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Die Masse macht's Für sein Anzeigenblatt sieht er wenig Entwicklungspotenziale, wohl aber für ein parallel aufgebautes Reisebüro. Er verkauft die Zeitung an einen ähnlich aufgestellten Partner und konzentriert sich auf das Reisegeschäft. Mit neuen Vertriebswegen wird er zum führenden Discount-Reiseanbieter. Eine Chance sieht Andreas Lambeck deshalb in der Kooperation mit angrenzenden Anzeigenblättern. Interessiert stellt er fest, dass auch andere Verlage auf das Reisegeschäft als zweites Standbein setzen. „Ich habe mich dann mit Thomas Lopp vom AWVVerlag aus Burscheid getroffen, dessen Anzeigenblätter zwischen Münster und Köln erschienen. Auch er hatte eine kleine Reisebürokette mit fünf Filialen.“ 1988 verwirklicht Andreas Lambeck seinen Traum einer eigenen Essener Stadtteil-Zeitung. Bald expandiert er in die angrenzenden Stadtteile. Die eigenständigen Vororte erhalten damit eine „eigene“ Zeitung, wenn auch als anzeigenfinanziertes Blatt. „Dieses Konzept sublokaler Anzeigenblätter ging zuerst auf, wir verdienten gutes Geld. 1995 haben wir die Zeitungen durch eine gestalterische Überarbeitung attraktiver, aber auch redaktionell besser betreubar gemacht. Zusätzlich haben wir Leserreisen angeboten, um die Leserbindung zu erhöhen und ein weiteres Standbein zu schaffen.“ Doch obwohl Zeitung und Leserreisen gut laufen – Andreas Lambeck erkennt bald, dass für künftigen Erfolg mehr erforderlich ist. „Der Wettbewerb wurde schärfer. Doch mit der vergleichsweise geringen Auflage hatten wir insbesondere bei großen Ketten keine Argumente.“ 084 9 6 billigweg.de mitarbeiter: ~ 250 p e r s o n : Andreas Lambeck f u n k t i o n : Geschäftsführender Gesellschafter a d r e s s e : Friedrichstraße 181a, 42551 Velbert i n t e r n e t : www.billigweg.de tätigkeitsfeld: Reisebüros, Reiseveranstalter 9 Touristik 1 branche: gründung: 1996 Die beiden Unternehmer tauschen sich immer offener aus – und stellen erstaunt fest, dass bei dem einen der Verlag, beim anderen das Reisegeschäft besser läuft. „Das hat uns recht schnell einig werden lassen“, erinnert sich Andreas Lambeck. „Ich habe meinen Verlag an den wesentlich stärkeren AWV-Verlag verkauft und mit Thomas Lopp als Partner ein neues Reisebüro gegründet.“ „Travel Point“ startet 1996 als klassisches „Reisebüro an der Ecke“. Bis 2000 werden aus zunächst fünf Filialen vierzig. „Wir haben uns von diesem Erfolg nicht täuschen lassen. Die große Zahl der Standorte ist zwar hilfreich für Verhandlungen mit den Reiseveranstaltern, letztlich führen aber hoher Beratungsbedarf und knappe Margen dazu, dass man kaum Geld verdient.“ Mit Prokurist Enrico Hess entwickelt Andreas Lambeck ein neues Konzept: „Wir wollten ein Markenprofil mit klarer Positionierung. Zudem war uns wichtig, das veränderte Kundenverhalten abzubilden und neue Beratungs- und Buchungsformen zu etablieren.“ So entsteht 2001 der Name „billigweg.de“: „Damit sind wir bis heute das einzige Reisebüro mit einer Internet-Adresse als Firmenname.“ Die Kombination verschiedener Vertriebswege kommt beim Kunden gut an. „Wir informieren auf unterschiedlichsten Wegen. Natürlich schalten wir viele Anzeigen – aber wir ergänzen sie um Radio-Shows, Teletext-Seiten, freie Reisevermittler und natürlich das Internet.“ Doch ganz gleich, wo sich der Kunde informiert: Gebucht wird zumeist im Billigweg-Reisebüro. Mit der Namenswahl hat die Firma Glück: „Wir wollten eigentlich nur auf der Aldi-Welle mitschwimmen. Zuerst war ‚billig‘ alles andere als schick. Mittlerweile haben wir das Glück, Kult zu sein.“ Die neue, aggressive Positionierung bringt zwischen 2000 und 2003 eine Verdreifachung des Umsatzes und eine Vergrößerung auf 57 Filialen. Die Margen bleiben dennoch knapp. „So fiel der Entschluss, die Reisebüros als zentrale Verkaufsorte umzugestalten. Auch dort muss die Assoziation ‚günstig' passen – vor allem müssen wir aber die Beratungskosten senken.“ Grundlage der Planungen ist die Kundenstruktur: „Ein Großteil der Kunden ist unter 40, kommt aus Großstädten. Das ermöglicht uns eine andere Ansprache als bislang im Reisebüro üblich.“ Entscheidend ist jedoch, dass das Unternehmen die notwendigen Investitionen aus eigener Kraft bestreiten kann: „Wir sind 1996 bankfinanziert gestartet und haben bis 2001 gebraucht, um unabhängig von Krediten zu werden. Wenn ich heute sehe, wie aufwändig Verhandlungen zur Einräumung eines noch dazu teuren Kontokorrent-Kredits ausfallen, will ich nur noch aus eigener Kraft wachsen.“ Eine 300 Quadratmeter große Musterfiliale entsteht in Köln. Sie ist an sieben Tagen pro Woche von 9 bis 22 Uhr geöffnet. „Wir nennen uns auch dort ‚billigweg.de – Deutschlands Feriendiscounter‘ und leben das konsequent: Die Kunden können sich an SB-Terminals informieren. Beraten werden sie im Stehen, weil die Gespräche so schneller in einer Buchung münden. Und auch die Getränke muss sich der Kunde selbst am Automaten kaufen.“ Die Sonntagsöffnung sei dank einer großzügigen Gesetzesauslegung des Kölner Ordnungsamtes möglich – und macht den Sonntag zum DIETER BACKHAUSEN · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · Logo System Consulting, Bornheim Die hier dargestellte Entwicklung eignet sich als Erfolgskonzept. Sie zeigt eindeutig, dass noch andere Faktoren als Zielstrebigkeit, Kreativität und Kundenorientierung den Unternehmenserfolg entscheidend beeinflussen. Nämlich eine realistische Markteinschätzung und die nötige finanzielle Bewegungsfreiheit. erfolgreichsten Tag. „Wenn alle Langeweile haben, bieten wir gute Beratung und die Möglichkeit, etwas zu kaufen.“ In die Umgestaltung jeder Filiale investiert billigweg.de bis zu 60.000 Euro. „Sieben Filialen entsprechen derzeit dem neuen System und bringen deutlich höhere Erlöse.“ Wie erwartet, akzeptieren die Kunden das neue Filialkonzept als stimmigen Bestandteil der billigweg-Philosophie. „Jede Reise hat einen klar erkennbaren Mehrwert. Das ist bei unserer Kernkompetenz Massentourismus entschei- tiven nicht zu euphorisch: „Jeder hat gesehen, wie sich weltweite Krisen und wirtschaftliche Schwierigkeiten auf das Konsumverhalten auswirken. Damit ist die Zeit der frühen Reiseentscheidung ein für alle Mal vorbei.“ Nur 20 Prozent aller Reisen ließen sich trotz Frühbucherrabatt frühzeitig absetzen. „Anbieter werden immer schneller reagieren müssen. Aufgrund unserer kleinen Struktur können wir das, ohne uns im Krisenmanagement zu verzetteln.“ Seit Oktober 2003 agiert billigweg.de deshalb auch als ﱝﱜﱛ Andreas Lambeck empfiehlt, einmalig zu sein: „Die meisten Anbieter einer Branche sind mehr oder weniger austauschbar. Eine klare Positionierung sowie eine nachvollziehbare N utzenargumentation tragen dazu bei, unverwechselbar zu werden. In engen Märkten ist das entscheidend für den Unternehmenserfolg.“ ﱝﱜﱛ dend.“ Buchbar ist längst nicht nur die typische Drei-Sterne-Pauschalreise, sondern auch Angebote mit fünf Sternen. „Ich verlasse mich bei der Auswahl auf meinen Bauch. Das muss ich auch, weil ich ja nicht die Vorbildung des typischen Touristik-Managers habe. Also frage ich mich, ob ich diese Reise auch für meine Familie buchen würde.“ Um günstigste Preise bieten zu können, kauft er Spezialpakete, zum Beispiel in frisch eröffneten Hotels. „So konnten wir eine 5-Sterne-Reise nach Fuerteventura um die Hälfte billiger anbieten als die Wettbewerber.“ Andreas Lambeck ist sich der Chance seines Konzeptes bewusst: „Unsere Branche ist die einzige, die Träume wahr werden lässt. Wir haben uns ein so klares Profil geschaffen, dass viele Menschen nur mit uns über die Erfüllung ihres Traums sprechen werden.“ Dennoch beurteilt er die Perspek- Veranstalter. „Wir setzen dabei auf einheitliche Qualitätsstandards und einen jeweils klar erkennbaren Mehrwert für den Kunden. Unsere Prozesskosten fallen wesentlich niedriger aus als beim Wettbewerb – wir verzichten auf Kataloge und arbeiten mit wenigen Produkten.“ Würden andere Veranstalter an einem Zielort zahlreiche Hotels anbieten, hat der billigweg.de-Kunde bezogen auf den einzelnen Ort weniger Auswahl. „Dafür kann er sich aber sicher sein, dass wir durch Belegung des ganzen Hotels absolut unschlagbare Zimmerpreise bieten.“ Für die nötige Markenbekanntheit sorgt Andreas Lambeck durch auffällige PR-Aktionen. „Wenn wir Türkei für 9,99 Euro anbieten, berichtet selbst die Bild-Zeitung redaktionell darüber. Ein solcher Aufmerksamkeitseffekt ist über Werbung gar nicht finanzierbar.“ 087