Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
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Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie (Karl-Friedrich-Bonhoeffer-Institut) Am Faßberg 11 · 37077 Göttingen Tel.: +49 (0)551 201-0 · Fax: +49 (0)551 201-1222 www.mpibpc.mpg.de Karl-Friedrich-Bonhoeffer-Institut Göttingen Impressum Herausgeber Texte Fotos Titelbild Schlussredaktion Layout Druck Koordination Internet Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie Am Faßberg 11 · 37077 Göttingen Marcus Anhäuser, Diemut Klärner, Dr. Carmen Rotte; in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie Irene Böttcher-Gajewski, Peter Goldmann (S. 10 unten links, S. 17 oben rechts), Heidi Wegener (S. 85) Irene Böttcher-Gajewski Dr. Ulrich Kuhnt, Dr. Carmen Rotte Rothe-Grafik, Georgsmarienhütte; Hartmut Sebesse Druckhaus Fromm, Osnabrück Dr. Carmen Rotte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie [email protected] www.mpibpc.mpg.de Vorwort L iebe Leserinnen und Leser, in der traditionsreichen Universitätsstadt Göttingen im Süden Niedersachsens gelegen, steht das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie seit vielen Jahren für Grundlagenforschung auf höchstem Niveau. Als eines der größten Institute der Max-Planck-Gesellschaft beherbergt es zahlreiche Forschungsgruppen. Studierende und Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen aus dem In- und Ausland arbeiten hier zusammen, tatkräftig unterstützt durch Werkstätten und zentrale Einrichtungen. Die in der Grundlagenforschung gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es dem Institut, stets innovative Impulse zu setzen, die bereits zu zahlreichen wirtschaftlich erfolgreichen Entwicklungen und Unternehmen geführt haben. Mit dieser Broschüre möchten wir Sie zu einem Rundgang einladen und Ihnen die Geschichte des Instituts und dessen aktuelle wissenschaftliche Aktivitäten vorstellen. Wir würden uns freuen, wenn dieser erste Eindruck Sie anregt, sich näher mit der aktuellen Forschung am Institut zu beschäftigen oder eines unserer Besuchs- und Ausbildungsprogramme wahrzunehmen. Helmut Grubmüller Geschäftsführender Direktor, im Oktober 2009 1 Inhalt Das Institut stellt sich vor 4 Entdeckungsreise in die Welt der Moleküle 4 Forschen ohne Zwänge 6 Tradition und Vision 8 Lehren und Lernen 10 Wenn eine neue Idee zündet 12 Starker Service für Spitzenforschung 14 Offene Türen 16 Emeritierte Wissenschaftliche Mitglieder 18 Tiefer blicken 20 NanoBiophotonik Prof. Dr. Stefan W. Hell 22 Struktur und Dynamik von Mitochondrien Dr. Stefan Jakobs 24 Biomolekulare Spektroskopie und Einzelmoleküldetektion Prof. Dr. Peter Jomo Walla 25 Labor für Zelluläre Dynamik Dr. Thomas M. Jovin 26 Biochemische Kinetik Prof. Dr. Manfred Eigen 27 Elektronenspinresonanz-Spektroskopie Dr. Marina Bennati 28 Biologische Mikro- und Nanotechnologie 29 Dr. Thomas Burg Spektroskopie und photochemische Kinetik Prof. Dr. Jürgen Troe Reaktionsdynamik Prof. Dr. Dirk Schwarzer 2 30 31 Strukturdynamik (bio)chemischer Prozesse Dr. Simone Techert Laserchemie Prof. Dr. Michael Stuke 32 33 Raffinierte Moleküle 34 Theoretische und computergestützte Biophysik Prof. Dr. Helmut Grubmüller 36 Computergestützte biomolekulare Dynamik Prof. Dr. Bert de Groot 38 Strukturuntersuchungen an Proteinkomplexen Dr. Stefan Becker 39 NMR-basierte Strukturbiologie Prof. Dr. Christian Griesinger Proteinstrukturbestimmung mittels NMR Prof. Dr. Markus Zweckstetter 40 42 Festkörper-NMR-Spektroskopie Dr. Adam Lange 43 Systembiologie der Motorproteine Dr. Martin Kollmar 44 Bioanalytische Massenspektrometrie Dr. Henning Urlaub 45 Enzym-Biochemie Dr. Manfred Konrad 46 Nukleinsäurechemie Dr. Claudia Höbartner 47 Zelluläre Maschinen 48 Zelluläre Biochemie Prof. Dr. Reinhard Lührmann Molekulare Kryo-Elektronenmikroskopie Prof. Dr. Holger Stark 50 52 Ribosomendynamik Prof. Dr. Wolfgang Wintermeyer 53 Physikalische Biochemie Prof. Marina Rodnina 54 Mitteilsame Nervenzellen 56 Vom Ei zum Organismus 70 Molekulare Entwicklungsbiologie Prof. Dr. Herbert Jäckle 72 Entwicklungsbiologie Prof. Dr. Michael Kessel 74 Molekulare Organogenese Prof. Dr. Reinhard Schuh 75 Molekulare Zelldifferenzierung Prof. Dr. Ahmed Mansouri 76 Molekulare Neuroentwicklungsbiologie 77 Dr. Anastassia Stoykova 58 Biomedizinische NMR Prof. Dr. Jens Frahm 78 Neurobiologie Prof. Dr. Reinhard Jahn 80 Strukturelle Biochemie Dr. Dirk Fasshauer 60 Genexpression und Signalwirkung Dr. Halyna Shcherbata Schlaf und Wachsein Dr. Henrik Bringmann 81 Gene und Verhalten Prof. Dr. Gregor Eichele 82 Zirkadiane Rhythmen Dr. Henrik Oster 84 Das Institut in aller Kürze 85 Sie erreichen uns ... 87 Bildnachweis 88 Biophysik der synaptischen Übertragung 61 Dr. Takeshi Sakaba Membranbiophysik Prof. Dr. Erwin Neher 62 Der Zellkern als Kommandozentrale 64 Zelluläre Logistik Prof. Dr. Dirk Görlich 66 Funktionelle Zellkernarchitektur Dr. Volker Cordes 68 Chromatin-Biochemie Dr. Wolfgang Fischle 69 3 Entdeckungsreise in die Welt der Moleküle W ie Nervenzellen miteinander kommunizieren, sich aus einer Eizelle ein komplexer Organismus entwickelt oder unsere »innere Uhr« gesteuert wird – Wissenschaftler am Max-PlanckInstitut für biophysikalische Chemie sind den molekularen Vorgängen auf der Spur, die komplexe Lebensprozesse steuern und regeln. So ohne weiteres lassen sich diese allerdings nicht beobachten. Sie spielen sich im Nanokosmos der Zelle ab und sind damit für unser Auge unsichtbar. Mit gängigen Mikroskopen lassen sich zwar Bakterien aufspüren oder einzelne Körperzellen betrachten. Man erfährt aber kaum etwas darüber, was sich tief im Inneren lebender Zellen abspielt. 4 Ein Schwerpunkt der Forschungsarbeit am Institut ist es daher, spezielle Verfahren zu entwickeln, die Einblicke in die Welt der Moleküle erlauben. Ultra-hochauflösende Fluoreszenzmikroskopie, Kernspinresonanz-Spektroskopie, Kryo-Elektronenmikroskopie und Computersimulationen sind einige solcher Methoden, die erfolgreich eingesetzt werden, um Proteine – die winzigen Nanomaschinen lebender Zellen – unter die Lupe zu nehmen. Dabei gilt es, den Tricks auf die Schliche zu kommen, mit denen Proteine ihre vielfältigen Funktionen in der Zelle erfüllen, beispielsweise als molekulare Motoren, Chemiefabriken, Photozellen oder Sensoren. Auch die zelluläre Logistik wird von Proteinen bewerkstelligt. Wie der Stofftransport zwischen den unterschiedlichen Kompartimenten einer Zelle abläuft, wird derzeit am Institut genauer erforscht. Die Wissenschaftler untersuchen zudem, wie die Baupläne für Proteine zunächst in eine lesbare Form gebracht werden und sind der Funktionsweise der zellulären Proteinfabriken – der Ribosomen – auf der Spur. Nur korrekt gebaut können Proteine ihre Aufgaben in der Zelle erfolgreich erfüllen. Wie die Qualitätskontrolle beim Bau der Proteine funktioniert, dieser Frage gehen Forscher am Institut im Detail nach. Ebenso lassen sich viele Erscheinungen der unbelebten Natur auf molekulare Prozesse zurückführen. So reagieren viele Moleküle, Radikale und Atome in der Atmosphäre miteinander, nachdem sie durch Sonneneinstrahlung erzeugt und angeregt worden sind. Ihre innere molekulare Dynamik zu untersuchen, ist ein weiterer Forschungszweig am Institut. Um solche komplexen Lebensvorgänge und Prozesse aufzuklären, arbeiten Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen und unterschiedlicher Nationen am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie zusammen. Biologen, Chemiker, Mediziner und Physiker kooperieren dazu nicht nur mit ihren Kollegen am Institut, sondern mit einer Vielzahl von Fachleuten weltweit. So sind auf dem Campus viele verschiedene Sprachen zu hören, in denen sich über Projekte, Ideen und Ergebnisse ausgetauscht wird. Wenn Ende 2010 auch das Göttinger Max-PlanckInstitut für Dynamik und Selbstorganisation auf das Gelände am Faßberg umzieht, werden auf dem neu entstehenden Max-Planck-Campus mehr als 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sein. 5 Forschen ohne Zwänge W ie an allen Max-Planck-Instituten wird am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in erster Linie Grundlagenforschung betrieben. Wer hier forscht, kann grundlegend neue Ideen verfolgen. Diese freie Forschung, die exzellenten Arbeitsbedingungen und das hohe internationale Renommee machen das Max-PlanckInstitut für biophysikalische Chemie zu einem Anziehungspunkt für Studierende ebenso wie für Forscher aus aller Welt. Gerade die so errungenen neuen Erkenntnisse aus der Wissenschaft führen zu manch zukunftsweisender Anwendung in der Praxis. So entpuppte sich eine am Institut synthetisierte chemische Verbindung namens Miltefosin als äußerst wirksames Mittel gegen die Tropenkrankheit viszerale Leishmaniose – die »Schwarze Krankheit«. Bleibt diese Krankheit unbehandelt, so endet sie in nahezu 100 Prozent der Fälle tödlich. Mit diesem Medikament erhofft sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Leishmaniose-Krankheit langfristig unter Kontrolle zu halten und schließlich zu besiegen. Mit bahnbrechenden Ideen zur Verbesserung der Lichtmikroskopie haben andere Forscherkollegen gültiges Lehrbuchwissen auf den Kopf gestellt und damit die optische Mikroskopie revolutioniert. 6 Es ist daher kein Wunder, dass viele der Wissenschaftler am Institut für ihre Arbeiten Auszeichnungen und Preise erhalten haben, darunter allein siebenmal den begehrten Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Auch zwei der 44 Nobelpreisträger, die in Göttingen studiert oder gewirkt haben, forschen gegenwärtig am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Manfred Eigen erhielt 1967 den Nobelpreis für Chemie. Ihm war es gelungen, den Verlauf sehr schneller chemischer Reaktionen zu verfolgen, die sich im Bereich von unter einer Millisekunde bis hin zu einer Nanosekunde (dem milliardsten Teil einer Sekunde) abspielen. Er durchbrach damit eine grundlegende Grenze, denn solche sehr schnellen Reaktionsabläufe wurden bis dahin für unmessbar gehalten. Seine Arbeiten sind weit über die Chemie hinaus von fundamentaler Bedeutung. Erwin Neher und Bert Sakmann wurde 1991 der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin verliehen. Im Jahr 1976 entwickelten die beiden MaxPlanck-Forscher eine Methode, mit der sich zum ersten Mal der außerordentlich schwache elektrische Strom durch einen einzigen geöffneten Ionenkanal in einer Nervenzellmembran messen ließ – die sogenannte Patch-Clamp-Technik. Ionenkanäle – porenbildende Proteine – sind in der äußeren Membran fast aller Zelltypen eingebaut. Sie ver- Manfred Eigen erhielt 1967 den Nobelpreis für Chemie für »Untersuchungen von extrem schnellen chemischen Reaktionen, die durch Störung des Gleichgewichts durch sehr kurze Energieimpulse ausgelöst werden«. Bald darauf übernahm er die Leitung des Göttinger Max-Planck-Instituts für physikalische Chemie in der Bunsenstraße und initiierte die Gründung des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie am Faßberg vor den Toren Göttingens. mitteln nicht nur die elektrische Aktivität von Nerven- und Muskelzellen, sondern übersetzen auch physikalische oder chemische Sinnesreize in neuronale Signale. Auch Blut-, Immun- oder Leberzellen nutzen Ionenkanäle zur Kommunikation. Diese Nanomaschinen in der Membran sind daher keine reine »Nervensache«, sondern spielen in den »Nachrichtensystemen« der Organismen eine universelle Rolle. Erwin Neher (links) und Bert Sakmann (rechts) erhielten 1991 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin »für ihre Entwicklung einer Methode zum direkten Nachweis von Ionenkanälen in Zellmembranen zur Erforschung der Signalübertragung innerhalb der Zelle und zwischen den Zellen«. Diese sogenannte Patch-Clamp-Technik wird heute von Forschungslabors weltweit eingesetzt. Sie lieferte den Schlüssel zur Aufklärung zahlreicher Lebensprozesse auf zellulärer Ebene. 7 Tradition und Vision D as Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie am Göttinger Faßberg wurde auf Initiative von Manfred Eigen gegründet und 1971 offiziell eingeweiht. Seine Geschichte lässt sich jedoch weit länger zurückverfolgen. Sie reicht zurück bis zum einstigen Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie in Berlin, das 1949 von Karl Friedrich Bonhoeffer als Max-Planck-Institut für physikalische Chemie in Göttingen wieder aufge- baut wurde. Durch Zusammenlegung mit dem Göttinger Max-Planck-Institut für Spektroskopie ging daraus das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie hervor. Der Physikochemiker Karl Friedrich Bonhoeffer verfolgte bereits früh einen stark interdisziplinären Ansatz und wandte physikalisch-chemische Methoden auch auf biologische Fragestellungen an. Grund genug, das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie nach ihm zu benennen. Die Vision von Manfred Eigen war es, am neu gegründeten Institut komplexe Lebensvorgänge mit biologischen, chemischen und physikalischen Methoden zu erforschen. Eine Vision, die den Erfolg des Instituts maßgeblich mitbestimmt hat und die in den Abteilungen und Arbeitsgruppen auch heute noch trägt. Karl Friedrich Bonhoeffer (1899–1957) war der Gründer und erster Leiter des Max-Planck-Instituts für physikalische Chemie in Göttingen, das er 1949 als Nachfolgeinstitut des Berliner Kaiser-Wilhelm-Instituts für physikalische Chemie wieder aufgebaut hatte. 8 Derzeit besteht das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie aus elf Abteilungen und 30 Arbeitsgruppen mit eigenen Forschungsschwerpunkten. Mit mehr als 830 Mitarbeitern – darunter rund 470 Wissenschaftler – ist es nicht nur eines der größten Institute der Max-Planck-Gesellschaft. Es ist auch in seiner interdisziplinären Ausrichtung einzigartig. Die Direktoren der einzelnen Abteilungen sind zugleich Wissenschaftliche Mitglieder der MaxPlanck-Gesellschaft und entscheiden gemeinsam über die Geschicke des Instituts. Aus dem Direktorenkreis des Instituts stammen auch der amtierende Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Peter Gruss, und Vizepräsident Herbert Jäckle. Über ganz Deutschland verteilt unterhält die »Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.« zurzeit 80 Institute mit einem breiten Spektrum unterschiedlicher Fachgebiete von Geisteswissenschaften über Rechtswissenschaften bis hin zu Naturwissenschaften und Astronomie. Um die hohe Qualität der wissenschaftlichen Arbeiten auch langfristig zu gewährleisten, begutachtet ein Fachbeirat von internationalen Wissenschaftlern regelmäßig die geleistete Forschung am Institut. Ein Kuratorium, dem neben Wissenschaftlern auch Vertreter aus Wirtschaft und Politik angehören, unterstützt die Einbettung in das breitere gesellschaftliche Umfeld. 9 Lehren und Lernen W issenschaft gründet sich auf Erfahrung, aber längst nicht nur. Ihre Zukunft ist der wissenschaftliche Nachwuchs, der die Forschung weiter vorwärts treibt. Viele Forscher am MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie lehren daher als Professoren an der Göttinger Universität, beteiligen sich aktiv an Sonderforschungsbereichen und Graduiertenkollegs und halten so den engen Kontakt zu den Studierenden. Viele Studierende kommen wiederum für ihre Laborarbeit während der Bachelor- und Masterarbeit oder der Promotion an das Institut. Im internationalen Wettbewerb um die besten jungen Köpfe haben die Max-Planck-Gesellschaft und verschiedene Universitäten für exzellente Studierende ein besonderes Ausbildungsprogramm geschaffen: die International Max Planck Research 10 Schools. Gemeinsam mit der Universität Göttingen und dem Deutschen Primatenzentrum haben die Max-Planck-Institute für biophysikalische Chemie, für Experimentelle Medizin sowie für Dynamik und Selbstorganisation die naturwissenschaftlichen Programme Molecular Biology, Neurosciences und Physics of Complex and Biological Systems ins Leben gerufen. Die strukturierte Ausbildung mit exzellenten Forschungs- und Lernbedingungen soll besonders begabte deutsche und ausländische Studierende auf ihre Promotion vorbereiten. Auch zum Erfolg der Göttinger Georg-AugustUniversität bei der nationalen Exzellenzinitiative hat das Institut mit der Göttinger Graduiertenschule für Neurowissenschaften und Molekulare Biowissenschaften (GGNB) wesentlich beigetragen. Aus Mitteln der Exzellenzinitiative gefördert, schafft die GGNB optimale Forschungs- und Ausbildungsbedingungen für Doktoranden und fördert junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit intensiven Betreuungs- und Kursangeboten. Programme für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gibt es auch im Rahmen weiterer Kooperationen des Instituts mit der Universität, den Max-Planck-Instituten für Dynamik und Selbstorganisation und für Experimentelle Medizin sowie dem Deutschen Primatenzentrum. Dazu zählen: – das European Neuroscience Institute (ENI), das sich der experimentellen Forschung über Funktionen und Krankheiten des Nervensystems widmet, – das Göttinger Zentrum für Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB), an dem Forscher interdisziplinär im Bereich der Hirnforschung zusammenarbeiten, um molekulare Prozesse und Wechselwirkungen zwischen Nervenzellen besser zu verstehen, – das Bernstein Center for Computational Neuroscience (BCCN Göttingen), an dem die neuronalen Grundlagen unserer Gehirnleistungen mithilfe mathematischer Modelle erforscht werden, – der Göttinger Exzellenzcluster Mikroskopie im Nanometerbereich, der innovative MikroskopieMethoden mit einer Auflösung im Nanometerbereich entwickelt und nutzbar macht. 11 Wenn eine neue Idee zündet O b medizinische Diagnostik, Lasertechnologie oder Mikroskopie – Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung lösen manch praktisches Problem, das die angewandte Forschung nicht zu lösen vermochte. Solche Erkenntnisse sind daher auch in der Industrie stark nachgefragt. Viele Wissenschaftler am Institut haben vielversprechende Patente angemeldet und Firmen gegründet, etwa im Bereich der medizinischen Diagnostik und Therapie, der Mess- und Umwelttechnik oder der ultra-hochauflösenden Mikroskopie. Mit der neu entwickelten FLASH (Fast Low Angle Shot)-Methode lassen sich in der Magnetresonanz-Tomografie Bilder 100-fach schneller aufnehmen. Diese neue Technik revolutionierte die Magnetresonanz-Tomografie und machte es erst möglich, sie in Kliniken weltweit routinemäßig einzusetzen. Das FLASH-Patent war lange Zeit eines der erfolgreichsten Patente der Max-PlanckGesellschaft. Die RNA-Interferenz (RNAi)-Technik konnte am Institut erstmals erfolgreich an Säugerzellen angewandt werden. Einzelne Gene können so gewissermaßen »stumm« geschaltet und so ihre Funktion gezielt untersucht werden. Diese Methode könnte es in Zukunft ermöglichen, bestimmte Erbkrankheiten zu behandeln. 12 Das am Institut entwickelte STED (Stimulated Emission Depletion)-Mikroskop erlaubt fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen mit einer drastisch verbesserten Auflösung gegenüber herkömmlichen Lichtmikroskopen. Damit können selbst winzige Details im Inneren lebender Zellen beobachtet und sogar live »gefilmt« werden. Das ultra- STED+ Konfokal hochauflösende Mikroskop ist seit 2007 auch kommerziell erhältlich. Die Einnahmen aus Patenten und Lizenzen werden am Institut in neue Projekte investiert. Die Anwendung der Patente schafft neue Arbeitsplätze für hochqualifizierte Mitarbeiter. Daneben gibt es ein breites Spektrum weiterer Kooperationen mit Industrieunternehmen. Pharmazeutische Firmen sind hier ebenso vertreten wie Unternehmen, die industrielle Messtechnik entwickeln. An mehr als einem Dutzend Firmengründungen sind ehemalige Mitarbeiter des Instituts beteiligt. Eine dieser Ausgründungen ist die Firma DIREVO (heute Bayer HealthCare AG), in der eine automatisierte »Evolutionsmaschine« im Einsatz ist. Mit dieser Technologie lassen sich biologisch-pharmazeutische Wirkstoffe schnell auffinden und optimieren. Ein weiteres Beispiel ist die Firma Lambda-Physik (heute Coherent), die sich auf die Entwicklung von Lasern spezialisiert hat, die mit extrem kurzen Lichtpulsen arbeiten. Wie zahlreiche Patente dokumentieren, wurden die Laser kontinuierlich weiterentwickelt. Sie werden heute neben der Drucktechnik auch in Medizin und Forschung eingesetzt. Auch die Biotechnologie-Firma DeveloGen, an der die Max-Planck-Gesellschaft selbst als Gesellschafterin beteiligt ist, entstammt dem MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie. Zwei Wissenschaftler des Instituts, Peter Gruss und Herbert Jäckle, haben dieses Unternehmen im Jahr 1997 gegründet. Dort werden die von ihnen entschlüsselten genetischen Kontrollprozesse bei der Entwicklung unterschiedlicher Gewebe genutzt, um Therapien zu entwickeln, mit denen sich Krankheiten wie Fettleibigkeit und Diabetes behandeln lassen. 13 Starker Service für Spitzenforschung W as, wenn ein Baustein fehlt, sei es im komplizierten Versuchsaufbau oder im eigenen Wissensschatz? Werkstätten und Bibliothek sind für eine erfolgreiche Forschungsarbeit ebenso wichtig wie gut ausgestattete Labors. Um Einblicke in die »inneren Angelegenheiten« lebender Zellen zu erhalten, wird die Leistungsfähigkeit und Auflösung von Experimenten und Messgeräten immer weiter vorangetrieben. Die Ideen der Wissenschaftler werden dabei von den Experten in der Feinmechanik- und der Elektronik- 14 Werkstatt praktisch umgesetzt, sei es bei der PatchClamp-Technik, beim Einfrieren biologischer Proben oder bei der ultra-hochauflösenden Mikroskopie. Rund 50 Mitarbeiter der Werkstätten bauen komplizierte neue Geräte oder optimieren vorhandene Apparaturen für das jeweilige Experiment. In den Regalen der Otto-Hahn-Bibliothek stehen mehr als 70.000 Zeitschriftenbände neben fast 40.000 Monographien; rund 600 Zeitschriften werden im Abonnement bezogen. Wer das Gesuchte dort nicht findet, kann auf eine Vielzahl elektroni- scher Kataloge und diverse Datenbanken zurückgreifen oder die Möglichkeit zur Fernleihe aus anderen Fachbibliotheken nutzen. Dieser Service steht neben Institutsangehörigen allen Interessierten offen. Ebenso unentbehrlich sind die Mitarbeiter in den wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen zentralen Einrichtungen. Damit allen Forschern am Institut die besten Analyse- und Messmethoden zur Verfügung stehen, und um diese stets auf dem neuesten Stand zu halten, arbeiten Wissenschaftler in den abteilungsübergreifenden Einrichtungen »Elektronenmikroskopie«, »Innovative Lichtmikroskopie«, »Massenspektrometrie« und »Röntgenkristallografie« an der Weiterentwicklung komplexer Methoden auf ihrem Gebiet. Institutsmitarbeiter finden hier bei der Probenvorbereitung ebenso Unterstützung wie bei der Aufnahme und Analyse ihrer Daten. Das Team des IT & Elektronikservice unterstützt die Mitarbeiter bei allen Hardware- und SoftwareProblemen und sorgt für die reibungslose Speicherung, Archivierung und Übertragung ihrer Daten, sowohl intern als auch mit kooperierenden For- schungseinrichtungen innerhalb und außerhalb Göttingens. Kolleginnen und Kollegen in der Reprostelle gewährleisten die professionelle Bearbeitung von Fotos und Präsentationsmaterial sowie der internen Mitarbeiterzeitung. Das EU-Referat berät Forscher bei der Antragstellung und unterstützt sie bei den Vertragsverhandlungen mit der EU-Kommission sowie bei der gesamten Projektkoordination. Die Werkstätten, die Tischlerei, der IT & Elektronikservice, die Haustechnik und die Verwaltung des Instituts bieten zudem auch etlichen jungen Leuten eine qualifizierte Ausbildung. Vier bis sechs Auszubildende schließen jedes Jahr ihre Ausbildung ab, oft mit überdurchschnittlichem Erfolg. Nicht zuletzt können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschung nur dann mit Engagement vorantreiben, wenn auch ihr Nachwuchs tagsüber gut versorgt ist. Das Institut bietet daher seit 2005 eine Kinderbetreuung direkt auf dem Institutsgelände an. Rund 30 Kinder im Alter von ein bis vier Jahren werden dort fachkundig umsorgt – und das für den ganzen Tag. 15 Offene Türen A m Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie stoßen Interessierte auf offene Türen. Bei Führungen durch das Institut und einzelne Abteilungen, bei Vorträgen und bei Diskussionen kann sich jeder – ob Lehrer, Schüler, Journalist oder Privatperson – über aktuelle Forschungsprojekte informieren. Ein größeres Publikum lässt sich allerdings nur über die Medien erreichen. Deshalb gibt das Institut nicht nur Pressemitteilungen zu aktuellen Themen heraus. Journalisten werden für Recherchen und Nachfragen auch gern an Fachleute am Institut weitervermittelt. Darüber hinaus hält das Institut für Journalisten noch ein weiteres Angebot bereit: Im Rahmen der Europäischen Initiative für Wissenschaftsjournalisten (European Initiative for Communicators of Science, EICOS) werden einmal jährlich bis zu 14 Journalisten und Redakteure an das Institut eingeladen und erleben dort die Forschung in den Laboren hautnah. Für eine Woche – manchmal auch länger – hantieren sie selbst mit Pipette und Gelkammer, spüren bestimmten 16 Proteinmolekülen nach und untersuchen, wie diese in der Zelle ihre Aufgaben verrichten. So gewinnen sie nicht nur einen unmittelbaren Einblick in den Alltag der Forscher, auch die Wissenschaftler profitieren von den Einsichten in die Arbeitsweise der Journalisten. Lehrer und Schüler lädt das Max-PlanckInstitut für biophysikalische Chemie ein, die Forschung am Institut in Führungen und Vorträgen mit anschaulichen Experimenten kennenzulernen. In ein Labor hineinschnuppern können Schülerinnen und Schüler zum Beispiel im Rahmen der Göttinger Woche: Wissenschaft und Jugend, die die Stadt Göttingen alljährlich veranstaltet. Viele Arbeitsgruppen am Institut bieten in dieser Woche Vorträge, Vorführungen und Besichtigungen an. So kann man etwas über die innere Uhr lernen, Proteinen gewissermaßen »bei der Arbeit« zuschauen, selbst einen Blick durch ein hochmodernes Mikroskop werfen oder einen Magnetresonanztomografen aus nächster Nähe kennenlernen. Lehrerinnen und Lehrer können zudem ihr Wissen auf bestimmten Schwerpunkten vertiefen. In Kooperation mit XLAB – Göttinger Experimentallabor für Junge Leute e. V. bietet das Institut Lehrerfortbildungen an. Sollten weder Lehrbuch noch Recherchen weiterhelfen – über das OnlinePortal Schule fragt die Wissenschaft können sich Schüler wie Lehrer mit ihren naturwissenschaft- lichen Fragen direkt an Wissenschaftler des Instituts und XLAB wenden. Und schließlich soll nicht vergessen werden: Am Institut wird Wissenschaft betrieben, aber nicht nur. Im Foyer sind regelmäßig Kunstausstellungen zu sehen. Im Rahmen einer Wissenschaftsreihe ist das Institut zum wiederholten Mal auch am Göttinger Literaturherbst beteiligt. 17 Emeritierte Wissenschaftliche Mitglieder Professor Dr. Otto-D. Creutzfeldt † 1971 – 1992 · Neurobiologie (links) Professor Dr. Leo C. M. De Maeyer 1971 – 1996 · Experimentelle Methoden (Mitte) Professor Dr. Manfred Eigen 1971 – 1995 · Biochemische Kinetik (rechts) Professor Dr. Dieter Gallwitz 1985 – 2004 · Molekulare Genetik (links) Professor Dr. Manfred Kahlweit 1971 – 1996 · Kinetik der Phasenbildung (Mitte) Professor Dr. Hans Kuhn 1971 – 1984 · Molekularer Systemaufbau (rechts) Professor Dr. Bert Sakmann 1985 – 1988 · Zellphysiologie (links) Professor Dr. Fritz Peter Schäfer 1971 – 1994 · Laserphysik (Mitte) Professor Dr. Hans Strehlow 1971 – 1984 · Elektrochemie und Reaktionskinetik (rechts) Professor Dr. Klaus Weber 1973 – 2004 · Biochemie und Zellbiologie (links) Professor Dr. Albert Weller † 1971 – 1990 · Spektroskopie (Mitte) Professor Dr. Victor P. Whittaker 1973 – 1987 · Neurochemie (rechts) 18 Forschung im Fokus 19 Tiefer blicken 20 Wie die Welt des Verborgenen sichtbar wird Dass die Erbsubstanz DNA als Doppelhelix daherkommt – ohne Röntgenstrukturanalyse hätten Francis Crick und James Watson das nicht herausfinden können. Und wie hätte Robert Koch, ebenfalls Nobelpreisträger, ohne ein gutes Mikroskop den Milzbrand-Erreger aufspüren sollen? Wissenschaftliche Spitzenleistungen erfordern entsprechendes Handwerkzeug. Kein Wunder, dass viele Wissenschaftler des Instituts an methodischen Innovationen arbeiten. So sind zum Beispiel neue spektroskopische und mikroskopische Verfahren gefragt, um auf der Ebene einzelner Moleküle strukturelle Details zu erfassen und die Dynamik molekularer Prozesse zu erkunden. 21 NanoBiophotonik U nsichtbares sichtbar zu machen, dieses Ziel verfolgen wir mit unseren überauflösenden Lichtmikroskopen. Konventionelle Mikroskope stoßen an ihre Grenzen, wenn zwei gleichartige Objekte dichter als 200 Nanometer (millionstel Teile eines Millimeters) nebeneinander liegen: Die Beugung der Lichtstrahlen lässt sie optisch zu einem einzigen Objekt verschwimmen. Daran können auch die besten Linsensysteme nichts ändern. Wer in molekulare Dimensionen vordringen will, kann auf ein Elektronenmikroskop zurückgreifen. Was sich im Inneren einer lebenden Zelle abspielt, lässt sich jedoch nur mit Lichtmikroskopen beobachten. Clever beleuchtet Um dem Phänomen der Lichtbeugung ein Schnippchen zu schlagen, sorgen wir dafür, dass benachbarte Moleküle – die im klassischen Bild verschwimmen würden – ihre Fluoreszenz zeitlich nacheinander abgeben. Dabei nutzen wir verschiedene molekulare Prozesse, um die Fluoreszenz eines Moleküls ein- und auszuschalten. Mit einem »Trick« haben wir die erste Lichtmikroskopie-Methode entwickelt, die nicht mehr durch die Beugung begrenzt ist: die Stimulated Emission Depletion (STED)-Mikroskopie. Hierbei wird dem Anregungsstrahl ein zweiter Lichtstrahl – der STED-Strahl – hinterher gesandt, der in der Mitte einen dunklen Punkt aufweist. Durch den STED-Strahl werden Moleküle am Rand des Lichtflecks ausgeschaltet, Moleküle im Zentrum können dagegen ungestört fluoreszieren. Mit einer bis zu zehnfach verbesserten Auflösung gegenüber herkömmlichen Mikroskopen lassen sich fluoreszenz-markierte Proteinkomplexe mit einem Abstand von nur 15 bis 50 Nanometern getrennt voneinander beobachten. Wird die Helligkeit des STED-Strahls weiter erhöht, kann die Zahl der zur Fluoreszenz fähigen Moleküle verkleinert und so die Ausdehnung des Spots, in dem Moleküle fluoreszieren können, beliebig verringert werden. Kombiniert mit dynamischen Methoden wie der Fluoreszenz-Korrelations-Spektroskopie und Techniken der schnellen Lichtstrahl-Rasterung, lassen sich mit der STED- Zwei-Farben-STED-Aufnahme eines Glioblastoms, des häufigsten bösartigen Hirntumors bei Erwachsenen. Das Protein Clathrin ist grün, das Protein β-Tubulin rot angefärbt. Im Gegensatz zum verschwommenen klassischen Bild (links) zeigt das STED-Bild (rechts) erheblich feinere Strukturen. (Bildaufnahme und Probe: J. Bückers, D. Wildanger, L. Kastrup, R. Medda) 22 Mikroskopie sogar Lebensvorgänge im Inneren einer Zelle in hochaufgelösten Videos »live« verfolgen. Fluoreszenz mit Schalter Das Schalten der Fluoreszenz kann aber auch anders erfolgen: Bei einer weiteren hochauflösenden MikroskopieMethode – der GSDIM-FluoreszenzMikroskopie – ist stets exakt ein Molekül im Beugungsbereich eingeschaltet, allerdings an einer unbekannten, zufälligen Position. Die Nachbarmoleküle liegen dann zwar innerhalb des Beugungsflecks, sind aber inaktiv und stören daher nicht die Aufnahme des einzelnen aktiven Moleküls. Aus dessen Fluoreszenz kann die Position des Moleküls mit einer Genauigkeit berechnet werden, die weit jenseits der Auflösungsgrenze liegt. Dieses Verfahren wird so lange wiederholt, bis jedes Molekül erfasst ist. Ein weiterer Schwerpunkt unserer Forschung ist die Entwicklung innovativer optischer Anordnungen. Im 4PiMikroskop werden zwei Objektive auf einen Punkt gerichtet, so dass sich das Licht im Fokus überlagert. Dadurch gelingt eine Verkleinerung des Lichtfokus um das Drei- bis Siebenfache entlang der Längsachse des Mikroskops. Raffiniert kombiniert Kombiniert man die 4Pi- mit der STEDMikroskopie, so lassen sich damit Objekte in allen Raumrichtungen auseinanderhalten, die kaum 30 Nanometer voneinander entfernt sind – bis vor wenigen Jahren noch unvorstellbar. Prinzipiell geht es sogar noch schärfer: bis in den Größenbereich des Moleküls selbst. Solche »scharfsichtigen« Mikroskope versprechen völlig neue Einsichten in die »inneren Angelegenheiten« lebender Zellen. Prof. Dr. Stefan W. Hell promovierte 1990 an der Universität Heidelberg in Physik und arbeitete von 1991 bis 1993 am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologe in Heidelberg. Von 1993 bis 1996 forschte er an den Universitäten Turku (Finnland) und Oxford (Großbritannien). Im Jahr 1997 wechselte er als Leiter der Max-Planck-Nachwuchsgruppe »Hochauflösende optische Mikroskopie« an das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, wo er seit 2002 die Abteilung »NanoBiophotonik« leitet. Stefan Hell erhielt für seine Forschung zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Preis der International Commission for Optics (2000), den HelmholtzPreis (2001), den zehnten Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten (2006) und den JuliusSpringer-Preis (2007). Im Jahr 2008 wurde ihm der Leibniz-Preis sowie der Niedersächsische Staatspreis überreicht. 2009 erhielt er den Otto-Hahn-Preis für Physik. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/groups/hell Die STED-Mikroskopie (innen) liefert hier zirka zehnmal schärfere Details von Filamentstrukturen einer Nervenzelle als ein herkömmliches Mikroskop (außen). (Aufnahme: G. Donnert, S. W. Hell) S. W. Hell: Far-field optical nanoscopy. Science 316, 1153-1158 (2007). S. W. Hell: Nanoskopie mit fokussiertem Licht. Physik Journal 6, 47-53 (2007). 23 Struktur und Dynamik von Mitochondrien itochondrien sind die »Kraftwerke« der Zelle. Sie liefern ihr die nötige chemische Energie, die den zellulären Stoffwechsel in Gang hält. Entsprechend fatal sind die Folgen, wenn diese nicht richtig funktionieren: Defekte Mitochondrien können zu Erkrankungen wie Krebs, Parkinson oder Alzheimer führen. Doch wie sind Mitochondrien im Detail aufgebaut, und welche molekularen Mechanismen stecken hinter dieser Architektur? Mitochondrien sind so nanoskopisch klein, dass sich ihre innere Struktur bisher nur mit Elektronenmikroskopen untersuchen ließ. Dazu müssen Zellen allerdings zunächst fixiert und dann in hauchdünne Scheiben geschnitten werden. Entsprechend wenig weiß man darüber, was sich in den Mitochondrien lebender Zellen abspielt. M PD Dr. Stefan Jakobs studierte Biologie in Kaiserslautern und Manchester (Großbritannien) und promovierte 1999 am MaxPlanck-Institut für Züchtungsforschung in Köln. Anschließend arbeitete er zunächst als Postdoktorand in Köln und in der Abteilung »NanoBiophotonik« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Seit 2005 leitet er die Forschungsgruppe »Struktur und Dynamik von Mitochondrien«. Stefan Jakobs habilitierte sich 2007 an der Universität Göttingen. Kontakt: [email protected] www.mitoweb.de Säugetierzellen, in denen die Mitochondrien grün, das Zellskelett aus Mikrotubuli rot und der Zellkern blau markiert sind. I. E. Suppanz, C. A. Wurm, D. Wenzel, S. Jakobs: The m-AAA protease processes cytochrome c peroxidase preferentially at the inner boundary membrane of mitochondria. Mol. Biol. Cell 20, 572580 (2009). R. Schmidt, C. A. Wurm, A. Punge, A. Egner, S. Jakobs, S. W. Hell: Mitochondrial cristae revealed with focused light. Nano Lett. 9, 2508-2510 (2009). M. Andresen, A. C. Stiel, J. Fölling, D. Wenzel, A. Schönle, A. Egner, C. Eggeling, S. W. Hell, S. Jakobs: Photoswitchable fluorescent proteins enable monochromatic multilabel imaging and dual color fluorescence nanoscopy. Nature Biotechnol. 26, 1035-1040 (2008). M. Andresen, A. C. Stiel, S. Trowitzsch, G. Weber, C. Eggeling, M. C. Wahl, S. W. Hell, S. Jakobs: Structural basis for reversible photoswitching in Dronpa. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 104, 1300513009 (2007). 24 10 µm Mit Lichtmikroskopen lassen sich dagegen auch völlig intakte Zellen untersuchen. Selbst bei den besten konventionellen Modellen reicht die räumliche Auflösung allerdings bei weitem nicht aus, um das Innere der »Kraftwerke« genauer unter die Lupe zu nehmen. Deshalb nutzen wir neue lichtmikroskopische Verfahren wie die Stimulated Emission Depletion (STED)Mikroskopie, mit der sich die Bildschärfe um ein Vielfaches steigern lässt. Konfokal STED 1µm Verschiedene Proteinkomplexe – hier der »TOMKomplex« – reichern sich in bestimmten Bereichen der äußeren Mitochondrien-Membran an. Links: Aufnahme mit konventioneller Laser-RasterFluoreszenz-Mikroskopie, rechts: Aufnahme mit STED-Mikroskopie. Blick ins Innere der Zellkraftwerke Ausgewählte Proteine werden dabei mit Farbstoffen oder fluoreszierenden Proteinen markiert, um sie anschließend in den Mitochondrien lokalisieren zu können. So haben wir beispielsweise entdeckt, dass sich einige Proteinkomplexe in einem bestimmten Teil der inneren MitochondrienMembran konzentrieren. Derzeit erforschen wir die funktionelle Bedeutung dieser speziellen Verteilung. In einem zweiten Forschungsschwerpunkt geht es darum, unsere molekularen Werkzeuge zu verbessern. Wir untersuchen und entwickeln fluoreszierende Proteine, die sich mit Lichtblitzen wiederholt gezielt ein- und ausschalten lassen. Dank ihrer besonderen Fähigkeiten eröffnen solche photochromen Proteine ganz neue Möglichkeiten, das Innenleben von Zellen und Mitochondrien zu erkunden. Biomolekulare Spektroskopie und Einzelmoleküldetektion U m den Nanokosmos der Zelle zu erforschen, entwickeln Wissenschaftler immer ausgetüfteltere Werkzeuge und Techniken. Unsere Forschungsgruppe ist darauf spezialisiert – meist in enger Zusammenarbeit mit biologisch orientierten Gruppen des Instituts – Biomoleküle mittels spektroskopischer und mikroskopischer Verfahren zu untersuchen und diese Techniken weiter zu verbessern. Wir erforschen beispielsweise, wie Nervenzellen innerhalb von Sekundenbruchteilen chemische Botenstoffe freisetzen, um Signale an andere Nervenzellen weiterzuleiten. In »Botenstoffpaketen« – den Vesikeln – verpackt, liegen diese Botenstoffe im Inneren der Nervenzellen bereit. Wenn ein elektrischer Nervenreiz anzeigt, dass eine Botschaft übermittelt werden soll, verschmelzen einige synaptische Vesikel mit der Zellmembran und entleeren ihren Inhalt nach außen, so dass eine benachbarte Nervenzelle den Reiz sofort erkennen kann. Diese Vesikel sind nur 30 bis 60 Nanometer (millionstel Millimeter) groß. Trotzdem gelingt es uns, im Reagenzglas sogar einzelne von ihnen exakt in dem Moment zu studieren, wenn sie mit künstlichen Zellmembranen fusionieren. Dies erreichen wir dank hochempfindlicher MikroskopieTechniken, die sogar einzelne an die Membranen geheftete Fluoreszenz-Farbstoffe erkennen können. Ultrakurze Laserblitze erhellen Photosynthese In einem weiteren Schwerpunkt untersuchen wir, wie bei der Photosynthese die Prof. Dr. Peter Jomo Walla Ein genau abgestimmtes Wechselspiel der Energieflüsse zwischen Chlorophyll- und Carotinoid-Molekülen erlaubt es dem Photosynthese-Apparat, fast jedes Lichtquantum für Elektronentransfers zu verwenden und deren Energie für die Erzeugung biochemisch gespeicherter Energie zu nutzen. Sonnenenergie eingefangen und in chemische Energie umgewandelt wird. Diese Umwandlung läuft teilweise so schnell ab, dass selbst modernste Oszilloskope diese Zeitskala nicht auflösen können. Wir arbeiten daher mit ultrakurzen Laserblitzen, die im Bereich von Femtosekunden (10 –15 Sekunden) liegen, also dem milliardsten Teil einer millionstel Sekunde. Dies sind Zeitskalen, in denen selbst Licht nur Distanzen zurücklegt, die kürzer sind als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Langfristig möchten wir künstliche Photosynthesesysteme entwickeln, die solare Energie in chemisch gespeicherte Energie umwandeln und so für den Menschen nutzbar machen können. studierte in Heidelberg und Göttingen Chemie und wechselte für die Promotion an das Max-PlanckInstitut für biophysikalische Chemie. Nach Forschungsaufenthalten am CNRS (Bordeaux, Frankreich) und an der University of California (Berkeley, USA) arbeitete er als Abteilungsleiter der DIREVO Biotech AG. Im Jahr 2003 etablierte er mit einem EmmyNoether-Stipendium eine Nachwuchsgruppe am Institut. 2007 wurde er als Professor an die TU Braunschweig berufen und leitet am Institut weiterhin die Forschungsgruppe «Biomolekulare Spektroskopie und Einzelmoleküldetektion». Peter Jomo Walla erhielt einen Forschungspreis des Fonds der Chemischen Industrie für ausgewählte Juniorprofessoren in der Chemie (2003) und den Young-Investigators Award der Gordon Conference on Photosynthesis (2000). Kontakt: [email protected] www.pci.tu-bs.de/agwalla/ Peter_Walla_Main_d.htm A. Cypionka, A. Stein, J. M. Hernandez, H. Hippchen, R. Jahn, P. J. Walla: Discrimination between docking and fusion of liposomes reconstituted with neuronal SNARE-proteins using FCS. Proc. Natl. Acad. Sci. USA | doi:10.1073/ pnas.0906677106 (2009). P. J. Walla: Modern biophysical chemistry. Wiley-VCH Weinhein, Februar 2009. S. Bode, C. C. Quentmeier, P-N. Liao, N. Hafi, T. Barros, L. Wilk, F. Bittner, P. J. Walla: On the regulation of photosynthesis by excitonic interactions between carotenoids and chlorophylls. Proc. Natl. Acad. Sci. 106, 12311-12316 (2009). In der Arbeitsgruppe »Biomolekulare Spektroskopie und Einzelmoleküldetektion« werden konfokale Mikroskopie-Methoden angewendet und entwickelt, mit denen sich Biomoleküle einzeln untersuchen lassen. P. J. Walla, P. A. Linden, C.–P. Hsu, G. D. Scholes, G. R. Fleming: Femtosecond dynamics of the forbidden carotenoid S1 state in light-harvesting complexes of purple bacteria observed after twophoton excitation. Proc. Natl. Acad. Sci. 97, 10808-10813 (2000). 25 Labor für Zelluläre Dynamik Z Dr. Thomas M. Jovin promovierte 1964 an der Johns Hopkins University (USA). Seit 1969 ist er Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und forschte als Direktor und Leiter der Abteilung »Molekulare Biologie« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Nach seiner Emeritierung 2007 führt er seine Forschung als Leiter der Emeritusgruppe «Labor für Zelluläre Dynamik» und des «Laboratorio Max Planck de Dinámica Celular», Universität von Buenos Aires (Argentinien), fort. Thomas Jovin erhielt die Ehrendoktorwürde der Limburg-Universität (Belgien) und der University Medical School, Debrecen (Ungarn). Er ist Honorarprofessor der Facultad de Ciencias Exactas y Naturales der Universität von Buenos Aires, EMBOMitglied und Ehrenmitglied der biologischen Sektion der Ungarischen Akademie der Wissenschaft. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/groups/jovin/ M. Gralle Botelho, X. Wang, D. J. ArndtJovin, D. Becker, T. M. Jovin: Induction of terminal differentiation in melanoma cells on downregulation of -amyloid precursor protein. J. Invest. Dermatol. | doi:10.1038/jid.2009.296 (2009). M. S. Celej, W.Caarls, A. P. Demchenko, T. M. Jovin: A triple emission fluorescent probe reveals distinctive amyloid fibrillar polymorphism of wild-type ␣-synuclein and its familial Parkinson’s disease mutants. Biochemistry 48, 7465-7472 (2009). E. A. Jares-Erijman, T. M. Jovin: Reflections on FRET imaging: formalism, probes, and implementation. In: »FRET and FLIM Imaging Techniques«. T. Gadella, Jr. ed. S. 475-517. Elsevier (2009). M. J. Roberti, M. Morgan, G. Menéndez, L. Pietrasanta, T. M. Jovin, E. A. JaresErijman: Quantum dots as ultrasensitive nanoactuators and sensors of amyloid aggregation in live cells. J. Am. Chem. Soc. 131, 8102-8107 (2009). 26 wei Forschungsbereiche stehen im Mittelpunkt unserer Arbeit. Zum einen beschäftigen wir uns damit, wie normale Zellen, aber auch Tumorzellen, von Wachstumsfaktoren und anderen äußeren Faktoren aktiviert werden. Zum anderen erkunden wir, welche molekularen Mechanismen der Parkinson-Krankheit zugrunde liegen. Dass sich in den Nervenzellen des Gehirns von Parkinson-Patienten Fibrillen des Proteins α-Synuclein bilden, ist bereits bekannt. Doch was macht diese sogenannten Amyloid-Aggregate so zerstörerisch, und wie lässt sich den fatalen Verklumpungen vorbeugen? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, kombinieren wir molekular- und zellbiologische Techniken mit biophysikalischen Methoden. Moleküle in lebenden Zellen aufspüren Für unsere Studien entwickeln und benutzen wir neuartige fluoreszierende Halbleiter-Nanokristalle (Quantum Dots), edelmetallische Nanopartikel (Nanodots) und organische Verbindungen, die wir an biologische Moleküle anheften. Mithilfe eines neuartigen Hochgeschwindigkeitsfluoreszenz-Mikroskops (Programmable Array Microscope, PAM) aus eigener Werkstatt lassen sich solcherart markierte Moleküle an lebenden Zellen mit einer hohen räumlichen, zeitlichen und spektralen Auflösung untersuchen. Donna Arndt-Jovin leitet zellbiologisch orientierte Forschungsprojekte. Sie erforscht WachstumsfaktorRezeptoren in Zellen und menschlichen Tumoren sowie die Architektur des Zellkerns. Dazu entwickelt sie neue molekulare Sonden und MikroskopieMethoden, die sie für Untersuchungen an lebenden Zellen einsetzt. Menschliche Tumor-Epithelzellen: Der mit Quantum Dots markierte Epidermale Wachstumsfakor (EGF, rot) bindet an seinen Rezeptor, der seinerseits mit einem grün fluoreszierenden Protein gekoppelt ist. Das Bild wurde mit einem am Institut entwickelten neuartigen HochgeschwindigkeitsfluoreszenzMikroskop (Programmable Array Microscope) aufgenommen. (G. M. Hagen, K. A Lidke, B. Rieger, W. Caarls, D. J. Arndt-Jovin, T. M. Jovin: Dynamics of membrane receptors: single molecule tracking of quantum dot liganded epidermal growth factor. In: Yanagida, T, Ishii, Y, Eds. Single Molecule Dynamics in Life Sciences. Orlando: Wiley. pp. 117-130 (2008)). Biochemische Kinetik D ie faszinierende Vielfalt des Lebens ist naturgegebener Unschärfe der Reproduktion zu verdanken. Die Erbsubstanz Desoxyribonukleinsäure (DNA) selbst ist ein außergewöhnlich stabiles Makromolekül, doch beim Kopieren und Vervielfältigen treten bisweilen Fehler auf. Da nicht alle diese Defekte repariert werden, entstehen immer wieder neue Varianten als Grundlage für die Evolution der Organismen. Alle Arten von Lebewesen sind diesem ständigen Wandel unterworfen. Evolution lässt sich beobachten, aber auch unter kontrollierten Bedingungen nach Wunsch inszenieren: Bei solchen Experimenten dürfen sich Bakterien, Viren oder einzelne Nukleinsäure-Moleküle fleißig vermehren, während sie immer wieder nach bestimmten Kriterien aussortiert werden. Dafür sind Apparaturen entwickelt worden, die viele tausend Proben gleich- zeitig bearbeiten können. So lassen sich grundlegende Mechanismen der Evolution studieren, zum Beispiel auch die Tricks, mit denen das AIDS-Virus und andere tückische Krankheitserreger das Immunsystem überlisten. Darüber hinaus können derartige »Evolutionsmaschinen« dabei helfen, neuartige molekulare Wirkstoffe für Medikamente zu entwickeln. Die unterschiedlichen Fragestellungen haben eines gemeinsam: Stets müssen winzig kleine Stoffmengen analysiert werden. Die »Stecknadel im Heuhaufen« zu finden ist hier das Problem. Das gilt auch für diagnostische Verfahren, etwa bei der möglichst frühzeitigen Erkennung von BSE. Mit speziellen spektroskopischen Techniken kann man einzelne Moleküle nachweisen. Und nicht nur das: Im Prinzip lässt sich auf diese Weise sogar der Aufbau einzelner Nukleinsäure-Moleküle entschlüsseln. Prof. Dr. Manfred Eigen promovierte 1951 an der Universität Göttingen in Physik und arbeitete dort anschließend am Institut für physikalische Chemie. Seit 1953 am Max-Planck-Institut für physikalische Chemie tätig, übernahm er 1964 die Leitung der Abteilung »Chemische Kinetik«. Aus diesem Institut ging auf Initiative von Manfred Eigen 1971 das heutige Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie hervor. Dort ist Manfred Eigen auch nach seiner Emeritierung 1995 weiterhin wissenschaftlich aktiv. Für seine Forschung über »schnelle chemische Reaktionen« erhielt er 1967 den Nobelpreis für Chemie. Kontakt: www.mpibpc.mpg.de/ groups/eigen A. Koltermann, U. Kettling, J. Bieschke, T. Winkler, M. Eigen: Rapid assay processing by integration of dual-color fluorescence crosscorrelation spectroscopy: High throughput screening for enzyme activity. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 95, 1421-1426 (1998). Die Bilder zeigen die automatisierte »Evolutionsmaschine« der DIREVO Biosystems AG/Köln (heute: Bayer HealthCare AG) in der Vorderansicht (oben) und der Rückansicht (links). Die DIREVO Biosystems AG ist eine Ausgründung der Abteilung »Biochemische Kinetik« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. M. Eigen, B. Lindemann, M. Tietze, R. Winkler-Oswatitsch, A. Dress, A. von Haeseler: How old is the genetic code? Statistical geometry of tRNA provides an answer. Science 244, 673-679 (1989). M. Eigen: Stufen zum Leben. Die frühe Evolution im Visier der Molekularbiologie. R. Piper-Verlag, München (1987). M. Eigen: Selforganization of matter and evolution of biological macromolecules. Naturwissenschaften 58, 465-523 (1971). M. Eigen: Proton transfer acid-base catalysis, and enzymatic hydrolysis. I. Elementary processes. Angewandte Chemie Int. Ed. 3, 1-19 (1964). 27 ElektronenspinresonanzSpektroskopie O Dr. Marina Bennati promovierte 1995 an der Universität Stuttgart in Experimenteller Physik. Anschließend arbeitete sie am Massachusetts Institute of Technology und Harvard Center for Magnetic Resonance (Cambridge, USA). Im Jahr 2001 wechselte sie an die Universität in Frankfurt am Main, wo sie sich 2006 habilitierte. Seit 2007 leitet sie die selbstständige Forschungsgruppe »ElektronenspinresonanzSpektroskopie« am Max-PlanckInstitut für biophysikalische Chemie. Für ihre Forschung erhielt Marina Bennati 2002 den Young Investigator Award der International EPR Society. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/ research/ags/bennati b simples Wasser oder komplizierte Proteine, in Molekülen treten Elektronen meist paarweise auf. Durch ihren Spin – eine Form des Drehimpulses – erzeugen sie ein mikroskopisches Magnetfeld. Da sie in entgegengesetzte Richtungen rotieren, heben sich ihre magnetischen Wirkungen jedoch gegenseitig auf. Uns interessieren deshalb nur ungepaarte Elektronen, die uns als hochempfindliche Sonden dienen. Diese »paramagnetischen Zentren« können uns Informationen darüber liefern, wie komplexe Biomoleküle ihre Struktur verändern, während sie ihre speziellen Aufgaben erfüllen. Mit Methoden der Elektronenspinresonanz (EPR)-Spektroskopie können wir Biomoleküle unter beinahe natürlichen Bedingungen beobachten und etwas darüber lernen, wie sie in der lebenden Zelle agieren. Das Innere von Proteinen vermessen Wir entwickeln Techniken, mit denen wir ein paramagnetisches Zentrum oder mehrere paramagnetische Zentren gleichzeitig mit Mikrowellen oder Radiofrequenzstrahlung anregen, um ihre magnetischen WechselA V. Denysenkov, D. Biglino, W. Lubitz, T. Prisner, M. Bennati: Structure of the tyrosyl biradical of mouse R2 ribonucleotide reductase from high-field PELDOR. Angew. Chem. Int. Ed. 47, 12241227 (2008). M. R. Seyedsayamdost, C. T. Y. Chan, V. Mugnaini, J. Stubbe, M. Bennati: PELDOR spectroscopy with DOPA-β2 and NH2Y-α2s: Distance measurements between residues involved in the radical propagation pathway of E. coli ribonucleotide reductase. J. Am. Chem. Soc. 129, 15748-15749 (2007). V. Denysenkov, T. Prisner, J. Stubbe, M. Bennati: High-field pulsed electronelectron double resonance spectroscopy to determine the orientation of the tyrosyl radicals in ribonucleotide reductase. Proc. Nat. Acad. Sci. 103, 13386-13390 (2006). 28 B wirkungen zu manipulieren. So können wir nicht nur die Abstände zwischen den aktiven Zentren eines Proteins bis in den Nanometerbereich messen, sondern auch etwas über deren Ausrichtung innerhalb des Moleküls lernen. Wir verwenden darüber hinaus Detektionsfrequenzen im Millimeter-Bereich, die nicht nur polarisierende supraleitende Magnete erfordern, sondern noch eine deutlich komplexere Mikrowellentechnik. Daher gehen in unserer Arbeitsgruppe die biophysikalischen Untersuchungen Hand in Hand mit methodischen und technischen Weiterentwicklungen. Ungepaarte Elektronen sind bei zahlreichen Stoffwechselprozessen im Spiel. Paradebeispiele dafür sind die Photosynthese oder die Atmungskette, aber auch Proteine wie das Enzym RibonukleotidReduktase (RNR). Von den Bakterien bis hin zum Menschen übernimmt die RNR den letzten Schritt bei der Bildung der einzelnen Bausteine der Desoxyribonukleinsäure (DNA). Durch den Transfer von Elektronen entstehen dabei ebenfalls paramagnetische Zustände. Mithilfe verschiedener EPR-Techniken ist es uns gelungen, mehrere Zwischenschritte und Zwischenprodukte bei diesem enzymatischen Zyklus aufzuklären. Während Proteine wie die RNR schon von Natur aus ungepaarte Elektronen enthalten, müssen wir sie bei anderen Proteinen erst einbauen. Dazu führen wir gezielt Spinmarkierungen ein. Mit diesem Verfahren haben wir in Kollaboration mit anderen Forschungsgruppen des Instituts angefangen, die innere Struktur von Nukleinsäuren und Membranproteinen zu untersuchen. (A) Struktur des dimeren Komplexes der Ribonukleotid-Reduktase der Maus und Orientierung der aktiven Tyrosylradikale, die durch Hochfeld-EPR-Spektroskopie detektiert wurden. (B) Typische magnetfeldabhängige dipolare Spektren von zwei wechselwirkenden Radikalen bei hohen EPR-Frequenzen. Biologische Mikround Nanotechnologie Z ellen sind mikroskopisch klein. Doch im Vergleich zu ihren Hauptakteuren – winzigen molekularen Maschinen – sind sie riesig. Selbst die komplexesten von ihnen messen nur wenige zehn bis hundert Nanometer (millionstel Millimeter). Schon einfache Parameter wie Größe, Masse oder Anzahl solcher Nanopartikel sind für Wissenschaftler wichtige Informationen. Diese können helfen, zelluläre Prozesse besser zu verstehen oder krankhafte Veränderungen zu erkennen. Aber wie zählt oder wiegt man etwa eine Gruppe von Proteinen, die so verschwindend klein ist? Konventionelle Methoden aus der makroskopischen Welt helfen da nicht weiter. Dafür braucht es neue mikro- und nanotechnologische Verfahren, die wir in unserer Gruppe entwickeln. Mit einer »Stimmgabel« wiegen Um zum Beispiel einzelne Nanopartikel zu wiegen, entwerfen wir sogenannte mikromechanische Resonatoren – eine Art Miniatur-Stimmgabel, kleiner als der Durchmesser eines Haares. Damit man mit ihnen biologische Objekte in Lösung untersuchen kann, bedarf es eines Tricks. Der Resonator befindet sich in einem Vakuum und kann praktisch ungedämpft schwingen. In seinem Inneren befindet sich ein nur wenige Mikrometer breiter Kanal. Passiert ein Partikel den Kanal, so verschiebt sich die Resonanzfrequenz, also der für diese Mikro- und nanofluidische Systeme ermöglichen es, komplexe biologische Experimente in winzig kleinen Kanälen durchzuführen. Sehr kleine Objekte wie Zellen können darin einzeln und unter genau kontrollierten Bedingungen untersucht werden. »Stimmgabel« typische Ton. Aus dieser Änderung der »Tonlage« berechnen wir die Masse – mit einer Abweichung von einem Millionstel eines milliardstel Gramms. Damit gelingt es zum Beispiel, einzelne Bakterien mit der Genauigkeit von rund einem Prozent zu wiegen. Mit solchen physikalischen Messungen wollen wir bis in den Bereich einzelner Moleküle vorstoßen. Dazu bündeln wir die Kräfte verschiedener Forschungsbereiche und stützen uns auf das Wissen aus Biologie, Chemie, Ingenieurwissenschaften und Physik. Sie alle tragen zu den neuen Methoden bei und können von deren Anwendung profitieren. Dr. Thomas Burg studierte bis 2001 Physik an der ETH Zürich und promovierte 2005 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA). Von 2005 bis 2008 forschte er als Postdoktorand am MIT im Department of Biological Engineering. Seit 2009 leitet er die Max-Planck-Forschungsgruppe »Biologische Mikro- und Nanotechnologie« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/ research/ags/burg Auf Mikrochips integrierte hoch empfindliche Sensoren können kleinste Partikel, wie zum Beispiel einzelne Bakterien, direkt anhand ihrer Masse detektieren. T. P. Burg, M. Godin, W. Shen, G. Carlson, J. S. Foster, K. Babcock, S. R. Manalis: Weighing of biomolecules, single cells, and single nanoparticles in fluid. Nature 446, 1066-1069 (2007). T. P. Burg, S. R. Manalis: Suspended microchannel resonators for biomolecular detection. Applied Physics Letters 83, 2698-2700 (2003). 29 Spektroskopie und photochemische Kinetik V Prof. Dr. Jürgen Troe promovierte 1965 an der Universität Göttingen und habilitierte sich dort in Physikalischer Chemie. Im Jahr 1971 wurde er als ordentlicher Professor an die École Polytechnique Fédérale nach Lausanne (Schweiz) berufen. 1975 kehrte er als Direktor an das Institut für Physikalische Chemie der Universität Göttingen zurück. Von 1990 bis 2008 leitete er zudem die Abteilung »Spektroskopie und photochemische Kinetik« am MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie, wo er seine Forschung im Rahmen einer Emeritusgruppe seither fortführt. Seit 2009 arbeitet er darüber hinaus im Rahmen einer »Niedersachsenprofessur« an der Universität Göttingen. Jürgen Troe ist Honorarprofessor der École Polytechnique Fédérale de Lausanne, Ehrendoktor der Universitäten Bordeaux und Karlsruhe, Ehrenmitglied der Deutschen BunsenGesellschaft, Mitglied zahlreicher Akademien und Träger vieler Preise. Kontakt: [email protected] und [email protected] www.uni-pc.gwdg.de/troe E. I. Dashevskaya, I. Litvin, E. E. Nikitin, J. Troe: Modelling low-energy electron-molecule capture processes. Phys. Chem. Chem. Phys. 10, 1270 (2008). Ch. Müller, J. Schroeder, J. Troe: Intramolecular hydrogen bonding in 1,8dihydroxyanthraquinone, 1-aminoanthraquinone, and 9-hydroxyphenalenone studied by picosecond time-resolved fluorescence. J. Phys. Chem. B 110, 19820 (2006). Ch. Müller, M. Klöppel-Riech, F. Schröder, J. Schroeder, J. Troe: Fluorescence and REMPI spectroscopy of jet-cooled isolated 2-phenylindene in the S1. J. Phys. Chem. A 110, 5017 (2006). 30 iele Erscheinungen der belebten und unbelebten Natur lassen sich auf molekulare Prozesse zurückführen. So reagieren viele Moleküle, Radikale und Atome in der Atmosphäre miteinander, nachdem sie durch Sonneneinstrahlung erzeugt und angeregt worden sind. Erstaunlicherweise sind diese Vorgänge denen sehr ähnlich, die im Feuer und im Verbrennungsmotor ablaufen. Sogar bei der Entstehung neuer Sterne in interstellaren Molekülwolken spielen solche Prozesse eine wichtige Rolle. Auch die Elementarprozesse photobiologischer Vorgänge, zum Beispiel der Photosynthese, folgen in ihrer inner- und zwischenmolekularen Dynamik sehr ähnlichen, grundlegenden Prinzipien. Um solche molekularen Prozesse zu untersuchen, leiten wir sie durch photochemische Aktivierung ein. Moleküle absorbieren das Licht und erreichen durch die zugeführte Energie hoch aktive Zustände, oder es entstehen reaktive Teilchen, die eine Kette von Reaktionen auslösen. Wir untersuchen den zeitlichen Ablauf dieser Reaktionen und die nachfolgenden, häufig sehr schnellen Vorgänge, indem wir die sehr spezifische Absorption von Licht durch die Moleküle mit spektroskopischen Verfahren analysieren. Sogar Moleküle, die nur in ihrem Energiezustand variieren, können wir über ihre jeweiligen Spektren unterscheiden. Untersuchungen im Femtosekunden-Bereich Mithilfe moderner optischer Methoden lassen sich die Konzentrationen der Moleküle und ihre Energiezustände mit einer Zeitauflösung bis in den FemtosekundenBereich verfolgen, der Zeitskala der Bewegungen von Atomen. Damit wird sogar die »ultraschnelle« innermolekulare Dynamik direkt »sichtbar«. Ein theoretisches Verständnis dieser Abläufe erreichen wir mit den Methoden der Quantenchemie, der Reaktionsdynamik und der molekularen Statistik. Zurzeit konzentrieren wir uns auf Reaktionen von Molekül-Ionen in sogenannten Plasmen, dem gasförmigen Zustand der Materie, in dem nicht nur elektrisch neutrale, sondern auch geladene Teilchen nebeneinander existieren. Auf der Erde lässt sich dieser Zustand in der Ionosphäre oder in elektrischen Entladungen, etwa bei einem Blitz, nachweisen. Im Weltall befindet sich der größte Teil der Materie in diesem Zustand. Mit den Ergebnissen aus diesen Untersuchungen entwickeln wir theoretische Modelle, die in vielen Gebieten von Nutzen sind: von der Astro- und Atmosphärenchemie über die Plasma- und Photochemie bis hin zur Verbrennungschemie. Auch großindustrielle Prozesse lassen sich damit optimieren. Reaktionsdynamik W enn Steine verwittern, so geschieht das in einem Zeitraum von vielen Jahrhunderten. Doch so langsam die zugrunde liegenden chemischen Reaktionen augenscheinlich ablaufen – auf der Ebene der Atome und Moleküle vollziehen sie sich unvorstellbar schnell: In Bruchteilen von Pikosekunden, also dem millionsten Teil einer millionstel Sekunde, ändern Moleküle ihre Struktur, werden chemische Bindungen gelöst oder neu geknüpft. Denn so schnell bewegen sich Atome im Molekül. Dabei durchlaufen die Moleküle unterschiedliche Energiezustände. Angetrieben werden diese Vorgänge einerseits durch Transport von Energie innerhalb der Moleküle. Aber Energie wandert auch von Molekül zu Molekül, etwa wenn die Reaktanden mit dem Lösungsmittel wechselwirken, das sie umgibt. Auf der Zeitskala von Atom-Bewegungen Wir wollen die einzelnen Schritte dieser molekularen Prozesse sichtbar machen und im Detail verstehen. Dabei bedienen wir uns der Laserspektroskopie. Sie erlaubt es uns, die an einer chemischen Reaktion beteiligten Stoffe anhand ihres typischen Lichtspektrums zu identifizieren, so als hätte jede Substanz ihr ganz eigenes Regenbogenmuster. Damit charakterisieren wir auch die Konzentrationen, Energieinhalte und anderen Eigenschaften dieser Stoffe zu jedem Zeitpunkt einer Reaktion. Im Zentrum unseres Interesses steht die Dynamik chemischer Reaktionen in Gasen, Flüssigkeiten und überkritischen Fluiden. Indem wir makroskopische Parameter wie Temperatur, Dichte oder Viskosität ändern, verändern wir auf mikroskopischer Ebene die Stärke der Wechselwirkungen zwischen den Molekülen sowie die Häufigkeit von energieübertragenden Stößen. Auf diese Weise entwirren wir die verschiedenen, einander überlagernden Faktoren, die den Verlauf einer chemischen Reaktion beeinflussen. Mit unseren experimentellen Methoden können wir bis auf die Zeitskala der Bewegungen von Atomen in Molekülen vorstoßen. Damit wird die innermolekulare Dynamik direkt sichtbar. Prof. Dr. Dirk Schwarzer promovierte 1989 an der Universität Göttingen in Physikalischer Chemie. Nach einem Forschungsaufenthalt an der University of Chicago wechselte er 1990 als Arbeitsgruppenleiter in die Abteilung »Spektroskopie und photochemische Kinetik« an das MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie. Seit 2006 leitet er dort die Forschungsgruppe »Reaktionsdynamik«. Dirk Schwarzer habilitierte 1999 an der Universität Göttingen in Physikalischer Chemie und lehrt dort seit 2002 als außerplanmäßiger Professor. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ ags/schwarzer T. Schäfer, D. Schwarzer, J. Lindner, P. Vöhringer: ND-stretching vibrational energy relaxation of NH2D in liquid-tosupercritical ammonia studied by femtosecond midinfrared spectroscopy. J. Chem. Phys. 128, 064502 (2008). Dijodmethan in Chloroform – Momentaufnahme einer molekulardynamischen Computersimulation (Jod-Atome sind violett, Chlor-Atome orange gefärbt). C. Reichardt, J. Schroeder, D. Schwarzer: Femtosecond IR spectroscopy of peroxycarbonate photodecomposition: S1-lifetime determines decarboxylation rate. J. Phys. Chem. A, 111, 10111 (2007). 31 Strukturdynamik (bio)chemischer Prozesse W Dr. Simone Techert promovierte 1997 an der Universität Göttingen. Von 1998 bis 2000 arbeitete sie als Postdoktorandin und Wissenschaftlerin an der Europäischen Synchrotron-Strahlungsquelle in Grenoble (Frankreich) und wechselte von dort an das Scripps Research Institute in La Jolla (Kalifornien, USA) Von 2001 bis 2004 leitete sie eine Emmy-NoetherNachwuchsgruppe am MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie. 2005 habilitierte sie in Physikalischer Chemie und arbeitete an der Stanford Synchrotron Radiation Light Source in Stanford (USA). Seit 2006 leitet sie am Institut die unabhängige Arbeitsgruppe »Strukturdynamik (bio)chemischer Prozesse«. Simone Techert ist Mitglied der Advanced Study Group der MaxPlanck-Gesellschaft am Center of Free Electron Laser Science, Hamburg. Ihre Arbeiten wurden unter anderem mit dem ESRF-PdPPreis (1999), dem Röntgen-Preis (2005) und dem Karl-WinnackerStipendium (2006) ausgezeichnet. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/ research/ags/techert ie flink ist ein Molekül und wie wendig? Was passiert, wenn seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird, etwa weil es in einem Kristallgitter gefangen sitzt? Wie bewegen sich die einzelnen Atome, wenn sich ein Molekül mit einem anderen einlässt, also eine chemische Reaktion stattfindet? Um solche Fragen geht es in unserer Arbeitsgruppe. Wenn wir atomare und molekulare Strukturen in Aktion beobachten, setzen wir Röntgenblitze ein, die nur 10–14 Sekunden dauern – eine hundert billionstel Sekunde. Diese extrem kurzen Blitze werden an den Molekülen abgelenkt und dann nachgewiesen (ultraschnelle Röntgenbeugung). So lassen sich einzelne Atome innerhalb eines Moleküls lokalisieren, und zwar mit einer Genauigkeit von einem milliardstel Millimeter. Da die untersuchten Moleküle hundert- bis tausendmal größer sind, können wir so sehr genau auf sehr schnellen Zeitskalen jede Bewegung und jede Dynamik in Molekülen und chemischen Reaktionen verfolgen. Choreographie der Moleküle Zusätzlich beobachten wir, was von dem Röntgenblitz übrig bleibt, nachdem ein Teil der Lichtquanten von den im Weg stehenden Molekülen aufgefangen wurde (ultraschnelle Röntgenspektroskopie). So können wir herausfinden, mit welchen Bewegungen Röntgenblitz aus Molekulare Bewegungen während einer chemischen Reaktion werden mit weicher Röntgenstrahlung der vierten Generation (Free Electron Laser) untersucht: Ultraschnelle Röntgenbeugung an Lipiden liefert typische Beugungsmuster. einzelne Atome der untersuchten Moleküle in der Choreographie einer chemischen Reaktion mitspielen. Mit diesen Methoden hoffen wir, chemische Prozesse so genau zu verstehen, dass wir sie gezielt manipulieren können, beispielsweise um Materialien zu entwickeln, die elektrische Energie effizienter in Lichtenergie umwandeln. Solche lichtaktiven Materialien könnten unter anderem in Photovoltaik-Anlagen und Biokraftwerken eingesetzt werden. Röntgenblitz an A. Debnarova, S. Techert: Ab initio treatment of time-resolved X-ray scattering. J. Chem. Phys. 125, 224101 (2006). A. M. Lindenberg, et al.: Atomic-scale visualization of inertial dynamics. Science 308, 392-394 (2005). 32 Röntgenstrahlung und Wasserchemie – wenn extrem kurze Röntgenblitze auf Wasser treffen, entstehen im billionsten Teil einer Sekunde freie Elektronen. Laserchemie D ie Sonne schickt energiereiches Licht auf die Erde und induziert dort zahlreiche Prozesse, die thermischer oder photochemischer Natur sein können. Wir erforschen die Wechselwirkung und Einkopplung von energiereicher Strahlung, insbesondere von Laserstrahlung, in Materialien. Wir wollen dadurch verstehen, wie diese Energie auf Moleküle und Atome wirkt und möchten diese Effekte gezielt nutzbar machen. Gelingt es, Laserlicht kontrolliert einzusetzen, kann man es etwa für die LaserAblation nutzen – das extrem genaue und schonende Abtragen von Materialien. Damit lässt sich die weiche Oberfläche der Augen-Hornhaut zur Behandlung von Fehlsichtigkeit ebenso bearbeiten wie härteste Metalle in der Industrie. oxiddrähte. Wie mit einer Art Zeichenstift schreiben wir die gewünschten Strukturen mit unserem Laserstrahl in den Gasnebel. So lassen sich winzige Ring-Elektroden für die Chipindustrie erzeugen oder kleine Käfige bauen, die aussehen wie der Eiffelturm oder ein modernes Kunstwerk aus Metalldrähten. Im Inneren dieser Käfige lassen sich Zellen oder Substanzen dank abstoßender elektrischer Felder frei schwebend halten, um sie zu erforschen. Nur so können Biologen zum Beispiel Zellen völlig unbeeinflusst von einer Oberfläche in einer wässrigen Lösung untersuchen. Prof. Dr. Michael Stuke studierte Physik an den Universitäten Marburg und Heidelberg sowie der Technischen Universität München. Im Jahr 1977 promovierte er in Physikalischer Chemie mit einer Arbeit über Laser-Isotopentrennung, für die er mit der OttoHahn-Medaille der Max-PlanckGesellschaft ausgezeichnet wurde. Seit 1981 ist er Leiter der Arbeitsgruppe «Laserchemie» am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ ags/stuke Filigrane Strukturen per Laser Ferner setzen wir Laser ein, um kleine filigrane Strukturen aus Keramiken oder Metallen aufzubauen. Dazu richten wir den Laser in ein Gas, das eine Verbindung enthält, die durch die Energie des Lasers gezielt zerfällt und beispielsweise Aluminium oder Aluminiumoxid abscheidet. So wachsen scheinbar aus dem Nichts feine Aluminiumstreben oder Aluminium- Käfigstrukturen, die durch Laser-Direktschreiben aus dem Gas heraus erzeugt werden. Aluminiumstreben wurden mit einer Schreibgeschwindigkeit von 100 (links) oder 50 Mikrometern pro Sekunde (oben) erzeugt. Ausgangsmaterial ist in beiden Fällen die Substanz Dimethylethylaminallan in einem Gas. Durch die Energie des Lasers bricht die Verbindung zwischen einem Stickstoffatom und dem Aluminiumatom auf und das Aluminium lagert sich zur Strebe zusammen. M. Stuke, K. Mueller, T. Mueller et al.: Direct-writing of three-dimensional structures using laser-based processes. MRS BULLETIN 32, 32-39 (2007), invited paper. 33 RaffinierteMoleküle 34 Wie Form und Funktion zusammenhängen Für jeden Zweck ein passendes Protein – der menschliche Körper hält Hunderttausende davon bereit. Allein unser Immunsystem schützt uns mit einem riesigen Sortiment von Antikörpern vor Krankheitserregern. Einer Vielzahl von Proteinen lässt sich allerdings noch keine biologische Aufgabe zuordnen. Und funktionelle Details sind noch seltener bekannt. Hier eröffnet sich ein weites Feld für die Forschung. Darüber hinaus gilt das Interesse der Wissenschaftler einer weiteren Kategorie von Makromolekülen: Nukleinsäuren bergen nicht nur genetische Botschaften, sie fungieren auch als Enzyme – nicht zuletzt bei der Produktion von Proteinen. 35 Theoretische und computergestützte Biophysik H och spezialisierte Proteine verrichten und steuern praktisch alle Prozesse im Körper: Sie transportieren zelluläre Fracht, empfangen und übermitteln Signale, wandeln Energie um, bringen chemische Reaktionen in Gang oder sorgen für Wachstum und Bewegung. Mit gutem Recht kann man diese Moleküle als die biochemischen »Nano-Maschinen« der Zelle bezeichnen, hervorgegangen aus einer Milliarden Jahre langen Evolution. Wie bei den von Menschenhand gebauten Maschinen sind es oft auch bei den Proteinen die Bewegungen der Einzelteile, die ihre Funktion bestimmen. Die interne Proteindynamik ist daher äußerst fein abgestimmt: In vielen Fällen kommt es auf die Bewegung einzelner Atome an. Kein Wunder, dass kleine Konstruktionsfehler mitunter fatale Folgen haben. Einige Erbkrankheiten, beispielsweise die Sichelzellanämie, sind darauf zurückzuführen, dass sich ein bestimmtes Protein in nur wenigen Atomen von der normalen Version unterscheidet. Und das, obwohl Proteine nicht selten aus vielen zehntausend Atomen bestehen. Während der genaue Aufbau von Proteinen in vielen Fällen mit atomarer Auflösung vermessen werden kann, sind die oft sehr schnellen Bewegungen eines Proteins auf atomarer Ebene experimentell äußerst schwer zugänglich. Um herauszufinden, wie diese nanotechnischen Wunderwerke funktionieren, setzen wir Computersimulationen ein. Moderne 36 Kräfte spielen bei den molekularen Nanomaschinen eine wichtige Rolle, sind dort jedoch außerordentlich schwer zu messen. Unsere Computersimulationen helfen hier zu verstehen, wie Proteine auf Kräfte reagieren. Das Bild zeigt ein Vitamin-Molekül, das aus der Bindungstasche eines Rezeptors gezogen wird – ein Prozess, der experimentell im Rasterkraftmikroskop vermessen werden kann. Höchstleistungsparallelcomputer und immer ausgeklügeltere numerische Verfahren erlauben uns, die Bewegung jedes einzelnen Atoms eines Proteinkomplexes mit hinreichender Genauigkeit zu berechnen. Um komplexe Lebensprozesse auf der Grundlage der bekannten physikalischen Gesetze im Detail zu verstehen, arbeiten wir eng mit experimentellen Arbeitsgruppen zusammen. Proteine bei der Arbeit – der kleinste Motor der Welt Ein besonders eindruckvolles Beispiel für Proteine »bei der Arbeit« ist der molekulare Motor ATP-Synthase. Dieser Proteinkomplex von nur zwanzig Nanometern (millionstel Millimetern) Größe arbeitet in den »Kraftwerken« der Zellen und liefert für viele Prozesse im Körper die nötige Energie. Mithilfe dieser Proteinmaschine setzt der menschliche Körper pro Tag etwa 75 Kilogramm des Energiespeichermoleküls ATP um, bei sportlichen Höchstleistungen sogar noch weit mehr. In der Tat ist die Ähnlichkeit zwischen der ATP-Synthase und einem Ottomotor frappierend: Hier wie dort gibt es antreibende Kraftstöße, eine sich drehende »Kurbelwelle« und sich bewegende »Zylinder«. Der entscheidende Unterschied ist der Wirkungsgrad: Während der Ottomotor nur einen Bruchteil der thermodynamisch maximal möglichen Leistung erzielt, sind es bei der ATP-Synthase nahezu 100 Prozent. Wie diese Energieübertragung im Detail funktioniert, konnten wir durch Computersimulationen aufklären. Die Simulationen offenbarten eine regelrechte »Nanomechanik«. Die Drehbewegung der Achse wird in eine atomar abgestimmte Bewegung an der Synthesestelle übersetzt, sodass das ATPMolekül gezielt zusammengesetzt wird. Als Nanomaschine par excellence produziert die ATP-Synthase den universellen »Brennstoff« ATP im Körper. Die komplette Maschinerie ist gerade einmal 20 millionstel Millimeter groß. In diesem am Computer erzeugten Schnappschuss wurde gerade ein ATP-Molekül (rot) im Kopfteil (cyan/grün) fertig gestellt. Die dazu benötigte Energie wird durch eine schnell rotierende »Kurbelwelle« (orange, gelber Pfeil) übertragen, die ihrerseits von einem Fußteil in der Mitochondrienmembran (grün/ gelb) angetrieben wird. Ähnlich wie ein Elektromotor wird dieser Fußteil durch einen elektrischen Strom angetrieben, der zwischen dem Fußteil und dem roten Stator über die Membran fließt. Um die Nanomaschine bei der Arbeit zu untersuchen, bestimmen wir mithilfe des Computers die Kräfte, die auf jedes einzelne Atom wirken, und berechnen daraus deren detaillierte Bewegung. Die so erzeugte »Filmsequenz« enthüllt die Tricks der Natur. Prof. Dr. Helmut Grubmüller promovierte 1994 in Theoretischer Physik an der Technischen Universität München. Von 1994 bis 1998 arbeitete er als Assistent an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Im Jahr 1998 wechselte er als Forschungsgruppenleiter an das Max-PlanckInstitut für biophysikalische Chemie. Dort leitet er seit 2003 die Abteilung »Theoretische und computergestützte Biophysik«. Helmut Grubmüller ist zugleich Honorarprofessor für Physik an der Universität Göttingen. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/home/ grubmueller Interne Arbeitsgruppen: Dr. Gerrit Grœnhof M. Zink, H. Grubmüller: Mechanical properties of the icosahedral shell of southern bean mosaic virus: a molecular dynamics study. Biophys J. 96, 13501363 (2009). L. V. Schäfer, E. M. Müller, H. E. Gaub, H. Grubmüller: Elastic properties of photoswitchable azobenzene polymers from molecular dynamics simulations. Angew. Chemie Int. Ed. 46, 2232-2237 (2007). F. Gräter, J. Shen, H. Jiang, M. Gautel, H. Grubmüller: Mechanically induced titin kinase activation studied by forceprobe molecular dynamics simulations. Biophys. J. 88, 790-804 (2005). R. Böckmann, H. Grubmüller: Nanoseconds molecular dynamics simulation of primary mechanical energy transfer steps in ATP synthase. Nature Struct. Biol. 9, 198-202 (2002). M. Rief, H. Grubmüller: Kraftspektroskopie von einzelnen Biomolekülen. Physikalische Blätter, 55-61, Feb., (2001). 37 Computergestützte biomolekulare Dynamik D Prof. Dr. Bert de Groot promovierte 1999 in Biophysikalischer Chemie an der Universität Groningen (Niederlande). Von 1999 bis 2003 arbeitete er als Postdoktorand in der Arbeitsgruppe von Helmut Grubmüller am Max-PlanckInstitut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Dort leitet er seit 2004 die Arbeitsgruppe »Computergestützte biomolekulare Dynamik«. Seit 2009 ist Bert de Groot außerplanmäßiger Professor für Physik an der Universität Göttingen. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ ags/degroot O. F. Lange, N. A Lakomek, C. Fares, G. F. Schröder, K. F. A. Walter, S. Becker, J. Meiler, H. Grubmüller, C. Griesinger, B. L. de Groot: Recognition dynamics up to microseconds revealed from RDC derived ubiquitin ensemble in solution. Science 320, 1471-1475 (2008). J. S. Hub, B. L. de Groot: Mechanism of selectivity in aquaporins and aquaglyceroporins. Proc. Nat. Acad. Sci. 105, 1198-1203 (2008). D. Seeliger, J. Haas, B. L. de Groot: Geometry-based sampling of conformational transitions in proteins. Structure 15, 1482-1492 (2007). ie Funktion einer Maschine lässt sich viel leichter verstehen, wenn wir sie in Aktion beobachten können. Das gleiche gilt für die winzigen Maschinen unserer Zellen – die Proteine. Milliarden dieser »Nanomaschinen« ermöglichen, steuern oder unterstützen fast alle Prozesse in unserem Körper. Entsprechend fatal sind die Folgen, wenn Proteine nicht richtig funktionieren: Viele Krankheiten beruhen auf solchen Fehlfunktionen. Welche Wechselwirkungen bewirken das Verklumpen von Proteinen und verursachen somit Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson? Wie regulieren Zellen den Ein- und Ausstrom von Molekülen wie Wasser, Ionen und Nährstoffe? Wie funktioniert die molekulare Erkennung? Diese Fragestellungen untersuchen wir in unserer Arbeitsgruppe. Um die Funktion und Fehlfunktion von Proteinen zu verstehen, reicht es allerdings nicht aus, ihren Bauplan und ihre dreidimensionale Form zu kennen. Erst über fein abgestimmte Bewegungen erfüllen Proteine ihre jeweilige Aufgabe. Unser Ziel ist es, die molekularen Mechanismen aufzuklären, die dieser Proteindynamik zugrunde liegen. Wir setzen dabei auf Computersimulationen, um die Bewegungen von Proteinen im atomaren Detail zu verfolgen. Wasserkanäle, die auch filtern Ein Protein, das wir in unserer Gruppe untersuchen, ist das Aquaporin. In der Zellmembran bildet es Poren, die als perfekte, hochselektive Filter wirken. Nur Wassermoleküle können passieren, Ionen Molekulare Erkennung durch Ubiquitin. Da Ubiquitin schnell unterschiedliche Formen annehmen kann, erkennt es viele verschiedene Bindungspartner. Man kann es sich wie einen Schlüsselbund vorstellen, mit dem sich verschiedene Schlösser öffnen lassen. und größeren Molekülen wird der Durchtritt verwehrt. Durch MolekulardynamikSimulationen ist es uns gelungen, den Mechanismus aufzuklären, der Aquaporine derart selektiv filtern lässt: Eine elektrostatische Barriere verwehrt jeglichen Ionen wirksam den Durchlass. Daneben haben wir einen wahren Verwandlungskünstler unter den Proteinen im Visier: das Ubiquitin. Es ist Teil eines ausgeklügelten Recycling-Systems der Zelle, das bestimmte Proteine als zellulären »Müll« markiert. Doch wie schafft es das Ubiquitin, eine Vielzahl unterschiedlicher Partnermoleküle zu erkennen und zu binden? In Zusammenarbeit mit der Abteilung »NMR-basierte Strukturbiologie« konnten wir nachweisen, dass Ubiquitin überraschend beweglich ist: Extrem schnell – innerhalb von millionstel Sekunden – ändert es ständig seine Form, bis diese zufällig zu einem seiner Partner passt. Wasserfluss durch einen Aquaporin-Kanal. Links: Wasser (rot/weiss) fließt nicht durch die Lipidmembran (grün/gelb), sondern durch spezielle Poren, die Aquaporine in der Membran bilden (blau). Rechts: Weg der Wassermoleküle durch den Aquaporin-Kanal. Spezifische Wechselwirkungen erlauben den Durchtritt von Wasser, verhindern aber, dass größere Moleküle oder Ionen unkontrolliert passieren können. Sogar winzige Protonen (Wasserstoffionen) werden ausgeschlossen. 38 Strukturuntersuchungen an Proteinkomplexen D ie Kommunikation muss stimmen, das gilt auch für Zellen. Um zu überleben, müssen Bakterienzellen genau wie die Zellen unseres Körpers auf eine ganze Palette von Reizen in ihrer Umgebung reagieren. Allerdings haben die Reize auf dem Weg ins Zellinnere noch eine Barriere zu bezwingen: die Zellmembran. Sie schirmt das Innenleben der Zelle wirksam von der Außenwelt ab. Eine Verbindung von drinnen nach draußen gibt es dennoch: Winzige EmpfangsAntennen in der Membran – die SensorProteine – fangen die Reize auf und leiten sie durch die Membran. Dabei treten sie in engen Kontakt mit ihren Kommunikationspartnern. Je nach Bedarf werden SensorProteine ein- und ausgeschaltet. Doch was lässt Proteine umschalten von »an« auf »aus«? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, züchten wir Kristalle solcher SensorProteine – eine mitunter langwierige Prozedur. Durch einen solchen Kristall schicken wir dann energiereiche Röntgenstrahlen und erhalten so ein kompliziertes Beugungsmuster, das eine Fülle von Informationen über die räumliche Struktur des Sensor-Proteins liefert. Einen Nachteil hat diese Methode freilich. Dem Protein bleibt im Kristall praktisch kein Bewegungsspielraum. Um dynamische Prozesse wie Schaltvorgänge zu erfassen, sind daher ergänzende Kernspinresonanz (NMR)-Messungen vonnöten. Denn bei diesem Verfahren können Moleküle in Lösung untersucht werden – mit viel Bewegungsfreiheit. Was Proteine schalten lässt Strukturänderungen sind für die Zustände »an« und »aus« von zentraler Bedeutung. Die Unterschiede zwischen aktivem und inaktivem Zustand können klein sein, wie zum Beispiel bei der Histidin-Kinase CitA. Dieses Protein ist für Bakterien lebenswichtig, weil sie damit auf Veränderungen ihres Lebensraums reagieren. Unsere Untersuchungen zeigen: Wenn Citrat an den Bereich des Proteins bindet, der nach außen ragt, zieht sich das Protein an dieser Stelle zusammen. Diese Kontraktion ist letztlich entscheidend für die Übertragung des Signals ins Zellinnere. Im Fall einer anderen Proteingruppe, der STAT-Proteine, sind die Strukturänderungen dagegen groß: STAT-Proteine übertragen Signale von der Zellmembran ins Innere des Zellkerns und verändern die Aktivität bestimmter Gene. Zwar binden immer zwei STAT-Proteine aneinander, egal ob das STAT aktiv ist oder inaktiv. Doch die Bindung erfolgt auf ganz unterschiedliche Weise, mal parallel, mal antiparallel zueinander angeordnet. Dr. Stefan Becker promovierte 1991 an der Universität des Saarlandes in Chemie und ging anschließend an das C.H. Best Institute in Toronto (Kanada). Im Jahr 1995 wechselte er an die Außenstelle des Europäischen Molekularbiologischen Labors in Grenoble. Seit 1999 leitet Stefan Becker die Projektgruppe »Molekularbiologie« in der Abteilung »NMRbasierte Strukturbiologie« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Kontakt: [email protected] http://medusa.nmr.mpibpc.mpg.de M. Sevvana et al.: A ligand-induced switch in the periplasmic domain of sensor histidine kinase CitA. J. Mol. Biol. 377, 512-523 (2008). In ihrer aktiven Form (A) sind die beiden STAT-Moleküle parallel angeordnet und umschließen wie ein Nussknacker die Erbsubstanz (rote Struktur in zentraler Position). In der inaktiven Form (B) sind die STATs hingegen antiparallel angeordnet; die Struktur ähnelt einem Boot. D. Neculai, A. M. Neculai, S. Verrier, K. Straub, K. Klumpp, E. Pfitzner, S. Becker: Structure of the unphosphorylated STAT5a dimer. J. Biol. Chem. 280, 40782-40787 (2005). Nur wenn Citrat an den Teil der Histidin-Kinase CitA bindet, der aus der Zellmembran nach außen ragt, ist dieser kontrahiert. Hierdurch wird ein anderer Teil der Histidin-Kinase nach »oben« gezogen. Diese Bewegung ist das Signal, das ins Zellinnere weitergegeben wird. S. Becker, B. Groner, C.W. Müller: Three-dimensional structure of the Stat3ß homodimer bound to DNA. Nature 394, 145-151 (1998). 39 NMR-basierte Strukturbiologie B ei molekularem Inventar ist die räumliche Struktur gleichermaßen wichtig wie die chemische Zusammensetzung. Welch fatale Folgen ein Formfehler haben kann, zeigen bisher unheilbare Leiden wie die Alzheimer-, Parkinson- und Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. In allen drei Fällen sammeln sich deformierte Proteinmoleküle in Gehirnzellen an und richten sie zugrunde. Nur wenn Proteine und Nukleinsäuren in Form bleiben, können sie ihre biologische Aufgabe erfüllen. Uns interessiert die Frage, auf welche strukturellen Details es dabei ankommt. Zum Kern der Sache Die Methode der Wahl ist hier die NMR-Spektroskopie. Bei der nuklearmagnetischen Resonanz (NMR) macht man sich zunutze, dass die meisten Atomkerne magnetische Eigenschaften besitzen. Sie lassen sich als elektrisch geladene Kreisel betrachten, die sich an einem äußeren Magnetfeld auszurichten versuchen. Aufgrund dieser Eigenschaft können die Atomkerne elektromagnetische Strahlung bestimmter Energie absorbieren. Welche Frequenz absorbiert wird, hängt von der chemischen Umgebung ab. In einem Molekül mit vielen Räumliche Rekonstruktion eines TubulinMoleküls. Wie sich das Antikrebsmittel (Mitte) in diese Struktur hineindrängt, zeigte die NMR-Spektroskopie. 40 unterschiedlich platzierten Atomkernen wird eine entsprechend große Zahl unterschiedlicher Energieportionen benötigt. So ergibt sich ein NMRSpektrum, das detaillierte Informationen über die Anordnung der einzelnen Atomkerne und damit der Atome im Raum enthält. Diese Informationen zu entschlüsseln ist allerdings eine Kunst für sich. Und je größer die untersuchten Moleküle, desto schwieriger wird diese Aufgabe: Man muss auf sogenannte Tripelresonanz-Experimente zurückgreifen, die dreidimensionale Spektren ergeben. Bei Proteinmolekülen, die aus mehr als zweihundert Aminosäuren – Bausteinen aller Proteine – zusammengesetzt sind, stößt selbst diese NMR-Spektroskopie an ihre Grenzen. Doch wir versuchen, darüber hinauszugehen. Grenzen überschreiten Unter anderem arbeiten wir dabei mit Isotopen: Wir ersetzen beispielsweise gewöhnlichen Stickstoff zum Teil durch eine Variante mit schwererem Atomkern. Im NMR-Spektrum können wir dann entweder das eine oder das andere Isotop sichtbar machen. So lassen sich Proteine, die für die NMR- Spektroskopie eigentlich zu groß sind, stückweise analysieren. Zunächst stellt sich jedoch das Problem, sie in ausreichender Menge zu produzieren. Als hilfreich erweisen sich dabei Bakterien, die mit dem fraglichen Gen ausgestattet wurden. Füttert man sie mit Aminosäuren, die ein bestimmtes Isotop enthalten, so bauen sie – wenn alles gut geht – das Protein nach Wunsch zusammen. Elektronen – die ein viel größeres magnetisches Moment besitzen – können ebenfalls an Moleküle geheftet werden. Sie liefern zusätzliche Informationen, die wir zum Beispiel genutzt haben, um bei einem der häufigsten Membranproteine des Menschen die räumliche Struktur zu analysieren. Darüber hinaus möchten wir Elektronen auch zur Signalverstärkung verwenden. Dynamische Moleküle Mit der NMR-Spektroskopie lassen sich Proteine aber auch in Aktion beobachten. In Lösung oder in eine Membran eingebettet, können sie sich während der Messung ähnlich frei bewegen wie in ihrem natürlichen Umfeld. Wenn sie dabei ihre räumliche Struktur ändern, geschieht das oft sehr schnell. Ein neues Verfahren erlaubt es uns, Bewegungen von Proteinen zu messen, die sich in einem Zeitfenster zwischen einer Räumliche Struktur eines molekularen Kanals, der die äußere Membran von Mitochondrien – die »Kraftwerke« jeder Zelle – durchdringt. Über solche Kanäle liefern die Mitochondrien chemische Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP), im Körper eines Menschen täglich etwa 75 Kilogramm. milliardstel und einer millionstel Sekunde abspielen. Dadurch gewinnen wir neue Erkenntnisse, wie Proteine einander erkennen und was sie beweglich macht. Arzneimittel im Blickpunkt Wie kleine Moleküle auf große Proteine einwirken, können wir schon jetzt sehr genau studieren. So lässt sich zum Beispiel zeigen, wie ein Wirkstoff für die Chemotherapie von Krebs an dem Protein Tubulin andockt. Aus Tubulin sind die Mikrotubuli zusammengesetzt, lange Röhren, mit denen sich die Zellen in Form halten. Wenn der Auf- und Umbau dieses Gerüsts nicht funktioniert, gehen die Zellen zugrunde, sobald sie sich zu vermehren versuchen. Das trifft Krebszellen besonders hart, weil sie gewöhnlich hemmungslos für Nachkommenschaft sorgen. Ein kleines Molekül aus eigener Herstellung kann Leiden wie die Alzheimer-, Parkinson- und Creutzfeldt-Jakob-Krankheit stoppen – zumindest im Tiermodell. Derzeit studieren wir die räumliche Struktur dieses vielversprechenden Moleküls im Komplex mit seinem Zielmolekül. Prof. Dr. Christian Griesinger studierte Chemie und Physik an der Universität Frankfurt und promovierte dort 1986 in Organischer Chemie. Von 1986 bis 1989 arbeitete er als Postdoktorand und Assistent am Laboratorium für Physikalische Chemie der ETH Zürich. 1990 wurde er Professor am Institut für Organische Chemie der Universität Frankfurt, und seit 1999 leitet er die Abteilung »NMRbasierte Strukturbiologie« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Christian Griesinger erhielt mehrere wissenschaftliche Auszeichnungen, darunter den Sommerfeld-Preis (1997), den Leibniz-Preis (1998) und den Bayer-Preis (2003). Er ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und der Akademie Leopoldina. Christian Griesinger wird derzeit durch einen »ERC Advanced Grant« gefördert. Kontakt: [email protected] http://medusa.nmr.mpibpc.mpg.de O. Lange, N. A. Lakomek, C. Farès, G. Schröder, S. Becker, J. Meiler, H. Grubmüller, C. Griesinger, B. de Groot: Recognition dynamics up to microseconds revealed from an RDC-derived ubiquitin ensemble in solution. Science 320, 1471-1475 (2008). M. Reese, D. Lennartz, T. Marquardsen, P. Höfer, A. Tavernier, P. Carl, T. Schippmann, M. Bennati, T. Carlomagno, F. Engelke, C. Griesinger: Construction of a Liquid-State NMR DNP Shuttle Spectrometer: First Experimental Results and Evaluation of Optimal Performance Characteristics. Appl. Magn. Reson. 34, 301-311 (2008). M. Bayrhuber, T. Meins, M. Habeck, S. Becker, K. Giller, S. Villinger, C. Vonrhein, C. Griesinger, M. Zweckstetter, K. Zeth: Structure of the human voltagedependent anion channel. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 105, 15370-5 (2008). 41 Proteinstrukturbestimmung mittels NMR D Prof. Dr. Markus Zweckstetter studierte Physik an der LudwigMaximilians-Universität München. Seine Doktorarbeit fertigte er bei Dr. Tad Holak am Max-PlanckInstitut für Biochemie in Martinsried an und promovierte an der Technischen Universität München. Im Anschluss arbeitete er von 1999 bis 2001 als Postdoktorand in der Gruppe von Dr. Adrian Bax an den National Institutes of Health in Bethesda (Maryland, USA). Seit 2001 leitet er die Forschungsgruppe »Proteinstrukturbestimmung mittels NMR« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Markus Zweckstetter lehrt seit 2008 als Honorarprofessor für Biologie an der Universität Göttingen. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/groups/ zweckstetter ie Form folgt der Funktion, diese Binsenweisheit für gutes Produktdesign hat die Natur wie so oft auch bei Proteinen perfekt umgesetzt. Je nach Aufgabe haben sie eine ganz bestimmte Form. Die Aminosäureketten eines Muskelproteins falten sich zu einer anderen räumlichen Struktur als die eines Kanalproteins, das Stoffe durch eine Membran passieren lässt. Proteine außer Form Umso überraschender mag es erscheinen, dass insbesondere das menschliche Genom zu einem erheblichen Teil Baupläne für Proteine enthält, die in der Zelle nahezu ungefaltet vorliegen. Diese Proteine werden als »intrinsisch ungeordnet« oder »nativ entfaltet« bezeichnet. Sie spielen eine wichtige Rolle in verschiedenen zellulären Prozessen, etwa wenn ein Gen abgelesen wird, wenn sich eine Zelle teilt oder wenn Signale weitergeleitet werden. Diese ungewöhnliche Protein-Gruppe zu untersuchen ist nicht ganz einfach, denn solche Proteine sind sehr flexibel und beweglich. Das erschwert die Arbeit unter dem Mikroskop, weil man ähnlich wie in der Fotografie unscharfe Aufnahmen erhält. Nur mit der Kernspinresonanzspektroskopie sind wir in der Lage, Informatio- nen mit atomarer Auflösung zu erhalten. In der Zelle ist die hohe Beweglichkeit allerdings von großem Nutzen: Sie erlaubt solch ungeordneten Proteinen, an viele unterschiedliche Partner zu binden. Zudem kann die Zelle diese Proteine effizient regulieren, beispielsweise durch die Anheftung kleiner Phosphatreste. In meiner Gruppe erforschen wir mithilfe der Kernspinresonanz, wie die Proteine ihre Form verändern, wenn sie andere Proteine erkennen und an sie binden oder wenn bei ihrer eigenen Faltung etwas schiefläuft. Die Folgen solcher Missfaltungen untersuchen wir an Proteinen wie ␣-Synuclein, Tau und Amyloid-, die bei der Parkinson- und Alzheimer-Krankheit eine zentrale Rolle spielen. Bei den erkrankten Personen lassen sich Tau und Amyloid-ß missgefaltet als »Protein-Verklumpungen« im Hirngewebe nachweisen. Doch warum sind diese falsch gefalteten Proteine so schädlich? Eine mögliche Ursache ist nach unseren Forschungsergebnissen, dass falsch gefaltetes Tau-Protein viel schwächer an Mikrotubuli-Proteine – die »Transportschienen« der Zelle – bindet. Als Folge ist der Stofftransport innerhalb der Nervenzelle gestört und der Stoffwechsel in den Nervenzell-Endigungen massiv beeinträchtigt. D. P. Karpinar, M. B. Balija, S. Kügler, F. Opazo, N. Rezaei-Ghaleh, N. Wender, H. Y. Kim, G. Taschenberger, B. H. Falkenburger, H. Heise, A. Kumar, D. Riedel, L. Fichtner, A. Voigt, G. H. Braus, K. Giller, S. Becker, A. Herzig, M. Baldus, H. Jäckle, S. Eimer, J. B. Schulz, C. Griesinger, M. Zweckstetter: Pre-fibrillar alpha-synuclein variants with impaired beta-structure increase neurotoxicity in Parkinson's disease models. EMBO J. | doi:10.1038/emboj.2009.257 (2009). M. D. Mukrasch, S. Bibow, J. Korukottu, S. Jeganathan, J. Biernat, C. Griesinger, E. Mandelkow, M. Zweckstetter: Structural polymorphism of 441-residue tau at single residue resolution. PLoS Biol. 17, e34 (2009). M. Bayrhuber, T. Meins, M. Habeck, S. Becker, K. Giller, S. Villinger, C. Vonrhein, C. Griesinger, M. Zweckstetter, K. Zeth: Structure of the human voltagedependent anion channel. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 105, 15370-15375 (2008). 42 Struktur des Tau-Proteins. Im Hintergrund ist eine Elektronenmikroskopie-Aufnahme der Mikrotubuli, des Bindungspartners von Tau, zu sehen. Festkörper-NMR-Spektroskopie O hne Proteine wäre Leben undenkbar. Sie managen und verrichten die meisten Aufgaben, die Bakterien ebenso wie Pflanzen und Tieren das Überleben sichern. Alle Proteine sind aus Aminosäuren aufgebaut, die zu hunderten, manchmal sogar tausenden korrekt aneinandergereiht werden müssen. Doch erst wenn sie sich zu ihrer korrekten dreidimensionalen Struktur falten, können sie ihre jeweilige Funktion in der Zelle erfüllen. Falsch gefaltet können sie indes großen Schaden anrichten. In Hirngeweben von Alzheimer-Patienten lassen sich gleich zwei falsch gefaltete Proteine nachweisen: Zwischen Nervenzellen sind Amyloid-Plaques, »Proteinverklumpungen«, diffus in der Hirnrinde und anderen Gehirnregionen eingestreut. Im Inneren der Nervenzellen liegen zu Knäueln verklumpte Tau-Fibrillen. Diese tragen im Zusammenspiel mit genetischen Faktoren dazu bei, dass der Stoffwechsel der Nervenzellen aus dem Ruder läuft und die Kommunikation zwischen den Nervenzellen gestört ist. Die Nervenzellen verkümmern und sterben schließlich ab. Warum lagern sich hier die einzelnen Moleküle zusammen, und weshalb können sie von der Zelle nicht abgebaut werden? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, versuchen wir, die Struktur einzelner Proteine in den Tau-Bündeln zu bestimmen. Trickreiches Experiment Konventionelle Methoden zur Strukturbestimmung versagen hier allerdings, denn die Plaques und Bündel sind schlicht zu groß und zudem wasserunlöslich. Sie sind damit weder für die Flüssigkeits-Kernspinresonanz (NMR)-Spektroskopie noch für die Röntgenstrukturanalyse geeignet. Wir wenden daher eine spezielle Form der NMR-Spektroskopie an, um diese schweren, wasserunlöslichen Proteinaggregate zu erforschen: die Festkörper-NMR-Spektroskopie. Dabei nutzen wir einen Trick: Da sich die Moleküle nicht schnell genug von selbst drehen, rotieren wir unsere gesamte Probe bis zu 65.000 Mal pro Sekunde. Mithilfe von Radiowellen können wir dann die Struktur der Tau-Fibrillen im starken Magnetfeld des NMR-Spektrometers untersuchen. Uns interessieren aber auch die Strukturen anderer Proteine, die fest in der Zellmembran verankert sind. Wie verändert sich beispielsweise die Struktur von Membranproteinen, wenn andere Moleküle – zum Beispiel Medikamente – an sie binden? Dr. Adam Lange studierte Physik in Göttingen und promovierte 2006 am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Zusammenarbeit mit den National Institutes of Health in Bethesda (Maryland, USA). Anschließend wechselte er mit einem EMBOStipendium an die ETH Zürich. Seit 2008 leitet er am Institut die Arbeitsgruppe »Festkörper-NMRSpektroskopie«. Adam Lange wurde 2006 mit der Otto-HahnMedaille der Max-Planck-Gesellschaft und dem R. R. Ernst-Preis der Gesellschaft Deutscher Chemiker ausgezeichnet. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ ags/lange Der supraleitende Magnet erzeugt ein Magnetfeld, das etwa 400.000 Mal so stark ist wie das Erdmagnetfeld. A. Lange, I. Scholz, T. Manolikas, M. Ernst, B. H. Meier: Low-power cross polarization in fast magic-angle spinning NMR experiments. Chem. Phys. Lett. 468, 100-105 (2009). C. Wasmer, A. Lange, H. Van Melckebeke, A. B. Siemer, R. Riek, B. H. Meier: Amyloid fibrils of the HET-s(218-289) prion form a -solenoid with a triangular hydrophobic core. Science 319, 1523-1526 (2008). A. Lange, K. Giller, S. Hornig, M. F. Martin-Eauclaire, O. Pongs, S. Becker, M. Baldus: Toxin-induced conformational changes in a potassium channel revealed by solid-state NMR. Nature 440, 959-962 (2006). 43 Systembiologie der Motorproteine O Dr. Martin Kollmar promovierte 2002 am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg im Fach Chemie. Seitdem ist er Leiter der Projektgruppe »Systembiologie der Motorproteine« am Max-PlanckInstitut für biophysikalische Chemie. Martin Kollmar erhielt 2002 ein Liebig-Stipendium und wurde 1998 mit dem Sophie-BernthsenPreis ausgezeichnet. Kontakt: [email protected] www.motorprotein.de Vordergrund: schematische Darstellung der Organisation der Untereinheiten im zytoplasmatischen Dynein/ Dynactin-Komplex. Bereits bekannte Strukturen von Untereinheiten oder Fragmenten davon sind der schematischen Darstellung überlagert. Hintergrund: phylogenetischer Baum der Dyneine, in dem die verschiedenen Dynein-Formen farbig markiert sind. F. Odronitz, H. Pillmann, O. Keller, S. Waack, M. Kollmar: WebScipio: An online tool for the determination of gene structures using protein sequences. BMC Genomics 9, 422 (2008). F. Odronitz, M. Kollmar: Drawing the tree of eukaryotic life based on the analysis of 2269 manually annotated myosins from 328 species. Genome Biology 8, R196 (2007). F. Odronitz, M. Hellkamp, K. Kollmar: diArk – a resource for eukaryotic genome research. BMC Genomics 8, 103 (2007). 44 b Tiere oder Pflanzen, ihre Zellen haben ein bewegtes Innenleben. Sie verfügen über ein molekulares Inventar – die Motorproteine – mit dem sie diverse Zellbestandteile gezielt in Bewegung setzen können. Auch für die Bewegung der Muskeln, die Zellteilung oder die intrazelluläre Logistik sind solche Motorproteine unentbehrlich. Wir wollen herausfinden, wie sie funktionieren und wie verschiedene Motorproteine als komplexes Netzwerk in der Zelle zusammenarbeiten. Dazu bestimmen wir, über welches Arsenal an Motorproteinen verschiedene Organismen verfügen. Dabei können wir auf eine stetig steigende Zahl vollständig sequenzierter Genome zurückgreifen. Um Motorprotein-Gene zu identifizieren, vergleichen wir die DNA-Sequenzen aus den Genomen vieler verschiedener Organismen, von Maus und Mensch bis hin zu Fliege, Fadenwurm und Hefepilz. Wenn die Sequenz der DNA bekannt ist, heißt das allerdings noch lange nicht, dass auch die darin kodierten Gene bekannt sind. Um Datenbanken zu durchmustern und Motorprotein-Gene gezielt aufzuspüren, entwickeln wir daher spezielle Werkzeuge. Gigant im Reich der Proteine Die Arbeitsweise der Motorproteine können wir nur dann verstehen, wenn wir die Details ihrer räumlichen Struktur kennen. Derzeit studieren wir den Proteinkomplex aus Dynein und Dynactin. Beim Transport unterschiedlicher Zellkomponenten ist er ebenso beteiligt wie bei der Zellteilung, wenn die Chromosomen sortiert und korrekt auf die Tochterzellen verteilt werden müssen. Dynactin koordiniert und reguliert den zellulären Frachtverkehr, während Dynein die dafür benötigte Energie bereitstellt. Wie diese molekulare Maschine chemische Energie in mechanische Arbeit umsetzt, ist allerdings noch weitgehend ungeklärt. Kein Wunder, schließlich ist das Dynein ein wahrer Gigant unter den Proteinen, rund zwanzigmal so groß wie der rote Blutfarbstoff Hämoglobin, und daher Strukturuntersuchungen nur schwer zugänglich. Seine räumliche Struktur zu entschlüsseln ist deshalb eine besondere Herausforderung. Bioanalytische Massenspektrometrie ganzer Zellen und Gewebe. Die Unterschiede, die wir dabei beobachten, helfen nicht nur, zelluläre Prozesse zu verstehen. Sie lassen auch Rückschlüsse darauf zu, was in einer Zelle vor sich geht, wenn sie sich von einer Vorläuferzelle (zum Beispiel im Knochenmark) zu einer hochspezialisierten Immunzelle entwickelt. Nicht zuletzt interessiert uns, wie sich solche zellulären Prozesse bei bestimmten Krankheiten verändern. Hochleistungs-Elektrospray-Ionisationsmassenspektrometer zur quantitativen Analyse von Molekülen. Geringste Mengen an Proteinen und Proteinfragmenten werden mittels Flüssigkeitschromatographie getrennt und direkt in das Massenspektrometer »gesprüht«. Der Bildschirm zeigt die Position des Sprühers (Kapillarnadel aus Kieselglas), aus dem die Moleküle heraustreten. W ie viel wiegt ein Molekül? Die Massenspektrometrie dient dazu, die Masse – und damit das Gewicht – von Molekülen exakt zu ermitteln. In den Lebenswissenschaften ist die moderne »bioanalytische« Massenspektrometrie von Proteinen zu einer grundlegenden Analysetechnik geworden. Dank neuer Methoden können wir die Proteine in verschiedenen Zellen und Entwicklungsstadien eines Organismus quantitativ erfassen. Denn wie sich Zellen entwickeln und wie Organismen altern, spiegelt sich auch in deren Proteinmuster wider. In Zusammenarbeit mit anderen Forschungsgruppen ermitteln und vergleichen wir die Proteinmuster von Proteinkomplexen und zellulären Kompartimenten, aber auch Handliche Proteinfragmente Hierzu analysieren wir allerdings nicht die intakten Proteine. Vielmehr spalten wir die aus einer Zelle isolierten Proteine zunächst in kleinere, handlichere Protein-Fragmente (Peptide). Anschließend wird nicht nur deren Masse exakt ermittelt, sondern auch die Abfolge ihrer einzelnen Bausteine, der Aminosäuren. Denn sobald wir von einem oder mehreren dieser Peptide Masse und Aminosäuresequenz kennen, können wir das dazugehörige intakte Protein in Datenbanken zuverlässig identifizieren und dessen Menge bestimmen. Die Eigenschaften von Proteinen ändern sich mit der Abfolge und dem Modifizierungsgrad ihrer Aminosäuren. Dies muss bei der Analyse berücksichtigt werden. So erfordern Proteine, die Bestandteil von Zellmembranen sind und beispielsweise Zuckerreste tragen, andere Analyse-Verfahren als solche, die Phosphatreste tragen und das »An- und Abschalten« spezieller Gene bewirken. Ein weiteres Ziel unserer Arbeitsgruppe ist es daher, die bestehenden analytischen Methoden weiter zu verbessern und neue Verfahren zu entwickeln, die einen noch detaillierteren Einblick in das vielgestaltige Protein-Inventar der Zellen erlauben. Ionenquelle eines Elektrospray-IonisationsMassenspektrometers. Zwischen dem Sprüher und der Öffnung des Massenspektrometers liegt eine Spannung von ein bis zwei Kilovolt an. Dadurch werden wie bei einer Düse aus der Öffnung des Sprühers winzigste geladene Flüssigkeitströpfchen mit den zu untersuchenden Molekülen in das Massenspektrometer gesprüht. Dort verdampft das Lösungsmittel, zurück bleiben geladene Moleküle, deren Masse exakt bestimmt werden kann. Dr. Henning Urlaub studierte Biochemie an der Freien Universität Berlin und promovierte 1996 am Berliner Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin. Von 1997 bis 2004 forschte er als Postdoktorand im Labor von Reinhard Lührmann in Marburg und Göttingen, unterbrochen von einigen Forschungsaufenthalten am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg. Seit 2005 leitet er die Forschungsgruppe »Bioanalytische Massenspektrometrie« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Henning Urlaub organisiert seit 2004 die »Summer School«-Serie »Proteomic Basics«. Er ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Proteomforschung (DGPF). Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/home/urlaub T. Oellerich, M. Gronborg, K. Neumann, H. H. Hsiao, H. Urlaub, J. Wienands: SLP-65 phosphorylation dynamics reveals a functional basis for signal integration by receptor-proximal adaptor proteins. Mol. Cell. Proteomics 8, 17381750 (2009). L. Weinmann, J. Hoeck, T. Ivacevic, T. Ohrt, J. Muetze, P. Schwille, E. Kremmer, V. Benes, H. Urlaub , G. Meister: Importin 8 is a gene silencing factor that targets argonaute proteins to distinct mRNAs. Cell 136, 496-507 (2009). E. Meulmeester, M. Kunze, H .H. Hsiao, H. Urlaub, F. Melchior: Mechanism and consequences for paralog-specific sumoylation of ubiquitin-specific protease 25. Mol. Cell 30, 610-619 (2008). C. Lenz, E. Kuehn-Hoelsken, H. Urlaub: Detection of protein-RNA crosslinks by nanoLC-ESI-MS/MS using precursor ion scanning and multiple reaction monitoring (MRM) experiments. J. Am. Soc. Mass Spectrometry 18, 869-881 (2007). 45 Enzym-Biochemie O Dr. Manfred Konrad studierte Biologie, Mathematik und Chemie und promovierte 1981 an der Universität Heidelberg. Von 1978 bis 1979 forschte er als DAAD-Stipendiat an der Boston University, School of Medicine (USA), 1982 ging er als EMBO-Stipendiat an die University of Bristol (England). Nach einer Tätigkeit bei der Firma Gödecke (Freiburg) arbeitete er zunächst an der Universität Marburg und kam dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Dort leitet Manfred Konrad seit 2005 die Arbeitsgruppe »Enzym-Biochemie«. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ ags/konrad E. Sabini, S. Hazra, S. Ort, M. Konrad, A. Lavie: Structural basis for substrate promiscuity of deoxycytidine kinase. J. Mol. Biol. 378, 607-621 (2008). B. M. Wöhrl, L. Loubière, R. Brundiers, R. S. Goody, D. Klatzmann, M. Konrad: Expressing engineered thymidylate kinase variants in human cells to improve AZT phosphorylation and human immunodeficiency virus inhibition. J. Gen. Virol. 86, 757-764 (2005). C. Monnerjahn, M. Konrad: Modulated nucleoside kinases as tools to improve the activation of therapeutic nucleoside analogues. Chem. Bio. Chem. 4, 143146 (2003). 46 hne Enzyme käme jedes Leben ab- Viren und Tumore bremsen rupt zum Stillstand. Diese Biokataly- Wenn an diesen »falschen« Bausatoren ermöglichen eine Fülle chemischer steinen drei Phosphatgruppen hänVorgänge, die in unserem Körper sonst gen, werden sie ebenfalls in neue DNAnicht stattfinden könnten. Sie beschleuni- Moleküle eingebaut. Da sie sich nicht opgen chemische Reaktionen in einem unvor- timal einfügen, wird die Struktur der DNA stellbaren Ausmaß, mitunter um den Faktor 1020 – mehr als das Trillionenfache. Um Reaktionen derart forcieren zu können, benötigen die Enzyme chemische Energie in passender Form. Die meisten arbeiten mit einem kleinen Molekül namens Adenosintriphosphat (ATP), der uni- In menschlichen Zellen existieren Enzyme aus der Familie der Kinasen, versalen Energie-Währung die Nukleoside (N) – die Bausteine der DNA – in drei Schritten mit der Zelle. Im Durchschnitt Phosphatgruppen bestücken. Als Medikament verabreichte Nukleosidbildet und verbraucht ein Analoga (NA) werden ebenfalls bereitwillig akzeptiert, doch ihr Einbau Mensch davon rund 75 zerstört die Struktur der DNA. Kilogramm pro Tag. Wir beschäftigen uns mit Enzymen, die jedoch instabil, oder die Kette der Bausteiwirkungslose Vorstufen eines Medika- ne bricht sogar vorzeitig ab. Dadurch bremments aktivieren können. Bei der Chemo- sen die falschen DNA-Bausteine die Vertherapie mancher Krebs-Erkrankungen und mehrung von Viren oder hindern einen TuVirus-Infektionen erhalten die Patienten mor am Wachsen. nicht die eigentliche Wirksubstanz, sonWelche molekularen Strukturen entstedern eine chemische Vorstufe, Pro-Drug hen, wenn die Pro-Drugs mit diesen Enzygenannt. Im menschlichen Körper, besten- men in Kontakt kommen, wissen wir befalls nur in den kranken Zellen, entfaltet reits. Das hilft uns zu verstehen, warum sich das Medikament dann die gewünschte zer- verschiedene Medikamente unterschiedstörerische Wirkung. Dabei kommen häu- lich leicht mit Phosphatgruppen bestücken fig Enzyme ins Spiel, die Phosphatgruppen lassen. Auf dieser Grundlage wollen wir Enan Bausteine der Erbsubstanz hängen. Die- zymvarianten konstruieren, die bestimmte se Enzyme akzeptieren – mehr oder minder Pro-Drugs noch besser und selektiver aktibereitwillig – aber auch ähnliche Molekü- vieren. Dabei geht es insbesondere um die le, die als Pro-Drugs eingeschleust wurden. strukturellen Spiegelbilder normaler DNABausteine von lebenden Zellen. Das Enzym Desoxycytidin-Kinase hängt Phosphatgruppen an den DNA-Baustein Desoxycytidin. Dabei sind ihm Bild (D-Desoxycytidin D-dC) und Spiegelbild (L-Desoxycytidin, LdC) gleichermaßen recht. Nukleinsäurechemie S ie sind lebenswichtige Bausteine aller Organismen: Die Nukleinsäuren DNA und RNA speichern und übertragen die genetische Information. Ihr Repertoire ist da- Die Primärstruktur der Ribonukleinsäure (RNA). Chemische Veränderungen können an den Nukleobasen, der Zuckereinheit (Ribose) oder dem Phosphat-Rückgrat angebracht werden. mit allerdings noch bei weitem nicht erschöpft. Die Nukleinsäuren erledigen auch Aufgaben, die Wissenschaftler eigentlich nur von Proteinen kennen. Genau wie Proteine kann RNA katalytisch wirken und beschleunigt als Ribozym chemische Reaktionen im Körper. Sie reguliert aber auch die Aktivität von Genen durch Riboschalter oder RNA-Interferenz. DNA- und RNA-Enzyme Wir wollen verstehen, wie RNA als Enzym oder Genregulator arbeitet. Dazu müssen wir das RNA-Molekül zunächst chemisch verändern. So versehen wir es etwa mit chemischen Markierungen, die wir zielgenau an der Nukleinsäure anbringen können. Die Eigenschaften dieser veränderten RNA analysieren wir in Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen am Institut. Erst seit einigen Jahren weiß man, dass auch DNA katalytisch wirken kann. Diese Desoxyribozyme haben unser Wissen über katalytische Nukleinsäuren auf eine neue Basis gestellt. Wissenschaftler verwenden DNA-Enzyme heute bereits in der Forschung und untersuchen ihren möglichen Einsatz als Medikamente oder alternative Biosensoren. In unserer Gruppe entwickeln wir DNAEnzyme, mit denen wir in einem neuen Verfahren RNA chemisch verändern können. Doch um aus Desoxyribozymen solch maßgeschneiderte Werkzeuge zu bauen, müssen wir im Detail verstehen, wie sie funktionieren: Welche der Tausende von Atomen in einem DNA-Enzym sind an der Katalyse beteiligt? Woher stammt eigentlich die Triebkraft, die eine Reaktion beschleunigt? Um diese Fragen zu beantworten, analysieren wir die molekularen Details der Struktur, Funktion und Mechanismen von DNA-Katalysatoren mit einem ganzen Arsenal von Methoden aus der Chemie, der Biochemie und der Biophysik. Dr. Claudia Höbartner studierte Technische Chemie an der Technischen Universität Wien und an der ETH Zürich. Sie promovierte 2004 an der Leopold-FranzensUniversität Innsbruck in Organischer Chemie. Von 2005 bis 2007 forschte sie als Erwin-SchrödingerStipendiatin an der University of Illinois in Urbana-Champaign (USA). 2007 kehrte sie – unterstützt durch das Hertha-FirnbergProgramm des österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung – an die Universität Innsbruck zurück. Seit März 2008 leitet sie die MaxPlanck-Forschungsgruppe »Nukleinsäurechemie« am MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ ags/hoebartner Die in-vitro-Selektion ist das Verfahren, mit dem katalytische Nukleinsäuren im Labor gefunden werden. Dabei werden in einem zyklischen Prozess verschiedenste Nukleinsäuren aus einer umfassenden Auswahl – einer sogenannten kombinatorischen Bibliothek – solange sortiert und vervielfältigt, bis man Ribozyme mit den gewünschten Eigenschaften erhält. R. Rieder, C. Höbartner, R. Micura: Enzymatic ligation strategies for the preparation of purine riboswitches with site-specific chemical modifications. In: Riboswitches (Ed. A. Serganov). Methods Mol. Biol. 540, 15-24 (2009). C. Höbartner, S. K. Silverman: Recent advances in DNA catalysis. Biopolymers 87, 279-292 (2007). 47 Zelluläre Maschinen 48 Wie Moleküle sich die Arbeit teilen Hefepilze zählen zu jenen Lebewesen, die nur aus einer einzigen Zelle bestehen. Weitgehend autonom sind aber auch die Körperzellen vielzelliger Organismen wie Maus und Mensch. Damit Zellen zuverlässig ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen, müssen eine Vielzahl verschiedener Proteine als molekulare Maschinen reibungslos zusammenarbeiten. Welche molekularen Maschinen sind jeweils am Werk, wie funktionieren sie im Detail, und wie ist ihre Zusammenarbeit organisiert? Solchen Fragen widmen sich mehrere Abteilungen und Forschungsgruppen mit biochemischen, molekulargenetischen, mikroskopischen und fluoreszenzspektroskopischen Methoden. 49 Zelluläre Biochemie O b Muskeln, Haut oder Leber – in jedem Gewebe gibt es eine Fülle vielgestaltiger Proteine. Die Baupläne für all diese Proteinmoleküle liegen verschlüsselt im Zellkern in der Erbsubstanz Desoxyribonukleinsäure (DNA) vor. Um nach diesen Bauplänen Proteine herzustellen, wird ein Gen zunächst in die Rohfassung einer Boten-Ribonukleinsäure (Boten-RNA) umkopiert. Diese Rohfassung lässt sich allerdings nicht sofort für die Proteinproduktion einsetzen. Denn gewöhnlich liegt der Bauplan für ein Protein nicht in einem Stück vor, sondern in mehreren Abschnitten – den Exons. Zwischen diesen Exons liegen Bereiche, die aus der Rohfassung herausgeschnitten werden müssen – die Introns. Erst in diesem Arbeitsgang, dem Spleißen, werden alle benötigten Exons zu einer gebrauchsfertigen Boten-RNA lückenlos miteinander verbunden. Das erscheint zwar recht kompliziert, hat aber einen Vorteil: Bei Bedarf können unterschiedliche Exons ausgewählt und zu einer Boten-RNA zusammengesetzt werden. Damit liefert ein einzelnes Gen die Baupläne für viele verschiedene Proteine. Dieser als alternatives Spleißen bezeichnete Prozess erklärt, warum der Mensch mit einem recht bescheidenen Sortiment von zirka 25.000 Genen weit mehr als 100.000 unterschiedliche Proteine herstellen kann. Zuschnitt nach Maß Um die Rohfassung einer Boten-RNA in ein taugliches Endprodukt zu verwandeln, muss das Spleißen sehr präzise ablaufen. Kein Wunder, dass Aus der Rohfassung schneidern Spleißosomen eine Boten-RNA zurecht, die dann außerhalb des Zellkerns als Bauplan für die Proteinproduktion dient. 50 Ein katalytisch aktives Spleißosom hat eine komplexe Raumstruktur. dies eine komplizierte molekulare Maschinerie bewerkstelligt, das Spleißosom. Es setzt sich aus über 150 Proteinen und fünf kleinen RNA-Molekülen (den snRNAs U1, U2, U4, U5 und U6) zusammen. Viele dieser spleißosomalen Proteine liegen nicht ungeordnet im Zellkern herum, sondern formieren sich in präzise organisierten Verbänden. So lagern sich beispielweise etwa 50 dieser Proteine mit den snRNAs zu RNA-ProteinPartikeln zusammen. Diese sogenannten snRNPs (Snurps) dienen dem Spleißosom als vorgefertigte Bauteile. Ein molekularer Schneidetisch Wie wir heute wissen, wird das Spleißosom bei jedem Spleißvorgang vor Ort neu zusammengebaut. An der Boten-RNA werden dazu nach und nach die snRNPs und weitere Helferproteine rekrutiert. Jedes dieser fünf RNA-Protein-Partikel ist für bestimmte Aufgaben zuständig. So gilt es zum Beispiel, Anfang und Ende eines Introns zu erkennen und einander zu nähern, um die angrenzenden Exons dann beim Spleißen sofort zu verbinden. Die molekularen »Scheren«, die das Intron herausschneiden, werden dabei erst schrittweise aktiviert. Hierbei findet ein reges Kommen und Gehen der snRNAs und Proteine statt, das zeitlich exakt gesteuert wird. Vermutlich gewährleistet diese aufwendige Prozedur eine exakte Schnittführung und damit eine fehlerlose Bauanleitung für das benötigte Protein. Unser Ziel ist es, diese dramatische strukturelle Dynamik des Spleißosoms »filmartig« festzuhalten. Gleichzeitig wollen wir verstehen, wie die molekularen Scheren des Spleißosoms – sein katalytisches Zentrum – zusammengesetzt sind und möchten diesen Scheren beim Herausschneiden eines Introns zuschauen. Dazu haben wir die Spleißosomen bei verschiedenen Arbeitsschritten angehalten, sie in diesen Zuständen isoliert und ihre Bestandteile analysiert. Umgekehrt gelingt es uns, Spleißosomen auch wieder aus den isolierten Bestandteilen zu biologisch aktiven Maschinen zusammenzubauen. Indem wir einzelne Teile gezielt entfernen oder verändern, können wir beobachten, wie sich diese Manipulationen auf das Spleißosom auswirken. Um die Arbeitsweise dieser faszinierenden molekularen Maschine im Detail zu verstehen, verfolgen wir einen interdisziplinären Ansatz. Neben biochemischen und biophysikalischen Methoden benutzen wir vor allem die hochauflösende Elektronenmikroskopie und die Röntgenkristallstrukturanalyse. Sie liefern uns dreidimensionale Modelle einzelner snRNPs und vollständiger Spleißosomen und atomare Details der beteiligten Makromoleküle. Aktive Spleißosomen (rot angefärbt) befinden sich nur in bestimmten Regionen des Zellkerns. Folgenschwere Fehler Die molekulare Analyse des Spleißosoms, die wir mit unserem interdisziplinären Ansatz verfolgen, wird nicht nur dazu beitragen, Erkenntnisse über die Ursachen molekularer Krankheiten zu liefern, die auf Fehler beim Spleißen der Boten-RNA beruhen. Sie wird auch neue Therapieansätze zur Behandlung solcher Krankheiten ermöglichen. Neuere Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 20 Prozent humaner genetischer Erkrankungen auf Mutationen zurückzuführen sind, die die Funktion von Spleißosomen beeinträchtigen. Prof. Dr. Reinhard Lührmann promovierte 1975 an der Universität Münster im Fach Chemie. Von dort wechselte er an das Berliner Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, wo er von 1981 bis 1988 am Otto-Warburg-Laboratorium eine selbstständige Arbeitsgruppe leitete. Im Jahr 1982 habilitierte er sich an der Freien Universität Berlin in Molekularbiologie und Biochemie. 1988 übernahm er eine Professur für Physiologische Chemie und Molekulare Biologie am Fachbereich Medizin der Universität Marburg. Seit 1999 leitet er am MaxPlanck-Institut für biophysika lische Chemie die Abteilung »Zelluläre Biochemie«. Reinhard Lührmann erhielt mehrere wissenschaftliche Preise, unter anderem den Max-Planck-Forschungspreis (1990), den Leibniz-Preis (1996), den Feldberg-Preis (2002) und den Ernst-Jung-Preis für Medizin (2003). Er ist Honorarprofessor an den Universitäten Göttingen und Marburg. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ dep/luehrmann M. C. Wahl, C. L. Will, R. Lührmann: The spliceosome: design principles of a dynamic RNP machine. Cell 136, 701718 (2009). Im Herzen des Spleißosoms: Eine RNase H-ähnliche Domäne im Prp8-Protein (hier als Kristallstruktur gezeigt) lässt vermuten, dass das Spleißosom ein RNP-Enzym ist. S. Bessonov, M. Anokhina, C. L. Will, H. Urlaub, R. Lührmann: Isolation of an active step 1 spliceosome and composition of its RNP core. Nature 452, 846-850 (2008). H. Stark, R. Lührmann: Electron cryomicroscopy of spliceosomal components. Ann. Rev. Biophys. Biomol. Structure 35, 435-457 (2006). 51 Molekulare Kryo-Elektronenmikroskopie M Prof. Dr. Holger Stark studierte Biochemie und promovierte 1997 am Fritz-Haber-Institut in Berlin. Anschließend forschte er am Imperial College in London und von 1998 bis 1999 an der Universität Marburg. Im Jahr 2000 wechselte er als Gruppenleiter an das MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie. Seit 2008 ist er zudem Professor für Molekulare Kryo-Elektronenmikroskopie an der Universität Göttingen. Für seine Forschung erhielt Holger Stark zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem die OttoHahn-Medaille der Max-PlanckGesellschaft (1997), den Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Elektronenmikroskopie (1998) sowie den BioFuture-Preis (2005). Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/groups/stark it molekularen Maschinen hält jede Zelle ihren Stoffwechsel in Gang. Oft sind es sehr komplexe Gebilde, zusammengesetzt aus einer Vielzahl verschiedener Komponenten. Um diese Maschinen im Nanokosmos der Zelle direkt in »Aktion« zu beobachten, müssen Wissenschaftler allerdings einiges an Aufwand betreiben. Momentaufnahmen in Schockstarre In unserer Gruppe untersuchen wir Makromoleküle mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie in schockgefrorenem Zustand. Das mag paradox klingen, doch durch blitzartiges Einfrieren lässt sich die molekulare Maschinerie während ganz unterschiedlicher Arbeitsschritte stoppen. Das Elektronenmikroskop liefert uns mit diesen Proben eine ganze Serie von Aufnahmen eines Makromoleküls aus verschiedenen Blickwinkeln und zu verschiedenen Zeitpunkten. Aus diesen Einzelbildern setzen wir mithilfe spezieller Computerprogramme schließlich die räumliche Struktur zusammen. Diese zeigt uns, wie die molekulare Maschine aussieht und wie sie sich verändert – und das in 3D. Wir wenden diese Technik auf eine Vielzahl unterschiedlicher molekularer Ma- schinen an, die an wichtigen Schaltstellen der zellulären Informationsverarbeitung sitzen. Diese Maschinen bestehen häufig nicht allein aus Proteinen, sondern sie sind komplexe Verbünde aus Proteinen und Nukleinsäuren. Zum Beispiel untersuchen wir, wie die Proteinfabrik der Zelle – das Ribosom – durch Ablesen der Erbinformation Proteine herstellt. Derzeit untersuchen wir auch Spleißosomen. Sie treten in Aktion, nachdem die Baupläne für Proteine in die Rohfassung einer Boten-RNA umkopiert wurden. Spleißosomen schneiden die nicht benötigten Teile aus der Boten-RNA heraus und bringen so die Baupläne in eine lesbare Form. Daneben erforschen wir einen lebenswichtigen Proteinkomplex, der bei der Zellteilung eine wichtige Rolle spielt: den sogenannten Anaphase einleitenden Komplex. Er sorgt dafür, dass die Erbinformation korrekt auf die beiden Tochterzellen verteilt wird. Dank der Kryo-Elekronenmikroskopie können wir die räumliche Struktur und die Bewegungen solch unterschiedlicher molekularer Maschinen direkt »während ihrer Arbeit« beobachten – und lernen so, ihre Funktion im Detail zu verstehen. F. Herzog, I. Primorac, P. Dube, P. Lenart, B. Sander, K. Mechtler, H. Stark, J. M. Peters: Structure of the anaphase promoting complex/cyclosome interacting with a mitotic checkpoint complex. Science 323, 1477-1481 (2009). A. Chari, M. M. Golas, M. Klingenhager, N. Neuenkirchen, B. Sander, C. Englbrecht, A. Sickmann, H. Stark, U. Fischer: An assembly chaperone collaborates with the SMN complex to generate spliceosomal SnRNPs. Cell 135, 497509 (2008). B. Kastner, N. Fischer, M. M. Golas, B. Sander, P. Dube, D. Boehringer, K. Hartmuth, J. Deckert, F. Hauer, E. Wolf, H. Uchtenhagen, H. Urlaub, F. Herzog, J. M. Peters, D. Poerschke, R. Luhrmann, H. Stark: GraFix: sample preparation for single-particle electron cryomicroscopy. Nat. Methods 5, 53-55 (2008). B. Sander, M. M. Golas, E. M. Makarov, H. Brahms, B. Kastner, R. Luhrmann, H. Stark: Organization of core spliceosomal components U5 snRNA loop I and U4/U6 Di-snRNP within U4/U6.U5 Tri-snRNP as revealed by electron cryomicroscopy. Mol. Cell 24, 267 (2006). 52 Das Ribosom »bei der Arbeit«! Ribosomendynamik Etikett für Membranproteine Alle lebenden Zellen sind von einer Zellmembran umhüllt, die ihr Inneres von der Außenwelt abgrenzt. Sie besteht aus einer Doppelschicht fettähnlicher Moleküle, in der zahlreiche Proteine eingelagert sind, die ganz bestimmte Funktionen erfüllen. Einige arbeiten beispielsweise als »Empfangs-Antennen« für die Aufnahme von Signalen. Andere dienen als Schleusen, die nur bestimmte Stoffe passieren lassen. Wie aber werden solche Proteine in die Zellmembran eingefügt? Zumeist geschieht ihr Einbau in die Zellmembran, noch während das Protein am Ribosom zusammengesetzt wird. Ribosomen, die Membranproteine zusammenbauen, müssen daher zur Zellmembran an die Zellmembran dirigiert. Wechselwirkungen des Ribosoms mit dem Signalerkennungspartikel und Helferproteinen führen schließlich dazu, dass das entstehende Protein während der weiteren Synthese in die Membran integriert wird. Die molekularen Vorgänge bei diesem Prozess sind ein Schwerpunkt unserer Forschung. Ribosomen in Bewegung In einem zweiten Projekt untersuchen wir in Kooperation mit Marina Rodnina und Holger Stark die molekularen Bewegungen von Molekülen auf dem Ribosom, während es ein Protein synthetisiert. Die dafür nötige Energie steckt im Speichermolekül GTP und wird frei, wenn das GTP gespalten wird. Diese Energie gezielt auf das Schema der Membranassoziation eines translatierenden Ribosoms. Gezeigt ist der Querschnitt der 50S-Untereinheit des Ribosoms. Das wachsende Peptid innerhalb des Peptidaustrittstunnels ist blau, die exponierte Signalsequenz rot. Protein L23 (gelb) ist Teil der Bindungsstelle von SRP. Der Kontakt des wachsenden Peptids mit dem Protein L23 induziert eine Konformationsänderung, welche die SRPBindung verstärkt. Anschließend bindet SRP an den SRPRezeptor, der den Kontakt mit der Membran und der Translokationspore (»Translocon«) vermittelt. dirigiert werden. Doch wie wird ein Membranprotein erkannt, und wie wird das am Zusammenbau beteiligte Ribosom rekrutiert? Wie dieser komplexe Vorgang gesteuert wird, erforschen wir in Bakterienzellen. Werden die ersten Bausteine eines Membranproteins am Ribosom zusammengefügt, erhält es bereits ein ganz spezielles Etikett. Dieses Etikett (»Signalsequenz«) wird von einem Ribonukleinsäure-Protein-Komplex – dem Signalerkennungspartikel (SRP) – erkannt, der das wachsende Protein mitsamt dem Ribosom Ribosom zu übertragen, ist Aufgabe des Elongationsfaktors G. Wir wollen herausfinden, wie dieses Protein Bewegungen auf dem Ribosom in Gang setzt: direkt, durch eine mechanische Kopplung vergleichbar mit der Welle in einem Motor, oder indirekt, über einen Mechanismus, der die spontane Eigenbewegung der Moleküle nutzt – die Brown’sche Molekularbewegung. Die Kombination von Methoden der physikalischen Biochemie und der KryoElektronenmikroskopie sollen in diesem Projekt zum Ziel führen. Prof. Dr. Wolfgang Wintermeyer promovierte in Chemie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach der Habilitation im Jahr 1979 forschte er mit einem Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft weiter in München, am Karolinska Institutet (Stockholm) und am Massachusetts Institute of Technology (Cambridge, USA). Von 1987 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2009 hatte er den Lehrstuhl für Molekularbiologie an der privaten Universität Witten/Herdecke inne. Von 1991 bis 2007 war er dort Dekan der Fakultät für Biowissenschaften. Seit 2009 ist Wolfgang Wintermeyer Max-Planck-Fellow und Leiter der Arbeitsgruppe »Ribosomendynamik« in der Abteilung »Physikalische Biochemie« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Kontakt: Wolfgang.Wintermeyer@mpibpc. mpg.de www.mpibpc.mpg.de/home/ wintermeyer T. Bornemann, J. Jöckel, M. V. Rodnina, W. Wintermeyer: Signal sequence-independent membrane targeting of ribosomes containing short nascent peptides within the exit tunnel. Nat. Struct. Mol. Biol. 15, 494-499 (2008). A. Savelsbergh, V. I. Katunin, D. Mohr, F. Peske, M. V. Rodnina, W. Wintermeyer: An elongation factor G-induced ribosome rearrangement preceeds tRNA-mRNA translocation. Mol. Cell 11, 1517-1523 (2003). 53 Physikalische Biochemie N ichts geht ohne Proteine: Sie halten eine Zelle in Form, sorgen für Mobilität, Frachttransport und Kommunikation, und nicht zuletzt sind sie überall im Spiel, wo Aufbau-, Abbau- oder Umbauprozesse stattfinden. Produziert werden Proteine nach Bauplänen, die in der Erbsubstanz Desoxyribonukleinsäure (DNA) gespeichert sind. Komplexe molekulare Maschinen (Ribosomen) sind dafür zuständig, die einzelnen Bausteine der Proteine – die Aminosäuren – in der durch den Bauplan bestimmten Reihenfolge aneinanderzufügen. Zusammengesetzt aus mehr als fünfzig Proteinkomponenten und drei bis vier Ribonukleinsäure-Molekülen, sind Ribosomen mit Dimensionen von 10 bis 20 Nanometern etwa so groß wie die kleinsten Viren. Um diese Molekülkomplexe bei der Arbeit zu beobachten, nutzen wir verschiedene biophysikalische Methoden wie die Fluoreszenzspektroskopie und schnelle kinetische Techniken. Strukturmodell eines bakteriellen Ribosoms. Die beiden TransferRibonukleinsäuren, die daran andocken, bringen passende Aminosäuren. 54 Präzisionsarbeit Auch wenn hunderte, manchmal sogar tausende von Aminosäuren aneinandergereiht werden, kommt es auf jede einzelne an. Ein einziger falscher Baustein kann das Protein arbeitsunfähig machen. Schlimmstenfalls kann ein defektes Protein sogar Schaden anrichten. Wie es den Ribosomen gelingt, die Fehlerquote so erstaunlich niedrig zu halten, interessiert uns deshalb besonders. Bekannt ist bereits, dass Ribosomen auf einen Kontakt mit einem falschen Baustein gewöhnlich nicht reagieren. Nur wenn der richtige Baustein andockt, löst das eine prompte Strukturveränderung aus, die schließlich zur Verknüpfung der Aminosäuren führt. Das Ribosom bringt dabei zwei Aminosäuren derart in Position, dass sie bereitwillig in Verbindung treten. So wird es zum Katalysator, der die Verkettung von Aminosäuren zehn Millionen Mal beschleunigt. Welche molekularen Prozesse bei der Strukturveränderung im Spiel sind und wie der katalytische Mechanismus im Detail funktioniert, versuchen wir derzeit herauszufinden. Erwünschte »Fehler« Gewöhnlich läuft die Produktion eines Proteins nach Plan. Ein Bauplan aus Ribonukleinsäure gibt genau vor, welche der zwanzig gängigen Aminosäuren in welcher Reihenfolge aneinandergehängt werden müssen. Fehler sind selten – manchmal aber sogar notwendig, um das gewünschte Protein zu erhalten: Nur wenn das Ribosom scheinbar einen Fehler macht, kann es nämlich spezielle Aminosäuren wie Selenocystein einbauen, die nicht zum Standardrepertoire gehören. Doch welche Mechanismen erlauben solche Ausnahmen von der Regel? Wenn wir das ergründen, hoffen wir zugleich, besser zu verstehen, wie Fehler normalerweise vermieden werden. Möglicherweise lassen sich solche Erkenntnisse eines Tages auch medizinisch nutzen. Laufend umstrukturiert Während das Ribosom ein Protein Schritt für Schritt zusammenbaut, verändert es im selben Rhythmus seine räumliche Struktur. Dabei kommen bestimmte Proteinfaktoren ins Spiel. Der Elongationsfaktor G zum Beispiel setzt mit chemischer Energie eine tiefgreifende Umstrukturierung des Ribosoms in Gang, ähnlich wie Motorproteine in Muskelzellen chemische Energie in mechanische Arbeit verwandeln. Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Wolfgang Wintermeyer studieren wir diesen Vorgang mit biochemischen und biophysikalischen Methoden. In Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Holger Stark versuchen wir, diese Strukturveränderungen am Ribosom mit der Kryo-Elektronenmikroskopie sichtbar zu machen. Prof. Marina Rodnina hat in Kiew Biologie studiert und dort 1989 promoviert. Anschließend kam sie mit einem Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung an die Universität Witten/Herdecke, wo sie von 1992 bis 1997 als wissenschaftliche Assistentin arbeitete. Nach der Habilitation 1997 wurde sie dort zur Universitätsprofessorin berufen und hatte von 2000 bis 2009 den Lehrstuhl für Physikalische Biochemie inne. Seit 2008 leitet sie als Direktorin die Abteilung »Physikalische Biochemie« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Sie ist seit 2008 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, Halle. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/ research/dep/rodnina P. Milon, A. L. Konevega, C. O. Gualerzi, M. V. Rodnina: Kinetic checkpoint at a late step in translation initiation. Mol. Cell 30, 712-720 (2008). A. L. Konevega, N. Fischer, Y. P. Semenkov, H. Stark, W. Wintermeyer, M. V. Rodnina: Spontaneous reverse movement of tRNA-mRNA through the ribosome. Nat. Struct. Mol. Biol. 14, 318324 (2007). M. Diaconu, U. Kothe, F. Schlünzen, N. Fischer, J. Harms, A. G. Tonevitski, H. Stark, M. V. Rodnina, M. C. Wahl: Structural basis for the function of the ribosomal L7/L12 stalk in factor binding and activation of GTP hydrolysis. Cell 121, 991-1004 (2005). 55 Mitteilsame Nervenzellen 56 Wie Signale weitergeleitet werden Einen Ball fangen, eine Gefahr rechtzeitig erkennen, sich an etwas erinnern oder eine Rechenaufgabe lösen – scheinbar mühelos speichert unser Nervensystem von frühester Kindheit an Erfahrungen, steuert komplizierte Bewegungsabläufe und erschafft unser Bewusstsein. Hundert Milliarden Nervenzellen umfasst das Nervensystem des Menschen schätzungsweise. Und die einzelnen Nervenzellen können jeweils mit Tausenden von Nachbarn Kontakt aufnehmen. Aus kleinen Membranbläschen, den Speichervesikeln, werden dabei spezielle Botenstoffe freigesetzt, die das Verhalten bestimmter Nachbarzellen beeinflussen. Ziel der Forscher am Institut ist es, die molekularen Prozesse aufzuklären, die Nervenzellen ihre Fähigkeit verleihen, Informationen zu sammeln und zu verarbeiten – bis hin zu komplexen Gehirnfunktionen wie Lernen und Gedächtnis. 57 Neurobiologie N ervenzellen sind Spezialisten für Kommunikation. Sie nehmen Signale auf, verarbeiten sie und geben sie weiter, an Muskelzellen zum Beispiel oder an benachbarte Nervenzellen. Gewöhnlich werden diese Signale über spezielle Botenstoffe vermittelt. Portionsweise verpackt in kleine Membranbläschen, die synaptischen Vesikel, liegen die Signalmoleküle im Inneren der Nervenzellen bereit. Wenn elektrische Signale anzeigen, dass eine Botschaft übermittelt werden soll, verschmelzen einige synaptische Vesikel mit der Zellmembran und entleeren ihren Inhalt nach außen. Kontaktfreudige SNAREs Das molekulare Inventar synaptischer Vesikel ist mittlerweile weitgehend bekannt. Sie enthalten faszinierende Proteine, die alle Aufgaben synaptischer Vesikel erledigen. Diese Membranbläschen sind nicht nur für die Aufnahme und Speicherung von Botenstoffen zuständig, sie müssen Signale erkennen und Membranen verschmelzen. Hierbei spielen spezielle Proteine, die sogenannten SNAREs, eine wichtige Rolle. Gemeinsam mit anderen Forschergruppen wollten wir herausfinden, wie die SNAREs zusammenarbeiten, um Membranen zu fusionieren. Inzwischen wissen wir das recht genau: Wenn passende Modell eines aufgeschnittenen synaptischen Vesikels mit der ringförmigen Vesikelmembran, in die verschiedene Proteine eingebettet sind. Im Inneren ist der Botenstoff Glutamat gespeichert. 58 Wenn Membranen miteinander verschmelzen, sind bestimmte Proteine im Spiel: die SNARES (blau, rot und grün). SNAREs miteinander in Kontakt treten und sich ineinander verhaken, verändern sie ihre Form. Anscheinend üben sie dabei eine solche Zugkraft aus, dass die Membranen, in denen sie verankert sind, einander extrem nahe kommen und schließlich verschmelzen. Dieser Prozess, der von zahlreichen anderen Proteinen kontrolliert wird, lässt sich im Reagenzglas nachstellen. In einem unserer Forschungsschwerpunkte nehmen wir die vielfältigen Faktoren, auf die es dabei ankommt, einzeln genauer unter die Lupe. SNAREs werden nicht nur dann gebraucht, wenn sich synaptische Vesikel entleeren. Sie beteiligen sich auch bei den vielfältigen Membranfusionen, die im Inneren jeder beliebigen Zelle ablaufen. Was auch immer biologische Membranen umschließen, sie werden ständig umgebaut. Dabei schnüren sie kleine Bläschen ab, die sich dann in ein anderes Membransystem einfügen. Derzeit untersuchen wir, wie die SNAREs jeweils gesteuert werden, wenn unterschiedliche Membranen im Spiel sind. Schließlich sollen benachbarte Strukturen nicht wahllos fusionieren. Nervenzellen zum Beispiel sollen ihre Botenstoffe nur dann ausschütten, wenn sie eine Nachricht zu übermitteln haben. Wir möchten herausfinden, was allen Membranfusionen gemeinsam ist und was sie voneinander unterscheidet. Die Arbeitsgruppe von Hans Dieter Schmitt beschäftigt sich ebenfalls mit den SNARE-Proteinen. Als Modellsystem dient ihr die Bäckerhefe, weil sich bei diesem einzelligen Pilz einzelne Gene leicht ein- oder ausschalten lassen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die von einer Proteinhülle umgebenen Transportvesikel. Bemerkenswert ist, dass die SNAREs dabei helfen, diese Proteinhülle abzustreifen. Erst dann können die SNAREs ihre eigentliche Arbeit verrichten und die Membranen verschmelzen. Karin Kühnel untersucht einen destruktiven Prozess, an dem ebenfalls Membranen beteiligt sind: Wenn Zellen den »Gürtel enger schnallen« müssen, fangen sie an, sich selbst zu verzehren. Dabei bilden sie Membranvesikel, die Zellbestandteile einschließen. Diese werden dann im »Magen« der Zelle, dem Lysosom, verdaut. Dieser als Autophagozytose bezeichnete Vorgang hilft der Zelle nicht nur Hungerperioden zu überstehen, sondern sorgt auch für routinemäßiges Aufräumen. Beschädigte oder zusammengelagerte Zellbausteine werden auf diese Weise entsorgt. Karin Kühnels Forschungsschwerpunkt ist die räumliche Struktur der daran beteiligten Proteine. Interne Arbeitsgruppen: Dr. Karin Kühnel Dr. Hans Dieter Schmitt Prof. Dr. Reinhard Jahn studierte Biologie und Chemie und promovierte 1981 an der Universität Göttingen. Von 1983 bis 1986 war er an der Rockefeller University, (New York) tätig, anschließend am Max-Planck-Institut für Psychiatrie (heute: Neurobiologie) in München. 1991 ging er als Professor an die Yale University in New Haven, Connecticut (USA), und seit 1997 leitet er die Abteilung »Neurobiologie« am Max-PlanckInstitut für biophysikalische Chemie. Zugleich ist Reinhard Jahn Honorarprofessor an der Fakultät für Biologie, und er ist Sprecher der Göttingen Graduate School of Neurosciences and Molecular Biosciences (GGNB). Reinhard Jahn hat mehrere Auszeichnungen erhalten, darunter den MaxPlanck-Forschungspreis (1990), den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2000) sowie den Ernst-Jung-Preis für Medizin (2006). Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ dep/jahn A. Stein, A. Radhakrishnan, D. Riedel, D. Fasshauer, R. Jahn: Synaptotagmin activates membrane fusion through a Ca2+-dependent trans-interaction with phospholipids. Nature Struct. Mol. Biol. 14, 904-911 (2007). D. Zwilling, A. Cypionka, W. Pohl, D. Fasshauer, P. J. Walla, M. C. Wahl, R. Jahn: Early endosomal SNAREs form a structurally conserved SNARE complex and fuse liposomes with multiple topologies. EMBO J. 26, 9-18 (2007). S. Takamori, M. Holt, K. Stenius, E. A. Lemke, M. Grønborg, D. Riedel, H. Urlaub, S. Schenck, B. Brügger, P. Ringler, S. A. Müller, B. Rammner, F. Gräter, J. S. Hub, B. L. De Groot, G. Mieskes, Y. Moriyama, J. Klingauf, H. Grubmüller, J. Heuser, F. Wieland, R. Jahn: Molecular anatomy of a trafficking organelle. Cell 127, 831-846 (2006). 59 Strukturelle Biochemie D Dr. Dirk Fasshauer studierte Biologie und promovierte 1994 an der Universität Göttingen. Von 1995 bis 1997 forschte er an der Yale University, New Haven (USA) und wechselte von dort an das MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie. Seit 2002 leitet er dort die Arbeitsgruppe »Strukturelle Biochemie« in der Abteilung »Neurobiologie«. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/groups/ fasshauer/fassh_main.htm T. H. Kloepper, C. N. Kienle, D. Fasshauer: SNAREing the basis of multicellularity: Consequences of protein family expansion during evolution. Mol. Biol. Evol. 25, 2055-2068 (2008). P. Burkhardt, D. A. Hattendorf, W. Weis, D. Fasshauer: Munc18a controls SNARE assembly through its interaction with the syntaxin N-peptide. EMBO J. 27, 923-933 (2008). A. Pobbati, A. Stein, D. Fasshauer: N- to C-terminal SNARE complex assembly promotes rapid membrane fusion. Science 313, 673-676 (2006). ie Zellen unseres Körpers – wie auch die anderer Tiere, Pflanzen, Pilze und vieler Einzeller – sind weitaus komplizierter aufgebaut als die Zellen der Bakterien. In unseren komplexen eukaryotischen Zellen gibt es viele durch Membranen abgetrennte Reaktionsräume, in denen ganz unterschiedliche Aufgaben erledigt werden. Im sogenannten Endoplasmatischen Retikulum, einem besonders großen, verzweigten Bereich, werden die Proteine der Zelle hergestellt. In den viel kleineren Lysosomen wird zellfremdes Material verdaut. In jedem Membranraum arbeitet ein ganz charakteristischer Satz von Molekülen. Damit die Aufgaben reibungslos erfüllt werden, ist es für die Zelle überlebenswichtig, dass die Moleküle in ausreichenden Mengen, zum exakten Zeitpunkt und am richtigen Ort bereitstehen. Sie werden deshalb über ein komplexes Transportsystem auf die verschiedenen Bereiche verteilt. Transport in Bläschen Meist werden die Moleküle dabei in kleinen, membranumhüllten Bläschen, den Vesikeln, von Raum zu Raum transportiert. Wenn eine Fracht ansteht, schnürt sich das Bläschen von der Membran des einen Raumes, dem Donorkompartiment, ab. Dann wandert es beladen durch den Hauptzellraum, das Zytosol, und verschmilzt schließlich mit der Membran des Zielkompartiments, in dem die Moleküle gebraucht werden. Wenn das Transportvesikel mit der Membran verschmilzt, spielen sogenannte SNARE-Proteine die Hauptrolle. Dies ist eine Gruppe relativ kleiner membranverankerter Proteine. Bisher geht man davon aus, dass sie in einem reißverschlussartigen Prozess einen stabilen Komplex zwischen der Membran des Transportbläschens und der Membran des Zielkompartiments ausbilden. Wir untersuchen, was genau passiert, wenn die SNARE-Proteine diesen Komplex aufbauen. Wir wollen auch wissen, welche anderen Faktoren diesen Prozess kontrollieren und katalysieren und wie der stabile Komplex am Ende wieder in seine Bestandteile zerlegt werden kann. Schließlich interessieren wir uns für die evolutionäre Entwicklung dieses Transportsystems. Denn immer häufiger zeigt sich, dass die molekularen Maschinen, die an den grundlegenden Prozessen des Transportgeschehens beteiligt sind, in allen Eukaryotenzellen zu finden sind – ein Hinweis auf ihre Verwandtschaft und die gemeinsame Abstammung, die wir erforschen. Daher kombinieren wir nicht nur strukturelle und biophysikalische Ansätze, sondern beziehen auch Verwandschaftsbeziehungen zwischen den Proteinmaschinen verschiedener Organismen mit ein. Phylogenetischer Baum der sekretorischen Syntaxin-Proteine aus Tieren (links). Mittels isothermer Titrationskalorimetrie lässt sich das starke Bestreben der beiden SNARE-Proteine Munc18a und Syntaxin 1a, sich miteinander zu verbinden, bestimmen. Dieser Komplex bildet sich während der Ausschüttung der Botenstoffe aus synaptischen Vesikeln aus (rechts). 60 Biophysik der synaptischen Übertragung W enn eine Nervenzelle ein Signal an die nächste weitergibt, wird dieses Signal gewöhnlich zwei Mal umgewandelt. Die »sendende« Zelle übersetzt ihr elektrisches Signal in ein chemisches, die »empfangende« Zelle macht aus dem chemischen Signal wieder ein elektrisches. Warum so umständlich? Die chemische Kommunikation über Botenstoffe bietet einen entscheidenden Vorteil: Anders als elektrische Signale können Botenstoffe nicht nur aktivierend, sondern auch hemmend auf die nächste Nervenzelle wirken. Außerdem sind die dazu notwendigen Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen – die Synapsen – bemerkenswert anpassungsfähig: Sie können elektrische Signale abgeschwächt weitergeben, sie können sie aber auch verstärken. Diese Dynamik der Synapse ist für die Informationsverarbeitung von herausragender Bedeutung. Wir wollen wissen, welche molekularen Mechanismen dahinter stecken. Dazu vergleichen wir verschiedene Synapsen-Typen aus unterschiedlichen Bereichen des Gehirns, beispielsweise dem Kleinhirn, der Hirnrinde und dem Hirn- stamm. Wir untersuchen diese Synapsen, indem wir elektrophysiologische Methoden mit bildgebenden Verfahren und molekularbiologischen Techniken kombinieren. Wie wir inzwischen wissen, trägt das Recycling der mit Botenstoffen gefüllten Vesikel auf Seiten der »sendenden« Nervenzelle entscheidend zur Vielfalt der Synapsentypen bei. Verschaltungsregeln auf der Spur Welche Rolle aber spielen die dynamischen Eigenschaften der Synapsen, wenn sich Nervenzellen zu komplexen neuronalen Schaltkreisen in unserem Gehirn zusammenfinden? Möglich wäre, dass sich Nervenzellen ganz zufällig mit verschiedenen Synapsen-Typen verschalten. Es könnte aber auch sein, dass diese Verschaltungen ganz bestimmten Regeln folgen. Eine Gruppe von Nervenzellen könnte sich beispielsweise nur mit aktivierenden Synapsen verschalten. Wir sind den »Verschaltungsregeln« auf der Spur, denen die Nervenzellen bei der neuronalen Verschaltung zwischen Hirnrinde und Kleinhirn folgen müssen. Dr. Takeshi Sakaba erwarb seinen Doktortitel in Psychologie 1998 an der Universität von Tokio, Japan. Von 1998 bis 2006 forschte er als Postdoktorand bei Erwin Neher am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Seit 2006 leitet er dort die Max-PlanckForschungsgruppe »Biophysik der synaptischen Übertragung«. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ags/ sakaba Fluoreszenzaufnahme einer Purkinjezelle im Kleinhirn, die von zahlreichen Nervenendigungen anderer Nervenzellen an ihrem Fortsatz (den Dendriten) erreicht wird und dort Synapsen bildet. N. Hosoi, M. Holt, T. Sakaba: Calcium dependence of exo- and endocytotic coupling at a glutamatergic synapse. Neuron 63, 216-229 (2009). T. Sakaba: Two Ca-dependent steps controlling synaptic vesicle fusion and replenishment at the cerebellar basket cell terminal. Neuron 57, 406-419 (2008). K. Wadel, E. Neher, T. Sakaba: The coupling between synaptic vesicles and Ca2+ channels determines fast neurotransmitter release. Neuron 53, 563575 (2007). 61 Membranbiophysik O hne Kommunikation herrscht Schweigen und Stillstand, auch auf zellulärer Ebene. Viele Lebensprozesse beruhen auf dem Austausch von Signalen innerhalb einer Zelle, aber auch zwischen den Zellen unseres Körpers. Biologische Membranen nehmen dabei eine Schlüsselstellung ein, denn in vielen Fällen sind sie die Vermittler. Welche molekularen Prozesse dabei ablaufen, erforschen wir mit biophysikalischen und molekularbiologischen Methoden. Dabei setzen wir zunehmend auf fluoreszierende Moleküle, um bestimmte, am Signalaustausch beteiligte Proteine sichtbar zu machen. Flexible Schaltkreise im Gehirn Synapsen sind die Schaltstellen unseres Gehirns, an denen Nervenzellen Kontakt miteinander aufnehmen und Signale austauschen. Im Gegensatz zu den Schaltelementen elektronischer Rechenanlagen, die fest verdrahtet sind, sind die »Synapsenstärken« variabel. Synapsen ändern ihre Verbindungsstärke je nach Signaldurchfluss. Jeder Synapsentyp hat dabei sein charakteristisches Muster von »Plastizität«: Änderungen können von sehr kurzer Dauer sein oder über Stunden und Tage anhalten. Lang anhaltende Änderungen gelten als Grundlage für Lernen und Gedächtnis. Aber auch die kurzzeitigen Änderungen der Synapsenstärke spielen bei der Informationsverarbeitung eine wichtige Rolle, beispielsweise bei der Adaptation von Sinneseindrücken. Doch welche physiologischen und molekularen Mechanismen stecken hinter der synaptischen Plastizität? Diese Frage ist bis heute weitgehend unbeantwortet geblieben und interessiert uns daher ganz besonders. Dabei liegt der Fokus auf den kurzzeitigen Änderungen in der Nervenendigung der sendenden Zelle. Ein Nervenimpuls bewirkt dort die Freisetzung eines Botenstoffes, des Neurotransmitters. Was diesen Prozess auslöst, ist seit langem bekannt: ein Anstieg der KalziumionenKonzentration in der Nervenendigung der sendenden Zelle. Die Kalziumionen bringen Speicherbläschen (synaptische Vesikel) mit den darin enthaltenen Neurotransmittern dazu, mit der Zellmembran zu verschmelzen. Dabei wird der Neurotransmitter in den synaptischen Spalt – den Raum zwischen der signalgebenden und der Empfängerzelle – freigesetzt. Aber die Kalziumionen bewirken noch mehr: Sie beschleunigen die Bereitstellung neuer Vesikel. Die Synapsenstärke 62 Die Held’sche Kelch-Synapse ist eine außerordentlich große Nervenendigung, die einen kompakten postsynaptischen Nervenzellkörper umschließt. Sie ist eine wichtige Schaltstelle in der Hörbahn und eignet sich besonders gut für biophysikalische Untersuchungen, da sie aufgrund ihrer Größe zugänglich für elektrophysiologische Messungen (Patch-Clamp) ist. hängt unter anderem davon ab, wie viele synaptische Vesikel die sendende Zelle pro Nervenimpuls freisetzt und wie rasch Nachschub geliefert wird. Die Bereitstellung neuer Vesikel wird neben Kalziumionen auch durch weitere Signalstoffe, beispielsweise zyklisches AMP, reguliert. Synaptische Kurzzeitplastizität ist somit ein Ergebnis mehrerer ineinandergreifender Prozesse. Wie ist es möglich, dass Kalziumionen mehrere Prozesse auf unterschiedliche Weise steuern können? Die Antwort liegt im biophysikalischen Detail: Die Auslösung der Transmitterfreisetzung durch Kalzium ist ein hochkooperativer Prozess, der erst bei höheren Kalzium-Konzentrationen einsetzt, dann aber sehr stark zunimmt. Die Nachlieferung beschleunigt sich linear mit der KalziumKonzentration und erreicht bereits bei geringeren Konzentrationen genügend hohe Werte. Je nachdem, in welchem Konzentrationsbereich sich das Kalzium-Signal bewegt, wird daher der eine oder andere Prozess bevorzugt aktiviert. Kontakte reifen lassen Im Fokus unserer Forschung steht seit längerem die Held’sche Kelch-Synapse, eine wichtige Schaltstelle in der Hörbahn von Säugetieren. Ihre kelchförmige Kontaktstelle ist so großzügig dimensioniert, dass sie sich leicht manipulieren lässt. Holger Taschenberger konnte zeigen, dass sie, wie die meisten anderen Synapsen unseres Gehirns, einen funktionellen Reifeprozess durchläuft. So gehen reifere Synapsen wesentlich sparsamer mit ihrem Vorrat an synaptischen Vesikeln um. Im Vergleich zu einer jungen Synapse setzt hier ein einzelner Nervenimpuls einen viel kleineren Anteil verfügbarer Vesikel frei. Dadurch nimmt die Synapsenstärke auch bei wiederholter Reizung sehr viel weniger ab. Auch der Umgang mit Kalziumionen wird von der reifen Synapse optimiert. Zum einen werden in der reifen Synapse Proteine produziert, die Kalzium an sich binden und so dessen Konzentration schnell wieder auf Normalmaß sinken lassen. Zum anderen erfordern reife Synapsen weniger Kalziumeinstrom, um ihre Vesikel mit der Zellmembran verschmelzen zu lassen. Denn dort sitzen die Kalziumkanäle näher an den ausschüttungsbereiten Vesikeln. Die Held’sche Kelch-Synapse ist ideal geeignet für biophysikalische Studien zur synaptischen Übertragung im Hirnschnitt. Allerdings war es bisher nicht möglich, an diesem Präparat die rele- vanten Proteine gezielt zu verändern. Daher entwickelte Samuel Young eine Methode, um maßgeschneiderte Adenoviren in die Nervenzellen einzuschleusen. Gen-Varianten des synaptischen Kalziumsensors Synaptotagmin wurden in die Erbsubstanz des Virus eingebaut. Nach Infektion der Nervenzellen mit solchen Viren lässt sich beobachten, wie sich der veränderte Kalziumsensor auf die Funktion der Synapse auswirkt. Bunte Proteine Wie greifen die verschiedenen Signalprozesse an der Nervenendigung ineinander? Um dieses »Räderwerk« sichtbar zu machen, gilt es, die Verteilung und die zeitlichen Veränderungen möglichst vieler Signalträger gleichzeitig darzustellen. Die Molekularbiologie bietet inzwischen hervorragende Möglichkeiten, Proteine nach Wahl mit verschiedenfarbigen Fluoreszenzfarbstoffen zu markieren. Bei der Analyse solcher Bilddaten stellt sich allerdings das Problem, dass bei Anwesenheit mehrerer markierter Proteine auf einem Bildpunkt deren individuelle Beiträge ermittelt werden müssen. Dazu entwickelten wir einen Algorithmus der sogenannten »Blinden Quellentrennung«, der es erlaubt, aus einer einzigen Aufnahme sowohl die spektralen Eigenschaften der beteiligten Farbstoffe als auch deren Beiträge zum Gesamtbild zu ermitteln. Prof. Dr. Erwin Neher studierte Physik in München und an der University of Wisconsin, wandte sich dann der Biophysik zu und promovierte 1970 am Max-PlanckInstitut für Psychiatrie (heute: Neurobiologie) in München. Er kam 1972 an das Max-PlanckInstitut für biophysikalische Chemie, arbeitete zwischenzeitlich ein Jahr an der Yale University in New Haven (USA) und leitet seit 1983 die Abteilung »Membranbiophysik« am Institut. Erwin Neher ist Honorarprofessor an der Universität Göttingen. Für seine Arbeit über Ionenströme an einzelnen Membranporen erhielt er 1991 gemeinsam mit Bert Sakmann den Nobelpreis für Medizin und Physiologie. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/ groups/neher Interne Arbeitsgruppen: Dr. Meike Pedersen Dr. Holger Taschenberger Dr. Samuel Young R. A. Neher, M. Mitkovski, F. Kirchhoff, E. Neher, F. J. Theis, A. Zeug: Blind source separation techniques for the decomposition of multiply labeled fluorescence images. Biophys. J. 96, 1-10 (2009). E. Neher, T. Sakaba: Multiple roles of calcium ions in the regulation of neurotransmitter release. Neuron 59, 861872 (2008). J. Wlodarczyk, A. Woehler, F. Kobe, E. Ponimaskin, A. Zeug, E. Neher: Analysis of FRET-signals in the presence of free donors and acceptors. Biophys J. 94, 986-1000 (2008). Dreifach markierte Fibroblastenzellen. Proteine des Zytoskeletts und Nukleinsäuren dieser Zellen wurden mit fluoreszierenden Farbstoffen markiert (Aktin: grün; Tubulin: blau; Nukleinsäuren: rot). Die spektrale Analyse des Fluoreszenzlichts erlaubt die Auftrennung der drei Komponenten auf der Basis einer einzigen Aufnahme (Zusammenarbeit im Rahmen des DFG-Forschungszentrums ›Molekularphysiologie des Gehirns‹). E. Neher: A comparison between exocytic control mechanisms in adrenal chromaffin cells and a glutamatergic synapse. Pflügers Arch. 453, 261-268 (2006). T. Sakaba, A. Stein, R. Jahn, E. Neher. Distinct kinetic changes in neurotransmitter release after SNARE-protein cleavage. Science 309, 491-494 (2005). 63 Der Zellkern als Kommandozentrale 64 Aktiver Informationsspeicher mit Ein- und Ausgangskontrolle Die Kommunikation muss stimmen, das gilt auch für lebende Zellen. Damit Zellen richtig funktionieren, brauchen sie Kommunikationswege zwischen ihren einzelnen Kompartimenten – von Verpackungs- und Sortierstationen über die Kraftwerke bis hin zum Zellkern. Winzige Poren in der Zellkern-Hülle dienen als lebenswichtige Transport- und Kommunikationskanäle, die den gesamten Güterverkehr zwischen dem Zellkern und den anderen Kompartimenten der Zelle kontrollieren. Diese »Kernporen« sind hochselektive Tore: Während kleine Moleküle meist ungehindert passieren, sind große für ihren Transport auf einen Shuttle-Service angewiesen. Welche hochkomplexen Vorgänge dabei auf molekularer Ebene ablaufen, wird von Wissenschaftlern am Institut erforscht. 65 Zelluläre Logistik Erfolgsrezept Arbeitsteilung Eukaryotische Lebensformen, zu denen alle Pflanzen und Tiere gehören, zeichnen sich durch eine arbeitsteilige Organisation ihrer Zellen aus. So konzentrieren sich der Zellkern auf die Verwaltung des Genoms und die Mitochondrien auf die Energieversorgung der Zelle, während das sogenannte Zytosol auf die Proteinsynthese spezialisiert ist. Die Vorteile dieser Organisation lassen sich eindrucksvoll anhand der Tatsache zusammenfassen, dass nur Eukaryoten sich zu komplexen, vielzelligen Lebewesen entwickelt haben. Sie hat aber auch ihren Preis und muss mit einer ausgeklügelten Logistik aufrechterhalten werden. So verfügt der Zellkern über keine eigene Proteinsynthesemaschinerie, sondern muss sämtliche Enzyme und strukturellen Proteine aus dem Zytosol importieren. Umgekehrt produziert und exportiert er aber entscheidende Komponenten der Proteinsynthesemaschinerie (zum Beispiel Ribosomen) und ermöglicht damit erst die zytosolische Proteinsynthese. Tore und Transporteure Der Zellkern ist von zwei Membranen umgeben, die für Proteine und andere Makromoleküle völlig undurchlässig sind. Der stoffliche Austausch kann daher nicht direkt durch diese Membranen erfolgen. Stattdessen sind in die Kernhülle sogenannte Kernporen eingebettet, die man sich als hochselektive Tore vorstellen kann und die den stationären Teil einer ganzen Transportmaschinerie ausmachen. Den mobilen Teil dieser Transportmaschinerie bilden Importine und Exportine. Während die Ein Exportkomplex in atomarer Auflösung. Das Exportin CRM1 (blau) bindet das Frachtmolekül Snurportin (orange) sowie »Ran« (rot). Ran ist ein molekularer Schalter, der die Transportrichtung der Fracht bestimmt (in diesem Fall: Zellkern → Zytosol). CRM1 exportiert unter anderem die bereits genannten Ribosomen sowie hunderte regulatorische Faktoren aus dem Zellkern. Viren wie HIV missbrauchen CRM1, um ihre im Kern vermehrte Erbsubstanz in das Zytoplasma zu exportieren, wo diese in virale Partikel verpackt wird. Im Hintergrund: eine elektronenmikroskopische Aufnahme von Kernporenkomplexen – den gigantischen Transportkanälen in der Zellkernhülle. 66 Kernporen für die meisten Makromoleküle ab einem bestimmten Größenlimit dicht verschlossen erscheinen, haben Importine und Exportine das Privileg, die Permeabilitätsbarriere der Kernporen nahezu ungehindert passieren zu können. Das Entscheidende dabei ist, dass sie bei ihrem Porendurchtritt auch »Fracht« oder »Passagiere« mitnehmen können. Nun darf nicht jeder Passagier an »Bord«, sondern Importine und Exportine erkennen mit molekularer Präzision, welche Moleküle in den Kern importiert und welche exportiert werden sollen. Die Mechanismen dieser Erkennungsprozesse stehen im Mittelpunkt unserer Forschung. Wie funktioniert die Sortiereinheit der Kernporen? Kernporen sind äußerst effektive Sortiermaschinen, und jede von ihnen kann pro Sekunde bis zu 1000 Frachtkomplexe »abfertigen« und passieren lassen. Kernporen sind extrem komplex aufgebaut und bestehen jeweils aus ≈ 700 Proteinmolekülen oder ≈ 20 Millionen Einzelatomen. Um die Funktionsprinzipien eines derart komplexen Systems wirklich begreifen zu können, muss es auf das Wesentliche reduziert werden. Als einen entscheidenden Schritt in diese Richtung konnten wir kürzlich die Permeabilitätsbarriere der Kernporen im Reagenzglas nachbilden. Sie besteht aus sogenannten FG-Repeats und bildet ein »intelligentes« Hydrogel mit er- Die Permeabilitätsbarriere der Kernpore ist ein Hydrogel, das heißt ein größtenteils aus Wasser bestehender elastischer Feststoff, vergleichbar mit Götterspeise oder dem Glaskörper des Auges. Das durchscheinende rote Linienmuster der Unterlage gibt einen Eindruck von der Transparenz des Objekts. Da das Hydrogel aus FG-Repeats besteht, wird es FG-Hydrogel genannt. Das hier gezeigte in vitro rekonstituierte FG-Hydrogel ist einige Millimeter groß, die Barriere der Kernpore misst hingegen nur ≈ 50 Nanometer. Permeabilitätseigenschaften eines FG-Hydrogels. A) Ein »optischer Schnitt« durch ein fluoreszenzmarkiertes FG-Hydrogel. Helle Bereiche entsprechen dem Gel, dunkle dem umgebenden Puffer. B) Derselbe Bereich, in einem anderen Fluoreszenzkanal abgebildet, zeigt zu drei Zeitpunkten den Einstrom eines grün-fluoreszierenden ImportinFracht-Komplexes. Der Komplex dringt schnell in das Gel ein, reichert sich dort etwa 100 bis 1.000fach an und bewegt sich im Gel mit einer Geschwindigkeit, die eine Kernporenpassage innerhalb von 10 Millisekunden erlauben würde. C) Ein rot fluoreszierendes Kontrollsubstrat im Vergleich. Es bindet das Importin nicht und kann daher nicht in das Gel eindringen. staunlichen Materialeigenschaften. Es unterdrückt den Durchtritt von »normalen« Makromolekülen, erlaubt aber einen bis zu 20.000-fach schnelleren Einstrom derselben Moleküle, wenn diese an ein passendes Importin oder Exportin gebunden sind. Die Effizienz des Einstroms von Importinen und Exportinen in das Gel erreicht dabei die Grenzen des physikalisch Möglichen und wird nur durch die Geschwindigkeit des Transports zur Barriere begrenzt. Die biologischen, chemischen und physikalischen Grundlagen dieses einzigartigen Phänomens werden derzeit von uns intensiv untersucht. Wir versprechen uns davon nicht nur ein tiefes Verständnis eines Prozesses, der absolut essenziell für eukaryotisches Leben ist, sondern auch Impulse zur Entwicklung neuer Materialien. Prof. Dr. Dirk Görlich studierte Biochemie in Halle/Saale und promovierte 1993 an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach einem zweijährigen Forschungsaufenthalt am Wellcome/CRC Institute in Cambridge (England) wurde er 1996 zum Forschungsgruppenleiter und 2001 zum Professor für Molekularbiologie an das Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) berufen. Seit 2007 leitet er die Abteilung »Zelluläre Logistik« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Dirk Görlich erhielt zahlreiche wissenschaftliche Auszeichnungen, so den Karl-Lohmann-Preis der Deutschen Gesellschaft für Biologische Chemie (1993), den Heinz Maier-Leibnitz-Preis (1997), die EMBO-Goldmedaille (1997) und den Alfried-Krupp-Förderpreis (2001). Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ dep/goerlich T. Monecke, T. Güttler, P. Neumann, A. Dickmanns, D. Görlich, R. Ficner: Crystal structure of the nuclear export receptor CRM1 in complex with snurportin1 and RanGTP. Science 324, 1087-1091 (2009). S. Frey, D. Görlich: A saturated FGrepeat hydrogel can reproduce the permeability properties of nuclear pore complexes. Cell 130, 512-523 (2007). S. Frey, R. P. Richter, D. Görlich: FGrich repeats of nuclear pore proteins form a three-dimensional meshwork with hydrogel-like properties. Science 314, 815-817 (2006). 67 Funktionelle Zellkernarchitektur H Dr. Volker Cordes promovierte 1992 an der Universität Heidelberg im Fach Zellbiologie. Von 1992 bis 1997 arbeitete er als Assistent am Biozentrum der Universität Würzburg und am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Im Jahr 1997 wechselte er an das Institut für Zell- und Molekularbiologie des Karolinska Institutet in Stockholm (Schweden). Dort war er anfangs als Nachwuchsforschungsgruppenleiter und nach seiner Habilitation als Hochschuldozent tätig. 2004 kehrte er nach Deutschland zurück und forschte als Arbeitsgruppenleiter an der Universität Heidelberg. Von dort wechselte er 2007 an das MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie, wo er seitdem die Arbeitsgruppe »Funktionelle Zellkernarchitektur« in der Abteilung »Zelluläre Logistik« leitet. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ ags/cordes Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer gereinigten Kernhüllen-Innenseite eines Oozytenzellkerns des Krallenfrosches Xenopus laevis. Fädige Strukturen, runden Körben ähnlich, sind direkt über den Kernporen platziert. Der Durchmesser eines solchen Kernkorbs beträgt an seiner Basis etwa 120 Nanometer (millionstel Millimeter). 68 öhere Wirbeltiere wie der Mensch bestehen aus mehr als 200 verschiedenen Zelltypen. Von nur wenigen Ausnahmen abgesehen, besitzen diese Zellarten alle einen Kern, der die zentrale Kommandozentrale der Zelle darstellt und die in den Chromosomen gespeicherte Erbinformation enthält. Durch einen Membranmantel, die Kernhülle, wird dieses Erbgut vom Rest der Zelle abgegrenzt. Damit unterschiedlichste Moleküle dennoch zwischen dem Kern und dem Zellplasma ausgetauscht werden können, ist die Kernhülle von zahlreichen Kernporen durchzogen, durch die der gesamte Frachtverkehr erfolgt. Auch wenn der Zellkern meist als Kugel abgebildet wird, kann er je nach Zelltyp ganz unterschiedliche Formen annehmen. In vielen Zellarten ist er tatsächlich kugelförmig oder ellipsoid, während er in anderen schlauchartig, gelappt oder sogar segmentiert sein kann. Ebenso unterschiedlich erscheint manchmal auch die Architektur im Inneren solcher Zellkerne. Warum das so ist und welche Moleküle dabei eine Rolle spielen, ist bisher weitgehend ungeklärt. Auch weiß man noch wenig darüber, ob die Kernarchitektur die Funktion eines Zelltyps beeinflusst. Kernkorb aus fädigen Proteinen Um diese Fragen zu beantworten, versuchen wir Proteine im Zellkern zu identifizieren, die dessen Aufbau und Infrastruktur mitbestimmen. Ausgangspunkt unserer Untersuchungen sind fädige Bausteine, die an der Innenseite der Kernporen verankert sind und Strukturen bilden, die an rundliche Körbe erinnern. Wir haben herausgefunden, dass ein Hauptbestandteil dieser Kernkörbe ein großes, stäbchenförmiges Protein ist, das wir in vielen Zelltypen an der Kernperipherie nachweisen konnten. Dort wirkt es auch als Andockstelle für weitere Zellkernbestandteile, die je nach Zelltyp unterschiedlich sein können. Zumindest in einigen dieser Zelltypen spielt dieses stäbchenförmige Protein eine wichtige Rolle bei der Verteilung des Erbguts in der Nähe der Kernhülle. Dort trägt es wesentlich zur Innenarchitektur des Zellkerns bei. Vermutlich haben der Kernkorb und dieses Protein aber auch noch andere Funktionen, die wir noch aufklären wollen. Chromatin-Biochemie J eder kennt das Bild der Desoxyribonukleinsäure (DNA), der Trägerin der Erbinformation: eine Strickleiter zu einer Doppelhelix verdreht. In lebenden Zellen ist sie im Zellkern, der »Kommandozentrale« der Zelle, gespeichert. Dort liegt die DNA allerdings nicht nackt vor. Im Verbund mit bestimmten Proteinen bildet sie das Chromatin. In regelmäßigen Abständen sind kurze Abschnitte der DNA um einen Komplex von Histonproteinen gewickelt – die Nukleosome. Diese stellen die fundamentale, sich wiederholende Einheit des Chromatins dar. Nukleosome sind immer auf die gleiche Weise zusammengebaut, und doch gibt es feine molekulare Unterschiede, die vor allem durch chemische Veränderungen der Histonproteine entstehen. Diese werden als post-translationale Histonmodifizierungen bezeichnet. Wir gehen heute davon aus, dass die zelluläre Maschinerie diese Veränderungen an den Nukleosomen als Signale oder Marker nutzt, um unterschiedliche Regionen des Chromatins zu erkennen und zu definieren. Und offenbar spielen Histonmodifizierungen eine wichtige Rolle bei der zellulären Vererbung. Nicht nur das Produkt unserer Gene Vererbbare Unterschiede zwischen einzelnen Zellen und ganzen Lebewesen entstehen nicht nur, weil die Gensequenzen sich unterscheiden, sondern auch, weil die gleiche Erbinformation unterschiedlich abgelesen wird. Abweichende Merkmale entstehen zum Beispiel, weil das gleiche Gen in bestimmten Zellen eines Organismus mehr, in anderen weniger aktiv ist. Auf der Ebene des Chromatins vererbt die Zelle diese Kontrolle über das Ablesen des Gens über stabile Muster der Histonmodifizierung. Diese sogenannten epigenetischen Effekte spielen zum Beispiel bei der Zelldifferenzierung eine Rolle, bei der Entwicklung des Embryos, aber auch wenn Zellen sich krebsartig verändern. Chromatin-Abschnitte liegen in unterschiedlichen Zuständen vor, die durch Histonmodifizierungen gesteuert werden. Die Bilder wurden mit einem Atomaren Kraftmikroskop aufgenommen. Wir wollen im Detail herausfinden, wie Histonmodifizierungen die Organisation und Dynamik des Chromatins beeinflussen und wie sie dabei das Auslesen des Genoms steuern. Dazu kombinieren wir experimentelle Ansätze aus verschiedenen Fachdisziplinen wie der Biochemie, der Biophysik, der Zell- und der Molekularbiologie. Dr. Wolfgang Fischle studierte Biochemie an der Universität Tübingen. Anschließend ging er als Stipendiat des Boehringer Ingelheim Fonds an die University of California (San Francisco, USA) und promovierte 2002 im Fach Biochemie. Als Postdoktorand forschte er mit einem Stipendium der Damon Runyon Cancer Research Foundation von 2002 bis 2005 an der University of Virginia in Charlottesville (USA) und an der Rockefeller University in New York (USA). Seit 2006 leitet er die Max-Planck-Forschungsgruppe »Chromatin-Biochemie« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Wolfgang Fischle war NET Fellow des European Network of Excellence »Epigenome«. Kontakt: wfi[email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ ags/fischle K. Zhang, K. Mosch , W. Fischle, S. I. Grewal: Roles of the Clr4 methyltransferase complex in nucleation, spreading and maintenance of heterochromatin. Nat. Struct. Mol. Biol. 15, 381-388 (2008). W. Fischle, H. Franz, S. A. Jacobs, C. D. Allis, S. Khorasanizadeh: Specificity of the CDY family of chromodomains for lysine-methylated ARKS/T motifs. J. Biol. Chem. 283, 19626-19635 (2008). Organisation des Chromatins. W. Fischle: Talk is cheap – Crosstalk in the establishment, maintenance, and readout of chromatin marks. Genes Dev. 22, 3375-3382 (2008). 69 Vom Eizum Organismus Wie Lebewesen entstehen und gesteuert werden 70 Ob Gehirn oder Lunge – alle Zellen unseres Körpers stammen letztlich von einer einzigen Eizelle ab. Wie aber gelingt es der Eizelle, so vielfältige Nachkommen hervorzubringen? Und wie formieren sich die Zellen im Embryo zu komplexen Organen, die zuverlässig zusammenarbeiten? Diese rätselhaften Prozesse werden am Institut auf molekularer Ebene erkundet, bei Fliegen ebenso wie bei Mäusen. Auch wenn diese Organismen sehr verschieden sind, greifen sie während der Embryonalentwicklung auf ganz ähnliche genetische Programme zurück. Neue Erkenntnisse erlauben den Forschern daher auch Rückschlüsse auf den frühesten Lebensabschnitt des Menschen. Diese Erkenntnisse helfen, Krankheiten besser zu verstehen und zu behandeln, die auf Fehlentwicklungen in diesem frühen Lebensabschnitt zurückzuführen sind. Einen großen Teil unseres Lebens verbringen wir im Schlaf, aber warum? Wie wird unsere »innere Uhr« gesteuert, die uns abends müde werden lässt und morgens wieder munter? Auch diesen spannenden Fragen gehen Wissenschaftler am Institut nach. Eine »Live-Schaltung« zum schlagenden Herzen oder »Bilder vom Denken« – nicht zuletzt arbeiten Forscher am Institut daran, bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanz-Tomografie immer weiter zu verbessern, um detaillierte Einblicke in das Innenleben von Mensch und Tier zu ermöglichen. 71 Molekulare Entwicklungsbiologie A ls Forschungsobjekt ist die Taufliege Drosophila melanogaster aus gutem Grund bei Wissenschaftlern sehr beliebt. Genügsam und ungemein vermehrungsfreudig ist sie trotz ihres Miniaturformats ein sehr komplexer Organismus, durchaus vergleichbar mit einem Wirbeltier. Wie alle Tiere entsteht diese Fliege aus einer einzelnen Eizelle. Aber wie entwickelt sich aus dieser einen Zelle ein komplexer Körper mit verschiedenen Zelltypen und Organen? Um dieses große Rätsel der Biologie zu lösen, vertiefen wir uns in die molekularen Kontrollmechanismen, die solche Entwicklungsprozesse vom Ei zur Fliege steuern. Nicht selten sind Kontrollfaktoren, die wir in der Fliege gefunden haben, in ähnlicher Form auch im Erbgut des Menschen vorhanden. Sie sind keine spezielle Errungenschaft der Fliegen, sondern ein gemeinsames genetisches Erbe aller Tiere. Entsprechend aufschlussreich ist das genetische Inventar von Drosophila, wenn es um medizinische Fragen geht: Wenn Entwicklungsprozesse entgleisen, dann sind beim Menschen vermutlich oft Gene und ganze Kontrollsysteme gestört, die wir in der Fliegen-Version längst kennen. Alle fünf Taufliegen-Embryonen befinden sich im gleichen Entwicklungsstadium. Mit einer speziellen Färbetechnik wurden jedoch die Produkte verschiedener Gene sichtbar gemacht. Sie zeigen, dass der erst zwei Stunden alte Taufliegen-Embryo bereits in bestimmte Areale unterteilt ist (blau) und – obwohl morphologisch noch nicht sichtbar – bereits Segmenteinheiten aufweist (braun). 72 Frühe Weichenstellungen Die Körperstruktur der Fliege wird schon vor der Befruchtung der Eizelle festgelegt. Die Fliegenweibchen statten ihre Eier nicht nur mit Nährstoffen aus, sie liefern auch Proteine und deren Baupläne, die als Kontrollfaktoren in die Entwicklung eingreifen. Diese sind asymmetrisch im Ei verteilt und legen auf diese Weise die Körperachsen fest. Dabei aktivieren sie eine Gen-Kaskade, die den Embryo in zunehmend kleinere Bereiche gliedert. Wie in der Blaupause eines Architekten wird so der Grundbauplan des Körpers mit seinen erst viel später sichtbaren Körpersegmenten und Organen fast unsichtbar skizziert und Areale festgelegt, in denen sich Körperteile entwickeln. Dabei spielen Kommunikationsprozesse zwischen den Zellen eine Rolle, die über ein Wechselspiel von Signalstoffen und passenden Rezeptormolekülen das jeweilige Entwicklungsschicksal von Zellen positionsgenau im Körper festlegen. Weitere Facetten Ganz besonderen Zellen widmet sich Alf Herzig mit seiner Arbeitsgruppe: den sogenannten Stammzellen. Diese teilen sich genau wie ihre genetisch identischen Zellschwestern, entwickeln sich aber Die Taufliege Drosophila melanogaster. zunächst nicht zu einem bestimmten Zelltyp. Das ist auch gar nicht erwünscht, denn Stammzellen sind die stille Reserve des Körpers. Sie bilden später genau die Zellen nach, die in einem Organismus durch Zelltod verloren gehen. Wie verhindert der Organismus aber, dass diese Zellen sich nicht gleichzeitig mit den anderen Zellen differenzieren? Offenbar sind die Gene der Stammzellen im Zellkern besonders verpackt und gelagert. Daher untersucht Herzigs Team die Verpackungsmerkmale – die Histon-Modifikationen – und die Lage der Gene im Zellkern und vergleicht sie mit Nachbarzellen, die sich differenzieren. Gerd Vorbrüggens Arbeitsgruppe befasst sich mit einem Spezialisten unter den ausdifferenzierten Körperzellen, den jeder kennt: der Muskelzelle. Die Wissenschaftler untersuchen, wie Muskelzellen entstehen und sich zielsicher zu einem genau festgelegten Gesamtmuster im Körper positionieren. Damit Muskeln arbeiten können, brauchen sie Energie. Wie die Fliege ihren Energiehaushalt kontrolliert, an dieser Frage arbeiten die Gruppen von Ronald Kühnlein, Mathias Beller und Ralf Pflanz. Sie wollen wissen, wie ein Organismus erkennt, wie viel Energie er in Form von Fettdepots speichern muss, um den Energiebedarf auch in Hungerzeiten abzudecken. Diese Projekte werden helfen, die menschliche Fettsucht besser zu verstehen, die mit ihren Folgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und bestimmten Krebsformen inzwischen eine Gesundheitsproblematik mit weltweitem Ausmaß darstellt. Die Forscher erwarten, dass die Fliege als biomedizinisches Modell langfristig einen Beitrag zur Diagnose und für neue Therapien der Fettsucht leisten wird. Prof. Dr. Herbert Jäckle promovierte 1977 an der Universität Freiburg in Biologie. Anschließend arbeitete er an der University of Texas in Austin, am Europäischen Molekularbiologischen Labor in Heidelberg und am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen. 1987 wurde er Ordinarius für Genetik an der Ludwig-MaximiliansUniversität München. Seit 1991 leitet er die Abteilung »Molekulare Entwicklungsbiologie« am MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie. Im Jahr 2002 wurde er Vizepräsident der Max-PlanckGesellschaft. Herbert Jäckle erhielt zahlreiche wissenschaftliche Auszeichnungen, unter anderem 1986 den Leibniz-Preis, 1990 den Feldberg-Preis, 1992 den Otto Bayer-Preis, 1999 den Louis Jeantet-Preis und den Deutschen Zukunftspreis. Seit 1993 lehrt er als Honorarprofessor an der Universität Göttingen. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/ groups/jaeckle Interne Arbeitsgruppen: Dr. Mathias Beller, Dr. Alf Herzig, Dr. Ronald Kühnlein, Dr. Ralf Pflanz, Dr. Gerd Vorbrüggen; die Forschungsgruppe von Dr. Reinhard Schuh ist mit der Abteilung assoziiert. M. Beller, C. Sztalryd, N. Southall, M. Bell, H. Jäckle, D. S. Auld, B. Oliver: COPI complex is a regulator of lipid homeostasis. PloS Biology 6, 2530-2549 (2008). S. Grönke, A. Mildner, S. Fellert, N. Tennagels, S. Petry, G. Müller, H. Jäckle, R. P. Kühnlein: Brummer lipase is an evolutionary conserved fat storage regulator in Drosophila. Cell Metab. 1, 323-330 (2005). Ein Taufliegen-Embryo kurz vor der Larvenbildung. R. Rivera-Pomar, H. Jäckle: From gradients to stripes in Drosophila embryogenesis: filling in the gaps. Trends Genet. 12, 478-483 (1996). 73 Entwicklungsbiologie W Prof. Dr. Michael Kessel promovierte 1981 in Biologie an der Universität Kiel. Von 1981 bis 1983 arbeitete er am National Cancer Institute in Bethesda (Maryland, USA) und wechselte im Anschluss an das Zentrum für Molekularbiologie in Heidelberg. Dort forschte er von 1983 bis 1986, bevor er schließlich 1986 Mitglied der Abteilung »Molekulare Zellbiologie« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie wurde. Seit 1992 leitet er dort die Arbeitsgruppe »Entwicklungsbiologie«. Zugleich lehrt Michael Kessel als außerplanmäßiger Professor an der Biologischen Fakultät der Universität Göttingen. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ ags/kessel L. Luo, Y. Uerlings, N. Happel, N. S. Asli, H. Knoetgen, M. Kessel: Regulation of geminin functions by cell cycle dependent nuclear-cytoplasmic shuttling. Mol. Cell. Biol. 27, 4737-4744 (2007). M. Pitulescu, M. Kessel, L. Luo: The regulation of embryonic patterning and DNA replication by Geminin. Cell. Mol. Life Sci. 62, 1425-1433 (2005). L. Luo, X. Yang, Y. Takihara, H. Knoetgen, M. Kessel: The cell-cycle regulator geminin inhibits Hox function through direct and polycomb-mediated interactions. Nature 427, 749-753 (2004). 74 enn aus einer einzelnen Eizelle ein komplexer Organismus heranwächst, versetzt das auch erfahrene Biologen immer wieder in Staunen. Der Bauplan dazu steckt für Mensch wie Maus in den Genen, die von den Eltern an die Nachkommen weitergegeben werden. Mit jeder Zellteilung nähert sich der Embryo seinem Ziel: ein voll entwickelter Organismus. Auf dem Weg dorthin wiederholt sich immer wieder der gleiche Zyklus: Erst wird das genetische Material verdoppelt, dann wird es auf die entstehenden Tochterzellen verteilt. Aus dem Gehirn eines Maus-Embryos wurden neurale Stammzellen Während der Zellteigewonnen, die sich in Gewebekultur in sogenannte Sternzellen (Astrolung im Embryo werden zyten, grün) differenziert haben. Die Zellkerne sind blau angefärbt. eine Vielzahl molekularer Weichen gestellt, die über das Schicksal der Zellen bestimmen. So wird beispielsweise werke, Zellteilung und Zelldifferenzierung, definiert, ob einer Zelle noch viele Ent- ineinandergreifen: Welche molekularen wicklungsmöglichkeiten offen stehen oder Mechanismen liegen diesen Prozessen zuihre zukünftige Bestimmung schon festge- grunde, welche Gene sind beteiligt, und legt ist. Entschieden wird auch, ob die Zel- wie wird ihre Wirkung koordiniert? Diese le im vorderen oder hinteren Bereich des Fragen untersuchen wir am Modell der Körpers angesiedelt sein wird, und ob sie Maus. Obwohl die Nager völlig anders ausdie Laufbahn einer Muskel- oder Nerven- sehen als der Mensch, ähneln sich ihre Orzelle einschlägt. Ist der endgültige Zustand gane und Gewebe, und für beeindruckende erreicht, wird der Zellzyklus abgebrochen, 99 Prozent der Maus-Gene gibt es eine ähnund die ausdifferenzierte Zelle widmet sich liche Sequenz im menschlichen Erbgut. Um die Mechanismen auf molekularer ganz ihrer speziellen Aufgabe, zum Beispiel der Signalübertragung im Nervensystem. Ebene zu ergründen, fahnden wir nach In vielen Organen bleiben aber auch Zellen Genen, die in beiden Prozessen eine Rolle erhalten, die sich weiter teilen und dabei spielen könnten. Um ihnen auf die Schliselbst erneuern. Als eine Art stille Reserve che zu kommen, versuchen wir, sie mit den liefern diese »Stammzellen« nötigen Nach- Instrumentarien der Gentechnik gezielt zu schub an differenzierten Zellen und sorgen aktivieren oder auszuschalten. An den Foldafür, dass das Zellrepertoire erhalten gen können wir ablesen, welche Rolle das fragliche Gen normalerweise übernimmt. bleibt. Mit den gewonnenen Informationen wollen wir zu einem Verständnis der molekuGen an, Gen aus Wir wollen verstehen, wie bei der frühen laren Grundlagen der Säugetier-EntwickEntwicklung die zwei elementaren Räder- lung beitragen. Molekulare Organogenese E twa 20.000 Mal am Tag atmen wir ein und wieder aus, ohne darüber nachzudenken. Jedes Mal durchströmt die Atemluft das filigrane Röhrensystem unserer Lunge, die fünf bis sechs Liter fasst, und bei jedem Atemzug etwa einen halben Liter Luft austauscht. Wie Die Lunge der Insekten – das Tracheensystem – durchzieht den die Krone eines Baumes vergesamten Embryo der Fliege. zweigt sich das System immer feiner bis in die Lungenbläschen, wo der Sauerstoff in den Blutkreis- wissen inzwischen, dass die Installation lauf wandert. dieses Röhrensystems ganz ähnlich organiUnsere Arbeitsgruppe möchte verstehen, siert ist wie die Entwicklung der Lunge. Eiwie die Installation dieser reich verzweigten ne Reihe sehr ähnlicher Faktoren sorgen Leitungsbahnen für die Atemluft vonstat- während der Embryonalentwicklung dafür, ten geht. Die molekularen Mechanismen, dass sich die Röhren an den richtigen Steldie dahinter stecken, sind in Säugetieren len verzweigen und dass sie am Ende nicht allerdings nur sehr schwierig und zeitauf- zu eng oder zu weit ausfallen. wendig zu untersuchen. Daher erforschen Beiden Organismen gemeinsam ist auch, wir unsere Fragestellungen an einem be- dass die Atemröhren in der Entwicklungsliebten Modellorganismus der Biologie: der phase zunächst mit Flüssigkeit gefüllt sind. Taufliege Drosophila melanogaster. Sie müssen daher rechtzeitig trocken gelegt werden, sonst kommt es zu schweren AtemDas Atemsystem trocken legen problemen. Bei zu früh geborenen Babys Fliege und Mensch sind sich in vielen droht etwa das »Respiratory Distress SynAspekten ähnlicher als man denkt. Von den drome« (RDS). Auch beim erwachsenen insgesamt 13.600 Drosophila-Genen sind Menschen kann Flüssigkeit in der Lunge etwa 7.000 Gene in ähnlicher Form auch zu lebensbedrohlichen Ödemen führen. im Erbgut des Menschen vorhanden. Die Unter den 7.000 Genen, die bei Mensch Taufliege hat zwar keine Lungen, dafür aber und Fliege ganz ähnlich sind, haben wir inebenfalls baumartig verzweigte Leitungs- zwischen 20 Gene entdeckt, die dafür sorbahnen für die Atemluft, die Tracheen. Wir gen, dass sich die Röhren richtig ausbilden und rechtzeitig trocken gelegt sind. Jetzt wollen wir wissen, bei welchen molekuDie Vernetzung rot gefärbter Tracheenzellen erfolgt laren Mechanismen diese Gene eine Rolle über Brückenzellen. Während der Entwicklung spielen und ob sie ihre Funktionen über strecken sich die blau markierten Brückenzellen und die Artgrenzen hinweg beibehalten haben. verbinden so die Tracheenzellen. Diese wandern an den Brückenzellen entlang und bilden dadurch ein zusammenhängendes Netzwerk. Prof. Dr. Reinhard Schuh promovierte 1986 an der EberhardKarls-Universität Tübingen in Biologie. Von 1986 bis 1988 arbeitete er als Wissenschaftlicher Assistent am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen und von 1988 bis1991 als Akademischer Rat am Institut für Genetik und Mikrobiologie der LudwigMaximilians-Universität in München. Seit 1992 ist er Mitglied der Abteilung »Molekulare Entwicklungsbiologie« am Max-PlanckInstitut für biophysikalische Chemie. Seit 2005 leitet er dort die Forschungsgruppe »Molekulare Organogenese«. Reinhard Schuh lehrt zudem als außerplanmäßiger Professor an der Biologischen Fakultät der Universität Göttingen. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/groups/ schuh/ M. Behr, C. Wingen, C. Wolf, R. Schuh, M. Hoch: Wurst is essential for airway clearance and respiratory-tube size control. Nature Cell Biol. 9, 847-853 (2007). C. Krause, C. Wolf, J. Hemphälä, C. Samakovlis, R. Schuh: Distinct functions of the leucine-rich repeat transmembrane proteins capricious and tartan in the Drosophila tracheal morphogenesis. Dev. Biol. 296, 253-264 (2006). M. Behr, D. Riedel, R. Schuh: The claudin-like megatrachea is essential in septate junctions for the epithelial barrier function in Drosophila. Dev. Cell 5, 611-620 (2003). C. Wolf, R. Schuh: Single mesodermal cells guide outgrowth of ectodermal tubular structures in Drosophila. Genes Dev. 14, 2140-2145 (2000). 75 Molekulare Zelldifferenzierung O Prof. Dr. Ahmed Mansouri promovierte 1978 an der Technischen Universität Braunschweig in Chemie. Anschließend forschte er als Postdoktorand am Institut für Humangenetik der Universität Göttingen, am Friedrich-MiescherLaboratorium der Max-PlanckGesellschaft in Tübingen und am Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg. 1989 wurde er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in der Abteilung »Molekulare Zellbiologie«. Im Jahr 1999 habilitierte er sich an der medizinischen Fakultät der Universität Göttingen. Seit 2002 ist Ahmed Mansouri Leiter der Arbeitsgruppe »Molekulare Zelldifferenzierung« und hat seit 2005 die Dr. Helmut Storz-Stiftungsprofessur an der Universiätsmedizin Göttingen inne. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/groups/gruss/ en/amansouri.htm b Herz oder Niere, Bauchspeicheldrüse oder Gehirn – die Organe in unserem Körper gleichen kleinen Fabriken, in denen spezialisierte »Einheiten« bestimmte Aufgaben erledigen. In der Bauchspeicheldrüse sind es vor allem zwei Zelltypen, die sich die Arbeit teilen. Während der größere Teil Verdauungssäfte produziert, erzeugt die kleinere Zellgruppe Hormone wie Insulin, das den Blutzuckerspiegel reguliert. Auch das Mittelhirn hat viele Spezialisten, zum Beispiel Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren. So unterschiedlich die zellulären Spezialisten auch sind – sie alle entwickeln sich während der Entwicklung eines Organs aus weitgehend identischen Vorläuferzellen. Wir wollen in unserer Gruppe erforschen, welche Mechanismen dahinter stecken. Wir wissen bereits, dass bestimmte Gene die Reifung eines Organs kontrollieren und so das spätere Schicksal der Zellen bestimmen. Diese Kontrollgene liefern den Bauplan für bestimmte Proteine, sogenannte Transkriptionsfaktoren. Diese Faktoren werfen gezielt genetische Programme an oder unterdrücken diese und verwandeln so Vorläuferzellen in Zellen mit ganz bestimmten Eigenschaften. Das zeigen Tests, bei denen diese Proteine fehlen. Ohne das Kontrollgen Pax4 zum Beispiel entwickeln sich in der Bauchspeicheldrüse A keine Insulin produzierenden Zellen. Andere Faktoren veranlassen Zellen, den Gegenspieler Glukagon zu erzeugen. Ganz ähnlich ist es auch im Mittelhirn. Dort aktiviert beispielsweise der Faktor lmx1a die Merkmale einer bestimmte Gruppe von Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren sollen. Damit in einem Organ Zellen mit unterschiedlichen Aufgaben im richtigen Verhältnis zueinander entstehen, interagieren die jeweiligen Faktoren miteinander und tarieren so die notwendige Balance aus. Mausforschung für den Mensch Wir erforschen die Reifung eines Organs an Mäusen, weil wir die Nager genetisch sehr gut verändern und somit die Rolle der beteiligten Faktoren gezielt untersuchen können. Die Erkenntnisse unserer Forschung sind auch für die Humanmedizin von grundlegender Bedeutung. Sie können dazu dienen, aus menschlichen embryonalen Stammzellen Dopamin produzierende Zellen zu erzeugen – jene Zellen, die im Mittelhirn von Parkinson-Patienten absterben. Dopamin produzierende Zellen lassen sich nicht nur in Kulturschale züchten, um die Wirksamkeit potentieller Medikamente zu testen. Sie könnten zukünftig auch für Stammzelltherapien eingesetzt werden. B P. Collombat, X. Xu, P. Ravassard, B. Sosa-Pineda, S. Dussaud, N. Billestrup, O. D. Madsen, P. Serup, H. Heimberg, A. Mansouri: The ectopic expression of Pax4 in the mouse pancreas converts progenitor cells into α- and subsequently β-cells. Cell 138, 449-462 (2009). R. Dressel, J. Schindehütte, T. Kuhlmann, L. Elsner, P. Novota, P. C. Baier, A. Schillert, H. Bickeböller, T. Herrmann, C. Trenkwalder, W. Paulus, A. Mansouri: The tumorigenicity of mouse embryonic stem cells and in vitro differentiated neuronal cells is controlled by the recipients' immune response. PLoS ONE 3:e2622 (2008). 76 Im Maus-Embryo (A) lässt sich die Aktivität des Faktors lmx1a mithilfe eines Markers sichtbar machen (B). Der Faktor bestimmt das Schicksal der markierten Zellen im Mittelhirn (Pfeil). Damit werden sie zu Nervenzellen, die sich auf die Produktion von Dopamin spezialisieren. Molekulare Neuroentwicklungsbiologie E s ist faszinierend und rätselhaft zugleich – das menschliche Gehirn. Milliarden Nervenzellen und noch mehr Gliazellen sind darin zu einem komplexen Netzwerk verknüpft. Trotz ihrer riesigen Anzahl und Vielfalt entwickeln sie sich aber nur aus erstaunlich wenigen Ursprungszellen: den Stammzellen. Wie das funktioniert, untersuchen wir am Beispiel der Hirnrinde, dem äußeren Großhirnbereich der Säugetiere. Hier laufen alle aufgenommenen Umweltreize zusammen, werden Bewegungsabläufe geplant und in Gang gesetzt, und hier entstehen unsere Wahrnehmungen und Erkenntnisse. Die Hirnrinde ist bemerkenswert komplex aufgebaut, eine Eigenschaft, die im Laufe ihrer Entwicklung entsteht. Ist diese erfolgreich abgeschlossen, besteht die Hirnrinde aus sechs zellulären Schichten und einer Vielzahl funktioneller Regionen mit jeweils speziellen Aufgaben. Die Nervenzellen der verschiedenen Schichten entstehen während bestimmter Entwicklungsstadien. Sie haben eine eigene Morphologie und Funktion und knüpfen Verbindungen mit spezifischen Gehirnregionen und dem Rückenmark. Diese Prozesse werden durch die Expression bestimmter Gene in Vorläuferzellen und Nervenzellen kontrolliert. Außerdem entwickelt die kombinierte Expression von Transkriptionsfaktoren in der Entstehungszone eine Art »Landkarte« für die nachfolgenden funktionellen Regionen des vollentwickelten Gehirns. Wir erforschen die molekularen Mechanismen, die die Entwicklung der Hirnrinde steuern, am Modell der Maus. Der Transkriptionsfaktor Pax6, beispielsweise, spielt für die Entwicklung von Gehirn und Auge ei- ne entscheidende Rolle. Wird Pax6 ausgeschaltet, bilden sich weniger Nervenzellen und die Schichten und die funktionellen Regionen bauen sich fehlerhaft auf. Mäuse mit diesen Fehlentwicklungen zeigen deutliche Verhaltensstörungen. Die Inaktivierung von PAX6 beim Menschen führt zu ähnlichen A) Ist Pax6 abgeschaltet (rechts), weil Vorläuferzellen vorzeitig aufgehört haben, sich zu teilen, bilden sich zwar mehr Nervenzellen in den tieferen Schichten (L6, L5), aber fast keine in den oberen Schichten (L4 bis L2). B) Obwohl die motorische Region bei Mäusen mit inaktivem Pax6-Gen deutlich geschrumpft ist, bleiben die Verbindungen der Nervenfasern in das Rückenmark und in andere Regionen erhalten. Missbildungen der Hirnrinde und Verhaltensstörungen (aniridia syndrome). Wir untersuchen, wie Pax6 im Zusammenspiel mit anderen Proteinpartnern und Ziel-Genen die Differenzierung von Vorläuferzellen im sich entwickelnden Gehirn kontrolliert. Im erwachsenen Gehirn werden nur wenige Nervenzellen in bestimmten Regionen produziert. Nachdem wir nun die neurogenetischen Eigenschaften von Pax6 kennen, möchten wir herausfinden, ob die Aktivierung von Pax6 und seinen Partnern im normalen oder beschädigten erwachsenen Gehirn die Entstehung neuer Nervenzellen für eventuelle Reparaturprozesse anregen kann, beispielsweise nach unzureichender Blutversorgung. Der autoregulatorische Rückkopplungs-Mechanismus zwischen Trim11 und Pax6 hält das Pax6-Niveau in einem physiologischen Rahmen, welcher für eine normale Neurogenese notwendig ist. Dr. Anastassia Stoykova promovierte in Neurochemie am Institut für Molekularbiologie der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften in Sofia (Bulgarien). Von 1973 bis 1992 arbeitete sie dort am Regeneration Research Laboratory und am Institut für Molekularbiologie. Zwischenzeitlich forschte sie als Alexander von Humboldt-Stipendiatin am Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin (1980-81) und am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie (1988-89). Nach ihrer Habilitation 1989 kehrte sie 1992 an das Max-PlanckInstitut für biophysikalische Chemie zurück. Seit 2002 leitet Anastassia Stoykova dort eine eigene Arbeitsgruppe, seit 2008 im Rahmen des Minerva-Programms die Forschungsgruppe »Molekulare Neuroentwicklungsbiologie«. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ ags/stoykova T. C. Tuoc, K. Radyushkin, A. B. Tonchev, M. C. Piñon, R. Ashery-Padan, Z. Molnar, M. S. Davidoff, A. Stoykova: Selective cortical layering abnormalities and behavioral deficits in cortex-specific Pax6 knock-out mice. J. Neurosci. 29, 83358349 (2009). T. C. Tuoc, A. Stoykova: Trim11 modulates the function of neurogeneic transcription factor Pax6 through ubiquitin proteosome system. Genes Dev. 22, 1972-1986 (2008). G. M. Fimia, A. Stoykova, A. Romagnoli, L. Giunta, S. Di Bartolomeo, R. Nardacci, M. Corazzari, C. Fuoco, A. Ucar, P. Schwartz, P. Gruss, M. Pieacentini, K. Chowdhury, F. Cecconi: AMBRA1 regulates autophagy and development of the nervous system. Nature 447, 11211125 (2007). 77 Biomedizinische NMR B ildgebende Verfahren gewinnen in der biologischen und medizinischen Forschung zunehmend an Bedeutung. Dies gilt auch für die Magnetresonanz-Tomografie (MRT), die detaillierte Einblicke in die Organsysteme von Mensch und Tier ermöglicht, ohne dass der Körper einer Belastung ausgesetzt wird. Die MRT ist damit nicht nur ein wichtiges Instrument in der medizinischen Diagnostik, sondern auch eine Methode für die Wissenschaft. Sie verbindet molekularbiologische und genetische Fortschritte mit den biochemischen, physiologischen und morphologischen Verhältnissen im intakten Organismus. MRT-Untersuchungen von Versuchstieren bereiten den Weg, um neue biologische Erkenntnisse für die Medizin zu nutzen. In unserem Team verfolgen wir das Ziel, die Methoden der bildgebenden MRT weiter zu verbessern. Bereits Mitte der 80er Jahre gelang es uns, mit einem neuen Prinzip für die Aufnahme schneller MRT-Bilder (FLASH) einen entscheidenden wissenschaftlichen, klinischen und wirtschaftlichen Durchbruch zu erzielen. Unsere aktuellen Arbeiten befassen sich vor allem mit alternativen »Ortskodierungen« sowie neuen mathematischen Ansätzen für die Berechnung der Bilder. Daraus ergeben sich zum Beispiel Vorteile für die parallele MRT, die gleichzeitig Messdaten mithilfe einer Vielzahl von Empfangsspulen aufnimmt. Große Fortschritte erreichen wir mit sogenannten nichtkartesischen Kodierungsverfahren. So ermöglicht es uns die radiale FLASH-MRT, dynamische Bildserien in Echtzeit aufzunehmen. Mit entsprechenden MRT-Filmen lassen sich selbst schnellste Bewegungen des Herzens unmittelbar und ohne Verzögerung darstellen. Beim Denken »zuschauen« Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit besonderen Formen der MRT, die spezielle Einblicke in das Gehirn ermöglichen. So können wir aufgrund Nervenfaserbahnen im Gehirn von Mensch (oben) und Rhesusaffe (unten). Die MRT kann die gerichtete Bewegung des Wassers im Gewebe bestimmen. Damit lässt sich der dreidimensionale Verlauf von Nervenfaserbahnen rekonstruieren, beispielsweise derjenigen Bahnen, die über den weißen Balken im Zentrum des Gehirns kreuzen und funktionell gleichartige Areale der beiden Hirnhälften miteinander verbinden. Grün = präfrontal, hellblau = prämotorisch, dunkelblau = motorisch, rot = sensorisch, orange = parietal, violett = temporal, gelb = okkzipital. 78 Hochaufgelöste MRT-Aufnahme des Gehirns der Maus. Bei einer Auflösung von 30 Mikrometern in der Bildebene gelingt es, einzelne zelluläre Schichten im Gehirn der anästhesierten Maus aufgrund ihrer unterschiedlichen Zelldichte und Myelinisierung zu identifizieren. Die Ausschnitte zeigen den Kortex (oben), den Hippocampus (Mitte) und das Kleinhirn (unten). der unterschiedlichen Beweglichkeit des Wassers im Hirngewebe den Verlauf von Nervenfaserbahnen virtuell rekonstruieren. Mit Verfahren, die empfindlich auf Veränderungen des Blutflusses reagieren, untersuchen wir das Gehirn bei Denkprozessen. Wir etablieren beispielsweise eine funktionelle Rückkopplung (Neurofeedback), mit der Versuchspersonen selbstkontrolliert die Aktivität in ausgewählten Systemen des eigenen Gehirns beeinflussen lernen. Einen wichtigen Schwerpunkt unserer Forschungen bilden MRT-Unter- Mit der MRT lässt sich das schnelle Herzschlagen in Echtzeit »filmen«. Die radial kodierte FLASH-MRT erlaubt Untersuchungen schneller Organbewegungen bei freier Atmung und ganz ohne Synchronisation mit dem EKG. Gezeigt sind 15 aufeinanderfolgende Bilder (von links oben nach rechts unten), die in einem Abstand von 30 Millisekunden aufgenommen wurden, das entspricht etwa 33 Bildern pro Sekunde. Der 450 Millisekunden dauernde Ausschnitt repräsentiert die systolische Phase eines einzelnen Herzschlags, in der sich der Herzmuskel verdickt und kontrahiert. suchungen von Versuchstieren. Diese betreffen vor allem Fragen der Hirnforschung an genetisch veränderten Mäusen. In Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen erforschen wir verschiedene Modelle menschlicher Hirnerkrankungen, zum Beispiel neurodegenerative Veränderungen oder Multiple Sklerose. Die MRT erlaubt es uns, Krankheitsverläufe und neue therapeutische Ansätze im einzelnen Tier zu beobachten. Um die Verfahren an das Mausgehirn anzupassen, müssen wir die MRT-Methoden erheblich weiterentwickeln. So können wir mit hochaufgelösten Darstellungen die konventionelle Untersuchung von Gewebeproben durch strukturelle und funktionelle MRT-Messungen im lebenden Versuchstier erweitern. Prof. Dr. Jens Frahm studierte Physik an der Georg-August-Universität Göttingen und promovierte 1977 in Physikalischer Chemie. Anschließend forschte er als Assistent am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, wo er von 1982 bis 1992 die aus BMFTMitteln geförderte Forschungsgruppe »Biomedizinische NMR« leitete. Seit 1993 ist er wissenschaftlicher Leiter der gemeinnützigen »Biomedizinischen NMR Forschungs GmbH«, die sich über die Max-Planck-Gesellschaft aus den Einnahmen eigener Patente finanziert. Jens Frahm hat sich 1994 in Physikalischer Chemie habilitiert und lehrt als außerplanmäßiger Professor für Physikalische Chemie an der Universität Göttingen. Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Gold Medal der International Society for Magnetic Resonance in Medicine (1991), den Beckurts-Preis (1993), den Niedersächsischen Staatspreis (1996) und den SobekForschungspreis (2005). Seit 2005 ist er Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Kontakt: [email protected] www.biomednmr.mpg.de S. Boretius, T. Michaelis, R. Tammer, A. Tonchev, R. Ashery-Padan, J. Frahm, A. Stoykova: In vivo MRI of altered brain anatomy and fiber connectivity in adult Pax6 deficient mice. Cerebr. Cortex, doi: 10.1093/cercor/bhp057 (2009). M. Uecker, T. Hohage, K. T. Block, J. Frahm: Image reconstruction by regularized nonlinear inversion – Applications to parallel imaging. Magn. Reson. Med. 60, 674-682 (2008). S. Hofer, J. Frahm: Topography of the human corpus callosum revisited – Comprehensive fiber tractography using magnetic resonance diffusion tensor imaging. NeuroImage 32, 989994 (2006). 79 Genexpression und Signalwirkung A Dr. (Univ. Kiew) Halyna Shcherbata studierte Biologie an der Nationalen Universität in Lemberg (Ukraine) und promovierte 1996 am Institut für Pflanzenphysiologie und Genetik der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Kiew. Von 2000 bis 2003 war sie außerordentliche Professorin in der Abteilung »Genetik und Biotechnologie« an der Nationalen Universität in Lemberg, gefolgt von einem Postdoktorandenaufenthalt an der University of Washington (Seattle, USA). Von dort wechselte sie im Jahr 2008 an das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, wo sie seitdem die Max-PlanckForschungsgruppe »Genexpression und Signalwirkung« leitet. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/ groups/shcherbata n Muskeldystrophien leiden allein in Deutschland mehr als 30.000 Menschen. Die Muskeln Erkrankter verlieren zunehmend an Masse, ihr Schwund lässt sich nicht heilen. Geht es darum, diese erblichen Muskelerkrankungen zu erforschen, so ist die Taufliege Drosophila melanogaster als Modellorganismus dafür wie geschaffen – wenn dies auch auf den ersten Blick nicht so scheinen mag. Dabei machen wir uns zunutze, dass sich die Fliege vergleichsweise einfach manipulieren lässt, aber dennoch komplex aufgebaut ist. So haben wir in unserer Arbeitsgruppe eine Fliegenvariante entwickelt, in der zwei Gene defekt sind, die bei Muskeldystrophien eine Rolle spielen: Dystroglykan und Dystrophin. Die Folgen dieser Defekte sind denen beim Menschen sehr ähnlich: Die Fliegen verlieren zunehmend ihre Beweglichkeit, ihre Muskelmasse nimmt ab, und ihr Hirn wird geschädigt. Mithilfe unserer Fliegenmodelle untersuchen wir die molekularen Komponenten und Signalwege, die diese Gene in der Zelle regulieren. Die Ursachen von Muskeldystrophien besser zu verstehen, könnte zukünftig dazu beitragen, neue Therapieansätze zu entwickeln. Stammzellen als stille Reserve Stammzellen sind ein weiterer Forschungsschwerpunkt. Stammzellen finden sich nicht nur im Embryo. Adulte Stammzellen bilden die Reserve des Körpers, um Gewebe mit dem nötigen Nachschub an neuen Zellen zu versorgen. Damit Stammzellen nicht zur Neige gehen, erzeugen sie stets zweierlei Nachkommen: Nur eine Tochterzelle entwickelt sich zu einem bestimmten Zelltyp, die andere bleibt Stammzelle. Wir möchten herausfinden, wie die Selbsterneuerung und der Erhalt von H. R. Shcherbata, A. S. Yatsenko, L. Patterson, V. D. Sood, U. Nudel, D. Yaffe, D. Baker, H. Ruohola-Baker: Dissecting muscle and neuronal disorders in a Drosophila model of muscular dystrophy. EMBO J. 26, 481-493 (2007). H. R. Shcherbata, E. J. Ward, K. A. Fischer, J. Y. Yu, S. H. Reynolds, C. H. Chen, P. Xu, B. A. Hay, H. RuoholaBaker: Stage-specific differences in the requirements for germline stem cell maintenance in the Drosophila ovary. Cell Stem Cell 1, 698-709 (2007). 80 (A) Drosophila adulte Keimbahn-Stammzellen (mit weißen Linien markiert) und ihre Stammzellnische (mit Pfeilen gekennzeichnet, pink). (B) Die vergrößerte Stammzellnische einer Mutante kann mehr Stammzellen aufnehmen. Drosophila entwickelt einen altersabhängigen Muskeldystrophie-Phenotyp, der benutzt wurde, um Modifizierungsmittel zu überprüfen. (A) Architektur des transversalen Wildtyp-Muskelquerschnittes. (B) Dg-Mutanten zeigen schwere Muskeldegeneration. Stammzellen gesteuert wird. Uns interessiert vor allem, welche Rolle mikro-Ribonukleinsäure-Moleküle – miRNAs – dabei übernehmen. Stammzellen arbeiten in ihrem Gewebe nicht autonom, sondern sie werden durch Signale aus ihrer Umwelt – ihrer Stammzell-Nische – reguliert. Nur in ihrer speziellen Nische kann sich eine Stammzelle selbst erneuern. miRNAs kontrollieren dabei nicht nur die Teilung der Stammzellen; sie sorgen auch für deren Erhalt in der Nische. Wir machen uns zunutze, dass sich Stammzellen – ebenso wie Nischenzellen – in der Taufliege leicht auffinden lassen. Im Fliegen-Genom fahnden wir nach neuen Genen, die bei diesen Prozessen mit den miRNAs interagieren. Wir hoffen, damit ein generelles Modell für die beteiligten Signalwege zu entwickeln, um darüber Stammzellen manipulieren zu können. Da miRNAs nicht nur klein sind, sondern auch spezifisch, und zudem leicht von Zellen aufgenommen werden, sind sie als mögliche Therapeutika in regenerativer Medizin und bei der Behandlung von Krebs besonders vielversprechend. Schlaf und Wachsein S chlafen und Wachsein sind Teil des Lebens eines jeden Tieres und eines jeden Menschen. Warum wir wach sind, scheint offensichtlich. Aber warum schlafen wir? Im Schlaf bewegt man sich weniger und nimmt seine Umwelt kaum wahr. Wer schläft, ist somit leichter verletzlich. Warum also begibt sich ein Lebewesen in einen solch gefährlichen Zustand? Ohne Schlaf fühlen wir Menschen uns müde und sind leistungsschwach. Forscher glauben heute, dass Schlaf nicht nur wichtig für den Energiehaushalt ist, sondern auch für das Nervensystem. Während des Schlafens wird Energie gespart, und das Nervensystem hat Zeit zu regenerieren. Aber was regeneriert sich eigentlich in den Nervenzellen? Unsere Arbeitsgruppe versucht herauszufinden, was beim Schlafen in den Nervenzellen passiert. Wir möchten wissen, wie ein Nervensystem einschläft und wieder aufwacht, und woher es weiß, dass es müde ist und schlafen muss. Wir möchten die lebenswichtigen Funktionen von Schlaf verstehen, die es Lebewesen unmöglich machen, auf Dauer darauf zu verzichten. Der schlafende Wurm Wir erforschen Schlafen und Wachsein an einem der einfachsten Tiermodelle, das einen schlafähnlichen Zustand besitzt: dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Bei den meisten Tieren, die wie der Mensch dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, ist der Schlaf-Wach-Rhythmus an den äußeren Tag-Nacht-Zyklus angepasst. Der im Boden lebende Wurm C. elegans spürt von der Sonne dagegen nichts. Sein SchlafWach-Rhythmus wird von einem exakt vorbestimmten inneren Entwicklungsprogramm gesteuert. Die Larven von C. elegans durchleben in ihrer Entwicklung genau vier ausgeprägte Schlafphasen. Nach jedem Schlaf häuten sich die Tiere. Ein großer Vorteil für unsere Untersuchungen ist, dass das Nervensystem von C. elegans extrem einfach aufgebaut ist. Da die Tiere transparent sind, können wir das Nervensystem im intakten Organismus sowohl während des Schlafes als auch während des Wachseins beobachten und manipulieren. Unsere daraus gewonnenen Erkenntnisse möchten wir an komplexer aufgebauten Tieren und auch am Menschen überprüfen, um etwas über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Schlafen und Wachsein bei verschiedenen Organismen zu lernen. Dr. Henrik Bringmann studierte Biologie in Göttingen und Heidelberg und promovierte 2007 am Max-Planck-Institut für Zellbiologie und Genetik in Dresden. Anschließend arbeitete er als Postdoktorand am Laboratory of Molecular Biology in Cambridge, England. Seit 2009 leitet er die Max-Planck-Forschungsgruppe »Schlaf und Wachsein« am Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Henrik Bringmann wurde 2008 mit der Otto-Hahn-Medaille der MaxPlanck-Gesellschaft ausgezeichnet. Kontakt: [email protected] www.mpibpc.mpg.de/research/ ags/bringmann Montage zweier Bilder desselben Wurms. Gezeigt sind Verbindungen zwischen Nervenzellen (die Synapsen) des wachen C. elegans (rot), und des schlafenden Tieres (grün). H. Bringmann: Mechanical and genetic separation of aster- and midzone-positioned cytokinesis. Biochem. Soc. Trans. 36, 381-383 (2008). H. Bringmann, C. R. Cowan, J. Kong, A. A. Hyman: LET-99, GOA-1/GPA-16, and GPR-1/2 are required for aster-positioned cytokinesis. Curr. Biol. 17, 185-191 (2007). H. Bringmann, A. A. Hyman: A cytokinesis furrow is positioned by two consecutive signals. Nature 436, 731-734 (2005). H. Bringmann, G. Skiniotis, A. Spilker, S. Kandels-Lewis, I. Vernos, T. Surrey: A kinesin-like motor inhibits microtubule dynamic instability. Science 303, 1519-1522 (2004). 81 Gene und Verhalten W er einmal mit dem Flieger mehrere Zeitzonen überquert hat, der kennt das Gefühl in den ersten Tagen danach: Tagsüber lähmt einen bleischwere Müdigkeit, nachts wälzt man sich hellwach im Bett. Ein klarer Fall von Jetlag. Unsere innere Uhr braucht ein paar Tage, bis sie sich auf den um mehrere Stunden verschobenen Tagesrhythmus eingestellt hat. Doch es funktioniert: Nach ein paar Tagen »ticken« wir wieder synchron zur Außenwelt. Die Probleme, die bei einem Jetlag auftreten, sind ein anschauliches Beispiel dafür, wie äußere Einflüsse unsere innere Uhr stören. Dabei muss man eigentlich von vielen inneren Uhren sprechen, denn die physiologischen Abläufe im Körper bis hin zu unserem Verhalten werden von einem ganzen Netz molekularer Zeitgeber koordiniert. Die einzelnen Organe beherbergen jeweils eigene periphere Oszillatoren, die unter der zentralen Kontrolle des im Hypothalamus gelegenen zirkadianen Schrittmachers stehen, dem suprachiasmatischen Nukleus (SCN). Die inneren Uhren der Organe passen sich unterschiedlich schnell an die veränderten äußeren Einflüsse an. Dabei spielt die Uhr der Nebenniere eine entscheidende Rolle, wie wir durch Experimente mit Mäusen zeigen konnten. Das Organ Beim Down-Syndrom sind neben vielen anderen Genen auch das PCP4 und Col18a1 in drei Kopien vorhanden. PCP4 (links) ist im Nervensystem wirksam, während Col18a1 – ein KollagenGen (rechts) – im Bindegewebe des MausEmbryos aktiv ist. 82 schüttet normalerweise das Hormon Kortisol aus und nimmt so maßgeblichen Einfluss auf die Uhren anderer Organe. Hemmt man die Kortisol-Synthese, passt sich der Körper schneller an die neue Zeitzone an. Diese Erkenntnis eröffnet einen Weg zur Hormontherapie des Jetlags. Ein Atlas der Uhrengene Einsichten dieser Art erhalten wir, indem wir die für die zirkadiane Uhr maßgeblichen Gene analysieren. Eine reichhaltige, einzigartige Quelle von Uhrengen-Kandidaten sind die von uns mitentwickelten Atlanten der Genaktivität im Gehirn (www.brain-map.org, www.geneatlas.org). Um diese molekularen Karten zu erstellen, haben wir hochauflösende und automatisierte Techniken entwickelt. So können wir effizient Gene identifizieren, die zum Beispiel in der Zentraluhr des SCN im Hypothalamus tagesrhythmisch aktiviert werden. Solche KandidatenGene entfernen wir dann gezielt im SCN von Mäusen und bestimmen über Laufrad- und molekulare Experimente, ob die zirkadiane Uhr defekt ist. auf DNA-Abschnitte, die Wachstum und Struktur der Großhirnrinde koordinieren. Ein Beispiel ist das Esco2-Gen, das in den Stammzellen der Großhirnrinde für eine kurze Zeit wirksam ist und während der Zellteilung den Zusammenhalt der Chromosomen reguliert. Entfernt man bei Mäusen dieses Gen in der Wachstumszone der Großhirnrinde, so werden die Tiere ohne diesen Teil des Hirns geboren. Menschen, bei denen das Esco2-Gen mutiert ist, leiden unter einer schwerwiegenden Erbkrankheit, die man als Roberts-Syndrom bezeichnet. Wir verwenden unsere Esco2-Mausmutanten, um sowohl die molekularen Prozesse der Zellteilung als auch die Ursache des RobertsSyndroms zu erforschen. Der Expressionsatlas eröffnet uns auch neue Einsichten in das Metabolom, die Gesamtheit aller Moleküle im Stoffwechsel (Metabolismus) eines Organismus. Viele dieser Moleküle zeigen über den Tag verteilt Konzentrationsschwankungen. Inzwischen kennen wir beispielsweise die Aktivitätsmuster aller 360 Solute Carrier (SLC)-Gene. Diese enthalten die Baupläne für die SLCProteine, wichtige Porenproteine in biologischen Membranen. Sie schleusen kleine Moleküle wie Nährstoffe, Vitamine, Hormone und Mineralien zwischen Zellen ein und aus und innerhalb einer Zelle hin und her. Wenn wir wissen, wann welche Gene aktiv sind, können wir einen hochauflösenden Atlas des Stoffaustausches über den gesamten Säugetierorganismus konstruieren, mit besonderem Augenmerk auf die zirkadianen Aspekte des Stoffwechsels. Entwicklungsgene unter der Lupe Unsere Atlanten der Genexpression (www.genepaint.org, www.eurexpress. org) sind auch ein wichtiger Fundus, um zu erforschen, wie Gene die Entwicklung des Gehirns im Embryo beeinflussen – der zweite große Forschungsschwerpunkt in unserer Abteilung. Wir konzentrieren uns primär Prof. Dr. Gregor Eichele studierte Chemie und Strukturbiologie und promovierte 1980 an der Universität Basel. Im Anschluss forschte er von 1981 bis 1984 als Postdoktorand an der University of California, San Francisco (USA) auf dem Gebiet der Entwicklungsbiologie. 1985 bis 1990 war er Mitglied der Fakultät der Harvard University School of Medicine Boston (USA) und wechselte von 1991 bis 1998 an das Baylor College of Medicine, Houston (USA). Er war von 1997 bis 2006 Direktor und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für experimentelle Endokrinologie. Seit 2006 ist Gregor Eichele Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und Leiter der Abteilung »Gene und Verhalten«. Für seine Forschung erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1991 den FriedrichMiescher-Preis und den McKnight Neuroscience Development Award sowie 2000 den Innovation Award in Functional Genomics. Kontakt: [email protected] http://genesandbehavior.mpibpc. mpg.de V. Jakubcakova, H. Oster, F. Tamanini, C. Cadenas, M. Leitges, G. T. van der Horst, G. Eichele: Light entrainment of the mammalian circadian clock by a PRKCA-dependent posttranslational mechanism. Neuron 54, 831-843 (2007). E. S. Lein, M. J. Hawrylycz, N. Ao, et al.: Genome-wide atlas of gene expression in the adult mouse brain. Nature 445, 168176 (2007). In der Abbildung wird die Aktivitätsstärke (grün bis rot) von 36 Solute Carrier-Genen (SLCs) in der Nebenniere der Maus gezeigt. Je früher am Tag ein SLC sein Aktivitätsmaximum (rot) erreicht, desto weiter oben befindet es sich im Diagramm. Man erkennt leicht, dass selbst in einer Gruppe von gerade einmal 36 SLC-Genen eine klare tageszeitliche Präferenz auftritt. A. Visel, J. Carson, J. Oldekamp, M. Warnecke, V. Jakubcakova, X. Zhou, C. A. Shaw, G. Alvarez-Bolado, G. Eichele: Regulatory pathway analysis by highthroughput in situ hybridization. PLoS Genet. 3, 1867-1883 (2007). J. P. Carson, T. Ju, H. C. Lu, C. Thaller, M. Xu, S. L. Pallas, M. C. Crair, J. Warren, W. Chiu, G. Eichele: A digital atlas to characterize the mouse brain transcriptome. PLoS Comput. Biol. 1, e41 (2005). 83 Zirkadiane Rhythmen A Dr. Henrik Oster promovierte 2002 an der Universität Freiburg (Schweiz) in Biochemie. Von 2002 bis 2007 forschte er am MaxPlanck-Institut für experimentelle Endokrinologie in Hannover und am Wellcome Trust Centre for Human Genetics an der Universität Oxford (England). Seit 2007 leitet er als Emmy-Noether-Preisträger der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Arbeitsgruppe »Zirkadiane Rhythmen« am MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie. Für seine Forschung erhielt Henrik Oster 2002 den Fakultätspreis der Universität Freiburg (Schweiz) und 2003 die Otto-HahnMedaille der Max-Planck-Gesellschaft. Kontakt: [email protected] http://circadianrhythms.mpibpc. mpg.de D. Lupi , H. Oster, S. Thompson, R. G. Foster: The acute light-induction of sleep is mediated by OPN4-based photoreception. Nat. Neurosci. 11, 10681073 (2008). H. Oster, S. Damerow, S. Kiessling, V. Jakubcakova, D. Abraham, J. Tian, M. W. Hoffmann, G. Eichele: The circadian rhythm of glucocorticoids is regulated by a gating mechanism residing in the adrenal cortical clock. Cell Metab. 4, 163-173 (2006). H. Oster, S. Baeriswyl, G. T. van der Horst, U. Albrecht: Loss of circadian rhythmicity in aging mPer1-/-mCry2-/mutant mice. Genes Dev. 17, 13661379 (2003). 84 lles Leben auf unserer Erde verläuft in Zyklen. Einer der einflussreichsten dieser Zyklen ist der tägliche Wechsel von Tag und Nacht. Der Tageslauf bringt weitreichende Veränderungen der Umwelt mit sich, die es optimal zu nutzen gilt. Um dies zu erreichen, haben fast alle Lebewesen – von Bakterien bis hin zum Menschen – innere Zeitmesser entwickelt (sogenannte zirkadiane Uhren). Damit bestimmen sie die aktuelle Tageszeit, um die Physiologie ihres Körpers und ihr Verhalten optimal auf die jeweiligen Anforderungen vorzubereiten. Diese innere Uhr ist genetisch verankert. Sie funktioniert deshalb auch, wenn äußere Zeitgeber wie die Sonne fehlen. Die innere Uhr lässt uns abends müde werden, weckt uns morgens wieder auf und steuert die Ausschüttung zahlreicher Hormone im 24-Stunden-Takt. Unsere Forschungsgruppe interessiert sich für die molekularen Mechanismen, die hinter diesen Phänomenen stecken. Um diese zu ergründen, haben wir Mäuse gezüchtet, in denen einzelne Steuergene der inneren Uhr – die übrigens beim Menschen ganz ähnlich funktioniert – ausgeschaltet sind. An diesen Mäusen untersuchen wir nun die Veränderung ihrer Tagesrhythmen. Dabei interessieren wir uns besonders für das Schlaf-Wachverhalten der Tiere sowie das Zusammenspiel zwischen der inneren Uhr und der Nahrungsaufnahme und -verwertung. Oben: Wenn man das Uhrenprotein PER2 an das Leuchtprotein LUCIFERASE koppelt, kann man mit dem Lichtsignal, das bei der Luciferin-Spaltung entsteht, den Rhythmus der inneren Uhr sichtbar machen. Unten: Lichtemissionsrhythmen in LeberschnittKulturen aus Mäusen mit PERIOD2-LUCIFERASEFusionsprotein. lare »Ticken« der Uhr, sondern auch, wie die Uhr im lebenden Gewebe auf Stoffwechsel-Signale reagiert. Wir erhoffen uns davon neue Ansatzpunkte, zum Beispiel für die Behandlung von »Rhythmus-Krankheiten« beim Menschen wie Schlafstörungen, Winterdepression und das sogenannte NachtesserSyndrom (engl. Night Eating Syndrome). Das Ticken der Uhr zum Leuchten bringen So stellen wir den Mäusen ein Laufrad in den Käfig, mit dem wir sehr präzise den Aktivitätsrhythmus der Tiere messen können. Bei anderen Tieren haben wir ein Leuchtprotein aus dem Glühwürmchen an die innere Uhr gekoppelt. Anhand des Leuchtsignals verfolgen wir nicht nur das moleku- Laufradaktivität einer Cry1-mutanten Maus unter LichtDunkel-Bedingungen (LD) und in konstanter Dunkelheit (DD). In DD folgt der Aktivitätsrhythmus des Tieres seiner inneren Uhr mit einer Periodenlänge von ca. 22 Stunden, während unter LD die innere Uhr mit dem Tagesrhythmus synchronisiert ist (24 Stunden pro Zyklus). Das Institut in aller Kürze Mitarbeiter: 837, davon 473 Wissenschaftler Geschäftsführender Direktor: Professor Dr. Helmut Grubmüller (2009 – 2010) Assistentin des Geschäftsführenden Direktors: Eva-Maria Hölscher Verwaltungsleiter: Manfred Messerschmidt Kontakt: Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie (Karl-Friedrich-Bonhoeffer-Institut) Am Faßberg 11 · 37077 Göttingen Telefon: +49 (0)551 201-0 · Fax: +49 (0)551 201-1222 www.mpibpc.mpg.de Wissenschaftliche Abteilungen Gene und Verhalten (Professor Dr. Gregor Eichele) Membranbiophysik (Professor Dr. Erwin Neher) Molekulare Entwicklungsbiologie (Professor Dr. Herbert Jäckle) Molekulare Zellbiologie (Professor Dr. Peter Gruss; für die Zeit seiner Präsidentschaft bei der MPG beurlaubt) NanoBiophotonik (Professor Dr. Stefan W. Hell) Neurobiologie (Professor Dr. Reinhard Jahn) NMR-basierte Strukturbiologie (Professor Dr. Christian Griesinger) Physikalische Biochemie (Professor Marina Rodnina) Theoretische und computergestützte Biophysik (Professor Dr. Helmut Grubmüller) Zelluläre Biochemie (Professor Dr. Reinhard Lührmann) Zelluläre Logistik (Professor Dr. Dirk Görlich) Biomedizinische NMR (Professor Dr. Jens Frahm) Kuratorium Ralf O. H. Kähler · Vorstandsvorsitzender der Volksbank Göttingen Thomas Keidel · Geschäftsführender Gesellschafter der Mahr GmbH, Göttingen Dr. Joachim Kreuzburg · Vorstandsvorsitzender der Sartorius AG, Göttingen Dr. Wilhelm Krull · Generalsekretär der VolkswagenStiftung, Hannover Dr. Peter Lange · Ministerialdirektor, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berlin Prof. Dr. Gerd Litfin (Vorsitzender) · Aufsichtsratsvorsitzender der LINOS AG, Göttingen Wolfgang Meyer · Oberbürgermeister der Stadt Göttingen Thomas Oppermann · Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin Gerhard Scharner · Ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Göttingen Reinhard Schermann · Landrat des Landkreises Göttingen Dr. Herbert Stadler · Vorstandsvorsitzender der Affectis Pharmaceuticals AG, München Ilse Stein · Chefredakteurin, Göttinger Tageblatt Volker Stollorz · Redakteur, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Westdeutscher Rundfunk Lutz Stratmann · Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kunst, Hannover Prof. Dr. Rita Süssmuth · Ehemalige Präsidentin des Deutschen Bundestages, Berlin Prof. Dr. Kurt von Figura · Präsident der Georg-August-Universität Göttingen 85 Wissenschaftlicher Beirat Professor Dr. Hugo Bellen Howard Hughes Medical Institute, Baylor College of Medicine (Houston, USA) Professor Dr. Carmen Birchmeier-Kohler Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (Berlin) Professor Dr. David Case BioMaPS Institute and Department of Chemistry & Chemical Biology, Rutgers University (Piscataway, USA) Professor Dr. Christopher Dobson University of Cambridge (Cambridge, UK) Professor Dr. Gideon Dreyfuss Howard Hughes Medical Institute, University of Pennsylvania (Philadelphia, USA) Professor Dr. Mary Beth Hatten Rockefeller University (New York, USA) Professor Dr. Peter Jonas Universität Freiburg (Freiburg i. Breisgau) Professor Dr. Michael Levitt Stanford University (Stanford, USA) Professor Dr. David Nesbitt University of Colorado at Boulder (Boulder, USA) Professor Dr. Peter So Massachusetts Institute of Technology (Cambridge, USA) Professor Dr. Joan Steitz (Vorsitzende) Yale University (New Haven, USA) Professor Dr. Joseph Takahashi Howard Hughes Medical Institute, University of Texas (Dallas, USA) Professor Dr. Peter Walter University of California (San Francisco, USA) 86 Sie erreichen uns ... ... mit dem Auto Autobahn A7 Kassel-Hannover, Ausfahrt Göttingen Nord. An der ersten Ampel geradeaus der B27 in Richtung Braunlage folgen. Nach knapp 2 km links einbiegen in Richtung Nikolausberg (beschildert). Die dritte Straßeneinmündung links führt auf das Institutsgelände. ... mit dem Zug Ab Göttingen Hauptbahnhof mit dem Taxi zum Institut oder mit dem Stadtbus der Linie 8 und 13 in Richtung Innenstadt. An einer der ersten vier Haltestellen umsteigen in die Linie 5 Richtung Nikolausberg. Die Haltestelle »Am Faßberg« liegt kurz vor dem Institutsgelände. ... mit dem Flugzeug Flughafen Frankfurt/Main oder Hannover Ab Flughafen Frankfurt vom Fernbahnhof nach Göttingen (Richtung Hamburg, Berlin; direkte Züge verkehren im Zweistundentakt). Alternativ vom Regionalbahnhof mit Zug oder S-Bahn nach Frankfurt/Hbf (Züge nach Göttingen zweimal stündlich). Fahrzeit mit dem Auto ca. drei Stunden. Ab Flughafen Hannover mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof Hannover, von dort mit dem ICE oder IC nach Göttingen (Fahrzeit ca. 30 Minuten). Fahrzeit mit dem Auto ca. 1,5 Stunden. 87 Abbildungen Seite 5 (unten, links): Medialer Nucleus des Trapezkörpers (MNTB) im Gehirn, injiziert mit GFP-Adenovirus (grün). Der vesikuläre Glutamattransporter VGLUT1 ist rot angefärbt. (Meike Pedersen, Abteilung für Membranbiophysik) Seite 5 (unten, zweites Bild von links): Räumliche Struktur von Bakteriorhodopsin. Archaebakterien wie Halobacterium halobium benutzen die lichtgetriebene Protonenpumpe zur Energieproduktion. (Helmut Grubmüller, Abteilung für Theoretische und Computergestützte Biophysik) Seite 5 (unten, zweites Bild von rechts): Aus dem embryonalen Gehirn der Maus wurden neurale Stammzellen gewonnen, die sich in Gewebekultur in sogenannte Sternzellen (Astrozyten, grün) differenziert haben. Zellkerne sind blau angefärbt. (Michael Kessel, Forschungsgruppe Entwicklungsbiologie) Seite 5 (unten rechts): Das Hormon Insulin in zwei unterschiedlichen Darstellungsformen. (Helmut Grubmüller, Abteilung für Theoretische und Computergestützte Biophysik) Seite 12 (oben): Deutscher Zukunftspreis, Ansgar Pudenz Seite 13: Schärferer Blick auf das Innere von Zellen: Die Abbildung zeigt Filamente in einer menschlichen Nervenzelle; rechts durch ein herkömmliches Konfokalmikroskop, links durch ein STED-Mikroskop. (Stefan W. Hell, Abteilung für NanoBiophotonik) Seite 21: Konfokale Fluoreszenzmikroskopie-Aufnahme von Beutelratten-Zellen, in denen das Aktin-Zytoskelett rot, das Tubulin-Zytoskelett grün und der Zellkern blau angefärbt ist. (Christian Wurm, Stefan Jakobs; Forschungsgruppe Struktur und Dynamik von Mitochondrien) Seite 30: Federico Neri, fotolia.com Seite 33: Inter-Stilist, fotolia.com Seite 34: Der »head tail connector« der phi29-DNAPolymerase. Er ist an der DNA-Verpackung während der Virus-Reproduktion beteiligt. Die DNA ist blau dargestellt. (Mattias Popp, Abteilung für Theoretische und Computergestützte Biophysik) Seite 48/49: Struktur der größten Untereinheit des Spleißosoms, des sogenannten »tri-snRNP« (links) und vier weitere Strukturen seiner »beweglichen« Komponente (U5 snRNP). (Holger Stark, Forschungsgruppe Dreidimensionale Kryo-Elektronenmikroskopie) Seite 54/55 (oben): Bakterienzellen. (Irochka, fotolia.com) Seite 56/57: Milliarden Nervenzellen sind im menschlichen Gehirn zu einem komplexen Netzwerk verknüpft. (Sebastian Kaulitzki, fotolia.com) Seite 6: Konfokale Fluoreszenzmikroskopie-Aufnahme von Beutelratten-Zellen, in denen das Tubulin-Zytoskelett angefärbt ist. (Christian Wurm, Stefan Jakobs; Forschungsgruppe Struktur und Dynamik von Mitochondrien) Seite 7 (unten rechts): Max-Planck-Institut für Neurobiologie Seite 8 (unten links): Archiv der Max-PlanckGesellschaft Seite 9 (oben): Räumliche Struktur des molekularen Kraftsensors Titinkinase. (Helmut Grubmüller, Abteilung für Theoretische und Computergestützte Biophysik) Seite 9 (unten): Dirk Bockelmann, Abteilung für NMR-basierte Strukturbiologie 88 Seite 64: Konfokale Fluoreszenzmikroskopie-Aufnahme von Beutelratten-Zellen, in denen das Tubulin-Zytoskelett rot und der Zellkern blau angefärbt ist. (Christian Wurm, Stefan Jakobs; Forschungsgruppe Struktur und Dynamik von Mitochondrien) Seite 65: Die zentrale Einrichtung »Innovative Lichtmikroskopie«. (Alexander Egner) Seite 70/71: Schnitt durch das Gehirn der Maus mit sogenannten Sternzellen (Astrozyten, grün) in der oberen Schicht und Nervenzellen (rot) in der unteren Schicht. Zellkerne sind blau angefärbt.(Michael Kessel, Forschungsgruppe Entwicklungsbiologie) Seite 76/77: Emilia Stasiak, fotolia.com Seite 82/83: FinePix, fotolia.com (alte Uhr) Seite 84: Kyslynskyy, fotolia.com Impressum Herausgeber Texte Fotos Titelbild Schlussredaktion Layout Druck Koordination Internet Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie Am Faßberg 11 · 37077 Göttingen Marcus Anhäuser, Diemut Klärner, Dr. Carmen Rotte; in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie Irene Böttcher-Gajewski, Peter Goldmann (S. 10 unten links, S. 17 oben rechts), Heidi Wegener (S. 85) Irene Böttcher-Gajewski Dr. Ulrich Kuhnt, Silvia Petrova, Dr. Carmen Rotte Rothe-Grafik, Georgsmarienhütte; Hartmut Sebesse Druckhaus Fromm, Osnabrück Dr. Carmen Rotte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie [email protected] www.mpibpc.mpg.de Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie (Karl-Friedrich-Bonhoeffer-Institut) Am Faßberg 11 · 37077 Göttingen Tel.: +49 (0)551 201-0 · Fax: +49 (0)551 201-1222 www.mpibpc.mpg.de Karl-Friedrich-Bonhoeffer-Institut Göttingen