F ST VALZ OU A IV AL - deutsch-französisches Forum junger Kunst
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F ST VALZ OU A IV AL - deutsch-französisches Forum junger Kunst
FESTIVALZEITUNGJOURNAL DU FESTIVAL A IV ST FE oj Pr r t n a ei in P JO U RN AL e ne kt d r s es ch d af e u t m ts c i t h -f de ra D m n oz en d De zös te er ut isc n: B sc he Ca üh h-F n f th ne ra oru y nk nz m Bl un ös iss st is jun on P ch ge un ERS en F r ku d Eg PEC esti nst be TI val rt VE Th S ol l LZ DU EI FE TU ST N IVA G L un en pro de par jet d t in la sc ena u fo r te rv ène iat rum en a P an ER vec fra ts: SP l nc Ca EC e fe o-a th TI sti lle y B VE v a m l f an lis S ra d so nc de n o- s j et al eu Eg le n be m es rt an a Th d rti de st ol s a es l rt s 9 6 . A u s g a b e | 6 ème n u m é r o 2 9 . 0 5 . 2 0 1 0 RÜCKBLICK | HEIß, KALT UND LAU Text: | Texte: HANNA SCHÜßLER Neun Tage voller Impressionen liegen hinter uns, in denen dem passionierten Festivalbesucher so einiges geboten wurde. Ein vielseitiges Programm hatte Sylvie Hamard angekündigt – und schon der Auftakt von Perspectives schien dieses Versprechen einlösen zu wollen: Mit Akrobatik, Tanz, ein bisschen Schauspiel und Musik eröffnete die Compagnie AOC das Festival. „Heißkalt“ war sodann das Thema. Intelligent zu zwei Abenden der Superlative – 45°C und 400 kg Eis – verknüpft, führten die außergewöhnlichen Produktionen von David Bobée und Philippe Ménard vor Augen, welche Abgründe sich durch extremes Verlangen und Sehnsucht nach dem „Anderen“ im Menschen auftun. Eine solche thematische Fundierung, die eine Dramaturgie in dem bunten Durcheinander hätte erkennen lassen, wäre auch für den Rest der Veranstaltungen wünschenswert gewesen. Klug gewählt, hätten dadurch Tendenzen in der aktuellen Bühnenkunstszene aufgezeigt werden können. Hier vermischten sich politischer Zirkus und akrobatische Grenzerfahrung, zauberhafte Marionetten und zeitgenössischer Tanz, absurde Komödie und Rockperformance sowie ein Schwerpunkt Afrika zu einem Potpourri, das für jeden etwas bereithalten wollte – durchaus sehenswert, aber ohne erkennbare Struktur. Das Programm des diesjährigen Festspiels hat sein Publikum dabei nicht unterfordert. Mit Veranstaltungen wie „P.P.P.“ oder „Madame Plaza“ wurden Grenzen ausgelotet. Das ist gut so, denn schon der Name des Festivals sagt, dass hier neue Perspektiven eröffnet werden sollen. Allen Ansprüchen kann und muss ein Festival nicht gerecht werden. Doch eine durchdachte Auswahl wäre ein Gewinn gewesen. FESTIVALKUCHENS Text: | Texte: LEA GERSCHWITZ Was das Festival durch seinen Namen verspricht, hat es in diesem Jahr in vielerlei Hinsicht gehalten. An neun Tagen waren künstlerische Perspektiven aus verschiedenen Ländern zu sehen, konnten Inszenierungen aus den französischen wie deutschen Zirkus-, Theater- und Tanzszenen besucht werden. Themen, Formen, Kulturen: Mangelnde Vielfalt kann man Perspectives nicht vorwerfen. Doch diese Vielfalt folgte keiner übergeordneten Konzeption. Aber braucht es die, um ein Festivalprogramm erfolgreich auf und über die Bühne zu bringen? Zwischen Akrobatik aus Frankreich, afrikanischem Tanz und holländischen Nazi-Puppen konnte man bisweilen etwas durcheinander kommen. Was verbindet das figuren theater tübingen mit René Polleschs Berliner Chor? Darüber, wie diese Auswahl genau zustande gekommen ist, lässt sich nur mutmaßen. Entscheidend ist, dass sie zum Teil willkürlich wirkt, dem Zufall folgend. Vielfalt bedeutet eben oft auch Verwirrung. 2 RÉSUMÉ DU FESTIVAL Text: | Texte: ISABELLE DUPUIS PERSPECTIVES ET MOI: AUTO-INTERVIEW L’idée d’un festival franco-allemand ? J’aime. Normal, je suis franco-allemande. Mais à mon humble avis, on pourrait plus insister sur cet aspect. Par exemple, en créant des spectacles vraiment bilingues. Des pièces réunissant des artistes français et allemands seraient, je pense, plus susceptibles d’encourager l’échange entre les cultures et les langues, de souligner leurs points communs et leurs différences… Un spectacle préféré ? « Avec des ailes immenses », du figuren theater tübingen. J’aime quand un spectacle raconte une histoire et crée une atmosphère un peu loufoque, pleine d’imagination. Par contre, je déteste les performances comme « Warm », qui, pour moi, ne font que de la provocation. Je trouve cela dépassé. Les lieux de spectacle ? Ils m’ont beaucoup plu. J’ai surtout aimé l’atmosphère un peu alternative, un peu bricolée de la « Sparte 4 », avec ses fauteuils… extraordinairement confortables ! En fait, tous les lieux de spectacle du festival Perspectives me paraissent fascinants. Dommage qu’ils soient si dispersés. Et l’atmosphère ? J’aurais aimé qu’elle se déploie sur toute la ville. Il fallait savoir qu’un festival avait lieu, pour le remarquer. Et si on invitait des jeunes artistes encore en formation pour jouer dans la rue, faire des actions théâtrales, de l’improvisation… ? Les conservatoires d’art dramatique français et allemands pourraient en profiter pour coopérer les uns avec les autres, ça renforcerait l’aspect franco-allemand ! Un autre conseil ? Plus de représentations pour chaque spectacle. Ce n’est probablement la faute de personne, mais beaucoup de spectateurs ont été frustrés de manquer certaines créations, faute de places disponibles. Moi, par exemple. J’aurais vraiment aimé voir « More, more, more… Future.» Merci pour cet entretien, Isabelle. Je vous en prie. MORE MORE MORE.. FUTURE ANARCHO - PERFORMANCE Foto: | Photo: Agathe Poupeney VIELFALT UND VERWIRRUNG EINES FESTIVALZEITUNGJOURNAL DU FESTIVAL Text: | Texte: EDDA REIMANN Schlagzeug, Bass und Gitarre erfüllen kraftvoll den ganzen Raum. Das nächtliche Kinshasa wird in rauer, haltloser Stimme besungen. Nachts herrscht das Prinzip des Hier, Jetzt und Gleich. Die Entbehrungen des Tages, die in Feindlichkeit erstarrte Wirklichkeit verlieren in der Dämmerung ihren Schutzmantel der Zivilisation. Zum Vorschein kommt eine Stadt, die sich selbst zu zersetzen droht – dereguliert prallt eine ganze Generation von Aussichtslosen aufeinander und ergeht sich im Chaos. Alles kommt zum Erliegen – nur ein Tänzer dreht sich weiter wie in einem entrückten Delirium. Der Tag scheint über die Nacht zu siegen. Nur einer findet nicht zurück in den zur Vernunft gekommenen Tag. Was Faustin Linyekula hier in Szene setzt, ist ein Rockkonzert mit Flamme Kapaya – Gitarrenstar aus dem Kongo – sowie eine Tanzperformance, die sich aus zeitgenössischen, orientalischen und StreetdanceElementen speist. Wie beide Teile zusammenpassen, wird nicht deutlich – aber das muss es auch gar nicht. In Linyekulas Inszenierung steht etwas ganz anderes im Vordergrund: es sind die Texte eines politischen Häftlings. Diese liegen dem Konzert zugrunde und finden hier ihre Vertonung. Nichtsdestotrotz tauchen einige großartige Stücke im Programm auf. Wo an anderer Stelle die Wahl der Festivalleitung fragwürdig bleibt, stechen diese umso mehr hervor. Auffallend mutig ist die Einladung vieler junger Künstler und einiger unbequemer Produktionen. Das ist risikoreich, wurde aber vom Publikum meist belohnt. Überhaupt scheinen die Zuschauer auf beiden Seiten der Ländergrenze zufrieden zu sein – das zeigen Besucherzahlen, Publikumsgespräche und leidenschaftliche Diskussionen nach den Vorstellungen. Sie handeln in erster Linie von einem – der Zukunft. Es sind anklagende Zeilen, die in den zwei Sprachen des Festivals auf den Vorhang der Bühne projiziert werden. Es sind Texte, die Bilder von Gräbern, Toten, Macht, Krieg und Ungerechtigkeit heraufbeschwören. Die Projektion der Liedtexte macht klar, dass der Zuschauer nicht nur zu einem Konzert geladen ist, sondern Linyekulas Stück eine klar politische Dimension hat. Wenn es letztlich für alle ein Stück vom bunten Festivalkuchen gab, ist es vielleicht egal, nach welchem Rezept dieser gebacken wurde. Vielleicht musste hier und da auch getrickst oder improvisiert werden, wenn nicht alle Zutaten verfügbar waren. Ein gut strukturiertes Festivalkonzept, das sich einfach erschließen lässt, hätte dennoch Vorteile: Als solides Gerüst hält es die Inszenierungen zusammen. Manchem schmeckt der ganze Kuchen besser. Das einzige Manko an diesem Abend ist, dass in der Buswerkstatt kein Raum für Interaktion mit dem Publikum gegeben ist. Diese Show folgt keiner Dramaturgie und will auch nicht als Frontal-Erlebnis begriffen werden. Doch der Zuschauer bleibt passiv-staunender Zaungast importierter Afrikanität. Konfrontiert mit klarer Kritik an der weißen Politik gegenüber Afrika bleibt ihm nur, das Ganze still zu schlucken, anstatt endlich in einen Dialog zu treten – und wenn er in Form von Tanz stattfände. 3 y 6 . A u s g a b e | 6 ème n u m é r o 2 9 . 0 5 . 2 0 1 0 FESTIVALZEITUNGJOURNAL DU FESTIVAL EIN CHOR IRRT SICH GEWALTIG Choreographie | Chorégraphie FAUSTIN LINYEKULA (RCB) MIT | AVEC Kabboura Aït Ben Hmad Fatima El Hanna Bouchra Ouizguen Naïma Sahmoud MORE MORE MORE... FUTURE FAUSTIN LINYEKULA (RCB) MUSIK | MUSIQUE UTILISÉES Ahat Youssef el Mejjad Akegarasu Shin-Nai INTERVIEW DE FLAMME KAPAYA Text: | Texte: SANDRA CHAMIOT-PONCET MÉLANGE ROCOCO Comment avez-vous rencontré Faustin Linyekula ? J’ai rencontré Faustin à Avignon, en 2007. Il m’avait invité en tant que musicien sur son spectacle «Le festival des mensonges ». Je venais de quitter Wenge Maison Mère, le groupe avec lequel j’ai joué 10 ans, et je me demandais comment continuer. Faustin est un très bon metteur en scène, il m’a bousculé. Et je me suis dit: je suis au bon endroit au bon moment. Qu’est-ce que vous vouliez changer ? En fait avec Wenge Maison Mère, on faisait une musique qui avait une très belle énergie. Sur le moment, ça aidait les gens à oublier leurs souffrances, mais on ne disait rien. Pourtant dans un pays où la dictature se renouvelle, où l’on entend sans arrêt des discours, des promesses qui ne sont jamais tenues, il y a des choses à dire. Avec Faustin, on voulait vraiment que les Congolais puissent retrouver leur mémoire, pour mieux se projeter dans l’avenir. Au Congo, le passé c’est du passé, pas comme en Europe, où le passé nourrit le présent. Mais comment corriger les erreurs du passé si vous ne vous en souvenez pas ? « More, more more … future », c’est un cri d’espoir, un appel à un avenir meilleur. Et comment a-t-il été reçu au Congo ? Il y a eu deux représentations. La deuxième était très réussie, c’était bien de voir un tel spectacle au Congo, c’est rare. La première était en plein air. Mais je venais de quitter le grand groupe mythique du Congo, et mon ancien « patron » avait envoyé des gens pour mettre le bazar sur scène. J’ai été obligé de jouer mes propres morceaux, sinon on aurait été lapidés. C’est la coutume au Congo si le son ne marche pas, on nous jette des pierres ou on nous vole nos instruments. J’ai réussi à calmer le public avec ma guitare. Qu’est ce que «More, more, more...» vous a apporté ? Ca a élargi ma façon de voir les choses, et même de faire de la musique. Comme lorsque Faustin m’avait invité à travailler sur Bérénice à la Comédie Française : tout ça m’a ouvert des portes de pensée. « More, more, more … future » a aussi nourri beaucoup de projets d’avenir. On est déjà en train de travailler ensemble à une future création sur le thème du retour aux racines. On prend notre temps, même si on ne sait pas de quoi demain sera fait. Peut être que c’est la dernière interview que je donne, le dernier spectacle que je fais sur cette terre. Mais on espère quand même ! ANNA BOURGES: Die Aufführung ist die Rache afrikas für 400 Jahre Kolonialismus 4 Text: | Texte: LOUISE BURKART René Pollesch n’hésite pas à mêler à son théâtre une multitude de citations politiques, sociales, musicales et littéraires qu’il présente dans le désordre, avec l’aide de précieux interprètes. Ces citations nous transportent de surprises en surprises, toutes du même goût. Dès le départ, un personnage s’attache à la prononciation et à la diction du Français chez les allemands avec une préciosité moliéresque. Pollesch joue ensuite avec les clichés français de la baguette et du croissant, que l’on accueille les bras ouverts dans cette pièce extravagante. Il ne s’arrête pas là : un chœur de tragédie antique entre en scène. Sauf que celui-ci représente un, puis plusieurs amants de Sally. Ce chœur, dont le texte est particulièrement bien articulé par sept comédiennes, porte Sally en triomphe, puis l’envahit tout en brouillant tous nos repères. Qui est un homme, qui est une femme parmi tous ces personnages qui changent de nom et de sexe au cours du spectacle ? Pour mieux suivre cette pièce « patchwork », on s’accroche alors désespérément aux repères que deviennent les nombreuses références littéraires, qui vont du Hamlet de Shakespeare au « Je suis comme je suis », de Prévert. Ein Chor irrt sich gewaltigt, défini dans le programme comme un « bouillon de théâtre de boulevard », se positionne justement contre l’« éternel retour des classiques », qui d’après René Pollesch appartiennent aux musées. Il est certain que Ein Chor… ne s’apparente pas aux tragédies au sens traditionnel du terme. Pourtant en matière de comédie, la pièce regorge de références à Molière et Feydeau. On n’est donc pas si loin de l’actualisation des classiques que René Pollesch conspue ! Comment est né ce projet ? Faustin avait cette idée, on était tous les deux à Berlin, on a écouté beaucoup de choses, en partant de la musique contemporaine, les années 60-70. Après, on était prêts pour la bataille. Donc moi j’ai composé la musique et recruté des musiciens, et lui s’est occupé de la mise en scène. Faustin est un danseur contemporain, l’objectif était d’ancrer cette danse dans la musique du pays. Une musique un peu déformée, puisqu’on l’abordait avec l’esprit punk. VOLKSBÜHNE BERLIN (D) Des constructions de bois sommaires, un immense rideau fleuri style rococo avec des paillettes dans le cœur des roses : déjà la scénographie offre un contraste étrange. À peine se familiarise t-on avec ces décors inhabituels que surgit de derrière la scène, la comédienne autrichienne Sophie Rois, accompagnée d’une souffleuse façon maîtresse d’école, sages lunettes posées sur le nez et ruban parfaitement noué dans des cheveux lissés. Le texte ne se fait guère attendre et Sally allias Sophie Rois déclame, à la manière d’une chanteuse d’opéra, la prose du metteur en scène et auteur René Pollesch, qui requiert une certaine phase d’adaptation. Foto: | Photo: Thomas Aurin Foto: | Photo: Agathe Poupeney En costume rouge pailleté, il est au centre de la scène de « More, more, more … future ». Le guitariste Flamme Kapaya a travaillé avec le chorégraphe Faustin Linyekula sur une alternative scénique au « No Future ». Rencontre avec Flamme, rock star congolaise. RENÉ POLLESCH Text: | Texte: LEA GERSCHWITZ MON DIÖÖÖ Der ironisch-geblümte Vorhang mit Strass-Steinchen will nicht so recht ins Le Carreau passen. Das Bühnenbild von „Ein Chor irrt sich gewaltig“ – drei Stufen, ein großzügiger Torbogen aus Pressspahn, der von jenem Vorhang verschlossen wird – fühlt sich sonst im Prater wohl, der schick-verfallenen Außenspielstätte der Berliner Volksbühne. Dort ist man trashigen Umgang mit Theaterkonventionen ebenso gewöhnt wie die Arbeiten von PraterChef René Pollesch. Die Wirkung des Stöffchens ist in Forbach dieselbe wie in Berlin: Wer Pollesch-Theater kennt, wird nicht überrascht, aber lacht trotzdem; wer es nicht kennt, wird überrascht und lacht auch. In der von Autor und Regisseur Pollesch zusammengebastelten DiskursKomödie mit vier Schauspielern und einem achtköpfigen Chor mischen sich mehr oder weniger sinnfreie Schnipsel aus politischen Thesen und einer neo-kommunistischen Streitschrift sowie französischem Chanson, Oper und Boulevardklamauk. Handlung oder Figuren? Gibt’s nicht. Darin steckt durchaus mehr als Schenkelklopfen. Kritik an der moralischen Kapitalismuskritik zum Beispiel. Leider geht die im Gegluckse und Gekicher unter. Wenn Geschlecht, Identität oder Anzahl beliebig gewechselt und multipliziert werden (der Chor als eine Person), lacht man lieber herzlich, als über konzeptionelles Anti-Repräsentationstheater nachzudenken. Die Streitereien um Liebe, Geld und Politik werden zur Endlosschleife, in der immer wieder derselbe absurde Ulk postuliert wird, egal ob es um Herzensangelegenheiten („Ich liebe Sie, Madame!“ – „Hören Sie auf mit diesem ständigen Geständniszwang“) oder um den besseren Menschen im Kapitalismus geht („Wir sind schon gut genug!“). Als Ventil für diese Aggressionen müssen dann Baguettes und Croissants herhalten, die als zertretene Reste des Wortgefechts auf dem Bühnenboden genauso zurückbleiben wie die ständigen Ausspracheübungen („Diöööö“ - „Dieuuu“) im Zuschauerkopf. Sinnlos, aber charmant. 5 6 . A u s g a b e | 6 ème n u m é r o 2 9 . 0 5 . 2 0 1 0 FESTIVALZEITUNGJOURNAL DU FESTIVAL INTERVIEW MIT | AVEC INTERVIEW MIT | AVEC Foto: | Photo: Privat JOCHEN STRODTHOFF JARED GRADINGER Text: | Texte: KIRSTEN SANDERS “Konsumier was geht, vergiss alles was war” (Thomas D) Das Interview führte: | Propos recueillis par: MARLENE RIEDEL Jared Gradinger ist einziger Darsteller und Co-Autor der Performance “There is no end to more”, die heute um 18 Uhr und 21 Uhr in der Alten Feuerwache aufgeführt wird. Gradinger schrieb gemeinsam mit Regisseur Jeremy Wade und Marcos Rosales die Texte. Die informationsüberladene Gesellschaft wird durch Videos, Animationen, Musik, Stimmen und eben einen Schauspieler dargestellt. Die Performance lässt viele Assoziationen zu – deshalb ist dieser Text so wie er ist. Jochen Strodthoff studierte Schauspiel in Salzburg. Nach festen Engagements in Göttingen und Ingolstadt, arbeitet er heute zusammen mit Judith Al Bakri an Projekten unter dem Namen „Hunger&Seide“. Er ist als Regisseur und Schauspieler tätig, unter anderem in der „Halle 7“ in München, einer Plattform für Bühnenkünstler, die gerade keiner regulären Beschäftigung nachgehen. alle angebote und möglichkeiten brauch ich hab noch nicht genug mach mindestens zwanzig projekte gleichzeitig die hälfte davon nebenbei und keins richtig japaner amerikaner franzosen deutsche irgendwann alle zugestopft zehn jahre noch der countdown tickt seit 93 vielleicht auch 15 jahre dann ist es fertig vergangenheit und gegenwart alles im netz jederzeit abrufbar alles was je gewusst und aufgezeichnet wurde aber ob in drei wochen die sonne scheint werden wir nicht vorhersehen können macht uns das dann wahnsinnig weil’s nicht gewusst werden kann im internet unterwegs sein wie auf japans straßen alles glitzert und blinkt allgegenwärtige information überall aber nur zwei augen und ein hirn laufen reden denken sehen handy klingelt email wartet schon gelesen schon gehört schon gewesen was war alles klar klar dass alles unklar ist verstehen wir nichts mehr in der fülle macht nichts google erklärts fressen fressen fressen macht nicht satt Herr Strodthoff, Sie haben „Mechanische Tiere“ inszeniert. Was hat Sie an dem Text von Rebekka Kricheldorf gereizt? Ich arbeite sonst fast nie mit fertigen Texten. Meine Arbeiten mit Judith sind eher projekthaft und wir entwickeln bei „Hunger&Seide“ meist alles selbst. An dem Text hat mir so gut gefallen, dass er fragmentarisch und gut gebaut ist, extrem verdichtet und fast wie komponiert. Thematisch hat mich darin dieser Individualitätszwang angesprochen: Alle wollen unbedingt anders sein und scheitern daran. Das kann man ja in der heutigen Gesellschaft beobachten - ich finde mich darin selbst auch wieder. Auf was haben Sie bei der Umsetzung des dramatischen Textes geachtet? Er besitzt auf formaler und inhaltlicher Ebene viel Potential. Mir ist aufgefallen, dass der Text zwischen tiefer Depression und extremer Hysterie changiert, er ist nie normal, immer extrem. Diesen Gegensatz wollte ich emotional herausarbeiten. Die einzelnen Szenen sind wie Songs, das hat mich interessiert. Sie führen bei der Inszenierung Regie und spielen auch selber mit. Gab es da für Sie Schwierigkeiten? umgeben von drei leinwänden wolken regen schnee blitz regenbogen eine schwarz-weiße hundehütte mit rotem dach als versteck und pult für eine tv-show eine stimme sagt beweg dich so und also wird gemacht oder eben nicht text text text zwischen den zeilen bewegen oder das gegenteil machen das verwirrt grimassen ziehen bis die ohren weh tun mit buhu dem geist reden soooo kawaii so süß über unendlichkeit erzählen und einen magischen ring über familie und gemeinschaft und entfernung und teilen und vielfalt und ablenkung und regierung und jahreszeiten fragmente verstehen und das hier draus machen Ich bin durch die Arbeit bei „Hunger&Seide“ daran gewöhnt, beides zu machen. Mir ist es wichtig, dass alle Beteiligten den gleichen Stellenwert haben. Ich will weg vom klassischen Regietheater und auch innerhalb meiner Projekte Selbstständigkeit fördern: Der Schauspieler kann genauso entscheiden wie der Regisseur. Dann ist er auch nicht mehr bloßes Werkzeug, sondern ein Performer, ein eigenständiger Künstler – vereinfacht gesagt. Sie arbeiten seit langem frei. Was hat Ihnen an der festen Arbeit an einem Theater nicht gefallen? Generell sollte man enger miteinander arbeiten. Dieses System: Ein Autor schreibt einen Text, ein Dramaturg wählt diesen aus, dann kommt ein Regisseur, der was draus machen will und dann der Schauspieler, der überlegt, wie er den Text sprechen soll – das ist völlig entfremdendes Arbeiten! So kann der Schauspieler nur Interpret bleiben, nur Sekundärkünstler und überspitzt gesagt, nichts selber schaffen. Und was müsste man, Ihrer Meinung nach, verbessern? Ich wäre dafür, dass man die Autoren fest an die Theater holt und mit ihnen und den Schauspielern zusammen das Stück entwickelt, ihre Persönlichkeiten und Biographien mit in den Arbeitsprozess einbringt. Allerdings ist es dann auch schwieriger, so eine Inszenierung öfter nachzuspielen. Dass das aber auch wunderbar funktionieren kann, sieht man an „Top Dogs“ von Urs Widmer. Das wurde vor zehn Jahren am „Theaterclub Neumarkt“ in Zürich uraufgeführt und ein riesiger Erfolg. Jetzt sind die Namen der Rollen eben die Namen der Schauspieler der Uraufführung. Was sagen Sie zu dem Phänomen, dass man junge Dramatiker heutzutage bis zur Uraufführung fast überfördert werden, sie danach aber oftmals Schwierigkeiten haben, nachgespielt zu werden? Die Förderprogramme für junge Autoren sind wichtig, aber warum darüber die „Alten“ vergessen. Dieser Jugendwahn ist schrecklich, schließlich werden die Texte auch mit dem Alter und der Lebenserfahrung besser, aber da hört die Förderung auf. Ich finde es richtig, eine Starthilfe zu geben, aber man muss alle Autoren auf ihrem Weg begleiten. In München gibt es ein Festival, das heißt „Radikal Jung“ – ich hätte Lust mal ein Projekt „Radikal Alt“ zu machen! Wie kommen Sie dazu, bei einem deutsch-französischen Festival zu Gast sein? Sylvie Hamard hat sich für das Projekt interessiert – also hat sie uns eingeladen. Erst dachte ich, dass wir vielleicht Rebekkas Stück auf Französisch übersetzen und übertiteln, aber dann wurde entschieden, dass auch ein rein deutschsprachiges Theaterstück auf dem Festival zu sehen sein kann. 6 7 2. Ausgabe | 2ème numéro 21.05.2010 PAS DE VICTOIRE AU « TOUR DE FRANCE » … Texte | Texte: MARLENE RIEDEL 1ère étape: Aller au Buswerkstatt et regarder autour de soi: DJ Thomas Bohnet est plutôt âgé et son audience aussi. Où sont les jeunes et jolis Français ? 2ème étape : Aller sur la piste de danse et écouter la musique : Oui, il y a des chansons françaises, mais encore ? 3ème étape : Retourner au bar et commander un verre de vin ou une bière à des prix exorbitants. On s’ennuie, mais qu’est-ce qu’on peut faire d’autre ? 4ème étape (l’étape des montagnes !) : Le verre est vide et il faut qu’on prenne une décision ! Rester là et attendre que le dj change de style, ou partir et passer une bonne soirée ailleurs…. 5ème étape : Si tu as choisi de rester, tu as probablement acheté un autre verre de vin/une autre bière. Mais cela suffit-il pour danser au son de la musique ? 6ème étape : Génial ! Louise Attaque, Stromae et Manu Chao rententissent dans la salle ! Les gens dansent, l’ambiance est au beau fixe ! 7ème étape : Et c’est tout ? Après ces chansons entraînantes, le dj joue des hits des années 80 au goût douteux, et la piste se vide de plus en plus. 8ème étape : D’accord, je laisse tomber ! Je n’en peux plus ! Impressum: mentions légales: deutsch-französisches forum junger kunst forum franco-allemand des jeunes artistes Äußere Badstraße 7a 95448 Bayreuth Tel: + 49 (0) 921 9 800 900 Fax: + 49 (0) 921 7 930 910 [email protected] www.forum-forum.org Projektleiterin | responsable de projets: Hannah Kabel Projektassistentin | assistante de projets: Sarah Makda Dozenten | intervenants: Cathy Blisson Egbert Tholl Redaktion | rédaction: Anna Bohaumilitzky, Louise Burkart, Sandra Chamiot-Poncet, Isabelle Dupuis, Lea Gerschwitz, Jane Pagel, Edda Reimann, Marlene Riedel, Kirsten Sanders, Hanna Schüßler Foto: | Photo: Volker Derlath À la soirée dansante « Tour de France » il fallait rendre son tricot de danse très tôt. Pas d’ambiance, un public dansant avec retenue, même le dj n’avait pas l’air d’aimer ce qu’il faisait. Ceux qui avaient espéré entendre Nouvelle Vague ou des artistes comme Yelle étaient au mauvais endroit. Dommage, car il existe des groupes français formidables ! Ça n’aurait pas été plus mal si le dj n’avait pas joué « Voyage, Voyage » ou « Ella, elle l’a » ! KULTURJOURNALISMUS JOURNALISME CULTUREL Diese Festivalzeitung ist im Rahmen eines deutsch-französischen Kulturjournalismus-Workshops entstanden. Organisiert wird der Workshop vom deutsch-französischen forum junger kunst Bayreuth in Partnerschaft mit dem deutschfranzösischen Festival der Bühnenkunst Perspectives. Cathy Blisson (freie Kulturjournalistin) und Egbert Tholl (Süddeutsche Zeitung) leiten das Atelier und die Redaktion der Zeitung. Das Redaktionsteam besteht aus zehn jungen Journalisten aus Frankreich und Deutschland. Alle Artikel können auch online gelesen werden: www.festival-perspectives.de / www.forum-forum.org / www.theater.de Dieses Projekt wird vom Deutsch-Französischen Jugendwerk finanziert. Mit freundlicher Unterstützung der Volkshochschule Regionalverband Saarbrücken, der Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit, der Union-Stiftung und www.theater.de. Ce journal du festival a été créé dans le cadre d’un atelier franco-allemand de journalisme culturel. Cet atelier est organisé par le forum franco-allemand des jeunes artistes de Bayreuth en partenariat avec le festival franco-allemand des arts de la scène Perspectives. Cathy Blisson (free-lance) et Egbert Tholl (Süddeutsche Zeitung) encadrent l’atelier et la rédaction du journal, composé de dix jeunes journalistes de France et d’Allemagne. Tous les articles sont publiés en ligne sur: www.festival-perspectives.de / www.forum-forum.org / www.theater.de Ce projet est financé par l’Office franco-allemand pour la Jeunesse. Avec le soutien de la Volkshochschule Regionalverband de Sarrebruck, de la Fondation pour la coopération culturelle franco-allemande, Union-Stiftung et le www.theater.de Gestaltung | graphisme: Thomas Krämer www.aliastom.de