Vitamin B12-Mangelabklärung
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Vitamin B12-Mangelabklärung
Bern Delémont 09 Lugano Schaffhausen Schaan Januar 2007 www.risch.ch Vitamin B12-Mangelabklärung Holotranscobalamin (HoloTC) und Methylmalonsäure (MMA) als neue Marker für das metabolisch verfügbare, aktive Vitamin B12. Der Vitamin B12-Mangel ist stärker verbreitet als bislang angenommen. Die Bestimmung von Vitamin B12 zur Abklärung des Vitamin B12-Status weist eine limitierte Spezifität und Sensitivität auf. Mit der Bestimmung von Holotranscobalamin (HoloTC) steht nun ein Marker zur Verfügung, der bereits in der Frühphase eines Mangels an biologisch aktivem Vitamin B12 pathologisch ausfällt. HoloTC: 10 - 30% Biologisch aktiv HoloHC: 70 - 90% Biologisch inaktiv Nur ca. 20% des zirkulierenden Vitamins B12 ist in der Form von Holotranscobalamin (HoloTC) biologisch aktiv. Vitamin B12, Cobalamin, liegt im Serum in unterschiedlichen Proteinfraktionen vor. Dabei stellt HoloTC, ein Komplex aus Cobalamin und Transcobalamin, die metabolisch aktive Vitamin B12-Fraktion mit einer biologischen Halbwertszeit von ein bis zwei Stunden dar. Nur 10 bis 30% des im Plasma zirkulierenden Vitamin B12 sind an Transcobalamin gebunden. Der überwiegende Teil, 70 bis 90% des Vitamin B12 ist an Haptocorrin gebunden. Dieser Komplex (Holohaptocorrin, HoloHC) hat eine Halbwertszeit von neun bis zehn Tagen und trägt als metabolisch wenig aktive Fraktion nicht zur Versorgung peripherer Zellen mit Vitamin B12 bei. Seine Funktion dient zum Rücktransport von peripher überschüssigem Vitamin B12 zur Leber. Eine Messung des Gesamt Vitamin B12 gibt daher keine zuverlässige Auskunft darüber, ob dem Körper genügend Cobalamin in Form von HoloTC zur Verfügung steht. So kann trotz normalen und erhöhten Vitamin B12-Werten aus pathologischer Ursache ein Mangel an biologisch aktivem Vitamin B12 (HoloTC) vorliegen, speziell dann wenn die Erhöhung in Zusammenhang mit einer erhöhten Haptocorrinbildung besteht. ISO 17025 / Nr. STS 177 akkreditiert durch SAS ISO 9001 / Nr. 13231 zertifiziert durch SQS Stadien des Vitamin B12-Mangels Die Entwicklung eines Vitamin B12-Mangels durchläuft nach HerbertLit1 vier Stadien. Die ersten Stadien beinhalten die Entleerung der B12-Speicher im Plasma und in den Zellen. Stadium I ist charakterisiert durch ein erniedrigtes HoloTC. Stadium II zeichnet sich durch zusätzlich erniedrigte HoloHC(und eventuell erniedrigte Vitamin B12-) Werte aus. Stadium III wird als funktioneller Vitamin B12-Mangel bezeichnet, Vitamin B12 abhängige Stoffwechselprozesse können nicht mehr kompensiert werden. Erst jetzt sind metabolische Parameter wie Homocystein und Methylmalonsäure pathologisch erhöht. Methylmalonsäure stellt dabei einen sensitiven, aber nicht vollständig spezifischen Marker dar, während die Erhöhung von Homocystein zahlreiche andere Gründe haben kann. Trotz längerem Bestehen eines funktionellen Vitamin B12-Mangels muss sich daraus nicht zwangsläufig Stadium IV mit hämatologischer Manifestation entwickeln. Stadium IV des Vitamin B12-Mangels ist das Stadium der klinischen Manifestation. Neurologische Schädigungen können auftreten, bevor der Vitamin B12-Wert das untere Referenzlimit unterschreitet und ohne dass gleichzeitig hämatologische Veränderungen vorliegen. Die makrozytäre Anämie mit erhöhtem MCV, erniedrigtem Hämoglobin und übersegmentierten Neutrophilen ist ein später Indikator eines Vitamin B12-Mangels. Bei der Interpretation des Vitamin B12-Resultats ist zu berücksichtigen, dass dieses durch zahlreiche Erkrankungen erhöht sein kann, eine Maskierung eines vorhandenen Mangels daher nicht ausgeschlossen ist. Zu diesen Zuständen gehören u.a. die chronische Niereninsuffizienz, diverse Leukämieformen, die Polycythämia vera und diverse Lebererkrankungen. Falsch tiefe Werte sind durch zu langen/starken UV-Licht Einfluss und zu langes Lagern der Probe bei Raumtemperatur möglich. Orale Kontrazeptiva können gemäss Lit6 den B12-Spiegel im Sinn einer Erniedrigung beeinflussen. Die alleinige Vitamin-B12 Bestimmung zur Abklärung eines Vitamin B12-Mangels scheint daher nicht mehr zeitgemäss, und muss durch sensitivere und spezifischere Methoden ergänzt, eventuell ersetzt werden. Holotranscobalamin scheint dabei ein äusserst sensitiver Parameter zu sein, was seinen Einsatz in den diversen publizierten Abklärungsstrategien rechtfertigt. Seite 2 www.risch.ch Abklärungsstrategie I Sie beginnt mit der Bestimmung von Vitamin B12 und erfordert je nach Resultat entsprechende Folgeuntersuchungen. Die relative Unspezifität und Unsensitivität sowie eventuelle Maskierungsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Variante a Lit2 : B12-Wert > 406 ng/l (> 300 pmol/l): --> Mangel an Vitamin B12 eher unwahrscheinlich B12-Wert < 406 ng/l (< 300 pmol/l): --> Bestimmung von HoloTC anschliessen Variante b Lit3 : B12-Wert > 338 ng/l (> 250 pmol/l): --> Mangel an Vitamin B12 eher unwahrscheinlich B12-Wert < 203 ng/l (< 150 pmol/l): --> Mangel an Vitamin B12 eher wahrscheinlich B12-Werte zwischen 203 und 338 ng/l (150 - 250 pmol/l) liegen im Graubereich und sind mit der Bestimmung von HoloTC weiter abzuklären Abklärungsstrategie IILit4 (s. Abbildung) Sie beginnt mit der Bestimmung von Holotranscobalamin (HoloTC), dem einzigen Marker, der in der Frühphase (Stadium I) eines Vitamin B12-Mangels pathologisch ausfällt. Die Bestimmung wird durch kurzfristige Vitamin B12-Aufnahme praktisch kaum beeinflusst. Je nach Resultat ist ein Mangel an aktivem Vitamin B12 gesichert (HoloTC < 35 pmol/l) oder sehr unwahrscheinlich (HoloTC > 50 pmol/l), Ergebnisse im Graubereich (HoloTC 35 – 50 pmol/l) werden durch die Bestimmung von Methylmyalonsäure (MMA) weiter abgeklärt. Methylmalonsäurewerte bis 271 pmol/l gelten als normal, erhöhte Werte finden sich bei intrazellulärem Vitamin B12-Defizit. Bei Verdacht auf Vitamin-B12-Mangel HoloTC-Bestimmung > 50 pmol/L B12-Mangel unwahrscheinlich Renale Dysfunktion sollte ausgeschlossen werden Bei erhöhtem Kreatinin MMA-Bestimmung MMA > 271 nmol/L Bestimmung von ΔMMA nach B12-Behandlung < 50 pmol/L < 35 pmol/L 36 - 50 pmol/L MMA < 271 nmol/L MMA > 271 nmol/L MMA < 271 nmol/L Negative B12Balance B12-Mangel wahrscheinlich B12-Mangel unwahrscheinlich Renale Dysfunktion sollte ausgeschlossen werden Abklärungsstrategie III Nach einer in Clinical Chemistry im Jahr 2006 erschienenen PublikationLit5 scheint die parallele Bestimmung von Vitamin B12 und Holotranscobalamin (HoloTC) besser als Screening-Instrument zur Entdeckung eines Vitamin B12-Mangels geeignet zu sein als die alleinige Bestimmung von Vitamin B12 oder HoloTC. Eine korrekte Interpretation der Werte setzt die Kenntnis des Kreatinin- bzw. Cystatin C-Werts des Patienten voraus, da eine eingeschränkte Nierenfunktion erhöhte Werte von Vitamin B12, HoloTC, Methylmalonsäure (und von Homocystein) mit sich bringen und eine Deutung der Resultate erschweren bzw. verunmöglichen kann. Erfolgt bei gestörter Nierenfunktion nach Vitamin B12-Supplementation eine Normalisierung bzw. ein signifikanter Abfall der Konzentration an Methylmalonsäure, ist von einem Vitamin B12-Mangel vor der Behandlung auszugehen. Erfolgt keine oder nur eine geringe Reaktion, beruht die Erhöhung an Methylmalonsäure möglicherweise auf anderen Ursachen wie einer renalen Insuffizienz oder einer intestinalen bakterieller Überwucherung. Untersuchungsmaterial - B12, HoloTC, Methylmalonsäure; pro Einzelparameter je 1 ml, für alle 2 ml Serum - Homocystein, wenn erwünscht 1 ml EDTA-Plasma Literatur 1. Herbert V., Staging vitamin B-12 (cobalamin) status in vegetarians; The American Journal of Clinical Nutrition 1994, 1213S -1222S 2. Herrmann W., Vitamin B12 in Labor und Diagnose, TH-Books Verlagsgesellschaft mbH, Frankfurt/Main 2005, 600 - 608 3. Schneede J., Prerequisites for establishing general recommendations for diagnosis and treatment of Vitamin B12 deficiency and cost-utiliy evaluation of these guidelines; Scand J Clin Lab Invest 2003, 369 - 376 4. Herrmann W; Holotranscobalamin: Ein neuer Marker in der Diagnostik des Vitamin B12-Mangels; Abbott Times Nr. 2/2005, 10 - 15 5. Miller Joshua W. et al., Measurement of Total Vitamin B12 and Holotranscobalamin, Singly and in Combination, Screening for Metabolic Vitamin B12 Deficiency; Clinical Chemistry 2006, 278 -285 6. Taubert, H.-D. et al., Kontrazeption mit Hormonen ; Thieme 1995 Bei erhöhtem Kreatinin Bestimmung von ΔMMA nach B12-Behandlung Ansprechpartner Dr. phil. II Manfred Zerlauth, FAMH klinische Chemie, Hämatologie und Immunologie