lässt sich die Frage danach, wie das Paar die Strategien Kollaboration und Facework im paarspezifischen Gespräch einsetzt, differenziert beantworten. Herr und Frau Z pflegen einen expliziten Umgang mit lokal auftretenden aphasiebedingten Kommunikationsproblemen. Der folgende kurze Ausschnitt aus einer analysierten Gesprächssequenz gibt Einblick in ihre Praktiken: Herr Z schaltet die Videokamera ein, setzt sich zu Frau Z an den Mittagstisch und erzählt ihr von einer seiner Tätigkeiten des vergangenen Morgens, den sie getrennt verbracht haben. Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 FORUM Transkript eines Dialogs zwischen Herr und Frau Z 01 HZ höt am Morge han i dings gmacht (-) blickt zu FZ, unterbricht die Bewegung Hand - Mund FZ Initiierung einer Erzählung: unspezifische Proform lässt offen, womit er sich beschäftigt hat blickt auf Teller, führt eine Gabel Spaghetti zum Mund 02 HZ sääh blickt auf eigenen Teller, dreht Spaghetti auf die Gabel (3.0) Reparaturinitiierung für ‹dings›; Wortsuchpause 03 HZ Kamera (--) isch ned gánge. behält den Blick auf seinem Teller und bereitet mit Messer u. Gabel die nächste Essportion vor neue Äusserung, deren Beziehung zur problematischen Initiierungsäusserung unklar ist. Reparatur für ‹dings›? FZ blickt zu HZ und isst weiter r eagiert mit erhöhter Aufmerksamkeit auf die Unklarheit 04 FZ weli Kamera? hält den Blickkontakt zu HZ aufrecht und hält mit dem Essen inne Initiiert Reparatur (Verstehenssicherung) ungeteilte Aufmerksamkeit 05 HZ (1.5) Rasemaier (blickt zu FZ) Reparatur von Kamera 06 FZ s cheint noch nicht zu verstehen, denn sie ratifiziert den Reparaturversuch HZs nicht, sondern wartet 07 HZ de=ä Rásemaier (-) isch nümm gange. blickt FZ an 08 FZ 09 HZ d Ka (-) d Kamera isch kapott gsi. blickt auf seinen Teller, belädt die nächste Gabel 10 FZ (6.0) blickt weiter zu HZ, verlangsamt Kaubewegungen hm’m richtet Oberkörper und Kopf ruckartig auf behält weiterhin den Blickkontakt zu HZ d Kamera vom Rásemaier, das verstahn i jetz ned; Hand mit leerer Gabel sinkt zum Tellerrand, streckt Kopf leicht nach vorne 11 HZ s Ka (-) Kabel, s Kabel blickt zu FZ 12 FZ ah, s Kábel (--) mh hält mit der Bewegung inne führt seinen Reparaturversuch aus s ignalisiert jetzt Verstehen und Interesse r eformuliert seine Äusserung von 03 zeigt Interesse, gibt sich noch nicht zufrieden initiiert nächste Reparatur weiter hohe Aufmerksamkeit 2. Reparatur von ‹Kamera› ratifiziert die Reparatur zeigt weiter Interesse (Fortsetzung siehe S. 47) Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 45 FORUM Gesprächsbeiträge des Aphasiebetrof fenen werden – wie das oben auf geführte Beispiel zeigt – in mehreren Reparaturschlaufen gemeinsam offen bearbeitet (04: weli Kamera; 08: d Kamera vom Rásemaier, das verstahn i jetz ned). Die Reparaturinitia tive geht dabei sowohl von HZ (Z 02, 03) als auch von Frau Z aus. Sie sichert ihr Verstehen (Z 04, 10). Die interaktiven Reparatursequenzen sind gekennzeichnet davon, dass sie viel Raum und Zeit beanspruchen und HZ die Zeit, die er benötigt, von FZ auch zugesprochen bekommt (Z 02, 05 und 06: Pausen, in denen Herr Z die Sprechrolle behält). Darüber hinaus kooperieren Herr und Frau Z aufs Engste: Die lokale Verständigung wird durch die Rückfragen Frau Zs fort laufend gesichert. Diese Rückfragen demonstrieren Frau Zs Verstehen bzw. Nichtverstehen, indem sie die für sie problematischen Äusserungen/ Äusserungsteile möglichst genau lokalisiert (Z 04, 10). So kann Herr Z versuchen, seine Reparaturbemühungen am Wissensstand von Frau Z auszurichten. In anderen Daten zeigt sich ebenfalls, dass Herr und Frau Z eng zusammen arbeiten. Sie bauen die aphasischen Aussagen Schritt für Schritt auf, lokalisieren Problemquellen explizit, ergänzen fehlende Wörter, setzen vage Äusserungsteile in referenzstarken 46 Kontext oder erläutern sie anhand von Beispielen und Konkretisierungen. Ein Thema wird dann beendet, wenn die Verständigung hergestellt ist (12). Der aphasische Gesprächspartner Herr Z setzt seine Hauptstrategien – geordneter Aufbau seiner Aussage in mehreren selbstinitiierten Reparaturschlaufen und Einladung zur Lexikalisierungshilfe – in den analysierten Sequenzen gewohnheitsmässig ein. Seine Frau, die sprachgesunde Gesprächspartnerin, variiert zwischen rein assistierenden und gesprächssteuernden Praktiken, je nachdem, wie sie den Stand der lokalen Verständigung einschätzt. Handelt es sich um ein reines Lexikalisierungsproblem, dessen Kontext sie (noch) nicht kennt, übernimmt sie auf Einladung hin eine assistierende Rolle. Sieht sie die Verständigung lokal stark gefährdet, dann übernimmt sie zwischendurch kurzzeitig die Steuerung des Gesprächs mit eigenen Beiträgen oder Fragen. Dabei stützt sie sich zuweilen auf (angenommenes) gemeinsames Wissen. Dass dieses Vorgehen problematisch sein und zu lokalen Konflikten führen kann, in denen Herr Z seine Position als Wissender und Verantwortlicher verteidigt, zeigt die folgende Sequenz. Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 FORUM Transkript eines Dialogs zwischen Herr und Frau Z hesch drígschnitte? (5.0) blickt auf den eigenen Teller und zerschneidet das Essen 13 FZ 14 HZ s Ka – mere nimmt Blickkontakt mit FZ auf, hält mit dem Schneiden inne 15 FZ 16 HZ vormene (-) vorme Wuche ischs nümme gange; behält die Ruhestellung bei 17 FZ vom Rásemaier dreht Spaghetti auf die Gabel konkrete Fragestellung von FZ übergeht die Frage und führt sein Thema fort FZ ‹kürzt ab› in dem sie zeigt, dass sie verstanden hat: das Kabel vom Rasenmäher klärt zeitlichen Kontext Hesch es gflickt (-) dreht Spaghetti auf die Gabel jä das weiss i blickt HZ an ringt unaufgefordert b scheinbar gemeinsames Wissen ein ond jetz? 1.1.1.1 dreht weiter Spaghetti auf die Gabel konkrete Frage zum Vorwärtskommen im Gespräch 18 HZ hed ned (-) hed ned dengs gha hält mit dem Essen inne 19 FZ 20 HZ nei (--) nüt hält Blickkontakt zu FZ aufrecht hält in der Bewegung inne, Kopfschütteln 21 FZ 22 HZ ja (-) dasch ned gange; hält das Besteck ruhig im Teller 23 FZ 24 HZ isch gar ned gange (energisch) (0.5) nei nei (-) aber du heschs gflickt; hält die Gabel ohne Bewegung im Teller Vor ere Wuche hesch du doch det usse de Stecker ääh (-) a dem Stecker umeknuppet wendet kurz den Blick Richtung Steckdose, belädt die Gabel fertig jetz au weder ned blickt auf den eigenen Teller, führt Gabel vor den Mund beugt Oberkörper nach vorne mh, nimmt Blickkontakt auf und isst weiter 25 FZ 26 HZ :s anders Dings gno;(-)äh (-) Kabel; (0.7) 27 FZ 28 HZ zämegmacht bes alls het belädt die Gabel mh wendet Blick ihrem Teller zu, schiebt mit Messer das Essen auf die Gabel Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 v ersucht auf den unterschiedlichen Wissensstand (Kabel geflickt – nicht geflickt) hinzuweisen beharrt auf ihrem Wissen widerspricht, verteidigt als primär Zuständiger seinen Wissensstand mit zusätzlicher Gestik icherung des S angenommenen Wissens gestische Unterstützung estätigung der Beobachtung, B dass die Reparatur erfolglos war fragt nach, um ihren Wissensstand zu aktualisieren ält die Sprecherrolle und h klärt seine Frau auf gestische Unterstützung Bestätigung HZ fährt fort kurze Bestätigung Abschluss 47 FORUM Mit der konkreten Fragestellung (13) übernimmt Frau Z unaufgefordert die Gesprächsführung und möchte vermutlich das Gespräch beschleunigen. Herr Z will nach wie vor verantwortlich für das Gespräch bleiben, geht nicht auf diese Frage ein, sondern will seine Erklärung betreffend des defekten Kabels zu Ende führen (14, 16). Frau Z assistiert nicht, sondern umgeht eine weitere langwierige Reparaturschlaufe (s’Kamera statt s’Kabel 14) mit Hilfe von vorgängig gemeinsam aufgebautem Wissen (Rasemaier) und treibt so das Gespräch voran (15). Nach der kurzen Klärung des zeitlichen Kontextes (16) wendet FZ nochmals die Strategie des angenommenen gemeinsamen Wissens an (17, 19) an – nur diesmal ist dieses Wissen nicht deckend. Dies führt HZ in die sehr schwierige Situation, etwas inhaltlich klären zu müssen und stellt zusätzlich seine kommunikativen Kompetenzen in Frage (Face-bedrohend). In dieser Situation reagiert Herr Z energisch (20), lässt eine kurze Sicherung des bisher Verstandenen von Frau Z zu (21), verteidigt dann bis zum Schluss seiner Mitteilung die Verantwortung für das Gespräch mit Vehemenz (22 – 28). Frau Z realisiert den kritischen Punkt der Face-Bedrohung und reagiert mit zustimmenden, zurückhaltenden Verständigungsbestätigungen (25, 27). Verständigungsorientierte Praktiken, die nicht in gegenseitigem Einver nehmen geschehen und den Partizipa- 48 tionsstatus der aphasischen Person bedrohen, hemmen die Verständigung. Das Aphasiemanagement von Herrn und Frau Z ist im Allgemeinen geprägt durch hohe Autonomie von Herrn Z. Er bleibt über lange Phasen Verantwortlicher und Sprecher seiner Aus sagen. Er bespricht beharrlich sein Thema, bis ein gewisses Niveau der Verständigung erreicht ist. Die sprach gesunde Gesprächspartnerin Frau Z gibt ihm Zeit für Selbstreparaturen und schenkt ihm – besonders in kritischen Situationen – ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Sie setzen kollaborative Praktiken zur gegenseitigen Verständigung erfolgreich und zugleich gesichtswahrend ein. Die offenen, ausführlichen, gemeinsam ausgeführten Reparaturen exponieren einerseits die aphasische Problematik. Andererseits stellen sie psychosoziale Fähigkeiten dar, welche den kommunikativen Austausch zwischen den GesprächpartnerInnen und damit die Verständigung fördern. Gelungene Gespräche stärken wiederum den Selbstwert der Primär- und Sekundärbetroffenen, wirken also gesichtswahrend. Mit ihren Strategien – Zusammen arbeit, offene Bearbeitungen der aphasi schen Probleme, grundsätzliches Interesse am vom Gegenüber eingeführten Thema, ungeteilte Aufmerksam- Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 keit in kritischen Gesprächssituationen, inander ernst und wichtig nehmen, e einander trotz grossem Aufwand verstehen wollen – konstruieren die Gesprächsteilnehmenden eine soziale Normalität, die sich weniger an den Gesprächen Sprachgesunder orientiert, sondern vielmehr gezeichnet ist von gegenseitigem Respekt und möglichst ausgeglichenem Partizipationsstatus. Dies stärkt den durch das Stigma Aphasie gefährdeten Partizipationsstatus der aphasiebetroffenen Person. Die Gespräche des Paars Z reduzieren sich trotz Aphasie nicht auf Informationsaustausch, sondern behalten die kreative Funktion der Beziehungsarbeit. Der im Zweiersetting gestärkte Selbstwert beider GesprächspartnerInnen und die Selbstverständlichkeit im offenen Umgang mit Aphasie wirken sich partizi pationsfördernd auf den weiteren sozialen Kontext aus und tragen zu einer Verbesserung der Lebensqualität bei. Aphasisch bedingte Fehlleistungen bedeuten immer eine Gesichtsbedrohung. Der offene, kollaborative und respektvolle Umgang damit wirkt sich jedoch gesichtswahrend und verständigungsfördernd aus. III. Praxisrelevanz Die Ergebnisse der Gesprächsanalyse bilden die individuelle Praxis und die Perspektive zweier vertrauter GesprächsAphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 FORUM partnerInnen ab, die gesprächsfördernde Strategien entwickelt und in ihren Gesprächen etabliert haben. Wie können diese Erkenntnisse nun ver allgemeinert und für Zielsetzung, Methoden und Evaluation ICF-orientierter Aphasietherapie fruchtbar gemacht werden? Da Gespräche mit vertrauten Menschen zentrale alltägliche Aktivitäten der Aphasiebetroffenen darstellen, gehören sie in die gemeinsame Zieldefinition der Therapie. Aus dem übergeordneten Teilhabeziel (Gespräche unter vertrauten Personen führen können), werden Aktionsziele (z.B. eine Verabredung treffen; Erlebtes erzählen; eigene Meinung vertreten) und daraus das Training kompensatorischer Gesprächsstrategien abgeleitet. Bezugspersonen (Familie, FreundInnen, Betreuungspersonal) werden in Therapie, Beratung und Coaching einbezogen. Therapieentscheidungen und -evaluation gründen auf Instrumenten, welche kommunikativ-pragmatische Kompetenzen explizit bewerten (z.B. TInA, Therapieindikatorenliste Aphasie, Hunziker und Kolonko 2009). Wie die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, sind folgende Praktiken von Kollaboration und Facework massgeblich verantwortlich für das Gelingen aphasischer Gespräche im vertrauten Rahmen. 49 FORUM Kollaboration: – Problemquelle lokalisieren und Probleme gemeinsam lösen (kollaborative Reparaturen) – Fehlende / entstellte Wörter ergänzen / korrigieren – Mehrere Reparaturschlaufen – Referenzstarken Kontext aufbauen – Aussage schrittweise gemeinsam aufbauen – Abschliessende Verständigungssicherung Facework: – Autonomie der primärbetroffenen Person möglichst wahren (durch Überlassen der Verantwortung über die Mitteilung) – Gegenseitiges Respektieren als vollwertige Gesprächsteilnehmende (indem jede Aussage als wichtig gilt) –U ngeteilte Aufmerksamkeit in proble matischen Gesprächssituationen – Sich gegenseitig Raum und Zeit geben zur Klärung auftauchender Probleme – Assistenz durch sekundärbetroffene Person nur auf Einladung hin Ausführliche Gesprächsanalysen können im therapeutischen Alltag aufgrund des hohen zeitlichen Aufwands wahrscheinlich nur selten geleistet werden. Geht man jedoch davon aus, dass die möglichen Formen der kompensatorischen Strategien begrenzt sind und ihre Muster in den verschiedensten Gesprächen (mit verschiedensten Beteiligten) immer wieder zu finden sind, dann können die Ergebnisse empirischer Untersuchungen wie der vorliegenden Einzelfallstudie als Vorlage – im Sinne eines Musterkataloges – für die Diagnostik dienen und auch auf mögliche alltagsorientierte Therapieziele verweisen. Literatur Bauer, A. & Auer, P. (2009). Aphasie im Alltag. Stuttgart: Thieme. Bauer, A. & Kaiser, G. (1997). «Wie bitte?» Therapieorientierte Befunderhebung bei neurogenen Sprachstörungen. In W. Widdig, T.A. Pollow, I.M. Ohlendorf & J.-P. Mahlin (Hrsg.), Aphasiologie in den Neunzigern. Therapie und Diagnostik im Spannungsfeld von Neurolinguistik, Pragmatik und Gesundheit (S. 81–112). Freiburg: Hochschulverlag. Becker, A. (2001). Pragmatik und Aphasie. Konversationsanalytische Verfahren in der Aphasiediagnostik. Frankfurt a.M.: Peter Lang. Bergmann, J.M. (1991). Konversationsanalyse. In U. Flick, E. Kardorff, H. Keupp, L. Rosenstiel & S. Wolff (Hrsg.), Handbuch qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen (S. 213–218). München: Psychologie Verlags Union. Bongartz, R. (1998). Kommunikationstherapie mit Aphasikern und Angehörigen. Stuttgart, New York: Thieme. 50 Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 FORUM Coopmans, I. (2007). Alltagsrelevante Aphasietherapie. Forum Logopädie 21, S. 6–13. Flick, U. (2007). Qualitative Sozialforschung. Reinbek bei Hamburg: rowohlt. Glindemann, R., Ziegler, W. & Kilian, B. (2002). Aphasie und Kommunikation. In G. Goldenberg, J. Pössl & W. Ziegler (Hrsg.), Neuropsychologie im Alltag. (S. 78-97). Stuttgart: Thieme. Goffman, E. (1967). Interaction Ritual. Essays on face-to-face behavior. New York: Doubleday. Grötzbach, H. (2008). Kontext-sensitive Aphasietherapie. Logos interdisziplinär 1/2008 (Jg. 16). S. 26–31. Hunziker, E. & Kolonko, B. (2009). 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Beiträge zur Gesundheits- und Therapiewissenschaft Band 7 ISBN 978-3-8248-0789-5 Die vorliegende Arbeit ist u.a. das Ergebnis der Promotionsarbeit von Frau Dr. Lauer an der RWTH Aachen bei Professor Dr. Walter Huber zum Thema Aphasie-Selbsthilfe. Das Buch ist in drei Teile gegliedert, zuerst wird die Aphasie-Selbsthilfe in Deutschland speziell unter dem Aspekt der Kooperation zwischen Selbsthilfe und professionellen Helfern dargestellt. Dann folgt ein internationaler Überblick über Angebote und Strukturen von Aphasie-Selbsthilfeorganisationen und Verbesserungspotenziale werden diskutiert. Im dritten Teil stellt Norina Lauer die «Aphasie-Therapiechronik» als eine mögliche Methode der Optimierung in der akuten und postakuten Rehabilitationsphase vor und gibt Einblicke in ihre empirische Erhebung dazu. Der Leser erfährt das Thema AphasieSelbsthilfe sehr differenziert unter multiplen Gesichtspunkten: – Allgemeine Definition und Geschichte der Selbsthilfebewegung im allgeAphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010 meinen (Beginn mit der Gründung der Anonymen Alkoholiker – 1935 in den USA). – Strukturen der Aphasieselbsthilfeorganisationen (ASHO). Die ASHO sind meist gemeinnützige Vereine oder Non-Profit-Organisationen und ihre zentralen Ziele sind die Beratung und Information von Menschen mit Aphasie und deren Angehörigen. – Finanzierung und Förderung. – Einbettung in das ICF-Modell: Die ICF mit ihren Konzepten von Akti vität und Teilhabe unterstützt die Forderung der ASHO nach einer stärkeren Integration der Betroffenen in den Rehabilitationsprozess und einer besseren Kooperation zwischen Selbsthilfe und professionellen Helfern. In einem Kapitel wird auf die Zusammenarbeit der Selbsthilfegruppen und professionellen Helfern eingegangen: sie besteht aus indirekten und direkten Kooperationsformen. Es werden aber auch die ungleichen Erwartun- 53 BUCHBESPRECHUNG gen der ASHO und der professionellen Helfern aufgezeigt. Im zweiten Teil werden nationale und internationale Strukturen und Ange bote von ASHO anhand der Ergebnisse der beantworteten Fragebögen von 25 ASHO analysiert. Der dritte Teil widmet sich der Projektstudie zur akuten und postakuten Aphasierehabilitation in Mittelbaden. Der 2003 gegründete Round-Table zur Verbesserung der Aphasikerversorgung in der Region Mittelbaden, eine Zusammenkunft von Aphasietherapeuten und Vertretern der AphasieSelbsthilfe, entwickelte sich zu einem Qualitätszirkel, der u.a. die AphasieTherapiechronik (ATC) erstellte. Dieses Faltblatt dient der Weitergabe von Informationen über den Verlauf von Diagnostik und Therapie und wird dem Betroffenen übergeben. Die ATC wird in allen Rehabilitationsphasen aus gefüllt und vom Betroffenen im ambulanten Bereich an den Folgetherapeuten weitergereicht. Eine Machbarkeitsstudie überprüfte die Anwendbarkeit der ATC, in dem die Einführung der ATC auf vier Schlaganfallstationen in Mittelbaden und die Übergabe an die folgenden Rehabilitationseinrich- Autorin: 54 tungen untersucht wurde. Ziel der Studie war aber auch, weitere Kennzahlen zur Auftretenshäufigkeit, therapeutischen Versorgung, Beratung und zum Rehabilitationsverlauf zu erheben, die in diesem Buch dargestellt werden. Das Buch endet mit einer Auflistung von Empfehlungen zur systematischen und erfolgreichen ATCÜbergabe und -Anwendung. Unklar bleibt, ob die ATC zu einer Verbesserung des weiteren Rehabilitationsverlaufs dienen könnte. Dazu wäre eine weitere Studie notwendig. Alle grösseren Abschnitte und Kapitel werden prägnant zusammengefasst, was die Lektüre erleichtert. Nebst sorgfältig zusammengestellten Verzeichnissen (Inhalts-, Abbildungs-, Tabellen-, Sach- und Abkürzungsverzeichnissen) sind alle relevanten Dokumente zur Projektstudie im Anhang enthalten. Dieses Buch wird jede in der Aphasierehabilitation tätige Fachperson interessieren und zur verstärkten Kollaboration mit Selbsthilfeorganisationen motivieren. Empfehlenswert für Studierende, die sich insbesondere für die ICF Ebenen Aktivität und Teilhabe interessieren sowie Fachpersonen, die in der Selbsthilfe beratend tätig sind. Fanny Dittmann-Aubert Leiterin Logopädie Kantonsspital Bruderholz Aphasie und verwandte Gebiete 3 / 2010