Böses Erwachen

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Böses Erwachen
Rentensteuer
Böses
Erwachen
Rentensteuer Jetzt kontrolliert das Finanzamt die
Rentner. Ohne es zu ahnen,
sind viele von ihnen schon
seit 2005 steuerpflichtig.
iele Rentner werden in den nächsten
Monaten unangenehme Post bekommen. „Bitte legen Sie uns Ihre Steuererklärung vor“, schreibt das Finanzamt. Die Beamten prüfen flächendeckend, wer keine
Steuern gezahlt hat. Doch häufig wissen die
Rentner gar nicht, dass sie steuerpflichtig
waren. Denn bisher blieben die meisten
steuerfrei. Und selbst wer Steuern hätte
zahlen müssen, flog kaum auf.
Doch damit ist es nun vorbei. Ab Oktober
erhalten die Finanzämter mehrere Millionen „Rentenbezugsmitteilungen“ von Versicherungen, Pensionsvereinen und anderen
Institutionen. Damit können sie feststellen, welcher Rentner woher Einkünfte hat,
und zwar rückwirkend bis 2005. Denn 2005
wurde die Rentenbesteuerung geändert –
mit der Folge, dass viele Rentner, die bis dahin kein bisschen Steuern zahlen mussten,
seitdem steuerpflichtig sind.
V
Jetzt Steuererklärung nachreichen
Für etwa eine halbe bis zwei Millionen
Haushalte wird das ein böses Erwachen geben, schätzen Experten. Wenn der Datenabgleich, den die Ämter ab Herbst durchführen, ergibt, dass Steuern fällig sein könnten,
erhalten die Betroffenen eine schriftliche
Aufforderung ihres Finanzamts. Dabei geht
es um die Jahre 2005 bis 2008.
Doch bevor ein Steuerpflichtiger erwischt wird, ist es besser, jetzt noch schnell
eine Steuererklärung abzugeben. Denn
dann muss er nur die bisher nicht überwiesenen Steuern nachzahlen, eine Strafe
gibt es nicht. Noch ist Zeit: Alle erforder- 0
10/2009 test
Geld und Recht 15
lichen Daten werden den Ämtern wahrscheinlich erst zum Jahresende vorliegen,
sodass die ersten Briefe wohl nicht vor Anfang nächsten Jahres herausgehen werden.
Die halbe Rente steuerfrei
Doch wen erwischt es? Für alle Rentner, die
nur eine gesetzliche Rente beziehen und
keine weiteren Einkünfte haben, ist diese
Frage recht schnell beantwortet.
Zunächst sollten Rentner prüfen, wie
hoch ihre Jahresrente war. Von diesem Jahresbetrag ist nur ein Teil steuerpflichtig, der
andere steuerfrei: Alle, die 2005 oder früher in Rente gingen, müssen nur die Hälfte
der Rente versteuern. Bei allen, die später in
Rente gingen, ist es ein größerer Teil:
R bei Rentenbeginn ab 2006: 52 Prozent,
R Rentenbeginn ab 2007: 54 Prozent,
R Rentenbeginn ab 2008: 56 Prozent,
R Rentenbeginn ab 2009: 58 Prozent.
Wichtig: Der persönliche steuerfreie Rentenanteil bemisst sich nach dem Jahr, in
dem man in Rente ging. Bei diesem Anteil
bleibt es ein Leben lang. Wer 2005 oder früher in Rente ging, muss also auch für 2006
und alle folgenden Jahre nur 50 Prozent
versteuern – und nicht etwa 52 Prozent für
2006, 54 Prozent für 2007 und 56 Prozent
für 2008. Der einmal festgelegte steuerfreie Rentenanteil bleibt als Euro-Betrag bestehen. Er verändert sich später nicht mehr,
auch nicht, wenn die Rente erhöht wird.
Pensionen
Ebenfalls betroffen
Viele Pensionäre müssen schon seit
langem eine Steuererklärung abgeben, beispielsweise wenn sie selbst
oder ihr Ehepartner zusätzlich zur
Pension eine Rente beziehen oder
andere Einkünfte haben wie Zinseinnahmen, Mieteinkünfte oder Honorare aus Nebentätigkeiten.
Grundsätzlich gilt: Wer neben einer
Pension weitere Einkünfte über
410 Euro jährlich hat, zum Beispiel
aus einer Rente oder einer Vermietung, kommt in der Regel um eine
Steuererklärung nicht herum. Das
heißt aber nicht, dass auch wirklich
Steuern fällig werden. Ob das der Fall
ist, hängt davon ab, ob – nach Abzug aller Freibeträge – der Grundfreibetrag überschritten wird oder nicht.
16 Geld und Recht
Wer solche Rentenerhöhungen bereits bekam, muss daher etwas mehr als den jeweiligen Prozentsatz versteuern. Da es bisher
aber nur kleine Rentenerhöhungen gab,
bleibt die Abweichung sehr gering.
Von dem, was dann als steuerpflichtiger
Anteil bleibt, können Sie die Werbungskosten abziehen. Das sind Ausgaben zur Sicherung der Rente, zum Beispiel die Kosten für
eine Rentenberatung oder für eine juristische Auseinandersetzung um die Rente.
Liegen solche Kosten nicht vor, können Sie
pauschal 102 Euro im Jahr als Werbungskosten ansetzen, Ehepaare das Doppelte, wenn
beide Rente beziehen.
Grundfreibetrag für jeden
Zusätzlich dürfen die Beiträge zur Krankenund Pflegeversicherung abgezogen werden.
Bei Rentnern sind das rund 10 Prozent der
Rente. Wer danach unter 7 664 Euro bleibt,
braucht keine Steuererklärung abzugeben.
Dies ist der Grundfreibetrag. Er soll dafür
sorgen, dass für jeden Bürger ein Existenzminimum steuerfrei bleibt. In den Jahren
2005 bis 2008 lag der Grundfreibetrag bei
7 664 Euro (Ehepaare: 15 329 Euro). Ab 2009
beträgt er 7 834 Euro, ab 2010 soll er auf
8 004 Euro steigen.
Beispiel: Eine 70-Jährige, die 2004 in Rente
ging, bezieht 1 400 Euro Monatsrente, also
16 800 Euro im Jahr. Da sie nur 50 Prozent
versteuern muss, bleiben 8 400 Euro. Minus 102 Euro Werbungskosten sind es noch
8 298 Euro. Davon wird noch die Krankenund Pflegeversicherung abgezogen: 10 Prozent von 16 800 Euro Jahresrente, also
1 680 Euro. Dazu darf jeder Rentner den
Sonderausgabenpauschbetrag von 36 Euro
abziehen. Damit bleiben nur 6 582 Euro zu
versteuern. Das ist weniger als der Grundfreibetrag von 7 664 Euro. Die Rentnerin
muss also keine Steuern zahlen und auch
keine Steuererklärung abgeben.
Renten bis 19 000 Euro sind steuerfrei
Wem das zu viel Rechenaufwand ist, der
kann sich auch an einer groben Faustregel
orientieren: Für alle, die 2005 oder früher
in Rente gingen und ausschließlich gesetzliche Rente beziehen, sind etwa 19 000 Euro
Bruttorente jährlich steuerfrei, bei Rentnerehepaaren 38 000 Euro. Wer später in Rente
ging, muss mehr versteuern, sodass sich
der Betrag etwas verringert. Bei Rentenbeginn 2008 sind es rund 17 000 Euro, für
Ehepaare 34 000 Euro.
Für viele Rentner fällt die Rechnung aber
ganz anders aus: Dann nämlich, wenn zur
Rente weitere steuerpflichtige Einkünfte
hinzukommen, zum Beispiel Zinsen, Mieteinnahmen, Arbeitslohn, Honorare aus Nebentätigkeit, Pensionen oder Betriebsrenten. Doch auch von diesen Nebeneinkünften ist nur ein Teil steuerpflichtig:
Versorgungsfreibetrag: Er darf von Pensionen und Betriebsrenten abgezogen werden (siehe Tabelle „Steuerfreibeträge“).
Altersentlastungsbetrag: Für alle übrigen
Einkünfte wie Zinsen, Mieten oder Honorare gibt es den Altersentlastungsbetrag, allerdings nur wenn der Rentner über 65 Jahre alt ist. Dieser Freibetrag beträgt maximal
40 Prozent der betreffenden Einkünfte,
höchstens 1 900 Euro im Jahr. Die Werte
stehen in der Tabelle „Steuerfreibeträge“.
Beispiel: Ein Ehepaar, das seit 2003 in Rente ist, bezog im vergangenen Jahr zusammen 2 150 Euro Monatsrente – er 1 300 Euro,
sie 850 Euro. Übers Jahr sind das zusammen 25 800 Euro. Da beide schon vor 2005
in Rente gingen, müssen nur 50 Prozent davon versteuert werden, also 12 900 Euro.
Davon ziehen sie die Werbungskosten
ab. Da sie keine Ausgaben tätigen mussten,
setzen beide die Pauschale von 102 Euro
an, zusammen 204 Euro. Damit bleiben
12 696 Euro steuerpflichtige Einnahmen.
Zusätzlich bekommt die Frau jährlich
3 850 Euro aus einer privaten Rentenversicherung. Davon muss sie nur den Ertragsanteil versteuern. Der richtet sich
bei lebenslangen Renten nach dem Alter
Ratgeber
Unser Ratgeber „Steuererklärung für
Rentner“ erklärt, wie die Rentensteuer
funktioniert. Er führt Schritt für Schritt
durch die Formulare. Mithilfe des
Tabellenteils können Sie Ihre steuerliche Situation einschätzen. Derzeit ist
die dritte Auflage im Handel – die
neue, vierte Auflage erscheint im
Dezember. Sie kostet im Buchhandel
12,90 Euro, ist aber auch zu bestellen
unter www.test.de/shop oder unter
Telefon 0 180 5/00 24 67. test-Abonnenten zahlen dort nur 9,80 Euro.
test 10/2009
Rentensteuer
Privatrenten
Renten aus privaten Rentenversicherungen werden mit dem Ertragsanteil besteuert. Der richtet sich bei
lebenslangen Renten nach dem Alter bei Rentenbeginn.
35 45 55 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67
41 34 26 24 23 22 22 21 20 19 18 18 17
Alter bei Rentenbeginn in Jahren
Steuerpflichtiger Ertragsanteil in Prozent
FOTO: PLAINPICTURE / FOLIO IMAGES / M. THISNER
Steuerfreibeträge für Rentner
Steuerpflichtiger Rentenanteil bei Rentenbeginn 1)
Steuerfreie Rente,
gerundet in Euro
Grundfreibetrag in Euro
Altersentlastungsbetrag
maximal in Euro
Versorgungsfreibetrag
Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag 2) in Euro
2005
50 %
2006
52 %
2007
54 %
2008
56 %
2009
58 %
2010
60 %
19 000
18 500
17 700
17 000
16 500
16 100
7 664
40,00 %
1 900
40 %, max.
3 000 Euro
900
7 664
38,40 %
1 824
38,4 %, max.
2 880 Euro
864
7 664
36,80 %
1 748
36,8 %, max.
2 760 Euro
828
7 664
35,20 %
1 672
35,2 %, max.
2 640 Euro
792
7 834
33,60 %
1 596
33,6 %, max.
2 520 Euro
756
8 004
32,00 %
1 520
32,0 %, max.
2 400 Euro
720
1) Der mithilfe dieses Prozentsatzes im Renteneintrittsjahr ermittelte Euro-Betrag bleibt für die gesamte
Zeit des Rentenbezugs konstant. Rentenerhöhungen gehen nicht anteilig, sondern zu 100 Prozent in den
steuerpflichtigen Rentenanteil ein.
2) Dieser Zuschlag kann von Einnahmen aus Pensionen und Betriebsrenten zusätzlich zum Versorgungsfreibetrag
ebenfalls abgezogen werden.
10/2009 test
bei Rentenbeginn (Tabelle „Privatrenten“).
Da die Frau mit 58 Jahren in Rente ging, sind
es bei ihr 24 Prozent, also 924 Euro. Sie muss
also insgesamt 13 620 Euro versteuern –
12 696 Euro plus 924 Euro.
Außerdem hat der Mann 6 000 Euro, die
Frau 4 000 Euro Zinseinnahmen, zusammen 10 000 Euro. Davon werden Sparerfreibetrag und Werbungskostenpauschale
von 801 Euro jeweils für jeden Ehepartner
abgezogen. Damit bleiben für beide zusammen 8 398 Euro zu versteuernde Zinseinnahmen, die hinzugerechnet werden müssen. Das ergibt zusammen 22 018 Euro.
Darüber hinaus dürfen Steuerpflichtige auch den Altersentlastungsbetrag von
40 Prozent der Zinseinkünfte – maximal
1 900 Euro – abziehen. Er steht aber nur
Rentnern zu, die im Jahr der Steuererklärung bereits 65 Jahre alt waren. Im Beispiel
ist das nur der Mann. Damit bleiben unterm
Strich 20 118 Euro, die zu versteuern sind.
Das ist so viel, dass das Ehepaar eine Steuererklärung für 2008 abgeben muss. Denn
die Einkünfte liegen über dem Grundfreibetrag von 7 664 Euro (Ehepaare: 15 329 Euro).
Die Differenz zwischen steuerpflichtigen
Einnahmen (20 118 Euro) und Grundfreibetrag (15 329 Euro) beträgt 4 789 Euro. Von ihren Einkünften dürfen die beiden aber noch
ihre Kranken- und Pflegeversicherung abziehen, also rund 10 Prozent ihrer Jahresrente von 25 800 Euro, damit 2 580 Euro.
Zusätzlich geht noch der Sonderausgabenpauschbetrag von 36 Euro ab, für beide sind
das 72 Euro. Damit schmilzt die Differenz
auf 2 137 Euro. Diese Differenz muss nun
mit den bereits gezahlten Kapitalertragssteuern verrechnet werden. Dann ergibt
sich ein Überschuss, das Ehepaar hat bereits zu viel Steuern gezahlt, kann also mit
einer Erstattung rechnen.
Weitere Abzugsmöglichkeiten
Da das Ehepaar in den Vorjahren ähnliche
Einnahmen hatte, werden für diese Jahre
Nachzahlungen fällig, die dann auch mit
sechs Prozent pro Jahr verzinst werden.
Doch es gibt weitere Abzugsmöglichkeiten, mit denen sie eventuell doch noch
unter den Grundfreibetrag rutschen, sodass keine Steuern fällig werden: zum Beispiel Kirchensteuern, Spenden, Unfall- oder
Haftpflichtversicherungen, Krankheit, Unterhalt, Pflege, Behinderung oder die Beschäftigung einer Haushaltshilfe.
Die Höhe dieser Abzüge ist aber individuell sehr verschieden, sodass Betroffene sich
im Zweifelsfall immer auch von einem
Steuerfachmann beraten lassen sollten. j
Geld und Recht 17