reggae lyrics action

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reggae lyrics action
don´t take it private,take it politically
Im Rahmen von TKI open 06 wurden 13 Kulturprojekte ausgewählt und im Laufe
des Jahres 2006 realisiert.
Der Journalist Hannes Schlosser sprach mit den ProjektbetreiberInnen über ihre
Erfahrungen bei der Umsetzung der Kulturprojekte. Die Interviews wurden zum
Teil während der Projektphase, zum Teil nach Abschluss der Projekte geführt.
Je nach Zeitpunkt des Interviews liegt der Fokus stärker auf den Erfahrungen in
Bezug auf die konkrete Umsetzung und die Rahmenbedingungen, in denen
Kulturarbeit stattfindet. Oder das Augenmerk liegt mehr auf einer inhaltlichen
Reflexion der Projekte im Nachhinein.
Uns von der TKI hat auch interessiert, inwieweit die ProjektbetreiberInnen eine
Förderschiene wie TKI open für sinnvoll erachten, um im Feld der
zeitgenössischen freien Kulturarbeit neue Möglichkeiten zu eröffnen.
Jedenfalls ergänzen die Interviews die Projektbeschreibungen, die bei der
Einreichung vorlagen und bilden auf vielschichtige Weise die Möglichkeiten und
Grenzen politischer Kulturarbeit in Tirol ab.
Das Team der TKI bedankt sich herzlich bei Hannes Schlosser und bei allen
ProjektbetreiberInnen für ihr Engagement und wünscht allen LeserInnen viel
Spaß bei der Lektüre.
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Inhalt
Hannes Schlosser im Gespräch mit
Lisa Gensluckner, Eva Häfele und Christine Kalapeer / ArchFem
Projekt „ausgetrickst und eingenommen“............................................................... 3
Jakob Völkl und Robin Craik
Projekt „breakcore“.................................................................................................... 8
Markus Schennach / Freirad – Freies Radio Innsbruck
Projekt „ehrenhalber“.................................................................................................11
Gabi Wild / Cognac & Biskotten
Projekt „female lyrics“.............................................................................................. 14
Elfi Oblasser / quirlig
Projekt „Verbinden. Geschichten und Bilder zur Schürze“................................... 18
Markus Blösl und Oliver Miller
Projekt „fleisch is mei gmias“................................................................................... 21
Philipp und Martin / grauzoneaction.net
Projekt „intervention gastgarten – in/ga“................................................................ 24
Angela Zwettler und Carla Knapp
Projekt „hellwach bei Gewalt an Frauen“................................................................ 27
Carina Pröll, Christine Pavlic, Nora Wimmer und
Barbara Maldona-Jäger / Radikales Nähkränzchen
Projekt „home sweet home“..................................…………………………................ 30
Gertraud Eiter und Gerlinde Schwarz
Projekt „kinovi[sie]on“............................................................................................... 33
Mesut Onay / Kulturverein Evrensel
Projekt „Der Koffer“................................................................................................... 36
Albrecht Dornauer / NLK-Kultur
Projekt „RAP:POLITIX...OmÜ-Konzerte und das Erbe der Väter“......................... 39
Katharina Winkler und Lukas Crepaz / Nothdurft – Verein für Theater
Projekt „Ausbruch_Stimmung“................................................................................ 42
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Sichtbar bleiben im öffentlichen Raum
Ein Gespräch mit Lisa Gensluckner, Eva Häfele und Christine Kalapeer vom
„ArchFem. Interdisziplinäres Archiv für Feministische Dokumentation“ über das
Projekt „ausgetrickst und eingenommen“, geführt am 16.10.2006
Hannes Schlosser: Euer Projekt hat aus zwei Teilen bestanden. Es ging erstens
darum, rund um den 8. März Vorhänge mit feministischen Sprüchen in vielen
Innsbrucker Fenstern unterzubringen und zweitens um eine von Künstlerinnen
gestaltete Plakatserie. Wie sind die Erfahrungen?
Christine Kalapeer: Das Vorhang-Projekt war als partizipatives Projekt geplant und das
konnte nicht in dieser Weise umgesetzt werden. In einer Zeit, wo die Frauenbewegung
kaum sichtbar oder präsent ist, ist der Ansatz sehr mutig und gleichzeitig sehr
schwierig
Lisa Gensluckner: Angefangen hat es mit einem Abend zur kreativen Textproduktion,
zu dem wir breit eingeladen haben. Es sind 35 bis 40 Frauen gekommen. Darunter
waren sehr junge Frauen, sowie auch Frauen, die ansonsten sehr wenig mit unserem
Frauenbewegungskontext zu tun haben.
Christine Kalapeer: Es war dann eher so, dass in der Textproduktion viel Wut
ausgedrückt worden ist. Aber es war schwierig, gemeinsam zu diskutieren und
Botschaften zu entwickeln, in denen sich viele Frauen wiederfinden.
Hannes Schlosser: Es gab den Ansatz, sich gemeinsam auf eine Handvoll
Losungen zu einigen, aber auch die Möglichkeit, dass Frauen sich einen Stoff
abholen und ihre eigene Botschaft machen. Wurde das genutzt?
Eva Häfele: Es hat vereinzelt Frauen gegeben, die sich Stoffe geholt haben und ihre
eigenen Botschaften formuliert haben.
Lisa Gensluckner: Aber die Möglichkeit ist nur sehr marginal genützt worden.
Christine Kalapeer: An der gemeinsamen Textproduktion hat man sehr gut gespürt, in
welchem Zustand die Frauenbewegung ist. Es ist eben nicht so, dass da locker fünf
Sprüche von der Hand gehen.
Hannes Schlosser: Ist das Mühsame gewesen, dass man zu viele Themen hatte
oder sagen musste, wir haben gar keines?
Lisa Gensluckner: Früher war mehr in Diskussion und in Bewegung. Da war klar, wir
haben sechs, sieben Themenbereiche, mit diesen Sprüchen gehen wir auf jede Demo
und die schreiben wir überall hin. Das ist jetzt nicht vorhanden, weil es seit Anfang der
90er Jahre eine Stagnation gegeben hat. Es gibt also keine Selbstverständlichkeiten in
Bezug auf Forderungen. Man muss von vorn zu diskutieren anfangen und es hat
zwanzig verschiedene Ideen gegeben.
Hannes Schlosser: Und wie habt ihr das dann gelöst?
Christine Kalapeer: Es gab konzeptuelle Rahmenbedingungen, unter anderem dass
unterschiedliche Themen abgedeckt werden sollten ...
Eva Häfele: ... aber auch formalen Kriterien, wie eine bestimmte Länge und mögliche
Anzahl der Sprüche, waren vorgegeben.
Lisa Gensluckner: Bei der Textproduktion gab zwei bevorzugte Richtungen, wie die
Sprüche ausschauen sollen. Einige Frauen hätten gerne poetische, künstlerische
Sprüche gehabt. Durchgesetzt hat sich, was auch wir favorisiert haben: Sprüche, die
einfach sind, leicht verständlich und gut lesbar.
Eva Häfele: Es hat dann eine Vielstimmigkeit an Rückmeldungen gegeben. Die einen
haben gefunden, dass die Sprüche und die Inhalte veraltet sind, also von der
Frauenbewegung vor 10, 20, 30 Jahren. Andere haben die Form als kulturalistisch und
zu wenig politisch kritisiert.
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Christine Kalapeer: Vielleicht ist es uns gelungen, Themen aus der Frauenbewegung
weiter zu tragen, die noch immer ganz aktuell sind, wie eben Lohn und Körper.
Gleichzeitig war die Methode der Umsetzung irgendwie postmodern und hat neue Orte
politisch erschlossen. Es war ein Versuch, diese Forderungen mit neuen Mitteln zu
transportieren und in die Öffentlichkeit bringen, weil zum Beispiel Frauendemos schon
eine Art von politischer Mobilisation geworden sind, die nicht mehr wirklich tragbar und
öffentlichkeitswirksam sind.
Eva Häfele: Mir ist oft vorgekommen, ich mache die Demo für mich alleine, quasi um
das Widerständige in mir wach zu halten.
Hannes Schlosser: Bei einer Demo kann ich die TeilnehmerInnen zählen. Woran
misst man den Erfolg bei einem Projekt, das Vorhänge an der Schnittstelle
zwischen öffentlichem und privatem Raum aufhängt?
Lisa Gensluckner: Während des Projekts sind bei uns Frauen aus und eingegangen,
um Vorhänge abzuholen, die wir noch nie bei einer Veranstaltung oder Demo gesehen
haben. Es muss schon etwas gegeben haben an der Form, die es leichter gemacht
hat, zu partizipieren.
Also die Vorhänge waren sehr präsent und wir haben das halt fotografisch
festgehalten, womit das noch einmal deutlicher geworden ist.
Christine Kalapeer: Innerhalb des Teams haben wir schwierige Zeiten hinter uns, weil
wir uns alle zu Tode gearbeitet haben. Und dann hört man nichts oder fast nichts. Man
bekommt irgendwie wenig Anerkennung. Ich glaube, bei so einem längerfristigen, im
öffentlichen Raum angelegten Projekt ist es ein großes Problem, dass es kaum
unmittelbare Rückmeldungen gibt.
Hannes Schlosser: Es war auch ein Schritt in einen Raum, wo sich die
Frauenbewegung für längere Zeit nicht mehr aufgehalten hat.
Christine Kalapeer: Ja, es war eine Schwellenüberschreitung. Wir haben einmal bei
einer Veranstaltung gesagt, wir wollen raus aus der „feministischen
Wohnzimmerpolitik“, wollen öffentliche Räume wieder erschließen. Das war eine neue
Erfahrung, bei der wir gemerkt haben, dass es unglaublich schwierig ist, einfach auch
logistisch das Ganze zu bewältigen.
Die Macht der Reglementierungen
Hannes Schlosser: Der zweite Projektteil war ganz anders. Die Plakate waren
nicht nur künstlerisch gestaltet, sondern haben auch noch stark mit dem
Element der Ironie gearbeitet. Möglicherweise gibt es jetzt in Innsbruck Männer
und Frauen die wirklich meinen, Frauen verdienen um 30 Prozent mehr.
Lisa Gensluckner: Ja, es hat Menschen gegeben, die wirklich gemeint haben, dass das
jetzt so ist.
Eva Häfele: Und manche, die dann dreimal nachdenken mussten und es nicht geglaubt
haben. Ja, man kommt zum Denken. Das hat mir gut gefallen.
Christine Kalapeer: Die Intention war, ein positives Element rein zu bringen.
Feministinnen wird ja oft vorgeworfen, ihr tut’s nur herummaulen und alles ist so
schlecht.
Hannes Schlosser: Was war der Arbeitsauftrag an die Künstlerinnen?
Lisa Gensluckner: So zu tun, als ob ..., als ob alles anders wäre. Und gleichzeitig
sollten die Plakate sichtbar machen, in welch einer patriarchalen Gesellschaft wir
leben. Das hat jede Künstlerin sehr individuell und anders, aber jede sehr gut
umgesetzt.
Hannes Schlosser: Die Plakate waren jeweils zwei Wochen nach den
Gemeinderats- und den Nationalratswahlen aufgehängt. Wie hat sich der
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zeitliche Zusammenhang mit den Wahlen ausgewirkt?
Lisa Gensluckner: Da waren zuerst die Gemeinderatswahlen und plötzlich klebt überall
das Plakat „Endlich! Frauen verdienen 30% mehr!“. So als wäre jetzt durch die Wahlen
alles anders geworden. Das habe ich sehr spannend gefunden.
Christine Kalapeer: Ich würde es eigentlich umgekehrt sehen: Die Wahlen sind vorbei
und plötzlich können Themen präsent sein, die es im Wahlkampf nur marginal sein
durften.
Hannes Schlosser: Sind durch das Projekt für euch unerwartete Dinge sichtbar
geworden?
Lisa Gensluckner: Wir haben ein Konzept mit dem Wissen geschrieben, wie der
öffentliche Raum reglementiert ist und wir wollten manche von diesen
Reglementierungen austricksen. Bei der Plakataktion haben die Reglementierungen
aber wieder im vollen Maße zugeschlagen. Es hat ein Sujet gegeben, das Religion und
Kirche thematisiert. Es arbeitet mit Assoziationen mit der Tiroler Tageszeitung, vom
Layout und vom Namen her. Wir haben eine Klagsandrohung von den Anwälten der TT
bekommen, weil wir damit gegen das Markenrecht verstoßen hätten. Vermutlich hätten
wir auf dem Rechtsweg keine Chance gehabt. Eine Klage wäre der Ruin des Vereins
ArchFem gewesen. Es war unglaublich stressig, das abzuwehren, aber auch toll zu
sehen, wie viel Solidarität es gibt. Letztlich ist es dann über das Netzwerk der TKI
sogar gelungen, dass wir nicht einmal die 600 Euro für den Anwaltsbrief zahlen
mussten.
Eva Häfele: Eine andere Reglementierung, die uns fast zum Scheitern gebracht hätte,
war die, dass der öffentliche Raum ein Ort ist, der zu bezahlen ist. Wenn wir diese
Gebühren hätten bezahlen müssen, wäre das eine Summe von ungefähr 16.000 Euro
gewesen.
Hannes Schlosser: Für das Aufhängen von 300 Plakaten 14 Tage lang?
Lisa Gensluckner: Wir sind für 400 Plakate auf diese Summe gekommen. Als Gebühr
dafür, dass die Ständer auf öffentlichen Flächen stehen dürfen. Bürgermeisterin Hilde
Zach hat uns dann eine Sondergenehmigung gegeben. Der Zeitpunkt des Ansuchens
vor der Gemeinderatswahl war natürlich günstig. Außerdem haben die Grünen ihre
Plakatständer kostenlos zur Verfügung gestellt.
Hannes Schlosser: Also es war für die Bürgermeisterin politisch schwierig, Nein
zu sagen.
Lisa Gensluckner: Ja, wir hatten uns schon einen Plan B ausgemacht, wie wir das
politisieren, wenn wir die Plakate nicht aufhängen können.
Christine Kalapeer: Die Quintessenz ist, dass es ohne strukturelle Veränderung fast
nicht möglich ist, so etwas wie Basisdemokratie und öffentliche Auseinandersetzung
überhaupt zu initiieren. Weil alles vom guten Willen, von Parteien oder einzelnen
Personen abhängt. Das ist keine Grundlage, um irgendeine demokratische
Auseinandersetzung zu initiieren, wenn man immer nur hoffen kann, bitte seid nett zu
uns.
Eva Häfele: Um nach außen zu gehen, braucht es Lobbies, die Feministinnen nicht
unbedingt haben und es braucht Geld. Das haben Frauen und feministische Vereine
an sich auch nicht so.
Lisa Gensluckner: Das war ja auch genau die Ausgangsproblematik dafür, das
Konzept zu schreiben und bei TKI open einzureichen. Wir wissen um die
Schwierigkeiten und haben uns überlegt, wie können wir die Reglementierungen
austricksen. Deshalb heißt das Projekt ja auch „ausgetrickst und eingenommen“. Es
hat sich bestätigt, was wir schon gewusst haben, aber es ist spannend, das an den
Details zu sehen - an den Standortgebühren zum Beispiel.
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Hannes Schlosser: Und der Aufwand, um sie auszutricksen war wesentlich
größer als gedacht?
Eva Häfele: Der was wesentlich größer.
Lisa Gensluckner: Und viel stressiger als gedacht.
Christine Kalapeer: Auch dahin gehend, wie groß der Aufwand ist, präsent zu sein.
Weil die A0-Plakate sind ja nichts im Gegensatz zu den riesigen Werbeplakaten.
Zugleich war es schon eine geniale Erfahrung, wenn man als Feministin ständig
arbeitet und irgendwie hat man das Gefühl keiner und keine hört einen. Und dann
gehst du auf die Straße und siehst die Plakate! Das war eine schöne Erfahrung, hinaus
zu gehen und nicht zu verschwinden. Das war eine Selbststärkung, etwas sichtbar zu
machen, was sonst nur in unseren Räumen passiert.
Lisa Gensluckner: Weil es schon eine Zumutung ist, was man jeden Tag aushalten
muss, wenn man durch den öffentlichen Raum geht. Und da muss man jetzt gar nicht
die Palmers-Plakate heranziehen. Man muss sich ständig so viel Schrott und Sexismus
anschauen - das ist einfach so normal, wenn man durch die Stadt geht. Da ist es schon
toll, einmal was anderes auch zu sehen.
Endlich Geld aus dem Kulturtopf
Hannes Schlosser: Ist TKI open in seinem Ansatz geeignet, in der Tiroler
Kulturlandschaft Veränderungen auszulösen?
Lisa Gensluckner: TKI open ist die Förderschiene, wo man Projekte wie unseres
einreichen kann. Also Projekte, die wirklich politisch Kulturarbeit machen. Unabhängig
von unserem Projekt finde ich, dass man das in Tirol sehr spürt, dass es diese
Förderschiene gibt.
Christine Kalapeer: Ich finde daran gut, dass es für feministische Kulturprojekte eine
Chance ist, Kulturgeld zu kriegen, weil wir eigentlich immer von Frauenabteilungen
gefördert werden und teilweise vom Wissenschaftsministerium. Wir bekommen nie
Kulturgeld, weil immer gesagt wir, ihr seid ja schon im Frauentopf.
Hannes Schlosser: Habt ihr über TKI open andere Gruppen näher kennen
gelernt?
Eva Häfele: Ja, ich finde, dass wir neue Assoziationen mitgekriegt haben.
Lisa Gensluckner: Man bekommt auch mehr Bewusstsein, wie viele verschiedene
Initiativen und Gruppen es gibt, die jetzt vielleicht überhaupt nicht feministisch arbeiten,
aber andere politische Kulturarbeit machen.
Christine Kalapeer: Ein Problem hat sich ergeben: Es waren ja viele feministische
Projekte, die bei TKI open 06 gefördert worden sind und bei der notwendigen
Zusatzförderung konkurrenzierten sich diese Projekte. Weil da hieß es dann, da ist
schon ein anderes Projekt zusatzgefördert worden. So eine Ausschreibung ist ja
anspruchsvoll und es ist immer klar, dass die Finanzierung, die man über TKI open
bekommt, eine Teilfinanzierung ist. Da kann jetzt TKI open nichts dafür, dass die
Subventionspolitik so ist, wie sie ist, aber es macht es schon sehr schwierig.
Hannes Schlosser: Gibt es da einen Lösungsansatz?
Lisa Gensluckner: Zum Beispiel ein gemeinsames Ansuchen für die Restfinanzierung
aller TKI open-Projekte. Vielleicht wäre es dann leichter, zu vermeiden, dass man so
ausgespielt wird. Das hat es ja vor Jahren in Graz schon gegeben, dass alle
Frauenprojekte gemeinsam ein Ansuchen eingereicht haben, damit das nicht mehr
passiert.
Hannes Schlosser: Habt ihr zum Procedere von TKI open Anmerkungen, Kritik,
Bestärkungen?
Christine Kalapeer: Bestärkungen insofern, als ich es wichtig finde, dass Frauen,
insbesondere frauenbewegte, feministische, gendersensible Personen in dieser Jury
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sitzen. Andererseits habe ich eine Kritik, dass es eigentlich sehr hochschwellig
ausgeschrieben ist und sehr viel verlangt wird für die Einreichung. Ich denke mir, wir
können das leisten, weil ....
Eva Häfele: ... wir schon Erfahrung in der Projektarbeit haben
Christine Kalapeer: ...aber junge Künstlerinnen?
Hannes Schlosser: Ward ihr bei der Jurysitzung dabei?
Lisa Gensluckner: Nein, weil wir uns nicht hin getraut haben. Wir haben uns gedacht,
da werden wir verrissen und alle kritisieren das Konzept.
Eva Häfele: Aber danach hab ich es bereut, weil wir ja eigentlich gute Rückmeldungen
bekommen haben für unser Konzept.
Hannes Schlosser: Und die Vorstellung, dort zu sitzen und schweigen zu
müssen?
Lisa Gensluckner: Das ist mir jetzt nicht so schwierig vorgekommen. Ich finde das gut,
wenn das andere diskutieren.
Christine Kalapeer: Die TKI befindet sich in der Position zwischen denen, die das Geld
bekommen und denen, die es verteilen. Das finde ich eigentlich sehr demokratisch.
Lisa Gensluckner: Noch eine Anmerkung als Rückmeldung für die TKI: Sehr
außergewöhnlich ist die Tatsache, dass man immer weiß, eine Begleitung zu haben.
Wir haben immer wieder rückgefragt, gerade bei den schwierigen Sachen, wie bei der
Geschichte mit der Tiroler Tageszeitung, und das ist schon wirklich sehr
außergewöhnlich, dass man von der Stelle, von der man das Geld bekommt, auch
noch Beratung, Informationen und gute Tipps dazu bekommt.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
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Spielen mit den Genres
Ein Gespräch mit Jakob Völkl und Robin Craik über das Projekt „breakcore“,
geführt am 9.10.2006
Hannes Schlosser: Was ist breakcore?
Jakob Völkl: breakcore ist eine experimentelle Musikrichtung die sich Mitte der
Neunziger als Gegenbewegung zur Entpolitisierung und Vereinfachung der
elektronischen Musik entwickelt hat, die sehr viel mit genre-subtypischen Elementen
spielt, stielt und in einen anderen Zusammenhang bringt und die viel verzerrt.
Robin Craik: Für mich ist ganz wichtig, dass es in einen neuen Zusammenhang
gebracht wird. Es kommt zum Teil aus der Sample-Kultur. Das heißt, über technische
Möglichkeiten kann man bestimmte Musikstücke beziehungsweise bestimmte
Musiksequenzen, die schon existieren, neu bearbeiten und in dem speziellen Fall in
einen komplett neuen, oft fragmenthaft neuen Kontext stellen.
Jakob Völkl: Es ist eine sehr gehaltvolle und anspruchsvolle Musik, sehr hart, sehr
schnell und sehr laut. breakcore spielt sehr viel mit Effekten und hat einen sehr hohen
Anspruch an die Zuhörer.
Durchmischte Szenen
Hannes Schlosser: Eine Besonderheit an eurem Projekt ist, dass ihr das
Publikum ein bisschen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die
Veranstaltungen lockt. Wie ist das aufgegangen?
Jakob Völkl: Die Idee war, dass man genreübergreifend Leute an diesen
Veranstaltungen interessiert und Genregrenzen einreißt. Im Endeffekt haben wir dem
Publikum nicht falsche Tatsachen vorgespiegelt, sondern wir haben es ein bisschen
schwierig gemacht, zu erkennen, was es ist. Wir haben dem Publikum mit dem
Flyerdesign und dem Text auf dem Flyer eine gewisse Auswahl an
Interpretationsmöglichkeiten gegeben. Damit haben wir Erwartungshaltungen
geschaffen, die bei der einen Besucherin ganz anders sind, als beim nächsten
Besucher.
Robin Craik: Ich glaube dadurch, dass wir beide schon ziemlich lange in den
verschiedensten Musikbereichen veranstalten, kennen wir die Stilmittel und die
Szenen.
Hannes Schlosser: Was waren das für Szenen die sich da durchmischt haben?
Robin Craik: Da waren zum Beispiel Punks und Leute die auf meine sonstigen
Veranstaltungen kommen als HipHop. Das sind zwei ziemlich unterschiedliche Welten,
die relativ wenig Kontaktstellen aufweisen, sowohl ideologisch, als auch äußerlich. Ich
habe von der Bühne aus beobachten können, wie sie teilweise genau nebeneinander
springen und ich habe auch danach mit ein paar Leuten geredet, die gemeint haben,
sie waren total erstaunt darüber.
Jakob Völkl: Es hat sechs Veranstaltungen gegeben und jede ist zu einem gewissen
Themenbereich gewesen. Also es hat etwa die Vermischungen gegeben Metal und
Reggae, Punk und Pop. Aber auch Drum’n’Base und Techno, sowie Rock und
Hardcore.
Hannes Schlosser: Das ist doch auch von der sozialen Interaktion etwas sehr
spannendes?
Robin Craik: Ich glaube, dass die Leute in einer Atmosphäre zusammen gekommen
sind, wo im Laufe des Abends sehr viel Emotion herausgekommen ist. Und selbst
wenn jetzt Leute nicht unbedingt viel miteinander geredet haben, trotzdem hat man sich
in einem Raum friedlich aufgehalten und es hat hunderte Berührungspunkte gegeben.
Man hat irgendwie erkannt, dass man sich äußerlich unterscheidet und vielleicht auch
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ideologisch, aber trotzdem zusammen etwas erleben, ja sogar zusammen ein Fest
feiern kann.
Hannes Schlosser: Das Konzept ist offenbar so gut aufgegangen, dass ihr über
die sechs geplanten Konzerte hinaus, jetzt noch ein siebentes drauf gesetzt habt.
Robin Craik: Man muss da schon differenzieren. Es ist von einer Seite sehr gut
aufgegangen, vom Feedback der Besucher, die waren begeistert. Es waren auch viele
Besucher da. Es war trotzdem ein finanzieller Verlust von über tausend Euro. Trotz
allem hat es sich ergeben, noch eine siebte Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der
p.m.k. dranzuhängen. Mit „venetian snares“, einem der bekanntesten und genialsten
Musiker. Das war dann ausverkauft und wir mussten Leute wegschicken.
Die große dicke Null als Ziel
Hannes Schlosser: Warum ist das Defizit entstanden?.
Jakob Völkl: Das Defizit ist ganz einfach so entstanden. Wir haben uns ein gewisses
Programm überlegt und das wollten wir nicht verändern. Man kann finanziell nie so weit
vorplanen, wie sich das dann wirklich ergibt. Wir haben einmal viel Pech gehabt bei
einer Veranstaltung .An dem Abend waren andere, sehr populäre Veranstaltungen in
Innsbruck und da fällt man mit neuer unbekannter experimenteller Musik durch den
Interessensrost der Leute, die einfach zu viele Veranstaltungen für zu wenige Besucher
zur Wahl hatten. Durch dieses größere Minus wären wir gezwungen gewesen, bei
späteren Veranstaltungen zu kürzen, was die Qualität gemindert hätte und sehr
kontraproduktiv für die Idee hinter dem Projekt gewesen wäre. Diesen Kompromiss
wollten wir nicht eingehen. Wenn schon, dann aber richtig....
Hannes Schlosser: Als ihr das Projekt konzipiert habt, gab es da auch die
Befürchtung, das könnte komplett in die Hosen gehen?
Robin Craik: Nein. Wir sind beide Höttinger und das sind von Grund auf sehr mutige
Leute. Im Ernst: Ich glaube wir haben beide schon aus unserer Veranstaltertätigkeit viel
Erfahrung und Routine.
Jakob Völkl: Wenn man viel Veranstaltungen in Randbereichen macht, die kein großes
Publikum haben, dann ist immer ein Risiko da. Uns war bewusst, dass das Projekt ein
Risiko ist, dieses kann schief gehen und jenes kann uns auf den Kopf fallen. Aber wenn
man sich davon abschrecken lässt, dann passiert halt nichts.
Robin Craik: Im Gegensatz zu jemandem der das kommerziell macht, geht’s bei uns
schon darum, dass wir mit dem, was wir machen, auch etwas bewegen wollen.
Jakob Völkl: Uns war das finanzielle Risiko bewusst und wir sind das auch ganz klar
eingegangen mit dem Bewusstsein, dass wir da Geld verlieren. Das hab ich mir schon
gedacht.
Robin Craik: Er ist da immer sehr pessimistisch.
Jakob Völkl: Uns war bewusst, dass sich das nicht ausgehen muss, sondern es kann
sich eventuell mit sehr viel Glück ausgehen. Wenn man Veranstaltungen abseits der
finanziell ertragreichen Sachen macht, dann ist man das auch gewohnt, manchmal
hinein zahlen zu müssen. Das ist ganz klar eine ideologische Geschichte. Es geht nicht
darum, dass man Geld verdient, sondern so wenig wie möglich verliert.
Robin Craik: Die große dicke Null am Ende der Abrechnung ist das Ziel.
Hannes Schlosser: Wie haben die Medien reagiert?
Jakob Völkl: Zum Teil recht gut, wobei wir immer die Angst im Hinterkopf gehabt
haben, dass die Idee vom Konzept herauskommt, weil das alles kaputt machen würde.
Das Spielen mit den Genres, wenn man das jetzt in die Öffentlichkeit hineinträgt, dann
wäre der Effekt zunichte. Deshalb haben wir auch bewusst die Medien nur so weit
informiert wie es für das Ankündigen der Konzerte notwendig war
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Hannes Schlosser: Gibt es Ideen das Projekt weiter zu entwickeln?
Robin Craik: Auf jeden Fall hat man sehen können, auf was die Leute besser
ansprechen und wo die Leute sich ein bisschen schwerer tun. Ich glaube, wenn man
das Projekt vorantragen möchte, müsste man das ganze weiterhin möglichst vielfältig
gestaltet. Es würde sich schon anbieten, dass man sich spezialisiert auf einen
gewissen Teilbereich.
Jakob Völkl: Aber dafür ist Innsbruck zu klein. Der Robin und ich sind unabhängige
Veranstalter, die immer wieder zusammenarbeiten. Das wird es weiter geben, aber
nicht in der Form wie in diesem Projekt. Das ist abgeschlossen.
Robin Craik: Das TKI open-Projekt hat uns auch finanziell die Möglichkeit gegeben,
dass wir das zusammen machen konnten.
Einzigartig für die kulturelle Entwicklung in Tirol
Hannes Schlosser: Welchen Stellenwert hat TKI open in der Tiroler Kulturszene?
Robin Craik: Für mich nimmt die TKI eine sehr zukunftsweisende Rolle ein. Sie hat eine
Instanz zwischen den Fördermittelgebern und –nehmern geschaffen, die für eine
Vielzahl von Innsbruckern wirklich hervorragende Möglichkeiten bietet und auch für die
kulturelle Entwicklung der Stadt einzigartig ist.
Jakob Völkl: Es ist eine tolle Leistung, dass die Förderungen von Leuten vergeben
werden, die wirklich etwas davon verstehen.
Hannes Schlosser: Gibt es im Procedere Schwächen?
Jakob Völkl: Wir haben bei der ersten Veranstaltung mit dem OmÜ-Projekt von NLKKultur zusammengearbeitet, weil sich das personell angeboten hat - und das habe ich
irrsinnig spannend gefunden. Beim Verbinden von Projekte gibt es für die TKI
insgesamt sicher noch Ausbaumöglichkeiten. Aber entscheidend ist, wenn man die TKI
braucht, dann bekommt man Unterstützung in allen Bereichen, auch wenn es jetzt
Abrechnungen betrifft oder wenn man sich mit der Bürokratie nicht auskennt
Robin Craik: Die TKI ist auch im laufenden Prozess immer für einen da.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
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Einen schwierigen Diskurs beginnen
Ein Gespräch mit Markus Schennach von „Freirad – Freies Radio Innsbruck“
über das Projekt „ehrenhalber“, geführt am 21.11.2006
Hannes Schlosser: Im Projekt „ehrenhalber“ sind vier Sendungen mit drei
Kooperationspartnern entstanden. Wer war das?
Markus Schennach: „Frauen gegen Vergewaltigung“, „Frauen aus allen Ländern“ und
„Ankyra“. Drei der vier Sendungen sind wie geplant mehrsprachig. Eine beschäftigt
sich mit Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen, zwei mit Zwangsehe und eine mit dem
Begriff der Ehre. Das Konzept war so offen gehalten, dass die einzelnen
Radiomacherinnen ihre Inhalte und die Themen der Sendungen total selbstständig
ausgewählt haben. Ich habe ihnen das Konzept geschickt und dann haben sie gesagt:
„Ja, da machen wir was.“ Zwei Wochen später haben sie mir per Mail mitgeteilt, was
sie machen und noch einmal einige Zeit später: „Jetzt sind wir fertig.“. Dann ist es
eigentlich nur mehr ums Technische gegangen, im Sinne von Aufnehmen und
Schneiden.
Hannes Schlosser: Das war auch vom Konzept her so gewünscht?
Markus Schennach: Das Konzept geht davon aus, dass die Expertinnen für das Thema
wo anders sitzen und wir von Freirad uns diese suchen. Im Konzept waren Themenvorschläge enthalten, weil man das ja irgendwie für die Jury fassbar machen musste.
Hannes Schlosser: Aber für die ganze Arbeit braucht es doch auch Radio-Knowhow?
Markus Schennach: Das war für mich die größte Überraschung. Das haben sie sich
selber angeeignet, es hat ganz wenige Rückfragen gegeben. Das Sendungskonzept,
die Interviews, das haben sie alles selber gemacht. Erst das Bauen der Sendungen,
das ganze Einsprechen, das ist dann in Zusammenarbeit mit uns geschehen.
Hannes Schlosser: Hat es zwischen diesen drei Organisationen einen Austausch
gegeben?
Markus Schennach: Sie haben sich abgesprochen, dass sich nichts wiederholt und die
Themen abgegrenzt sind. Das haben sie auch eigenständig erledigt. Das einzige, was
es von mir gebraucht hat, war dran zu bleiben und zu schauen, dass es auch wirklich
passiert.
Überraschende Offenheit
Hannes Schlosser: Eine Intentionen war, Frauen zu den Themen Gewalt, Ehre,
etc. Raum zu geben, darüber zu reden. War das schwierig, die Frauen zum
Reden zu bringen?
Markus Schennach: Überraschenderweise überhaupt nicht. Das hat natürlich auch mit
den Einrichtungen zu tun, die die Sendungen gemacht haben. Da gibt es Kontakte und
wahrscheinlich auch Vertrauen. Verena Schlichtmeier von Ankyra hat mir erzählt, dass
sie mit dem Aufnahmegerät auf die Straße gegangen sind und junge, augenscheinlich
türkischstämmige Frauen zum Begriff der Ehre angeredet haben. Zu ihrer
Überraschung haben alle ganz offenherzig und gern geantwortet. Es hat sich
herausgestellt, das ist kein Tabuthema, da reden sie gerne darüber. Überraschend war
auch, dass fast alle gesagt haben, das ist unsere Kultur, das ist sehr wichtig und das
muss sein. Die Tabuisierung hat bei den Frauen eine Rolle gespielt, die über ihre
Gewalterfahrung gesprochen haben. Alle Interviews sind anonym, aber keine einzige
Frau hat das Angebot angenommen, ihre Stimme zu verfremden.
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Hannes Schlosser: Hast du den Eindruck, dass durch das Projekt eine
Diskussion angeregt worden ist?
Markus Schennach: Ich denke, dass es zumindest unter den türkischstämmigen
Frauen Diskussionen gibt oder geben kann, weil es möglich war, dass Frauen über ihre
Erfahrungen mit diesem engen moralischen Korsett und ihre Gewalterfahrungen reden
konnten.
Hannes Schlosser: Die Sendungen werden derzeit mehrfach auf Freirad gespielt
und sind so angesetzt, dass sie zu einer Zeit laufen, wo man davon ausgehen
kann, dass die Zielgruppe von türkischstämmigen Frauen zu Hause sitzt und
Radio hört ...
Markus Schennach: ... und Radio hören kann.
Hannes Schlosser: Das wird so gemacht?
Markus Schennach: Ja. Unser türkischsprachiges Programm ist Samstag/Sonntag. Die
Annahme war, dass wenn jetzt diese Sendungen an diesen Tagen laufen, es relativ
schwierig sein kann, dass Frauen das auch anhören dürfen. Dass da nicht irgend
jemand, der dabei sitzt sagt: „Das ist Scheiße, das schalten wir jetzt ab“. Deswegen die
Idee, das am Vormittag unter der Woche zu spielen, in der Annahme, dass dieser
Jemand in der Arbeit ist.
Hannes Schlosser: Es hat die Anregung der Jury gegeben, das Thema
auszudehnen und auch den tiroler/mitteleuropäischen Ehrbegriff zu hinterfragen.
Ist das gemacht worden?
Markus Schennach: Nein, es hat einen kurzen Ansatz dazu gegeben, der auch
vorbereitet war. Den kenne ich vom Aufnehmen und Schneiden. Das wäre auch nur ein
Absatz gewesen und der ist schlussendlich nicht in der Sendung enthalten.
Gewalt nicht als kulturelles Phänomen akzeptieren
Hannes Schlosser: Wenn ich es richtig verstehe, sind das Zielpublikum die
Opfer?
Markus Schennach: Ja, aber nicht nur. Die Opfer sind das Zielpublikum in dem Sinn,
als sie in den Sendungen auch Informationen bekommen, wohin sie sich wenden
können. Es wird auch thematisiert, dass ihre Erfahrung keine Einzelerfahrung ist und
man mit ganz viel Kraft und Mut ausbrechen oder sich Hilfe holen kann. Das andere
Ziel ist, einen gesellschaftlichen Diskurs zu starten. Bei dem es etwa darum geht,
Gewaltgeschichten nicht einfach als Kultur ab zu tun. Und überhaupt ein Bewusstsein
in der Gesellschaft zu entwickeln, dass Gewalt passiert. Also nicht nur im
Migrantenbereich, sondern auch bei uns und wie normal das ist.
Hannes Schlosser: Wird das erreicht?
Markus Schennach: Die Sendungen sind stark aus einer Beobachterinnenrolle heraus
gestaltet. Das heißt, es kommen Frauen zu Wort, denen die Sendungsmacherinnen
zuhören und nicht viel kommentieren. Es gibt natürlich Hintergrundwissen und
kulturgeschichtliche Teile in den Sendungen, aber es ist nicht bewertend und spricht
extrem für sich. Ob es die türkisch- und die deutschsprachigen Zielgruppen tatsächlich
erreicht, ist trotzdem schwer zu sagen. Aber die Sendungen sind so gelungen, dass ich
mit verschiedenem Interesse auch verschiedenes heraushören kann. So geht es mir
zumindest. Für mich sind die Sendungen auch sehr informativ in Bezug auf die
Lebenssituation von migrantisch-stämmigen Frauen, die mit Zwangsheirat zu tun
haben und ständig Gefahr laufen, Ehrverletzungen zu begehen. Gleichzeitig gibt es
viele Informationen für betroffene Frauen und es wird auch von migrantisch-stämmigen
Frauen gesagt, „das ist nicht okay, was mir da passiert“.
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Hannes Schlosser: Die Beschränkung auf türkische oder eben türkischstämmige
Frauen hat sich einfach aus der realen Situation ergeben, dass die hier in Innsbruck und Umgebung leben und andere nur in geringer Zahl vorhanden sind?
Markus Schennach: Ja, aber auch aus der Themenwahl. Zwangsheirat und dieser
Ehrbegriff, wo ganz viel Gewalt gegen Frauen dahinter steckt, das betrifft halt
hauptsächlich bei uns türkischstämmige Frauen. Wir haben auch türkischsprachige
Jingle zum Thema Gewalt an Frauen gemacht, die im türkischsprachigen Programm
gelaufen sind. Da hat es auch Reaktionen gegeben.
Hannes Schlosser: Welcher Art?
Markus Schennach: „Gewalt gibt’s nur für Türken, oder?“ Also beleidigt. Dabei wird in
dem Jingle darauf hin gewiesen, wie viele Frauen in Österreich von Gewalt betroffen
sind, also rein statistisches Material. Aber weil das auch auf türkisch gelaufen ist,
haben sich einige türkische Männer aufgeregt.
Hannes Schlosser: Abschließend ist zu „ehrenhalber“ noch eine
Diskussionsrunde geplant.
Markus Schennach: Ja, es sollen noch einmal alle Sendungsmacherinnen zusammen
gebracht werden. Dabei soll es auch um die Schwierigkeiten mit so einem Thema
gehen und wie man es vermeidet, sich dem Vorwurf des Rassismus auszusetzen.
Hannes Schlosser: Werden diese Sendungen wie geplant von anderen freien
Radios in Österreich übernommen.
Markus Schennach: Die Chance ist sehr groß ist, dass das zumindest mit Teilen aus
diesen Sendungen passiert.
Transparente Kriterien
Hannes Schlosser: Was hat TKI open in der Tiroler Kulturszene für eine
Bedeutung?
Markus Schennach: TKI open ist der Fördertopf, wo es für unbekannte, kleinere
Initiativen am leichtesten möglich ist, in dieses Förderwesen einzusteigen. Das ist für
mich die Hauptbedeutung. TKI open hat ganz klare transparente Kriterien, wie man zu
Geld kommen kann. Das ist bei Land oder Stadt nicht so. Da liegt das im Gutdünken
des Sachbearbeiters. Bei der TKI, da geratest du halt an Profis.
Hannes Schlosser: Passt das Procedere, so wie es abläuft?
Markus Schennach: Also das formale Procedere finde ich total okay. Es ist sehr gut,
dass die Jury wechselt und auch immer Nicht-Tiroler da sind. Dass die EinreicherInnen
nicht mitreden dürfen, das finde ich gut, anders wäre das glaube ich viel zu
zeitaufwändig. Ein Nachteil ist, ist dass die ZuschauerInnen bei der Jurysitzung immer
nur die Kurzfassung von den Projekten vor sich haben. Ich bin jetzt zweimal
hingegangen und habe den ganzen Tag dort verbracht. Ich habe zum größten Teil
nicht die geringste Ahnung gehabt, worüber die Jury jetzt redet.
Hannes Schlosser: Ergeben sich über die TKI open-Schiene auch Kontakte, die
für dich als Radiomacher wichtig sind?
Markus Schennach: Das ist ein großes Manko, das ich aber nicht der TKI als
Organisator von TKI open vorwerfe. Es gibt überhaupt keine Vernetzung zu den
einzelnen Projekten. Die TKI fordert ja eigentlich, dass man keine Projekte so vor sich
hin macht, sondern zusammenarbeitet. Es gelingt aber nicht und das finde ich schade.
Es gibt das Plakat, wo alle oben stehen und das ist es dann gewesen. Bei der
Jurysitzung für 2007 standen 38 Projekte drauf, von denen habe ich praktisch
niemanden gekannt. Es wäre doch total interessant, davon mehr mitzukriegen.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
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Alleine in Galtür, Hopfgarten und Lienz
Ein Gespräch mit Gabi Wild von „Cognac & Biskotten“ über das Projekt
„female lyrics“, geführt am 19.10.2006
Hannes Schlosser: „female lyrics“ wollte fünf bis sechs junge Frauen jeweils für
eine Woche auf eine literarische Dorferkundung schicken. Tatsächlich sind es
nur drei geworden. Was sind da die Gründe dafür?
Gabi Wild: Ich glaube, dass viele Frauen zwar gerne schreiben, aber sich nicht trauen,
gleich an die Öffentlichkeit zu treten. Eine Woche im Dorf auf sich allein gestellt sein
und dann muss auch schon etwas Literarisches entstehen - so weit bin ich vielleicht
noch nicht und ich habe auch noch nichts veröffentlicht. Es waren vermutlich solche
Gedanken, an denen es ein bisschen gescheitert ist.
Hannes Schlosser: Es gab eine öffentliche Ausschreibung?
Gabi Wild: Hauptsächlich ist das über unsere Homepage erfolgt, wo unser Klientel
auch draufschaut. Wir haben auch Newsletter ausgeschickt und Infos an alle
Pressekontakte. Es war zum Beispiel in der Tiroler Tageszeitung angekündigt, in der
Neuen war sogar ein längerer Artikel. Es war auch lange am e-campus an der
Universität Innsbruck angekündigt. Wir haben sogar die Ausschreibungsfrist immer
wieder verlängert, weil wir uns gedacht haben, vielleicht meldet sich doch noch
jemand. Und wir haben natürlich die Frauen, die bei uns schon eingesendet haben,
direkt kontaktiert und angesprochen.
Hannes Schlosser: Eingeladen waren Tirolerinnen oder Frauen, die in Tirol
leben, zwischen 18 und 25. Die drei die sich dann gemeldet haben, waren euch
schon bekannt?
Gabi Wild: Genau. Die Esther Strauss hat schon einiges publiziert bei Cognac &
Biskotten und die Barbara Aschenwald war wegen des großen Erfolgs mit ihrem ersten
Hörspiel in der Literaturszene schon bekannt und die haben wir natürlich auch im Auge
gehabt. Dann war noch die Petra Maria Kraxner. Sie war oft dabei, als Cognac &
Biskotten noch die PoetrySlams gemacht hat. Wir haben sie persönlich angeschrieben.
Hannes Schlosser: Was war für ein Auswahlverfahren vorgesehen, falls sich
mehr Frauen gemeldet hätten, als Plätze zur Verfügung gestanden sind?
Gabi Wild: Wir haben ja um ein Motivationsschreiben gebeten, das gezeigt hätte, wer
es auf jeden Fall machen will. Und dann natürlich nach den vorgelegten Texten, wo wir
gesehen hätten, da ist großes Potenzial da und das möchten wir auf jeden Fall mit so
einem Projekt fördern. So auf diese Weise hätten wir ausgewählt.
Hannes Schlosser: Die Grundidee war ja die Förderung junger Autorinnen.
Warum brauchen junge Autorinnen mehr Förderung als junge Autoren?
Gabi Wild: Prinzipiell brauchen alle jungen Autorinnen und Autoren eine Förderung.
Heutzutage ist es aber leider noch besonders wichtig, dass Frauen eine Förderung
bekommen und eine Plattform, wo sie veröffentlichen können. Es ist manchmal eben
so, dass Frauen irgendwie leiser sind als Männer und nicht so präsent sind, obwohl sie
viel leisten. Weil sie vielleicht für sich arbeiten und nicht sofort mit allem an die
Öffentlichkeit gehen.
Aufgabenstellung sehr gut gelöst
Hannes Schlosser: Die Frauen waren jeweils für eine Woche in Galtür bzw.
Hopfgarten bzw. Lienz in Pensionen einquartiert. Sie haben den Arbeitsauftrag
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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erhalten, generationenübergreifend mit Frauen in Kontakt zu treten und Texte zu
schreiben, die sich mit den Gemeinden bzw. mit den Frauenschicksalen
beschäftigen. Wie ist das aufgegangen?
Gabi Wild: Das Konzept ist sehr gut aufgegangen. Die drei Autorinnen haben sich ganz
unterschiedlich mit den Aufgabestellungen auseinandergesetzt. Petra Maria Kraxner
hat ein Dramulett verfasst, wo sie drei unterschiedliche Frauen zu Wort kommen lässt.
Barbara Aschenwald hat viel mit Naturbeschreibungen und der Geschichte des Dorfes
gearbeitet und gibt in Originaltönen Frauenstimmen Raum. Esther Strauss hat sich
damit auseinandergesetzt, wie es einer Frau im Dorf ergehen kann, die etwas anders
ist als die anderen. Die Aufgabenstellungen sind wirklich sehr gut gelöst worden.
Hannes Schlosser: Es hat von der Jury zwei Anregungen gegeben: Die eine hat
gelautet, dass die Frauen möglichst ein Honorar bekommen und die zweite war,
den Zeitplan etwas weniger dicht zu gestalten. Seid ihr dem nachgekommen?
Gabi Wild: Beide Punkte sind berücksichtig worden. Die Frauen haben ein
Taschengeld, einen Fahrtkostenzuschuss und ein Honorar für die abschließenden
Lesungen erhalten. Den zu dichten Zeitplan haben wir auch geändert. Es war dann so,
dass die Frauen in den Dörfern hauptsächlich recherchiert und gesammelt, zum Teil
auch schon ein bisschen geschrieben haben. Die Texte selber sind im Laufe des
Sommers entstanden und bis zur Präsentation am 13. Oktober ist an den Texten
gearbeitet worden. Immer in Rücksprache mit Barbara Hundegger, die sehr viel
geholfen hat und den Frauen Vorschläge für die Textgestaltung gemacht hat.
Hannes Schlosser: Die drei Gemeinden sind ja sehr unterschiedlich groß. Wurde
jeweils bemerkt, dass junge Autorinnen in der Gemeinde agieren?
Gabi Wild: Esther Strauss konnte sich in Lienz sehr unauffällig bewegen und
recherchieren. Hingegen ist Barbara Aschenwald in Galtür sofort aufgefallen. Sie hat
auch das Misstrauen der Einwohner zu spüren bekommen. Petra Maria Kraxner fand in
Hopfgarten eine offene Atmosphäre vor, ihr ist viel erzählt worden.
Hannes Schlosser: Eine Woche kommt mir sehr wenig vor. Hat das den Dreien
gereicht?
Gabi Wild: Ja, völlig. Es war für alle drei eine sehr intensive Zeit. Sie haben viel
recherchiert und gearbeitet. Sie waren alle sehr froh, dass sie nach dieser einen
Woche wieder zurück kommen konnten, um ihre Gedanken zu ordnen und das ganze
Gewirr, das da auf sie eingewirkt hat, verarbeiten und aufschreiben zu können.
Hannes Schlosser: Die Idee war, dass die Frauen in dieser Woche alleine auf
sich gestellt sind?
Gabi Wild: Thomas Schafferer ist jeweils einmal gekommen, um zu fotografieren, weil
wir das Ganze dokumentieren wollten. Wir haben gesagt, wir sind immer per Telefon
zu erreichen, wenn sie irgendwelche Probleme haben, aber ansonsten waren sie ganz
auf sich gestellt.
Ein neuer Weg der Förderung von Literatinnen
Hannes Schlosser: Gibt es da jetzt schon Schlussfolgerungen für eine
Weiterführung jenseits von TKI open?
Gabi Wild: Konkrete Pläne gibt es noch nicht. Aber meiner Meinung nach, war das
wirklich ein sehr erfolgreiches Projekt und etwas, das noch nie da gewesen ist. Wenn
weiter Interesse besteht, dann wäre das schon anzudenken, so etwas in der Art weiter
zu machen.
Hannes Schlosser: Was jetzt zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht
stattgefunden hat, das sind die Lesungen in den drei Orten. Ich kann jetzt nicht
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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fragen: wie ist das gewesen, aber ich kann fragen: was ist die Erwartung an
diese Veranstaltungen?
Gabi Wild: Meine Erwartung ist, dass sich da schon einige Leute hin begeben und
Interesse gezeigt wird. Es muss nicht so sein, dass das alle mit was Gott für einem
Applaus begrüßen, weil die Texte sehr komplex sind. Ich möchte mich da ganz
überraschen lassen.
Hannes Schlosser: Im Werden ist auch ein Buchpublikation mit allen Texten.
Sind auch Erfahrungsberichte von euch als BegleiterInnen und OrganisatorInnen
des Projekts vorgesehen?
Gabi Wild: Nein. Aber Barbara Hundegger hat bei der Lesung der Texte im Innsbrucker
Literaturhaus am 13. Oktober eine kurze Einführung gemacht, die wir gerne als
Vorwort abdrucken würden. Dazu noch die Fotoarbeiten von Thomas Schafferer.
Jury mit Herz dabei
Hannes Schlosser: Inwieweit ist aus der Sicht von Cognac & Biskotten
TKI open imstande, in der Tiroler Kultur Impulse zu setzen?
Gabi Wild: Ich finde so eine Initiative wirklich sehr wichtig. Als Literaturzeitschrift haben
wir bestimmte Subventionen, aber die reichen lange nicht aus, um zum Beispiel so ein
Projekt machen zu können. TKI open zeigt deutlich, wie viele Leute sich etwas
überlegen und das dann auch wirklich durchsetzen und machen. Das gäbe es ohne
diese Initiative nicht, wo einfach Geld da ist und wo einem zugehört wird. Gerade wenn
es um Ideen geht, die Alternativen darstellen zu anderen Kulturveranstaltungen, die
von Stadt und Land gefördert werden.
Hannes Schlosser: Ist TKI open imstande Projekte zu fördern, die ansonsten
keine oder kaum eine Förderung bekommen würden? Zum Beispiel euer Projekt:
War das auf eine Förderschiene dieser Art angewiesen?
Gabi Wild: Das glaube ich schon. Wir haben auch bei anderen Förderstellen um
Subventionen angesucht, aber da wäre lange nicht so viel herausgekommen wie bei
TKI open. Und ich merke das zum Beispiel auch so: Wir von Cognac & Biskotten
versuchen immer wieder, Sponsoren zu finden. Da gibt’s dann halt einmal ein
Gratisessen oder Gratisgetränke von Lokalen, wo wir Veranstaltungen machen. Aber
dass jemand sagt, okay, ich trete jetzt wirklich als Sponsor auf, das gibt’s ganz selten.
Hannes Schlosser: Gibt es am Procedere von TKI open Aspekte die du
besonders hervor heben würdest, beziehungsweise wo gibt es
Verbesserungsbedarf?
Gabi Wild: Besonders hervorheben würde ich auf jeden Fall die Zusammenarbeit. Man
wird ernst genommen als Kulturveranstalter. Das finde ich ein großes Plus und man
hat immer einen Ansprechpartner. Ich hoffe, dass das so weiter existiert. Sicher könnte
man TKI open noch mehr bewerben, damit es noch mehr junge Leute erfahren, die
etwas machen wollen. Vielleicht mit Informationsveranstaltungen auch an den
Universitäten.
HS: Entsteht über TKI open auch ein Kontakt zu anderen Veranstaltern, der sonst
nicht gegeben wäre?
Gabi Wild: Also für mich auf jeden Fall. Ich habe die alle gar nicht so gekannt. Zum
Beispiel vom ArchFem habe ich gerade heute wieder ein Email bekommen. Man ist
dann auch in den Verteilern drinnen und sieht, was die anderen machen.
Hannes Schlosser: Die Jury kommt überwiegend nicht aus Tirol und wechselt
außerdem jährlich. Das bedeutet, sich mit seinem Projekt einer im wesentlichen
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unbekannten Gruppe von Personen auszusetzen, die dann entscheidet, da wird
gefördert oder nicht gefördert. Ist das so wie es ist okay?
Gabi Wild: Ja, ich denke schon. So lange das Leute sind, die sich wirklich auskennen
mit der Kultur und – das klingt jetzt vielleicht komisch – die wirklich auch ihr Herz dabei
haben. Solange das so ist, finde ich das schon in Ordnung.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
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Schürzen- und Migrationsgeschichten
Ein Gespräch mit Elfi Oblasser von „quirlig, Verein für künstlerische Intervention
in Alltags- und Festkultur“ über das Projekt „Verbinden. Geschichten und Bilder
zur Schürze“, geführt am 21.11.2006
Hannes Schlosser: Erzähle mir bitte in Grundzügen das Konzept des Projekts.
Elfi Oblasser: Die zentrale Idee war, einen Alltagsgegenstand, ein
Alltagskleidungsstück als roten Faden zwischen den Geschichten der einzelnen
Frauen zu verwenden. Der zweite Aspekt ist, dass man bei Migration das ganze
Alltagsleben quasi zurück lässt. Also man kann nichts mitnehmen von den
Alltagsgegenständen. Gleichzeitig finde ich aber, dass Alltagsgegenstände ganz
wesentlich sind für die Verortung und Identität. Die Idee war auch, anhand des
Alltagskleidungsstücks Schürze herauszufinden, ob dieses überall eine vergleichbare
Relevanz hat, beziehungsweise, wo die Differenzen liegen.
Hannes Schlosser: Und wie war das Ergebnis?
Elfi Oblasser: Zum Beispiel haben eine Nordamerikanerin und eine Tschetschenin
Sachen beschrieben, die man irgendwie vergleichen kann. Da gibt es Bedeutungen der
Schürze, die in deren Lebensbiographien Ähnlichkeiten aufweisen. Die Geschichte der
Albanerin ist eher vergleichbar mit einer Frau, die vom Land in die Stadt gezogen ist
und unterscheidet sich sehr von jener der Tschetschenin.
Hannes Schlosser: Kannst du das noch präzisieren?
Elfi Oblasser: Eine Gemeinsamkeit zwischen der Amerikanerin und der Tschetschenin
war, dass die Schürze für sie ein Symbol weiblicher Kraft und Stärke markiert, den Ort
wo sie walten können und die Macht haben. Wo nur sie etwas zu sagen haben und
sonst niemand. In der Gegenposition ist die Schürze Symbol der Domestizierung der
Frau und mit dem Aufbruch aus einer traditionellen Frauenidentität muss man auch die
Schürze weit von sich weisen.
Hannes Schlosser: Wie viele Interviews hast du geführt?
Elfi Oblasser: 14. Mit Frauen aus zehn Ländern: Türkei, Iran, Albanien,
Tschetschenien, Italien, Österreich, USA, Mexico, Serbien und Bosnien.
Hannes Schlosser: Die Migrationsgeschichten dieser Frauen sind sehr
unterschiedlich?
Elfi Oblasser: Ja, das reicht von Flucht bis zur Migration der Arbeit oder der Liebe
wegen. Bis auf eine Frau, die älter ist, sind alle ungefähr zwischen 30 und 40. Ich habe
auch eine Tirolerin interviewt, die aus dem Unterland nach Innsbruck gegangen ist –
auch das ist ein Weggehen.
Hannes Schlosser: Welche Schürzen verwendest du in der Ausstellung?
Elfi Oblasser: Die Schürzenbilder für die Ausstellung knüpfen nicht unmittelbar an die
Tradition an. Aber ich greife zwei Prototypen auf, von denen alle Frauen geredet
haben: Die Bindeschürze, die um den Bauch herum gebunden wird, vielleicht noch mit
einem Latz darüber, sowie die Kleiderschürze. Die Schnitte habe ich zum Teil
verändert, andere verändere ich nur in der Dimension, mache sie größer oder kleiner.
Der andere Teil der Ausstellung sind die Interviewtexte. Vom Raumkonzept ist es so,
dass die Geschichten der Frauen - präsentiert in Form der Texte - auf einer Ebene mit
den Schürzen stehen oder eigentlich hängen.
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Migrationswege eingezeichnet
Hannes Schlosser: Und wie werden die Schürzen gestaltet sein?
Elfi Oblasser: Ich kann dir ein Beispiel nennen: Eine stilisierte Halbschürze um den
Bauch. Sie ist ein Schürzenzitat und angelehnt an die subkulturelle Mode des Rocks
über der Hose. Das Grundmaterial sind weiße Bodenputztücher und am unteren Saum
ist das Graffiti einer Frau, für mich einer sehr müden Frau, gespritzt. Diese Schürze
verarbeitet stark eines der geführten Interviews, in dem die Interviewpartnerin gesagt
hat: „Ich trage keine Schürze bei der Arbeit, weil ich bin nicht so wichtig – sage ich
nicht, aber denke ich.“
Hannes Schlosser: Wie viele Schürzen soll es insgesamt geben?
Elfi Oblasser: Fünf bis sieben waren geplant, schließlich sind es zwölf geworden.
Hannes Schlosser: Und die werden in Innsbruck ausgestellt.
Elfi Oblasser: Ja, im Lagerraum der Seifefabrik Walde für eine Woche und danach
noch in Wien.
Hannes Schlosser: Seitens der Jury hat es eine kritische Anmerkung gegeben.
Das Konzept Schürze wurde schwerpunktmäßig als volkskulturellkulturanthropologisch eingeschätzt und zugleich hat die Jury die Verbindung zur
Migration nicht ausreichend herausgearbeitet gesehen. Wie hast du darauf
reagiert?
Elfi Oblasser: Ich war eher verblüfft, dass das als volkskundlich gelesen wurde. Wie
schon gesagt, ist die Schürze für mich ein Alltagsgegenstand und ein Medium, anhand
dem Geschichten erzählt werden. Alltagsgegenstände sind meiner Meinung nach
wesentlich für eine Identität, wesentlich für das, wo man herkommt, für einen
lebensweltlichen Bezug und einen Teil davon nimmt man mit, als Erinnerung und
Emotion.
Hannes Schlosser: Die Schürze ist tatsächlich im Projekt das Zentrale?
Elfi Oblasser: Ja. Die andere Kritik der Jury ist gleichzeitig mein eigenes Dilemma. Sie
haben gesagt, dass es so viele Erzählungen über Migrantinnen gibt, die von
Mehrheitsösterreicherinnen gemacht werden und im Grunde einfach „Erzählungen
über“ sind. Dadurch würden Frauen mit Migrationshintergrund wieder in die Position
kommen, dass über sie erzählt wird. Dieses Dilemma lässt sich nicht ganz auflösen. Es
ist kein partizipatives Projekt. Aber ich habe versucht, dass neben der im Mittelpunkt
stehenden Schürze, die Erzählungen der Frauen einen gleichwertigen Stellenwert
bekommen.
Hannes Schlosser: Hat es im Projekt Kooperationen gegeben?
Elfi Oblasser: Ja, insbesondere mit Ankyra. Von dort gibt es auch den Wunsch nach
einem Nachfolgeprojekt, bei dem Frauen die Schürzen selber machen. Mit „Frauen aus
allen Ländern“ gibt es auch eine Kooperation. Ursprünglich war gedacht, dort die
Ausstellung zu machen, aber ich habe es dann wichtig gefunden, damit in einen
gemischtgeschlechtlichen, öffentlich zugänglichen Raum zu gehen.
Die Möglichkeit, Ideen zu verwirklichen
Hannes Schlosser: Welchen Stellenwert würdest du TKI open in der Kulturszene
zuordnen?
Elfi Oblasser: Gerade für jene, die immer etwas machen, aber nie dafür Geld
bekommen haben, ist es total super. Zu denen zähle ich mich auch. Für mich ist TKI
open die Möglichkeit, Ideen zu verwirklichen, die ich zum Teil schon ganz lange in
meinem Kopf herum trage. Natürlich ist es auch jetzt nicht ausfinanziert und ich arbeite
total viele Stunden gratis. Aber das passt gut. TKI open ermöglicht mir, Sachen zu
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machen, die ich sonst nicht machen könnte oder nicht in dem Ausmaß. Da würde es
vielleicht eine Schürze geben und die Präsentation wäre im kleineren Rahmen.
Hannes Schlosser: Wie findest du das Procedere, von der Ausschreibung bis hin
zur Jurysitzung?
Elfi Oblasser: Ich finde diese öffentliche Jurysitzung ist eine schöne Idee. Mein Projekt
ist ganz zum Schluss besprochen worden und da waren die einfach brutal müde. Da
sind sie schon ziemlich flapsig mit dem Projekt umgegangen. Das muss man aushalten
und daran denken, die sind seit acht Stunden da und nicht mehr fähig ganz qualifizierte
Aussagen zu treffen. Insgesamt finde ich, dass sich die Leute von der TKI sehr
bemühen. Wobei ich diese Möglichkeit, sich beraten zu lassen, wie man zu Geld
kommt, sehr oft nicht wahrnehme. Mir wird der Zeitaufwand zu viel.
Hannes Schlosser: Entsteht zwischen den Projekten eine Vernetzung?
Elfi Oblasser: Nein. Also 2006, da sind ja viele feministische Projekte ausgewählt
worden und da ist schon ein bisschen eine Vernetzung passiert. Aber im Grunde hat
das dann das ArchFem organisiert. Da hat es dann einmal ein Treffen der
feministischen Projekte gegeben.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
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Der Dorfplatz als Bühne
Ein Gespräch mit Markus Blösl und Oliver Miller über das Projekt „fleisch is mei
gmias“, geführt am 10.8.2006
Hannes Schlosser: Euer Projekt heißt „fleisch is mei gmias“. Was heißt das?
Markus Blösl: Das werden wir ziemlich oft gefragt. Wir haben in erster Linie nach
einem Namen gesucht, der gut und nicht nach einem Architekturbüro klingt. Es ging
um einen Namen, der viel zulässt, also vom Theater bis wirklich zur Architektur. „fleisch
is mei gmias“ ist neutral und klingt sehr spannend und ergibt nicht das genaue
abgeleitete Konzept. Und meiner Meinung nach ist es auch ein alltäglicher Spruch, den
man im Oberland sagt.
Hannes Schlosser: Es ist also keine Kampfansage an Vegetarier oder so...
Markus Blösl: Nein es ist keine Kampfansage. Es klingt auch ein bisschen nach „Kraut
und Rüben“. Es ist eine Ansage, dass was passiert.
Hannes Schlosser: Eure Arbeitsgemeinschaft besteht aus euch beiden oder ist
die größer zu fassen?
Oliver Miller: Die Arbeitsgemeinschaft ist größer, aber die beiden Stammpersonen, das
sind wir zwei. Aber ohne das Engagement von den anderen Leuten würde das ganze
nicht funktionieren.
Hannes Schlosser: Das ursprüngliche Konzept habt ihr zwei entwickelt?
Markus Blösl: Ich habe Lust gehabt, ein eigenes Projekt zu entwickeln. Und da ist mir
etwas mit Brauchtum eingefallen, weil ich mir gedacht habe, unter dem
Brauchtumsgewand ist es leichter, in ein Dorf hineinzukommen. Das war der
Grundgedanke. Es hat sich dann gezeigt, dass es unbedingt zwei Leute braucht, die
ständig dahinter sind – das sind wir beide. Zum Glück können wir in unserem
Freundeskreis immer die Leute die wir brauchen begeistern - angefangen von der
Musik bis zum Kulissenbau. Insofern braucht es die Arbeitsgemeinschaft, weil zu zweit
sind die Projekte nicht zu realisieren. Außerdem entwickelt sich auch das Konzept
weiter, weil wir natürlich auch in dieser Arbeitsgemeinschaft mit den Leuten
diskutieren.
Hannes Schlosser: Wenn ihr morgen einen Auftritt habt, wisst ihr wie das genau
ausschauen wird?
Oliver Miller: Nein, weil jede Gemeinde anders ist. Auch der Platz ist sehr
entscheidend...
Markus Blösl: ...und das Wetter. Also wenn wir jetzt wissen, dass es morgen nicht
regnet, dann können wir schon davon ausgehen, dass wir ein größeres Publikum
haben werden.
Ein Wohnwagen als trojanisches Pferd
Hannes Schlosser: Ihr kommt mit einem Wohnwagen in das Dorf. Der
Wohnwagen ist aufklappbar und stellt sich als Musikbühne heraus und ihr kocht
da auch eine Gerstlsuppe. Dann fangt ihr mit Volksmusik an und plötzlich ist da
ein Rockkonzert. Was steckt dahinter, als trojanisches Pferd ins Dorf zu
kommen?
Markus Blösl: Wir schleichen uns mit der Brauchtumsveranstaltungen ein... Das
Publikum nimmt an, nachdem es eine Einladung zum - zwar experimentellen Brauchtum ist, dass es eigentlich eine Veranstaltung wird, welche die gleichen Regeln
hat, wie ein Platzkonzert. Die Schnittstelle, die wir schaffen wollen, ist eine
Diskussionsebene, ein Stammtischgespräch über die Themen Brauchtum und
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Dorfplatz. Es ist jetzt nicht eine Provokation in dem Sinn, aber es ist ein schneller
Wechsel und es ist ein Denkanstoß an das Publikum, mit dem wir dann in die
Gespräche einsteigen.
Hannes Schlosser: Wie kommt das an?
Oliver Miller: Ich mache das in den Gesprächen so, dass ich oft auf ein anderes Projekt
verweise, das wir gemacht haben. Beim „Pippi Langstrumpf Faktor“ ist es darum
gegangen, wie Kinder ihr Dorf sehen und gestalten würden. Kinder können sich für so
etwas viel schneller begeistern und mit „fleisch is mei gmias“ wollen wir, dass sich auch
die Erwachsenen frei spielen und etwas zulassen jenseits der „Lederhosenhäuser“.
Witzigerweise funktionieren ja die meisten Dorfgemeinden gar nicht. Weil es sind ja
immer wieder Wettbewerbe ausgeschrieben, dass das Dorfzentrum neu geplant
werden soll. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass wir auf den Dorfplatz fahren.
Markus Blösl: In einer gängigen Ausschreibung für ein neues Dorfzentrum findet man
außer einem Raumprogramm, sprich wir wollen einen Kindergarten, ein
Lebensmittelgeschäft und so weiter - über das hinaus findet sich nie ein anderer
Gedanke. Es besteht der Glaube, wenn ich ein Dorfzentrum mit Funktionen aufpumpe,
dass dann ein Dorfzentrum funktioniert. Wir sagen: Es muss was passieren auf dem
Dorfplatz. Es muss ein Leben da sein, es muss wie eine Bühne funktionieren und
deshalb machen wir mit unserem Projekt diesen ersten Schritt. Und wir erreichen auch
ziemlich viele Sympathien, es wird sehr gut aufgenommen vom Publikum.
Hannes Schlosser: Im Idealfall führt eure Intervention dazu, dass danach in der
Gemeinde darüber nachgedacht wird, den Dorfplatz langfristig umzugestalten?.
Markus Blösl: Sagen wir mal, das wäre der ideale Ausgangspunkt für uns.
Hannes Schlosser: Bis jetzt hat es ja sechs Veranstaltungen gegeben. Hat es
Auswirkungen gehabt, ist länger geredet worden?
Markus Blösl: Es ist schon im Gespräch, das ganze Projekt. Die Leute nehmen dieses
Thema mit nach Hause ins Wohnzimmer und an den Stammtisch. Wenn’s nur heißt:
„irgendwie waren sie schon komisch drauf“oder „was wollten die eigentlich?“ reicht das
schon. Jeder nimmt sich aus dem Projekt das heraus, was er mitnehmen will. Wir
drängen niemandem eine Meinung auf.
Wir wollen keine Angestellten werden
Hannes Schlosser: Das Projekt ist mit einem unglaublichen Aufwand verbunden.
Im Prinzip schaut bei dem Ganzen kein Geld heraus. Was ist die Intention, dass
ihr das macht?
Markus Blösl: Das führt darauf zurück, dass wir Architekten sind. Und ich sage jetzt
einmal, unser Motto ist: „Wir wollen keine Angestellten werden.“ Nach der Uni geht
man mit sehr vielen Erwartungen nach draußen, ist mit sehr viel kreativen Prozessen
im Kopf unterwegs und dann schaut in einem Büro der Alltag ganz anders aus. Damit
wir die ganze Kreativität nicht verlieren, die diesen Beruf eigentlich ausmacht, haben
wir begonnen, eigene Projekte zu machen. Mit der performativen Schiene ist es eine
sehr lockere und angenehme Weise, an die Öffentlichkeit zu treten. Wir sehen unsere
Aufgabe als junge Architekten darin, ein größeres Publikum zu erreichen, und dass es
nicht so ist wie beim klassischen Architekten, der irgendwie abgeschlossen in seiner
akademischen Welt lebt.
Hannes Schlosser: Das Projekt soll jetzt noch zwei bis drei Mal zur Aufführung
gelangen. Wird es in irgendeiner Form eine Fortsetzung geben?
Oliver Miller: Wir machen ja auch ganz andere Projekte, die auch mit dem
Performativen arbeiten. Sie sind komplett anders, aber von der Struktur her sind sie
ähnlich.
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Markus Blösl: Der Schritt in die Öffentlichkeit ist immer mit einer Aktion verbunden.
„fleisch is mei gmias“ ist ein Beispiel. Ein anderes ist die „Ein-Euro-Ich-AG“. Da liegt
einer in einem Einkaufswagen drinnen und fragt die Leute, ob sie einen Euro haben
und ihn auslösen. Dann kommt die Jongliernummer, du schenkst ihnen die Orange und
sagst: „Schieb mich wieder rein“. Das mit dem Einkaufswagen war einfach ein skurriles
Bild, auf das die Leute sehr unterschiedlich reagiert haben: entweder sie blieben
vorsichtig beobachtend oder sie sind wirklich aktiv darauf zugegangen. Es gibt auch
das schon erwähnte Projekt „Der Pippi-Langstrumpf-Faktor“. Da waren wir in einer
Schule und haben in einem Rollenspiel mit den Kindern gemeinsam ein neues Dorf
entworfen. Weil wir immer wieder neue Ideen haben, glauben wir auch, dass wir mit
„fleisch is mei gmias“ als Arbeitsgemeinschaft weitermachen.
Hannes Schlosser: Eine Frage noch zu TKI open: Ist das aus eurer Sicht ein
geeignetes Instrument, um in Tirol in der Kultur Akzente zu setzen die sonst
nicht möglich sind?
Oliver Miller: Ja, glaube ich schon. Ich war bei einer der Vorbesprechungen dabei und
mir ist aufgefallen, dass sehr viele Themen dabei sind, wo es um Frauen geht. Es
waren alles junge Leute und man wird mit den Sachen, die man macht, ernst
genommen. Helene und Gudrun sind als Ansprechpartner sehr angenehm, es hat nicht
so einen Behördentouch.
Markus Blösl: Also ich habe bis zum letzten Sommer überhaupt nicht gewusst, dass es
die TKI überhaupt gibt. Im Gespräch mit einem Künstler habe ich von dieser Plattform
erfahren, die sich da engagiert und auch unabhängige Projekte mit einem gewissen
Budget unterstützt. Aufgrund von den Projekten die eingereicht wurden, habe ich
schon das Gefühl, dass die TKI von großem Nutzen ist. Besonders als erste
Anlaufstelle, dass man überhaupt einmal die Möglichkeit hat, ein Budget zu
bekommen. Und es ist auch sehr einladend wie sich die TKI nach außen präsentiert.
Man hat auch keine Scheu, mit Ideen, die sich außerhalb des normalen Rahmens
bewegen, einmal da vorbei zu schauen und sich beraten zu lassen, wie man ein
Konzept ausarbeitet.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
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Gescheiterte Intervention
Ein Gespräch mit Philipp und Martin von „grauzoneaction.net“ über das Projekt
„intervention gastgarten – in/ga“, geführt am 18.12.2006
Hannes Schlosser: Euer Projekt hat nicht in der ursprünglich geplanten Form
stattgefunden. Aber bevor wir darüber reden, was war das Konzept von in/ga?
Philipp: Wir wollten mit der „intervention gastgarten“ nach außen gehen und andere
Räume besetzen. Wir machen in der Grauzone seit einigen Jahren regelmäßig
Konzertveranstaltungen und Filmabende in diversen Lokalen. Seit es die p.m.k. gibt,
hauptsächlich dort. Es hat uns interessiert, einmal etwas unter freiem Himmel zu
machen. So ist die Idee zu einem improvisierten, kleinen Gastgarten im öffentlichen
Raum entstanden.
Martin: Der Gastgarten hätte unkommerziell sein sollen. Alle Veranstaltungen bei
freiem Eintritt und mit einem politischen Ansatz. Geplant waren Vorträge,
beispielsweise über Feminismus und Globalisierungskritik oder Filmabende, etwa
einen Rosa-Luxemburg-Film. Gedacht als Intervention im öffentlichen Raum, um an
lauen Sommerabenden vielleicht bei einem guten Vortrag ein Bier im Freien trinken zu
können.
Hannes Schlosser: Der ausgesuchte Platz war der innseitige Park hinter der Uni?
Philipp: Genau.
Hannes Schlosser: Und woran ist es gescheitert?
Philipp: Gescheitert ist es am Rektorat der Universität Innsbruck, das uns diesen Platz
nicht geben wollte. Wir waren in Kontakt mit der ÖH und die hat uns gesagt, sie haben
sozusagen das Veranstaltungsrecht auf dem Uni-Gelände. Seit der ganzen UniUmstrukturierung ist es ein Raum, der privatisiert worden ist, aber die ÖH hat im
Gegensatz zu anderen einen einfachen Zugang zu Ressourcen der Universität. Die
Leute von der ÖH haben gesagt, das ist kein Problem und sie kümmern sich darum,
dass der Platz uns zur Verfügung gestellt wird.
Martin: Wir haben uns dann leider auf diese Zusage verlassen. Die VertreterInnen der
ÖH haben Gespräche mit der Universitätsleitung geführt und die hat nie eine klare
Stellungnahme abgegeben. Bis dann am Tag, an dem das Projekt beginnen hätte
sollen, von Seiten des Rektorats die Aussage kam, sie hätten Sicherheitsbedenken.
Davon ist aber vorher nie die Rede gewesen. Also ziemlich fadenscheinig.
Hannes Schlosser: Ihr hättet dort Bänke und Tische aufgestellt und Strom
gebraucht. Das wäre es in etwa gewesen?
Martin: Ja, genau. Wir hätten auch noch WCs aufgestellt und uns um den ganzen Müll
gekümmert. Wenn das Rektorat an uns heran getreten wäre und gesagt hätte, dieses
oder jenes Problem haben wir, dann wäre das sicher einfach auszuräumen gewesen.
Philipp: Aber sie haben jede weitere Aussage dazu verweigert.
Vorgeschobene Sicherheitsbedenken
Hannes Schlosser: Euer Verdacht ist, dass die Sicherheitsbedenken, ein
vorgeschobenes Motiv gewesen sind und es letztlich um eine politische
Entscheidung gegangen ist?
Martin: Auf jeden Fall.
Hannes Schlosser: Eine kurzfristige Verlegung war unmöglich?
Martin: Einige von uns wollten das Projekt irgendwo anders machen. Aber das wäre
alles nur mehr ein Murks gewesen, alleine wegen der Anmeldungen bei der Stadt, wo
man uns nicht sonderlich wohlgesonnen ist.
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Philipp: Interessant ist, dass ein Monat vorher die Fußball-WM war und da standen
öffentlichen Orte für kommerziellen Public-Viewing-Events zur Verfügung. Da wird
dann auch noch die Müllabfuhr von der Stadt bezahlt und es gibt auch keine Bedenken
wegen des Lärms und so weiter. Aber wenn es politisch ist, gibt es halt nur volle
Widerstände dagegen.
Hannes Schlosser: Wie schaut das jetzt bei den Projektkosten aus? Habt ihr das
TKI open-Geld trotzdem bekommen?
Philipp: Wir haben das schon vorher bekommen. Die Ausgaben waren im Wesentlichen das gedruckte Programm, Flyer und so. Unsere Arbeit ist ja ehrenamtlich. Wir
müssen halt einen Teil zurückgeben.
Martin: Es war sehr viel Arbeit, die sich größtenteils in Luft aufgelöst hat. Wir haben
einige wenige Veranstaltungen in der p.m.k. gemacht, aber dann waren wir erst recht
wieder im Sommer in einem verrauchten Lokal drinnen
Frustbewältigung
Hannes Schlosser: Werdet Ihr in irgendeiner Form versuchen, so etwas 2007
oder später auf die Füße zu stellen mit vielleicht besseren Absicherungen, was
den Ort betrifft?
Philipp: Ich glaube nicht. Also für mich war das zu frustig. Vielleicht machen wir
kurzfristig etwas in der Form, aber ein ganzes Monat lang, auf keinen Fall.
Martin: Ich denke, das wird die Zukunft zeigen. Sich da festzulegen, ich weiß nicht ...
Hannes Schlosser: Wie seid ihr in der Gruppe mit dem Frust umgegangen?
Martin: Für mich hat das dazu beigetragen, dass ich künftig weniger mache. Also
schon teilweise Resignation.
Philipp: Kurzfristig gefrustet. Aber dann, man kann eh nichts machen. Also
weitermachen, egal eigentlich.
Hannes Schlosser: Und bei anderen in der Gruppe?
Philipp: Ganz unterschiedlich. Manche waren froh, dass es keine Arbeit gibt in dem
Monat. Das Projekt wäre ja damit verbunden gewesen, fast jeden Tag vier, fünf
Stunden zu arbeiten. Ansonsten wurden Ideen für nächste Projekte schon wieder
ausgearbeitet, um weiter zu machen.
Hannes Schlosser: Aber auf jeden Fall weitermachen? An so einer Geschichte
kann ja auch eine Gruppe zerbröseln.
Philipp: Es kommt darauf an, ob das Problem von außen kommt oder etwas an
internen Widersprüchen scheitert.
Hannes Schlosser: Wie hat euer Publikum reagiert?
Martin: Ich weiß von Leuten, die waren am 14. Juli da, an dem Tag an dem das erste
Konzert stattfinden hätte sollen. Die waren verwundert, dass nichts los war. Wir haben
bis dahin so gut wie keine Werbung gemacht, weil die endgültige Genehmigung gefehlt
hat. Es waren nur ein paar Flyer im Umlauf, sonst ist alles zurück gehalten worden.
Trotzdem waren Leute da.
Hannes Schlosser: Das zeigt, dass es für ein derartiges Projekt ein Publikum
gäbe.
Philipp: Ja, auf jeden Fall. Es hat auch die Presse darüber berichtet. Im Vorfeld, was
am Programm steht und dann eben, dass es nicht statt findet.
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Transparent und nicht so bürokratisch
Hannes Schlosser: Ihr wart ja schon mehrfach mit Projekten bei TKI open
beteiligt, wie schätzt ihr den Stellenwert von TKI open in der Tiroler Kulturszene
ein.
Martin: Von uns aus war es von Anfang an sehr angenehm, bei TKI open mit zu
machen, weil es sozusagen eine Schwelle unter dem Land Tirol ist. Wir bekommen
sonst keine Subventionen und wollen auch keine. TKI open ist das einzige, was wir an
öffentlichen Geldern nützen. Von dem her ist es schon sehr wichtig. Weil es für
alternative Gruppen Möglichkeiten gibt, kleinere Projekte zu realisieren.
Hannes Schlosser: Was haltet ihr vom Procedere von TKI open?
Philipp: Ich finde es ganz okay und auch sehr interessant. Vor allem die offene
Jurysitzung, wo jeder hingehen kann und wenigstens irgendein Feedback hat. Es ist
transparent und nicht so bürokratisch.
Hannes Schlosser: in/ga wäre ja eigentlich prädestiniert für TKI open 07 mit dem
Thema „open space“. Habt ihr etwas eingereicht?
Philipp: Ja, aber was anderes. Aber vielleicht haben wir ja die TKI mit unserem Projekt
inspiriert „open space“ zu machen.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Kunst und Politik dynamisch verzahnt
Ein Gespräch mit Angela Zwettler und Carla Knapp über das Projekt „hellwach
bei Gewalt an Frauen“, geführt am 24.11.2006
Hannes Schlosser: Euer Projekt hatte zwei Elemente ...
Angela Zwettler: ...wir arbeiten mit den Mitteln der Werbung. Das heißt, wir gestalten
unsere öffentlichen Aktionen im Sinn von Werbeveranstaltungen. Auch unsere
Projektelemente sind an den gängigen PR-Bereich angelehnt. Wir bedienen uns der
urbanen Logo-Kultur und irritieren mit einer ungewohnten Werbebotschaft das
Zufallspublikum des städtischen und ländlichen Alltags. Unsere Projektelemente sind
die große Leuchtreklame mit der Aufschrift „hellwach bei Gewalt an Frauen - we
observe you - observe you - we observe“ und kleine give-aways, Glückskekse mit
speziellen Texten.
Carla Knapp: Die Idee der Glückskekse haben wir aus der Widerstandsgeschichte
entliehen. China war um das 14. Jahrhundert von den Mongolen besetzt. Weil die
mongolischen Besatzer sehr strikt waren, war es unmöglich, den Widerstand zu
koordinieren. Dann haben die Chinesen beobachtet, dass die Mongolen ihre
Nachspeise, eben diesen Halbmond, verschmähen, wahrscheinlich wegen der dort
eingebackenen Lotospaste. Sie haben dann kleine Botschaften zur Koordinierung des
Widerstands in die Kekse eingebacken und diese so über das ganze Land verteilen
können. Das war ein wichtiger Beitrag dazu, die Mongolen schließlich vertreiben zu
können. Wir haben diese Idee aufgegriffen und haben Botschaften zum Thema Gewalt
an Frauen in unsere Glückskekse eingebacken und verteilen das im ganzen Tiroler
Ober-, Unter- und Hinterland.
Hannes Schlosser: Die Kekse werden derzeit in fast allen Tiroler MPreis Filialen
in sehr großer Stückzahl um einen Euro verkauft und die Leuchttafel wird einige
Tage in die Säulenhalle des Parlaments wandern. Wie sieht eine vorläufige Bilanz
aus, wie ist euer Konzept aufgegangen?
Angela Zwettler: Jedes Projekt hat eine Eigendynamik und entwickelt sich. Unter dem
Blickwinkel ist es gut aufgegangen. Schwer haben wir uns beim „Geld-Aufstellen“
getan. Nicht weil wir das nicht super gemacht hätten, aber es war mühsam und es hat
sich der gesellschaftliche Umgang mit dem Thema Gewalt an Frauen widergespiegelt.
Carla Knapp: Wir haben über ein Jahr mit der Geldbeschaffung zu tun gehabt. Jetzt
sind wir so langsam in der Zielgeraden - immer noch nicht ganz ausfinanziert. Jetzt
werden wir das Projekt noch ein Jahr verlängern, weil 2007 das Jahr der „Europaratskampagne gegen häusliche Gewalt“ ist, wo unser Projekt hellwach sehr gut hineinpasst. Wir haben jetzt auch Erfahrungswerte bei der Finanzierung, die zunehmend
leichter geworden ist, je mehr wir vorweisen konnten.
Hannes Schlosser: Was soll bei der Fortsetzung passieren?
Carla Knapp: Wir gehen in andere Bundesländer. Wir haben die Politik der kleinen
Nadelstiche verfolgt und 2006 gesagt, wir konzentrieren uns auf Tirol, anlässlich der
Situation des Tiroler Frauenhauses. Ursprünglich wollten wir uns alle zwei Monate ein
anderes Bundesland vornehmen. Das müssen wir jetzt für 2007 noch
durchkonzipieren.
Hannes Schlosser: Soll es eher um Städte oder kleine Gemeinden gehen?
Carla Knapp: Wir wollten ja eigentlich mit den Leuchttafeln in die ganzen Gemeinden
gehen, was ein enormer technischer, finanzieller und verwaltungsmäßiger Aufwand
gewesen wäre, den wir neben dem ganzen „Geld-Aufstellen“ nicht geschafft hätten. Mit
den Glückskeksen haben wir eine Variante entwickelt, mit der wir über deren Verkauf
bei MPreis das ganze Bundesland abdecken. Damit sammeln wir Spenden für das
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Frauenhaus, was für uns ein toller Nebeneffekt ist. Vor allem aber geht es uns darum,
zum Gewaltthema Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit zu leisten.
Existenzkrise des Tiroler Frauenhauses
Hannes Schlosser: Wie ihr das konzipiert habt, war ja nicht absehbar, dass das
Tiroler Frauenhaus ausgerechnet heuer in so eine existentielle Krise kommt.
Angela Zwettler: Im Gespräch mit der Gabi Plattner vom Frauenhaus war schon klar,
dass sich das zuspitzt. Nicht in der Dimension, dass das wirklich von der Schließung
bedroht ist. Aber es hat sich schon abgezeichnet, dass das immer enger wird. Nicht
vorhersehbar war natürlich, dass unsere Auftaktaktion fast zeitgleich mit den
politischen Turbulenzen im Sommer zusammenfiel, sowie mit den Aktionen der
Personengruppe „Frauen wehren sich“.
Carla Knapp: Wir wären zwei, drei Wochen frühen dran gewesen mit unserer
Kundgebung und haben das dann noch hinaus gezögert, als es sich so zugespitzt hat.
Was sich noch entwickelt hat und wir so nicht angedacht hatten, waren die
Kooperationen. Das hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen, sich aber als sehr
positiv erwiesen. Wir haben mit dem AÖF, dem Verein Autonomer Frauenhäuser
Österreichs, sehr eng zusammen gearbeitet, ebenso auch mit dem ArchFem ...
Angela Zwettler: ... und mit Ninlil, einer Projektgruppe gegen sexuelle Gewalt an
Frauen mit Behinderung.
Carla Knapp: Anfangs hat es sich fast aus Not ergeben, weil wir einfach nicht weiter
gekommen sind mit dem „Geld-Aufstellen“. Dann haben wir aber gesehen, dass die
Kooperationen sehr hilfreich sind durch den Erfahrungsaustausch, aber auch durch die
gegenseitige Stützung. Die Einladung ins Parlament hat sich aus der Kooperation mit
dem AÖF ergeben. Es war sehr viel Arbeit, die jetzt erst die ersten Früchte trägt. Daher
ist es fein, wenn man das dann noch ein Jahr weiter tragen kann.
Hannes Schlosser: Die Tafel am Ferdinandeum und die Glückskekse im MPreis
standen und stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Unterstützung fürs
Frauenhaus. 2007 in den anderen Bundesländern, wo die Frauenhaus-Situation
besser ist, wird’s nicht um die Frauenhäuser gehen, sondern unmittelbar und im
engeren Sinn um die Gewalt. Macht das nicht einen großen Unterschied?
Angela Zwettler: Kunstpolitische Interventionen mit einem konkreten Fokus halte ich für
sehr effizient. Im luftleeren Raum würde das nicht gehen. Es gibt immer konkrete
Probleme, an denen man anknüpfen kann. Ich finde dieses dynamische Verzahnen
von Kunst und Politik mit einem konkreten Fokus sehr spannend.
Hannes Schlosser: Was wird in den anderen Bundesländern der Fokus sein?
Angela Zwettler: Das haben wir noch nicht entwickelt. Das Spannende ist diese
Europaratskampagne 2007. Es gibt 2002 erstellte Richtlinien zum Thema häusliche
Gewalt und die Empfehlung, das 2007 in den Mitgliedsstaaten umzusetzen. Was wir
mitbekommen haben, wissen die meisten PolitikerInnen noch nicht einmal etwas von
dieser Europaratskampagne. Jetzt hat der AÖF das einmal in die Hand genommen, um
den Auftakt zu machen. Welche konkreten Schwerpunkte dann unser Projekt in den
einzelnen Bundesländern haben wird, sehen wir noch. Aber das Bundeskanzleramt
wird es 2007 schwerer haben, unser Förderansuchen abzulehnen.
Irritierende Botschaften
Hannes Schlosser: Wie haben die Leute in Tirol auf euer Projekt reagiert?
Carla Knapp: Bei einer Intervention im öffentlichen Raum wie mit der Leuchttafel ist es
immer schwierig, direkt ein Feedback zu bekommen. Bei der Präsentation der
Glückskekse im MPreis habe ich beobachtet, wie die Menschen die Kekse aufmachen.
Wenn dann plötzlich ein Text herausfällt, sind die meisten sehr irritiert und dann kommt
entweder ein Gespräch zustande oder sie gehen.
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Angela Zwettler: Aber diese Minute Betroffenheit und Nachdenken, die ist eigentlich
immer.
Hannes Schlosser: Erwarten die Leute bei einem Glückskeks nicht ein HoroskopSprüchl?
Angela Zwettler: Eigentlich schon.
Carla Knapp: Wir haben schon gesagt, dass wir spezielle Botschaften einbacken
haben lassen. Die Leute konnten sich aber nichts vorstellen und haben gesagt „Aha,
Gewalt an Frauen und Kindern das ist furchtbar, das ist nicht gut“. Die machen dann
die Kekse auf und lesen zum Beispiel: „Die Würde der Frau ist unantastbar. hellwach
bei Gewalt an Frauen“. Dann stehen sie da und dann arbeitet es in ihnen. Eine Stärke
von unserem Projekt ist, dass diese Irritation nachhaltig wirkt.
Angela Zwettler: Insgesamt sind die Reaktionen auf das Projekt sehr positiv. Es gefällt
eigentlich vielen.
Hannes Schlosser: Die Jury hat die Befürchtung formuliert, euer Vorhaben eine
Homepage und eine Videodokumentation zu machen, könnte zu viel werden. Die
Homepage wurde gemacht, was ist mit der Videodokumentation?
Carla Knapp: Das war nicht zu schaffen. Bei der Homepage hatten wird das Glück,
dass das Angelas Freundin so toll und extrem günstig gemacht hat. Es ist ganz wichtig,
dass es die Homepage gibt, auch wenn das Projekt einmal abgeschlossen sein wird.
Beim Thema „häusliche Gewalt“ gibt es aus feministischer Perspektive wenig Frauen,
die mit kunstpolitischer Aktion gearbeitet haben. Deshalb ist die Homepage als Archiv
später auch noch interessant.
TKI open: Transparent und öffentlich
Hannes Schlosser: Was haltet ihr von TKI open?
Angela Zwettler: Ich finde es super, dass die TKI so politisch ist, die Jury immer
verschieden besetzt ist und man auf Gender-Geschichten schaut. Ideale
Voraussetzungen für uns.
Carla Knapp: Mir hat gut gefallen, dass Kooperationen und Vernetzungen von Anfang
an angelegt werden.
Hannes Schlosser: Ist es eine Förderschiene, die geeignet ist, im Land etwas zu
bewegen?
Angela Zwettler: Ich finde schon. Was aber als riesiges Problem bleibt, ist die eigene
Ausbeutung, das muss man schon sagen.
Carla Knapp: Große Projekte - wie das von ArchFem und unseres - sind schwierig zu
realisieren, weil noch so viel Geld zusätzlich wo anders lukriert werden muss. Vielleicht
wäre es besser, große Projekte länger als für ein Jahr anzulegen. Wichtig finde ich,
dass bei TKI open auch Initiativen eine Chance haben, die das erste Mal etwas
machen.
Angela Zwettler: Ich finde, dass die TKI professionelle Anträge verlangt. Aber das ist
überall so, wenn man nicht ein perfektes Ansuchen stellt, dann ist eh nix.
Hannes Schlosser: Die TKI bietet aber dafür auch Hilfestellung an.
Angela Zwettler: Was aber wieder sehr zeitintensiv ist. Ich habe jedenfalls das Gefühl,
der Level ist ein hoher.
Carla Knapp: Bei all den Anträgen, die ich schon gestellt habe, habe ich noch nie so
ein detailliertes Feedback bekommen. Wirklich sehr durchdacht, muss ich sagen. TKI
open ist nicht willkürlich, sondern politisch ausgerichtet. Das finde ich toll. Es war das
ganze Jahr über ein feiner Kontakt. Helene und Gudrun waren für uns immer
ansprechbar.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Gesticktes aus dem trauten Heim
Ein Gespräch mit Carina Pröll, Christine Pavlic, Nora Wimmer und Barbara
Maldona-Jäger vom „Radikalen Nähkränzchen“ über das Projekt „home sweet
home“, geführt am 24.11.2006
Hannes Schlosser: Der Jury hat bei euch ein Satz besonders gut gefallen: „Wir
sticken Fakten“. Ihr habt in eurem Projekt zum Thema familiäre Gewalt, Gewalt
gegen Frauen schlicht und einfach gestickt. Habt ihr eure Ziele erreicht?
Carina Pröll: Wir haben ganz sicher nicht so viele Leute erreicht, wie wir gerne hätten.
Von dem her ist das Konzept vielleicht nicht so ganz aufgegangen.
Christine Pavlic: Ich finde auch, dass wir das Lauf-Publikum nur zu einem sehr kleinen
Teil erreichen konnten. Aber bei allen, die bei uns in der Ausstellung waren, hat unser
Konzept schon sehr gut funktioniert. Genau der Punkt mit dem Deckmantel von diesem
kuscheligen, feinen, gemütlichen, trauten Heim und dann, wenn man genauer
hinschaut, den sehr harten Fakten, das hat voll getroffen. Gerade was diese
Umsetzung betrifft, ist es total gut aufgegangen.
Nora Wimmer: Wir wollten ja am Anfang mit einem Bus auf Tour gehen, also eine
Wanderausstellung machen und im Bus ausstellen und arbeiten.
Hannes Schlosser: Ihr habt es dann in einem Lokal gemacht?
Nora Wimmer: Mit dem Bus, das wäre total kompliziert und teuer geworden. Wir haben
dann einen Raum in den Viaduktbögen bekommen.
Christine Pavlic: Der total geeignet war, weil er eine große Glasfront auf die Straße hin
hatte. Die Transparenz und dieses Sichtbarmachen, um das es uns gegangen ist, das
hat da sehr gut funktioniert, finde ich. In der Nacht war es beleuchtet und man hat
dieses Wohnzimmer-Flair auch nach außen sehr gut mitbekommen. Zugleich hat man
auch von außen Fakten lesen und verstehen können, worum es geht.
Carina Pröll: Vielleicht hat untertags gerade die gemütliche Atmosphäre Leute, die
nicht gewusst haben, was da vor sich geht, ein bisschen abgeschreckt, einen Schritt
hinein zu setzen.
Nora Wimmer: Es sind eigentlich ganz viele Leute stehen geblieben. Viele haben auch
gefragt: „Was ist da für ein Laden, ist da ein neues Geschäft“ und wir haben gesagt:
„Nein, eine Ausstellung“. Dann sind die meisten eigentlich gleich wieder weggegangen.
Aber von den Leuten, die von uns gewusst haben und sich das angeschaut haben,
waren eigentlich alle recht begeistert.
Christine Pavlic: Stimmt, grade bei der Eröffnung am ersten Tag waren ziemlich viele
Frauen da. Und das war wirklich ganz nett.
Hannes Schlosser: Wie war gekennzeichnet, dass es eine Ausstellung ist?
Christine Pavlic: Wir haben einen roten Teppich über den Gehsteig zur Tür herein
gelegt und auch ein Schild draußen aufgehängt.
Hannes Schlosser: Wie lange habt ihr das gemacht?
Christine Pavlic: Vier Tage.
Im Dirndl mit Kriegsbemalung
Hannes Schlosser: Vor mir liegen Fotos, die zeigen die vielfältigen
Arbeitsergebnisse, bestickte Pölster, Bänder, et cetera. Die Fotos dokumentieren
aber auch eine umfangreiche Recherche, bei der aus verschiedenen Quellen
Fakten zu Gewalt in der Familie und zu Gewalt an Frauen zusammengetragen
sind.
Carina Pröll: Wir beschäftigen uns laufend mit feministischen Themen. Das Radikale
Nähkränzchen ist aus einer anderen Frauengruppe hervorgegangen. Die Thematik
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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„Gewalt an Frauen“ ist natürlich permanent präsent und als wir die ganzen Sachen
gestickt haben, haben wir uns auch immer wieder getroffen und auch inhaltlich
auseinandergesetzt.
Hannes Schlosser: Es gab die Idee einer Kooperation mit dem Projekt „ in/ga –
intervention gastgarten“.
Christine Pavlic: Das hat sich nach Abgabe des Konzepts noch einmal verändert. Wir
wollten dann nur mehr zwei Tage lang den Gastgarten sozusagen feministisch
besetzen und dort unser eigenes Programm machen. Aber dann ist ja dieses Projekt
abgesagt worden.
Hannes Schlosser: Die Jury hat die Sorge formuliert, wenn sich das Männerund das Frauen-Projekt vermischen, dass dann das Frauen-Projekt untergeht?
Carina Pröll: Dazu muss ich sagen, dass in/ga kein Männer-Projekt war. Das war vom
Verein Grauzone und da sind auch Frauen vertreten, nämlich auch zwei Frauen von
uns...
Hannes Schlosser: Ach so.
Carina Pröll: Wir wollten ja nicht wirklich mit ihnen zusammen arbeiten, sondern haben
daran gedacht, den Strom miteinander zu teilen und, dass wir uns vielleicht auch
gegenseitig das Publikum zuschanzen könnten.
Hannes Schlosser: Es gab dann noch Straßenauftritte des Radikalen
Nähkränzchens ...
Christine Pavlic: ... drei Straßenperformances, am Franziskaner-Platz, vor dem
Museum und bei der Anna-Säule. Wir vier haben dabei eine passive Rolle
eingenommen und den aktiven Part einem Mann überlassen, der über seine
Erfahrungen mit Frauen redet und dabei ganz abwertend wird, sich aber immer als das
große Opfer von Frauen hinstellt. Wobei aber gut heraus kommt, dass in diesen
gescheiterten Beziehungen viel Gewalt von ihm ausgegangen ist. Zugleich sind wir
klischeehaft ruhig im Hintergrund gesessen.
Barbara Maldona-Jäger: Das stimmt, aber gleichzeitig haben wir das Klischee auch
durch unser Auftreten durchbrochen. Wir hatten Dirndln an, aber gleichzeitig eine
Kriegsbemalungen im Gesicht und die gestickten Kissen mit den Fakten zur Gewalt an
Frauen waren präsent.
Christine Pavlic: Zum Teil haben das die Menschen ziemlich schnell heraußen gehabt,
was da abgeht, während wir da gesessen sind und gestickt haben.
Carina Pröll: Dieser männliche Sprecher war sehr lustig. Und die Leute haben auch
gelacht. Aber gleichzeitig während sie gelacht hat, war es ihnen plötzlich gar nicht
mehr zum Lachen zumute und eher unangenehm, dass sie lachen.
Hannes Schlosser: Das Radikale Nähkränzchen, wird’s das weiter geben?
Christine Pavlic: Ja natürlich.
Hannes Schlosser: Auch mit Sticken?
Christine Pavlic: Im Moment ist es mehr inhaltlich.
Nora Wimmer: Wir haben gerade ein bisschen genug davon.
Carina Pröll: Also ich habe am Sticken nicht meine große Freude gefunden, das war
halt jetzt für das Projekt. Die Ergebnisse waren danach ja alle ganz toll, aber ich sticke
sicher nichts mehr. Das ist nicht mein Ding.
TKI open: Eigenständig kreativ werden
Hannes Schlosser: Was haltet Ihr von TKI open? Verändert TKI open etwas?
Christine Pavlic: Ja schon. Vor allem wenn man sieht, was bei TKI open 06 für Projekte
gefördert worden sind, dann verändert das auf jeden Fall etwas. Es sind sehr viele
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Frauenprojekte dabei gewesen. Es ist einfach eine super Chance, an Geld zu
kommen.
Carina Pröll: Es werden Möglichkeiten geschaffen, eigenständig kreativ zu werden.
Weil anders ist es nicht so leicht, an Geld zu kommen - zum Beispiel wenn man direkt
ans Land schreibt.
Hannes Schlosser: Hattet Ihr auch noch zusätzliche Mittel?
Christine Pavlic: Wir sind von der EU gefördert worden.
Hannes Schlosser: Oh, Glückwunsch!
Christine Pavlic: Ich glaube, wir haben ein bisschen den Jugend-Bonus. Also vier junge
Frauen, die sticken und das „Radikale Nähkränzchen“, das klingt so lustig. Überall wo
wir mit unserem Namen auftauchen, finden das alle sehr nett.
Nora Wimmer: Vielleicht haben sie sich bei uns gedacht, das sind so junge Mädchen,
die können eh nicht großartig irgendwas machen.
Hannes Schlosser: Was war das für eine EU-Förderschiene?
Christine Pavlic: Programm Jugend.
Carina Pröll: Da werden ausdrücklich auch feministische und antirassistische Projekte
gefördert.
Hannes Schlosser: Habt ihr auch versucht, an Geld von der Stadt zu bekommen?
Christine Pavlic: Nein.
Hannes Schlosser: Wie findet ihr bei TKI open die Jury? Seid ihr bei der Sitzung
dabei gewesen?
Christine Pavlic: Ja, kurz. Ich finde es gut, dass die Jury wechselt und sie nicht nur aus
Personen aus Tirol besteht, weil sonst ist es ja nur mehr Freunderlwirtschaft. Das finde
ich schon ganz gut. Gut ist auch bei den Jury-Mitgliedern, dass sie alle Bereiche
abdecken.
Hannes Schlosser: Habt ihr heuer etwas eingereicht?
Nora Wimmer: Nein, Pause. Jetzt müssen wir erst mal die Abrechnung fertig machen.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Mit weiblichen Augen
Ein Gespräch mit Gertraud Eiter und Gerlinde Schwarz über das Projekt
„kinovi[sie]on“, geführt am 14.9.2006
Hannes Schlosser: kinovi[sie]on ist ein Projekt, das es schon länger gibt. Was
war das Neue im TKI open-Jahr?
Gertraud Eiter: kinovi[sie]on gibt es seit dem „Internationalen Frauentag 2005“. Seither
werden monatlich im Leokino und Cinematograph Filme von Frauen präsentiert. Das
Spezielle heuer ist, dass wir neben den monatlichen Filmpräsentationen Referentinnen
und Filmemacherinnen eingeladen und Schwerpunkte gesetzt haben. Ein Schwerpunkt
war am 8. März mit einem ausführlichen Programm und ein weiterer folgt im November
zum Thema Psychoanalyse-Frau-Film. Das ist eine dreitägige Veranstaltung. Etwas in
dieser Art hat es 2005 nicht gegeben.
Gerlinde Schwarz: Um es auf den Punkt zu bringen: Heuer steht uns wesentlich mehr
Geld zur Verfügung. Dank TKI open und einem zusätzlichen großen Sponsor können
wir das alles machen.
Hannes Schlosser: Was bedeutet das für 2007? Geht’s weiter?
Gerlinde Schwarz: Es geht weiter. Ob auf gleich starken finanziellen Beinen, wissen wir
jetzt noch nicht. Das hängt von Stadt, Land, diversen Institutionen und von den
Sponsoren ab.
Hannes Schlosser: Was hat sich durch die Möglichkeit, Referentinnen
einzuladen verändert?
Gerlinde Schwarz: Es war sicher eine große Bereicherung. Durch Rückmeldungen
wissen wir, dass ein großer Teil des Publikums sich das wünscht. Es sollte öfters
möglich sein, dass eine Referentin einen Fokus des jeweiligen Films konkret
ausleuchtet oder bestimmte Fragestellungen weiter ausgeführt werden.
Gertraud Eiter: Oder dass eben Zusatzinformationen dem Publikum weitergegeben
werden. Wie Informationen zur Filmemacherin, zur Herkunft und so weiter
Alle Genres vertreten
Hannes Schlosser: Wie geht ihr bei der Filmauswahl vor?
Gerlinde Schwarz: Die Regie einer Frau ist natürlich das erste Kriterium, das erfüllt
werden muss. Dann entscheiden wir uns nicht unbedingt für Filme, in denen ein Mann
eine zentrale Rolle spielt - also für Filme, bei welchen zufällig eine Frau ein Männerportrait gemacht hat. Die Filme müssen natürlich auch ästhetisch interessant sein.
Gertraud Eiter: Wir schauen auch, dass die Filme frauenspezifische Themen
behandeln. Nicht zwingend, aber wenn möglich, und dass sie einen feministischen
Blick auf verschiedene Thematiken werfen.
Gerlinde Schwarz: „Frauenspezifisch“ - das ist eher unter Anführungszeichen zu
setzen. Ich glaube, dass es eigentlich kaum frauenspezifische Themen gibt, sondern
dass der Blick auf die Gesellschaft mit weiblichen Augen erfolgt, und es sich im Grunde
genommen immer um gesellschaftspolitische Themen im weitesten Sinne handelt.
Hannes Schlosser: Ihr habt auch den Anspruch, dass alle Genres vorkommen.
Also Trickfilm, Dokumentarfilm, Spielfilm. Und dann reicht das Spektrum noch
von sehr aktuellen Filmen, bis hin zum Stummfilm. Gibt es da bestimmte
Spielregeln der Abfolge?
Gertraud Eiter: Wir haben ein ganzes Jahr zur Verfügung, heuer mit insgesamt 20
Veranstaltungen. Da ist es sehr gut möglich, die breite Palette von unterschiedlichen
Genres im Laufe des Jahres zu berücksichtigen. Wichtig ist uns beispielsweise,
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Klassikerinnen der Filmkunst hervorzuheben. Dann hatten wir am 8. März den
Schwerpunkt „Best of ´05“, also Preisträgerinnen-Filme von 2005 (Spiel-, Dokumentarund Kurzfilme) mit einigen Filmen von Newcomerinnen. Der Dokumentarfilm stand am
8. Mai auf dem Programm, verbunden mit einer Buchpräsentation zum Thema
Dokumentarfilm.
Hannes Schlosser: Und dann war auch noch Trickfilm im Programm
Gertraud Eiter: Ja, im April präsentierten wir in Zusammenarbeit mit dem
Frauenfilmfestival Créteil ein Kurzfilmprogramm, bei welchem der Trickfilm stark
vertreten war. Weitere Animationsfilme standen am 8. März auf dem Programm.
Gerlinde Schwarz: Bestimmte Dinge haben sich fix herauskristallisiert, wie eben eine
Kooperation mit „Tricky Women“ in Wien, die alle zwei Jahre im Frühling ein Festival
organisieren. Die Stummfilme haben wegen der Kooperation mit den Klangspuren den
Termin im September.
Hannes Schlosser: Gibt es weitere Kooperationspläne?
Gertraud Eiter: Für 2007 mit dem Filmfestival „Tricky Women“. Dann steht zur
Diskussion, wieder mit dem Frauenfilmfestival Paris zusammenzuarbeiten und es gibt
Gespräche mit dem ArchFem, eine gemeinsame Veranstaltung zu organisieren ...
Gerlinde Schwarz: ... und die bestehende Kooperation mit den Klangspuren
auszubauen.
Notfallpläne gegen den Finanzkollaps
Hannes Schlosser: Film braucht lange Vorlaufzeiten. Wie könnt ihr, ohne zu
wissen, wie viel Geld nächstes Jahr zur Verfügung steht, jetzt schon in
wesentlichen Zügen ein Programm für 2007 zusammenstellen?
Gertraud Eiter: Das Problem hatten wir auch heuer. Deswegen war auch klar, dass die
ersten drei Monate möglichst sparsam kalkuliert werden müssen und noch nichts für
die Folgemonate unterschrieben werden kann, solange nicht klar ist, wie viel Geld da
ist. Wir haben im Prinzip immer Notfallpläne mit Billigstvarianten, wenn wir sehen, es
ist finanziell nicht mehr drinnen. Das bedeutet aber, dass bestimmte Filme nicht mehr
nach Innsbruck gebracht werden können und es hat einen starken Einfluss auf die
Einladungen von Regisseurinnen und Referentinnen, denn meist müssen diese früh
genug kontaktiert werden.
Hannes Schlosser: Steckt da auch ein persönliches Risiko drinnen?
Gertraud Eiter: Zum Glück nicht.
Hannes Schlosser: Wer trägt das Risiko?
Gerlinde Schwarz: Das Otto-Preminger-Institut hat eine Ausfallhaftung übernommen,
falls die Kinosäle leer bleiben würden, was Gott sei dank nicht der Fall ist...
Gertraud Eiter: Wenn der Verein OPI wirklich ein Defizit abdecken müsste, gäbe es
natürlich die Frage, wie lange unser Projekt noch existieren würde.
Hannes Schlosser: Gibt es ein Stammpublikum?
Gerlinde Schwarz: Es gibt ein paar Leute, die schauen sich fast 90 Prozent der Filme
an.
Hannes Schlosser: Und ist euer Publikum insgesamt weiblich?
Gerlinde Schwarz: Es gehen generell mehr Frauen als Männer ins Kino und bei
kinovi[sie]on wird’s auch so sein. Aber es sind nicht 90 Prozent Frauen, sondern
vielleicht 60.
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Hannes Schlosser: Gibt’s einen Austausch mit dem Publikum?
Gertraud Eiter: Es gibt Rückmeldungen von einzelnen Besucherinnen und Besuchern,
die nach der Filmpräsentation uns bestätigen, dass ihnen das Programm gefällt.
Teilweise kommen auch positive Rückmeldungen per Mail.
TKI open für mehrjährigen Projekte
Hannes Schlosser: Verändert TKI open etwas in der heimischen
Kulturlandschaft?
Gerlinde Schwarz: Ganz sicher. Es wird wahrscheinlich dadurch oft auf Defizite
aufmerksam gemacht. Diese rücken dann zumindest für ein Jahr einmal in das
Blickfeld der Tiroler Öffentlichkeit. Schade finde ich, dass die Förderung durch TKI
open auf ein Jahr beschränkt ist, weil man gezwungen wird, in einem Jahr sehr viel zu
machen. Man bringt wahrscheinlich gar nicht alles unter, was man machen möchte.
TKI open ist ein guter Impuls, aber vielleicht ein zeitlich zu kurzer. Vielleicht wären
maximal drei Jahre besser.
Hannes Schlosser: Hilft TKI open andere Projekte kennen zu lernen?
Gertraud Eiter: Was ich total schön gefunden habe ist, dass es dieses eine Treffen
gegeben hat. Dabei bin ich noch einmal auf die anderen Projekte aufmerksam
geworden. Man kennt dann die Leute und hat die Möglichkeit, sich wirklich
abzusprechen oder eben Kontakt aufzunehmen.
Prinzipiell werden durch TKI open ganz viele Gruppen und Initiativen motiviert, Projekte
zu machen und es wird ersichtlich, wie viel kreatives Potenzial in Tirol da wäre. Auch
ich finde es schade, dass die Projektförderung auf ein Jahr limitiert ist. Wenn man die
finanzielle Unterstützung von TKI open weiter haben möchte, muss man sich ein neues
Konzept einfallen lassen, selbst dann, wenn ein Projekt gut funktioniert hat und gut
gelaufen ist. Super finde ich die starke Unterstützung durch Helene und Gudrun im
TKI-Büro, auch was die ganzen Einreichungs- und Abrechungsmodalitäten betrifft. Toll
finde ich, dass sie sich auch politisch für verschiedenste Initiativen einsetzen, an die
Politik herantreten und darauf aufmerksam machen, dass eben zu wenig Geld da ist für
Kulturinitiativen abseits des Mainstreams.
Hannes Schlosser: Wie gefällt euch das ganz spezifische Procedere von TKI
open
Gerlinde Schwarz: Ich finde es gut, dass die Jury jährlich wechselt. Tirol ist ja doch ein
kleines Land und im Endeffekt wären wahrscheinlich Sympathien ausschlaggebend,
wenn immer die gleichen Leute diese Jury besetzen würden.
Gertraud Eiter: Die öffentliche Jurysitzung finde ich gut. Offen ist für mich, ob die
Konzepte auch so realisiert werden, wie sie der Jury präsentiert werden. Wenn ein
Projekt zum Beispiel auf Grund finanzieller Engpässe genau den Aspekt nicht macht,
wegen dem es von der Jury ausgewählt wurde. Durch TKI open sind ja nur ein Teil der
Projektkosten abgedeckt. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man muss
Abstriche machen oder hat Glück und findet zusätzliche Geldquellen.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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Sozial Benachteiligten eine Stimme geben
Ein Gespräch mit Mesut Onay vom Kulturverein Evrensel über das Projekt „Der
Koffer“, geführt am 7.12.2006
Hannes Schlosser: Der Koffer, ein interkulturelles Tanztheater, ist am letzten
Sonntag im Treibhaus aufgeführt worden. Was soll ich mir darunter vorstellen?
Mesut Onay: Es waren verschiedene ethnisch-kulturelle Gruppen und Altersklassen
beteiligt. Um Interkulturalität und Inhalte zu unterstreichen, haben wir Tanz, Theater
und Gesang gekoppelt.
Hannes Schlosser: Und um welche Inhalte ist es dabei gegangen?
Mesut Onay: Der Inhalt war es, Probleme, Bedürfnisse, Träume und Wünsche von
sozial benachteiligten Gruppen darzustellen. Die Konkretisierung ist den betroffenen
Gruppen überlassen worden, indem sie aus ihren eigenen Erfahrungen berichtet
haben.
Hannes Schlosser: Im Vorfeld gab es Fokusgruppen. Wer war daran beteiligt?
Mesut Onay: Wir hatten insgesamt fünf Fokusgruppen. Eine war mit Besuchern von
Jugendzentren, das sind schwerpunktmäßig Migrantenjugendliche. Es gab auch eine
Fokusgruppe von Frauen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund und Alter.
Dann eine Gruppe mit Jungarbeitern, Lehrlingen und Lehrstellen- bzw. Arbeit
suchenden Jugendlichen. Eine mit Arbeitern, verschiedenen Alters und Herkunft und
eine Gruppe von Asylwerbern. Da waren wir in der Triendlgasse im Asylwerberheim
und haben geschaut, mit männlichen und weiblichen Asylwerbern eine Diskussion
aufzubauen.
Hannes Schlosser: An der eigentlichen Aufführung haben an die 50 Menschen
mitgewirkt und in den Fokusgruppen glaube ich noch einmal so viel. Die Jury
hatte Zweifel, dass das in der Dimension funktionieren kann.
Mesut Onay: Es hat funktioniert. Insgesamt sind 48 Leute aufgetreten. Mit Technik und
allem möglichen waren es über 50 Leute, die direkt beim Auftritt mitgewirkt haben. Die
Fokusgruppen waren unterschiedlich groß. In der Jugendzentrumsgruppe waren circa
20 Jugendliche dabei, ansonsten waren es Gruppen mit jeweils fünf bis sieben
Teilnehmern. Die Jury hat das als schwer realisierbar bewertet. Für mich war von
Anfang an klar, es ist machbar. Aufgrund der Zugänge, die ich zu den
unterschiedlichen Szenen habe, auch im Freundes- und Bekanntenkreis und im
Arbeitsumfeld. Super war, dass Berna Karayilan, die Koordinatorin unseres Vereins
Evrensel, das ganze Vereinsumfeld in Bewegung gesetzt hat. Sie hat in Notsituationen
Leute hergezaubert, die uns geholfen haben. In der Arbeitsphase hat einfach alles
zusammengepasst.
Hannes Schlosser: Ursprünglich hätte die Aufführung im Sommer sein sollen,
jetzt war sie im Dezember. Was war die Ursache für diese Verzögerungen?
Mesut Onay: Ich habe das Projekt geschrieben und die ganze Zeit darüber
nachgedacht. Daraus entstand ein Informationsvorsprung gegenüber den Leuten, mit
denen ich im Endeffekt in der Vorbereitungsphase zusammen gearbeitet habe. Ich
hatte ein Bild im Kopf, das ich aber den anderen zu wenig vermittelt habe. Das war ein
Fehler. Es ist wichtig, schon in der Phase der Konzeptausarbeitung mit den
Schlüsselkräften und Multiplikatoren gemeinsam dieses Bild zu entwickeln. Nur so
können sie sich alle von Anfang an identifizieren und die Motivation entwickeln, mit zu
arbeiten.
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Talentetausch statt barem Geld
Hannes Schlosser: Dieses sehr große Projekt musste mit wenig Geld
auskommen. Wie war das zu schaffen?
Mesut Onay: Dank TKI open haben wir die beim Land beantragte Summe von 5.300,Euro bekommen. Deshalb hat sich der Folge auch die Stadt Innsbruck beteiligt. Der
Bund war weniger begeistert und wir haben die 3.000,- Euro, um die wir angesucht
haben, nicht bekommen. Wir haben dann gemacht, was wir immer machen: Über
Talentetausch und Freundschaften und darüber, dass manche halt nichts bekommen.
Hannes Schlosser: Das heißt, der größere Teil hat das gratis gemacht?
Mesut Onay: Geld bekommen haben nur zwei Theaterpädagogen, der Techniker, der
Mann, der die Musik zusammen geschnitten hat und die angestellte Koordinatorin. Sie
war geringfügig angestellt, hat aber den ganzen Tag gearbeitet.
Hannes Schlosser: Für die anderen Beteiligten, die nichts bekommen haben, war
das okay?
Mesut Onay: Ich habe vergessen zu sagen, dass auch die Tanzgruppe etwas
bekommen hat. Nicht die einzelnen Personen, sondern der Trägerverein. Es waren
außerdem sehr viele Schüler dabei und die waren froh, kostenlos von professionellen
Leuten Unterricht zu erhalten. Ich unterrichte selbst Tanz und normalerweise zahlen
meine Schüler für den Unterricht. Im Projekt haben sie von mir Unterricht erhalten,
aber nichts zahlen müssen. Sozusagen ein Talentetausch: Sie treten für mich auf, ich
unterricht sie. So ist es halt schwer, aber doch gegangen. Wobei ich sagen muss,
wären nicht so viele Leute zum Auftritt gekommen, wäre es finanziell ein Desaster
geworden.
Hannes Schlosser: Ist das Partizipative am Konzept aufgegangen?
Mesut Onay: Die betroffenen Menschen haben in den Fokusgruppen ihre Inhalte
gesagt und das ist dann in die Geschichte eingeflossen. Das kam weder von den
Theater- oder Tanzpädagogen, noch von mir als Konzeptschreiber. Das schöne ist,
dass Leute die normalerweise keine Stimme haben, dadurch eine Stimme bekommen
haben.
Interkulturellen Anspruch eingelöst
Hannes Schlosser: Oft, wenn interkulturell drauf steht, finden sich unter den an
der Produktion beteiligten und im Publikum hauptsächlich Menschen mit einem
migrantischen Hintergrund. Wie war das in dem Fall?
Mesut Onay: Die 48 Leute auf der Bühne waren bunt gemischt, ich würde sagen fiftyfifty. Im Publikum waren um die 70 Prozent Mehrheitsösterreicher, der Rest
Österreicher mit Migrationshintergrund und eine kleine Gruppe von AsylwerberInnen,
die in den Fokusgruppen dabei gewesen sind. Unser Ziel einer interkulturellen
Bühnenarbeit ist voll aufgegangen.
Hannes Schlosser: Ursprünglich war eine einzige Aufführung geplant. Das hat
sich, glaube ich, inzwischen geändert?
Mesut Onay: Die Veranstaltung im Treibhaus war ausverkauft und alle die es gesehen
haben, meinten, es sei schade, dass es dieses Projekt nur einmal gibt. Ende Jänner,
Anfang Februar wird es eine zweite Aufführung im Salzlager in Hall geben. Außerhalb
von Tirol sind Aufritte in Graz, Linz und Wiener Neustadt fixiert und auch mit Wien
schaut es gut aus. Die Leute, die da mit gemacht haben, sind so begeistert, dass
schon ein Nachfolgeprojekt angedacht wird.
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Hannes Schlosser: Welcher Art?
Mesut Onay: Wir setzen auf plakative Präsentationstechniken und bringen für das
Publikum klare politische Aussagen auf die Bühne. Der Schwerpunkt bleibt bei Tanz,
Theater und Gesang mit den gleichen Tanzgruppen und Tanzschulen. Wir wollen aber
auch neuen Leuten die Möglichkeit geben, mitzumachen.
Konzentrieren auf den kulturellen Part
Hannes Schlosser: Was ist für dich das Besondere an TKI open?
Mesut Onay: Ohne TKI open hätten wir auf keinen Fall auftreten können. Besonders ist
dabei, dass eine unabhängige Fachjury Kunst und Inhalt bewertet und nicht wie üblich.
Also etwa mit der Fragestellung, ist das ein Migrantenverein oder ein inländischer
Verein, oder ist das ein Traditionsverein oder ein Subkulturverein. Wir haben durch TKI
open die unbedingt notwendige Summe zur Realisierung bekommen – mehr als jemals
zuvor für eines unserer Projekte. Da haben wir oft echt betteln gehen müssen und
hatten uns statt auf das Kulturelle auf das Wirtschaftliche zu konzentrieren.
Hannes Schlosser: Das Procedere von TKI open ist sehr aufwändig. Braucht es
das?
Mesut Onay: Ich finde nicht, dass man das vereinfachen sollte. Die Transparenz von
TKI open ist sehr wichtig. Da weiß man aufgrund welcher Kriterien entschieden worden
ist. Bei anderen Förderschienen wissen wir nicht, warum wir nichts oder nur
symbolische Beträge bekommen haben.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
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Politische Texte endlich verstehen
Ein Gespräch mit Albrecht Dornauer von NLK-Kultur über das Projekt
„RAP:POLITIX...OmÜ-Konzerte und das Erbe der Väter“, geführt am 6.2.2007
Hannes Schlosser: RAP:POLITIX, eine Konzertreihe - Original mit Übertitel. Was
hat das Ganze für einen Zweck gehabt?
Albrecht Dornauer: Der Zweck war, dass man endlich versteht, was auf der Bühne
gesagt wird. In der Live-Atmosphäre geht die Sprache meistens unter. Wenn man
zwischen den Instrumenten die – meist englische - Sprache herausfiltern und
verstehen soll, sie übersetzen und vielleicht auch noch einen vielleicht sarkastisch
angehauchten Sinn verstehen soll, dann ist das für den Moment wahrscheinlich zu viel.
Deshalb haben wir uns entschlossen, wie bei der Untertitelung von Kinofilmen
vorzugehen.
Hannes Schlosser: Es geht um HipHop und Rap. Sind das die Musikrichtungen,
wo der Text an und für sich eine zentrale Rolle spielt.
Albrecht Dornauer: Bei Rock oder Singer/Songwriter oder teilweise vielleicht auch bei
Punk geht’s natürlich auch um die Texte. Aber ich sage jetzt einmal, HipHop und Rap
ist die einzige elektronische Musikrichtung wo es wirklich um den Text gehen sollte.
Hannes Schlosser: Von den Wurzeln her ist das hochpolitisch?
Albrecht Dornauer: Ja, aber es gibt von Anfang an zwei Strömungen. Die einen sind
die politischen und sagen: uns geht’s schlecht, lass uns was verändern. Die anderen
sagen: uns geht’s schlecht, aber machen wir uns trotzdem jetzt eine gute Zeit. Lasst
uns feiern und denken wir über alles andere nicht nach.
Hannes Schlosser: Aber die politische Strömung ist bis heute lebendig
geblieben?
Albrecht Dornauer: Auf jeden Fall.
Hannes Schlosser: Ist dem Publikum, das zu deinen normalen Konzerten kommt
diese politische Textebene wichtig oder kommen die in erster Linie wegen der
Musik?
Albrecht Dornauer: Ich glaube schon, dass sich unser Stammpublikum mit den Texten
beschäftigt und darauf achtet, was da gesagt wird.
Hannes Schlosser: Das TKI open-Projekt war eine Reihe mit vier Konzerten?
Albrecht Dornauer: Vier Konzerte waren geplant, es waren dann effektiv drei. Alle
Bands haben schon vorher einmal in Innsbruck gespielt. Das war einfacher für die
Kontaktaufnahme, weil man sich halt schon kennt. Das ganze Procedere war dann so,
dass die Bands uns die Texte vorher schicken mussten, weil wir diese ja zu übersetzen
hatten. Am Konzertabend ging es noch darum, in welcher Reihenfolge sie dann die
Nummern spielen.
Begeisterte Bands
Hannes Schlosser: War das schwierig, Bands von dieser Idee zu überzeugen?
Albrecht Dornauer: Alle, die wir angesprochen haben, waren sofort begeistert. Eine
Band hat gemeint, dass sie sich das für die ganze Tour auch vorstellen könnten.
Hannes Schlosser: Wie sehr ist es einschränkend, dass sich die Bands an einen
fixen Ablauf halten müssen und improvisieren ausgeschlossen ist.
Albrecht Dornauer: Wir haben bei einem Konzert Improvisationszwischenräume
gelassen. Weil das jemand war, der sehr viel frei improvisiert. Da haben wir vereinbart,
© TKI open 06. don’t take it private, take it politically! Interviews mit den ProjektbetreiberInnen, März 2007
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drei Nummern nach Plan, dann eine Nummer oder was auch immer du machen willst
ohne Übersetzung. Das kann man sich ja alles vorher ausmachen. Ganz so frei ist es
nicht mehr. Aber das ist halt der Preis, den man dafür zahlt, verstanden zu werden.
Hannes Schlosser: Funktioniert hat das mit einem Beamer, der die Texte über
der Band auf die Wand projiziert hat?
Albrecht Dornauer: Genau.
Hannes Schlosser: Wie hat das Publikum reagiert?
Albrecht Dornauer: Das ist schwer zu sagen. Aber ich habe schon nach den Konzerten
von unseren Stammgästen, die Rückmeldung bekommen, dass es ganz lässig war,
einmal zu lesen, worum es da eigentlich geht. Ich glaube, dass die Leute, die zu
unseren Konzerten kommen, sich auf jeden Fall mit den Texten beschäftigen. Vielleicht
nicht mit jenen, die am betreffenden Abend zu hören sind, aber insgesamt, wenn sie
sich Musik aus dieser Richtung anhören. Zu den Konzerten im Rahmen des Projekts
sind sicher Leute gekommen, die ganz speziell daran interessiert waren.
Hannes Schlosser: Im Konzept waren rund um die Konzerte Vorträge und
Diskussionen geplant.
Albrecht Dornauer: Das stimmt. Allerdings war es dann so, dass wir von der
angesuchten Summe nur einen Teil bekommen haben und daher ist dieses
Rahmenprogramm ziemlich eingespart worden, ja. Es wäre nötig gewesen, dass die
Bands einen Tag oder zwei Tage länger bleiben. Aber wir hatten nicht das Geld, Bands
exklusiv einzufliegen und mussten Bands nehmen, die auf Tour sind - und die haben
meistens am nächsten Tag wieder ein Konzert.
Hiphop in Gebärdensprache
Hannes Schlosser: War dieses Rahmenprogramm vom Konzept her ein
zusätzlicher Aspekt oder ist da ein zentraler Teil entfallen?
Albrecht Dornauer: Also das Kernstück sind die Übertitelungen im Konzert und das ist
aufgegangen. Ich sage aber auch, dass für uns das ganze Projekt eigentlich eine Art
Probelauf war. Ich bin mir sicher, dass man das ausbauen könnte. Zum Beispiel ein
Austauschprojekt mit den neuen EU-Ländern. Normalerweise endet für eine Band, die
auf Text basiert, die Auftrittsmöglichkeit am Ende ihres Sprachraums. Abgesehen von
englisch und eventuell noch französisch. Vom Prinzip her ist es sehr unwahrscheinlich,
einmal eine polnisch singende Band in Innsbruck zu sehen. Sie fragen ja nicht einmal,
weil sie sich denken, das versteht sowieso keiner und hat daher keinen Sinn. Das
Projekt könnte man wunderbar erweitern. Ich denke dabei auch an Integration. Zum
Beispiel mit türkischen und österreichischen Bands an einem Abend und beide werden
übersetzt, die einen auf deutsch, die anderen auf türkisch
Hannes Schlosser: Ihr habt ja eine Software entwickelt, die das ermöglicht.
Albrecht Dornauer: Ja, das ist eine opensource-Linux-Software, die für jeden frei
verfügbar ist. In Linz soll das ganze bei einem Multimediaprojekt eingesetzt werden.
Hannes Schlosser: Habt ihr selber vor, es bei Konzerten wieder einzusetzen?
Albrecht Dornauer: Wir haben jetzt bis Mai wahrscheinlich eine Konzertpause, weil uns
das Geld ausgegangen ist. Aber im Prinzip wollen wir das auf jeden Fall weiterführen.
Nur haben wir auch viele andere Ideen. Wir wollen auch einmal ein Konzert in
Gebärdensprache übersetzen oder für Kinder ein HipHop-Konzert machen. Das reizt
uns im Moment mehr, weil wir die Übertitelung halt schon gemacht haben.
Hannes Schlosser: Gibt es 2007 wieder ein TKI open-Projekt?
Albrecht Dornauer: Ja, bei einem sind wir direkt beteiligt, bei einem anderen helfen wir
Bekannten aus Wien.
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Hannes Schlosser: Die Jury war von dem Konzept sehr begeistert. Kritisiert hat
sie, es sei zu wenig geschlechtersensibel.
Albrecht Dornauer: Das hat mit dem Untertitel „OmÜ-Konzerte und das Erbe der Väter“
zu tun. Das war ein Scherz, der nicht angekommen ist. Als ich das Projekt konzipiert
habe, ist gerade die Piefkesaga im Fernsehen gelaufen und im vierten Teil sagen sie ja
immer wieder: „Das Erbe der Väter, woasch eh“, zu einem Zeitpunkt. wo alles schon
ziemlich kaputt ist. Ich habe da eine ganz amüsante Verbindung zum Rap:PolitixProjekt gesehen, weil es um diese zwei Strömungen geht, die es halt schon lange gibt.
Darauf war dieses „Erbe der Väter“ bezogen. Ein schlichtes Missverständnis der Jury.
Stadt Innsbruck soll sich beteiligen
Hannes Schlosser: Wie wichtig ist TKI open?
Albrecht Dornauer: Es ist ein irrer Impuls für die Tiroler Kulturszene. Man wird
angehalten, neben seinem täglich Brot, wenn ich es einmal so nennen darf, sich
Gedanken zu machen, ob man nicht einen Schwerpunkt setzen will. Das werden dann
die Highlights jedes Jahr. Wir haben jetzt das vierte Jahr hintereinander immer Projekte
bei TKI open. Wir wären wahrscheinlich nie in die Richtung gegangen, Projekte zu
konzipieren. Wahrscheinlich hätten wir immer nur unsere Konzerte gemacht, was ja
auch schon sehr erfüllend ist, zeitlich und ressourcenmäßig.
Hannes Schlosser: Wie seid ihr zum Konzerte veranstalten gekommen?
Albrecht Dornauer: Was uns interessiert, gab es nicht, also haben wir damit
angefangen, das irgendwie selber zu machen. Inzwischen ist es so, dass wir bis auf
drei von unseren Lieblingsmusikern wirklich alle da gehabt haben. Ich sage das gerade
deshalb, weil sich die Leute beschweren, dass Innsbruck so langweilig ist und nichts
los sei. Dann muss man halt was machen und sich nicht darauf verlassen, dass das
jemand anderer macht.
Hannes Schlosser: Gibt es am Modell TKI open etwas zu ändern?
Albrecht Dornauer: Meiner Meinung nach müsste auf jeden Fall die Stadt Innsbruck
einsteigen, weil viele der Projekte in Innsbruck stattfinden. Im Moment will sich die
Stadt halt nicht in diese Richtung positionieren. Vielleicht ändert sich das in Bezug auf
alternative Kulturarbeit einmal. Die Arbeit der baettlegroup for art mit www.baettle.net
ist ja schon ein vielversprechender Anfang. Wünschen würde ich mir mehr Austausch
zwischen den TKI open-Projekten. Ich würde es auch gerne sehen, wenn alle Projekte
dokumentiert würden. Am besten auf der TKI-Homepage, mit ein paar Fotos und einem
kurzen Text.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
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Szenen einer scheinbar glücklichen Jugend
Eine Gespräch mit Katharina Winkler und Lukas Crepaz von der „Theatergruppe
Nothdurft – Verein für Theater“ über das Projekt „Ausbruch_Stimmung“, geführt
am 27.4.2006
Hannes Schlosser: Einerseits heißt die Gruppe „Nothdurft“ und andererseits
„Die DiletTanten“ – was stimmt jetzt?
Katharina Winkler: Seit es uns gibt, heißen wir DiletTanten. 2003 haben wir für ein
internationales Theaterprojekt bei der EU angesucht und mussten dafür einen Verein
gründen und da wollten wir einen seriöseren Namen haben. Und deswegen heißen wir
seitdem Nothdurft.
Hannes Schlosser: Was ist das programmatische an „Nothdurft“?
Lukas Crepaz: „Not dürftig“ ist etwas, was man unbedingt braucht.
Hannes Schlosser: Und wieso mit „th“?
Katharina Winkler: Weil es die alte Schreibform ist.
Hannes Schlosser: Das besondere an der aktuellen Produktion war, dass ihr als
Ausgangsmaterial eure eigene Lebenssituation genommen habt.
Lukas Crepaz: Die Ausgangssituation sind unsere Sorgen und Wünsche. Das
besondere ist auch noch, dass wir uns einen Autor dazu geholt haben und mit diesem
in einer Schreibwerkstätte das Stück erarbeitet haben. Danach hat ein professioneller
Regisseur das Stück inszeniert.
Katharina Winkler: Beim ersten Schritt war es ganz wichtig, dass alle für sich selber
gearbeitet haben, ohne zu wissen, was die anderen schreiben. Im Endeffekt haben
sich dann so drei, vier Themen heraus kristallisiert.
Lukas Crepaz: Diese Texte haben wir dem Thomas Gassner geschickt, dem Autor. Der
hatte zu schauen, was es an Gemeinsamkeiten gibt und auf welche Themen es sich
zuspitzt.
Katharina Winkler: Der zweite Schritt war dann das Kennenlernen mit dem Thomas
Gassner. Wir wollten ja nicht ein Auftragswerk haben, sondern mit ihm ein Stück
schreiben. Und deswegen war es für ihn auch wichtig, uns als Gruppe und auch als
SchauspielerInnen kennen zu lernen. Wir haben dann Improvisationen gemacht ...
Lukas Crepaz: ... und auch so Dreier-Szenen geschrieben. Das war dann der dritte
Schritt, bei dem wir eine der vorher improvisierten Rollen mit eingebaut haben.
Katharina Winkler: Bei der freien Improvisation ist ganz viel von uns gekommen. Der
Thomas Gassner hat ganz wenig vorgegeben. Wir haben einfach gespielt und
Situationen entstehen lassen, die ihm eine Tendenz gezeigt haben, wohin das gehen
soll.
Zu sechst ein Theaterstück schreiben?
Hannes Schlosser: Wie kam dann der fertige Text zustande?
Lukas Crepaz: Am Anfang war es so geplant, dass wir überhaupt die Geschichte
selber schreiben. Das ist sich dann von der Zeit her nicht mehr ausgegangen und auch
vom Budget, weil das auch viel mehr Zeit vom Thomas Gassner gebraucht hätte, da
mitzuarbeiten. Als wir die erste Version von dem Text bekommen haben, den dann er
geschrieben hat, waren wir am Anfang ziemlich überrascht, weil beim ersten
Durchlesen der Eindruck war, dass überhaupt nichts von uns drinnen war.
Katharina Winkler: Bevor er das geschrieben hat, gab es eine sehr lange Besprechung.
Das war uns ganz wichtig. Da haben wir wirklich den Rahmen der Geschichte fixiert.
Aber es ist halt so, man kann zu sechst kein Theaterstück schreiben. Aber wir haben
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wirklich alles so vorgegeben, dass es nur mehr eine dramaturgische Form gebraucht
hat.
Hannes Schlosser: Und wie hat euch das Stück gefallen?
Lukas Crepaz: Beim ersten Durchlesen haben sich zwei Fronten gebildet. Zwei denen
es ziemlich gut gefallen hat, durchgehend. Und vier denen eigentlich der erste Teil gut
gefallen hat und der zweite Teil nicht.
Katharina Winkler: Ich war bei den Vieren dabei.
Lukas Crepaz: Ich auch. Denn wozu haben wir Texte geschrieben, wenn das dann
eigentlich gar nicht drinnen ist. Wir haben das dann auch mit dem Alexander Kratzer
besprochen, der die Regie gemacht hat...
Katharina Winkler: Dem hat das gleich sehr gut gefallen.
Hannes Schlosser: Die Version, mit der ihr zwei Probleme hattet?
Lukas Crepaz: Ja. Nach einer großen Diskussion haben wir uns entschieden: Wir
regen uns nicht mehr auf über den Text, sondern machen halt etwas draus. Mit der Zeit
sind wir erst draufkommen, wie viel von den Themen, die wir am Anfang gehabt haben,
im Stück stecken.
Katharina Winkler: Im Endeffekt ist ganz viel von uns drinnen. Und auch viel von dem,
was wir eigentlich machen wollten: Eine Reflexion unserer Generation.
Hannes Schlosser: Im Konzept, das ihr bei TKI open eingereicht habt, kommt die
Formulierung vor: „Kinder einer behüteten und übersättigten Wohlstandsgesellschaft“. Ist das euer Selbstverständnis?
Katharina Winkler: Ja. Wir haben letzten Sommer ein Projekt mit jungen Asylwerbern
gemacht. Da haben wir gesehen, aus was für einer behüteten und glücklichen Welt wir
in Österreich eigentlich kommen, wir jungen Leute.
Lukas Crepaz: Wir müssen uns alle keine Gedanken machen, wie wir überleben.
Natürlich gibt’s Schwierigkeiten. Man muss natürlich Jobs annehmen und so, aber wir
hätten nie Probleme ...
Katharina Winkler: ... wir können alle studieren. Bei uns gibt es keinen Bürgerkrieg –
alleine schon das. Wir leben in einer sicheren Zeit.
Lukas Crepaz: Wir müssen uns eigentlich nicht wirklich Sorgen machen, wie es mit uns
weitergeht.
Katharina Winkler: Aber genau das machen wir. Um das geht’s ja, weil auch wir vor
Entscheidungen stehen. Deshalb heißt es ja „scheinbar glückliche Jugend“. Wir
machen alle ein Studium, aber wir wissen noch nicht, ob es das ist, was wir in zehn
Jahren auch noch machen wollen.
Lukas Crepaz: Das Stück ist eigentlich total negativ, wenn man sich das anschaut.
Wenn jemand gerade nicht gut drauf ist und sich das anschaut, dann kann es einen
ziemlich niederschmettern.
Hannes Schlosser: Negativ im Sinn von, „Es gibt keine guten Perspektiven“?
Katharina Winkler: Negativ in dem Sinn, dass eigentlich alle Personen nicht wirklich
wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Was sie heute machen, kann ihnen
morgen schon nicht mehr Spaß machen oder es bringt ihnen nichts. Nichts
emotionales, keine Befriedigung.
Real oder total übertrieben?
Hannes Schlosser: Gehen wir noch auf die Arbeit mit dem Regisseur ein. Habt
ihr ihm freie Hand gelassen?
Lukas Crepaz: Wir haben den Alexander Kratzer ausgesucht, weil wir davor eigentlich
nie mit jemandem gearbeitet haben, der aus dem traditionellen Sprechtheaterbereich
kommt. Katharina Winkler: Wir sind ja alles Laien und er hat uns schauspielerisch
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weiter gebracht, weil er ganz genau darauf eingegangen ist, wie im traditionellen
deutschsprachigen Theater gearbeitet wird.
Hannes Schlosser: Ihr habt es drei Mal aufgeführt. Wie war die Resonanz?
Katharina Winkler: Gut eigentlich...
Lukas Crepaz: Die Leute waren sehr beeindruckt, zum Teil auch total betroffen.
Katharina Winkler: Es ist das, was wir eigentlich erreichen wollten. Wir wollten ja nicht
unterhalten. Wir wollten ja was aussagen mit dem Stück. Und es hat wirklich die
meisten Leute einfach berührt und erreicht.
Lukas Crepaz: Von zwei, drei Lehrern habe ich gehört: Ja, das ist das, was wir täglich
erleben.
Katharina Winkler: Das war so real. Das hat so gestimmt.
Lukas Crepaz: Dabei haben wir uns gedacht, eigentlich ist das total übertrieben.
Zugleich hat es vor allem den Jugendlichen sehr gut gefallen. Und dann hat es noch
einige gegeben, denen es natürlich überhaupt nicht gefallen hat.
Katharina Winkler: Die haben gesagt: Wir haben mit dem nichts anfangen können.
Hannes Schlosser: Gibt es neue Projekte?
Katharina Winkler: Nein. Also wir überlegen uns höchstens, dass wir Projekte machen
mit einer Regisseurin aus Belgrad, die 2003 beim Projekt „on the way seeking“ dabei
war. Da haben verschiedene Gruppen teilgenommen und sie war die Regisseurin von
einer anderen Gruppe. Mit ihr haben wir noch Kontakt und wir überlegen, ob wir was
mit ihr machen. Überhaupt einmal mit einer Frau. Wenn wir was machen, dann mit
einer Regisseurin.
Hannes Schlosser: Seid ihr eine geschlossene Gruppe oder kann jemand
kommen und sagen: Ich will jetzt auch mitmachen?
Lukas Crepaz: Doch. Also wir sind dabei, zu überlegen, dass wir das erweitern. Wir
denken an Leute, die uns besser kennen, weil es sonst schwierig ist.
Katharina Winkler: Und wir hätten auch gerne eine ausgeglichenere
Geschlechterverteilung. Es gibt so wenig Stücke für vier Frauen und zwei Männer. Da
gibt es fast nichts. Es gibt eher was für vier Männer und zwei Frauen, leider.
Projekte mehr vernetzen
Hannes Schlosser: Warum habt ihr euer Projekt bei TKI open eingereicht?
Lukas Crepaz: Weil TKI open Projekten eine Plattform bietet, die sonst schwierig eine
Förderung finden.
Hannes Schlosser: Ich finde an TKI open das Procedere so spannend. Wie ist
das euch gegangen?
Lukas Crepaz: Als TKI-Vorstandsmitglied war ich diesmal auch bei der Jurysitzung
anwesend. Das war ziemlich spannend. Zu unserem Projekt habe ich natürlich nichts
gesagt. Ich finde die Diskussionen, die da entstehen auch sehr gut. Schwierig ist
natürlich, dass die Zuhörer bei der öffentlichen Jurysitzung kein Statement mehr
abgeben dürfen, weil sonst andere benachteiligt sind, die nicht dabei sind.
Hannes Schlosser: Was würdet ihr an TKI open ändern?
Katharina Winkler: Vielleicht ein bisschen mehr Vernetzung unter den Projekten. Wir
sind nur einmal eingeladen worden, wo wir alle geförderten Projekte ein bisschen
kennen gelernt haben. Das ist so abgelaufen, dass wir uns zusammen gesetzt haben
und jeder hat über sein Projekt etwas erzählt und wann es stattfindet. Aber man hört
danach eigentlich nichts mehr darüber.
Hannes Schlosser: Danke für das Gespräch
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