Forum: Kommunalaufsicht
Transcription
Forum: Kommunalaufsicht
TAGUNGSBERICHT Forum: Kommunalaufsicht... ...im Spannungsfeld von kommunaler Selbstverwaltung und gesamtstaatlicher Verantwortung Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen 3 Vorwort Die kommunale Selbstverwaltung, ihre Aufgaben, ihre Entwicklung und ihre politische Bedeutung finden in der politischen wie wissenschaftlichen Diskussion hohe Aufmerksamkeit, mit Recht. Die Beachtung der Kommunalaufsichtsverwaltung, ihre Aufgaben, ihre Verfahren und ihre Methoden bleibt deutlich dahinter zurück, zu Unrecht. Hier abzuhelfen war die Idee, die zu der Veranstaltung "Forum: Kommunalaufsicht im Spannungsfeld von kommunaler Selbstverwaltung und gesamtstaatlicher Verantwortung" geführt hat. Eingeladen hatte das Innenministerium NordrheinWestfalen und zwar gelegentlich der Beratungen des Arbeitskreises "Kommunale Angelegenheiten" der Innenminister der Länder am 25. Oktober 2000 in Detmold. Die Themenpalette der Tagung umfasste eine Bilanz kommunalaufsichtlichen Handelns ebenso wie die Fragen nach der künftigen Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs oder nach den Auswirkungen der europäischen Rechtsnormen auf die Selbstverwaltung der Gemeinden. Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion, in der neben Innenminister Dr. Fritz Behrens verantwortliche Kommunalpolitiker ihre Vorstellungen über Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht diskutiert haben. In zehn Referaten im Verbund von Wissenschaft und Praxis wurden aktuelle, zentrale Themen behandelt und ihre Bedeutung für künftige Entwicklungen dargestellt. So konnte ein Verwaltungsbereich angesprochen werden, der in der Fachdiskussion leider oft nur verkürzt auf die Rechtsaufsicht behandelt wird. Der gestaltende Aspekt der Kommunalaufsichtsverwaltung und die Verantwortung der Kommunalaufsichtsbehörden für die Gestaltung und Weiterentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung findet allzu oft nur beiläufige Beachtung. Auf die Fragestellung: "Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr?" gab Ministerialdirigent Heinrich Pflock mit seinem Bericht aus der Praxis der Kommunalaufsichtsverwaltung (Innenministerium Hessen) Antworten. Die "ganz andere Sicht der Dinge", konnte Prof. Dr. Janbernd Oebbecke mit seinen Erfahrungen zwischen seinen "Welten" früher beim Landkreistag, heute Geschäftsführender Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Münster - zu diesem Thema einbringen. Aufregende Zeiten liegen hinter uns. Die Finanzkrise des Staates zwang zur Neuordnung des Haushaltsrechts und des kommunalen Finanzausgleichs. In Nordrhein-Westfalen hatte das Innenministerium noch vor wenigen Jahren – so der Titel der einschlägigen Broschüre – festgestellt "Kommunen in Not". Diese Entwicklung 4 wurde begleitet von dem Bemühen, die Kommunalverwaltung fit zu machen für die internationalen Herausforderungen im neuen Jahrzehnt. Es lag deshalb nahe, diese Entwicklung noch einmal Revue passieren zu lassen und die Erkenntnisse aus dieser Zeit für die künftige Arbeit der Kommunalaufsichtsverwaltung nutzbar zu machen. Während Frau Dr. Marga Pröhl, Leiterin des Bereichs Staat und Verwaltung bei der Bertelsmann Stiftung, die Reformabsichten der letzten Jahre herausstellte und bewertete, hatte es Ministerialdirigent Friedrich Wilhelm Held übernommen, die Ereignisse über die Jahre hinweg nachzuzeichnen. Sein Beitrag war Bilanz und Wegweiser zugleich. Die Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs gehört zu den Grundwerten der kommunalen Selbstverwaltung und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ. Eventuelle Zweifel an dieser Aussage wurden durch den heftigen Streit um die Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs in den zurückliegenden Jahren widerlegt. Die Tagung wollte hier eine Zwischenbilanz ziehen. Mit den Referaten von Ministerialdirigent Rudolf Oster und Prof. Dr. Hans-Günter Henneke war deshalb auch die Erwartung an eine Art Resümee zur Entwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in den vergangenen Jahren verbunden. Jedenfalls haben die Referenten mit der an die Zukunft gerichteten Fragestellung ihrer Referate in besonderer Weise auch eine Art Bilanz der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum kommunalen Finanzausgleich gezogen. Es vergeht kein Tag, an dem nicht Auswirkungen der Vereinbarungen zu einem gemeinsamen Europa auf die kommunale Selbstverwaltung nicht nur in der kommunalen Öffentlichkeit diskutiert werden. Dabei fällt auf, dass es häufig nicht um neuere europäische Rechtsetzung geht, sondern um die Auswirkung europäischer Rechtsnormen, die bereits vor einer Reihe von Jahren vereinbart wurden, wie beispielsweise die Beihilfenregelung. Sie wird derzeit im Zusammenhang mit den Sparkassen diskutiert. Prof. Dr. Dirk Ehlers hatte es übernommen, in die Thematik einzuführen und das Spannungsverhältnis von nationalem und europäischem Recht aufzuzeigen. Der europäische Integrationsprozess zwingt uns dazu, bewährte Verfahren und bekannte Institutionen der kommunalen Selbstverwaltung "auf den Prüfstand zu stellen", wie etwa die Sparkassen oder die kommunale Wirtschaft. Nicht alles woran "wir uns gewöhnt" haben und was "uns lieb geworden" ist, wird den Annäherungsprozess der europäischen Staaten überdauern. Wir werden uns deshalb in den europäischen Ländern umsehen und nach Gemeinsamkeiten Ausschau halten müssen. Herr Prof. Dr. Manfred Dammeyer hatte sich dazu als Lotse zur Verfügung gestellt und seine Erfahrungen aus Brüssel, insbesondere aus seiner Präsidentschaft im Ausschuss der Regionen in der EU, in seine Ausführungen eingebracht. 5 Wie kaum ein anderes Thema beherrscht die wachsende Ausgliederung von Aufgaben und Sachmitteln aus der Kommunalverwaltung in kommunaleigene Betriebe die Diskussion um die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung. Das traditionelle kommunale Haushaltsrecht geht wie selbstverständlich davon aus, dass die Kommunen Eigentümer der Ressourcen sind, die sie für die kommunale Aufgabenerfüllung benötigen. Noch vor nicht allzu langer Zeit wäre eine Gemeinde wohl kaum auf die Idee gekommen, ihr Rathaus in eine Eigengesellschaft (Gebäudemanagement) einzubringen und bei sich selbst zur Miete zu wohnen. Heute gibt es bereits Städte, deren Verwaltung in einzelne Betriebe (Unternehmen/Einrichtungen) skelettiert sind und die von einer Holding in der Form einer GmbH mit dem Oberbürgermeister als alleinigem Geschäftsführer geführt (verwaltet) werden. Stadtkämmerer Werner Böllinger schilderte dazu seine Sicht der Dinge aus seinen Erfahrungen als Kämmerer in Köln. Ltd. Ministerialrat Hartmut Beuß meinte aus seiner ministeriellen Tätigkeit: "Was wird künftig noch politisch verantwortet und durch die Organe der kommunalen Selbstverwaltung legitimiert sein, wenn wir nicht nachdenklich betrachten, was modische Erscheinung oder Trend ist?" Düsseldorf, Januar 2001 6 7 Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 3 7 9 Vorträge Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? Heinrich Pflock Prof. Dr. Janbernd Oebbecke 11 21 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Friedrich Wilhelm Held Dr. Marga Pröhl 35 69 Die Zukunft des Kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" Rudolf Oster Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 79 99 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? Prof. Dr. Manfred Dammeyer Prof. Dr. Dirk Ehlers 127 137 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? Werner Böllinger Hartmut Beuß 151 159 Podiumsdiskussion "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer Stichwortverzeichnis 173 197 213 8 9 Abkürzungsverzeichnis ABl. EG Art. Aufl. BayVBl. BayVGH Bbg Bd. BEZ BVerfGE BVerwG DETR DJT DÖV DVBl. EGV EU EuGH FAG GemHVO GG GO GWB h.M Hess. Hrsg. JZ KO LKT NRW LV NdsStGH NdsVBl NRW OVG OVGE PSA Rdn. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Artikel Auflage Bayrisches Verwaltungsblatt Bayrischer Verwaltungsgerichtshof Brandenburg Band Bundesergänzungszuweisung Bundesverfassungsgerichtsentscheidung Bundesverwaltungsgericht Ministerium für Umwelt, Verkehr und Regionen/ Kommunen Deutscher Juristentag Die öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Union Europäischer Gerichtshof Finanzausgleichsgesetz Verordnung über die Aufstellung und die Ausführung des Haushaltsplanes der Gemeinde – Gemeindehaushaltsverordnung Grundgesetz Gemeindeordnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen herrschende Meinung Hessen Herausgeber Juristenzeitung Kommunalordnung Landkreistag Nordrhein-Westfalen Landesverfassung Niedersächsischer Staatsgerichtshof Niedersächsisches Verwaltungsblatt Nordrhein-Westfalen Oberverwaltungsgericht Oberverwaltungsgerichtsentscheidung Public Service Agreements Randnummer 10 Rspr. SpkG StGH BW VFM VGH ZöR Rechtsprechung Sparkassengesetz Staatsgerichtshof Baden-Württemberg Value For Money Verwaltungsgerichtshof Zeitschrift für öffentliches Recht Heinrich Pflock 11 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? 1. Ausgangslage Wer einige Jahre im Bereich der Kommunalaufsicht tätig ist und spezifische Erfahrungen mit Kommunen, Kommunal- und Landespolitikern sowie Bürgern gewonnen hat, dessen Blick mag weniger von spezifisch juristischen Problemen geprägt sein, so interessant sie auch sein mögen, als vielmehr von der generellen Frage nach Entwicklungslinien und Perspektiven. Bei der Zuständigkeitsregelung für die Kommunalaufsicht besteht in Hessen eine Besonderheit: Hessen ist das einzige Flächenland mit dreistufigem Verwaltungsaufbau (Ministerium, Regierungspräsidium, untere staatliche Behörde), bei dem die oberste Kommunalaufsichtsbehörde auch gleichzeitig die Funktion der unteren wahrnimmt. So hat das Ministerium die unmittelbare Aufsicht über die ehemals Freie Reichsstadt Frankfurt. Aus dieser Tradition gespeichertes Selbstbewusstsein prägt sicherlich auch das Verhältnis zur Aufsichtsbehörde. Im Bereich der Finanzaufsicht handelt es sich um ein Haushaltsvolumen der Stadt Frankfurt von ca. 5,0 Mrd. DM. Neben Frankfurt unterstehen noch die Landeshauptstadt Wiesbaden sowie der Umlandverband Frankfurt (ein Regionalverband, der zum 31. März 2001 aufgelöst wird) und der Landeswohlfahrtsverband Hessen als überörtlicher Sozialhilfeträger und Hauptfürsorgestelle mit einem Haushaltsvolumen von über 2,0 Mrd. DM der ministeriellen Kommunalaufsicht. 2. Kommunalaufsichtliche Praxis und Kritik Wie sieht nun die Kommunalaufsicht in der Praxis aus, wie wird sie empfunden, wie bewertet, welche Tendenzen sind erkennbar? Zunächst die Begründung einer Abfallbehörde für eine nur der Kommunalaufsicht zustehenden Anweisung - zitiert im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Kassel vom 25.07.1997 -: "Die Kommunalaufsicht agiert in Hessen äußerst schwerfällig und geht bei für die Gemeinden kostenträchtigen Maßnahmen jeder Auseinandersetzung aus dem Weg." Insoweit ist es nicht verwunderlich, wenn vielfältig, insbesondere im politischen Raum, von "kommunaler Nachsicht" statt Kommunalaufsicht gesprochen wird. 12 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? In einem veröffentlichten Prüfungsbericht des Rechnungshofs als überörtliche Prüfungsbehörde zur Haushaltskonsolidierung von einigen mittelgroßen Städten, den sog. Sonderstatusstädten, von denen einige defizitär waren oder es noch sind, ist die relative Wirkungslosigkeit der Kommunalaufsicht, d.h. der Finanzaufsicht, bemängelt worden. Sie hätte danach zwei Ursachen: Zunächst fehle das Analyseinstrumentarium und folglich zureichende Maßstäbe zur Beurteilung der Haushaltsstabilität. Außerdem stünden der Kommunalaufsicht keine wirksamen Auflagen zur Verfügung. Das eingesetzte Instrumentarium (Haushaltssperre, Wiederbesetzungssperre, Auflösung Haushaltsausgabereste usw.) sei entweder wirkungslos oder in der Gefahr, destruktiv zu wirken. Vielmehr müssten Auflagentypen zur Verfügung gestellt werden, die an der Struktur des Haushalts und ihrer mittelfristigen Entwicklung ansetzten. Diese • dürften das Selbstverwaltungsrecht nicht unangemessen einschränken, • müssten wirksam sein in dem Sinne, dass sie unanfällig gegen Vermeidungsstrategien und in ihrem Erfolg nachprüfbar seien und • sollten positive Signale in Richtung Verwaltungsreform setzen und entsprechende Bemühungen in Kommunen nicht konterkarieren oder bestrafen. Wichtig sei vor allem, dass die Selbststeuerung der Kommune Vorrang haben müsse vor der Fremdsteuerung durch die Aufsicht. In diesem Kontext steht auch die generelle Forderung der Kommunalen Spitzenverbände, die sog. Haushaltsgenehmigungen aufzuheben, d.h. die Genehmigungen der Aufsichtsbehörde für den Gesamtbetrag der Investitionskredite und der Verpflichtungsermächtigungen sowie für Bürgschaften. Begründet wird dies mit praktischen Erfahrungen der aufsichtsbehördlichen Genehmigungen. Unausgesprochen wird damit zum Ausdruck gebracht, dass sie, ebenso wie der Prüfbericht des Rechnungshofes bemerkt, in der Praxis wirkungslos seien. Lediglich bei desolater Finanzlage sei nach Auffassung der hessischen kommunalen Spitzenverbände eine aufsichtsbehördliche Genehmigungspflicht denkbar. Forderungen der Kommunalen Spitzenverbände bzw. der Kommunen auf größere Bewegungsfreiheit bei der Erledigung ihrer Aufgaben finden nachhaltig Unterstützung im politischen Raum. Die Stärkung der Kommunen ist erklärtes Ziel der Hessischen Landesregierung. Vorschriftenabbau und Vorschriftenvereinfachung sind eine der wesentlichen Punkte bei der Verwaltungsreform. Heinrich Pflock 13 In Hessen sind seit 1997 in drei Gesetzen zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung eine Vielzahl von Genehmigungsvorbehalten, Anzeigepflichten sowie Zustimmungs- und Einvernehmensregelungen abgeschafft worden. Allein im Bereich des Kommunalverfassungsrechts sind fast alle Genehmigungsvorbehalte beseitigt worden bis auf die vorgenannten sog. Haushaltsgenehmigungen. Eine derartige Abschaffung wäre nach Erkenntnissen der Aufsichtsbehörden und auch des Präsidenten des Hessischen Rechnungshofes als überörtliche Prüfungsbehörde – entgegen der Auffassung der Kommunalen Spitzenverbände - aber gerade nicht sinnvoll. Es gibt nämlich bestimmte Frühwarnindikatoren, die ein Eingreifen erforderlich machen, bevor Haushaltsdefizite offen ausgewiesen sind. Hierzu gehören z.B. eine unangemessene Streckung von Tilgungsleistungen, die Rückführung von substanzerhaltenden Investitionen, Rücklagenverzehr sowie Veräußerung von Vermögensgegenständen zur Vermeidung von Defiziten des Verwaltungshaushaltes. Ein Eingreifen der Aufsichtsbehörden ist also häufig bereits vor Ausweisung eines Haushaltsdefizits angezeigt. Der Trend zu einer konsequenten Fortentwicklung zu mehr Eigenständigkeit der Kommunen ist unverkennbar. Als besonders ausgeprägte Spielart ist die Forderung auf kommunaler Seite zur sog. vorschriftenfreien Gemeinde zu betrachten, d.h. des Verzichts auf jegliche Standardvorgaben, um so weitgehend auf Bürokratie und Aufsicht verzichten zu können. Durch die Gebietsreform ist die Verwaltungskraft und Leistungsfähigkeit der Kommunen erheblich gestärkt worden. Wenn vor der Gebietsreform Schutz und Förderung insbesondere der verwaltungsschwachen Kommunen durch die Kommunalaufsicht erforderlich waren, so konnte dieser Aspekt mit der Verwaltungsstärkung der Kommunen und auch ihrer gewachsenen rechtlichen Kompetenz weitgehend zurückgefahren werden. In vielen Gemeinden sind mittlerweile juristisch ausgebildete Mitarbeiter tätig oder der Bürgermeister selbst ist Jurist. In größeren Städten sind Rechtsdezernate mit einer hohen Personalbesetzung eingerichtet worden. Die Beachtung der Rechtsordnung und damit rechtmäßiges Verhalten der Kommunen sind der Regelfall. Auch die Beratungsfunktion der Kommunalen Spitzenverbände trägt dazu bei. Das repressive Einschreiten der Kommunalaufsichtsbehörden gegen vermeintliche oder tatsächliche Rechtsverstöße der Kommunen ist die Ausnahme. Im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums in Hessen ist in den letzten 10 Jahren keine einzige rechtsaufsichtliche Verfügung erlassen worden. Bei den Regierungspräsidien, die sowohl obere als auch untere Kommunalaufsichtsbehörden sind, sind in den letzten 10 Jahren wenige Fälle der sog. repressiven Aufsicht zu verzeichnen. Beanstandungen und Anweisungen waren die Ausnahme, die in den meisten Fällen 14 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? auch noch schließlich einvernehmlich geregelt werden konnten. Beim größten Regierungspräsidium in Darmstadt sind in den 90er-Jahren nur drei Ersatzvornahmen nach § 141 HGO durchgeführt worden (z.B. beim Transport und Einweisung von Asylbewerbern in kommunale Einrichtungen). 3. Instrumentalisierte Kommunalaufsicht Die besondere Herausforderung in der Steuerung einer Gemeinde liegt darin, Zielkonflikte laufend auszugleichen. Die Leistungen für die Bürger sollen möglichst umfassend sein und bürgerfreundlich angeboten werden. Die Gebühren und Abgaben sollen niedrig, die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung hoch und der Haushalt stabil bzw. ausgeglichen sein. Zu alle dem muss die Rechtsordnung uneingeschränkt eingehalten werden. In diesem "Minenfeld" bewegen sich nicht nur die Kommunen, sondern auch die Kommunalaufsicht. Politische Auseinandersetzungen in den Kommunen schlagen sich oftmals bei der Kommunalaufsicht nieder. Bürger oder Bürgerinitiativen beschweren sich, wenn sie mit Entscheidungen der Kommunen unzufrieden sind, weil sie vermeintliche Rechtsverstöße entdeckt haben wollen. Das gleiche gilt insbesondere dann, wenn kommunale Mandatsträger politisch unterlegen sind. Die Kommunalaufsicht läuft dann schnell in Gefahr, instrumentalisiert zu werden. Im übrigen werden in letzter Zeit auch zunehmend Vergabeverfahren von Kommunen durch Handwerksbetriebe oder Unternehmen gerügt. Schreitet die Kommunalaufsicht gegen ein vermeintlich rechtswidriges Verhalten nicht ein, wird gerade bei besonders brisanten politischen Themen schnell der Verdacht der politischen Rücksichtnahme geäußert. Die Kommunalaufsichtsbehörden, insbesondere die oberste und obere, wandeln daher wegen ihrer Nähe zur Politik bei der im Rahmen des Opportunitätsprinzips anzustellenden Ermessensausübung immer auf einem schmalen Grad. Hinzu kommt, dass die Kommunalaufsicht insbesondere im Bereich der Haushaltswirtschaft bei der Beurteilung der wirtschaftlichsten Lösungen mangels Praxisnähe und Vergleichsmöglichkeiten schnell an ihre Grenzen stößt. Die Unterstützung anderer Stellen ist daher unabdingbar, so z.B. in Hessen durch die Prüfungsergebnisse der überörtlichen Rechnungsprüfung beim Rechnungshof, die auf einem breiten interkommunalen auf Kennzahlen gestützten Vergleich basieren. Heinrich Pflock 4. 15 Kommunalaufsicht und Privatisierung Als "Ausverkauf der Selbstverwaltung" und als drohender Verlust der politischen Gesamtverantwortung ist bereits die auf der kommunalen Ebene faktisch zunehmende Aufgabenverlagerung auf öffentliche und gemischtwirtschaftliche Unternehmen bezeichnet worden. Tatsächlich werden in den Städten und Gemeinden immer mehr Bereiche wie Fremdenverkehr, Strom- und Wasserversorgung, Gebäudemanagement, Müllabfuhr und kulturelle Einrichtungen von Unternehmen in Privatrechtsform betrieben. Auch ist die Tendenz unverkennbar, immer mehr Eigenbetriebe in eine privatrechtliche Organisationsform umzuwandeln. Wegen der für die Beteiligung an diesen Unternehmen nach dem Gemeindewirtschaftsrecht vorgeschriebenen Haftungsbegrenzungen werden diese regelmäßig in der Form der Aktiengesellschaft oder der GmbH geführt. Die Gründe für eine Einführung dieser mittelbaren Formen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben hängen stets auch mit dem Bestreben zusammen, den strengen rechtlichen, und damit auch den tarifrechtlichen und haushaltsmäßigen Bedingungen der öffentlichen Verwaltung auszuweichen und einen flexibleren Handlungsspielraum zu gewinnen. Soweit ein selbständiges Beteiligungsunternehmen der öffentlichen Hand mit der mittelbaren Erfüllung von Aufgaben betraut ist, treffen die Kommunen Einwirkungspflichten, deren Erfüllung die Aufsichtsbehörde zu kontrollieren hat. Hierdurch kann aber nicht verhindert werden, dass aufgrund der Verselbständigungstendenzen der Unternehmen mit der Zeit, insbesondere wenn die Gemeinde die Ausdehnung des Unternehmensgegenstandes auf andere Bereiche zulässt, nicht mehr kontrollierbare Freiräume entstehen, die unter Umständen mit der Aufgabenverantwortung der Gebietskörperschaften nur noch schwer zu vereinbaren sind. Die Tätigkeit der rechtlich verselbständigten öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen sind durch ein hohes Maß an institutioneller und fachlicher Selbstregulierung gekennzeichnet. Dem gemäß gibt es häufig und nebeneinander "die Aufsicht durch den Träger, die Rechnungs- und Wirtschaftlichkeitskontrolle sowie gegebenenfalls die branchenbezogene Fachaufsicht". Diese Art der Aufsicht findet in unterschiedlichem Maße statt, doch lässt sich generalisierend feststellen, dass sie kaum einer effektiven Überwachungsaufsicht entspricht. Sie stellt sich somit als ein Element der Eigensteuerung von öffentlichen Verwaltungseinheiten dar. Die eigentliche Kommunalaufsicht wird dadurch auf immer wenigere Bereiche der öffentlichen Verwaltung beschränkt. Im Einzelfall bedarf es juristischer "Klimmzüge", um überhaupt noch rechtsaufsichtlich tätig werden zu können. 16 5. Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? Schutzfunktion der Kommunalaufsicht Zieht man ein vorläufiges Fazit, so muss man in der Tat fragen, ob die staatliche Kommunalaufsicht nicht bereits durch tatsächliche Umstände oder die rechtliche Entwicklung auf eine "Restgröße" reduziert ist oder noch grundsätzlicher, brauchen unsere Kommunen überhaupt noch zukünftig eine Kommunalaufsicht? In der Rechtsliteratur wird häufig betont, dass die Einräumung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nicht notwendig eine Staatsaufsicht voraussetze. Staatliche Aufsicht und Demokratiegebot vertrügen sich nicht miteinander und könnten nicht miteinander vereinbart werden. Um es vorweg zu nehmen: Wer jahrelang in der Praxis tätig ist, muss davon überzeugt sein, dass die Kommunalaufsicht heute notwendiger denn je ist. In Zeiten der Einführung neuer Technologien, der Eurowährung, der Liberalisierung der europaweiten Märkte, neuer Methoden der Verwaltungssteuerung und auch neuer Instrumente der direkten Bürgerbeteiligung werden die Kommunen vor ganz neue Herausforderungen gestellt, deren Bewältigung erfolgreich nur rechtskonform erfolgen kann. Im Vordergrund muss dabei die Schutzfunktion der Kommunalaufsichtsbehörden als Rechtsberatungsfunktion stehen, wie sie in § 11 der HGO normiert ist. Fachliche und rechtliche Beratung, Koordinierung, Schlichtung und auch Schutz der Kommunen gegenüber anderen Stellen müssen dabei Schwerpunkt sein. In der Praxis ist es dabei nicht immer leicht, diesen Ansprüchen gerecht zu werden und durch präventive Aufsicht repressive Aufsichtsmittel überflüssig werden zu lassen. Dies setzt einen ständigen Kontakt zwischen Aufsichtsbehörde und Kommunen voraus, bei dem im offenen Dialog auch nicht immer nur rechtliche Fragen behandelt werden. Eine derart vertrauensvolle Zusammenarbeit muss geprägt sein durch fachliche Kompetenz und persönliche Integrität der in der Aufsicht tätigen Mitarbeiter. Insbesondere im Bereich der Finanzaufsicht besteht ein ständiger gegenseitiger und von beiden Seiten ausgehender Kontakt. Gerade im Zusammenhang mit der Aufstellung des Haushaltsplans werden intensive Gespräche zwischen Kämmerer und Aufsichtsbehörde geführt mit dem Ziel, die Genehmigungsfähigkeit defizitärer Haushalte herbeizuführen und die erforderlichen haushaltsrechtlichen Genehmigungsauflagen, denen oftmals erhebliche politische Brisanz innewohnt, die dementsprechend in der Öffentlichkeit eine große Aufmerksamkeit finden, abzusprechen. Intensive Kontakte mit dem Kämmerer dienen natürlich auch dazu, seine Position im kommunalpolitischen Umfeld zu stärken und ihn quasi als Verbünde- Heinrich Pflock 17 ten bei der konsequenten Haushaltssanierung zu gewinnen. Dabei ist generell festzustellen, dass die Effizienz kommunalaufsichtlicher Vorschläge, Anregungen und auch Entscheidungen in nicht unerheblichem Maß von der positiven (im Sinne der Kommunalaufsicht) Einstellung der hauptamtlichen Wahlbeamten abhängt. Ein ausschließlich auf Konfrontation ausgerichteter Bürgermeister wird im Zweifel nicht einer Entscheidung der Kommunalaufsicht Folge leisten, sondern es eher auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen lassen. 6. Kommunalaufsicht und Dienstaufsicht Die Praxis zeigt, dass das Verhältnis der kommunalen Wahlbeamten zur Kommunalaufsichtsbehörde nicht unerheblich geprägt wird durch die allgemeine Dienstaufsicht über diesen Personenkreis. Diese liegt in Hessen bei den Rechtsaufsichtsbehörden. Während es sich in sachlichen Fragen trefflich ohne die eigene Person zu tangieren, streiten lässt, berührt eine Rüge des persönlichen Verhaltens der Kommunalwahlbeamten diesen weitaus stärker. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde wird eine weitaus größere Beachtung in den Medien und damit in der Öffentlichkeit finden. Diese Verzahnung von Rechtsaufsicht und Dienstaufsicht schafft schon allein einen positiven Grundton in dem Verhältnis der kommunalen Wahlbeamten zu ihrer Dienst- und Rechtsaufsichtsbehörde. Aus Sicht der Kommunalaufsicht erleichtert dies ganz wesentlich ihre Tätigkeit und hat in vielen Fällen die Anwendung förmlicher Aufsichtsmittel vermeiden lassen. Auch im Bereich der Fachaufsicht konnte durch Einschalten der Dienst- und Rechtsaufsichtsbehörde die Kommune zu einem rechtskonformen Verhalten veranlasst werden, nachdem die Fachaufsichtsbehörden selbst mit ihren Maßnahmen gescheitert waren. 7. Kommunalaufsicht und Fachaufsicht In diesem Zusammenhang betrifft das Spannungsfeld Fachaufsicht zur Kommunalund Rechtsaufsicht einen interessanten durchaus konfliktträchtigen Aspekt. Der Vorbehalt im § 145 HGO schützt die Kommunen vor Eingriffen fachspezifischer Sonderaufsichtsbehörden, soweit diesen nicht spezifische, gesetzlich festgelegte Sondereingriffsrechte zustehen (z.B. im Hessischen Forstgesetz und im Hessischen Naturschutzgesetz). Liegen diese Sondergesetze im Regelfall nicht vor, so ist die Fachaufsichtsbehörde insbesondere zur Durchsetzung einer Ersatzvornahme auf die Einschaltung der Rechtsaufsichtsbehörde angewiesen. Diese ergreift dann die notwendigen Maß- 18 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? nahmen, soweit deren gesetzliche Voraussetzungen vorliegen. Der darauf beruhende Grundgedanke, dass über eine Weisung hinausgehende Maßnahmen nicht kommunalfremden Fachbehörden sondern den Kommunen näherstehenden Rechtsaufsichtsbehörden zustehen sollen, ist sicherlich richtig. In der Praxis scheint sich aber die Tendenz durchzusetzen, bereits im relativ frühen Stadium die Rechtsaufsichtsbehörden einzuschalten, falls man selbst bei der präventiven Fachaufsicht und somit auch bei Zweckmäßigkeitserwägungen Schwierigkeiten erwartet. Gerade bei den umfangreichen Umweltschutzregelungen bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklung auf das Binnenverhältnis - Fachaufsicht zur Kommunalrechtsaufsicht - auswirkt und vor allem, ob die weitere Einräumung von Sonderrechten eine Lösung des Problems darstellt. 8. Kommunalaufsicht und Medien Ein bislang wenig beachteter Aspekt bei der Kommunalaufsicht betrifft das mediale Interesse, insbesondere in den Printmedien. Kommunalaufsichtliche Maßnahmen finden in der Regel dann Aufmerksamkeit und Beachtung in den Medien und in der Öffentlichkeit, wenn es sich um Vorgänge von besonders politischer Brisanz handelt oder wenn vermeintliche Dienstpflichtverletzungen kommunaler Wahlbeamten vorliegen. Die Kommunalaufsichtsbehörden reagieren dann erfahrungsgemäß zurückhaltend und beschränken sich im Zweifel eher auf die reine Rechtsaufsicht. Im Einzelfall wird dies nicht immer mit der Interessenlage der Kommune und/oder der Erwartungshaltung der Bürger in Übereinstimmung stehen. Gerade bei Konsolidierungsforderungen der Finanzaufsichtsbehörden ist festzustellen, dass die lokale Presse häufig ihr entschlossenster Verbündeter ist. Ein zu zögerliches oder zurückhaltendes Verhalten der Aufsichtsbehörden wäre dann unter Umständen sogar kontraproduktiv und würde den Eindruck der Wirkungslosigkeit ihrer Maßnahmen nur verstärken. In einer empirischen Untersuchung über die Kommunalaufsicht in Hessen aus dem Jahre 1990 ist zum Schluss folgendes festgestellt worden: "Soweit für Außenstehende der Verdacht aufkommen könnte, dass das Vertrauensverhältnis zu weit ginge und gelegentlich mehr Strenge erforderlich sei, ist nach meinem Eindruck entgegenzuhalten, dass es sich bei den Aufsichtsbeamten in der Regel um Persönlichkeiten handelt, die sehr wohl dem gemeindlichen Handeln Grenzen setzen können und ggf. auch gegen eine Gemeinde bis zur letzten Konsequenz, d.h. dem Einsatz förmlicher Mittel und einer verwaltungsgerichtlichen Klärung, vorgehen, falls dies erforderlich ist." Heinrich Pflock 9. 19 Aufsichtsrechtliches Beispiel Zum Abschluss soll statt einer Zusammenfassung ein Vorgang kurz dargestellt werden, der vieles von dem, was vorher abstrakt behandelt wurde, ganz konkret beinhaltet. Die gewandelten Aufgaben der Kommunalaufsicht, aber auch ihre Grenzen lassen sich gleichsam focussierend sehr plastisch verfolgen: Zwei kreiseigene Gesellschaften eines Landkreises, die als GmbH‘s organisiert sind, hatten kurzfristige niedrig verzinsliche Kredite in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags in japanischen Yen aufgenommen. Das Geld wurde sodann in langlaufenden deutschen Rentenpapieren angelegt. Aus dem Zinsgefälle zwischen Japan und Deutschland sowie der mit dem Geschäft verbundenen Fristentransformation zogen die Gesellschaften in der Vergangenheit nach Angaben des Landkreises erhebliche Gewinne, über deren Umfang unterschiedliche Zahlen vorliegen. Die Gewinne nutzten die beiden Gesellschaften zur Verbesserung ihrer Bilanzen. Die Währungsrisiken waren nur unzureichend abgesichert. Bemühungen des Regierungspräsidenten als zuständiger Kommunalaufsichtsbehörde, den Landkreis, insbesondere den Landrat von seinem - nach Auffassung der Kommunalaufsicht rechtswidrigem - Vorhaben abzubringen, waren ergebnislos. Der Landrat war davon überzeugt, dass ausschließlich er die Mechanismen eines modernen Finanzmanagements beherrschte und die Kommunalaufsicht mangels ausreichender Kenntnisse sich besser nicht einschalten sollte. Deshalb wandte er sich an die oberste Kommunalaufsichtsbehörde, um einen Verbündeten gegen die untere Kommunalaufsichtsbehörde zu gewinnen. Diese teilte jedoch die Rechtsauffassung der unteren Kommunalaufsichtsbehörde, des Regierungspräsidiums, und vertrat ebenfalls gegenüber dem Landrat die Auffassung, die rechtswidrigen, nicht mit dem öffentlichen Zweck zu vereinbarenden Kreditgeschäfte alsbald wegen des hohen Risikos zu beenden. Nachdem alle Bemühungen ergebnislos verlaufen waren, stellte der Regierungspräsident dem Kreisausschuss eine aufsichtsrechtliche Verfügung zu. Da es sich bei dem Finanzgebaren um die Geschäfte der kreiseigenen GmbH´s handelte, sah die Verfügung dann wie folgt aus: Der Kreisausschuss ist angewiesen worden, den Vertretern des Landkreises in den Aufsichtsräten der beiden GmbH´s die Weisung zu erteilen, eine Beschlussfassung in den Aufsichtsräten der beiden Gesellschaften über die Aufnahme von Fremdwährungskrediten und deren Wiederanlage in deutschen Rentenpapieren dahingehend herbeizuführen, dass keine neuen Geldgeschäfte dieser Art von den Gesell- 20 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? schaften mehr getätigt werden und die bereits abgeschlossenen Darlehensverträge durch Kündigung rückgängig gemacht werden. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet und die Ersatzvornahme angedroht. Der Landkreis hat daraufhin beim Verwaltungsgericht die Aufhebung des Sofortvollzugs beantragt. Zur Begründung wurde ein umfangreiches Gutachten eines Professors vorgelegt, das im Ergebnis zur Rechtswidrigkeit der Verfügung des Regierungspräsidenten kam. Das Verwaltungsgericht hat sich dann im Kern der Auffassung des Gutachtens angeschlossen und den Sofortvollzug aufgehoben. Die Zinsgeschäfte wurden als zulässige Annex-Geschäfte der originären Geschäftsbereiche der Gesellschaften bewertet. Das Regierungspräsidium legte daraufhin Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein. Zwischenzeitlich waren zwei gravierende Änderungen eingetreten. Zum einen schied der alte Landrat aus und ein neu gewählter, der zudem noch einer anderen Partei angehörte, trat sein Amt an. Was aber noch gravierender war, der Kurs des Yen stieg und stieg. Bei der Realisierung des Sofortvollzugs, nämlich der Abwicklung der Geschäfte, wären erhebliche Verluste eingetreten, die sich bislang nur als Buchverluste auswirkten. Alle Beteiligten waren daher zu der Überzeugung gekommen, den Rechtsstreit nicht weiter fortzuführen, auch wenn aus juristischer Sicht es reizvoll gewesen wäre, in der Sache selbst eine obergerichtliche Entscheidung zu erhalten. Landrat und Regierungspräsidium, unter Beteiligung der obersten Kommunalaufsichtsbehörde, schlossen dann einen Vergleich, in dem sich der Landkreis verpflichtete, die in der Aufsichtsverfügung des Regierungspräsidiums bezeichneten Kredite und Fremdwährungsgeschäfte unter Beachtung wirtschaftlicher Aspekte spätestens jedoch nach 1 ½ Jahren vollständig zurückzuführen. Außerdem erklärte sich der Landkreis bereit, keine weiteren neuen Geschäfte dieser Art selbst oder durch Dritte zu beschließen. Der Sofortvollzug wurde aufgehoben, das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eingestellt. Der Vorgang ist zur Zeit immer noch nicht abgeschlossen, die Buchverluste sollen mittlerweile bei einem zweistelligen Millionenbetrag liegen, demgegenüber stehen nach Angaben des Landkreises Zinsersparnisse aus den vergangenen Jahren in Höhe von etwa der Hälfte des Buchverlustes. Dieses Beispiel soll die veränderten Herausforderungen an die Kommunalaufsicht verdeutlichen, aber auch das rechtliche und politische Spannungsfeld, in das sie hineingerät, wenn sie wirksam handeln will. Prof. Dr. Janbernd Oebbecke 21 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? 1. Erste Antworten Die harmlos klingende, bei näherer Betrachtung aber sehr vielschichtige und recht voraussetzungsvolle Titelfrage "Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr?" will ich unmissverständlich beantworten: Erstens: Kommunalaufsicht ist nur Rechtsaufsicht. Zweitens: Kommunalaufsicht ist mehr, sie darf sich keineswegs in Rechtsaufsicht erschöpfen. Der scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man näher bestimmt, was eigentlich mit Kommunalaufsicht gemeint ist. Es leuchtet ein, dass die Antwort sehr unterschiedlich ausfallen muss, je nachdem, ob man auch die Fach- und die Sonderaufsicht als Kommunalaufsicht bezeichnet oder nicht. Spannend ist die Frage nur, wenn man ein enges Verständnis zu Grunde legt und sich auf die sog. allgemeine Kommunalaufsicht konzentriert. In einem funktionellen Sinne ist Kommunalaufsicht dann eine Tätigkeit der Länder. Gerade hier in diesem Kreis wird aber deutlich, dass es in den einzelnen Ländern mit der Hierarchie der Aufsichtsbehörden und länderübergreifend mit dem AK III der Innenministerkonferenz Kommunalaufsicht auch als Organisation gibt. Ist von Kommunalaufsicht und Rechtsaufsicht die Rede, denkt jeder Jurist an die inzwischen alte Streitfrage, ob bei aufsichtlichen Genehmigungen nur nach Rechtmäßigkeit oder auch nach Zweckmäßigkeit entschieden werden darf. Die bekannten Stichworte dazu lauten Kondominium und res mixtae. Das sind Vorstellungen, die aus dem Völkerrecht bzw. aus dem Staatskirchenrecht übernommen wurden. Überwiegend geht man heute davon aus, dass aufsichtliche Genehmigungen kommunaler Entscheidungen nur rechtsaufsichtlich sein dürfen.1 So gesehen also eine klare Absage an eine Kommunalaufsicht, die mehr sein will als Rechtsaufsicht. 1 OVG NW, Urt. v. 15.12.1989 - 15 A 436/86 -, NVwZ 1990, 689 ff; VerfGH NW, Urt. v. 13.8.1996 - VerfGH 23/94 -, NWVBl. 1996, 426 ff; Dirk Ehlers, Die Rechtsprechung zum nordrhein-westfälischen Kommunalrecht, NWVBl. 1990, 80 (84 ff); Friedrich-Wilhelm Held, Das Verhältnis von Staat und Kommunen am Beispiel der Kommunalaufsicht, in: Staat und Kommunen - Kooperation oder Konflikt?, hg. von Jörn Ipsen u. a., 1998, S. 21 (27 ff) m. w. Nachw.; Heinrich Lang, Kommunale Selbstverwaltung und staatliche Genehmigungsvorbehalte, DVBl. 1995, 657 ff; Jürgen Müller, Zum Prüfungsmaßstab der Kommunalaufsicht bei Genehmigungsvorbehalten im Haushaltswesen, ZKF 1990, 151 ff; Alfons Gern, Deutsches Kommunalrecht, 2. Auflage 1997, Rn. 803; a. A. Uwe Lübking/ Klaus Vogelgesang/ Ina-Maria Ulbrich, Die Kommunalaufsicht, 1998, Rn. 174 ff; Paul-Peter Humpert, Genehmigungsvorbehalte im Kommunalverfassungsrecht, 1990, S. 99 ff; differenzierend Schmidt-Aßmann, Kommunalrecht, in: Besonderes Verwaltungsrecht, hg. von Eberhard Schmidt-Aßmann, 11. Auflage 1999, Rn. 49; Ludger Schrapper, Zweckmäßigkeitskontrolle in der Kommunalaufsicht?, NVwZ 1990, 931 ff. 22 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? Mit diesen scheinbar klaren Antworten sind die eigentlich interessanten Fragen aber nicht einmal gestellt, geschweige denn beantwortet. Solche Fragen sind etwa: Welches sind die Rechtsgrundlagen der Kommunalaufsicht (dazu 2.)? Was soll sie leisten (dazu 3.)? Welche Instrumente stehen ihr zur Verfügung und wie darf sie damit umgehen (dazu 4.)? 2. 2.1 Rechtsgrundlagen der Kommunalaufsicht Landesrecht Gesetzlich ist die Kommunalaufsicht in allen Ländern2 geregelt und zwar in den Grundzügen recht ähnlich. Alle Landesverfassungen enthalten ausdrückliche Bestimmungen zur Staatsaufsicht über die Kommunen. Sie ist danach überall mindestens Rechtsaufsicht. Kommunalaufsicht ist also landesverfassungsrechtlich nicht nur zulässig, sie ist auch gewährleistet. Dass die Staatsaufsicht durch staatliche Behörden wahrzunehmen ist, hat nur Bayern ausdrücklich festgelegt (Art. 83 IV Verf. Bay); damit ist die Wahrnehmung durch kommunale Organe im Wege der Organleihe vereinbar, aber nicht die Übertragung auf kommunale Stellen wie die Landkreise. Die überall eindeutige Ausweisung als staatliche Angelegenheit nötigt aber in allen Ländern dazu, bei der Organisation der Kommunalaufsicht, den vollständigen Handlungs- und Informationsdurchgriff des Landes sicherzustellen. Eine Ausgestaltung als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe oder Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung scheidet deshalb aus. Im Ergebnis kommt eine Kommunalisierung der Kommunalaufsicht deshalb nur als Auftragsangelegenheit in Betracht;3 wo, wie in NordrheinWestfalen, die Etablierung landesrechtlicher Auftragsangelegenheiten ausscheidet, bleibt nur die Organleihe. 2.2 Bundesrecht Weniger klar ist die bundesverfassungsrechtliche Rechtslage. Art. 28 II GG enthält nämlich keine ausdrücklichen Aussagen zur Aufsicht. Das Bundesverfassungsge2 3 Zur Kommunalaufsicht nach der Kommunalverfassung der DDR v. 17.5.1990 s. Otto N. Bretzinger, Willi Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, Handbuch für die kommunale Praxis in den neuen Bundesländern, 1991, S. 264 ff; Willi Büchner-Uhder, Zur Rechtsaufsicht über die Gemeinden, Verwaltungsorganisation 1992, 29 ff; Dieter Kallerhoff, Kommunalaufsicht, LKV 1992, 331 f.; Heinrich Schwokowski, Kommunalverfassung und Kommunalaufsicht, LKV 1992, 69 ff; Heinrich Schwokowski, Die Kommunalaufsicht über die Gemeinden, Neue Justiz 1992, 200 ff. BVerfG, Beschl. v. 21.6.1988 - 2 BvR 602/83 -, BVerfGE 78, 331 (343). Prof. Dr. Janbernd Oebbecke 23 richt hat in einer recht frühen Entscheidung davon gesprochen, die Kommunalaufsicht sei das "Korrelat" der Selbstverwaltung;4 in einer späteren Entscheidung ist unter Bezug darauf, aber ohne weitere Begründung, die Rede davon, sie sei das "verfassungsrechtlich gebotene Korrelat".5 Im Schrifttum wird die Kommualaufsicht ebenfalls ganz überwiegend auch als durch Art. 28 II GG garantiert angesehen;6 das wird an den Worten "im Rahmen der Gesetze" festgemacht.7 Mindestens so einleuchtend erscheint mir die historische Begründung, dass nämlich die Aufsicht in Deutschland zum überkommenen Bild der Selbstverwaltung gehört.8 Eher skeptisch sehe ich dagegen Überlegungen, die Rechtsaufsicht als notwendiges Element der Rechtsstaatlichkeit anzusehen.9 Eine solche Verortung würde die Aufsicht sehr stark auf die Wahrung des Rechts orientieren. Selbst wenn man nicht nur die Geltung, sondern auch die Effektivität des Rechts als Schutzgegenstand des Rechtsstaatsprinzips ansieht, sind dafür doch auch ganz andere Instrumente als die staatliche Aufsicht denkbar.10 Eine weitreichende Aktenöffentlichkeit in Verbindung mit einer Popularklage etwa wäre im Hinblick auf die Durchsetzung des Rechts vielleicht sogar effektiver als die staatliche Aufsicht. Damit bin ich bei der Frage nach der Funktion der Aufsicht. Was soll sie leisten? 3. 3.1 Funktionen der Kommunalaufsicht Koordination Die Selbstverwaltung der Gemeinden und Kreise stellt nach den Ländern eine zweite oder - wenn man aus der Perspektive der Europäischen Gemeinschaft blickt - dritte Ebene der Dezentralisierung der Ausübung öffentlicher Gewalt dar. Jede 4 5 6 7 8 9 10 BVerfG, Urt. v. 23.1.1957 - 2 BvF 3/56 -, BVerfGE 6, 104 (117 f.); Beschl. v. 21.6.1988 - 2 BvR 602/83 -, BVerfGE 78, 331 (342); dazu Hans-Uwe Erichsen, Kommunalrecht, 2. Auflage 1997, S. 349. BVerfG, Beschl. v. 21.6.1988 - 2 BvR 602/83 -, BVerfGE 78, 331 (341). Janbernd Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, 1986, S. 158 f. m. w. Nachw. Etwa Otto Gönnenwein, Die Kommunalaufsicht als Rechtsaufsicht, in: Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, hg. von Otto Bachof u. a., 1955, S. 511 (524); Ki-Wu Lee, Kommunalaufsicht in der Bundesrepublik Deutschland und in Korea, 1990, S. 67; kritisch Eva Schmidt, Kommunalaufsicht in Hessen, 1990, S. 106 ff. Zur historischen Entwicklung Gönnenwein (Anm. 7) S. 511 ff; Wolfgang Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S. 37 ff. Kahl (Anm. 8), S. 496: "grundsätzlich unverzichtbares Instrument zur Sicherung der ´Garantie und Kontrolle des Rechts in der gesellschaftlichen Wirklichkeit´". Die Berufung auf P. Kirchhof (Hdb StR III, § 59 Rn. 202) ist für die Kommunalaufsicht problematisch, weil es dort um die Beaufsichtigung der Ausübung individueller Freiheit geht. Oebbecke (Anm. 6), S. 158, 135. 24 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? Dezentralisierung erzeugt horizontal wie vertikal einen Koordinationsbedarf. Ohne effektive Koordination ist die Tätigkeit der verschiedenen Ebenen leicht ein uneffektives Nebeneinander oder sogar ein Gegeneinander. Die Koordination erfolgt gegenüber autonomen Rechtsträgern vor allem durch Rechtsnormen, im nationalen Recht also durch das Verfassungsrecht und die einfachen Gesetze der jeweils übergeordneten Ebenen. Der Erlass von Gesetzen hat für sich allein genommen aber noch keine Koordinationswirkungen, sie müssen auch beachtet werden. Es ist nun so, dass dezentralen Ordnungen wie dem Föderalismus oder der kommunalen Selbstverwaltung Anreize immanent sind, die es nötig machen, die Beachtung der Gesetze zu überwachen. Diese Ordnungen sind nämlich auf Wettbewerb angelegt, darauf, dass jede Einheit in dem ihr gesetzten Rahmen ihre eigenen Interessen verfolgt. Die daraus immer wieder erwachsende Versuchung, die rechtlichen Grenzen auch einmal zu überschreiten, verlangt effektive Instrumente, ihre Beachtung zu sichern. Das wichtigste Mittel dazu ist im Falle der kommunalen Selbstverwaltung die Staatsaufsicht.11 Anders als der häufig verwandte Begriff der Kontrolle12 macht "Koordination" deutlich, dass die Erzwingung von Rechtstreue nicht Selbstzweck der Aufsicht ist. Nun finden wir weder auf der Ebene der Gemeinschaft gegenüber den Nationalstaaten noch des Bundes gegenüber den Ländern etwas Vergleichbares.13 Es gibt im EG-Vertrag14 wie im Grundgesetz zwar Instrumente, die nachgeordneten Einheiten zur Rechtstreue anzuhalten und diese notfalls zu erzwingen.15 Eine Institution wie die Kommunalaufsicht gibt es aber nicht. Es sind Besonderheiten der kommunalen Selbstverwaltung, die diesen Befund erklären können. 11 12 13 14 15 Dass Kommunalaufsicht es mit dem Einfügen der Kommunen in den Gesamtverband zu tun hat, ist ein im Schrifttum immer wieder betonter Gedanke. S. etwa Reimer Bracker, Theorie und Praxis der Kommunalaufsicht, in: Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft, Festgabe zum 70. Geburtstag von Georg Christoph von Unruh, hg. von Albert von Mutius, 1983, 459 (461 f., 477); Gern (Anm. 1), Rn. 802; Adalbert Leidinger, Zur gerichtlichen Kontrolle von Entscheidungen der Kommunalaufsicht nach nordrhein-westfälischem Recht, in: System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, hg. von Hans-Uwe Erichsen u. a., 1985, S. 257 f. S. nur Karl Zuhorn/ Werner Hoppe, Gemeinde-Verfassung, 2. Auflage, 1962, S. 300 f.; Gunnar Folke Schuppert, Staatsaufsicht im Wandel, DÖV 1998, 831 (832); andere sprechen von "Rechtsbewahrungsfunktion", etwa Schmidt (Anm. 7), S. 133; Lee (Anm. 7), S. 70. Zu den verschiedenen Formen der Koordination s. Janbernd Oebbecke, Dezentraler Vollzug und europäische Integration, in: Deutsche und europäische Verfassungsgeschichte: Sozialund rechtswissenschaftliche Zugänge, Symposium zum 65. Geburtstag von Hans Boldt, hg. von Roland Lhotta u. a., 1997, S. 35 ff. Zur Gemeinschaftsaufsicht s. etwa Hans Lühmann, Von der Staatsaufsicht zur Unionsaufsicht?, DVBl. 1999, 752 ff. Oebbecke (Anm. 13), S. 40 ff. Prof. Dr. Janbernd Oebbecke 25 1. An erster Stelle ist die enorme Zuständigkeitsbreite bei großer Nähe ihrer Aktivitäten zum Bürger zu nennen; Rechtsverstöße wirken sich häufig unmittelbar auf die Menschen aus. 2. Zweitens ist die Beachtung des Rechts in einer entwickelten Rechtsordnung ein komplexes Geschäft; guter Wille reicht nicht aus, gefordert ist spezialisierte Sachkunde. Gemeinden haben häufig kleine oder gelegentlich auch gar keine hauptamtlichen Verwaltungen und verfügen deshalb nicht über das erforderliche juristische Know-How. 3. Drittens schließlich ist kommunale Selbstverwaltung auf die Entscheidung öffentlicher Angelegenheiten durch die Betroffenen angelegt. So zweckmäßig dieses Konzept ist, um auf die örtlichen Verhältnisse und den jeweiligen Bedarf maßgeschneiderte Lösungen zu erzielen, birgt es doch auch spezifische Gefahren, nämlich die einseitige Bevorzugung der Interessen Einzelner. Diese Besonderheiten rechtfertigen die Institutionalisierung der Rechtsaufsicht über die Kommunen als Kommunalaufsicht, die wir im Verhältnis Bund-Länder oder Gemeinschaft-Mitgliedsstaaten nicht finden. Wollte man die Funktion der Kommunalaufsicht auf die Koordination per Rechtsdurchsetzung beschränkt sehen, blieben indessen zwei mindestens ebenso wichtige Funktionen außer Betracht. 3.2 Schutz Die Schutzfunktion 16 der Aufsicht ist anerkannt. Es geht um die Abwehr von Gefahren durch Zugriffe staatlicher Stellen und von privater Seite, nicht zuletzt auch um den Schutz vor anderen Gemeinden und vor den Folgen eigener Fehlentscheidungen. Das Verbot von Eingriffen anderer Stellen zieht die organisationsrechtliche Konsequenz aus der Schutzfunktion. Auch der Schutz der Gemeinden vor sich selbst ist Pflicht der Aufsicht. Wenn heute manche ostdeutsche Gemeinde sich am Rand der Zahlungsunfähigkeit be16 Etwa Schuppert (Anm. 12), 832; Schmidt (Anm. 7), S. 133 ff; Kahl (Anm. 8), S. 524 ff spricht von "Funktionssicherungsaufgabe", die eine Schutz-, Föderungs- und Mediatorfunktion umfasse. 26 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? wegt, liegt die Ursache nicht zuletzt darin, dass in den kritischen ersten Jahren nach 1990 auch die Kommunalaufsicht im Aufbau begriffen war. Gegenwärtig aktuell ist die Schutzfunktion im Hinblick auf die Überschreitung der Gebietsgrenzen durch andere Kommunen bei ihrer wirtschaftlichen Betätigung. 3.3 Entwicklung Die Welt, in der die Kommunen verwalten, ist in ständigem Wandel begriffen. Man mag mit guten Gründen bezweifeln können, ob dieser Wandel historisch so einmalig ist, wie uns viele Politiker in dem verständlichen Bemühen, ihre Vorhaben zu rechtfertigen, und viele Wirtschaftsleute in dem ebenso verständlichen Bemühen, die Bedingungen ihres Wirtschaftens zu verbessern und uns neue Produkte zu verkaufen, glauben machen wollen. Sicher ist jedoch, dass es immer wieder Änderungen gibt und dass ein Teil davon relevant für die Kommunen ist. Einen erheblichen Teil dieses Wandels verarbeiten die Kommunen relativ problemlos. Dezentrale Ordnungen lassen sich ja geradezu als Flexibilitäts-, Innovations- und Kreativitätsmaschinen verstehen, die Änderungen in ihrer Umwelt aufnehmen und ihr Handeln durch die Entwicklung neuer Lösungen daran anpassen, die aber auch durch ihr Handeln solche Änderungen auslösen.17 Soll dieser ständige Anpassungsprozess effektiv sein, muss er möglichst ungehindert ablaufen können; das ist ein ganz wichtiger Grund für die Beschränkung der eingreifenden Aufsicht auf die Rechtsaufsicht und es ist der wesentliche Grund für die inzwischen bundesweite Geltung18 des Opportunitätsprinzips; in manchen Fällen können aufsichtliche Eingriffe, auch wenn sie von Rechts wegen möglich sind, mehr Schaden als Nutzen stiften.19 Insofern ähnelt Kommunalaufsicht der polizeilichen Gefahrenabwehr. Einen erheblichen Teil des Wandels können die Kommunen ohne weiteres innerhalb des ihnen gesteckten rechtlichen Rahmens bewältigen. Bei einem anderen Teil fällt den Kommunen die Anpassung schwer, weil der Rahmen stört. Gelegentlich macht das geltende Recht es sogar unmöglich, vor Ort angemessen auf Veränderungen zu reagieren. Hier ist die Kommunalaufsicht gefordert. Sie ist nicht nur dafür verantwortlich, dass die Kommunen die Gesetze beachten, sondern auch dafür, dass die Gesetze so fortentwickelt werden, dass die Kommunen ihre Aufga17 18 19 Dazu Janbernd Oebbecke, Die unsichtbare Hand in der Ländergesetzgebung, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1997, 461 ff. Zum Übergang auf das Opportunitätsprinzip in Bayern Franz-Ludwig Knemeyer, Rechtsaufsicht als Vertrauensaufsicht, BayVBl. 1999, 193 ff. Bracker (Anm. 11), S. 465; Kahl (Anm. 8), S. 552. Prof. Dr. Janbernd Oebbecke 27 ben bei Beachtung der Gesetze angemessen wahrnehmen können.20 Die kommunale Selbstverwaltung ist darauf angewiesen, dass das immer wieder gelingt. Stockt der Prozess der Anpassung der rechtlichen - oder auch der finanziellen - Rahmenbedingungen für ihre Tätigkeit über längere Zeit oder misslingt er in wichtigen Punkten, sinkt die Leistungsfähigkeit der Kommunen. Letztlich steht dann die politische Legitimation der Selbstverwaltung auf dem Spiel; sie beruht nämlich neben den Mitwirkungschancen, die sie den Bürgern eröffnet, vor allem auf ihrer überlegenen Leistungsfähigkeit. Sehr viel stärker als die eher statisch orientierte Koordinations- und Schutzfunktion ist die Entwicklungsfunktion also dynamisch geprägt. Die Beachtung der Gesetze durch die Kommunen im Sinne der erwähnten Koordination könnte auch eine Kommunalaufsicht sicherstellen, die als weisungsfreie Anstalt organisiert wäre; vielleicht fiele die Rechtskontrolle einer so organisierten Kommunalaufsicht manchmal sogar leichter. Informationen über die Erfahrungen mit dem geltenden Recht sammeln, auswerten, daraus Gesetzgebungsinitiativen entwickeln und diese zum Erfolg bringen, für diese Entwicklungsaufgabe ist die hierarchisch einem Ministerium nachgeordnete und in ihrer obersten Stufe zugleich Regierungsfunktionen wahrnehmende, also politisch handelnde Kommunalaufsicht, wie wir sie kennen, mit Einflußchancen auch auf die Gesetzgebung des Bundes,21 die bessere Form. Über das Kommunalrecht im engeren Sinne hinaus ist sie ein wichtiger Rückkopplungsstrang für Vollzugserfahrungen.22 4. 4.1 Instrumente der Kommunalaufsicht und ihre Anwendung Übermaßverbot und numerus clausus der Aufsichtsmittel Traditionell wird zwischen der repressiven und der präventiven Kommunalaufsicht unterschieden. Für den Einsatz der Mittel der repressiven Aufsicht ist jüngst ein Drei-Phasen-Modell vorgeschlagen worden: Vorklärungs-, Korrektur- und Zwangsphase. Wie jedes Verwaltungshandeln setzt in der Tat auch aufsichtliches Tätigwerden die Ermittlung des Sachverhalts voraus; jedenfalls für die Fälle des Vorgehens gegen rechtswidrige Entscheidungen und rechtswidrige Unterlassungen mit den Mitteln der Beanstandung und Aufhebung, der Anordnung und Ersatzvornahme ist in den Gemeindeordnungen die Pflicht, der Kommune die Möglich- 20 21 22 Held (Anm. 1), S. 23 spricht davon, die Kommunalaufsicht realisiere sich "auch in der Gesetzgebung" und sie habe eine "leistungsstaatliche Aufgabe" (S. 25 f.); in diesem Sinne auch Dieter Mlynek, Anmerkungen zur Kommunalaufsicht in Zeiten knapper Kassen, NdsVBl. 1995, 54 (55 ff). Darauf weist Held (Anm. 1), S. 25 zu Recht hin; ähnlich Mlynek (Anm. 20), S. 55 f. Zum Problem s. Oebbecke (Anm. 13), S. 37 f. 28 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? keit der Selbstkorrektur nach aufsichtlichen Anstoß zu geben, bevor aufsichtlicher Zwang angewandt wird, zwingend vorgeschrieben.23 Diese gesetzliche Regelung stellt eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots dar,24 das ebenso wie der Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens25 die Aufsichtstätigkeit steuert und begrenzt. Mit seinen Ausformungen durch die Gebote der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit ist es auch im übrigen für die Tätigkeit der Kommunalaufsicht verbindlich und muss deshalb auch bei der Wahrnehmung von Informationsrechten oder der Bestellung von Beauftragten beachtet werden.26 Nicht zuletzt beschränkt das Übermaßverbot das aufsichtliche Ermessen.27 Das Übermaßverbot kann aber nicht herangezogen werden, um neue Instrumente zu kreieren, die der Gesetzgeber den Kommunalaufsichtsbehörden nicht ausdrücklich an die Hand gegeben hat. Der Versuch, ein aufsichtliches Rederecht in Ratssitzungen im Sinne eines Schlusses a maiore ad minus damit zu begründen, es handele sich um einen im Vergleich zur Beanstandung weniger intensiven Eingriff,28 ist deshalb meines Erachtens zum Scheitern verurteilt.29 Er verkennt, dass das Rederecht nicht einfach ein minus, sondern in verschiedener Hinsicht ein aliud im Vergleich zur Beanstandung darstellt. So ist der Adressat der aufsichtlichen Äußerung nicht die Gemeinde, sondern ein Organ der Gemeinde und es fehlt die Möglichkeit ihrer sorgfältigen, auch anderweit - etwa durch einen kommunalen Spitzenverband 23 24 25 26 27 28 29 Für die Kommissarbestellung und die Auflösung der Vertretung ist die Abfolge im Gesetz nicht vergleichbar klar geregelt. Dieter Kallerhoff, Das kommunalaufsichtliche Beanstandungs- und Aufhebungsrecht in der Rechtsprechung des OVG NW, NWVBl. 1996, 53 (54); Kahl (Anm. 8), S. 552 f.; Lee (Anm. 7), S. 144 ff. Gern (Anm. 1), Rn. 804; Tettinger, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, 4. Auflage 2000, Art 28 Rn. 198; Kahl (Anm. 8), S. 512 ff spricht allgemeiner von der Pflicht zu selbstverwaltungsfreundlichem Verhalten. VG Dresden, Beschl. v. 21.12.1998 - 7 K 3355/98 -, LKV 1999, 521 (523); Leidinger (Anm. 11), S. 266 f.; Lübking/ Vogelgesang/ Ulbrich (Anm. 1), Rn. 245 f. Bracker (Anm. 11), S. 465; Gern (Anm. 1), Rn. 804; Albert von Mutius, Kommunalrecht, 2. Auflage 1999, Rn. 865 f.; Schmidt-Aßmann (Anm. 1), Rn. 43; zum aufsichtlichen Ermessen und seinen Grenzen etwa Martin Ibler, Ersetzung förmlicher Kommunalaufsichtsmittel durch "kooperatives Verwaltungshandeln"?, in: Kommunale Selbstverwaltung im Spiegel von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht, hg. von Markus Hoffmann u. a., 1995, S. 201 (212 ff); Knemeyer (Anm. 18), S. 196. So Albert von Mutius/ Kay Ruge, Rechtsgrundlagen und Grenzen des Rederechts der Rechtsaufsicht in Sitzungen kommunaler Vertretungskörperschaften, LKV 1998, 377 ff; wie hier Lübking/ Vogelgesang/ Ulbrich (Anm. 1), 1998, Rn. 158. Dafür aber Schmidt (Anm. 7), S. 193 m. w. Nachw.; zu Recht hat OVG Hamburg, Beschl. v. 20.1.1994 - Bs III 420/93 -, NVwZ-RR 1994, 587 f. schon in der bloßen Anwesenheit eines Vertreters der Aufsicht einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Hochschule gesehen. Prof. Dr. Janbernd Oebbecke 29 - beratenden Prüfung. Diese Ableitung verkennt aber auch den Schutz, der von der höheren Eingriffsintensität ausgeht; wird diese Schwelle abgesenkt, wird die aufsichtsbehördliche Abwägung, ob man überhaupt eingreift eher zugunsten des Eingriffs ausfallen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen müssen die Mittel der Aufsicht im Gesetz geregelt sein: der numerus clausus30 der eingreifenden Aufsichtsmittel kann nicht praeter legem erweitert werden. Ob man gesetzlich ein aufsichtliches Rederecht für konkret bestimmte Fälle begründen könnte, ist eine andere Frage. Die Teilnahme von Beamten der Aufsichtsbehörden an Ratssitzungen auf Wunsch der Gemeinde31 wird dagegen erst bedenklich, wenn damit Entscheidungsverlagerungen oder sachwidrige Festlegungen verbunden sind. 4.2 Die aufsichtliche Beratung Von daher lässt sich auch die Frage beantworten, ob es einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für die aufsichtliche Beratung bedarf.32 Die aufsichtliche Beratung zielt nicht auf die Beseitigung von Rechtsverstößen, sondern auf die auch vorbeugende - Unterstützung der Kommunen. Es geht also nicht um die verschiedenen Formen informellen Verwaltungshandelns, mit denen die kommunalaufsichtliche Praxis versucht, bei vorliegenden Rechtsverstößen sich und den Kommunen den Einsatz der formellen Aufsichtsmittel zu ersparen. Hierbei handelt es sich in der Sache eher um Verhandlungen, Warnungen oder Drohungen. Dafür gelten ganz ähnliche Regeln wie etwa im Ordnungsrecht.33 Bei der eigentlichen Beratung muss man zwischen der Zuständigkeit und der Zulässigkeit unterscheiden. Die Zuständigkeit der Kommunalaufsichtsbehörden auch für die Beratung ergibt sich aus ihrem Auftrag, wie er etwa in §§ 11, 116 GO NW oder in Art. 111 GO BY, hier sogar unter ausdrücklicher Nennung der Beratung formuliert ist. Damit ist die Beratung auf Anfrage oder das unverbindliche Angebot der Beratung an die Gemeinde gedeckt. Die Beratung ist damit aber im Bereich der eigentlichen Selbstverwaltungsaufgaben zugleich auf die Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung beschränkt.34 Weil etwa Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch rechtlich geboten sind,35 wirkt diese sachliche Beschränkung indessen nicht sehr 30 31 32 33 34 35 Kallerhoff (Anm. 24), S. 54 spricht von einem "abschließenden Maßnahmenkatalog". Zur Praxis in Nordrhein-Westfalen, s. etwa Erwin Schleberger, Die Kommunalverfassung Nordrhein-Westfalens aus der Sicht der Aufsichtsbehörde, in: Kontinuität oder Reform - Die Gemeindeverfassung auf dem Prüfstand, hg. von Jörn Ipsen, 1990, S. 21 (22). Zum Begriff s. Janbernd Oebbecke, Beratung durch Behörden, DVBl. 1994, 147 (150). S. dazu Ibler (Anm. 27), S. 208 ff. Oebbecke (Anm. 32), S. 150 f. Zu den Grenzen bei der aufsichtlichen Durchsetzung s. aber Erichsen (Anm. 4), S. 350; Kallerhoff (Anm. 24), S. 56. 30 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? restriktiv. Für die Zulässigkeit der Zwangsberatung36 bedürfte es darüber hinaus ebenso einer ausdrücklichen Ermächtigung37 wie für Beratungsformen, die als solche einen Eingriff darstellen. Öffentlich etwa darf die Aufsichtsbehörde der einzelnen Kommune nur Ratschläge erteilen, wenn diese damit einverstanden ist. Ein genereller, aus dem Erforderlichkeitsgrundsatz abzuleitender Vorrang der Beratung vor eingreifenden Aufsichtsmitteln ist nicht anzuerkennen; Beratung ist ein aliud, kein minus zur Anordnung oder Beanstandung.38 Praktisch ist die Beratung aber das wichtigste Mittel nicht nur der präventiven Kommunalaufsicht.39 In ihr zeigen sich die kooperativen Elemente der Kommunalaufsicht am deutlichsten.40 Überschreitet die Beratungsfrequenz zugunsten einer Kommune allerdings über längere Zeit das übliche Maß, muss die Aufsicht nach den Ursachen fragen. Liegen diese bei der fehlenden Verwaltungskraft der Gemeinde, ist sie im Rahmen ihrer Entwicklungsfunktion gehalten, Möglichkeiten einer grundlegenden Besserung zu prüfen. Diese können von der Änderung gesetzlicher Zuständigkeiten über die Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft bis zur Gebietsreform reichen. 4.3 Kontrolle kommunalen Handelns und staatliche Gestaltung Neben dem informellen Mittel der Beratung arbeitet die präventive Aufsicht vor allem mit den formellen Mitteln der Anzeige und der Genehmigung. Davon, dass Maßstab der aufsichtlichen Kontrolle dabei allein die Rechtmäßigkeit sein darf,41 war schon die Rede. Kompliziert wird das Bild indessen dadurch, dass die Kommunalaufsichtsbehörden nicht nur das Handeln der Kommunen beaufsichtigen, sondern auch originär staatliche Befugnisse wahrnehmen. Nicht jede von den Kommunalaufsichtsbehörden zu erteilende Genehmigung ist also eine Maßnahme aufsichtlicher Kontrolle, bei manchen geht es um staatliche Gestaltung.42 Um einen solchen Fall handelt es sich 36 37 38 39 40 41 42 Dazu Dorothea Hegele, Kommunalaufsicht, SächsVBl. 1994, 20 (21). Oebbecke (Anm. 32), S. 151. Ibler (Anm. 27), S. 218 f. BVerfG, Beschl. v. 6.10.1981 - 2 BvR 384/81 -, BVerfGE 58, 177 (195); Lübking/ Vogelgesang/ Ulbrich, (Anm. 1), Rn. 141; Bracker (Anm. 11), S. 466; Rainer Pitschas, Struktru- und Funktionswandel der Aufsicht im Neuen Verwaltungsmanagement, DÖV 1998, 907 (910); Schmidt (Anm. 7), S. 240 ff unterscheidet "formlose Hinweise" und Beratung. Zur Kooperation in der Kommunalaufsicht Ibler (Anm. 27), S. 201 ff; sehr weitgehend Kahl (Anm. 8), S. 518 ff, der vom "Kooperationsprinzip als Leitprinzip der Staatsaufsicht" spricht. S. auch Pitschas (Anm. 39), S. 909. Bracker (Anm. 11), S. 462 spricht in diesem Zusammenhang von staatlichen Organisationsakten. Prof. Dr. Janbernd Oebbecke 31 etwa, wenn das Landesrecht die Möglichkeit des Abschlusses von Verträgen über Gebietsänderungen und ihre Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde vorsieht.43 Es geht dabei nicht darum, die Kommunalverwaltung im Einklang mit dem geltenden Recht zu halten, sondern die Kommunalaufsicht wird in diesen Fällen im Rahmen ihrer Entwicklungsfunktion tätig, wenn auch auf Antrag der Kommunen, denen der Gesetzgeber hier eine Mitwirkungsmöglichkeit einräumt. Bei der Bestimmung des Kreises von Genehmigungen, die originär staatliche Angelegenheiten betreffen, an denen die Kommunen also lediglich qua Gesetz beteiligt werden, ist von der Reichweite des Selbstverwaltungsrechts auszugehen.44 Wer etwa mit der herrschenden Meinung davon ausgeht, dieses umfasse auch die Kooperationshoheit, also die Befugnis, kommunale Aufgaben mit anderen Kommunen gemeinsam wahrzunehmen,45 wird die Genehmigung von Zweckverbänden und öffentlichrechtlichen Vereinbarungen als Kontrolle kommunaler Tätigkeit ansehen müssen und deshalb nur eine Rechtmäßigkeitsprüfung zulassen dürfen. Wie bei Gebietsänderungen handeln die Aufsichtsbehörden im Rahmen der sog. Experimentierklauseln in Wahrnehmung staatlicher Gestaltungsbefugnis.46 Mit diesen Klauseln hat sich in den letzten Jahren ein neues Rechtsinstitut entwickelt.47 Die aufsichtliche Tätigkeit im Rahmen der Entwicklungsfunktion ist damit erstmals durch die Bereitstellung eines ausdrücklichen Instruments in einem Teilbereich formalisiert worden. Die Auswertung der kommunalen Anträge auf solche Genehmigungen, vom geltenden Recht abzuweichen, gibt der Aufsichtsbehörde ein recht deutliches Bild, wo Entwicklungsdruck besteht. Die Auswertung der Erfahrungen mit erteilten Genehmigungen erleichtert die Prognose der Auswirkungen entsprechender Rechtsänderungen und mindert damit das Risiko gesetzgeberischer Fehlentscheidungen.48 Ist der Druck stark und sind die Erfahrungen gut, wird man wegen der Selbstverwaltungsgarantie eine Schrumpfung der gesetzgeberischen 43 44 45 46 47 48 §§ 8 II GO BW, 9 GO Bbg, 11 ff KVerf MV, 18 I 2 GO Nds, 8 II GO Sachs, 17 I 1 GO SAnh. Erichsen (Anm. 4), S. 351 f. Etwa Pieroth, in: Hans D. Jarass/ Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 5. Auflage 2000, Art. 28 Rn. 13; Dreier, in: Horst Dreier (Hg.), GrundgesetzKommentar, Bd. 2, 1998, Art. 28 Rn. 128; Tettinger (Anm. 25), in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, Das Bonner Grundgesetz, 4. Auflage 2000, Art. 28 Rn. 179; a. A. Janbernd Oebbecke, Gemeindeverbandsrecht, 1984, Rn. 58. Janbernd Oebbecke, Die neue Kommunalverfassung in Nordrhein-Westfalen, DÖV 1995, 701 (708 f.). S. dazu Held, in: Friedrich-Wilhelm Held, Kommunalverfassungsrecht NordrheinWestfalen, Loseblatt, § 126 GO Anm. 1 ff; Lübking/ Vogelgesang/ Ulbrich (Anm. 1), 1998, Rn. 323 ff. Über die Übernahme von Erfahrungen in Gesetzesänderungen berichtet Held (Anm. 47), § 126 Anm. 4.2. 32 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? Entscheidungsfreiheit durch Selbstbindung des Gesetzgebers anzunehmen haben, die in Einzelfällen in eine Änderungspflicht münden kann. Mit den Experimentierklauseln hat das Kommunalverfassungsrecht ein Stück weit den Wandel des gesetzlichen Handlungsrahmens der kommunalen Selbstverwaltung institutionalisiert. Diese Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts erhöht die Chancen für eine erfolgreiche Anpassung der Kommunalverwaltung an veränderte Verhältnisse und macht das Innovationspotential der kommunalen Selbstverwaltung für die staatliche Gesetzgebung fruchtbar. Der kooperative Dialog zwischen den verschiedenen Stufen der öffentlichen Verwaltung, von dem im Schrifttum gesprochen wird,49 ist damit in einem wichtigen Bereich rechtlich verfasst. 4.4 Amtspflicht und politische Notwendigkeit Alle Gemeindeordnungen geben den Aufsichtsbehörden rechtliche Mittel an die Hand, um nach Möglichkeit die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen dauerhaft zu sichern. Gewiss sind diese Instrumente, etwa im Bereich des Rechnungswesens verbesserungsfähig. In den Normalfällen reichen sie aber aus. Ob und wie von diesen Mitteln Gebrauch gemacht wird, das entscheiden die Aufsichtsbehörden im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens. Dabei müssen sie sich in besonderer Weise an der Schutzfunktion ihrer Tätigkeit orientieren. Die Amtspflicht zu ermessensfehlerfreier Entscheidung besteht mindestens auch, wenn nicht sogar in erster Linie, gegenüber den Kommunen.50 Natürlich müssen die Aufsichtsbehörden sorgfältig abwägen, ob es nicht besser ist, darauf zu setzen, dass die Kommune von sich aus in absehbarer Zeit die nötigen Sanierungsmaßnahmen einleitet. Wenn die Aussichten dafür gering sind oder wenn die Lage so ernst zu werden droht, dass eine Sanierung aus eigener Kraft nicht mehr möglich ist, muss die Aufsichtsbehörde handeln. Tut sie das nicht, hat sie der Gemeinde gegenüber nach Amtshaftungsgrundsätzen für die Folgen einzustehen.51 Diese Haftung setzt neben der Amtspflichtverletzung immer auch Verschulden voraus. Daran wird es in vielen Fällen bei aufsichtlichem Versagen ostdeutscher 49 50 51 Pitschas (Anm. 39), S. 908. Janbernd Oebbecke, in: Kommunale Selbstverwaltung am Ende dieses Jahrhunderts - Ist das politische Konzept noch tragfähig?, 1998, S. 39 (50 m. w. Nachw.); a. A. LG Potsdam, Urt. v. 16.10.1996 - 4 O 174/96 -, LKV 1998, 79 (80). Zur Rechtslage nach dem fortgeltenden Staatshaftungsgesetz der DDR s. Franz Cromme, Staatshaftung der Kommunalaufsichts- und Fachaufsichtsbehörden gegenüber Gemeinden, DVBl. 1996, 1230 ff. Prof. Dr. Janbernd Oebbecke 33 Kommunalaufsichtsbehörden in den ersten Jahren nach 1990 fehlen. Dieser Aufbaubonus dürfte aber inzwischen aufgebraucht sein. Immer kann Verschulden auch als Organisationsverschulden auftreten. Die Kommunalaufsicht muss organisatorisch und personell sicherstellen, dass sie auftauchende Probleme rechtzeitig erkennt.52 Die notwendige Personalausstattung hängt dabei nicht zuletzt von der Situation im Lande ab. Bei einer kleinteiligen Gemeindestruktur ist mehr Personal erforderlich,53 ebenso dort, wo es bekanntermaßen Schwierigkeiten mit der Professionalität der Verwaltungen gegeben hat oder gibt. Eine über die Haftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG hinausgehende generelle staatliche Einstandspflicht für überschuldete Kommunen ist dagegen nicht anzuerkennen.54 Erfolgt eine Sanierung aber durch Zusammenschluss mit einer gesunden Gemeinde, dürfte sich aus deren Selbstverwaltungsrecht eine Rechtspflicht ergeben, die schwächere Partnerin mit einer ausreichenden Aussteuer zu versehen. Politisch wird das Land häufig allerdings auch sonst nicht umhin kommen, eine Sanierung durch Zuschüsse zu flankieren. Hier sind wir aber bei Fragen, die die Aufgaben auch einer ihre Entwicklungsfunktion wahrnehmenden, politisch denkenden und handelnden Kommunalaufsicht in Richtung Kommunalpolitik überschreiten. 52 53 54 Zu Problemen der überörtlichen Finanzkontrolle Joachim Wieland, Staatliche Finanzkontrolle im Bereich kommunaler Selbstverwaltung, DVBl. 1999, 1470 ff. Zum Zusammenhang von Gemeindegröße und Aufsichtsintensität Claus-Peter Glass, Die Realität der Kommunalaufsicht, 1967, S. 144; Jörn Klimant, Funktionen, Probleme und Arbeitsweise der Kommunalaufsicht, 1992, S. 121. Felix Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 1999, S. 273 f.; Janbernd Oebbecke, Ausfallhaftung für zahlungsunfähige Kommunen?, in: Kommunale Verwaltung im Wandel, hg. von Hans-Uwe Erichsen, 1999, S. 165 ff; a. A. Kyrill-Alexander Schwarz, Staatsgarantie für kommunale Verbindlichkeiten bei "faktischem Konkurs von Kommunen"?, 1998, S. 85 ff. 34 Kommunalaufsicht, nur Rechtsaufsicht oder mehr? Friedrich Wilhelm Held 35 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Vorbemerkung: 1. 1.1 1.2 1.3 Kommunale Finanzwirtschaft in schwieriger Zeit Die Herausforderung: Einbruch öffentlicher Finanzen Die Reaktionen: Änderungen des kommunalen Finanzausgleichs, Haushaltssicherungskonzept, Haushaltssicherungshilfe Die Entscheidung: Der kommunale Finanzausgleich "in" der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichtshofes 2. Haushaltssicherungskonzept in Regelform, ein finanzwirtschaftliches Planungsinstrument 3. Neuordnung des Gemeindefinanzsystems 4. 4.1 4.2 4.3 Solidarität mit den neuen Bundesländern Kommunale Partnerschaftshilfe "Kommunen in Not" Die Ruhe vor dem Sturm ? 5. Kommunen unter europäischem Einfluss 6. 6.1 6.2 Neues kommunales Wirtschaftsrecht Kommunen im unbegrenzten Wettbewerb ? Die Neuregelungen des kommunalen Wirtschaftsrechts (Erstes Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung vom 15.06.1999) Die Neuregelungen im Widerstreit der Meinungen 6.3 7. 7.1 7.2 7.3 7.4 Die Reform der Kommunalverfassung Die Reformziele Von der norddeutschen Ratsverfassung zur modifizierten süddeutschen Bürgermeisterverfassung Mehr lebendige Demokratie durch mehr Bürgerrechte Drittes Reformziel: Eine moderne Kommunalverfassung 36 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre 8. 8.1 8.1.1 8.1.2 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 Reform der Kommunalverwaltung Reform der äußeren Organisationsbedingungen Gebietsreform, Funktionalreform Standardabbau Reform des kommunalen Verwaltungshandelns Organisationsfreiheit und Reformverpflichtung Die Rolle der Kommunalaufsichtsverwaltung Die Instrumente der Kommunalaufsichtsverwaltung Experimentierklausel und Kommunalisierungsmodellgesetz Neues kommunales Finanzmanagement 9. 9.1 9.2 9.3 Schlussbemerkung: Quo vadis kommunale Selbstverwaltung ? Ausgliederung Privatisierung Bürgerkommune Friedrich Wilhelm Held 1. 1.1 37 Kommunale Finanzwirtschaft in schwieriger Zeit Die Herausforderung: Einbruch öffentlicher Finanzen Ich beginne mit einem Zitat: "Überschattet wird diese günstige Perspektive aber durch die drastischen Verteuerungen bei Rohöl, Mineralölerzeugnissen und anderen wichtigen Rohstoffen. Die weltweite Inflation droht sich wieder zu beschleunigen; die in letzter Zeit wieder günstiger gewordenen Wachstumsbedingungen in den Industrieländern sind erneut in Frage gestellt."1 So nachzulesen im Finanzbericht des Bundesfinanzministeriums. Allerdings nicht, wie Sie vielleicht vermuten mögen, in dem noch unveröffentlichten Manuskript für den Finanzbericht des Jahres 2001. Das Zitat beschreibt zwar zutreffend die wirtschafts- und finanzpolitische Situation an der Jahreswende, das Zitat habe ich aber dem Finanzbericht des Bundesfinanzministeriums für das Jahr 1980 entnommen. Man könnte meinen, die Vergangenheit holt uns ein. Das legt den Gedanken nahe, zu fragen: Wie war das eigentlich, damals vor 20 Jahren? Wie haben Kommunen und Kommunalaufsicht auf die damalige Entwicklung reagiert? Was ist geblieben aus jenen Tagen? Bevor ich Antworten zu geben versuche, erinnern wir uns: Die wirtschafts- und finanzpolitischen Turbulenzen zu Beginn der 80er Jahre haben vielfältige Konsequenzen für die Finanzpolitik im Land und in den Gemeinden gehabt. Vorab einige wenige erklärende Fakten: Kontinuierlich wuchs die Nettokreditaufnahme der Länder bis auf 25 Mrd. DM im Jahre 1981/82. Allein beim Land NRW betrug die Nettokreditaufnahme zu jener Zeit 10,1 Mrd. DM und damit die Hälfte der gesamten Nettokreditaufnahme aller westdeutschen Länder. Diese Marke ist bis heute "einsame Spitze" geblieben. In Düsseldorf machte das sog. Mexiko-Papier des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums die Runde. In diesem Papier wurde die Haushaltssituation in Nordrhein-Westfalen mit der desolaten Finanz- und Wirtschaftssituation in Mexiko verglichen, die von zweistelligen Inflationsraten und einer galoppierenden Staatsverschuldung geprägt war. Der Verbundsatz für den kommunalen Finanzausgleich in Höhe von 28,5 v.H. (seit 1975) wurde auf 25,5 v.H. im Jahre 1982 gesenkt. Die Kommunen, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, fühlten sich in der finanzwirtschaftlichen Zange von Bund und Land. Denn gleichzeitig wurde durch Bundesgesetz die Lohnsummensteuer abgeschafft. Davon waren in Nordrhein-Westfalen 1/3 aller Kommunen betroffen. Der Steuerausfall betrug fast 2 Mrd. DM jährlich. Zum Ausgleich wurde der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer von 14 auf 15 v.H. 1 Bundesministerium der Finanzen – Finanzbericht 1980 – Bonn, S. 9 38 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre erhöht und vorübergehend die Gewerbesteuerumlage gesenkt (von 120 v.H. auf 80 v.H.). Die gebeutelten Gemeinden organisierten politischen Protest bis hin zum damaligen Bundeskanzler Schmidt. Ihren Erwartungen wurde in einem sog. Spitzausgleich in Höhe von 537 Mio. DM zeitlich begrenzt entsprochen. Andererseits hat das Land die Kommunen von gesetzlichen Aufgabenverpflichtungen entlastet.2 Die Lernmittelfreiheit und die Erstattung der Schülerfahrtkosten wurden eingeschränkt. Ein Zustand der übrigens bis heute fortdauert. Es ist in all den vergangenen Jahren aber auch niemals wieder versucht worden, auf ähnliche Wiese kommunale Verpflichtungen zu reduzieren. 1.2 Die Reaktionen: Änderungen des kommunalen Finanzausgleichs, Haushaltssicherungskonzept, Haushaltssicherungshilfe In dieser Situation war die Kommunalaufsicht gleich mehrfach gefordert. Zunächst im kommunalen Finanzausgleich. Mit dem Wegfall der Lohnsummensteuer hatten sich die zwischen den Gemeinden bestehenden Disparitäten zu Lasten der strukturschwachen Gemeinden weiter verstärkt. Beispielsweise nahm die Stadt Düsseldorf seinerzeit mit 635 Mio. DM fast soviel Gewerbesteuern ein wie die Ruhrgebietsstädte Duisburg, Bottrop, Gelsenkirchen, Bochum, Hamm und Herne zusammengenommen (637, 2 Mio. DM). Andererseits leben in den genannten Ruhrgebietsstädten dreimal so viel Einwohner wie in der Stadt Düsseldorf. - Übrigens hat sich diese Situation bis heute wenig geändert. Das Unglück wollte es, dass gerade die steuerschwachen Gemeinden im Ruhrgebiet vielfach Lohnsummensteuer erhoben hatten, die nunmehr ersatzlos abgeschafft wurde. Mit Hilfe des kommunalen Finanzausgleichs sollte Abhilfe geschaffen werden. Das war die Geburtsstunde der sog. Aufstockung II. Damit war im Ergebnis nichts anderes gemeint als eine Regelung, nach der Gemeinden mit unterdurchschnittlicher Steuerkraft doppelt an den Zuweisungen des Finanzausgleichs teilnahmen. In jene Zeit fiel auch die Auflösung der sog. Kopfbeträge. Kopfbeträge, oder auch Kopfgeld genannt, wurden bis Anfang der 80er Jahre den kreisfreien Städten und Kreisen als Ausgleich für die Kosten gezahlt, die ihnen aus der Wahrnehmung von 2 Haushaltsfinanzierungsgesetz vom 16.12.1981, GV NRW 1981, S. 732 Friedrich Wilhelm Held 39 Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung und Auftragsangelegenheiten entstanden. Dazu gehörten beispielsweise die Kosten für das Einwohnermeldeamt, das Standesamt und Lastenausgleichsamt. Die bis dahin für die Kopfbeträge ausgeschüttete Summe in Höhe von 817 Mio. DM wurde im wesentlichen den Schlüsselzuweisungen zugerechnet. Damit wurde ihre Verteilung abhängig von der Steuerkraft der Kommune und nicht mehr nach der Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten ermittelt. Dies begünstigt die steuerschwachen Gemeinden und geht zu Lasten jener Gemeinden, die besonders finanzstark sind, wie z.B. Düsseldorf oder der Kreis Mettmann. Schon damals ist diese Lösung mit dem Argument angegriffen worden, sie verletze den Grundsatz der Konnexität. Die heutigen Verfechter dieser Ansicht, wie die Herren Prof. Dr. Ehlers und Prof. Dr. Henneke, können sich nunmehr auch auf die Finanzkommission 3 beim nordrhein-westfälischen Innenministerium berufen, die sich im vergangenen Jahr ebenfalls für die Verankerung des strikten Konnexitätsprinzips in der nordrhein-westfälischen Landesverfassung ausgesprochen hat. Ich fürchte, die Einführung des strikten Konnexitätsprinzips würde den Streit um die Finanzen allenfalls verlagern. Zur Begründung verweise ich auf den kleinlichen Kostenstreit bei der Kostenerstattung für die Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis in Niedersachsen. Noch wichtiger ist mir die Sorge, die Gemeinden könnten in Folge des Konnexitätsprinzips zu einer Art Kostgänger des Landes werden. Mir erscheint ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf allgemeine Finanzzuweisungen des Landes kommunalfreundlicher als der Streit um jede müde Landesmark bei der Erfüllung von kommunalen Pflichtaufgaben. Dagegen lohnt sich die inhaltliche Diskussion um den Maßstab zur Berechnung der Zuweisungen an die Kommunen. Die nordrhein-westfälische Landesverfassung verpflichtet das Land beispielsweise zu einem kommunalen Finanzausgleich "im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit" (Art. 79 LVerf). Auch wenn von interessierter Seite häufig das Gegenteil behauptet wird, der Grad der Verschuldung des Landes kann kein Maßstab für die Landeszuweisungen im Finanzausgleich sein. Anderenfalls hätte es das Land in der Hand, durch großzügigen Umgang mit den Landesfinanzen den Umfang seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung zu bestimmen. 3 Bericht der Finanzkommission beim Innenministerium Nordrhein-Westfalen von August 1999 40 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Kenner der Materie wissen, die Finanzausgleichregelungen können noch so fein gesponnen sein, gezielte Lösungen können sie nicht ersetzten. Deshalb wurde damals eine Haushaltssicherungshilfe erfunden. Sie sollte jenen Gemeinden helfen, ihren Haushaltsausgleich wieder zu erreichen, bei denen sich die Haushaltsprobleme nach dem Wegfall der Lohnsummensteuer und dem Auslaufen der Übergangshilfen – u.a. dem sog. Spitzausgleich – weiter verschärft hatten. Der Wegfall der Lohnsummensteuer wirkte sich vor allem deshalb so gravierend auf die Gemeinden aus, weil die diese Steuer nach Art einer "schwarzen Kasse" ohne Anrechnung im kommunalen Finanzausgleich erhalten hatten. Demzufolge ergab sich auch kein systembedingter Ausgleich geringerer Steuerkraft im Finanzausgleich als die Lohnsummensteuer abgeschafft wurde. Eine ähnliche Situation könnte sich ergeben, wenn heute die Konzessionsabgabe ersatzlos entfiele. Auch sie ist für alle Gemeinden eine wichtige Einnahmequelle und findet – übrigens aus gutem Grund – keine Berücksichtigung im Finanzausgleich. Maßstab für die Haushaltssicherungshilfe waren die abgeschlossenen Jahre 1983 – 1985. Insgesamt standen 360 Mio. DM zur Verfügung. Die Haushaltssicherungshilfe war als eine Art Hilfe zur Selbsthilfe angelegt. Sie wurde deshalb in Teilbeträgen von höchstens 25 v.H. ausgezahlt. Die Hälfte der Haushaltssicherungshilfe sollte außerdem von den begünstigten Kommunen zurückgezahlt werden, wenn der Haushaltsausgleich wieder erreicht worden war. Dazu mussten die begünstigten Städte und Gemeinden ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen, innerhalb dessen der Haushaltsausgleich nachgewiesen werden musste. Das Haushaltssicherungskonzept war von der Kommunalaufsicht zu genehmigen. Alle Kommunen haben ihre Haushalte ausgeglichen und die Haushaltssicherungshilfe zur Hälfte zurückgezahlt. Leider sind einige der Gemeinden, die damals die zusätzliche Haushaltssicherungshilfe erhalten haben, schon wieder im Defizit. Wir haben übrigens das Instrument der Haushaltssicherungshilfe verbunden mit einem Haushaltssicherungskonzept, später noch einmal erfolgreich eingesetzt und zwar bei der Auflösung des sog. Ausgleichsstocks. Bis vor etwa 10 Jahren erhielten die Gemeinden bis 25.000 Einwohnern neben den Leistungen aus dem Finanzausgleich besondere Zuweisungen zum Ausgleich ihrer Rechnungsfehlbeträge, daher der Name Ausgleichsstock. Die Zahl der sog. Ausgleichsstockgemeinden, die Leistungen aus dem Ausgleichsstock erhalten hatten, waren zwar im Laufe der Jahre zurückgegangen. Gleichwohl betrugen die Gesamtleistungen aus dem Ausgleichsstock innerhalb der letzten 10 Jahre seines Bestehens rd. 700 Mio. DM. Friedrich Wilhelm Held 41 In dieser Situation entschlossen sich der kommunalpolitische Ausschuss des Landtages - Herr Leifert, Herr Dr. Twenhöven und Herr Wilmbusse sind ja unter uns und das Innenministerium, den verbliebenen Ausgleichsstockgemeinden nach Art einer Hilfe zur Selbsthilfe den Ausstieg aus dem Ausgleichsstock durch eine Schuldenentlastungshilfe schmackhaft zu machen. Diese Form der Haushaltssicherungshilfe hat zwar weitere 210 Mio. DM gekostet, langfristig stehen diese Gemeinden aber dauerhaft auf eigenen Füßen. Der Gemeinschaft aller Kommunen erbringt die erfolgreiche Auflösung des Ausgleichsstocks noch heute "Einsparungen" von um die 100 Mio. DM. 1.3 Die Entscheidung: Der kommunale Finanzausgleich "in" der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichtshofes Ich glaube, damals hat niemand ernsthaft damit gerechnet, das der nordrheinwestfälische Verfassungsgerichtshof jemals über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der beschriebenen Finanzausgleichslösungen entscheiden würde. Verfassungsklagen gegen den kommunalen Finanzausgleich waren bis dahin unbekannt. Die Vorstellung, der Verfassungsgerichtshof könnte sich bei der politischen Gestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Gemeinden "einmischen", erschien undenkbar. Der Gesetzgeber hatte sich außerdem von der lauteren Absicht leiten lassen, in finanzwirtschaftlich schwieriger Zeit einen solidarischen Finanzausgleich zu gestalten. Dass der Versuch, im kommunalen Finanzausgleich dort besonders zu helfen, wo die Not am größten erschien, zu Lasten der finanzstarken Städten gehen musste, lag auf der Hand. Gleichwohl war allseits erwartet worden, dass die politische Entscheidung, den Finanzausgleich solidarisch zu gestalten, nach streitiger Diskussion respektiert werden würde. Heute wissen wir, es ist anders gekommen. Einige finanzstarke Städte haben sich an diese unausgesprochene "Vereinbarung" nicht gehalten. Unter Hinweis auf die Landesverfassung haben sie beim Verfassungsgerichtshof gegen die Auflösung der sog. Kopfbeträge geklagt und weiterhin vom Land die Spitzabrechnung ihrer gesetzlichen Pflichtaufgaben gefordert. Der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof hat diese Verfassungsbeschwerden allerdings zurückgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts war die Auflösung der sog. Kopfbeträge mit der Landesverfassung vereinbar. Denn, so der Verfassungsgerichtshof, die Landesverfassung sichert den nordrhein-westfälischen Kommunen zwar einen allgemeinen Finanzausgleich, nicht aber das Prinzip der Konnexität. Das Land kann deshalb auf den allgemeinen Finanzausgleich verweisen, ohne gegen ein Konnexitätsprinzip zu verstoßen. 42 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Diese Überlegungen gehen im übrigen zurück auf den sog. Weinheimer Entwurf aus dem Jahre 1948. Damals haben sich die Beteiligten, darunter die kommunalen Spitzenverbände, für ein unbegrenztes Selbstverwaltungsrecht der Kommunen in örtlichen Angelegenheiten und gegen eine Unterscheidung in kommunale und staatliche Angelegenheiten auf örtlicher Ebene ausgesprochen. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen sind deshalb von Verfassungs wegen "alleinige Träger der öffentlichen Verwaltung in ihrem Gebiet" (Art. 78 Abs. 2 LVerf.). Das Land ist deshalb verfassungsrechtlich verpflichtet, für alle örtlichen Angelegenheiten einen Finanzausgleich vorzusehen und kann für einzelne Aufgaben eine Kostenregelung vornehmen. Mit dieser Verfassungsnorm unterscheidet sich Nordrhein-Westfalen von den Ländern Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. In diesen Ländern ist zwischen Selbstverwaltungsangelegenheiten und staatlichen Aufgaben im übertragenen Wirkungsbereich zu unterschieden. Aufwendungen der Gemeinde im übertragenen Wirkungsbereich sind spitz abzurechnen. Wer wissen möchte, welche praktischen Schwierigkeiten mit dieser Regelung verbunden sind, der mag in Niedersachsen nachfragen. Er kann dies aber auch im Verlaufe des heutigen Tages tun, Herr Kollege Thiele aus Niedersachsen wird ihm sicherlich gern Rede und Antwort stehen. Erinnern wir uns: Sein verfassungsgerichtliches Waterloo hat Nordrhein-Westfalen bereits in den 80er Jahren und zwar in Sachen Aufstockung II erlebt. Wider alle Erwartungen und entgegen einem unausgesprochenen politischen Arrangement erhob die Stadt Münster mit ihrem damaligen Kämmerer und heutigen Finanzminister von Sachsen, Herrn Prof. Dr. Millbradt, und unterstützt durch den heutigen Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Finanzministerium, Herrn Dr. Deubel, Verfassungsbeschwerde gegen den kommunalen Finanzausgleich beim Verfassungsgerichtshof in Münster. Die Motivation des Gesetzgebers, zugunsten der struktur- und steuerschwachen Gemeinden einen solidarischen Finanzausgleich zu gestalten, wurde in diesem Verfahren vom Verfassungsgerichtshof mit dem Hinweis verworfen, der kommunale Finanzausgleich dürfte "nicht allein nach Gründen der politischen Zweckmäßigkeit gestaltet werden". Bereits eine Nivellierung der Gemeindefinanzen lässt sich nach Auffassung des Gerichts "nicht mit dem der kommunalen Selbstverwaltung innewohnenden Grundsatz gemeindlicher Pluralität und Individualität vereinbaren". Eine Gemeinde darf deshalb nach durchgeführtem Finanzausgleich nicht besser Friedrich Wilhelm Held 43 gestellt sein als vorher. Dies aber genau war vom Gesetzgeber in Sachen Aufstockung II beabsichtigt. Dass auch der Verfassungsgerichtshof in dieser Materie noch ungeübt war, mag eine Geschichte am Rande belegen. Als die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs nach der Urteilsverkündung unsere betretenen Gesichter sahen, glaubte einer von ihnen Trost spenden zu müssen und meinte sinngemäß: Was jetzt zu geschehen habe, sei doch überschaubar. Das Land müsse die Gemeinden, die ein Rechtsmittel eingelegt hätten so stellen, wie sie ohne die Aufstockung II gestanden hätten. Ein anderer Gesprächsteilnehmer ergänzte: "Diejenigen Gemeinden, die Zuweisungen zu Unrecht erhalten haben, müssen die zuviel erhaltenen Beträge zurückzahlen". Im Ergebnis gehe es deshalb um ein Null-Summen-Spiel. Tatsächlich hat diese Aktion das Land zusätzlich 527 Mio. DM gekostet. Die eine Gruppe der Gemeinden behielt ihr Geld. Die anderen wurden so gestellt, als hätte es die Aufstockung II nie gegeben. Der Verfassungsgerichtshof in Münster hat bis heute an den Grundsätzen seiner Entscheidungen festgehalten. Das mussten die Gemeinden "leidvoll" erfahren, die sich wegen zu geringer Landesleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wiederholt beschwerend an den Verfassungsgerichtshof gewandt hatten. Der Landesgesetzgeber und das Innenministerium haben offensichtlich ihre Lektion der Verfassung gelernt. Bisher war keine verfassungsgerichtliche Klage gegen die Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs mehr erfolgreich. Ich gehe davon aus, in absehbarer Zeit werden weder der Landesgesetzgeber noch das Innenministerium bereit sein, diesen "Erfolg" zu gefährden. Das könnte Weiterentwicklungen des kommunalen Finanzausgleichs, vor allem aber politische Lösungen behindern. Innenminister Dr. Behrens hat denn auch vor wenigen Tagen im kommunalpolitischen Ausschuss für diese Legislaturperiode keine wesentlichen Änderungen des Finanzausgleichs angekündigt. 2. Haushaltssicherungskonzept, in Regelform, ein finanzwirtschaftliches Planungsinstrument Erinnern wir uns: Die als Kompensation für den Wegfall der Lohnsummensteuer gewährte Haushaltssicherungshilfe wurde in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht gleichermaßen positiv aufgenommen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung begrüßte in seinem Jahresgutachten 88/89 dieses Instrument als gutes Beispiel für eine Hilfe zur Selbsthilfe. Wir haben deshalb das Haushaltssicherungskonzept zum festen Bestandteil des kommunalen 44 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Haushaltsrechts gemacht. Nur unter den Voraussetzungen eines Haushaltssicherungskonzeptes sind Abweichungen von der gesetzlichen Verpflichtung zum jährlichen Haushaltsausgleich möglich. Anders als die kommunale Haushaltssatzung bedarf das Haushaltssicherungskonzept allerdings der kommunalaufsichtlichen Genehmigung. Unsere anfängliche Euphorie ist der Ernüchterung des kommunalaufsichtlichen Alltags gewichen. Wir waren der festen Überzeugung, den Kommunen mit dem Haushaltssicherungskonzept ein wichtiges und wirksames Instrument an die Hand gegeben zu haben, um mit Haushaltsschwierigkeiten besser fertig werden zu können als nach der alles oder nichts Methode des unbedingten jährlichen Haushaltsausgleichs. Für uns war das Haushaltskonsolidierungskonzept immer eine finanzwirtschaftliche Planungshilfe. Von den Kommunen wird es leider allzu oft als kommunalaufsichtliches Knebelungsinstrument missverstanden. Dabei ist es nicht Sache des Landes, sondern die Verantwortung der Kommunen, ihre Einnahmen und Ausgaben zur Deckung zu bringen. Dazu hat der Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung auf die Verfassungsbeschwerde der Stadt Gelsenkirchen zwei wichtige Feststellungen getroffen: Erstens, die finanzielle Ausstattung des kommunalen Finanzausgleichs und zweitens, die Verteilungsparameter des heutigen Finanzausgleichs sind verfassungsgemäß. Mit anderen Worten, das Land gibt den Kommunen im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit ausreichend Geld und verteilt dieses Geld sachgerecht. Der Schluss muss deshalb lauten: Es ist allein Sache der Kommunen, im Rahmen ihrer Einnahmen ihre Ausgaben zu tätigen. Mit anderen Worten den Haushalt auszugleichen. Klagen, wie sie in diesen Tagen vom Kämmerer der Stadt Duisburg zu lesen waren (Spiegel Heft 40 S. 71), mögen vielleicht Mitleid erwecken, sie verstellen aber den Blick für die Tatsachen. Duisburg wird im kommunalen Finanzausgleich so gestellt wie alle anderen Gemeinden des Landes. Der Anteil der Stadt Duisburg an den Solidarleistungen für die neuen Länder bemisst sich nach dem gleichen Prinzip wie für alle Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Finanzkraft von Duisburg ist je Einwohner nicht geringer als die der Städte Wuppertal, Münster, Gelsenkirchen oder Bochum je Einwohner. Dies ist eine wünschenswerte Folge des kommunalen Finanzausgleichs. Zwar hat mit 591 Mio. DM Duisburg eine deutlich geringere Steuerkraft aber mit Hilfe des kommunalen Finanzausgleichs wird sie auf eine Finanzkraft auf 1.181 Mio. DM, also um das doppelte, angehoben. Zu Lasten aller übrigen Gemeinden erhält deshalb Duisburg jährlich 589 Mio. DM an Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich und steht damit vor Köln (372 Mio. DM) und Essen (463 Mio. DM) aber nach Dortmund (652 Mio. DM) an 2. Stelle der Hitliste Nordrhein-Westfalens. Während aber Dortmund und Köln ihre Haushalte in Friedrich Wilhelm Held 45 Ausgaben und Einnahmen ausgeglichen haben, ist weder in Duisburg noch in Essen der Haushaltsausgleich auch nur in Sichtweite. 3. Neuordnung des Gemeindefinanzsystems Die wichtigsten Einnahmequellen der Gemeinden sind die Grund- und Gewerbesteuer, die allgemeinen Finanzzuweisungen des Landes, der Gemeindeanteil der Einkommensteuer und die Gebühreneinnahmen. Aus der Sicht der Kommunen haben die Einnahmen aus den Realsteuern besonders hohe Bedeutung. Ihr Aufkommen kann von ihnen im Rahmen des kommunalen Hebesatzrechts beeinflusst werden. Wir erinnern uns: Fast auf den Tag genau vor drei Jahren (20. Oktober 1997) ist durch Änderung des Grundgesetzes eine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle mit Hebesatzrecht zum verfassungsrechtlichen Bestandteil des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung gemacht worden. Artikel 28 Abs. 2 Satz 3 GG lautet nunmehr: "Die Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle". Die Tinte aus der Feder des Bundespräsidenten, mit der er die Ausfertigung dieses Gesetzes unterschrieben hat, war allerdings noch nicht ganz trocken, da bekam die kommunale Euphorie bereits einen Dämpfer. Nahezu gleichzeitig, am 1.1.98, wurde die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft. Das bedeutete einen Steuerausfall für die Kommunen von schätzungsweise 1,1 Mrd. DM. Dieser Ausfall ist allerdings durch den neu eingeführten kommunalen Anteil von 2,2 v.H. an der Umsatzsteuer (Jahr 2000: 1,38 Mrd. DM) quantitativ kompensiert worden. Es bleibt ein Qualitätsverlust, denn anders als an der Gewerbekapitalsteuer gibt es an dem Gemeindeanteil der Umsatzsteuer kein kommunales Hebesatzrecht. Neue Probleme stehen ins Haus. Das Bundesverfassungsgericht hat die Einheitsbewertung als Grundlage der Vermögensbesteuerung für verfassungswidrig erklärt. Dies hat auch Auswirkungen auf die Grundsteuer, denn die Einheitsbewertung wird mittlerweile nur noch für die Grundsteuer durchgeführt. Es gibt deshalb bereits Vorschläge, das Bewertungsverfahren auf Kosten der Kommunen neu zu ordnen. 46 4. 4.1 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Solidarität mit den neuen Bundesländern Kommunale Partnerschaftshilfe Erinnern wir uns: Die Organisation einer leistungsfähigen öffentlichen Verwaltung in den neuen Bundesländern und der Aufbau der notwendigen Infrastruktur erforderten einen hohen, insbesondere kommunalen Sach- und Fachverstand, begleitet von erheblichen finanziellen Transferleistungen. Geleitet von dem Gedanken, "Kommunen helfen Kommunen", haben wir in Nordrhein-Westfalen auf kommunaler Ebene ein System partnerschaftlicher Beratungs- und Verwaltungshilfe zu den Kommunen in den neuen Bundesländern organisiert. Dort, wo Partnerschaften mit DDR-Städten bereits bestanden, waren die Kommunen aufgerufen, diese Möglichkeiten zu nutzen. Andere Gemeinden haben wir gebeten, neue Partnerschaften einzugehen. Ein großer Teil der den Gemeinden, Kreisen und Städten daraus entstehenden Personalkosten wurden ihnen aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz erstattet. Allein im Jahre 1992 waren dies über 30 Mio. DM. Auf Bundesebene entstand der "Fonds Deutsche Einheit". Der Landesanteil am Fonds Deutsche Einheit beträgt in diesem Jahr 1.677 Mio. DM. An der Finanzierung des Fonds sind die nordrhein-westfälischen Kommunen noch weitere 15 Jahre beteiligt. Die Höhe des kommunalen Schuldendienstes richtet sich nach dem Anteil der Kommunen an der Finanzkraft des gesamten Landes. Er beträgt derzeit 44 v.H. In diesem Jahr haben die Kommunen 738 Mio. DM als Schuldendienst für den Fonds Deutsche Einheit aufzubringen. Über den Solidarpakt wurden die Kommunen an der Neuverteilung der Umsatzsteuer zugunsten der neuen Länder und über den Länderfinanzausgleich an den Kosten der Deutschen Einheit beteiligt. Die Gesamtbelastung der nordrhein-westfälischen Kommunen beträgt derzeit 2,2 Mrd. DM. Sie wird von den Kommunen über die Gewerbesteuerumlage und über den Steuerverbund im kommunalen Finanzausgleich erbracht. Der Anteil der einzelnen Kommunen bestimmt sich nach ihrer Finanzkraft auf der Grundlage des Solidarbeitragsgesetzes. Auch Kommunen, die keine Leistungen im kommunalen Finanzausgleich erhalten, werden auf diesem Wege zu den Kosten der Deutschen Einheit herangezogen. Die verwaltungsgerichtlichen Klagen dieser Gemeinden gegen das Solidarbeitragsgesetz hat das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich verworfen. 4.2 "Kommunen in Not" "Kommunen in Not", so signalisierte die Überschrift jener Dokumentation, mit der wir im Jahre 1993 die Öffentlichkeit auf die Entwicklung der kommunalen Finan- Friedrich Wilhelm Held 47 zen aufmerksam gemacht haben. Städte wie Duisburg, Düsseldorf oder Essen müssen noch heute jährlich dreistellige Millionenbeträge zur Finanzierung der Kosten der Deutschen Einheit leisten. Diese Belastungen trafen zusammen mit sinkenden Steuereinnahmen und wachsenden Ausgaben für soziale Leistungen. Damals drohten hohe negative Finanzierungssalden. Heute wissen wir, dass sie in den Jahren 1994/95 die Höhe von 4 Mrd. DM erreicht hatten. Noch heute weisen die kommunalen Haushalte in NordrheinWestfalen Fehlbeträge in Höhe von 2,5 Mrd. DM auf. 4.3 Die Ruhe vor dem Sturm ? Bundesweit hat sich die Situation der kommunalen Haushalte entspannt.4 Diese Entwicklung hatte mehrere Ursachen. Auf der Einnahmeseite sind die Steuereinnahmen über Erwarten gestiegen. Gleichzeitig haben sich die sozialen Leistungen der Kommunen mit der Einführung der Pflegeversicherung deutlich reduziert. Vor allem aber haben die Gemeinden ihre Haushalte stärker konsolidiert als zunächst erwartet worden war, und zwar sowohl bei den Personalkosten als auch bei den Sachinvestitionen. Die kommunale Investitionsquote hat allerdings einen neuen Tiefstand erreicht. Im Vergleich mit den anderen Ländern der Bundesrepublik haben auch die nordrhein-westfälischen Kommunen in ihrer Gesamtheit erstmals wieder einen Überschuss (1998 insg. 1,4 Mrd. DM, 1999 insg. 360 Mio. DM) erwirtschaftet. Zu allem Überfluss stehen neue finanzielle Belastungen ins Haus. Allein im Steuerverbund für das kommende Jahr rechnen wir als Folge der Steuerreform mit Mindereinnahmen von rd. 700 Mio. DM. Anders als in den vergangenen Jahren werden die allgemeinen Finanzzuweisungen um 5,3 v.H. sinken und die Zweckzuweisungen um durchschnittlich 5,2 v.H. gekürzt. Erleben wir die Ruhe vor dem Sturm? 5. Kommunen unter europäischem Einfluss "Die europäische Union gefährdet die WestLB als Landesbank und die Sparkassen als Hausbanken der Kommunen"; "Europarecht erzwingt bürokratisches Notifizierungsverfahren bei kommunalen Bürgschaften"; "Der Auftrag der kommunalen 4 Monatsbericht der Deutschen Bundesbank von Juni 2000 48 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Unternehmen zur öffentlichen Daseinsvorsorge bleibt auf der Strecke", so oder doch ähnlich lauten vielfach die Überschriften von publizitistischen Beiträgen in der Tagespresse und Fachliteratur. Die "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (Art. 28 Abs. 2 GG)" stehen unter europäischem Einfluss. Erinnern wir uns: Die Kommunen in der Bundesrepublik haben sich schon frühzeitig um die Gemeinschaft aller Städte und Gemeinden in Europa bemüht. Die europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung geht besonders auf deutsche Initiativen zurück. Der Aufbau von leistungsfähigen kommunalen Gebietskörperschaften ist von den Kandidaten für den Beitritt zur europäischen Union längst als Beitrittsvoraussetzung anerkannt. Dennoch vermittelte sich in der Kommunalpolitik der Bundesrepublik lange Zeit der Eindruck, als sei die Europäisierung unseres Lebens für das Handeln und die Organisation der Kommunen ohne nachhaltige Bedeutung. Obwohl das Beihilfenverbot zu den Grundannahmen der europäischen Verträge gehört, werden seine Bedeutung und Konsequenzen für die kommunale Wirtschaftspolitik augenscheinlich erst seit kurzem ernsthaft realisiert. Ähnliches lässt sich zum Gebot der Liberalisierung und Deregulierung der Märkte feststellen. Die kommunale Selbstverwaltung, darüber besteht Einvernehmen, hat sich auch als demokratisches Ordnungsprinzip in der Bundesrepublik bewährt. Das bedeutet aber nicht, dass sie in ihrer Tradition und Ausprägung unverändert bleiben muss. Trotz der langen Geschichte kommunaler Verwaltung in den Städten und Gemeinden, müssen wir uns einem gemeinsamen Europa öffnen. Wir können und sollten von unseren europäischen Nachbarn lernen. Wie das aussehen kann, dazu werden wir aus berufenem Munde vom 1. Vizepräsidenten des Ausschusses der Regionen in der EU, Herrn Prof. Dr. Dammeyer, und Herrn Prof. Dr. Ehlers heute noch einiges hören. 6. 6.1 Neues kommunales Wirtschaftsrecht Kommunen im unbegrenzten Wettbewerb? Die öffentlichen, darunter die kommunalen Verwaltungen, stehen unter Reformdruck. Die Erwartungen sind auch darauf gerichtet, kommunale Leistungen möglichst kostengünstig zu erwirtschaften. Eine Möglichkeit zur Optimierung wird darin gesehen, die Leistungsangebote der Kommunen selbst, aber auch ihrer Unternehmen dem Wettbewerb der Marktwirtschaft auszusetzen. Dazu sollen und wollen die Kommunen das Reservat der konkurrenzlosen Leistungserstellung in ihrem Gemeindegebiet verlassen. Voraussetzungsloser und nicht subsidiärer Wettbe- Friedrich Wilhelm Held 49 werbszugang für die Kommunen und ihre Unternehmen lautet denn auch eine Forderung aus der Kommunalpolitik. Begleitet wird diese Entwicklung von der Freigabe ehemaliger Gebietsmonopole durch die Liberalisierung der Ver- und Entsorgungswirtschaft. Dort, wo europäische Richtlinien den freien Wettbewerb vorgeben, aber auch dort, wo die nationale Wirtschaftspolitik ein internationales Engagement kommunaler Leistungen (etwa beim Bau und Betrieb von Kläranlagen im Ausland) fordert, werden "Behördenzuständigkeiten", wie sie mit den kommunalen Gebietsgrenzen vorgegeben sind, als nicht mehr zeitgemäß und stringent empfunden. Die Beschränkung der Gemeinden auf die Zuständigkeiten für die örtlichen Angelegenheiten wird als überholt abgetan oder doch als revisionsbedürftig angesehen. Und schließlich, die öffentlichen Haushalte stehen unter dem Diktat der leeren Kassen. Wirtschaftlichkeit der kommunalen Verwaltung ist das Gebot der Stunde. Not macht erfinderisch. Da liegt es nahe, freie Kapazitäten auf dem freien Markt anzubieten, um im freien Wettbewerb nach dem Prinzip "Haste mal ne Mark" hinzuzuverdienen. 6.2 Die Neuregelungen des kommunalen Wirtschaftsrechts (Erstes Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung vom 15.06.1999) Erinnern wir uns: Vor diesem Hintergrund hat der Landtag Mitte des vergangenen Jahres wichtige Reformen des kommunalen Wirtschaftsrechts beschlossen. Dazu gehören vor allem die Einschränkung des Örtlichkeitsprinzips mit der gleichzeitigen Öffnung der ausländischen Märkte für ein nichtwirtschaftliches Engagement der Kommunen; ferner die Bestätigung des Vorrangs privatwirtschaftlicher vor öffentlich-kommunaler Wirtschaftstätigkeit, ausgenommen die Energieversorgung, der ÖPNV und die Telekommunikationsmärkte. Neu sind außerdem die Verpflichtung zur Markterkundung und die Durchführung eines Branchendialogs sowie als neue Organisationsform das Kommunalunternehmen. Das Örtlichkeitsprinzip der kommunalen Selbstverwaltung sicherte bisher gegen jede Form der sog. feindlichen Fremdbesetzung durch eine andere Gemeinde. Bisher waren Aktivitäten einer Gemeinde auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde nur in gegenseitigem Einvernehmen möglich. Das hat sich geändert. Wie in Bayern darf auch in Nordrhein-Westfalen eine Gemeinde künftig nur dann nicht auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde wirtschaftlich tätig werden, wenn berechtigte Interessen der betroffenen Gemeinde entgegenstehen. 50 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Selbst auf ausländischen Märkten können die Kommunen künftig ihre Leistungen erbringen. Nach der Neuregelung des kommunalen Wirtschaftsrechts sind deshalb gemeinsame Leistungsangebote z.B. der Stadtwerke und der Bauindustrie bei dem Bau und Betrieb einer Müllverbrennungsanlage im Ausland kommunalrechtlich durchaus möglich. Ob dies wünschenswert und/oder erfolgreich ist, ist eine andere Frage. Andererseits hat die Novelle des kommunalen Wirtschaftsrechts den Grundsatz des Nachranges kommunaler Wirtschaftstätigkeit vor der privaten Wirtschaft bestätigt. Auch künftig ist der Brötchenverkauf durch Stadtwerke ebenso wenig zulässig wie ein Engagement im Gebäudemanagement oder ein "Einstieg ins Sarggeschäft" (Stadtwerke Düsseldorf). Von dieser Regelung sind ausdrücklich nur die Energieversorgung, der ÖPNV und die Telekommunikation ausgenommen. Neu im nordrhein-westfälischen kommunalen Wirtschaftsrecht ist ferner die Einführung der Marktanalyse und des Branchendialogs. Mit ihrer Hilfe soll der Rat vor einer Entscheidung über ein beabsichtigtes wirtschaftliches Engagement Kenntnisse zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Marktanalyse) und die Interessen der Marktteilnehmer (Branchendialog) gewinnen. Nordrhein-Westfalen knüpft damit an ähnliche Regelungen an, wie sie geltendes Recht in den Ländern Brandenburg und Thüringen sind. Neu ist ferner die Möglichkeit ein Kommunalunternehmen zu errichten, um ihm kommunale Aufgaben zu übertragen. Mit dem Begriff Kommunalunternehmen ist die Organisationsform der öffentlich-rechtlichen Anstalt nach dem Beispiel der Sparkassen gemeint. Sie unterliegt dem Landesrecht, ist im Gegensatz zum Eigenbetrieb rechtsfähig und lässt sich als öffentlich-rechtliche Organisationsform vom Rat leichter steuern als eine privatrechtliche Gesellschaft. Das Kommunalunternehmen ist eine Art öffentlich-rechtliche GmbH. 6.3 Die Neuregelungen im Widerstreit der Meinungen Diese Reform des kommunalen Wirtschaftsrechts war keineswegs unumstritten. Vor allem die großen Städte und ihre Stadtwerke nehmen für sich in Anspruch, auf allen Geschäftsfeldern gleichberechtigt mit anderen Unternehmen der privaten Wirtschaft tätig werden zu können. Demgegenüber verweist das Handwerk auf systembedingte Ungleichheiten verbunden mit Wettbewerbsvorteilen für die Kommunen und ihre Unternehmen. Das Handwerk benennt in diesem Zusammenhang die günstigen Kreditkonditionen bei Kommunalkrediten und die Sicherung durch Friedrich Wilhelm Held 51 kommunale Bürgschaften. Das Handwerk bezweifelt auch die Notwendigkeit, dass kommunale Unternehmen auf neuen – vom Handwerk bereits besetzten – Geschäftsfeldern tätig werden müssen. In der Konkursfestigkeit kommunaler Unternehmen sieht das Handwerk eine Art Beihilfe, die nach europäischem Recht unzulässig sei, weil sie den Wettbewerb verzerre. Wer Wettbewerb wolle, müsse den Markt der privaten Wirtschaft überlassen. Auf Zurückhaltung bis Ablehnung ist die Einschränkung des sog. Örtlichkeitsprinzips in der wissenschaftlichen Kritik gestoßen. Für einige Wissenschaftler ist dies alles kein Thema. Zwar gehört nach ihrer Auffassung die wirtschaftliche Betätigung zum Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden, die gemeindlichen Gebietsgrenzen, also die Örtlichkeit seien aber nur bei hoheitlicher Tätigkeit der Kommunen zu beachten. Zu den Kritikern der Neuregelung des nordrhein-westfälischen kommunalen Wirtschaftsrechts gehört auch Herr Prof. Dr. Ehlers. Er meint, das Institut der kommunalen Selbstverwaltung sei notwendigerweise mit Gebietsgrenzen verbunden und legitimiere nur zur Verwaltung in eigenen, nicht aber in fremden Angelegenheiten. Handeln auf fremdem Gemeindegebiet sei dementsprechend nicht vom kommunalen Selbstverwaltungsrecht umfasst. Ich teile diese Auffassung. Aber selbst wenn man in der Neuregelung zum Örtlichkeitsprinzip eine zulässige gesetzliche Erweiterung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden sehen wollte, fände sie doch ihre Beschränkung an den Landesgrenzen. Denn als landesgesetzliche Ermächtigung würde sie dort enden, wo die Landeskompetenz aufhört, nämlich an der Landesgrenze. Die landesgesetzliche Ermächtigung zur Fremdbesetzung auch gegen den Willen der betroffenen Gemeinde berechtigt deshalb noch nicht zu bundesweitem Wettbewerb. Die Liberalisierung der Märkte stellt die Kommunen und ihre Unternehmen zweifellos vor neue Wettbewerbssituationen. Unter den neuen Marktbedingungen kann sich die kommunale Wirtschaft nur behaupten, wenn ihr die gleichen Gestaltungsund Entfaltungsmöglichkeiten wie allen anderen Mitbewerbern offenstehen. Das kann das kommunale Selbstverwaltungsrecht aus den unterschiedlichsten Gründen nicht leisten. Deshalb ist anzunehmen, dass sich die Unternehmen in kommunaler Trägerschaft auf Dauer nicht werden auf dem Markt behaupten können. Manches erinnert an das Schicksal der kommunalen Telekommunikationsunternehmen. Vor drei bis vier Jahren galten sie als Hoffnungsträger für die kommunale Wirtschaft. Beispielsweise die Bezirksregierung Düsseldorf, so war zu lesen, hielt dieses wirtschaftliche Engagement der Kommunen für richtungsweisend und begrüßte die Entwicklung der Düsseldorfer Telekommunikationsgesellschaft ISIS ausdrücklich. Heute wissen wir es genauer. Das kommunale Engagement in der 52 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Telekommunikation ist in vielen Orten an die Grenzen seiner Möglichkeiten gestoßen. Häufig haben private Unternehmen bereits mehr als nur strategische Beteiligungen erworben. Das vom Düsseldorfer Regierungspräsidenten favorisierte Telekommunikationsunternehmen ISIS ist längst verkauft. Selbst das Kölner Vorzeigeunternehmen NetCologne soll in Verkaufsverhandlungen stehen. 7. 7.1 Die Reform der Kommunalverfassung Die Reformziele Die wichtigsten und auffälligsten Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der vergangenen Jahre haben sich mit den Veränderungen des kommunalen Verfassungsrechts vollzogen. Wir wollten eine ehrliche Kommunalverfassung schaffen. Das war vielleicht das spektakulärste Ziel. Nicht weniger wichtig war die Absicht, durch mehr Bürgerrechte die Voraussetzungen zu mehr Demokratie in den Gemeinden zu verbessern. Und schließlich ging es darum, eine moderne Kommunalverfassung zu schaffen. Keine Reform des kommunalen Verfassungsrechts war so grundlegend wie die des Jahres 1994. 7.2 Von der norddeutschen Ratsverfassung zur modifizierten süddeutschen Bürgermeisterverfassung Erinnern wir uns: Um Fortbestand oder Reform der norddeutschen Ratsverfassung ist viele Jahre heftig gerungen worden. Erst nachdem sich Dr. Herbert Schnoor als damaliger Innenminister die Reform der Kommunalverfassung zu eigen gemacht hatte, gelang es, die norddeutsche Ratsverfassung durch die modifizierte süddeutsche Bürgermeisterverfassung in der Form der verbundenen Bürgermeisterwahl abzulösen. Ich erinnere mich noch sehr gut an jenen Tag im September des Jahres 1987, an dem Dr. Schnoor seine Reformabsichten den überraschten Delegierten der SKG-Versammlung in Krefeld vorstellte. Damals meinte der Vorsitzende und Versammlungsleiter, der damalige Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, Werner Kuhlmann, sinngemäß: "Damit hast Du die Brandfackel in die Reihen der Kommunalpolitiker geworfen". Auch in Nordrhein-Westfalen werden nunmehr die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Landrätinnen und Landräte immer von den Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar gewählt. Anders als in der Mehrzahl aller anderen Länder erfolgt diese Wahl aber regelmäßig mit der Ratswahl, als verbundene Bürgermeisterwahl. Dementsprechend wird der Hauptverwaltungsbeamte regelmäßig auf fünf - statt wie sonst allgemein üblich auf acht - Jahre gewählt. Friedrich Wilhelm Held 53 Soweit ich sehe, ist die direkte Wahl der Hauptverwaltungsbeamten in Stadt und Land nicht mehr kontrovers. Die Diskussion setzt bei den kommunalverfassungsrechtlichen Konsequenzen an. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Landrätinnen und Landräte sehen sich mehr den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet, die sie gewählt haben, als dem Rat. Wenn ich die Hauptverwaltungsbeamten richtig verstehe, folgt daraus zweierlei: Erstens meinen sie die volle Sachherrschaft über die Verwaltungsvorgänge und zweitens die ungeschmälerte Personalkompetenz haben zu müssen, um den ihnen übertragenen Aufgabenvollzug gestalten zu können. Praktisch läuft dies auf die Abschaffung des Rückholrechts des Rates und die Zuerkennung von verbindlichen Entscheidungsrechten in Personalangelegenheiten – auch bei den Beigeordneten – hinaus. Zutreffend hat Prof. Dr. Oebbecke bei einer Veranstaltung der Universität Münster in diesem Zusammenhang vor kurzem an das Spannungsverhältnis von norddeutscher Ratsverfassung und süddeutscher Bürgermeisterverfassung erinnert. Er meint, in der neuen Kommunalverfassung seien diese Widersprüchlichkeiten nicht in allen Fällen konsequent aufgelöst worden. Dies, so glaubt Prof. Dr. Oebbecke, sei deshalb geschehen, weil für die Gesetzesberatungen nicht ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden hätte. Richtig ist, dass die parlamentarischen Beratungen unter erheblichem Zeitdruck stattgefunden haben. Ganze drei Monate standen zur Verfügung. Was Prof. Dr. Oebbecke aber nicht berücksichtigt ist, dass bei diesen Beratungen ganz bewusst auch politische Kompromisse eingegangen worden sind. Beispielsweise bei den Personalkompetenzen der Bürgermeisterinnen bzw. Bürgermeister. Vor der Reform war es eindeutig Sache des Rates Personalangelegenheiten der Beamten zu entscheiden. Die neue Gemeindeordnung formuliert stattdessen im § 74 Abs. 1 S. 2 GO ... "die beamten- und tarifrechtlichen Entscheidungen trifft der Bürgermeister. ..." Damals wie heute stehen diese Rechte allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Hauptsatzung keine andere Regelung trifft (§ 74 Abs. 1 S. 3 GO). Der Verweis auf die Hauptsatzung ist kein Versehen des Gesetzgebers. Sie war vielmehr eine bewusste Entscheidung im Spannungsfeld des Bürgermeisters und des Rates. Die Gefahr, sie könnte vom Rat missbraucht werden, wurde gering gewertet, weil sich im Ergebnis beide schaden, wenn sich Rat und Bürgermeister gegenseitig blockieren. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass nach der Kommunalwahl einige Räte von dieser Ausnahmemöglichkeit auch extensiven Gebrauch gemacht haben. Die bisher bekannt gewordenen Fakten dürften aber kaum ausreichen, um schon jetzt einen Änderungsbedarf zu begründen. 54 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Unabhängig von diesen Überlegungen macht es Sinn, noch einmal die Ausgangssituation der unterschiedlichen Kommunalverfassungssysteme, also der norddeutschen Ratsverfassung mit der Dominanz der Ratsverantwortung einerseits und der süddeutschen Bürgermeisterverfassung mit ihrer Stringenz für die Verwaltungsverantwortung des Bürgermeisters andererseits, abzuklären. Anders als in kleinen Gemeinden spricht außerdem einiges dafür, den Rat in großen Städten eher als kommunales Parlament denn als kollegiales Verwaltungsorgan zu begreifen. Das hat nicht nur Folgen für die Kontroll- und Informationsrechte des Rates, sondern auch für den Verantwortungsbereich des Bürgermeisters und damit zwangsläufig für den Verwaltungsvorstand mit seinen Mitgliedern, den Beigeordneten. Wird aber der Rat in der Rolle eines kommunalen Parlamentes gesehen, können Bürgermeister und Beigeordnete in die Rolle einer Stadtregierung kommen. Außerdem bedarf das Statusrecht des Bürgermeisters noch weitergehender Beratung. Die Bürgermeisterin bzw. den Bürgermeister nur als Behördenleiter zu begreifen, wird ihrer politischen Verantwortlichkeit nicht gerecht. Sie/Er ist andererseits aber auch kein "politischer Beamter" wie ihn das Beamtenrecht kennt. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, aber auch die Landrätinnen und Landräte haben von vielem etwas. Sie sind sowohl Behördenleiter als auch Manager auf Zeit, Aushängeschild ihrer Partei – jedenfalls können sie das sein –, Vorgesetzte und schließlich ihr eigenes politisches Programm. Das geltende Beamtenrecht wird diesen differenzierten Anforderungen nicht gerecht. Ähnliches gilt für die Versorgungs- bzw. Rentenansprüche der Hauptverwaltungsbeamten und ihre Rückkehr an den früheren bzw. an einen anderen Arbeitsplatz. Beamte, denen eine Rückkehr an ihren bisherigen Arbeitsplatz zugesagt wird, können unter ganz anderen Voraussetzungen agieren als jene Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, deren berufliche Zukunft nach ihrer Tätigkeit ungewiss ist. Auch die unterschiedlichen Versorgungsregelungen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister je nach ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit sind oft nur schwer einsichtig zu machen. Warum ein früherer Standesbeamter nach seinem Ausscheiden als Bürgermeister Pensionsansprüche beispielsweise aus einer B-Besoldung erhalten kann, während ein Bürgermeister der gleichen Stadt, der bisher in einem privaten Arbeitsverhältnis tätig war, "nur" ein Rentenrecht auf deutlich niedrigerem Niveau erhält, ist kaum einzusehen. Hier besteht Reformbedarf. Friedrich Wilhelm Held 7.3 55 Mehr lebendige Demokratie durch mehr Bürgerrechte Weniger spektakulär, deshalb aber von nicht geringerer Bedeutung ist die mit der großen Reform der Kommunalverfassung erfolgte Erweiterung der Bürgerrechte. Heute gibt es nicht nur in Baden-Württemberg, sondern in allen Ländern der Bundesrepublik die Möglichkeit in kommunalen Angelegenheiten Bürgerbegehren zu initiieren und Bürgerentscheide durchzuführen. Unterschiede bestehen im Hinblick auf den sog. Negativkatalog, d.h. auf die Gegenstandsbereiche, die von einem Bürgerentscheid ausgenommen sind, und die Quoren, mit denen eine Mindestbeteiligung von Bürgerinnen und Bürgern zwingend vorgeschrieben ist. Für Nordrhein-Westfalen jedenfalls ist festzustellen, dass sich die Stärkung der Bürgerrechte durchaus bewährt hat. Die Sorge, die Bürgerinnen und Bürger könnten mit dieser Mitwirkungsmöglichkeit nicht umgehen, wird durch die kommunale Praxis ebenso wenig bestätigt wie die Befürchtung, eine Stärkung der Bürgerrechte würde die Entwicklung einer Kommune hemmen. Im Gegenteil, unsere Untersuchungen belegen, das angestrebte Ziel ist erreicht. Die Demokratie in den Gemeinden ist lebendiger geworden. Seit der großen Reform des kommunalen Verfassungsrechts wurden in Nordrhein-Westfalen 163 Bürgerbegehren initiiert und 53 Bürgerentscheide durchgeführt. Sie reichen von Parkhauskonzepten bis zur Übernahme von Stromnetzen durch die Stadt. Sie umfassen damit das gesamte Spektrum kommunaler Angelegenheiten. Nicht einmal die Annahme, in der Anonymität der großen Stadt würde es unmöglich sein, Bürgerbegehen zu initiieren, wird von der Entwicklung der vergangenen Jahre bestätigt. Insbesondere das Beispiel in der Stadt Essen steht dagegen. Dort haben sich mehr als die erforderlichen 48.000 Bürger für einen Bürgerentscheid ausgesprochen. Ihr Ziel, die Planungen der Stadt im Zusammenhang mit dem Bau einer Philharmonie zu verändern, haben sie allerdings auch erreicht, ohne dass es zu einem förmlichen Bürgerentscheid gekommen ist. Der Rat der Stadt Essen hat ganz einfach seine Planungen geändert. Der Behauptung, auch ohne das Instrument des Bürgerentscheids hätten die Essener Bürger ihre Vorstellungen durchsetzen können, wird von Kennern der Essener Szene allerdings heftig widersprochen. 7.4 Drittes Reformziel: Eine moderne Kommunalverfassung Das dritte Reformziel galt allgemein der Modernisierung des kommunalen Verfassungsrechts. Neuen Entwicklungen sollte Rechnung getragen werden, soweit sie in der politischen Diskussion Bestand hatten. Von besonderer Bedeutung waren die 56 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Rechtsstellung der Gleichstellungsbeauftragten und die Bildung von Ausländerbeiräten. Die Bestellung von Gleichstellungsbeauftragten war allerdings schon zehn Jahre zuvor in die Kommunalverfassung aufgenommen worden. Mit der Reform im Jahre 1994 wurde sie erstmals als gesetzliche Pflicht normiert. Neu wurde die Verpflichtung der Kommunen in die Gemeindeordnung aufgenommen, unter bestimmten Voraussetzungen Ausländerbeiräte zu bilden. Mit Hilfe der Ausländerbeiräte sollten die ausländischen Mitbürger die Möglichkeit erhalten, sich aktiv an der Entscheidung kommunaler Angelegenheiten zu beteiligen. Nachdem die Mitbürger aus den EU-Staaten ebenfalls zu den Kommunalwahlen wahlberechtigt sind und zum Rat gewählt werden können, hat sich die Bedeutung der Ausländerbeiräte nicht so entwickelt, wie sich dies die Protagonisten vorgestellt haben. Wir haben deshalb kommunalen Initiativen entsprochen und mit Hilfe der Experimentierklausel neue Formen der Zusammenarbeit von Rat und Ausländerbeiräten ermöglicht. Erstmals haben die kreisangehörigen Gemeinden durch die große Reform der Kommunalverfassung im Jahre 1994 das Recht erhalten, an der Aufstellung des Kreishaushaltes beteiligt zu werden (§ 55 KrO). Bisher wurden sie durch die Kämmereien bzw. den Kämmerer des Kreises vor der Verabschiedung des Kreishaushaltes über die Eckdaten des Kreishaushalts zwar informiert, mit der Reform der Kommunalverfassung wurden ihnen aber Anhörungs- und Beteiligungsrechte eingeräumt. Die kreisangehörigen Gemeinden sind nunmehr in die Verabschiedung des Kreishaushaltes voll integriert und können ihre Gegenvorstellungen, u.a. zur Höhe der Kreisumlage, frühzeitig und umfassend dem Kreistag zur Kenntnis bringen. Neu beschrieben wurden auch die Vorschriften zur Übertragung von Pflichtaufgaben auf die Gemeinden. Neue Pflichten dürfen danach den Gemeinden nur dann auferlegt oder bestehende Pflichten fortgeschrieben werden, wenn zugleich Regelungen über die Kosten getroffen worden sind. Ich habe Zweifel, ob diese Neuregelung das gehalten hat, was sich ihr Autor davon versprochen hat. Aber wir können ihn ja fragen, denn Herr Grevener ist unter uns. Die gesetzliche Verpflichtung einen Verwaltungsvorstand zu bilden (§ 70 GO), wenn hauptamtliche Beigeordnete bestellt sind, ist aus der Reformidee hervorgegangen, einen Gemeindevorstand bzw. Stadtvorstand einzurichten. Der Gemeinde- Friedrich Wilhelm Held 57 bzw. Stadtvorstand war als Instrument einer Stadtregierung und als Scharnier zwischen Politik und Verwaltung gedacht. Er sollte deshalb als gemeinsames Organ, bestehend aus den Beigeordneten und Ratsmitgliedern gebildet werden. Der Verwaltungsvorstand ist demgegenüber ein reines Verwaltungsorgan. Nach meinen Beobachtungen hat er in der kommunalen Praxis gelegentlich eine Bedeutung erlangt, die über diese Funktion hinausgeht. Als Beratungsgremium für den Hauptverwaltungsbeamten bündelt er die Fachinteressen in der Verwaltung. Dagegen kann er weder den Bürgermeister ersetzen noch die Beigeordneten aus ihrer gesetzlichen Verantwortung für eigene Geschäftsbereiche entlassen. 8. 8.1 Reform der Kommunalverwaltung Reform der äußeren Organisationsbedingungen Wer wollte nicht, wenn schon nicht alles, so doch vieles besser, effektiver und/oder kostengünstiger machen. Die Geschichte der Verwaltung ist ein ständiger Reformprozess. Die kommunale Selbstverwaltung selbst ist aus einem solchen Reformprozess hervorgegangen und sie hat immer noch Exportqualität. Was sich geändert hat, sind die Verwaltungsbereiche bzw. die Aktionsfelder, die Gegenstand von Reformen waren. Im kommunalen Bereich ging es zunächst darum, die Handlungsfähigkeit der Gemeinden und Kreise zu stärken. Am Anfang stand deshalb die Reform der äußeren Organisationsbedingungen kommunalen Handelns. 8.1.1 Gebietsreform, Funktionalreform Durch die Gebietsreform ist die Verwaltungs- und damit Leistungskraft der Kommunen gestärkt worden. Aus 2.934 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen wurden 396 Gemeinden neu gebildet. Vor der Gebietsreform hatten 1.870 Gemeinden weniger als 5.000 Einwohner. Heute sind dies nur noch 7 Gemeinden. Es war ein schwieriger Prozess, dessen Ergebnis wir heute als außerordentlich erfolgreich bewerten. Die neugebildeten und leistungsstärkeren Gemeinden konnten neue Aufgaben übernehmen. Der Gebietsreform schloss sich deshalb die Funktionalreform an. In Nordrhein-Westfalen wurden in den Jahren von 1978 bis 1984 drei Funktionalreformgesetze verabschiedet, die die Aufgabenzuständigkeiten zwischen den Kreisen und kreisangehörigen Gemeinden sowie der staatlichen Ebene neu geordnet haben. Heute haben beispielsweise alle Gemeinden über 25.000 Einwohner, und das sind immerhin 120 Gemeinden, ein eigenes Bauamt und ein eigenes Jugendamt. Alle 58 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Städte über 60.000 Einwohner sind seit dieser Zeit für Angelegenheiten des Ausländerrechts zuständig. 8.1.2 Standardabbau Mit Beginn der 80er Jahre richtete sich das öffentliche Interesse verstärkt auf die Vereinfachung der Verwaltungsverfahren und auf die Sicherung der kommunalen Entscheidungsfreiheit vor staatlicher Reglementierung. Dazu folgte eine umfassende Überprüfung kommunaler Standards in Verwaltungsvorschriften und Rechtsverordnungen. Der ersten Überprüfung im Jahre 1982 schloss sich eine weitere Anfang der 90er Jahre an. Dabei wurden insgesamt 506 Vorschriften untersucht. Von 295 Standards konnte etwa ein Drittel abgebaut werden. Um zu verhindern, dass neue Standards zu Lasten der Kommunen entstehen, wurde vor nunmehr sechs Jahren (1994) das sog. Standard-Controlling-Verfahren eingeführt. Elemente dieses Verfahrens sind: Frühzeitige Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände bei dem Erlass von Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Runderlassen sowie die Angabe von Kosten, die den Kommunen mit der Neuregelung entstehen könnten. Bei Meinungsverschiedenheiten mit den kommunalen Spitzenverbänden ist der Arbeitsstab "Standard-Controlling" beim Innenministerium einzuschalten. Lässt sich ein Einvernehmen nicht erreichen, entscheidet die Konferenz der Staatssekretäre. Je weniger normative Vorgaben und kommunale Standards, um so mehr Gestaltungsraum für die Kommunen. Auf dem Weg dorthin mangelt es nicht an guten Vorsätzen. Der politische und administrative Alltag sieht anders aus. Wir sind davon überzeugt, dass die Errichtung und Unterhaltung der Kindergärten eine höchst eigene Sache der Kommunen sein sollte. Die Kommunalabteilung im Innenministerium hatte deshalb vorgeschlagen, das Kindertagesstättengesetz aufzuheben und die Landeszuweisungen – immerhin 1.628 Mio. DM (Haushalt 2000) – den allgemeinen Finanzzuweisungen zuzuordnen. Allenfalls war daran zu denken, eine Kindertagesstättenpauschale im kommunalen Finanzausgleich auszuweisen. Eine solche Regelung hätte die Kommunen gestärkt, ein aufwendiges bürokratisches Verfahren abgebaut und zu einem deutlichen Personalabbau führen können. Mutig ist seinerzeit Herr Dr. Schnoor mit diesen Überlegungen ins Kabinett gegangen. Dann aber sind alle Jugendpolitiker über uns hergefallen. Von der Einheit der Lebensverhältnisse, von der bundesgesetzlichen Pflicht Kindergärten zu errichten und vom Missbrauch kommunaler Freiheiten war da die Rede. Das Kindeswohl stand in Gefahr, wenn den Kommunen nicht detaillierte gesetzliche Vorgaben gemacht würden, wie eine Kindertagesstätte zu betreiben ist. Friedrich Wilhelm Held 59 Selbst bei überzeugten Kommunalpolitikern kommen gelegentlich Zweifel, ob man den Kommunen denn wohl trauen könne, wenn ihnen die Landeszuweisungen nicht nach Förderrichtlinien mit einem Antrags-, Bewilligungs- und Prüfverfahren, sondern pauschaliert zugewiesen werden, z.B. als pauschalierte Schulbaumittel. Um die ärgsten Bedenken auszuräumen, haben wir eine Art "freigestellten Verwaltungsbericht" erfunden. Wenn Kommunen pauschalierte Zuweisungen erhalten, z.B. zur Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit, dann können sie diese Landeszuweisungen nach eigener freier Entscheidung verwenden. Wir nehmen in Kauf, dass sie im Einzelfall auch zur Deckung von Haushaltslöchern genutzt werden. Mit dem erbetenen – nicht verpflichtenden – Verwaltungsbericht sind die Kommunen aufgefordert, die Kommunalaufsicht über den Einsatz der Mittel zu informieren. Wir haben mit diesem Instrument gute Erfahrungen gemacht. Oder nehmen sie das Beispiel der Gleichstellungsbeauftragten. Zugegeben, ebenfalls ein "heikles" Thema, weil Männer bei diesem Thema leicht in den Verdacht geraten über das Ziel hinauszuschießen. Gleichwohl, ich gehe dies Risiko ein. Zeitzeugen in diesem Raum werden mir bestätigen, dass die Kommunalpolitiker im Landtag sich bereits schwer getan haben, als folgende Sätze im Jahre 1984 in die Gemeindeordnung aufgenommen wurden: "Die Verwirklichung des Verfassungsauftrages der Gleichberechtigung von Mann und Frau ist auch eine Aufgabe der Gemeinde. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe kann die Gemeinde Gleichstellungsbeauftragte bestellen". Heute ist aus diesen zwei Sätzen nicht nur ein eigener Paragraph in der Gemeindeordnung, sondern ein ganzer Abschnitt eines eigenen Landesgleichstellungsgesetzes geworden. Damals stand es den Kommunen frei, von ihrem Selbstverwaltungsrecht Gebrauch zu machen. Heute muss die Gleichstellungsbeauftragte eine Frau sein. So steht es jedenfalls im Gesetz. Und, Gleichstellungsbeauftragte haben außerdem das gesetzlich verbriefte Recht, eigene Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Ihnen müssen – so will es das Gesetz – auch Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Ich meine, dies versteht sich von selbst und ist Sache der Kommunen. Aber: Sicher ist sicher und deshalb steht es im Gesetz. Angesichts des Verfassungsgebotes zur Gleichberechtigung ist das Auswachsen von zwei Sätzen im ehemaligen § 6a der Gemeindeordnung zu einem ansehnlichen Landesgleichstellungsgesetz vielleicht kein notwendiges, aber gleichwohl auch ein anschauliches Beispiel für das Wachsen und Werden von kommunalen Standards. 60 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre 8.2 Reform des kommunalen Verwaltungshandelns 8.2.1 Organisationsfreiheit und Reformverpflichtung Anfang der 90er Jahre hat Prof. Banner von der KGSt unter der Überschrift: "Von der Behörde zum Dienstleistungsunternehmen", Reformbedarf in der Verwaltung, insbesondere in der kommunalen Verwaltung eingefordert. Tilburg wurde zum Reformansporn und zum Mekka all jener, die bereit waren und sich verpflichtet fühlten, die kommunale Verwaltung leistungsfähiger und kostengünstiger zu gestalten. Erinnern wir uns: Die Schlüsselworte lauteten Kosten- und Leistungsrechnung, Kunden- und Produktorientierung, Budgetierung und Benchmarking. Die KGSt entwickelte das Neue Steuerungsmodell. Das Ressourcenverbrauchskonzept wurde zu einer wichtigen Forderung an eine moderne Wirtschafts- und Haushaltsführung einer Kommune. Das Spannungsverhältnis: "Konzern Stadt versus Einheit der Verwaltung" bestimmt wichtige Teile des Reformprozesses. Kommunen sollen nicht mehr wie eine Behörde, sondern wie ein Dienstleistungsunternehmen, d.h. kundenfreundlich tätig werden. Es ist zunächst erst einmal Sache der Kommunen selbst, sich im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit den Anforderungen von Reformen zu stellen. Mit dem Recht zur kommunalen Selbstverwaltung korrespondiert die Pflicht der Gemeinden zur Reformbereitschaft. 8.2.2 Die Rolle der Kommunalaufsichtsverwaltung Die Reform der kommunalen Verwaltung kann deshalb nur ein selbst- und kein von der Kommunalaufsicht fremdgesteuerter Prozess sein. Natürlich geht die Reformbereitschaft und Reformfähigkeit auch die Kommunalaufsicht "etwas an". Denn ob und wie sich die kommunale Verwaltung weiterentwickelt, kann nicht allein einer einzelnen Gemeinde vorbehalten sein. Insoweit ist sie Teil eines Ganzen und damit eingebunden in einen allgemeinen Entwicklungsprozess, für den die staatliche Kommunalaufsichtsverwaltung Verantwortung trägt. Daraus erwachsen der Kommunalaufsichtsverwaltung schwierige Aufgaben. Sie muss erkennen und entscheiden, wo neue Entwicklungen eine Sackgasse darstellen und wo Reforminitiativen eine Unterstützung erfordern. Es ist ihre Sache darüber zu befinden, ob und wann eine Reforminitiative in das Regelsystem übernommen werden sollte. Um es konkret zu machen: Die Einführung des Neuen Steuerungsmodells ist weniger Sache der Kommunalaufsicht als vielmehr eine Entscheidung Friedrich Wilhelm Held 61 jeder einzelnen Kommune. Das neue Haushaltsrecht ist dagegen eindeutig Sache der Kommunalaufsicht. Für einen Bürgerhaushalt würde ich dies allerdings schon nicht mehr so unmissverständlich feststellen. Ob die Kommunen Kundenbefragungen oder Benchmarking organisieren, ist eindeutig dem Verantwortungsbereich der Kommune zuzuordnen. 8.2.3 Die Instrumente der Kommunalaufsichtsverwaltung Um ihrer Verantwortung für die Kommunen gerecht werden zu können, stehen der Kommunalaufsicht alle Instrumente kommunalaufsichtlicher Verwaltung zur Verfügung. Begrenzt wird der Wirkungsbereich der Kommunalaufsicht durch das Selbstverwaltungsrecht. Eingreifen kann die Kommunalaufsicht deshalb nur durch oder im Vollzug eines Gesetzes. Sie ist dabei an die gesetzlich geregelten Verfahren gebunden. Unabhängig davon stehen ihr alle Möglichkeiten offen, den selbstgesteuerten Reformprozess der Kommunen zu unterstützen. Dazu gehören beispielsweise die Herausgabe von Empfehlungen und Handreichungen, wie wir sie zu bürgerschaftlichen Aktivitäten (z.B. "lokal Aktiv") entwickelt haben. Sie kann aber auch Initiativen bündeln, um gemeinsame Aktivitäten in Kooperation mit den Kommunen zu organisieren. Wir tun dies gerade mit den Projekten Bürgerhaushalt und Neues Kommunales Finanzmanagement. Die Kommunalaufsichtsverwaltung kann ferner Zeichen setzen und animieren, wie wir dies beispielsweise mit einem Kongress zur Bürgerkommune zu Beginn diesen Jahres getan haben. 8.2.4 Experimentierklausel und Kommunalisierungsmodellgesetz Je dichter das Netz normativer Vorgaben geknüpft und je geringer der den Kommunen verbliebene Gestaltungsraum ist, umso weniger ist es ihnen möglich, aus eigener Verantwortung Reformen zu gestalten. Und je geringer die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen, umso größer die Verantwortung der Kommunalaufsicht für die Weiterentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung. Es ist deshalb kein Zufall, dass sich gerade dort, wo das Normengeflecht aus gutem Grund sehr eng gezogen ist, nämlich beim kommunalen Haushaltsrecht, schon frühzeitig die Notwendigkeit zu mehr Freiheit für Reformen herausgestellt hat. Erinnern wir uns: In dieser Situation war es notwendig, auf verfassungsrechtlich gesicherter Basis Raum für Experimente zu öffnen. Daraus entstand im Jahre 1994 die Experimentierklausel. Schon bei ihrer Übernahme in das kommunale Verfassungsrecht wurden allerdings auch organisationsrechtliche Vorschriften der Gemeindeordnung in die Versuchsregelung einbezogen. Diese Begrenzung erschien 62 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre zugleich auch erforderlich, um dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsgebot zu entsprechen. Insbesondere sollten keine Normen zur Disposition stehen, die Rechtsansprüche von Bürgern regeln. Nach der Reform des kommunalen Verfassungsrechts durch das Erste Gesetz zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung sind der Gegenstandsbereich der Experimentierklausel und damit der Reformbereich erweitert worden. Nunmehr ist das gesamte kommunale Verfassungsrecht experimentellen Ausnahmen zugänglich. Ihre Anwendung wurde allerdings zugleich begrenzt. Ausnahmen dürfen nunmehr ausdrücklich nur zugelassen werden, (Zitat § 126 GO) "soweit die grundsätzliche Erfüllung des Gesetzesauftrages sichergestellt ist". Über 200 Kommunen haben bisher über 400 Anträge zur Experimentierklausel gestellt. Nur 26 Anträgen konnten wir nicht stattgeben. Viele Anträge richteten sich an die Neugestaltung des Haushaltsrechts. Das Spektrum der Anträge reicht vom Personalwesen bis zum Kommunalrecht (u.a. Ausländerbeirat). In Nordrhein-Westfalen ist mit Hilfe der Experimentierklausel eine dichte Reformlandschaft möglich geworden. Mit der Experimentierklausel nach kommunalem Verfassungsrecht wurde der Kommunalaufsichtsverwaltung die Möglichkeit eröffnet, zur (Zitat § 126 GO) "Weiterentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung und zur Erprobung neuer Steuerungsmodelle" Abweichungen von den Normen des Regelsystems zuzulassen. Das Kommunalisierungsmodellgesetz ist ebenfalls ein Instrument der Kommunalaufsichtsverwaltung, um Veränderungen des Regelsystems vorzubereiten. Nach dem Beispiel des Landes Sachsen-Anhalt meint das Kommunalisierungsmodellgesetz aber eher die vorschriftenfreie Kommune nach skandinavischem Vorbild und zielt deshalb auf den Abbau von Normen und weniger auf die Veränderung von Verfahren. Anders als bei der Experimentierklausel sind in das Kommunalisierungsmodellgesetz ein enumerativ aufgezählter Kreis landesrechtlicher Regelungen (z.B. Katastervermessung, Gesetz über den Feuerschutz, Vergnügungssteuergesetz, § 2 KommG) und darüber hinaus alle organisationsrechtlichen Vorschriften des Landes (§ 4 KommG) einbezogen. Zusammengefasst bedeutet dies, das Kommunalisierungsmodellgesetz ist vornehmlich ein Instrument der Kommunalaufsichtsverwaltung zur Begrenzung kommunaler Standards, die Experimentierklausel eröffnet dagegen die Entwicklung von Reformen der kommunalen Verwaltung. Friedrich Wilhelm Held 63 8.2.5 Neues kommunales Finanzmanagement Unser bisher aufwendigstes Projekt zur Reform der kommunalen Verwaltung ist die Einführung eines Neuen Kommunalen Finanzmanagements (NKF). Es ist eingebettet in die Arbeit der Arbeitsgruppe Neues Haushaltsrecht der Innenministerkonferenz. Wir wollen ein für die Kommunalverwaltung geeignetes, an den kaufmännischen Grundsätzen orientiertes Haushalts- und Rechnungswesen. Nur so können Kosten-, Leistungs- und Wirkungstransparenz erreicht und durch ein neues System von kommunalem Controlling und Berichtswesen sichtbar gemacht werden. Die Kameralistik soll durch ein modifiziertes kaufmännisches Rechnungswesen abgelöst werden, das auch den Ressourcenverbrauch abbildet. Mit Hilfe des Neuen Kommunalen Finanzmanagements wollen wir mit den Gemeinden Anschluss halten an die internationale Entwicklung z.B. in den Ländern Frankreich, Niederlande, Schweden, Finnland und der Schweiz. Es geht uns zugleich darum, sprachfähig zu sein im Austausch mit der privaten Wirtschaft. Das Neue Kommunale Finanzmanagement bildet außerdem die wichtigste Grundlage für ein verbindendes Rechnungswesen zwischen der Kernverwaltung und ihren Beteiligungen. Ein Konzern Stadt ist ohne ein Neues Kommunales Finanzmanagement auf der Basis eines modifizierten kaufmännischen Rechnungswesens nicht denkbar. Seine Entwicklung und Einführung ist damit eine wichtige Voraussetzung für mehr kommunale Organisationsfreiheit. Damit der Konzern Stadt als Organisationsvielfalt möglich wird und nicht in der Erosion der kommunalen Selbstverwaltung endet, brauchen wir ein Neues Kommunales Finanzmanagement. Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg in der Stadt Wiesloch einen neuen Weg beschritten. Wir haben mit den Städten Düsseldorf, Dortmund, Münster, Moers und Brühl im vergangenen Jahr eigene Erfahrungen gesammelt. Vor vier Wochen konnte Nordrhein-Westfalen seine Konzeption von einem neuen Haushalts- und Rechnungswesen der Öffentlichkeit vorstellen und für alle Gemeinden verfügbar in das Internet einstellen. Niedersachsen und Hessen sind ebenfalls dabei, die Möglichkeiten des kaufmännischen Rechnungswesens für die öffentliche Verwaltung zu erproben. Ich denke, es ist bereits deutlich geworden, mit der Einführung eines Neuen kommunalen Finanzmanagements verbinden wir mehr als nur die Übernahme des Ressourcenverbrauchskonzeptes in die kommunale Haushaltswirtschaft. Wir wollen, um es noch einmal zu betonen, sprachfähig mit der privaten Wirtschaft und europafähig werden. Es geht uns aber auch darum, ein verändertes Kostenbewusstsein und ein ausgeprägtes Denken in wirtschaftlichen Zusammenhängen in der Verwaltung zu stärken. Und schließlich verbinden wir mit dem Neuen kommunalen Finanzma- 64 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre nagement mehr Transparenz und eine erhöhte Steuerungsfähigkeit der kommunalen Verwaltung. In diesem Zusammenhang stellen wir uns vor, künftig auch zwischen einem Managementhaushalt, einem Politikhaushalt und einem Bürgerhaushalt zu unterscheiden. Dem Managementhaushalt sollen alle Daten und Entscheidungen zu entnehmen sein, die die Verwaltung benötigt, um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können und um über den Vollzug Rechnung zu legen. Der Politikhaushalt wendet sich an die Führung der kommunalen Verwaltung, d.h. an den Rat und den Bürgermeister. Aus dem Politikhaushalt müssen sich deshalb alle Daten für die Führungsentscheidungen in der Gemeinde ergeben. Mit dem Bürgerhaushalt meinen wir zweierlei: Erstens die Information der Bürger. Durch die Aufbereitung des Management- und Politikhaushaltes sollen wesentliche kommunale Entscheidungen für die Bürger verständlich werden. Zweitens wollen wir mit dem Bürgerhaushalt die Voraussetzungen für eine aktive Bürgerbeteiligung verbessern. Ein sicher ehrgeiziges Programm, aber ich denke, es lohnt "den Schweiß der Edlen". 9. 9.1 Schlussbemerkung: Quo vadis kommunale Selbstverwaltung? Ausgliederung Wenn die Reform der kommunalen Selbstverwaltung die Öffnung für andere Organisationsmodelle und Verfahren meint, dann verdient sie volle Unterstützung. Natürlich lassen sich kommunale Leistungsangebote, vor allem die Art ihrer Präsentation, verbessern. Dabei kann auch die kommunale Verwaltung von der privaten Wirtschaft lernen. Geht man davon aus, dass der Kunde König ist, ist nicht einzusehen, warum der Bürger dann nicht auch Kunde sein sollte. Sicher lässt sich die kommunale Verwaltung mit Hilfe des Neuen Kommunalen Finanzmanagements wirkungsvoller und kostengünstiger steuern. Andere Entwicklungen können aber sowohl Segen als auch Fluch sein. Dabei denke ich insbesondere an die Ausgliederung von kommunalen Aufgaben, z.B. des Kulturamtes, der Sozialverwaltung und des Immobilienmanagements durch formale Privatisierung in kommunaleigenen Gesellschaften. Mir bereitet die Vorstellung von einer Sozialverwaltung in der Form einer SozialHolding GmbH nach dem Beispiel der Stadt Mönchengladbach keine Schwierigkeiten. Nachdenklich werde ich allerdings, wenn ich daran denke, dass in der kommunaleigenen Sozial-Holding GmbH nicht in erster Linie das Prinzip der Öffentlich- Friedrich Wilhelm Held 65 keit, sondern das gesellschaftliche Prinzip der Vertraulichkeit herrscht. Ich halte es auch nicht für einen demokratischen Zugewinn, wenn die Geschäfte der Holding dem bestellten Geschäftsführer und nicht mehr dem gewählten Bürgermeister, dem Rat oder seinen Ausschüssen zugeordnet sind. Wir erleben es immer wieder, dass zu Geschäftsführern kommunal eigener Gesellschaften die bisherigen Amtsleiter, Beigeordneten oder Fachbereichsleiter bestellt werden. Dagegen ist nichts einzuwenden, zumal sie eine Menge fachlicher Erfahrungen mitbringen. Wenn sich dann allerdings herausstellt, dass die Bestellung zum Geschäftsführer zugleich mit einer Art Gehaltserhöhung verbunden ist, möchte man meinen, damit würde das erhöhte wirtschaftliche Risiko abgedeckt. In der Praxis allerdings stellt sich häufig heraus, dass die mit dem neuen Amt des Geschäftsführers Betrauten sich aber bereits gegen jedes Risiko durch die Zusicherung eines Rückkehranspruchs abgesichert haben. 9.2 Privatisierung Privatisierung der Organisationsform hat, wenn ich es einmal hintersinnig formulieren darf, aber auch noch andere, haushaltsrechtliche "Vorteile". Das in der Form der GmbH organisierte kommunale Unternehmen ist nur mittelbar in die Haushaltsdisziplin des kommunalen Haushaltsrechts eingebunden. Es ist deshalb auch nicht an die Grundsätze des kommunalen Haushaltsrechts - z.B. Kreditaufnahme nur bei Investitionen - gebunden. Ganz sicher hat die Aufgabenerledigung in formal privatisierten kommunalen Gesellschaften betriebswirtschaftliche Vorteile. Wir müssen abwägen, ob es die Vorteile von mehr Effektivität kommunaler Produkterstellung rechtfertigen, auf einen Teil unmittelbarer politischer Entscheidungsverantwortung zu verzichten. Beispielsweise dadurch, dass die politischen Entscheidungswege verkürzt, aber die Entscheidungskompetenz der Bürgermeisterin bzw. des Bürgermeisters erweitert wird. In diesem, aber auch nur in diesem Fall, wäre das Beispiel der Stadt Leipzig zur Bildung eines Konzerns Stadt uneingeschränkt zur Nachahmung zu empfehlen. Privatisierung ist aber nicht nur ein Formentausch, sondern auch das Ergebnis von Liberalisierung. Wer Liberalisierung sagt, der kann nur Privatisierung meinen. Liberalisierung der öffentlichen Unternehmen läuft zwangsläufig auf eine Privatisierung hinaus, denn Liberalisierung stellt die Daseinsvorsorge in dem liberalisierten Bereich in Frage. Wer beispielsweise die Stromversorgung oder die Sparkassen dem vollen Wettbewerb aussetzen will, kann sie nicht zugleich mit zusätzlichen Aufgaben aus der Verpflichtung zur öffentlichen Daseinsvorsorge belasten oder sie an das Örtlichkeitsprinzip binden. Ebensowenig kann er die kommunale Gewährträgerschaft in Frage stellen, nur weil sie sich europarechtlich als unzulässige Beihilfe darstellen soll. Sollen die aus der öffentlichen Verantwortung erwachsenden 66 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Wettbewerbshindernisse ausgeräumt werden, ist dies nur bei voller Privatisierung der bisher kommunal verantworteten Bereiche möglich. Anlässlich der 950-Jahr-Feier der Stadt Nürnberg hat der Vorsitzende des bayerischen Städtetages und Oberbürgermeister von Landshut, Herr Deimer, in diesem Zusammenhang davor gewarnt (Zitat): "Ich meine, dass es höchste Zeit ist, das Privatisierungsdogma als Widerspruch zur sozialen Marktwirtschaft zu erkennen und der schleichenden Entmachtung der Politik entgegen zu treten". ... Er fährt dann fort ..." Privatisierung mag durchaus zur Effizienzsteigerung führen – keine Frage, dass dies ein sinnvolles Ziel ist. Man muss es aber abwägen gegen andere Notwendigkeiten – eben z.B. dass Privatisierung grundsätzlich auch die Ausschließbarkeit von Personen bedeutet". 9.3 Bürgerkommune Auf dem Weg in die Bürgergesellschaft bzw. vom agierenden zum aktivierenden Staat oder vom Erfüllungsstaat zum Gewährleistungsstaat, so lauten Begrifflichkeiten, denen eines gemeinsam ist, das Zurücknehmen der öffentlichen Verwaltung zugunsten von mehr privater Verantwortung. Es gibt sicher gute Gründe für die Entwicklung hin zu mehr bürgerschaftlicher Verantwortung. Einiges spricht dafür, dass wir uns den Staat bzw. die Kommune nicht oder nicht mehr leisten können, die für alle ein "rundum Sorglos Programm mit Unterhaltung" zur Verfügung halten. Ich könnte auch gut damit leben, wenn die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nicht in kommunal finanzierten Stadien stattfände, sondern in privat betriebenen Fußball-Arenen. Andererseits hielt ich es für verhängnisvoll, wenn sich die Kommunen auch aus ihrer Verantwortung für die Daseinsvorsorge zurückziehen und diese Aufgabe der Bürgerkommune überlassen würden. Sie meinen dies Bild sei überzeichnet, dann empfehle ich Ihnen die Wirtschaftswoche vom vergangenen Monat. Unter der Überschrift "Bürger Bayer" wird dort die soziale Verantwortung der Unternehmen angemahnt und ein Preis "Freiheit und Verantwortung" gestiftet, um das soziale Engagement der Unternehmen zu fördern. Denn, so ist dort zu lesen: "Das Unternehmen als Staatsbürger, Bürger Bayer, VW oder Allianz – in Zeiten sinkender Steuern und fallenden Staatsanteils am Volkseinkommen bricht sich auch hierzulande eine Entwicklung Bahn, die vor allem in angelsächsischen Ländern Friedrich Wilhelm Held 67 längst Alltag ist. Die Unternehmen, so der Duktus, müssen sich wie die Bürger stärker für das Gemeinwesen engagieren." Bürgergesellschaft im Sinne eines positiven Engagements für die Bürger der örtlichen Gemeinschaft, dieser Vorstellung kann nur ein uneingeschränktes Ja gelten. Bürgergesellschaft im Sinne einer Umverteilung öffentlicher Verantwortung zu Lasten (?) oder zu Gunsten privater Unternehmen (?), das sollte nicht sein. Viele politische Entwicklungen haben ihren Ausgang in den Städten und Gemeinden genommen. Auch die Bürgerkommune kann einen positiven Verlauf nehmen. Achten wir darauf, dass sie sich nicht verläuft. 68 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Dr. Marga Pröhl 69 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Eine erfolgreiche Dekade der Verwaltungsmodernisierung In den vergangenen zehn Jahren ist die kommunale Landschaft in Deutschland gehörig in Bewegung geraten. Das Neue Steuerungsmodell war sowohl Reaktion auf eine fiskalische Krisensituation in den Städten und Gemeinden hierzulande, wie auch Ausdruck der Erkenntnis, dass man vom Ausland lernen kann. Fünfzehn Jahre nach Einführung des "Tilburger Modells", das ein verbessertes Finanzmanagement durch die Anwendung von Techniken und Methoden des Unternehmensmanagement propagierte, ist es für die Bertelsmann Stiftung kein Zufall gewesen, die Strategietagung ihres internationalen Städtenetzwerks "Cities of Tomorrow" in eben jener Stadt stattfinden zu lassen, in der damals der Startschuss für die Binnenmodernisierung gegeben wurde. Viel hat sich seitdem zum Besseren gewendet in Kommunalverwaltungen und mit städtischen Dienstleistungen, und Begriffe wie Kontraktmanagement, Dezentralisierung und Output-Orientierung gehen den meisten Verwaltungschefs mittlerweile locker über die Lippen. Die Bertelsmann Stiftung hat diesen Reformprozess in den letzten zehn Jahren aktiv begleitet. Ausgehend von der Überzeugung des Stiftungsgründers Reinhard Mohn, dass der die freie Wirtschaft antreibende Wettbewerb auch die Effizienz und Innovationskraft von staatlichen Behörden vergrößern könnte, etablierte der Bereich "Staat und Verwaltung" den interkommunalen Leistungsvergleich. Aufgeschlossene Verwaltungen stellten sich mit ihren Leistungen und ihren Daten in von der Stiftung initiierten Vergleichsringen einem künstlich erzeugten Wettbewerb in Sachen Auftragserfüllung, Zufriedenheit der Kunden und der Mitarbeiter sowie Wirtschaftlichkeit. Der Gedanke war einfach, die Wirkung immens - plötzlich wussten Verwaltungen, wo sie standen, hatten Vergleichsgrößen zur Verfügung, konnten Schwachstellen identifizieren und auch eigene gute Leistungen verifizieren. Der Interkommunale Leistungsvergleich wurde als ostwestfälisches Produkt bald ein Markenartikel. Von daher lassen Sie mich kurz einige Worte zur Bertelsmann Stiftung und dem kommunalen Engagement aus Gütersloh einfügen. 70 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Das gesellschaftspolitische Engagement der Bertelsmann Stiftung Die Bertelsmann Stiftung wurde 1977 von Reinhard Mohn gegründet. Die Ziele waren sowohl gesellschafts- als auch unternehmenspolitisch: Durch die gesellschaftspolitische Zielsetzung sollen für wichtig erachtete Bereiche in der Gesellschaft in Form von Projekten analysiert und Lösungsansätze zur Verbesserung formuliert werden. Das unternehmenspolitische Ziel ist die Kontinuitätssicherung des Hauses Bertelsmann, vor allem durch die Trennung von Führung und Kapital. Die Bertelsmann Stiftung finanziert sich aus den Erträgen ihrer Beteiligungen. Darüber hinaus kann sie Spenden der Bertelsmann Gruppe entgegennehmen. Die Stiftung verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Es werden nur Projekte von der Stiftung gefördert, bei denen sie selbst mitgestaltet bzw. die direkt in der Bertelsmann Stiftung zusammen mit externen Projektpartnern konzipiert, durchgeführt und gesteuert werden. Die Projektpartner können wissenschaftlichen, staatlichen oder privaten Institutionen angehören. Derzeit hat die Stiftung 235 Mitarbeiter, führt 180 Projekte durch und verfügt über ein Jahresbudget von etwa 130 Mio. DM. Die Förderungsschwerpunkte der Bertelsmann Stiftung sind unter anderem: • • • • • die Förderung der Medienwissenschaft, besonders durch Maßnahmen zur Verbesserung von Kompetenz und Verantwortung in den Medien und bei den Nutzern, die Erforschung und Entwicklung von innovativen Konzepten der Führung und Organisation in allen Bereichen der Wirtschaft und des Staates, insbesondere durch Systementwicklung und anschließende Implementierung, die Förderung der internationalen Zusammenarbeit, besonders in den Bereichen Politik, Bildung und Kultur, die Förderung der Aus- und Weiterbildung sowie der Systementwicklung in allen Bereichen des Bildungswesens, die Förderung von Maßnahmen in der Arbeitswelt, besonders durch Forschung und Konzeptentwicklung hinsichtlich Arbeitsmarkt und Arbeitsbedingungen. Die Bertelsmann Stiftung will: • • gesellschaftliche Probleme aufgreifen, exemplarische Lösungsmodelle mit Experten aus Wissenschaft und Praxis entwickeln und Dr. Marga Pröhl • 71 in ausgewählten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens verwirklichen. Die Arbeit des Bereichs "Staat und Verwaltung" der Bertelsmann Stiftung Der von mir geleitete Bereich "Staat und Verwaltung" umfasst zahlreiche Projekte zur Verwaltungsmodernisierung, Politikreform und Stärkung der lokalen Demokratie - von der Entwicklung von Kernkennzahlen zur Erstellung steuerungsrelevanter Berichtswesen über Recherchen zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung bis hin zur Forschung nach neuen Wegen zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements. Zusätzlich gewinnen meine Mitarbeiter und ich Einblick in vielversprechende Reformimpulse aus dem Ausland durch unser internationales Netzwerk "Cities of Tomorrow", vom Bürgerhaushalt der Stadt Christchurch bis hin zu Servicegarantien im finnischen Hämeenlinna. Von diesen guten Praktiken wollen wir im Sinne einer operativen Stiftung lernen und versuchen gemeinsam mit aufgeschlossenen Partnern eine Umsetzung brauchbarer Konzepte hierzulande beispielsweise in unserem aus 64 deutschen Städten bestehenden Netzwerk "Kommunen der Zukunft". So plant das Innenministerium Nordrhein-Westfalens gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung und innovationsbereiten Kommunen, modellhaft "Bürgerhaushalte" zu entwickeln, um Impulse für stärkere Konsultation mit der Bürgerschaft im Haushaltsaufstellungsverfahren und im Entscheidungsprocedere zu geben. Von diesem Projekt sind interessante Erfahrungen zu erwarten, die an andere Kommunen weitergegeben werden sollen. Unser Engagement im kommunalen Bereich hat auch einen Namen, eine Motivation, die sich aus den Überzeugungen des Stiftungsgründers speist und mit der Entschlossenheit meiner Mitarbeiter deckt: Demokratie und Effizienz. So wie Reinhard Mohn der Überzeugung war und ist, dass eine effiziente öffentliche Verwaltung das Rückgrat einer lebendigen Demokratie ist, so arbeitet auch mein Bereich im kommunalen Sektor, um die Demokratie dort zu stärken, wo sie beginnt - in den Städten und Gemeinden, bei der kommunalen Selbstverwaltung. 72 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Sie werden am Spektrum der aufgezählten Tätigkeiten meines Bereichs gemerkt haben, dass sich unsere Projekte längst nicht mehr allein auf die Binnenmodernisierung beziehen. Diese Entwicklung ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass es eben um beide Seiten der Medaille geht, um Effizienz und Demokratie, dass wir uns hinsichtlich des kommunalen Selbstverständnisses auf einem Weg befinden, der uns wegführt von der Verwaltung als klassischer Ordnungsbehörde, und auf der auch das "Dienstleistungsunternehmen" lediglich ein Zwischenschritt war - wenngleich ein äußerst bedeutsamer. Heute befinden wir uns auf dem Weg zur Bürgerkommune, und die Tätigkeit des Bereichs "Staat & Verwaltung" spiegelt diese Entwicklung selbstredend wieder. Auf dem Weg zur Bürgergesellschaft Ist mit dem Schlagwort der "Bürgerkommune" lediglich ein neues Modeetikett gefunden, lösen Anerkennungsmechanismen für bürgerschaftliches Engagement schlicht die Kennzahlen zur Bemessung von Verwaltungseffizienz ab, derer man Dr. Marga Pröhl 73 nach zehn Jahren überdrüssig geworden ist? Keineswegs. Größere Transparenz von Entscheidungsabläufen und Verwaltungsvorgängen hat ebenso eine demokratisierende Wirkung, wie umgekehrt der Bürgerhaushalt und ähnliche partizipatorische Schritte ihren Beitrag zu einer effizienteren Verwaltung leisten können. Was hier so theoretisch anmutet, möchte ich Ihnen gerne am praktischen Beispiel unseres Kompass-Projekts erläutern. Die Bertelsmann Stiftung hat mit den Städten Arnsberg, Celle, Coesfeld, Dortmund, Herford und dem Landkreis Osnabrück einen neuen Weg hin zu langfristiger strategischer Steuerung eingeschlagen. Mit den verschiedenen Akteuren vor Ort sind in einem bürgerschaftlich gestalteten Prozess Ziele für zentrale Politikfelder erarbeitet und anschließend politisch verabschiedet worden. Wer Ziele hat, muss überprüfen, ob diese erreicht werden. Auf der Grundlage der erarbeiteten Ziele ist deshalb ein kennzahlengestütztes Berichtswesen entwickelt worden. Das Berichtswesen soll von den Projektstädten publiziert und öffentlich diskutiert werden. Damit ist die Grundlage geschaffen, im Zusammenwirken der verschiedenen Akteure Strategien für die langfristige Planung in den Politikfeldern zu erarbeiten und im Zeitablauf deren Wirksamkeit zu überprüfen. Der Vergleich zwischen den Städten ermöglicht es, mit- und voneinander zu lernen. Erstmalig hat die Bertelsmann Stiftung den "Interkommunalen Leistungsvergleich" in diesem Projekt zu einem Steuerungsinstrument für Verwaltungsführung und Politik weiterentwickelt. Damit soll ein Beitrag für die Verbesserung der politischstrategischen Entscheidungsfindung in diesem Themenfeld geleistet werden. Die Entwicklung von Indikatoren gemeinsam mit allen relevanten Akteuren einer Stadt ist eine Qualitätssteigerung in Richtung zu mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung in den Kommunen. Indem Impulse von den Bürgern aufgenommen werden, ihre Ideen und Werte im Blick auf die Lebensqualität vor Ort in den politischen Planungsprozess integriert werden, wird gesellschaftlicher Zusammenhalt gefördert und die Identifikation mit der Stadt gestärkt. Diese aktive Einbeziehung der Bürger in politische Entscheidungsprozesse ist weit mehr als nur ein öffentliches Brainstorming, sie gibt den Beteiligten alle Instrumente für konstruktive Mitwirkung und bürgerschaftliches Engagement an die Hand. Die Rolle der Kommunalaufsicht Von Gütersloh aus betrachtet, hat sich die Kommunalaufsicht während der letzten zehn Jahre sehr bemüht, diesen Wandlungsprozess konstruktiv und fördernd zu begleiten, gegebenenfalls gar anzustoßen. Auch wenn sich einige bewegungsunwillige Kommunen gerne hinter den angeblich rigiden Rechtsvorschriften der Auf- 74 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre sichtsbehörde verschanzten - Gerhard Banner nannte diese Haltung sehr treffend eine "mentale Selbstverstaatlichung" -, die Kommunalaufsicht ist nicht nur auf "ordnungsgemäße" Abwicklung bedacht gewesen und hat kommunalreformerische Prozesse durchaus wohlwollend unterstützt. "Kommunalaufsicht", so hatte Friedrich Wilhelm Held betont, " ist nicht nur Rechts- und Fachaufsicht, sondern meint zugleich die Gesamtverantwortung des Landes für die Entwicklung der Kommunen." Dieser Gesamtverantwortung ist die Kommunalaufsicht hier in NordrheinWestfalen unter anderem dadurch nachgekommen, dass sie von sich aus schon vor über sechs Jahren - und ganz im Sinne des Neuen Steuerungsmodells - alle kommunalen Standards untersucht hat und mit prüfender Unterstützung eines privaten Partners sowie der kommunalen Spitzenverbände schließlich in über 100 Vorschriften Standards für kommunale Leistungen abgebaut hat. Damit nicht genug, auch ein Standard-Controlling-Verfahren wurde etabliert, so dass seitdem alle neuen Standards - wie dies zuvor auch bei Gesetzen und Verordnungen gehandhabt wurde den kommunalen Spitzenverbänden zur Stellungnahme zugeleitet werden. Neue oder verschärfte Standards gegen deren Votum sind nur selten möglich. Wenn die Kommunalreform von der Idee ausgeht, Eigenverantwortung auf allen Ebenen - fachlich, finanziell, organisatorisch sowie personell - zu fördern, dann muss dies bedeuten, dass die staatlich gesetzten Rechtsregeln für die Kommunen zurückgeführt werden auf das Wesentliche. Das Innenministerium in NordrheinWestfalen hat hier bereits 1993 durch deregulierende Maßnahmen den Kommunen Räume für mehr eigenverantwortliches Handeln eröffnet. Die Bertelsmann Stiftung hat aber durchaus auch ihre eigenen Erfahrungen mit innovativer Kommunalaufsicht gemacht, und zwar bei ihrer Projektarbeit im Saarland. Vor sechs Jahren riefen das saarländische Innenministerium und die Bertelsmann Stiftung das Projekt "Modern & Bürgernah" ins Leben. Explizites Ziel dieses interkommunalen Wettbewerbs war die Unterstützung der saarländischen Kommunen in ihren Reformbemühungen zur Modernisierung ihrer Verwaltungen. Ihm zugrunde lag ein Leitbild für eine demokratische, effiziente und bürgernahe Verwaltung, das aus folgenden Aspekten bestand: • • • • • • Leistung unter demokratischer Kontrolle Bürger- und Kundenorientierung Verbesserte Kooperation zwischen Politik und Verwaltung Dezentrale Führung Controlling und Berichtswesen Ausschöpfung der Potentiale der Mitarbeiter Dr. Marga Pröhl • 75 Gewährleistung von Innovations- und Evolutionsfähigkeit durch Wettbewerb. Hier ging es nicht einfach nur um eine Optimierung der Verwaltungsarbeit, wie Herbert Mandelartz zurecht betonte, hier ging es um mehr Demokratie: "Der Ansatz des saarländischen Ministeriums des Innern und der Bertelsmann Stiftung geht .... über die bloße Einführung eines bestimmten betriebswirtschaftlichen Instrumentariums für die öffentliche Verwaltung hinaus. Es zielt darauf ab ..., die demokratische Steuerung zu garantieren." Das saarländische Innenministerium hatte den politischen Willen, zur Reform zu ermutigen und den Prozess des Wandels zu begleiten, und sie war gewillt, durch die Aufnahme der Experimentierklausel in die Gemeindehaushaltsverordnung und in andere relevante kommunale Rechtsgrundlagen den Kommunen die Freiräume zu gewähren, die mutiges Handeln überhaupt erst ermöglichten. Das Besondere an unserem Experiment im Saarland war die Bereitschaft unseres Projektpartners, den Reformkräften im Lande den Rücken zu stärken. Durch umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen wurde sichergestellt, dass der Reformeifer nicht bereits am Know-How scheiterte, und durch die Einbindung von Handelskammer, Gewerkschaften, Wirtschaft und Hochschule in Diskussionsforen erreichte man eine immense Rückendeckung für den Reformprozess. Dies war unsere bislang einzige projektbasierte Kooperation mit einer Kommunalaufsicht, und ich kann sagen, Zusammenarbeit wie auch Resultate waren großartig. Ich kann also durchaus konstatieren, dass Kommunalaufsicht in Deutschland - von der Deregulierung über die Erprobung der Doppik bis hin zur Moderatorenrolle im Reformprozess - durchaus Positionen bezieht, die sich mit einem unserer programmatischen Schwerpunkte decken: Dass Effizienz und Demokratie einander bedingen, dass Bürgerbeteiligung elementarer Bestandteil einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung ist. Etwas problematischer wird es schon mit einer anderen Grundlage unserer Arbeit, der Überzeugung, dass Innovation und Effizienz am besten durch Wettbewerb, und sei er künstlich geschaffen, gewährleistet wird. Seit Jahren nun, ich habe es vorhin ausgeführt, praktiziert die Bertelsmann Stiftung Wettbewerbserzeugung durch den Interkommunalen Leistungsvergleich, und die Kommunalaufsicht ist - vom Beispiel des Saarlands einmal abgesehen - mit den Erkenntnissen dieser Arbeit, um es vorsichtig auszudrücken, sehr zurückhaltend umgegangen. Bemessung kommunaler Leistungen an den Ergebnissen der Verwaltungsarbeit, Indikatorenentwicklung und Datenverbreitung sowie schließlich Hilfeleistung bei der Erstellung von strategischen Berichtswesen, so scheint es, werden vielerorts in deutschen Kommunalaufsichten nicht als ihre Aufgabe empfunden. Damit aber, so meine ich, koppeln sich Kommunalaufsichten selber von einer kaum umkehrbaren Entwicklung ab: Denn 76 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre wenn der Weg von der Ordnungsbehörde über den Dienstleister bis hin zur Bürgerkommune unumkehrbar sein wird, dann geht es bei der Aufsicht auf diese Entwicklungen nicht mehr darum, hier lediglich mit Verfahrens- und Rechtsprüfungen den ordnungsgemäßen Ablauf dieser Entwicklung zu verfolgen. Ganz im Sinne der vorher genannten Beispiele aus Nordrhein-Westfalen und dem Saarland geht es vielmehr darum, als Moderator und Impulsgeber diesen Prozess aktiv zu begleiten. Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass ich die kommunale Selbstverwaltung mit all ihren mannigfaltigen Partizipationsmöglichkeiten auf lokaler Ebene, als gelebte Demokratie, für eine großartige deutsche Erfolgsgeschichte ansehe. Als Anregung, und nicht als Eins-zu-Eins kopierbares Beispiel allerdings möchte ich Ihnen gerne noch die Arbeit der Audit Commission im zentralistischen Großbritannien vorstellen. Sie benennt Rechnungsprüfer (Auditors), setzt Standards für die Prüfer und führt landesweite Studien durch. Die Audit Commission ist eine nicht-ministerielle Behörde. Sie wird finanziert durch Gebühren- und Honorar-Einnahmen für Prüfungen sowie vom Ministerium für Umwelt, Verkehr und Regionen/Kommunen (DETR), dem Ministerium für Gesundheit, und der Regionalregierung in Wales. Die Audit Commission ist die offizielle Rechnungsprüfungsbehörde für Kommunen und National-Health-Service Zentren. Sie prüft Budgets, Betrug, Korruption und rechtliche Angelegenheiten. Seit ihrer Gründung 1983 hat sich die Rolle der Audit Commission erweitert. Heute ist es die Pflicht der Audit Commission, Best Value und Value For Money -VFM (Effektivität und Effizienz) für die Bürger zu erzielen. 30% des Prüfungsvorgangs werden heute auf VFM verwandt. Dabei bezieht die Audit Commission seit neustem auch andere kommunale Akteure als Prüfer ein, z.B. Wirtschaftsvertreter. Die Audit Commission prüft die Ergebnisse des kommunalen Modernisierungsprogramms Best Value (seit 1/2000) sowie soziale Dienste, Schulämter, sozialen Wohnungsbau und -betrieb. Das Herausragende an der Arbeit der Audit Commission und das für unsere Arbeit besonders Interessante ist die Gewährleistung von Transparenz im öffentlichen Sektor. Die Audit Commission definiert nicht nur Leistungsindikatoren für Kommunalverwaltungen, sie veröffentlicht diese auch jährlich und für jeden einsehbar. Unter www.audit-commission.gov.uk können Sie jederzeit Einblick nehmen in die Leistungsfähigkeit einer jeden Kommune, die Sie interessiert. Kommunalverwaltungen sind verpflichtet, ihre Leistungen jährlich anhand der vorgegebenen Indikatoren der Audit Commission zu messen. Sie müssen ihre Ergebnisse innerhalb von neun Monaten in einer Lokalzeitung veröffentlichen. Danach werden die Ergebnisse landesweit von der Audit Commission veröffentlicht und sind auf den genannten Internetseiten abrufbar. Darüber hinaus hat die britische Regierung vor einigen Dr. Marga Pröhl 77 Wochen Public Service Agreements (PSA) als Pilotprojekt gestartet. 20 Pilotkommunen vereinbaren Wirkungsindikatoren/Outcomes mit der zentralen Regierung, die über die gesetzlichen Anforderungen hinaus gehen, und bekommen zusätzliche finanzielle Zuweisungen, sobald sie diese Ziele erreicht haben. Diese Transparenz nach außen wird gepaart von einer beratenden Absprache nach innen. Die Auditors verfassen außer des eigentlichen Prüfungsberichts für eine Kommune auch einen Management Letter als Zusammenfassung für Ratsmitglieder. Dieser beschreibt auch die wichtigsten Verbesserungsmaßnahmen, die die Behörde zusammen mit den Prüfern vereinbart hat. Die nationalen Studien der Audit Commission umfassen auch die Bereitstellung von Benchmarks für die geprüften Behörden, damit sie sehen können, wo sie im Vergleich zu anderen stehen. Die Studien umfassen außerdem die Auswahl und die Verbreitung von "good practice". An dieser Stelle sollte gleichwohl angemerkt werden, dass ein solcher Reformimpuls aus dem Ausland einer sehr kritischen Prüfung bedarf, um nicht einem neuen Dirigismus das Wort zu reden. Auch in Großbritannien wird die Audit Commission durchaus kontrovers diskutiert. Verwaltungsmitarbeiter beklagen den hohen Arbeitsaufwand für die Berichterstellung, der Sinn einer solchen Erhebung wird auch angesichts der anfallenden Kosten angezweifelt, und einige Verwaltungschefs sprechen unverhohlen von einer "bureaucratic mess". Zu arbeitsintensiv, zu teuer, zu bürokratisch: es wird sehr genau zu überlegen sein, wie man deutschen Kommunen aussagekräftiges und steuerungsrelevantes Datenmaterial zur Verfügung stellen kann, ohne sie den genannten Nachteilen auszusetzen. Die Kommunalaufsicht der Zukunft: Prozessbegleiter statt Kontrolleur Ein weiteres Problem bei der Übertragbarkeit ist sicherlich, dass sich ad hoc kein Träger in Deutschland finden lässt, der die Funktion der Audit Commission wahrnehmen könnte. Da die kommunale Selbstverwaltung hierzulande dirigistische Strukturen nach britischem Vorbild ausschließt, wäre es sicherlich unmöglich, die Kommunalaufsicht in einer solchen Rolle zu denken. Das bedeutet aber nicht, dass die Kommunalaufsicht nicht Antreiber und Ideenstifter für die Gewährleistung von Transparenz und Steuerungsfähigkeit im kommunalen Sektor sein könnte. Ich kann hier keinen Königsweg präsentieren, aber ich möchte Sie alle dazu auffordern, in dieser Richtung weiterzudenken. 78 Wir erinnern uns: Wichtige Entwicklungen in Kommunalpolitik und Kommunalaufsicht der zurückliegenden Jahre Ich möchte abschließend noch einmal skizzieren, wo meiner Ansicht nach Potentiale und zukünftige Aufgabenfelder für die Kommunalaufsicht liegen. Dabei gebe ich zunächst zu bedenken, dass ihre klassischen Aufgaben im Bereich der Rechtsaufsicht natürlich weiterhin Grundlage ihrer Arbeit sind, auch wenn man im Sinne einer Deregulierung die Handlungskorridore für die Kommunen in der Haushaltsgesetzgebung sicher deutlich vergrößern könnte. Hier hat Nordrhein-Westfalen seit Jahren aufgezeigt, wie es gehen kann, wie sich die Kommunalaufsicht wegbewegen kann von Detailprüfung und Überregulierung. Deregulierung legt als nächsten Schritt nahe, sich stärker an einer Ergebnisaufsicht zu orientieren. Hier ist nahe zu legen, die Kommunalaufsicht stärker in einer Rolle des internen Organisations- und Qualitätsberaters denn als eine Institution zur Verfahrensprüfung zu betrachten. In diesem Zusammenhang ist die Kommunalaufsicht mit ihrer Expertise und ihrer Fähigkeit zur Gesamtschau in einer besonders günstigen Position, um als Impulsgeber zu wirken und den Kommunen neue Reforminstrumente nahe zu bringen wie dies beispielsweise derzeit in bezug auf die Doppik geschieht. Neue Impulse, deregulierendes Wirken und eine ergebnisorientierte Sichtweise alleine öffnen aber noch keine partizipatorischen Räume, ermöglichen noch keine breiter angelegte Debatte über kommunale Zukunftsziele und Qualitätssicherung. Deshalb ist dringend ein Impuls zur Sicherung der Offenlegung kommunaler Leistungen vonnöten. Wir brauchen die Transparenz über öffentliche Leistungen gegenüber der Bürgerschaft als notwendiges, als unverzichtbares Rückgrat lokaler Demokratie. Gesetzliche Rahmenbedingungen zur Rechenschaftslegung gegenüber den Bürgern sind erforderlich, und die Kommunalaufsicht ist quasi von Haus aus der prädestinierte Akteur für eine solche Initiative. Schließlich kann die Kommunalaufsicht, wie im Saarland deutlich geworden ist, in besonders effektiver Weise als Moderator tätig werden, um die verschiedenen Interessengruppen und lokalen Akteure an einen Tisch zu holen. Diese kurze Skizze des zukünftigen Aufgabenprofils der Kommunalaufsicht macht deutlich, dass sich ihre Rolle zunehmend von einer Kontrollinstanz zu einem unterstützenden Prozessbegleiter wandelt. Meines Erachtens bedeutet eine klare Reduktion von Detailprüfung nicht, dass damit die Anforderungen an die Kommunalaufsicht weniger komplex oder anspruchsvoll sein werden. Ganz im Gegenteil: Als Impulsgeber, Moderator und Initiator von Transparenz kann die Kommunalaufsicht als umfassender Reformbegleiter wesentlich besser ihrer gesellschaftlichen Gesamtverantwortung nachkommen. Rudolf Oster 79 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: Brauchen wir auch für den kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz? Gliederung I. II. III. IV. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1999 1. Auftrag des Urteils 2. Mögliche Übertragung des Urteils auf den kommunalen Finanzausgleich Zur Struktur der Maßstäbe für den kommunalen Finanzausgleich 1. Maßstäbe nur im oder auch außerhalb des Finanzausgleichs? 2. Vertikale oder horizontale Maßstäbe im kommunalen Finanzausgleich? Zu vertikalen Maßstäben für den kommunalen Finanzausgleich 1. Maßstäbe für die Einnahmen ? 2. Maßstäbe für die Ausgaben ? 3. Maßstäbe für die Ausgleichsquote ? Ergebnis 80 I. I.1 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1999 Auftrag des Urteils Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 11. November 1999 zum Länderfinanzausgleich bekanntlich jene Bedingungen vorgegeben, die vom Gesetzgeber zu erfüllen sind, damit dass Finanzausgleichsgesetz von 1993 nicht ab 1. Januar 2003 verfassungswidrig und nichtig wird.1 Angesichts dieses Urteils drängt sich die Frage auf, ob sich Handlungsbedarf für den kommunalen Finanzausgleich ergibt, oder anders gewendet: "Brauchen wir auch für den kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" Beispielsweise erwartet die Landkreisversammlung des LKT NRW, "dass die Notwendigkeit einer solchen Regelung auch für den kommunalen Finanzausgleich geprüft wird."2 Bevor nach einer Antwort auf diese Frage gesucht wird, ist es hilfreich, die dem Urteil des BVerfG zugrunde liegende Kausalkette nachzuzeichnen – in der gebotener Kürze und deshalb zwangsläufig mit weitreichenden Vereinfachungen. Das BVerfG geht davon aus, dass die Finanzverfassung selbst keine unmittelbar vollziehbaren Maßstäbe enthalte, sondern den Gesetzgeber verpflichte, das verfassungsrechtlich nur in unbestimmten Begriffen festgelegte Steuerverteilungs- und Ausgleichssystem durch anwendbare, allgemeine, ihn selbst bindende Maßstäbe gesetzlich zu konkretisieren und zu ergänzen. Vier Vorschriften im Grundgesetz sind dabei von besonderem Interesse, weil mit ihnen jeweils gesetzliche Regelungen eingefordert werden: 1. Art 106 Abs. 3 Satz 3 GG: "Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festgesetzt." 2. Art. 107 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 GG: "... für einen Teil, höchstens jedoch für ein Viertel dieses Länderanteils [am Aufkommen der Umsatzsteuer], können durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Ergänzungsanteile ... vorgesehen werden ...". 1 2 Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 11. November 1999 – 2 Bvf 2/98. Erwartungen und Forderungen des Landkreistages Nordrhein-Westfalen an den neuen Landtag und die neue Landesregierung – Beschluss der Landkreisversammlung vom 3. Mai 2000 im Kreis Neuss - , in: Eildienst Landkreistag Nordrhein-Westfalen, Nr. 10/00, S. 227 Rudolf Oster 81 3. Art. 107 Abs. 2 Satz 2 GG: "Die Voraussetzungen für die Ausgleichsansprüche der ausgleichsberechtigten Länder und für die Ausgleichsverbindlichkeiten der ausgleichspflichtigen Länder sowie die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichsleistungen sind in dem [Bundes-] Gesetz zu bestimmen." 4. Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG: "Es [das Bundesgesetz] kann auch bestimmen, dass der Bund ... (Ergänzungszuweisungen) gewährt." Ihre besondere Bedeutung gewinnen diese vier grundgesetzlichen Regelungen vor dem Hintergrund des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nrn. 1 und 2 GG. Darin werden die Grundsätze vorgegeben, denen bundesgesetzliche Regelungen zu folgen haben: 1. Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln. 2. Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, dass ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird. Das BVerfG stellt hierzu in seinem Urteil fest: "Das Finanzausgleichsgesetz bestimmt die in Art. 106 und Art. 107 GG für die gesetzliche Ausgestaltung der Finanzverfassung vorgegebenen Maßstäbe nicht mit hinreichender Deutlichkeit ..." So sind – wie das BVerfG ausführt - "keine Gesetzestatbestände entwickelt worden, die ‚laufende‘ von sonstigen Einnahmen abgrenzen und innerhalb der veranschlagten die ‚notwendigen‘ Ausgaben tatbestandlich bestimmen." Der Gesetzgeber müsse, so das BVerfG, langfristig anwendbare Maßstäbe bestimmen, aus denen dann die konkreten, in Zahlen gefassten Zuteilungs- und Ausgleichsfolgen abgeleitet werden können. Der Gesetzgebungsauftrag ohnegleichen 3 ergibt sich aus der Kritik am bestehenden Finanzausgleichsgesetz. Dieses setze die in Art. 106 und 107 GG enthaltene Maxime nicht in überprüfbare Maßstäbe um, so dass sich die Praxis des Finanzausgleichs in einem Ad-hoc Aushandeln erschöpfe. Statt dessen müssten auf der Basis der allgemeinen Maximen des Grundgesetzes eben längerfristig gültige Maßstäbe 3 Bull, Hans Peter und Mehde, Veit: Der rationale Finanzausgleich – ein Gesetzgebungsauftrag ohne gleichen, in: DÖV 2000, S. 305 ff. 82 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" entwickelt werden, die bindend sein sollen und hinsichtlich ihrer Einhaltung kontrolliert werden können. Gefordert wird daher ein Maßstäbegesetz, das offensichtlich zwischen dem Grundgesetz und dem jeweiligen Finanzausgleichsgesetz stehen soll. Konkret soll das Maßstäbegesetz folgende Begriffe und Verfahren in einer Weise ausfüllen, die "den vorgefundenen finanzwirtschaftlichen Verhältnissen und finanzwissenschaftlichen Erkenntnissen" entspricht und geeignet ist, für Transparenz der Mittelverteilung zu sorgen: 1. Bezüglich des Länderfinanzausgleichs soll vor allem klargestellt werden, was unter "Finanzkraft" und was unter einer "hinreichenden Annäherung der Finanzkraft" zu verstehen ist. 2. Im Hinblick auf die Zuteilung von Bundesergänzungszuweisungen soll operational definiert werden, was unter der "Leistungsschwäche" eines Landes zu verstehen ist. 3. Hinsichtlich der Umsatzsteuerverteilung und der damit verbundenen Revisionsklausel soll konkretisiert werden, was unter "notwendigen Ausgaben" und "laufenden Einnahmen" zu verstehen ist. Zusammenfassend ergibt sich aus dem Urteil folgende Kausalkette: Weil das Grundgesetz ein Bundesgesetz fordert, das mit hinreichender Deutlichkeit überprüfbare Maßstäbe enthält, dieses Gesetz aber fehlt, jedenfalls im Finanzausgleichsgesetz überprüfbare Maßstäbe nicht enthalten sind, wird das Finanzausgleichsgesetz nur noch als Übergangsrecht befristet für eine begrenzte Zeitspanne akzeptiert. Das Urteil ist in der politischen Öffentlichkeit auf breite Zustimmung gestoßen: Die finanzstarken Länder reagierten positiv, weil sie aufgrund der Maßgaben des BVerfG an den Gesetzgeber Änderungen des FAG zu ihren Gunsten erwarten. Die finanzschwachen Länder waren erleichtert, weil sie den Status quo vorerst gesichert sehen. In der Literatur ist das Urteil dagegen auch auf Widerspruch gestoßen. Es zeige sich, "dass der Zweite Senat des BVerfG in der Entscheidung zum Länderfinanzausgleich die durch das Grundgesetz gesetzten Maßstäbe missachtet hat."4 Begrün4 Pieroth, Bodo: Die Missachtung gesetzter Maßstäbe durch das Maßstäbegesetz, in: NJW 2000, Heft 15 S. 1086f. Rudolf Oster 83 det wird diese Kritik "mit der Umdeutung einer ausdrücklich angeordneten Gesetzgebungsermächtigung in eine Gesetzgebungspflicht", womit sich das Gericht über die Verfassung stelle. Der Wortlauf der Verfassung werde nicht ernst genommen. Unabhängig von dieser Kritik, die der Vollständigkeit halber erwähnt ist, wird das Urteil des BVerfG nachfolgend auf den kommunalen Finanzausgleich – soweit das möglich ist – übertragen. I.2 Mögliche Übertragung des Urteils auf den kommunalen Finanzausgleich Die aufgezeigte Kausalkette kann als verfassungsrechtliches Prüfraster auf den kommunalen Finanzausgleich übertragen werden und lautet dann: "Wenn die Landesverfassung ein Landesgesetz fordert und wenn dem Landesgesetz die hinreichende Deutlichkeit fehlt, dann ist ein Landes-Maßstäbegesetz erforderlich." Ein Blick in die Verfassungen der einzelnen Länder liefert folgendes Ergebnis: • In den Ländern Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Saarland sowie im Freistaat Sachsen wird für die Beteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an den Steuereinnahmen des Landes von verfassungs wegen eine gesetzliche Regelung für den vertikalen Finanzausgleich zwischen dem Land und seinen Kommunen gefordert. • In Sachsen-Anhalt bezieht sich die Forderung einer gesetzlichen Regelung lediglich auf den Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Kommunen, während für den vertikalen Finanzausgleich zwischen Land und Kommunen eine gesetzliche Regelung von der Verfassung nicht gefordert wird. • In den acht anderen Länder enthalten die Landesverfassungen keine Forderung nach einer gesetzlichen Regelung für den vertikalen Finanzausgleich zwischen dem Land und seinen Kommunen. Beispielsweise heißt es in Art. 49 Abs. 5 Satz 1 der Verfassung für RheinlandPfalz: "Der Staat hat den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erfor- 84 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" derlichen Mittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern." Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es allein mit Blick auf die erforderliche Sicherung nahezu unerheblich, wie diese Sicherung erreicht wird – ob durch Maßstäbegesetz, durch Landesgesetz oder durch politisches Aushandeln oder aufgrund eines anderen Verfahrens, solange nur die Sicherung erreicht wird; lediglich Art. 106 Abs. 7 Satz 1 GG ist zu berücksichtigen. Dort heißt es: "(7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu." Anders als bei der vertikalen Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nrn. 1 und 2 GG stellt das Grundgesetz im Hinblick auf die vertikale Einnahmenverteilung zwischen einem Land und seinen Gemeinden und Gemeindeverbänden in Art. 106 Abs. 7 Satz 1 GG damit eine Beziehung zwischen Einnahmen und Ausgaben nicht her, sondern begnügt sich mit dem ausschließlich auf das Gesamtaufkommen aus Gemeinschaftssteuern bezogenen Hinweis. Im Hinblick auf die Frage: "Brauchen wir auch für den kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" ergibt sich damit als Antwort ein eindeutiges "Jein!". Den Ländern Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Saarland sowie dem Freistaat Sachsen ist aus verfassungsrechtlichen Gründen anzuraten, ihre Finanzausgleichsgesetze auf eine hinreichende Deutlichkeit hin zu überprüfen. In Baden-Württemberg wurde – vielleicht auch vor diesem Hintergrund – am 17. Januar 2000 eine "Finanzverteilungskommission zur Gewährleistung des prozeduralen Schutzes der kommunalen Selbstverwaltung" gebildet. Alle anderen Ländern können sich – zumindest in dieser sehr verkürzten verfassungsrechtlichen Sicht – entspannt zurücklehnen, sofern sie den in Art. 106 Abs. 7 Satz 1 GG geforderten Verbundsatz in einem Landesgesetz festgeschrieben haben. Allerdings sollte es in allen Ländern zumindest ein Gebot der Fairness im Umgang zwischen Land und Kommunen sein, den kommunalen Finanzausgleich so auszuformen, dass er in zeitgerechten Maßstäben verdeutlicht wird, und die Zuteilungs- Rudolf Oster 85 und Ausgleichsfolgen jeweils gegenwartsgerecht bemessen und periodisch überprüft werden können.5 Immerhin stellen auch die Landesverfassungsgerichte fest, im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit obliege es dem Landesgesetzgeber, den Finanzbedarf von Land, Gemeinden und Gemeindeverbänden zu gewichten, die Maßstäbe zu bestimmen, welche die Unterschiede hinsichtlich des Finanzbedarfs und hinsichtlich der vorhandenen Finanzausstattung ausmachen sowie die Maßstäbe festzulegen, nach denen die Differenzlagen auszugleichen sind. Die Einschätzungen des Gesetzgebers seien von den Landesverfassungsgerichten daraufhin zu überprüfen, ob sie unter dem Gesichtpunkt der Sachgerechtigkeit vertretbar sind. Zudem dürften die selbstgesetzten Maßstäbe, nach denen der Finanzausgleich erfolgen soll, nicht im Widerspruch zueinander stehen oder nicht ohne einleuchtenden Grund verlassen werden.6 Gefordert ist damit die Transparenz und Überprüfbarkeit von Finanzausgleichsregelungen. Entsprechende Regelungen – sei es in einem Maßstäbegesetz oder im jeweiligen Gesetz über den kommunalen Finanzausgleich – können deshalb für alle Länder nützlich sein. Mit dem Begriff des "Nützlichen" wird der verfassungsrechtliche Raum allerdings verlassen. Deshalb ist die hier zugrundeliegende Fragestellung auch anders zu formulieren: "Könnten wir für den kommunalen Finanzausgleich überhaupt ein Maßstäbegesetz entwerfen und was hätten wir dabei zu berücksichtigen?" II. II.1 Zur Struktur der Maßstäbe für den kommunalen Finanzausgleich Maßstäbe nur im oder auch außerhalb des Finanzausgleichs? Die Konstruktion von Maßstäben für den kommunalen Finanzausgleich setzt zunächst eine Abgrenzung desjenigen Bereichs voraus, auf den sie angewandt werden sollen. So ist zu klären, ob sie sich • 5 6 entweder nur auf den im jeweiligen Landesgesetz zum kommunalen Finanzausgleich geregelten Bereich beschränken, Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 11. November 1999 – 2 Bvf 2/98 -, Tz. 283. Vgl. Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Juli 1993 - VerfGH 9/92, 22/92 -, NVwZ 1994, S. 68f. 86 • Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" oder ob sie zusätzlich auch Landeszahlungen außerhalb des im Finanzausgleichsgesetz geregelten Bereichs (ganz oder teilweise) mit umfassen sollen. In Rheinland-Pfalz beispielsweise beträgt die Finanzausgleichsmasse im Jahr 2000 ca. 3,1 Mrd. DM. Gemessen an den im Landeshaushaltsplan ausgewiesenen gesamten Zuweisungen des Landes an die Gemeinden, Gemeinde- sowie Zweckverbände macht diese Summe allerdings "nur" einen Anteil von ca. 67 v.H. aus. Sorgsam entwickelte Maßstäbe für ein Finanzausgleichsgesetz blieben inhaltsleer, wenn – mitunter heftig umstrittene - Verteilungsergebnisse im Finanzausgleich außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs kompensiert oder gar überkompensiert werden. Insofern wäre es sinnvoll, an den Maßstäben des Finanzausgleichs die Zuweisungen des Landes sowohl im als auch außerhalb des Finanzausgleichs auszurichten. Damit stellt sich dann aber ein erstes Problem: Zuweisungen außerhalb des Finanzausgleichs werden mitunter nur auf Antrag der Gemeinden und Gemeindeverbände vergeben, und ein entsprechender Antrag setzt oftmals auch eine Eigenbeteiligung der Kommunen voraus. Sie hängt jedoch von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Antragsteller ab, die sich nach den Regeln des kommunalen Haushaltsrechts bestimmt. In diesem Zusammenhang hat jüngst die Deutsche Bundesbank festgestellt, dass die Zuweisungen der Länder für kommunale Sachinvestitionen außerhalb des Finanzausgleichs abgenommen haben, was dann auch einen Rückgang der Sachinvestitionen verursacht hat. Der Rückgang der Sachinvestitionen war aber auch durch die fehlende Leistungsfähigkeit der Kommunen bedingt.7 Aufgrund dieser nach oben und unten dynamischen Entwicklungen scheint es problematisch, diesen Bereich mit starren Maßstäben vermessen zu wollen. Deshalb ist es angezeigt, Transparenz nicht durch Maßstäbe, sondern durch ein "Zuweisungscontrolling" zu schaffen. Zunächst wären die mit den Zuweisungen angestrebten Ziele nicht nur zu konkretisieren, sondern auch zu operationalisieren, d.h. abzählbar zu machen. Die Zuweisungen wären sodann im Hinblick auf ihre Zielerreichungsgrade zu kontrollieren. Sofern Zielabweichungen festzustellen sind, müssen für zukünftige Perioden entweder die Zuweisungsgewährungen, insbesondere deren Verteilungsregelungen, 7 Vgl. Deutsche Bundesbank, Die Entwicklung der Kommunalfinanzen seit Mitte der neunziger Jahre, Monatsbericht Juni 2000, S. 51. Rudolf Oster 87 geändert werden oder aber die Zielsetzungen müssen angepasst werden. Ein Zuweisungscontrolling führt damit nur kurzfristig zu einer Selbstbindung der Politik; mittel- und langfristig sind dagegen die Zielsetzungen (oder man könnte auch sagen: die Maßstäbe) auf Flexibilität, Anpassung und Veränderung angelegt. Aus technischer Sicht ist bei der zusammenfassenden Betrachtung von allgemeinen Zuweisungen und Investitionszuweisungen allerdings noch ein weiteres kleineres Problem zu lösen. Beispielsweise stellt sich für ein horizontales Zuweisungscontrolling die Aufgabe, Schlüsselzuweisungen auf der einen Seite und Investitionszuweisungen auf der anderen Seite für eine bestimmte Gemeinde und für ein bestimmtes Jahr zusammenrechnen zu müssen. Während Schlüsselzuweisungen vornehmlich jedoch den laufenden Bedarf finanzieren sollen, beispielsweise die nicht über Gebühren gedeckten Kosten eines Personalausweises, decken Investitionszuweisungen den Bedarf unterschiedlich langer Zeiträume ab: Ein mit 1 Mio. DM bezuschusster Sportplatz kann vielleicht zwanzig Jahre lang genutzt werden, folglich dürfte nur ein Zwanzigstel (das sind 50.000 DM) in das Zuweisungscontrolling eines Jahres eingerechnet werden, wobei dann die Frage der Auf- oder Abzinsung noch zu beantworten wäre. Gleichwohl scheint diese Aufgabe lösbar. Für den Bund-LänderFinanzausgleich sowie für den Länderfinanzausgleich stellt sich dieses Problem kaum. Mit Blick auf den kommunalen Finanzausgleich sollte jedoch nicht übersehen werden, dass "die kommunalen Ausgaben für Bauten, Ausrüstungen und Grunderwerb etwa drei Fünftel aller von öffentlichen Haushalten vorgenommenen Sachinvestitionen ausmachen".8 II.2 Vertikale oder horizontale Maßstäbe im kommunalen Finanzausgleich? Unabhängig von der Frage, ob Maßstäbe oder Zielvorgaben innerhalb eines Zuweisungscontrollings alle Zuweisungen des Landes oder nur jene innerhalb des durch Finanzausgleichsgesetz geregelten Bereichs erfassen sollen, kann deren Ausrichtung unterschieden werden. Sie können • zum einen in vertikaler Sicht, d.h. im Verhältnis zwischen Land und der Gesamtheit der Kommunen eines Landes und 8 Vgl. Deutsche Bundesbank, Die Entwicklung der Kommunalfinanzen seit Mitte der neunziger Jahre, Monatsbericht Juni 2000, S. 49. 88 • Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" zum anderen in horizontaler Sicht, d.h. im Verhältnis zwischen kreisfreien Städten, Landkreisen, kreisangehörigen Gemeinden und gegebenenfalls weiteren Gemeindeverbänden (Ämtern, Samt- oder Verbandsgemeinden) angestrebt werden. Angesichts des knappen Raums wird nachfolgend eine Beschränkung auf vertikale Aspekte vorgenommen. Zweifellos sind auch horizontale Aspekte des kommunalen Finanzausgleichs im Hinblick auf Maßstäbe oder ein Zuweisungscontrolling reizvoll. Zu denken ist hier beispielsweise nur an die Nivellierungssätze bei der Steuerkraftermittlung sowie deren Maßstäbe.9 III. Zu vertikalen Maßstäben für den kommunalen Finanzausgleich In vertikaler Sicht kann für den kommunalen Finanzausgleich auf vorliegende Ansätze zum Bund-Länder-Finanzausgleich zurückgegriffen werden, insbesondere auf jene im Zusammenhang mit der vertikalen Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländergesamtheit. Letztlich bedarf es im Hinblick auf Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nrn. 1 und 2 GG Regelungen für • die Ermittlung der laufenden Einnahmen (oder der Finanzkraft), • die Ermittlung der notwendigen Ausgaben (oder des Finanzbedarfs) und • die Festlegung des "billigen Ausgleichs" (oder der Ausgleichsquote) zwischen den beiden vorgenannten Größen. III.1 Maßstäbe für die Einnahmen? Im Hinblick auf die Ermittlung der laufenden Einnahmen (oder der Finanzkraft) wird noch am ehesten Einvernehmen zwischen allen Beteiligten herzustellen sein. Beispielsweise schlägt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der 9 Vgl. dazu Scherf, Wolfgang: Die Bedeutung der Nivellierungssätze im kommunalen Finanzausgleich, Wirtschaftswissenschaft im Dienste der Verteilungs-, Geld und Finanzpolitik, Festschrift für Alois Oberhauser, Berlin 2000, S. 499ff. Ebenso: Wohltmann, Matthias: Einheitliche Nivellierungshebesätze und adäquate Berücksichtigung der Gewerbesteuerkraft im kommunalen Finanzausgleich, in: Der Gemeindehaushalt, 9/2000. Rudolf Oster 89 Finanzen in seiner jüngsten Stellungnahme vor, zu diesem Zweck "die Einnahmen aus Steuern und der zulässigen staatlichen Kreditaufnahme" heranzuziehen.10 Die Übertragung dieses Gedankens auf den vertikalen Finanzausgleich zwischen einem Land und seinen Gemeinden und Gemeindeverbänden verursacht jedoch zwei Probleme: 1. Die zulässige Kreditaufnahme bestimmt sich für das Land nach anderen Regeln als für die Kommunen. Dazu führt die Deutsche Bundesbank aus: "Mit den restriktiven Vorgaben zur Kreditfinanzierung und Tilgung setzt das kommunale Haushaltsrecht der Finanzwirtschaft ... relativ enge Grenzen."11 Deutlich wird dieser von der Bundesbank herausgestellte Unterschied vor allem in Hinblick auf die staatliche Kreditaufnahme und die Verschuldungsgrenzen des Maastricht-Vertrages. In diesem Zusammenhang könnte – auch wenn konkrete Aufteilungsregelungen noch fehlen – den Kommunen eines Landes eine Verschuldungsgrenze von (einmal angenommen) 100 Mio. DM zugerechnet werden. Im Hinblick auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen mag es aber sein, dass aus haushaltrechtlicher Sicht von diesem Kreditrahmen nur 70 Mio. DM ausgeschöpft werden können. Damit stellt sich die Frage, ob den Steuereinnahmen die Verschuldungsgrenze von 100 Mio. oder jene von 70 Mio. DM zuzurechnen ist, ob die "überschüssigen" 30 Mio. DM automatisch an das Land fallen – oder vielleicht sogar an Gemeinden in anderen Ländern, an andere Länder oder an den Bund – und ob bei Übertragung des überschüssigen Kreditrahmens die Verteilung der Steuereinnahmen kompensierend geändert werden müsste. Das Konzept des Wissenschaftlichen Beirates kann also wohl nicht unverändert auf das Verhältnis des Landes zu seinen Gemeinden und Gemeindeverbänden übertragen werden. 2. Anders als die Länder können die Gemeinden (in Grenzen) die Höhe ihrer Steuereinnahmen durch Hebesatzvariationen selbst beeinflussen, und es wäre augenscheinlich nicht sachgerecht, hebesatzbedingte kommunale Mehreinnahmen, mit denen zusätzliche freiwillige Leistungen vor Ort finanziert werden sollen, in die Disposition eines Finanzausgleichs zwischen Land und Kommunen zu stellen. Im Bund-Länder-Finanzausgleich tritt dieses Problem nicht auf: die Länder haben kein entsprechendes Recht. Selbst das Steuerfindungsrecht der Länder tritt aufgrund seiner vergleichsweise geringen finanziellen Auswirkung in den Hintergrund. Zwar hat der Bund ein 10 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Stellungnahme zum Finanzausgleichsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1999, S. 17. Deutsche Bundesbank, Die Entwicklung der Kommunalfinanzen seit Mitte der neunziger Jahre, Monatsbericht Juni 2000, S. 47. 11 90 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" Steuersatzrecht, doch ist von möglichen Steuersatzänderungen jeweils die gesamte Volkswirtschaft betroffen. Eine durch Steuersatzerhöhungen finanzierte Bundesaufgabe tritt deshalb gleichwertig neben Landesaufgaben; von der Bundesaufgabe profitieren alle Bundesbürger, zumindest auf dem Papier. Festzuhalten bleibt, dass sich die Bestimmung der laufenden Einnahmen oder der Finanzkraft im Finanzausgleich zwischen einem Land und seinen Kommunen vermutlich schwieriger als im Bund-Länder-Finanzausgleich gestalten wird. Sofern eine Einigung für Art und Weise der Einrechnung der in ihrer Höhe teilweise selbst bestimmbaren Gemeindesteuern erzielt wird, scheint diese Aufgabe grundsätzlich nicht unlösbar zu sein. III.2 Maßstäbe für die Ausgaben? Hinsichtlich der Bestimmung der "notwendigen Ausgaben" (oder des Finanzbedarfs) sind die Schwierigkeiten ungleich größer. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sind zumindest all jene Ausgaben "notwendig", deren Leistung in einem Gesetz oder einer anderen Norm verbindlich vorgegeben sind. Beispielsweise ist in der Landesverordnung zur Ausführung des Kindertagesstättengesetzes in RheinlandPfalz in § 2 geregelt, dass die Gruppengröße in Kindertagesstätten 25 Kinder je Gruppe betragen soll und die personelle Regelbesetzung 1,75 Erziehungskräfte je Gruppe beträgt. Unter Zugrundelegung von pauschalierten Personalkosten lassen sich bei Kenntnis der Gesamtzahl der Kinder sicherlich "notwendige" Ausgaben für diese Aufgabe berechnen. Schwieriger wird es dann bei der Bestimmung der gesetzlich nicht fixierten, aber dennoch notwendigen Komplementärleistungen, etwa für die Personalverwaltung der ermittelten Anzahl der Erziehungskräfte oder für deren Fortbildung oder auch für den sachlichen Aufwand der Kindertagesstätten. Gleichwohl: mit viel Verwaltungsaufwand, einem hohen Abstimmungsbedarf zwischen den beteiligten Körperschaften sowie dem entsprechenden Einigungswillen aller Beteiligten ist eine Bestimmung "notwendiger" Ausgaben vorstellbar. Insofern wäre eine Faustregel zur Bestimmung der notwendigen Ausgaben denkbar: "Notwendige Ausgaben sind jene Ausgaben, deren Leistung rechtlich vorgegeben ist." Aber: Wie ist in jenen Fällen vorzugehen, in denen die rechtlich vorgegebenen Standards nicht ausgeschöpft werden, beispielsweise wenn die Anzahl der tatsächlich Kindertagesstätten besuchenden Kinder hinter der Anzahl der Kinder mit rechtlichem Anspruch auf einen Platz zurückbleibt oder wenn nicht alle Sozialhilfeberechtigten – vielleicht aus Scham oder aus Unkenntnis – die ihnen zustehenden Rudolf Oster 91 Leistungen beanspruchen? In diesen Fällen würden entsprechende "Ausgaben" keine Not wenden. Wem sollen dann die notwendigen, aber nicht in Anspruch genommenen finanziellen Mittel – oder die "Gewinne" – zufallen? Auch hier verbirgt sich ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotenzial. Hinzu kommen dann weitere Probleme, wenn zwischen dem bei der Aufgabenerfüllung angestrebten Zweck und den "notwendigen" finanziellen Mitteln keine eindeutige Relation wie im erwähnten Beispiel der Kindertagesstätten besteht. Sind für die öffentliche Sicherheit in einem Land 1.000 oder 1.200 oder nur 800 Polizisten vom Land einzusetzen? Reicht es für die Garantie der Steuerehrlichkeit aus, den privaten Unternehmen in einem Land eine Betriebsprüfung durchschnittlich alle 15 Jahre, alle 10 Jahre oder alle 25 Jahre anzukündigen oder anders gewendet: wie viele Betriebsprüfer braucht ein Land? Ob der Gesetzgeber angesichts der hier nur skizzierten Schwierigkeiten überhaupt langfristig anwendbare Maßstäbe bestimmen kann – wie das BVerfG in seinem Urteil vom 11. November 1999 fordert – scheint fraglich. Bei der Bestimmung der notwendigen Ausgaben wird zudem von der Finanzwissenschaft kaum Hilfestellung zu erwarten sein, weil sie nach ganz anderen Prinzipien arbeitet. • Im Zentrum verfassungsrechtlicher Überlegungen zum (kommunalen) Finanzausgleich stehen Gebietskörperschaften: sie haben ein Selbstverwaltungsrecht, und sie sollen autonom sein. Sie gilt es zu schützen. • Dem gegenüber stehen in der Finanzwissenschaft Wirtschaftssubjekte, etwa Bürgerinnen und Bürger, im Zentrum der Überlegungen: ein Bürger ist gleichzeitig Bürger der Gemeinde, des Landkreises, des Landes, der Bundesrepublik und manchmal wird auch die Europäische Union noch zu berücksichtigen sein. Seinen Nutzen gilt es zu mehren, unabhängig davon, ob der von öffentlichen Leistungen ausgehende Nutzenzuwachs von der Gemeinde, dem Landkreis, dem Land, dem Bund oder der EU produziert wird. Wiederum stark vereinfacht, kann man sagen: für einen Juristen sind Ausgaben dann notwendig, wenn sie in einem Gesetz stehen, das eine Gebietskörperschaft zur Leistung verpflichtet; für einen Finanzwissenschaftler sind Ausgaben dann notwendig, wenn mit ihnen ein Nutzenzuwachs erzielt wird. Auf letztere Sichtweise weist auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen in seiner jüngst vorgelegten "Stellungnahme zum Finanzausgleichsurteil des Bundesverfas- 92 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" sungsgerichts vom 11. November 1999" hin. So führt er bei seinen Erörterungen zum Begriff der "notwendigen Ausgaben" aus:12 "Das Kriterium der Notwendigkeit stellt in der heutigen Finanzwissenschaft kein klar abgegrenztes ökonomisches Konzept dar, sondern entspringt einer Unterscheidung zwischen "notwendigen" und "sonstigen" Kategorien von Ausgaben, die sich in der Staatsrechtslehre bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt und sich auch heute noch im juristischen Schrifttum findet. Sie diente dazu, im Rahmen von Festlegungen zur Einnahmenhöhe oder Einnahmenverteilung Ausgaben und zu ihrer Deckung erforderliche Einnahmen zu markieren, die gleichsam unabweisbar sind und deshalb von den Ständen bzw. Parlamenten oder — bei der Einnahmenverteilung — von Gliedstaaten untereinander eigentlich nicht bestritten werden dürfen. Ursprünglich deckte sich dieser Sprachgebrauch mit einem noch älteren ökonomischen Sprachgebrauch, der im Kameralismus z.B. notwendige, bequeme und luxuriöse Ausgaben voneinander unterschied. Mit der sogenannten "marginalistischen Revolution" setzte im 19. Jahrhundert in der Ökonomie allerdings ein Wandel ein: Da man erkannt hatte, dass Menschen danach streben, ihr Budget so auf verschiedene Güterarten aufzuteilen, dass der Grenznutzen, den eine weitere verausgabte Mark stiftet, in allen Verwendungsrichtungen gleich groß ist, sprach man nicht mehr von "notwendigen" und "sonstigen" Ausgaben, sondern von einer "effizienten" Budgetaufteilung. Dass Menschen tatsächlich nach einer solchen Aufteilung individueller Budgets streben, hat sich empirisch als richtig erwiesen und zählt zu den Grundvoraussetzungen der Funktionsfähigkeit von Marktwirtschaften. Was bei einzelnen Menschen aufgrund der Kenntnis der eigenen Präferenzen relativ unproblematisch und teilweise unbewusst abläuft, ist — trotz der dort auftretenden Zusatzprobleme — auch bei der Strukturierung öffentlicher Haushalte zu beachten. Aus ökonomischer Sicht bildet mithin nicht der Begriff der Notwendigkeit, sondern das Kriterium der Effizienz den entscheidenden Maßstab zur Beurteilung staatlicher Ausgabenentscheidungen." Weiter führt der Beirat aus: 12 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Stellungnahme zum Finanzausgleichsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1999, S. 15. Rudolf Oster 93 "Aus finanzwissenschaftlicher Sicht ist es jedoch mehr als zweifelhaft, ob sich dieser Gesetzgebungsauftrag [in einem Maßstäbegesetz enumerativ festzustellen, welche Kategorien von Ausgaben als "notwendig" betrachtet werden müssen und welche nicht] lösen lässt. ... Eine solche Form objektiver, politisch nicht beeinflussbarer Bewertung öffentlicher Einnahmen- und Ausgabenstrukturen ist ... nicht möglich. ... Der Begriff "notwendige Ausgaben" wirft ... unlösbare Definitions- und Messprobleme auf." Die Bestimmung der "notwendigen (Kommunal-) Ausgaben" als Summe stellt sich damit weder für eine einzelne Kommune noch für die Gesamtheit aller Kommunen eines Landes als zwischen Rechtswissenschaft und Finanzwissenschaft einvernehmlich lösbare Aufgabe dar. Die fehlende Bezifferung der "notwendigen Ausgaben" entspricht im Übrigen der Rechtsprechung zum kommunalen Selbstverwaltungsrecht gem. Art. 28 Abs. 2 GG. Eine finanzielle Größe für "alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" wurde bislang nicht ermittelt. Sie wird es wohl auch nicht. Art. 28 Abs. 2 GG enthält jedenfalls keinen ausdrücklich normierten Anspruch der Gemeinden und Gemeindeverbände auf eine aufgabengerechte Finanzausstattung. Dies erklärt sich nicht zuletzt dadurch, weil die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft keinen ein für allemal feststehenden Aufgabenkreis bilden. Darüber hinaus muss sich noch nicht einmal eine bestimmte Aufgabe für alle Gemeinden gleichermaßen als eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft darstellen: für bestimmte – größere – Gemeinden kann eine Aufgabe als "örtlich" anzusehen sein, die im Übrigen aber als "überörtlich" erscheint. Diese Differenzierung der Aufgaben gilt jedoch nicht nur mit Blick auf das Örtlichkeitsprinzip. Sie gilt sicherlich auch für die Bestimmung der öffentlichen gegenüber den privaten Aufgaben, denn den Gemeinden ist der Zugriff auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nur in dem Umfang verfassungskräftig gewährleistet, wie diese überhaupt Objekt staatlicher Verwaltung sein können. Folglich gilt die Subsidiaritätsklausel ausschließlich für solche Aufgaben, die potentiell öffentliche Aufgaben sind,13 oder m.a.W.: die private Aufgabenerfüllung hat zumindest in RhPf Vorrang und nur wo sie nicht zum Zuge kommen kann, ist ein kommunales Angebot überhaupt möglich. Nur bei mangelnder Tragfähigkeit des Marktes können Aufgaben überhaupt erst zum "Objekt staatlicher Verwaltung" werden. Sie können dann durchaus öffentlich anstatt privat erledigt werden. Beispielsweise gibt es 13 Vgl. Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Mai 2000 - VGH N 12/1998. 94 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" Sportanlagen, etwa Fitness-Studios, welche ausschließlich privat betrieben werden. Ebenso lassen sich örtliche kommunale Sportanlagen finden, etwa Turnhallen mit vergleichbaren Funktionen. In dünner besiedelten Landesteilen mit kleinen Gemeinden finden sich dagegen überörtlich oder zentral betriebene kommunale Sportanlagen. Umgekehrt gibt es andere öffentliche Aufgaben, die sich durchaus privat – unter Aufsicht oder Koordination des Staates - herstellen lassen. Gleichwohl besteht in der Rechtsprechung insbesondere der Landesverfassungsgerichte Einigkeit darüber, dass zum verfassungsrechtlichen Kern der Garantie kommunaler Selbstverwaltung auch ein Anspruch auf eine aufgabenangemessene Finanzausstattung gehört. Die Mittelausstattung der Kommunen müsse insgesamt so beschaffen sein, dass die kommunal-demokratisch legitimierten Beschlussgremien in die Lage versetzt werden, für die Kommune in finanzieller Hinsicht etwas Substanzielles beschließen zu können. Es müsse zur finanziellen Mindestausstattung der Kommunen so hoch sein, um neben allen Pflichtaufgaben auch ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben erfüllen zu können; gegebenenfalls müsste der Landesgesetzgeber Pflichtaufgaben zurückführen. Dieser überwiegenden Auffassung der Verfassungsrechtsprechung folgt die ganz herrschende Meinung in der Literatur. Warum jedoch der Beschluss einer Gemeinde, auf kommunal-öffentliche freiwillige Angebote völlig zu verzichten, in finanzieller Hinsicht als nicht substanziell anzusehen ist, etwa wenn die Grund- oder Gewerbesteuerbelastung durch Hebesatzreduzierung um einige 100.000 DM verringert wird, ist aus finanzwissenschaftlicher Sicht kaum einzusehen. M.a.W.: Jede Gemeinde sollte ihr Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben und Ausgaben auch auf Null festsetzen können, wenn dies den Präferenzen vor Ort entspricht. In diesem Fall wäre die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt ohne freiwillige kommunale Leistungen höher als mit, und angesichts der derzeitigen Steuer- und Abgabenquote sind solche Präferenzen zumindest nicht auszuschließen. Bei Konstellationen dieser Art gäbe es keinen Sinn, die finanzielle Mindestausstattung zunächst um freiwillige Aufgaben heraufzurechnen, um sie anschließend durch eine Steuerermäßigung in Höhe des heraufgesetzten Betrages wieder nach unten zu korrigieren. Es scheint einiges dafür zu sprechen, dass die Finanzwissenschaft die finanzielle Mindestausstattung von Kommunen in Höhe der Pflichtaufgaben taxieren würde, sofern noch frei verfügbare Finanzmittel für eine eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung vorhanden sind14 - allerdings im privaten Sektor. 14 Vgl. Schwarz, Kyrill-Alexander: Die finanzielle Absicherung der kommunalen Selbstverwaltung, der Gemeindehaushalt 1/1998, S. 12. Rudolf Oster 95 Einvernehmen dürfte dagegen im Hinblick auf den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie herrschen. Zu ihm gehört kein gegenständlich bestimmter oder nach feststehenden Merkmalen bestimmbarer Aufgabenkatalog, wohl aber die Universalität des gemeindlichen Wirkungskreises als Rechtsprinzip. Konkretisieren lässt sich dieses abstrakte Prinzip naturgemäß nicht. Selbst bei jener Größe, welche abstrakt als finanzielle Summe der Pflichtaufgaben bezeichnet wird, treten beim Versuch der Konkretisierung Schwierigkeiten auf. Als Beleg für diese These mag das prominente Beispiel der Sozialhilfeausgaben dienen. Sie sind unzweifelhaft zu den Pflichtaufgaben zu zählen, gibt es doch einen individuellen Rechtsanspruch darauf. Aber: Eine ganz andere Frage ist es, ob dieser Rechtsanspruch auch tatsächlich vom Individuum geltend gemacht wird. Nicht auszuschließen ist, dass der Rechtsanspruch aus verschämter Armut nicht angemeldet wird. Darüber hinaus ist aber auch denkbar, dass vor dem Eintritt der Anspruchsvoraussetzungen die örtliche Gemeinschaft für eine Korrektur sorgt und erhebliche private Aufwendungen freiwillig in Kauf nimmt, ihn zu verringern oder gar zu vermeiden, sei es durch Nachbarschaftshilfe oder –opfer oder sei es durch eine an sich unwirtschaftliche Beschäftigung eines potentiellen Sozialhilfeempfängers, finanziert durch Gewinnverzicht des Unternehmers oder durch Lohneinbußen der anderen Beschäftigten. Die Finanzwissenschaft spricht hier von der Ausgabenintensität der öffentlichen Aufgabenerfüllung.15 Mit Blick auf die "notwendigen Ausgaben" kommt schließlich ein weiterer Aspekt hinzu. So ist für die nächsten Jahre und vor allem Jahrzehnte unzweifelhaft ein Ansteigen der Pensionslasten zu erwarten. Damit stellt sich automatisch die Frage ihrer Finanzierung. In der Vergangenheit, etwa in den 70er Jahren, haben sich weder Bund noch Länder noch Gemeinden Gedanken über die Finanzierung von Pensionslasten ab dem Jahr 2010 gemacht. Es war gewissermaßen gesellschaftlicher Konsens, diese Verpflichtungen in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht wahrzunehmen. Würden die Pensionsverpflichtungen zukünftig allein den Verursachern angelastet, müssten also die Länder die Pensionslasten etwa für ihre Lehrer und Hochschullehrer oder ihre Polizisten allein aus ihrer Finanzausstattung nach vertikaler Aufteilung bestreiten, bliebe für die Erfüllung laufender Landesaufgaben nicht mehr viel übrig. Angesichts dieser, sich zukünftig ergebenden Restriktionen muss deshalb dem Eindruck vorgebeugt werden, es ließe sich eine Finanzausstattung für Land und Gemeinden bestimmen, die dann nach irgendwie ermittelten Regeln aufgeteilt wird 15 Vgl. Zimmermann, Horst, Die Ausgabenintensität der öffentlichen Aufgabenerfüllung, Finanzarchiv, NF Bd. 32, 1973/74, S. 1ff. 96 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" und den Kommunen mittel- oder gar langfristig einen auskömmlichen und gar durch verfassungsrechtliche Maßstäbe nachprüfbar garantierten Anteil an diesem "Kuchen" bescheren würde. Mehr noch: Wenn die Neuverschuldung demnächst tatsächlich auf Null reduziert wird, wenn das Zinsniveau ansteigt oder wenn die Europäische Union erweitert wird um einige Staaten mit zusammen 120 Mio. Einwohnern, aber nur einem Drittel der europäischen Wirtschaftsleistung – dann stehen die richtigen Verteilungskämpfe erst noch bevor. Heute vielleicht aufstellbare Maßstäbe für ein Land und seine Kommunen könnten sich dann als unbrauchbar erweisen (Stichwort: Wegfall der Geschäftsgrundlage – oder zumindest nachhaltige Veränderung). III.3 Maßstäbe für die Ausgleichsquote? Für die Festlegung des "billigen Ausgleichs" (oder der Ausgleichsquote) zwischen den beiden zuvor erörterten Größen "laufende Einnahmen" und "notwendige Ausgaben" muss zunächst unterstellt werden, "laufende Einnahmen" und "notwendige Ausgaben" ließen sich trotz aller Schwierigkeiten ermitteln. Mit dieser Annahme wäre zu erwarten, dass sich der "billige Ausgleich" (oder die Ausgleichsquote) allein rechnerisch durch das Verhältnis der gesamten laufenden Einnahmen zu den gesamten notwendigen Ausgaben ergibt. Die Ausgleichsquote wäre sodann mit den notwendigen Ausgaben der Kommunen zu multiplizieren und ergäbe die Finanzausstattung. Nach Abzug der anrechenbaren Eigenmittel würde das Volumen des Finanzausgleichs als Differenz resultieren. Spiegelbildlich wäre für das Land zu rechnen. Bei der Bestimmung des billigen Ausgleichs oder der Ausgleichsquote treten jedoch – zumindest für Rheinland-Pfalz - unvermutete Schwierigkeiten auf. Art. 49 Abs. 5 der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz gibt vor: "(5) Der Staat hat den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Er stellt ihnen für ihre freiwillige öffentliche Tätigkeit in eigener Verantwortung zu verwaltende Einnahmequellen zur Verfügung." Vor dem Hintergrund dieser Vorgabe ließe sich zunächst erörtern, ob angesichts dieses Sicherungsanspruchs überhaupt eine Quotierung des Ausgleichs zulässig ist Rudolf Oster 97 oder ob es statt dessen nicht zu einem Vollausgleich im Hinblick auf die erforderlichen Mittel kommen muss. Diese Frage dürfte zweifellos von kommunaler Seite aufgeworfen werden, besonders wenn es um den Vollausgleich geht. Dass weder über Ausgleichsquote noch über Vollausgleich nachgedacht werden muss, soll folgende Überlegung zeigen: In Art. 49 Abs. 5 LV RP wird von "erforderlichen Mitteln" gesprochen und damit eben nicht von Deckungsmitteln und auch nicht von Einnahmen. Es würde deshalb den Vorgaben der Landesverfassung auch entsprechen, wenn der Landesgesetzgeber als "erforderliches Mittel" den Kommunen – neben einer kleinen Beteiligung am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern gem. Art. 106 Abs. 7 GG - die Satzungshoheit an die Hand gibt, damit sich diese die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Einnahmen dann über entsprechende Gebühren- oder Hebesätze im Rahmen der Äquivalenz von den Nutznießern der Aufgabenerfüllung erheben. "Die Finanzausstattung kann prinzipiell sowohl durch landesrechtliche Ermächtigung zur Selbstfinanzierung ... erfüllt werden, soweit den Ländern dafür eine Gesetzgebungskompetenz zusteht."16 Es reicht demnach eben nicht aus, die notwendigen Ausgaben von Land und Kommunen aufzusummieren und ins Verhältnis der Einnahmen von Land und Kommunen zu setzen, um daraus eine Ausgleichsquote zu berechnen, falls die gesamten Einnahmen hinter den Ausgaben zurückbleiben. Wenn die notwendigen Ausgaben der Kommunen (Stichwort Sozialhilfe, Stichwort Kindertagesstätten) die Einnahmen übersteigen, kommt als Ausweg nicht nur eine per Maßstäbegesetz geänderte Finanzverteilung, sondern kämen in erster Linie merkliche Hebesatzerhöhungen bei kommunalen Steuern in Frage. Durch dieses unpopuläre Instrument steigt bei entsprechender Information gleichzeitig die Merklichkeit der Finanzierungslast für liebgewonnene Aufgaben, und bei den nächsten politischen Wahlen besteht dann über entsprechende Parteiprogramme eine Korrekturmöglichkeit. Kommunale Aufgaben, die anders als Landesausgaben dem Örtlichkeitsprinzip gehorchen, sollten deshalb auch mit ihrer Finanzierung einen vornehmlich örtlichen Bezug aufweisen. 16 Vgl. Henneke, H.-G.: Die Kommunen in der Finanzverfassung des Bundes und der Länder, Praxis der Kommunalverwaltung / Landesausgabe Rheinland-Pfalz. 98 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" IV. Ergebnis Die eingangs gestellte Frage "Brauchen wir auch für den kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" konnte für die meisten Länder der Bundesrepublik allein aus verfassungsrechtlicher Sicht verneint werden. Auch zu der deshalb wohlwollenderen Fragestellung "Könnten wir für den kommunalen Finanzausgleich überhaupt ein Maßstäbegesetz entwerfen und was hätten wir dabei zu berücksichtigen?" ergeben sich mehr oder weniger eindeutige Antworten: 1. Es ist nur sehr schwer möglich, für das Land oder für die Gemeinden und Gemeindeverbände "laufende Einnahmen" eindeutig zu ermitteln. Zumindest zeigen sich einige technische Schwierigkeiten, deren Lösung ein hohes Maß an Einigungsbereitschaft bei allen Beteiligten voraussetzt. 2. Es ist unmöglich, für das Land oder für die Gemeinden und Gemeindeverbände "notwendige Ausgaben" vollständig und eindeutig zu ermitteln. 3. Der Versuch, eine Mindestausstattung ermitteln zu wollen, scheitert ebenfalls: a) b) c) Das Konzept ist abstrakt und kann deshalb denknotwendig nicht konkretisiert werden. Freiwillige Aufgaben könnten durchaus Null sein, und zwar dann, wenn bei Ausgaben von Null das Nutzenoptimum erreicht wird. Selbst Pflichtaufgaben lassen sich nicht immer eindeutig beziffern. Wenn ein Maßstäbegesetz aus sachlichen Gründen jedoch unmöglich erscheint, muss die zweifellos nützliche Transparenz auf andere Weise hergestellt werden. Zunächst wären die mit den Zuweisungen angestrebten Ziele nicht nur zu konkretisieren, sondern auch zu operationalisieren, d.h. abzählbar zu machen. Die vollzogenen Zuweisungsgewährungen wären sodann im Hinblick auf ihre Zielerreichungsgrade zu kontrollieren. Sofern Zielabweichungen festzustellen sind, müssen für zukünftige Perioden entweder die Zuweisungsgewährungen, insbesondere deren Verteilungsregelungen, geändert werden oder aber die Zielsetzungen müssen angepasst werden. Ein Zuweisungscontrolling führt damit nur kurzfristig zu einer Selbstbindung der Politik; mittel- und langfristig sind dagegen die Zielsetzungen auf Flexibilität, Anpassung und Veränderung angelegt. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 99 Die Zukunft des Kommunalen Finanzausgleichs: Brauchen wir auch für den kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz? A. Einführung Fragen der sachgerechten Normierung des Finanzausgleichs sind seit Mitte der 80er Jahre wiederholt Gegenstand verfassungsrechtlicher Verfahren gewesen. Diese betreffen sowohl die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern, mit denen sich das BVerfG gleich in drei großen Entscheidungen 19861, 19922 und 19993 zu befassen hatte, als auch die Finanzbeziehungen von Ländern und Kommunen, die insbesondere in den 90er Jahren in zahlreichen Ländern Gegenstand von Verfahren vor dem jeweiligen Verfassungsgerichtshof, Staatsgerichtshof bzw. Landesverfassungsgericht gewesen sind.4 Da die Kernfragen: "Wie hat die Verteilung von Finanzmitteln zwischen verschiedenen Ebenen (vertikaler Finanzausgleich) und innerhalb einer Ebene (horizontaler Finanzausgleich) zu erfolgen?" zahlreiche Parallelen aufweisen, drängt sich nach der jüngsten Entscheidung des BVerfG zu den Bund-Länder-Finanzbeziehungen vom 11.11.19995 die Frage auf, ob sich daraus Schlussfolgerungen auch für Regelung des kommunalen Finanzausgleichs durch die Landesgesetzgeber ergeben. Das BVerfG hat in der Entscheidung die Fachwelt damit überrascht, dass es den Bundesgesetzgeber zum Erstinterpreten des Grundgesetzes6 erklärt und verlangt hat, dass die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Finanzausgleichs in zwei – auch zeitlich von einander abgesetzten – Stufen erfolgt, nämlich durch ein verfassungskonkretisierendes Maßstäbegesetz und sodann durch ein durch dieses materiell gebundenes Finanzausgleichsgesetz. Diese Konstruktion hat bei den Beteiligten in Bund und Ländern, aber auch in der Wissenschaft7 heftige Reaktionen ausgelöst. Die Politik in Bund und Ländern bemüht sich im Herbst 2000 darum, die Intentionen des BVerfG dadurch zu unterlau1 2 3 4 5 6 7 BVerfGE 72, 330. BVerfGE 86, 148. BVerfGE 101, 158. Dazu ausf.: Henneke, Der Landkreis 2000, 172. BVerfGE 101, 158. BVerfGE 101, 158, 217 f. Rupp, JZ 2000, 269; Pieroth, NJW 2000, 1086; Degenhart, ZG 2000, 79; Waldhoff, ZG 2000, 193; Bull/Mehde, DÖV 2000, 305; Christmann, DÖV 2000, 315; Linck, DÖV 2000, 325; Schneider/Berlit, NVwZ 2000, 841; Wieland, DVBl. 2000, 1310; Henneke, Der Landkreis 1999, 652. 100 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" fen, dass die Arbeiten an einem Maßstäbegesetz und zur Neuregelung des Länderfinanzausgleichs parallel erfolgen. Für die Zukunft des durch die landesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung in jüngster Zeit deutlich ausgeformten und präzisierten kommunalen Finanzausgleichs lautet die Kernfrage daher: "Brauchen wir auch für den kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" Unabhängig von der sehr schwierig zu beantwortenden Frage, wie sich rechtsdogmatisch in Durchbrechung des Grundsatzes lex posterior derogat legi priori die Konstruktion eines Vorrangs des Maßstäbegesetzes vor dem später zu erlassenden Finanzausgleichsgesetz herleiten lässt (dazu D) ist diese Frage trotz der weitgehenden Parallelen zwischen den Bund-Länder-Finanzbeziehungen einerseits und dem kommunalen Finanzausgleich andererseits angesichts der in concreto maßgeblichen fundamentalen Unterschiede im Ergebnis eindeutig zu verneinen (dazu E). Das bedeutet allerdings nicht, dass für die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs materiell keine Maßstäbe bestehen. Diese ergeben sich aber bereits weitgehend aus der Verfassung selbst und finden sich im Übrigen in Ausformung verfassungsrechtlicher Vorgaben in den jeweiligen Finanzausgleichs- bzw. Gemeindefinanzierungsgesetzen. B. Die Problemlage bei der Regelung der Bund-LänderFinanzbeziehungen Die in Art. 104 a – 108 GG normierte Finanzverfassung hat große praktische und politische Bedeutung. Sie stellt nach den Ausführungen des BVerfG8 eine in sich differenzierte, Gesamtstaat und Gliedstaaten in ihrem Anteil am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sorgsam ausbalancierende Regelung dar und ist eines der Kernstücke der bundesstaatlichen Strukturierung. Sie ist einer der am sorgfältigsten behauenen und in einer Kette von Verfassungsänderungen mehrfach modifizierten Ecksteine aus dem Gefüge der bundesstaatlichen Verfassung. Und trotzdem ist es ihr nicht gelungen, den politischen Ausgestaltungsprozess streitschlichtend zu regulieren. Viermal wurde in den vergangenen Jahren das BVerfG von einzelnen Beteiligten angerufen, dreimal ist es dabei zu grundlegenden Entscheidungen gekommen.9 Die vierte Anrufung des BVerfG wegen der Ausgestaltung der so genannten Strukturhilfe erledigte sich nur durch deren Abschaffung im Rahmen der Neuregelung der Finanzbeziehungen durch das föderale Konsolidierungsprogramm 1993. Unter Berufung auf Immanuel Kant hebt Joachim Wie8 9 BVerfGE 55, 274, 302; 78, 249, 266; 86, 148, 213; 91, 186, 201. BVerfGE 72, 330; 86, 148; 101, 158. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 101 land hervor, dass durch Instrumentalisierung des Eigennutzes für ein gemeinnütziges Ziel auch noch für ein Volk von Teufeln eine brauchbare Staatsverfassung geschaffen werden könne10, wobei er klarstellt, dass es selbstverständlich völlig fern liege, die an der Schaffung des Finanzausgleichsgesetzes Beteiligten mit einem Volk von Teufeln zu vergleichen. Bei den auch 1999 wieder in Streit stehenden drei Fragen • • • der Festsetzung des Umsatzsteuerbeteiligungsverhältnisses, des angemessenen Finanzkraftausgleichs im Länderfinanzausgleichs sowie der Regelung der Bundesergänzungszuweisungen hat es – unbeschadet der strukturierenden Rechtsprechung des BVerfG – seit Inkrafttreten der neugefassten Finanzverfassung im Jahr 1970 stets unwürdige politischen Aushandlungsprozesse gegeben. B.I Vertikale Steuerverteilung Die Festsetzung des Umsatzsteuerbeteiligungsverhältnisses zwischen Bund und Ländern erfolgte in der Vergangenheit von 1970 bis 1993 immer nur durch auf ein bis drei Jahre befristete gesetzliche Regelungen. Von der Neufestsetzung 1975/77 abgesehen, hat es stets nur Verschiebungen zugunsten der Länder gegeben, dabei wurden die Neufestsetzungen regelmäßig nicht isoliert getroffen. Vielmehr "erkaufte sich" der jeweilige Bundesfinanzminister damit die Zustimmung zu Steuerreformgesetzen.11 Zu Beginn der 80er Jahre gab es sogar für einen längeren Zeitraum einen ungeregelten Zustand, der erst nach dem Regierungswechsel am 01.10.1982 rückwirkend einer Regelung zugeführt wurde. Seit der im Zuge der Solidarpaktverhandlungen 1993 ab 01.01.1995 geltenden Regelung ist die Festsetzung des Umsatzsteuerbeteiligungsverhältnisses zwischen Bund und Ländern in ihrer Laufzeit offen. Dies hat indes auch in der Folgezeit nicht dazu geführt, dass die in Art. 106 IV 1 GG normierte Revisionsklausel zum Tragen gekommen wäre. Stattdessen sind seither gleich mehrfach Separatregelungen getroffen worden. Dies gilt sowohl für den Familienleistungsausgleich als auch für die ÖPNV-Regelung nach Art. 106 a GG. Zweimal wurde also der Weg einer einzelaufgabenbezogenen Verfassungsänderung statt einer Revision des Umsatzsteuerbeteiligungsverhältnisses gewählt, um auf 10 11 Wieland, DVBl. 2000, 1310, 1312. Dazu: Henneke, Reform der Aufgaben- und Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Kommunen, 1999, S. 33. 102 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" diese Weise die erreichte starke Position der Länder zu stabilisieren 12. Überdies ist es seit 1998 aus Anlass der Erhöhung der Umsatzsteuer und der Verwendung des Erhöhungsbetrages zur Stabilisierung der Rentenversicherungsbeiträge statt zu einer Revision des Umsatzsteuerbeteiligungsverhältnisses zu einem – systemwidrigen – aufgabenspezifischen Vorwegabzug gekommen.13 B.II Horizontale Verteilungswirkungen Auch die einfachgesetzliche Normierung der Finanzkraft der Länder einschl. der kommunalen Finanzkraft hat stets für heillosen politischen Streit gesorgt, der mehrfach vor das BVerfG getragen worden ist. Genannt seien etwa die Stichworte • • Einbeziehung des so genannten Ölförderzinses, der Konzessionsabgaben, der gemeindlichen Steuerkraft, aber auch der Einwohnerveredelung, der Seehäfenlasten etc. Kaum war ein Streit durch das BVerfG entschieden, entbrannte er an anderer Stelle neu und wurde auf diese Weise erneut vor das BVerfG getragen. In vergleichbarer Weise verhält es sich mit den Bundesergänzungszuweisungen. Nachdem die Beträge anfangs geringer waren, wurden die Bundesergänzungszuweisungen ab 1974 dynamisiert und auf jährlich 1,5 v. H. des Umsatzsteueraufkommens festgelegt. Für die begünstigten Länder gab es – ohne Angabe von Verteilungskriterien – im Finanzausgleichsgesetz benannte gesetzliche Quoten, die über die Zeit hinweg relativ konstant waren. Die getroffene Regelung wurde vom BVerfG 1996 für verfassungswidrig erklärt.14 Für 1987 wurde eine Festbetragsregelung vorgesehen. Von 1988 bis 1994 betrugen die Bundesergänzungsweisungen 2 v. H. des Umsatzsteueraufkommens im bisherigen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Zum 01.01.1995 kam es hinsichtlich des Einsatzes der Bundesergänzungszuweisungen zu einer völligen inhaltlichen Neukonzeption, die die vom BVerfG 1986 und 1992 vor einem völlig anderen tatsächlichen Hintergrund herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Sinne einer Absteckung gesetzgeberischer Gestaltungsspielräume ebenfalls vollends ausschöpfte, wenn nicht überdehnte. Seither werden Bundesergänzungszuweisungen in fünf Erscheinungsformen gewährt, nämlich als Fehlbetrags-BEZ, Sonderbedarfs-BEZ für überdurchschnittlich hohe Kosten politischer Führung, Sonderbedarfs-BEZ zum Abbau tei12 13 14 Dazu ausf.: Henneke, ZG 1999, 1, 4 ff.; ders. (Fn. 11), S. 32 ff.; Färber, in: Bundesrat (Hrsg.), 50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent – Zur Struktur des deutschen Föderalismus, 1999, S. 89, 107. Henneke, Der Landkreis 1998, 126, 133 f. BVerfGE 72, 330, 420 f. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 103 lungsbedingter Sonderlasten, Übergangs-BEZ zum Ausgleich überproportionaler Belastungen sowie Sonder-BEZ zum Zwecke der Haushaltssanierung15. In ihrer Summe übersteigen sie das Volumen des Länderfinanzausgleichs um mehr als das Doppelte!16 Bereits vor 20 Jahren ist Klaus Stern17 zu dem Befund gekommen, dass sich die Ausgestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, insbesondere die Aufteilung der Umsatzsteuerquoten nach der verfassungsrechtlichen Neuregelung 1969 rasch zu einer ständigen Quelle des Streits zwischen Bund und Ländern entwickelte. Wörtlich beschreibt Stern die Situation vor 20 Jahren treffend wie folgt: "Faktisch wird der Streit jeweils durch einen politischen Kompromiss zwischen Bundeskanzler und Ministerpräsidenten entschieden, den die gesetzgebenden Körperschaften durchweg ratifiziert haben ... Der Finanzreformgesetzgeber des Jahres 1969 war der Meinung, durch die in Art. 106 III 4 GG genannten Grundsätze eine Versachlichung und Verstetigung des Ausgleichs herbeiführen zu können. Diese Grundsätze ... haben nicht das gehalten, was man sich von ihnen versprach. Ihre Ausgestaltung durch unbestimmte Rechtsbegriffe ... ist nicht so konkretisierungsfähig, dass es zu einer übereinstimmenden Interpretation, geschweige denn Subsumtion der Beteiligungspartner gekommen wäre. Ob das allerdings dem BVerfG gelungen wäre, mag bezweifelt werden. Jedenfalls hat jede Seite davon Abstand genommen, das Gericht anzurufen, und bisher die politische Auseinandersetzung gesucht, für die Bundestag und Bundesrat nur formal die Antipoden waren." Dies änderte sich in der Folgezeit grundlegend. Bereits kurz nach Erscheinen von Sterns Staatsrechtshandbuch wurde das BVerfG erstmals von zahlreichen Ländern zu Fragen der Ausgestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen angerufen. C. Lösungsansätze des BVerfG Das BVerfG hat in seinen drei Entscheidungen der Jahre 1986, 1992 und 1999 jeweils versucht, der besonderen Problemlage bei der Regelung der Bund-LänderFinanzbeziehungen Rechnung zu tragen und den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Finanzverfassung Geltung zu verleihen, um auf diese Weise zu einer Rationalisierung der ausgetragenen Streitigkeiten zu gelangen. 15 16 17 Dazu ausf.: Henneke, Die Kommunen in der Finanzverfassung des Bundes und der Länder, 3. Aufl. 1998, S. 126 ff.; ders., Öffentliches Finanzwesen. Finanzverfassung, 2. Aufl. 2000, Rdn. 783 ff. Dazu ausf.: Henneke (Fn. 11), S. 46 ff. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 1,158 f. 104 C.I Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" BVerfGE 72, 330: Die Finanzverfassung als Rahmen- und Verfahrensordnung zur Herbeiführung einer angemessenen Finanzausstattung von Bund und Ländern Bezug nehmend auf die politischen Aushandlungsprozesse konzedierte das BVerfG seinerzeit, dass das Grundgesetz politische Verhandlungen zwischen allen Beteiligten nicht ausschließe, ebenso wenig ein Zusteuern auf Verständigung und Kompromiss; beides liege im Sinne des Bündischen Prinzips. Das BVerfG stellte fest18: "Der Bund darf sich in diesen Verhandlungen durchaus als ein ‚ehrlicher Makler‘ betätigen. Letztlich wird allerdings der Bundesgesetzgeber von der Verfassung in die Pflicht genommen, die gesetzliche Regelung so zu gestalten, dass sie den normativen Anforderungen des GG genügt. Er darf sich nicht etwa damit begnügen, politische Entscheidungen einer Ländermehrheit ohne Rücksicht auf deren Inhalt zu beurkunden. Das GG enthält in diesem Bereich kein besonderes, auf Ausgleich und Verständigung ausgerichtetes Verfahren, das die Länder in dieser für sie wesentlichen Frage nicht allein Mehrheitsentscheidungen überantwortete. An Verfahrensregelungen enthält Art. 107 II GG nur, dass das erforderliche Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates ergehen muss. Das bedeutet praktisch, dass die Bundesratsmehrheit (die nicht notwendig die Mehrheit der Länder umfassen muss) sich auf Kosten der Minderheit rechtlich durchsetzen kann ... Die Verfahren sind rein faktischer, informeller Art." Das BVerfG bemühte sich in der Entscheidung, materielle Kriterien unmittelbar aus Art. 106, 107 GG zu aktivieren und arbeitete heraus, dass es sich bei Art. 106, 107 GG um ein in sich geschlossenes vierstufiges Finanzausgleichssystem handelt.19 18 BVerfGE 72, 330, 396 f. 19 BVerfGE 72, 330, 383 ff.; dazu ausf.: Henneke, Öffentliches Finanzwesen (Fn. 15), Rdn. 689 ff. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 105 Unter Hervorhebung der Aufgabenorientierung der Steuerverteilungsregelungen betonte das BVerfG:20 "Ziel dieser Verteilung ist, Bund und Länder finanziell in die Lage zu versetzen, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben auch wahrzunehmen; erst dadurch kann die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern real werden, können sich Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrneh20 BVerfGE 72, 330, 383 ff. 106 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" mung entfalten. Im Hinblick auf die mit dieser Aufgabenverteilung verknüpfte Ausgabenbelastung soll im Rahmen der vorhandenen Finanzmasse Bund und Ländern, soweit wie möglich, eine angemessene Finanzausstattung verschafft werden." Das BVerfG qualifiziert die Finanzverfassung ausdrücklich als Rahmenordnung21 und hebt hervor, dass sich innerhalb dieses Rahmens der politische Prozess nach seinen eigenen Regelungen und Bedingungen zu entfalten vermöge, der Rahmen selbst indessen eine Grenze darstelle, die der Gesetzgeber nicht überschreiten dürfe. Bezogen auf den in Art. 107 II GG normierten Länderfinanzausgleich sei die Eigenart des Rahmens in Folgendem zu sehen: "Zum einen wird er dem freien Aushandeln der Länder untereinander entzogen und in die Verantwortung des Bundesgesetzgebers (hier mit Zustimmung des Bundesrates) gegeben, der als solcher den Ländern insgesamt gegenüber steht und ihnen gegenüber zur Bundestreue verpflichtet ist. Zum anderen wird er darüber hinaus nicht einfach der freien politischen Gestaltung des Bundesgesetzgebers überlassen, sondern gewissen normativen Vorgaben unterstellt, die sich aus Art. 107 II GG und dessen Regelungszusammenhang ergeben.22 Angesicht dessen kann Art. 107 II GG nicht dahin verstanden werden, dass er sich eigener materieller Festlegungen ganz enthält und die Länder untereinander ebenso wie Bund und Länder bis zur Grenze offensichtlicher Willkür auf Verständigung und Kompromiss verweist. Erforderliche Verständigungs- und Kompromissbereitschaft kann, wenn es sich wie hier um den Ausgleich erheblicher und dabei gegensätzlicher Finanzinteressen handelt, nicht von vornherein unterstellt werden. Sie bedarf der Aktivierung und Unterstützung. Diese erhält sie dadurch, dass die Verfassung gewisse materiell-rechtliche Vorgaben für den politischen Kompromiss setzt, auf die sich die Beteiligten in Verhandlungen beziehen und auf die sie – zur Erhaltung der Verständigungsbereitschaft auf allen Seiten – zurückgreifen können 23." Sodann versucht das BVerfG, materielle Maßstäbe zu entwickeln und führt aus, dass der Begriff der Finanzkraft beim Länderfinanzausgleich weit zu verstehen sei. Unberücksichtigt bleiben müssten bei der Ermittlung der Finanzkraft im Sinne des Art. 107 II 1 GG Sonderbedarfe einzelner Länder. Die Finanzkraft sei hier primär als Finanzaufkommen zu verstehen, nicht dagegen als Relation von Aufkommen und besonderen Ausgabenlasten.24 Anders verfährt das BVerfG bei den Bundesergänzungszuweisungen. Der Begriff der Leistungsschwäche in Art. 107 II 3 GG sei anders als der Begriff der Finanzkraft nicht aufkommensorientiert, sondern bezeichne eine Relation zwischen Fi21 22 23 24 BVerfGE 72, 330, 390 sowie 395. BVerfGE 72, 330, 395 f. BVerfGE 72, 330, 397. BVerfGE 72, 330, 400. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 107 nanzaufkommen und Ausgabelasten der Länder.25 Der Bundesgesetzgeber verfüge bei den Ergänzungszuweisungen nicht über unbegrenztes Ermessen. Sein Entscheidungsspielraum hänge wesentlich davon ab, wie weit die Finanzausstattung der leistungsschwachen Länder im horizontalen Finanzausgleich an den Länderdurchschnitt herangeführt werde. Je niedriger hier die Grenze der Angleichung gezogen werden, umso mehr werde eine ergänzende Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs durch die Gewährung von Ergänzungszuweisungen praktisch zur Pflicht.26 In concreto führt das BVerfG aus, dass z. B. Kosten politischer Führung, die für Länder mit geringer Einwohnerzahl überdurchschnittlich hoch sein können, berücksichtigungsfähig seien. Berücksichtige der Gesetzgeber Sonderlasten, sei er aus dem föderalen Gleichbehandlungsgebot heraus verpflichtet, diese zu benennen und zu begründen. Damit sei sichergestellt, dass der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Gleichbehandlung der Länder auch bei der Berücksichtigung von Sonderlasten nachkomme.27 Zudem verpflichtet das BVerfG den Bundesgesetzgeber, die berücksichtigten Sonderlasten in angemessenen Abständen auf ihren Fortbestand zu überprüfen. Das bisherige System der Ergänzungszuweisungen wurde dagegen mit der zutreffenden Begründung für verfassungswidrig erklärt, dass sich der Gesetzgeber darauf beschränkt habe, pauschal Sonderbedarfe von Bundesländern anzunehmen, ohne diese überhaupt zu benennen und regelmäßig deren Angemessenheit zu überprüfen. Von 1974 bis 1985 hätten nicht nur stets dieselben Länder Ergänzungszuweisungen empfangen, es habe sich auch die Verteilung auf diese Länder – abgesehen vom Saarland – nur minimal verändert. Zudem sei die Summe dieser Zuweisungen durch die Bindung an das Umsatzsteueraufkommen erheblich gestiegen. Das habe dazu geführt, dass die Anteile der begünstigten Länder absolut in beträchtlichem Umfang gewachsen seien.28 Der Versuch der verfassungsunmittelbaren Konkretisierung materiell-rechtlicher Vorgaben durch das BVerfG bei Wahrung politischer Gestaltungsspielräume führte zunächst dazu, dass eine Neuregelung getroffen wurde. Dieses vermochte indes – jedenfalls auf Dauer – nicht zu befrieden. Noch vor Herstellung der deutschen Einheit gingen daher zahlreiche Länder erneut gegen die im FAG getroffenen Regelungen vor. 25 26 27 28 BVerfGE 72, 330, 402. BVerfGE 72, 330, 403. BVerfGE 72, 330, 405. BVerfGE 72, 330, 420 f. 108 C.II Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" BVerfGE 86, 148 bestätigt materiell orientierte Konzeption und statuiert Beistands- und Kooperationspflichten Mit der Entscheidung vom 27.05.1992 bestätigte das BVerfG die im BVerfGE 72, 320 entwickelte Konzeption und erstreckte sie auf Beistands- und Kooperationspflichten bei Haushaltsnotlagesituationen einzelner Glieder der bundesstaatlichen Ordnung.29 Das zu behandelnde Streitprogramm machte jedoch deutlich, dass es dem BVerfG mit seiner Entscheidung aus dem Jahre 1986 in weiten Teilen nicht gelungen war, den politischen Aushandlungsprozess zu rationalisieren. Daher war das BVerfG mit zahlreichen, bereits 1986 behandelten Fragen erneut konfrontiert und sprach insoweit Prüfaufträge an den Gesetzgeber aus.30 Zu einem konzeptionellen Wechsel konnte sich das BVerfG dennoch nicht verstehen und untersagte es, in Anknüpfung an die zum vierstufigen Finanzausgleichssystem 1986 angestellten Erwägungen, der Bundesregierung, nach dem Grundsatz "divide et impera" zu handeln, d. h. auf die Spaltung der Länder auszugehen. Dieser Grundsatz verbiete es der Bundesregierung, bei Verhandlungen, die alle Länder angingen, die Landesregierungen je nach ihrer parteipolitischen Richtung verschieden zu behandeln.31 Erneut wurde hervorgehoben, dass aus den materiell-rechtlichen Bindungen des Finanzausgleichsgesetzgebers keine verfahrensrechtlichen Erfordernisse im Sinne spezifischer Begründungsanforderungen abgeleitet werden könnten. Soweit im FAG die Höhe bestimmter Berechnungsfaktoren wie die Einwohnerwertung der Stadtstaaten nicht frei gegriffen werden dürfe, sondern sich nach Maßgabe verlässlicher, objektivierbarer Indikatoren als angemessen erweisen müsse, komme es darauf an, ob die gesetzgeberische Entscheidung im Ergebnis diesen Anforderungen genügten. Besondere Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren folgten daraus nicht.32 Unter erneuter Betonung der materiell-rechtlich bindenden Grundgesetzbestimmungen hob das BVerfG hervor, dass die Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat durch die Finanzverfassung des GG darauf angelegt sei, Bund und Länder finanziell in die Lage zu versetzen, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben wahrzunehmen. Die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern stütze sich auf eine Aufgabenzuweisung und eine ihr entsprechende Fi- 29 30 31 32 Dazu ausf.: Henneke, Jura 1993, 129, 129 ff. BVerfGE 86, 148, 227; 101, 158, 229 ff.; dazu ausf.: Henneke, NdsVBl. 1994, 49, 56; ders., in: Ipsen (Hrsg.), Kommunale Aufgabenerfüllung im Zeichen der Finanzkrise, 1995, S. 81, 111; Schneider/Berlit, NVwZ 2000, 841, 851 f. BVerfGE 86, 148, 212. BVerfGE 86, 148, 212. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 109 nanzausstattung, die im Rahmen des gesamtstaatlich Möglichen eine sachgerechte Aufgabenerfüllung erlaube.33 Allgemeine Zielsetzung der grundgesetzlichen Finanzverfassung sei es, eine aufgabengerechte Verteilung des für Bund und Länder verfügbaren Finanzaufkommens auf die verschiedenen Aufgabenträger sicher zu stellen.34 Hinsichtlich des horizontalen Finanzausgleichs nach Art. 107 II GG wurde erneut betont, dass dieser in erster Linie ein Ausgleich des Finanzaufkommens sei. Sonderbedarfe einzelner Länder hätten daher außer Betracht zu bleiben. Er diene dazu, den Ländern staatliche Selbständigkeit durch eine aufgabengerechte Finanzausstattung zu ermöglichen.35 Den vom BVerfG statuierten Prüfaufträgen kam der einfache Gesetzgeber in der Folgezeit nicht nach. Im Zuge der Solidarpaktverhandlungen 1993 wurde das überkommene Finanzausgleichssystem als Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ab 1995 auch auf die neuen Länder erstreckt. Auch wenn diese Entscheidung zunächst einvernehmlich getroffen wurde, vermochte sie in der Folgezeit ebenfalls keine Befriedungswirkung hervorzurufen. Vielmehr kam es zur erneuten Anrufung des BVerfG – diesmal durch die finanzstarken Länder. C.III BVerfGE 101, 158: Konzeptionswechsel durch Inpflichtnahme des Gesetzgebers zur Maßstabbildung und –bindung In seiner Entscheidung vom 11.11.1999 nahm das BVerfG einen konzeptionellen Wechsel vor, um auf diese Weise die unverändert gebliebene Problemlage in den Griff zu bekommen. Es ging davon ab, materielle Vorgaben unmittelbar aus Art. 106 und 107 GG abzuleiten. Auch sieht das BVerfG anders als in den Entscheidungen der Jahre 1986 und 1992 angesichts eines fehlenden Kataloges von Staatsaufgaben und des potenziell unbegrenzten Aufgabenerfindungsrechts von Bund und Ländern davon ab, die Aufgabenorientierung der Finanzverteilung zu betonen. Damit begibt es sich eines weiteren materiellen Prüfungsmaßstabes. Der Aufgabenbezug findet lediglich noch im konkretisierungsbedürftigen Merkmal der "notwendigen Ausgaben" nach Art. 106 III 4 GG seinen Ausdruck. Statt auf materielle Vorgaben unmittelbar aus der Verfassung abzuheben, nimmt das BVerfG den Gesetzgeber als "Erstinterpreten des Grundgesetzes"36 in die Pflicht: "Handlungsmittel für die Verdeutlichung und Vervollständigung des finanzverfassungsrechtlichen Zuteilungs- und Ausgleichssystems ist das Gesetz. Die Regelung des Finanzausgleichs darf nicht dem freien Spiel der politischen Kräfte überlassen 33 34 35 36 BVerfGE 86, 148, 213. BVerfGE 86, 148, 219. BVerfGE 86, 148, 238. BVerfGE 101, 158, 217 f. 110 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" bleiben. Das GG stellt seine behutsam aufeinander abgestimmten Regeln über Steueraufkommen und Finanzausgleich nicht am Ende eines abgestuften und aufeinander bezogenen Regelungssystems zur Disposition der betroffenen Körperschaften. Er beauftragt vielmehr den Gesetzgeber, die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben in Fortbildung der bundesstaatlichen Verfassungsprinzipien so auszuformen, dass die Finanzverfassung in zeitgerechten_Maßstäben verdeutlicht wird und die Zuteilungs- und Ausgleichsfolgen jeweils gegenwartsgerecht bemessen und periodisch überprüft werden können."37 Die bloße parlamentarische Mehrheit rechtfertige noch nicht den beschlossenen Finanzausgleich: "Der Gesetzgeber hat gegenläufige Interessen festzustellen, zu bewerten und auszugleichen. Er darf aber nicht allein in der Rechtfertigung eines Mehrheitswillens zu Lasten einer Minderheit auf fremde Haushalte zugreifen oder Ausgleichsansprüche vereiteln. Damit begegnet eine Gesetzgebungspraxis, die das Finanzausgleichsgesetz faktisch in die Verantwortlichkeit des Bundesrates verschiebt, verfassungsrechtlichen Einwänden. Mit dem Maßstäbegesetz erfüllt der parlamentarische Gesetzgeber den Auftrag, die verfassungsrechtlichen Zuteilungs- und Ausgleichsprinzipien zu konkretisieren und zu ergänzen. Der Bundestag nimmt – mit Zustimmung des Bundesrates – mit der Maßstabgebung die ihm vom Grundgesetz übertragene Verantwortung für diese Verfassungskonkretisierung wahr und bindet sich selbst in diesen Zuteilungs- und Ausgleichsmaßstäben. Eine Maßstäbegesetzgebung schafft abstrakte Kriterien für konkrete Finanzfolgen, in denen der Gesetzgeber sich selbst und der Öffentlichkeit Rechenschaft gibt, die rechtsstaatliche Transparenz der Mittelverwendung sichert und die haushaltswirtschaftliche Planbarkeit und Voraussehbarkeit der finanzwirtschaftlichen Autonomiegrundlagen für den Bund und jedes Land gewährleistet."38 Die Überantwortung der Maßstabgebung an den einfachen Gesetzgeber ist für das BVerfG damit nach den mehr oder minder erfolglosen Rationalisierungsversuchen zuvor über verfassungsunmittelbare materiell-rechtliche Vorgaben ein Instrument, der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern Transparenz und Stabilität zu verleihen. Aus der Feststellung, dass die Politik in der Vergangenheit versagt hat und sich ohne klare Maßstäbe in z. T. widersprüchlicher Weise auf Methoden der Finanzverteilung geeinigt hat, zieht das BVerfG entschiedene Konsequenzen.39 Rupp40 hat Recht, wenn er diagnostiziert, dass es dem Gericht offenbar in erster Linie darum ging, "den Gesetzgeber zu mehr Rationalität, Transparenz 37 38 39 40 BVerfGE 101, 158, 218. BVerfGE 101, 158, 219. Bull/Mehde, DÖV 2000, 305, 305. Rupp, JZ 2000, 269, 269. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 111 und Dauerhaftigkeit bei der Konkretisierung und Ergänzung der finanzausgleichsrechtlichen Maßstäbe und Grundsätze der Verfassung im Sinne eines langfristigen Konzepts zu veranlassen." Auch kann man sich seiner Beurteilung anschließen: "Insoweit hat das Urteil eine politikpädagogische Richtung, die man durchaus begrüßen kann." Für die beschriebenen, bisher stets streitbefangenen Fragestellungen der Festsetzung des Umsatzsteuerbeteiligungsverhältnisses zwischen Bund und Ländern, der Normierung von Ausgleichsansprüchen im Länderfinanzausgleich und der Statuierung von Vorgaben für Bundesergänzungszuweisungen nimmt das BVerfG eine grundgesetzliche Beauftragung des Gesetzgebers an, die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zu konkretisieren und zu ergänzen: "Dies gilt insbesondere für die Maßstäbe bei der vertikalen Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländergesamtheit (Art. 106 III 4 GG), die Kriterien für die Gewährung von Umsatzsteuer-Ergänzungsanteilen (Art. 107 I 4 GG, 2. Hs.), die Voraussetzungen für Ausgleichsansprüche und Ausgleichsverbindlichkeiten sowie die Maßstäbe für deren Höhe (Art. 107 II 2 GG) und schließlich für die Benennung und Begründung der Bundesergänzungszuweisungen (Art. 107 II 3 GG)."41 Nach diesem konzeptionellen Neuansatz enthält die Finanzverfassung somit keine unmittelbar vollziehbaren Maßstäbe, sondern verpflichtet den Gesetzgeber, das verfassungsrechtlich nur in unbestimmten Begriffen festgelegte Steuerverteilungsund Ausgleichssystem entsprechend den vorgefundenen finanzwirtschaftlichen Verhältnissen und finanzwissenschaftlichen Erkenntnissen durch anwendbare, allgemeine, ihn selbst bindende Maßstäbe gesetzlich zu konkretisieren und zu ergänzen. Der Gesetzgeber wird verpflichtet – unabhängig von wechselnden Ausgleichsbedürfnissen und Ausgleichssummen –, langfristig anwendbare Maßstäbe zu bestimmen, aus denen dann die konkreten, in Zahlen gefassten Zuteilungs- und Ausgleichsfolgen abgeleitet werden können.42 Der Gesetzgeber hat also die nur allgemein vorgezeichneten Ziele der Umsatzsteuerverteilung und des horizontalen Finanzausgleichs durch die Verpflichtung zur Maßstabbildung und zur Begründung finanzwirtschaftlich handhabbar, nachvollziehbar und überprüfbar zu machen. Wörtlich führt das BVerfG aus: "Der Gesetzgeber hat somit bei der Regelung des Finanzausgleichs einen doppelten Auftrag: Zunächst hat er die verfassungsrechtlichen Grundsätze inhaltlich zu verdeutlichen und seine erfassungskonkretisierenden Maßstäbe der Zuteilung und des Ausgleichs tatbestandlich zu benennen. Sodann hat er aus diesen Maßstäben die konkreten finanzrechtlichen Folgerungen für die jeweilige Ertragshoheit, Zuwei- 41 42 BVerfGE 101, 158, 214 f. BVerfGE 101, 158, 215. 112 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" sungsbefugnis und Empfangsberechtigung, Ausgleichsberechtigung und Ausgleichsverpflichtung zu ziehen. Das variable Steuerzuweisungs- und Ausgleichssystem stützt sich also in seiner Konkretheit wie in seiner Zeitwirkung auf drei aufeinander aufbauende Rechtserkenntnisquellen: Das GG gibt in der Stetigkeit des Verfassungsrechts allgemeine Prinzipien für die gesetzliche Steuerzuteilung und den gesetzlichen Finanzausgleich vor; der Gesetzgeber leitet daraus langfristige, im Rahmen kontinuierlicher Planung fortzuschreibende Zuteilungs- und Ausgleichsmaßstäbe ab; in Anwendung dieses den Gesetzgeber selbst bindenden maßstabgebenden Gesetzes (Maßstäbegesetz) entwickelt das Finanzausgleichsgesetz sodann kurzfristige, auf periodische Überprüfung angelegte Zuteilungs- und Ausgleichsfolgen. Mit der auf langfristige Geltung angelegten, fortschreibungsfähigen Maßstabbildung stellt der Gesetzgeber zunächst sicher, dass Bund und Länder die verfassungsrechtlich vorgegebenen Ausgangstatbestände in gleicher Weise interpretieren und ihnen dieselben Indikatoren zugrunde legen und damit einen Vergleich der Deckungsbedürfnisse ermöglichen. Dem Verfassungsauftrag zur langfristigen gesetzlichen Maßstabbildung und deren gegenwartsnahe Anwendung in den konkreten Finanzfolgen liegt eine Zeitenfolge zugrunde, die eine rein interessenbestimmte Verständigung über Geldsummen ausschließt oder zumindest erschwert. Die Finanzverfassung verlangt in Art. 106 III, IV sowie Art. 107 II GG eine gesetzliche Maßstabgebung in der Weise, dass die Maßstäbe der Steuerzuteilung und des Finanzausgleichs bereits gebildet sind, bevor deren spätere Wirkungen konkret bekannt werden. Diese Offenheit für die allgemeine, in die Zukunft vorausgreifende Regel bleibt erhalten, wenn der Gesetzgeber das Maßstäbegesetz beschließt, bevor ihm die Finanzierungsinteressen des Bundes und der einzelnen Länder in den jährlich sich verändernden Aufkommen und Finanzbedürfnissen bekannt sind."43 Mit dieser Konzeption will das BVerfG offensichtlich den Gesetzgeber zur Abkehr von der bisher üblichen "Kungelei" zwingen. Daher soll das Maßstäbegesetz in zeitlichem Abstand vor der konkreten Anwendung im FAG erlassen werden. Die Maßstäbe und Indikatoren haben nach der ausdrücklichen Feststellung des BVerfG die Funktion, gegen aktuelle Finanzierungsinteressen, Besitzstände und Privilegien abzuschirmen.44 Was dies im Einzelnen für den Gesetzgeber bedeutet, konkretisiert das BVerfG dann sowohl hinsichtlich der Festsetzung des Umsatzsteuerbeteiligungsverhältnisses als auch hinsichtlich des Länderfinanzausgleichs und der Bundesergänzungszuweisungen. Insoweit sei nur auf folgende Gesichtspunkte hinwiesen: 43 44 BVerfGE 101, 158, 216 f. BVerfGE 101, 158, 218. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 113 C.III.1 Notwendige Ausgaben Hinsichtlich der Festsetzung des Umsatzsteuerbeteiligungsverhältnisses wird der Gesetzgeber verpflichtet, die "notwendigen" von den im Haushalt veranschlagten Ausgaben zu unterscheiden, also in einer Erforderlichkeits- und Dringlichkeitsbewertung von Ausgabestrukturen der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern eine Grenze des Finanzierbaren vorzugeben.45 Das BVerfG hebt hervor, dass Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft, nicht aber in ihrer Finanzwirtschaft selbständig und voneinander unabhängig sind: "Bund und Länder müssen die in diesen Vorschriften ausgesprochenen Einschränkungen ihrer Finanzhoheit hinnehmen. Ein Deckungsquotenverfahren, das allein nach den in den jeweiligen Haushalten veranschlagten Einnahmen und Ausgaben bemessen ist, genügt diesen Erfordernissen nicht. Der Umfang der notwendigen Ausgaben stützt sich ... auf eine Planungsgrundlage, die sicherstellt, dass Bund und Länder bei der Ermittlung der notwendigen Ausgaben und der laufenden Einnahmen jeweils dieselben Indikatoren zugrunde legen, deren Entwicklung in finanzwirtschaftlicher Rationalität über Jahre hin beobachten, aufeinander abstimmen und fortschreiben ... und in dem kontinuierlich fortgeschriebenen Kriterium der Notwendigkeit zugleich gewährleisten, dass nicht eine großzügige Ausgabenpolitik sich bei der Umsatzsteuerzuteilung refinanzieren könnte, eine sparsame Ausgabenpolitik hingegen verminderte Umsatzsteueranteile zur Folge hätte. Nach Art. 106 III 4 Ziff. 2 GG befriedigt der Anspruch auf Deckung der notwendigen Ausgaben nicht den tatsächlichen Bedarf, sondern fordert eine Abstimmung der Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder."46 Damit betont das BVerfG den Auftrag des Gesetzgebers zum Wägen und Gewichten der jeweiligen Deckungsbedürfnisse. Das BVerfG hebt hervor, dass die Umsatzsteuer entgegen der grundgesetzlichen Vorgabe bisher nicht auf der Grundlage einer mehrjährigen Finanzplanung verteilt worden sei und schlussfolgert daraus, dass sich der Gesetzgeber, dem Gebot der Durchschaubarkeit und Ausgewogenheit folgend, der Aufgabe stellen müsse, Konkretisierungen vorzunehmen, die dazu beitragen, dass politische Kompromisse in den Grenzen festgelegter Kriterien und Verfahrensregeln gefunden werden.47 45 46 47 BVerfGE 101, 158, 220. BVerfGE 101, 158, 220. BVerfGE 101, 158, 227. 114 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" C.III.2 Länderfinanzausgleich Hinsichtlich des Länderfinanzausgleichs knüpft das BVerfG in seiner Entscheidung vom 11.11.1999 an die Entscheidungen der Jahre 1986 und 1992 an und hebt ebenfalls hervor, dass der Aufgabenbezug grundsätzlich ausgeblendet bleibt und es sich beim Länderfinanzausgleich um einen Finanzkraftausgleich handelt, wobei als Ziel die hinreichende Annäherung der Finanzkraft der Länder anzustreben ist.48 Auch die Erfahrungen mit der praktischen Handhabung des Länderfinanzausgleichs belegen nach Einschätzung des BVerfG49, dass die Regelungen der Verfassung einer gesetzlichen Konkretisierung und Ergänzung bedürfen, die die Maßstäbe für ein FAG vorgängig und verbindlich bestimmen. Dabei ist der Begriff der Finanzkraft näher auszuformen. Dies ist Aufgabe des Gesetzgebers, der praktische und ökonomisch rationale Kriterien zu finden hat, die die Einnahmen der Länder vergleichbar machen. Bei der Bestimmung der Voraussetzungen für Ausgleichsansprüche und Ausgleichsverbindlichkeiten in einem verfassungskonkretisierenden Maßstäbegesetz wird der Gesetzgeber vom BVerfG aufgefordert, eine Ausgleichskonzeption zu entwickeln, die anhand einheitlicher Maßstäbe die Angemessenheit des Ausgleichs, verstanden als Finanzkraftausgleich ohne Berücksichtigung von Sonderbedarfen einzelner Länder, grundsätzlich systemimmanent sichert.50 C.III.3 Bundesergänzungszuweisungen Ebenfalls in Anknüpfung an die überkommene Rechtsprechung des BVerfG wird in der Entscheidung vom 11.11.1999 bezüglich der Bundesergänzungszuweisungen hervorgehoben, dass zur Beurteilung der Leistungsschwäche das Verhältnis von Finanzaufkommen und Ausgabelasten der Länder zu bewerten sei. Berücksichtige der Gesetzgeber Sonderlasten, so verpflichte ihn das föderative Gleichbehandlungsgebot, diese Sonderlasten zu benennen und zu begründen. Dies wurde bereits in den Entscheidungen der Jahre 1986 und 1992 hervorgehoben. Ergänzend fügt das BVerfG nunmehr an: "Durch den tatbestandlichen Ausweis der Sonderlasten im Maßstäbegesetz wird sichergestellt, dass die ausgewiesenen und benannten Sonderlasten bei allen lastenbetroffenen Ländern berücksichtigt werden, dass die berücksichtigten Sonderlasten in angemessenen Abständen auf ihren Fortbestand überprüft werden und dass die Kontrolle durch Gerichtsbarkeit und Öffentlichkeit einen deutlich greifbaren Anknüpfungspunkt gewinnt." 48 49 50 Dazu ausf.: BVerfGE 101, 158, 222. BVerfGE 101, 158, 229. BVerfGE 101, 158, 231. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 115 Nach den Vorgaben des BVerfG müssen für die Berücksichtigung von Sonderlasten außergewöhnliche Gegebenheiten vorliegen, die einer besonderen, den Ausnahmecharakter ausweisenden Begründungspflicht unterliegen. Dem Gebot, Sonderlasten zu benennen und zu begründen, wird die gegenwärtige Bemessung der Zuweisungen für Kosten politischer Führung nicht gerecht, da sie nicht nachvollziehbar erscheint. Resümierend stellt das BVerfG fest, dass im Ergebnis dem Gesetzgebungsauftrag der Art. 106 III, IV, Art. 107 II GG nur ein Gesetz genügt, das sich nicht auf die Regelung von Verteilungs- und Ausgleichsfolgen beschränkt, sondern vielmehr Zuteilungs- und Ausgleichsmaßstäbe benennt, die den rechtfertigenden Grund für die Verfassungskonkretisierung und Verfassungsergänzung erkennen lassen."51 Das Resümee des BVerfG ist ebenso knapp wie eindeutig:52 "Die unverzichtbare Ordnungsfunktion der Finanzverfassung kann nur durch eine maßstabgebende Konkretisierung und Ergänzung der offenen Tatbestände des GG gewahrt werden." Ohne Berücksichtigung des jahrzehntelangen politischen Streits und der verfassungsgerichtlichen Auseinandersetzungen um die Bund-Länder-Finanzbeziehungen kann der konzeptionelle Ansatz des BVerfG in seiner Entscheidung vom 11.11.1999 nicht gewürdigt werden. Dennoch ist zweifelhaft, ob der nunmehrige Ansatz geeignet ist, zum gewünschten Erfolg beizutragen. Die angelaufenen Beratungen zwischen Bund und Ländern verheißen insoweit nicht unbedingt Gutes. Überdies ist die Konzeption eines den nachfolgenden Gesetzgeber bindenden Maßstäbegesetzes dogmatischen Einwänden ausgesetzt. 51 52 BVerfGE 101, 158, 235 f. BVerfGE 101, 158, 237 f. 116 D. Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" Rechtsdogmatische Probleme Das Maßstäbegesetz in der Normenhierarchie a) Grundsatz b) Lösungsmöglichkeiten Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 117 Neben Zuspruch ist die Entscheidung des BVerfG auch auf erhebliche Kritik53 gestoßen. So haben z. B. Linck54 und Pieroth55 apodiktisch ausgeführt, dass die Konstruktion eines den Bundesgesetzgeber selbst bindenden Gesetzes nach geltendem Verfassungsrecht nicht haltbar sei und verfassungspolitisch auf erhebliche Bedenken stoße. In dem in Art. 106, 107 GG enthaltenen Auftrag an den Gesetzgeber, verfassungsrechtlich vorgegebene Kriterien für die Finanzverteilung und den Finanzausgleich zu konkretisieren und zu ergänzen, sei keine Aussage enthalten, dass die Verfassungskonkretisierungen durch den einfachen Gesetzgeber Vorrang vor den normalen Gesetzen hätten. Die zweistufige Normenhierarchie: Verfassung ./. Gesetz sei klar und abschließend. Es gebe kein wie auch immer geartetes, dazwischen angesiedeltes Normengebilde. Verfassungskonkretisierungen seien keine vorrangigen Super-Gesetze.56 Der normative Vorrang eines Maßstäbegesetzes, das den FAG-Gesetzgeber normativ binden könne, sei nicht zu begründen und ein Irrweg.57 53 54 55 56 57 Kritisch insbesondere: Linck, DÖV 2000, 325; Pieroth, NJW 2000, 1086; Rupp, JZ 2000, 269; Wieland, DVBl. 2000, 1310. Linck, DÖV 2000, 325, 325. Pieroth, NJW 2000, 1086, 1086 f.; ebenso im Ergebnis Rupp, JZ 2000, 269, 271. Linck, DÖV 2000, 325, 327. Linck, DÖV 2000, 325, 328; ebenso Rupp, JZ 2000, 269, 271; Schneider/Berlit, NVwZ 2000, 841, 843 f.; Pieroth, NJW 2000, 1086, 1086 f. 118 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" Die Argumentation von Wieland58 geht zunächst in die gleiche Richtung. Die vom BVerfG angenommene Selbstbindung des Gesetzgebers durch früher erlassene Gesetze widerspreche der nur durch die Verfassung gebundenen politischen Freiheit des Gesetzgebers. Eine Selbstbindung des Bundesgesetzgebers gegen den Grundsatz lex posterior derogat legi priori passe nicht in die Normenhierarchie des Grundgesetzes, zumal dieses Prinzip der Durchsetzung des Demokratieprinzips diene.59 Seine Einwände gegen die Konzeption des BVerfG stützt Wieland aber nicht nur auf den Gesichtspunkt der Normenhierarchie. Vorrangig kritisiert er den vom BVerfG vorgenommenen Konzeptionswechsel mit der Folge der Preisgabe materieller Verfassungskriterien. In den Entscheidungen der Jahre 1986 und 1992 habe das BVerfG ausdrücklich hervorgehoben, dass die Verfassung gewisse materiellrechtliche Kriterien für den politischen Kompromiss setze, auf verfahrensrechtliche Erfordernisse aber verzichte. Das neue Urteil schränke demgegenüber die Flexibilität des Gesetzgebers entscheidend ein und lasse für politische Entscheidungen und Kompromisse künftig keinen Raum mehr.60 Wieland will demgegenüber am Ziel eines aufgabenangemessenen Finanzausgleichs festhalten und kritisiert, dass nicht ersichtlich sei, wie nach dem Zweistufen-Modell des BVerfG das Ziel erreicht werden könne, dass Bund und Länder in die Lage versetzt werden, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben auch wahrzunehmen. Entgegen der Annahme des BVerfG gehe es nicht um die Sachgerechtigkeit der Verteilungsmaßstäbe, sondern um ihre dienende Funktion zur Herstellung einer aufgabengerechten Finanzausstattung des Bundes und aller Länder. Nur wenn die Verteilungsmaßstäbe vom Gesetzgeber so gewählt würden, dass sie im Ergebnis zu einer aufgabengerechten Finanzausstattung führten, genüge das gesetzliche Regelwerk den Anforderungen der Finanzverfassung.61 Entgegen der Konzeption des BVerfG heben Wieland und Schneider/Berlit hervor, dass eine aufgabengerechte Finanzausstattung von Bund und Ländern nur sichergestellt werden könne, wenn der Gesetzgeber die Folgen seiner Verteilungsregelungen abschätze.62 Folgenorientierung sei bei der Rechtsetzung Verfassungsgebot.63 Nur eine solche Folgenberücksichtigung ermögliche eine Befolgung des Gebots, die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen auszugleichen. Die Angemessenheit könne der Gesetzgeber nur beurteilen, wenn er die Folgen seines Regelwerks kenne oder zumindest annähernd abzuschätzen vermöge.64 58 59 60 61 62 63 64 Wieland, DVBl. 2000, 1.310, 1.312 ff. Ebenso Schneider/Berlit, NVwZ 2000, 841, 843. Wieland, DVBl. 2000, 1310, 1311. Wieland, DVBl. 2000, 1310, 1313; ebenso Schneider/Berlit, NVwZ 2000, 841, 843; Bull/Mehde, DÖV 2000, 305, 311.. Wieland, DVBl. 2000, 1310, 1314; Schneider/Berlit, NVwZ 2000, 841, 843. Schneider/Berlit, NVwZ 2000, 841, 843. Wieland, DVBl. 2000, 1310, 1314; Schneider/Berlit, NVwZ 2000, 841, 843. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 119 Verständnis für den eingeschlagenen konzeptionellen Weg erntet das BVerfG etwa bei Bull/Mehde,65 Degenhart66 und Waldhoff.67 Sie versuchen überdies, die vom BVerfG gewählte Konstruktion des Maßstäbegesetzes rechtsdogmatisch zu unterfüttern. Von Degenhart wird die Frage, ob es innerhalb der Rechtsordnung Gesetze unterschiedlichen Ranges geben kann und ob der Gesetzgeber bestimmten grundsätzlichen Normen erhöhte Verbindlichkeit gegenüber nachfolgenden, dieses Programm durchführenden Vorschriften belegen kann, im Ergebnis aufgrund eines Verfassungspostulats gesetzgeberischer Selbstbindung bejaht. Degenhart betont die Distanz schaffende Funktion des Gesetzes und teilt die Einschätzung des BVerfG, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Finanzverteilungen nicht zur Disposition der Beteiligten gestellt werden dürfen.68 Der Vornahme eines Interessenausgleichs allein im Wege des politischen Kompromisses im Mantel eines Gesetzes sei eine klare Absage zu erteilen. Nur das auf längerfristige Geltung angelegte, Distanz zum finanzpolitischen Alltagsgeschäft und Distanz zu den beteiligten Körperschaften als Interessenträgern schaffende, abstrakt gefasste Maßstäbegesetz sei geeignet, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Finanzausgleich in hinreichender Rechtssicherheit zu verdeutlichen.69 Allerdings bedürfe im Verhältnis von Maßstäbegesetz und FAG eine derartige Rangstufung mit Derogationsfolge der Begründung, da sowohl das Maßstäbegesetz als auch das FAG zunächst einfache Gesetze seien, für die im Konfliktfall die lex-posterior-Regel gelte. "Verteilungsgerechtigkeit gegen bloßen Interessenausgleich" – dahin gehend lasse sich die dem Urteil zugrunde liegende Konzeption von der rechtsstaatlichen Funktion der Gesetzgebung kennzeichnen.70 Der Gesetzgeber selbst könne seinem eigenen Gesetz allerdings keinen höheren Rang als eben den eines formellen Gesetzes zuweisen; eine Bindung an selbst gesetzte Wertungen müsse also über das Verfassungsrecht vermittelt werden. Degenhart71 kommt daher zu dem Ergebnis, dass es nur der Verfassungsauftrag aus Art. 106 III 4, 107 II GG sein könne, der der gesetzgeberischen Konkretisierung der in diesen Verfassungsnormen enthaltenen Zielvorgaben ihre spezifische Maßgeblichkeit verleihe. Weil die Verfassungsnormen zur Maßstabbildung verpflichteten, müsse der Gesetzgeber in die Lage versetzt werden, Maßstäbe mit Verbindlichkeitscharakter und auf Dauer angelegtem Geltungsanspruch zu setzen. Diese Funk65 66 67 68 69 70 71 Bull/Mehde, DÖV 2000, 305, 308 f. Degenhart, ZG 2000, 79. Waldhoff, ZG 2000, 193. Degenhart, ZG 2000, 79, 84. Degenhart, ZG 2000, 79, 84. Degenhart, ZG 2000, 79, 86. Degenhart, ZG 2000, 79, 89. 120 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" tion könne nur über verbindliche, den Gesetzgeber selbst bindende Maßstäbe effektiv wahrgenommen werden. Die Verfassungskonkretisierung kraft spezifischen Verfassungsauftrags in einem auf grundsätzliche Geltung angelegten Gesetz führe daher zu einem gesteigerten Verfassungsbezug der im Gesetz getroffenen Wertungen. Hierin erlangten sie dann Verbindlichkeit gegenüber dem durchführenden Gesetzgeber. Die Schaffung von Distanz gegenüber aktuellen Finanzierungsinteressen – insbesondere auch durch zeitlichen Abstand – sei Voraussetzung eines diesen Anforderungen genügenden Maßstäbegesetzes. Nach alledem kommt Degenhart hinsichtlich der Neukonzeption durch das BVerfG zu einem positiven Befund: Der Bundesgesetzgeber dürfe sich seiner Aufgabe als vorrangiger Interpret des bundesstaatlichen Prinzips des Grundgesetzes im Konfliktfall der Finanzverteilung nicht dadurch entziehen, dass er die Realisation der verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Disposition der Beteiligten stelle, sei es mit dem Instrumentarium des kooperativen Föderalismus, sei es über den Bundesstaat. Das Urteil erinnere daran, dass die klassische Funktion des Gesetzes als Ergebnis nicht nur einer interessenmäßig bestimmten Verständigung über aktuelle politische Forderungen zu sehen sei, sondern als eine die Wertungen der Verfassung nachvollziehende und ergänzende Gestaltung einer auf Kontinuität angelegten rechtlichen Ordnung für den Ausgleich divergierender Belange. Wenn dieser Ausgleich nicht dem freien Spiel der politischen Kräfte überlassen werden dürfe, habe der parlamentarische Gesetzgeber die Regeln vorzugeben und sich daran zu halten.72 Waldhoff73 tritt dieser Argumentation im Wesentlichen bei. Der Auftrag zur Maßstäbegesetzgebung diene dazu, die Funktionsfähigkeit der bundesstaatlichen Finanzverteilung sicherzustellen. Die geforderte zeitliche Trennung der Maßstabsbildung von der Sachverhaltsentwicklung erscheine rationalitätsfördernd. Allein die Tatsache, dass überhaupt abstrakte Maßstäbe entwickelt werden müssten, erschwere systemwidrige und nicht mehr zu rechtfertigende Auswüchse, an denen das noch geltende FAG so reich sei und die nicht einmal mehr von den zuständigen Referenten des Bundes und der Länder vor dem BVerfG hätten erklärt werden können.74 Aufgrund der Neukonzeption des BVerfG müsse reines Besitzstandsdenken, von dem die Rechtslage und die Verhandlungen im einfachgesetzlichen Finanzausgleichsrecht bisher stark geprägt seien, zumindest in ein abstrakt rationales Konzept eingebunden werden. Die Konzeption des BVerfG könne also im Idealfall dazu führen, dass Nachvollziehbarkeit, Stringenz und Plausibilität in den Vordergrund träten. Durch die Einschaltung der Gesetzesform für die Prinzipienbildung und nicht nur für die techni72 73 74 Degenhart, ZG 2000, 79, 90. Waldhoff, ZG 2000, 193, 208 ff. Waldhoff, ZG 2000, 193, 216. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 121 sche Umsetzung werde auch der politische Entscheidungsprozess rationalisiert und öffentlich gemacht, das freie Spiel der politischen Kräfte werde verfassungsrechtlich stärker eingebunden. Die auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG vielfach kritisierten Termingespräche der Ministerpräsidenten würden erschwert oder müssten zumindest abstrakt begründbare und nachvollziehbare Maßstäbe entwickeln. Rechtsdogmatisch sei die Konstruktion angesichts der besonderen Verfassungsnähe der Inhalte des Maßstäbegesetzes tragfähig. Durch das Zusammentreffen von verfassungsrechtlicher Zeitdimension und Verfassungsnähe der Inhalte könne letztlich die verfassungsrechtliche Bindungswirkung des Maßstäbegesetzes erklärt werden.75 Man sieht also: Auch wenn man der vom BVerfG seit 1986 kontinuierlich verfolgten Zielsetzung einer Rationalisierung des politischen Aushandlungsprozesses folgt, ist nicht zu verkennen, dass man sich mit der Konzeption des den nachfolgenden Gesetzgeber bindenden Maßstäbegesetzes – vorsichtig formuliert – rechtsdogmatisch auf sehr schwankendem Grund bewegt. Allein dies wirft erhebliche Zweifel auf, ob sich eine Übertragung der Konzeption auf andere Konstellationen wirklich empfiehlt. Hinzu kommt, dass der Finanzausgleich im GG bereits verfassungsrechtlich durch bestimmte, in den beiden früheren Entscheidungen vom BVerfG herausgestellte Markierungen und Ausgleichsgrundsätze präfixiert ist, die durch ein Maßstäbegesetz zu wiederholen wenig sinnvoll ist.76 Zu Recht fragt Rupp,77 was angesichts dessen bei der Konzeption des BVerfG an Regelungsmasse für das Nachfolgefinanzausgleichsgesetz noch übrig bleibt, wenn man im Maßstäbegesetz die von der Verfassung offen gelassenen Modi des Ausgleichs schließt. 75 76 77 Waldhoff, ZG 2000, 193, 217. Rupp, JZ 2000, 269, 270. Rupp, JZ 2000, 269, 270. 122 E. Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" Übertragbarkeit auf den kommunalen Finanzausgleich Bund-Länder-Finanzbeziehungen Zu finanzierende Aufgaben: Ø kein fixierter Katalog von Staatsaufgaben Ø potentiell unbegrenztes Aufgabenerfindungsrecht von Bund und Ländern Ziel der Finanzverteilung: Ø vertikal: Einnahmeverteilung zwischen Bund und Ländern, so dass gleichmäßige Deckung der notwendigen Ausgaben erfolgt Ø horizontal: Finanzkraftangleichung sowie vertikal mit horizontaler Wirkung: Abmilderung von Leistungsschwäche Ø rechtlich gleiche Verschuldungsgrenzen von Bund und Ländern, vgl. Art. 115 I 2 GG Ø wg. Eigenstaatlichkeit von Bund und Ländern: keine Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes auf die Länder bisher keine einheitliche Finanzplanung rechtlich unverbindliche Absprachen im Finanzplanungsrat verfassungsrechtliche Sicherungen im Verhältnis Regierung zum Parlament bei Aufgabenüberforderung, vgl. Art. 112, 113 GG Ø Ø Ø Ø Ø überschaubarer Kreis von (16 + 1) Beteiligten Interessenausgleich zwischen beteiligten Exekutiven des Bundes und der Länder im Verhandlungswege Kommunaler Finanzausgleich Zu finanzierende Aufgaben: Ø alle Pflichtaufgaben der Kommunen und ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben, Ø i. d. R. daneben Mehrbelastungsausgleich für übertragene Aufgaben Ziel der Finanzverteilung: Ø aufgabenangemessene Finanzausstattung Ø jedenfalls finanzielle Mindestausstattung im Kernbereich Ø Leistungsfähigkeitsvorbehalt des Landes als Ausdruck der Schranken der Selbstverwaltungsgarantie führt zu Verteilungssymmetrie im Randbereich Ø horizontal: aufgabenorientierte Finanzkraftangleichung Ø kommunale Kreditaufnahmemöglichkeiten rechtlich eingeschränkt Ø Genehmigungsbedürftigkeit der Kommunalhaushalte bzw. der Kreditaufnahme durch die Kommunalaufsicht Ø keine formalisierten Sicherungsinstrumente der Kommunen gegen aufgabenübertragenden Gesetzgeber Ø Ø große Zahl von Kommunen je Land Landesgesetzgeber regelt generell-abstrakt Verteilungssystem Kommunen Objekt gesetzgeberischen Handelns bei Anhörung der kommunalen Spitzenverbände StGH BW: prozedurale Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung: keine rein passive Rolle Landesgesetzgeber entscheidet mit einfacher Mehrheit Ø Ø Ø Bundesgesetz bedarf der Zustimmung durch den Bundesrat Ø Ø BVerfG fordert verfassungskonkretisierende Maßstäbe durch Gesetzgeber und Einhaltung des Distanzgebotes ein Ø Verfassung gibt mit Garantie kommunaler Selbstverwaltung, Gleichheitssatz und i. d. R. Mehrbelastungsausgleich für übertragene Aufgaben Maßstäbe vor Ø Distanzgebot ist durch FAG-GFG gewahrt Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 123 Beim kommunalen Finanzausgleich ist die Ausgangskonstellation materiell und prozedural eine grundlegend andere. E.I Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben Die verfassungsrechtlichen Vorgaben in den Landesverfassungen sind dichter als die des Grundgesetzes in der Auslegung, wie sie das BVerfG in der Entscheidung vom 11.11.1999 vorgenommen hat. Überdies erfolgt eine generell-abstrakte Ausformung der Verteilungsgrundsätze in den jeweiligen Finanzausgleichs- und Gemeindefinanzierungsgesetzen, so dass bereits von daher für ein dazwischen stehendes Maßstäbegesetz kein Raum ist. Die landesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung hat die jeweiligen landesverfassungsrechtlichen Vorgaben weitestgehend ausgeleuchtet und die einfachgesetzlichen Regelungen daran gemessen 78; besondere Bedeutung kommt dabei den Entscheidungen des NdsStGH vom 15.08.199579 und vom 25.11.199780 zu. Danach haben die landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen über den kommunalen Finanzausgleich die Funktion, jeder einzelnen Kommune aufgrund der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung eine aufgabenangemessene Finanzausstattung zu sichern. Dabei muss nicht sichergestellt werden, dass die Kommunen aufgrund des ihnen zukommenden Aufgabenerfindungsrechts alle freiwilligen Aufgaben auch finanzieren können. Die Finanzausstattung muss sich aber jedenfalls auf die Erfüllung aller Pflichtaufgaben und auf ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben erstrecken. Von Rheinland-Pfalz und Hessen abgesehen, die über eine so genannte monistische Finanzgarantie verfügen, tritt in allen Ländern aufgrund der dualen Finanzgarantie ein Mehrbelastungsausgleich für übertragene Aufgaben hinzu.81 Anders als im Verhältnis zwischen Bund und Ländern ist also bezogen auf die Kommunen der zu finanzierende Aufgabenbestand potenziell fixierbar. Während das BVerfG im Bund-Länder-Verhältnis angesichts des offenen Aufgabenbestandes als Ziel lediglich eine sachgerechte Einnahmeverteilung proklamiert, ist das Ziel des kommunalen Finanzausgleichs die Herstellung einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung für jede einzelne Kommune. Das bedeutet, dass eine finanzielle Mindestausstattung als unantastbarer Kernbereich unabhängig von der Leistungsfä78 79 80 81 Dazu ausf.: Henneke, Der Landkreis 2000, 172, 172 ff. NdsStGH, NdsVBl. 1995, 225. NdsStGH, NdsVBl. 1998, 43. Dazu ausf.: Henneke, Der Landkreis 2000, 172, 174 ff. mit umfangr. w. N. 124 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" higkeit des Landes zur Erfüllung aller Pflichtaufgaben und eines Mindestmaßes an freiwilligen Aufgaben gesichert sein muss.82 Hinsichtlich des Maßes der darüber hinaus zu finanzierenden freiwilligen Aufgaben besteht weitgehender politischer Gestaltungsspielraum und aufgrund des vom NdsStGH so bezeichneten Gebots der Verteilungssymmetrie kann hier als Ausdruck der Schranken der Selbstverwaltungsgarantie ein Leistungsfähigkeitsvorbehalt des Landes aktualisiert werden.83 Auch im horizontalen Verhältnis der Gemeinden untereinander ist das Ziel des kommunalen Finanzausgleichs eine aufgabenorientierte Finanzkraftangleichung, was bedeutet, dass einfachgesetzlich aufgabenangemessene Bedarfsindikatoren zu ermitteln und zu statuieren sind.84 Dem vom Land zu erfüllenden Anspruch der Kommunen auf eine aufgabenangemessene Finanzausstattung entspricht es, dass die kommunalen Kreditaufnahmemöglichkeiten rechtlich eingeschränkt sind und überdies die Kommunalhaushalte bzw. die Kreditaufnahmen der einzelnen Kommunen einem Genehmigungsvorbehalt durch die Kommunalaufsicht unterliegen. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs hat also den Verfassungsgeboten der Garantie kommunaler Selbstverwaltung, des Gleichheitssatzes und in der Regel des Mehrbelastungsausgleichs für übertragene Aufgaben Rechnung zu tragen und formt diese Vorgaben näher aus. Hinsichtlich der Kosten- und Bedarfsermittlung hat die landesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung – gerade des NdsStGH – deutliche Vorgaben statuiert.85 Von daher ist in materiell-rechtlicher Hinsicht die Ausgangslage beim kommunalen Finanzausgleich grundlegend anders zu beurteilen als dies für die Regelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen aufgrund der vom BVerfG vorgenommenen Auslegung der Fall ist. E.II Gesetzgebungsverfahren Überdies unterscheidet sich das Gesetzgebungsverfahren beim kommunalen Finanzausgleich grundlegend von dem vom BVerfG eindrucksvoll beschriebenen Aushandlungsprozess bei der Regelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Während es sich bei der gesetzlichen Regelung der Bund-LänderFinanzbeziehungen bisher regelmäßig um das Nachvollziehen von Interessenausgleichsprozessen zwischen den beteiligten Exekutiven des Bundes und der Länder 82 83 84 85 Dazu ausf.: Henneke, Der Landkreis 2000, 172, 193 ff. u. 98 ff. mit umfangr. w. N. Dazu ausf.: Henneke, Der Landkreis 2000, 172, 199 f. mit umfangr. w. N. Dazu ausf.: Henneke, Der Landkreis 2000, 172, 203 ff. NdsStGH, NdsVBl. 1995, 225, 228; NdsVBl. 1998, 43, 44 u. 45. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke 125 handelte, bei denen sich die Länder aufgrund der Zustimmungsnotwendigkeit des Bundesrates in einer starken Verhandlungsposition befinden, ist die Konstellation beim kommunalen Finanzausgleich grundlegend anders: In jedem Land gibt es eine große Zahl von Kommunen, für die der Landesgesetzgeber generell-abstrakt ein Verteilungssystem im jeweiligen Finanzausgleichsgesetz bzw. Gemeindefinanzierungsgesetz regelt. Die Kommunen sind mithin nicht mitentscheidungsbefugte Partner eines Aushandlungsprozesses, sondern letztlich Objekt gesetzgeberischen Handelns, wenngleich selbstverständlich eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände stattfindet und der StGHBW86 entschieden hat, dass eine prozedurale Sicherung der Kommunen durch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung geboten ist, so dass die Kommunen nicht auf eine rein passive Rolle im Gesetzgebungsverfahren beschränkt sein dürfen. Dennoch bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass anders als im Bund-LänderVerhältnis im kommunalen Finanzausgleich der Landesgesetzgeber mit einfacher Mehrheit den kommunalen Finanzausgleich regelt. Reine Aushandlungsprozesse auf der Ebene der Exekutive finden also im kommunalen Finanzausgleich nicht statt. Das vom BVerfG mit dem Maßstäbegesetz angemahnte Gebot von Distanz und Transparenz ist bei der Regelung des kommunalen Finanzausgleichs bei Einhaltung der von der Landesverfassungsgerichtsbarkeit statuierten verfassungsrechtlichen Vorgaben per se gegeben. Eines zusätzlichen Maßstäbegesetzes bedarf es also auch von daher nicht. Um so wichtiger ist es, dass die Landesgesetzgeber den von den Landesverfassungsgerichten statuierten materiell-rechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs Rechnung tragen und sich nicht leichtfertig darüber hinwegsetzen. Diese Aussage findet ihre nachhaltige Unterstützung durch die mit dem Urteil des BVerfG vom 11.11.1992 verfolgte Intention. 86 StGH BW, DVBl. 1999, 1351; dazu ausf.: Henneke, ZG 1999, 256; ders., Der Landkreis 2000, 172, 200 ff.; F. Kirchhof, JZ 1999, 1054; Goerlich, DVBl. 1999, 1358; H. Meyer, LKV 2000, 1. 126 Die Zukunft des kommunalen Finanzausgleichs: "Brauchen wir auch für den Kommunalen Finanzausgleich ein Maßstäbegesetz?" Prof. Dr. Manfred Dammeyer 127 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/an Europa lernen? Meine sehr geehrten Damen und Herren, was sollen, was können Kommunen von oder an Europa lernen? Sehr viel. Vor allen Dingen müssen sie endlich anfangen zu lernen. Ich will zu drei Komplexen etwas sagen. Meine erste Bemerkung schließt an eine rhetorische Figur an, die Sie selber zigmal gebraucht haben: Europa hat längst in alle unsere Politikbereiche weit eingegriffen. Das stimmt. Bitte merken Sie sich das. Europa hat längst in alle unsere Politikbereiche eingegriffen und gestaltet sie – egal, ob wir ihm die Kompetenz zubilligen oder nicht. Die Europäische Union maßt sich bereits seit einer Reihe von Jahren Kompetenzen an und übt Kompetenz zu Recht aus. Von beidem nehmen wir nicht in ausreichender Weise Notiz und reagieren darauf nicht angemessen. Deshalb möchte ich mich vor allem daran orientieren. Eine zweite rhetorische Figur ist Ihnen allen sicherlich schon über die Lippen gekommen. Sie heißt: Wir haben ein vorzügliches kommunales System: Eines, das in Europa vorbildhaft ist und alle möglichen Aspekte berücksichtigt. – Mein Kommentar dazu: Es ist so vorbildlich, dass alle anderen europäischen Länder es anders machen. Diese beiden Teile sind nach meinem Dafürhalten die gewichtigsten, mit denen man sich beschäftigen muss. Wenn wir denn auch zu unseren rhetorischen Figuren rechnen, europäische Vielfalt zu respektieren, ist das das Prägende. Nichts ist vielfältiger als Kommunalpolitik. Es gibt ein paar Sachen mehr, zwar nicht die monetäre Politik oder die Steuerpolitik, wiewohl sie schon extrem vielfältig sind. Aber Kommunalpolitik gehört nun wirklich zu den Bereichen, die die unterschiedlichsten Ausprägungen in ganz Europa haben. Wer in diesen Feldern darauf Rücksicht nehmen muss und daraus zu lernen hat, dass Europa längst in alle Politikbereiche eingreift, der muss sich gleichzeitig mit dem Element der vielfältigen Lösungen in Europa beschäftigen. Er muss vor allem ständig auf Materialsuche sein und prüfen, in welcher Weise er denn auf europäische Entscheidungen Einfluss nehmen kann, wo er, wenn es denn einen europäischen Diskurs zu einer Frage gibt, Verbündete finden kann, die er nicht ausschließen darf. Die rhetorische Figur, wir machen alles prima, schließt alle anderen aus. Das ist abgrundtief falsch. Es ist immer zu prüfen, wo es gemeinsame Elemente und wo es Unterschiede gibt. Es mag ja sein, dass das Eine oder Andere von uns als vorbild- 128 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? lich angesehen wird und auch von anderen als vorbildlich respektiert würde, wenn es denn einen Vergleich aushalten müsste. Aber dieser Vergleich findet prima facie gar nicht statt. Deshalb sind nach meinem Dafürhalten dieses die wichtigsten Elemente, die Kommunalpolitik von und an Europa dringend lernen muss. Meine zweite Bemerkung will sich an zwei besonderen Bereichen orientieren, die wir als Beispiele selber erlebt haben. Das eine besteht darin, wie wir mit dem Komplex von Landesbanken, Sparkassen und öffentlich-rechtlichem Rundfunk umgegangen sind. Das ist ein hervorragendes Beispiel, an dem man Mehreres gleichzeitig erkennen kann. Die Auseinandersetzung über die Landesbanken betraf zunächst nur die Länder. Sie waren vornehmlich die Eigentümer der Landesbanken, mittelbar zwar auch die Kommunen, weil die Sparkassenverbände daran beteiligt waren, aber nicht direkt. Dass von den Sparkassen gleichzeitig die Rede war, schien eine Systematik zu sein, die insbesondere mit deutschem Recht und deutschen Strukturen zu tun hatte. Das ist auch so. Aber dass das weit darüber hinaus geht, haben wir eigentlich erst im Laufe der Zeit mit der neuen Mitteilung von EU-Kommissionspräsident Monti gespürt, in der er alle öffentlich-rechtlich und alle privat gestalteten Unternehmen in der gleichen Weise behandelt. Die Argumentation der Europäischen Union ist sehr einfach: Unternehmen sind von der Europäischen Union gleich zu behandeln – egal, ob öffentlich-rechtlich oder öffentlich getragen, im öffentlichen Eigentum stehend oder privat. Der zweite Satz dieser Argumentation heißt: Subventionen sind verboten, Subventionen sind verboten, sind verboten, sind verboten; es sei denn, die Europäische Union genehmige sie. Dieses Verbot geht sehr weit. Wie Sie gegenwärtig aktuell erleben, greift die Europäische Union mittlerweile in die Verwendung von Geldern ein; nicht in die Frage, ob sie gezahlt werden sollen oder nicht, sondern in welcher Weise sie verwendet werden sollen. Ein Beispiel ist die Ruhrkohle. Dabei geht es nicht mehr nur wie bei der Auseinandersetzung mit Biedenkopf über die VW-Subvention darum, ob denn der Freistaat Sachsen im lokalen und regionalen Interesse aus eigenen Mitteln Wirtschaftsförderung zahlen darf oder nicht, sondern es geht jetzt bei der Kohle darum, ob und wie denn diese Gelder, für die die Genehmigungen längst erteilt sind und die in der gegenwärtig laufenden Periode legitimerweise gezahlt werden, verwandt werden dürfen. Die Europäische Union greift wirklich in alle Bereiche ein, und sie reklamiert eine Gestaltungskompetenz für sie. Sie hat solche Kompetenzen. Es sind die europäi- Prof. Dr. Manfred Dammeyer 129 schen Instanzen, die diese Kompetenz haben. Zu den europäischen Instanzen – mit Verlaub – gehört auch die Regierungskonferenz. Das ist keine Veranstaltung nationaler Regierungen, sondern ein europäisches Institut. Der Europäische Rat, alle Ministerräte und die Regierungskonferenzen sind europäische Gremien. Jetzt komme ich auf die Frage zurück, wie es denn mit den Landesbanken und den Sparkassen war und ist. Sie erinnern sich vielleicht, dass wir alle ziemlich froh waren, als es der Bundesregierung gelungen war, im Vertrag von Amsterdam eine Protokollnotiz zu Gunsten von Landesbanken, Sparkassen und öffentlichrechtlichem Rundfunk zu verankern. Das war auf eine simple Weise zustande gekommen. Die Länder hatten allesamt darauf bestanden, dass das gefälligst geschehen müsse. Kanzler Kohl hat es in loyaler Unterstützung der Positionen aller deutschen Länder umgesetzt; übrigens die der Kommunen eingeschlossen, weil ja Sparkassen immer dabei waren. Er hat das frühmorgens als Protokoll und damit als eine teutonische Besonderheit umgesetzt – nicht als eine europäische Fragestellung. Denn europäisch stellte sich diese Frage anders. Sie hieß: Sind diese Bereiche – jetzt wieder alle drei: öffentlich-rechtlicher Rundfunk und die öffentlich-rechtlichen Banken, Sparkassen und Landesbanken – durch Wettbewerbsvorteile gegenüber den anderen Unternehmen bevorzugt? Wird Staatsknete eingeschoben, um ihnen einen Vorsprung gegenüber ihren privaten Konkurrenten zu ermöglichen? Dazu hat Europa gesagt: Das ist verboten, ist verboten, ist verboten. Es wird gar nicht müde, das so litaneimäßig zu wiederholen, wie ich das betone. Und es setzt das um. Das führt dazu, dass nicht nur Herr Monti, sondern auch viele Italiener mittlerweile fehlerfrei die Worte "Anstaltslast" und "Gewährträgerhaftung" aussprechen können. Eigentlich sind das deutsche Zungenbrecher und deutsche Besonderheiten. Sie gelten nämlich nur für unser Sparkassensystem. Wir haben sie bislang auch immer als eine Besonderheit betont – nicht nur was die Konstruktion, sondern auch was die Wirkung angeht. Zu Recht sagen alle Kommunalen, dass die Sparkassen die regionalpolitisch relevantesten Instrumente sind, um Kredite zu ermöglichen. Privatbanken sind längst über alle Berge, wenn es darum geht, insbesondere drei Prinzipien zu berücksichtigen: gründerfreundlich, damit risikoorientiert, regional verantwortet, damit das auch in der jeweiligen Region passiert, und mittelstandsfreundlich - also keine übermäßig hohen Kredite vergeben - zu sein. Wenn es um dicke Kredite geht, sind die Privatbanken dabei. Dies sind die drei Elemente des deutschen Sparkassenwesens. Das stimmt – es gibt gar keinen Zweifel –; das ist so. Aber ich halte es für falsch zu betonen, dass das eine Besonderheit der Sparkassen dann wäre, wenn man Verbündete braucht. Wenn 130 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? das der Fall ist, muss nach meinem Dafürhalten auf die Parallelität zu anderen verwiesen werden, und es müssen mit ihnen gemeinsame Aktivitäten versucht werden. In Deutschland müsste das heißen: So etwas machen auch die Raiffeisen- und die Vereinsbanken, gewiss mit einer anderen Klientel und mit einem anderen Rückgrat, aber sie machen auf jeden Fall so etwas. Im europäischen Maßstab müsste das heißen: Es ist zwar wahr, dass es eine solche Sparkassenorganisation fast nur in Deutschland und in Österreich gibt – dort mit erheblichen Veränderungen und damit eigentlich nur in Deutschland –, aber es ist auch wahr, dass es in einer Reihe anderer Länder vergleichbare Einrichtungen gibt – vergleichbare, nicht gleiche. Die Föreningssparbanken in Schweden zum Beispiel, unter denen die Vereinsbanken und die Sparkassen zusammengefasst worden sind, sind auch in regionaler Verantwortung und auch zum großen Teil in kommunaler Kontrolle – und ich kann diese Aufzählung weiterführen. In Italien gibt es Sparkassen, die in der gesamten Republik arbeiten. Sie haben ihren Sitz in Mailand oder in Turin, unterhalten aber in ganz Italien Dependancen, die als Aktiengesellschaften geführt werden und sich in ähnlicher Weise solchen Prinzipien verpflichtet fühlen. In Frankreich gibt es noch drei solcher Rudimente, nachdem die Franzosen das seinerzeit zerschlagen haben. In Spanien existiert auch so etwas. Parallel dazu besteht in ganz Frankreich ein Service Public, bei dem mit Staatsknete Konkurrenz zu privaten Unternehmen betrieben wird. Auch das ist möglicherweise Subvention. Diese sind alle Verbündete, freilich in der deutschen Diktion nie aufgenommen worden. Wir haben das seinerzeit Kohl aufgetragen. Kohl hat es umgesetzt und morgens um halb fünf gesagt: Das will ich jetzt haben. Schließlich haben die Vertreter der anderen Länder zugestimmt: Na gut, es kommt ins Protokoll. Damit war das erst einmal so. Wir haben das, mich eingeschlossen, damit wir nicht an der falschen Ecke reden,, bejubelt. Wir haben im Bundesrat bei der Billigung des Amsterdam-Vertrages allesamt gesagt: Das Glas ist halb voll und nicht halb leer. Es ist eine ganze Menge dabei herumgekommen, insbesondere sind unsere Interessen aufgenommen worden. Alle Ministerpräsidenten, die geredet haben, und alle Redner bis zu dem letzten in dieser Debatte - das war ich für Nordrhein-Westfalen –, haben betont: Das liegt insbesondere an diesem Protokoll. Prof. Dr. Manfred Dammeyer 131 Wir meinten, dass über diese Regelung und Übereinstimmung tatsächlich – ich will damit nicht über andere abfällig reden, sondern einbeziehen, wie wir diese Diskussion bewertet haben – die Landesbanken, die Sparkassen und der öffentlichrechtliche Rundfunk dauerhaft gesichert und einer öffentlichen Diskussion in Europa entzogen wären. Wie sehr wir uns getäuscht haben, erleben wir jetzt. Wir können allenthalben lesen, dass diese Protokollnotiz ein Bumerang gewesen sei, der jetzt auf die Deutschen zurück fliegt, weil sie plötzlich eine teutonische Besonderheit für alle anderen ist, sie nicht mehr Parallelen sehen, und weil wir es im Nachhinein organisieren müssen. Eine solche Problemstellung hätte seinerzeit erfordert – nun reklamiere ich für mich, dass ich darauf hingewiesen und das seinerzeit angeschnitten habe –, dass sowohl die Länder als auch die Kommunen als auch die Sparkassenverbände als auch die Landesbanken sich parallel mindestens hätten darum kümmern müssen, einen europaweiten Diskurs über eine solche Fragestellung zu organisieren – seinerzeit personifiziert gegen Karel van Miert und mittlerweile gegen Monti. Das wäre nötig gewesen. Nun weiß ich genau, dass keine Bank der Meinung ist, sie müsse einen europaweiten politischen Diskurs anfangen, um Politiker dazu zu bewegen, dieses oder jenes zu bewirken. Sie haben andere Sorten der Durchsetzungstechniken. Nun weiß ich, dass die deutschen Länder das Instrument des Bundesrates vorzüglich zu nutzen wissen, aber darüber hinaus sich schwer tun, anderswo gute Verbündete zu finden. Nun weiß ich auch, die Kommunen haben sich darauf verlassen, dass die kommunalen Spitzenverbände an ihrer Stelle schon alles auf europäischer Ebene anstrebten und dass es deshalb dort keine unmittelbare Arbeit gab. Für die Kommunen kommt noch hinzu, dass die Auseinandersetzung seinerzeit von den Privatbanken gegen die Landesbanken geführt wurde – nicht gegen die Sparkassen. Sie meinten, sie würde es möglicherweise nicht treffen. Sie sind erst viel später wach geworden. Auch das gehört dazu. Europa greift in alle Politikbereiche ein. Bitte merken Sie sich das. Es ist deshalb erforderlich, frühzeitig auf solche Prozesse als einen europäischen Diskurs einzugehen und außer der formalrechtlich richtigen, der juristisch einwandfreien, der innerstaatlich bedeutsamen Argumentation auch eine europäische Beweisführung aufzubauen sowie in anderen europäischen Ländern Verbündete zu suchen, zu finden und sie zu gemeinsamem Handeln zu bewegen. 132 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? Bei den öffentlich-rechtlichen Banken hat das sehr lange gedauert. Wir sind erst jetzt im Ausschuss der Regionen so weit, dass wir eine Stellungnahme über die regionalpolitisch bedeutsame Qualität der öffentlich-rechtlichen Banken zustande bringen. Das haben wir in der einschlägigen Fachkommission gegen die Stimmen der Liberalen erreicht, die von Wettbewerb und Wettbewerb und Wettbewerb reden. Alle anderen haben wir mittlerweile dazu bewegen können, aber nur, weil wir eine Vielzahl von Beispielen aufführten und darauf hinwiesen, wie schrecklich es in Großbritannien war, als alles zerschlagen wurde. Darauf wurden die Briten hellwach und sagten: Das ist wahr und darf daher woanders nicht passieren. – Wir wiesen darauf hin, wo Parallelen in anderen Ländern bestanden und sind, um dort Verbündete zu finden. Was haben eigentlich die Finnen damit zu tun, dass das öffentlich-rechtliche Sparkassen- und Bankensystem in Deutschland existiert, wenn sie es selber nicht haben? Sie sind möglicherweise nur darüber zu packen, dass über die Wettbewerbsorientierung der Europäischen Union und der Kommission auch ihre kommunalen Krankenhäuser, ihre – jetzt kann man die Kette verlängern – eigentümlichen Formen von kommunalem Nahverkehr oder ihre relativ breit gestreuten kommunalen Aktivitäten gleichfalls betroffen sein könnten. Man muss ja mit der Perspektive operieren. Meine Damen und Herren, ich habe so ausführlich davon gesprochen, weil Einzelheiten dieses Prozesses uns allen sicherlich schon vorgekommen sind. Aber die Orientierung daran, dass dieses eine Aktivität sei, an der jede Kommune sich beteiligen müsse, die muss ich hier unterstreichen. Mein zweites Beispiel ist die flammendfrische Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die deutschen Länder und Kommunen haben darauf hingewiesen, dass die Daseinsvorsorge, die dabei erörtert wurde – übrigens ein Ausdruck, der nicht in die anderen Sprachen übersetzbar ist –, einerseits wichtig ist, weil Elemente der Daseinsvorsorge von den Wettbewerbserwartungen der Europäischen Union freigestellt sein müssten, andererseits aber eine schwierige Sache ist; denn wenn die Bürgerinnen und Bürger Daseinsvorsorge reklamieren – von wem bitte, von den Kommunen und Ländern? –, dann wäre das mit Kosten verbunden. Man kann der Europäischen Union nicht gestatten, dass sie in einer Grundrechts-Charta die Verpflichtung formuliert, aus der abgeleitet werden könnte, dass Kommunen und Länder in Deutschland finanzielle Verpflichtungen zu übernehmen haben. So war im Wesentlichen die Diskussion in Deutschland. Die Franzosen sind das anders angegangen. Sie sagten: Wir haben den Service Public. Wir tragen die Verantwortung dafür, dass eine Grundausstattung mit Leistungen vorhanden sein muss – sehr vage formuliert, wie alles in Europa sehr vage Prof. Dr. Manfred Dammeyer 133 formuliert wird – und dass die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf haben, auf sie zurückgreifen zu können. Ich nehme das in der Parallelität zu dem anderen Beispiel auf, das ich formuliert hatte. Dass die Artikel 34 und 36 jetzt in der Grundrechts-Charta stehen, verdanken wir nicht der hohen Qualität der politischen Diskussion über Daseinsvorsorge in Deutschland, sondern der Diskussion darüber, dass die Franzosen sich frühzeitig daran gemacht haben, eine umfassende argumentative Lobbyarbeit zu betreiben, die sich an dem Service Public orientiert. Sie haben alle einschlägigen Unternehmen in einem Verband zusammengefasst, diese Arbeit aufgenommen – natürlich unter anderen Bedingungen, als wir das getan hätten –, von der ich eben gesprochen habe, dass sie in Bezug auf Banken und Sparkassen von Deutschland aus nicht geleistet worden ist, möglicherweise auch nicht umgesetzt werden konnte. Meine Damen und Herren, meine dritte Bemerkung bezieht sich auf den Begriff der Subsidiarität. Das ist ja nun die Geheimwaffe, die den großen Einfluss auf alle möglichen einschlägigen Kompetenzen reklamiert. Das ist einerseits wahr und andererseits eine reine Illusion. Es ist wahr insofern, als das Subsidiaritätsprinzip in der Tat in den europäischen Verträgen verankert ist, und zwar als ein gültiges Prinzip und nicht als eines, das erst erfunden und umgesetzt werden muss. Es ist ein gültiges Prinzip, demzufolge die Europäische Union in ihrem Handeln auf jene Bereiche konzentriert sein muss, für die sie die ausschließliche Kompetenz hat. Nur: Dieser Katalog der ausschließlich der europäischen Ebene zustehenden Kompetenzen steht aus. Das gilt auch für alle anderen Bereiche, für die sie nicht die ausschließliche Kompetenz hat, weil ihr nicht die erste Priorität gebührt, sondern andere es machen sollen: bürgernäher – und jetzt kommt die weitere Diskussion darüber. Es ist also ein Prinzip, das für die europäischen Institutionen insgesamt gilt: für den Rat, für die Kommission, für das Parlament, für den Ausschuss der Regionen, für den WSA, für den Rechnungshof, für den Europäischen Gerichtshof. Ich bin gespannt, wie er sich äußern wird, wenn er die erste Vorlage in einer solchen Frage erhalten wird. Ich möchte ihn daher lange Zeit davor bewahren. Einerseits ist es, wie gesagt, ein gültiges europäisches Prinzip, andererseits gibt es niemanden, der ein Monopol auf die Definition hat. Wir haben es bislang sehr vage in den Verträgen verankert; wir haben es im Amsterdam-Vertrag mit einer Protokollnotiz konkretisiert. Stimmt. Sie hat eine größere Allgemeinverbindlichkeit. Stimmt. Aber sie ist dennoch streitig. Nach meiner festen Überzeugung bleibt Subsidiarität ein Kampfbegriff für lange Zeit, weil sie unterschiedlich interpretiert wird, weil Verschiedene damit unterschiedlich umgehen, weil Verschiedene auch in unterschiedlicher Weise ihre Umsetzung reklamieren. Zu einem der problematischsten Elemente der Umsetzung 134 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? dieses Subsidiaritätsbegriffes gehört zum Beispiel: Gilt so etwas nur im Verhältnis der Europäischen Union zu den Subjekten der Europäischen Union, also den Mitgliedsstaaten, oder gilt es auch im Innern der Mitgliedsstaaten? Präsident Chirac hat alle seine Mitarbeiter ungeheuer überrascht, als er dreimal – einmal auf dem Gipfel von Avignon mit Kohl und hinterher noch zweimal – davon sprach, dass das Subsidiaritätsprinzip auch innerstaatlich umgesetzt werden müsste. Das ist in diesem Land des Zentralismus, demokratisch verankert seit der Französischen Revolution, eine schwierige Sache für alle seine Mitarbeiter. Wenn die eigene Nation es offensichtlich nicht einmal richtig zulässt – jedenfalls nicht ohne politische Auseinandersetzungen –, dass den Korsen eine klein wenig eigenständige Position zugebilligt wird, führt das schließlich zum Rücktritt von Innenminister Chevenement. Ich formuliere das, weil immerhin diese Diskussion geführt wird: Ja klar, natürlich kann man die europäische Ebene als "zweiten Bildungsweg" für die innenpolitischen Diskussionen im Mitgliedsstaat verwenden. Das haben die Labour-Leute in bildungspolitischen Fragen in der Zeit regelmäßig getan, in der die Konservativen ums Verrecken nicht eine progressive Bildungspolitik betreiben wollten. Sie haben immer gemeint, Europa müsse doch diese oder jene Forderung aufstellen, und dann könne man sie auch in Großbritannien umsetzen. So ist es auch in Frankreich natürlich von einer agitatorischen Qualität, dass gerade der Staatspräsident davon spricht und dass man es umsetzen kann. Aber nach dem Prinzip der Subsidiarität ist es gefälligst Sache der Mitgliedsstaaten selber, darüber zu entscheiden – nicht aber Angelegenheit der Europäischen Union, darüber zu befinden, dass sie auch im Inneren der Mitgliedsstaaten zu gelten habe. Davon ist auch die Diskussion über die Charta der kommunalen Selbstverwaltung und in der Parallele dazu über die Charta der regionalen Selbstverwaltung geprägt. Für deutsche Länder ist das Quatsch. Eine "Selbstverwaltung" der Regionen wollen wir gar nicht. Die deutschen Länder haben die Bundesrepublik für Aufgaben geschaffen, die sie nicht selber erledigen konnten. Die deutschen Länder haben Staatsqualität. Natürlich brauchen wir keine regionale "Selbstverwaltung". Das ist mehr und anderes, was die deutschen Länder nicht nur für sich reklamieren, sondern auch praktizieren. Aber in allen anderen europäischen Staaten – Österreich eingeschlossen – hat das eine andere Qualität. Deshalb wird man mit solchen Begriffen vorsichtig umgehen müssen. Daher ist es richtig, dass im Europarat eine solche Überlegung angestellt wird und dass Charten erarbeitet werden, dass man sich dazu erklären und darum bemühen muss, sie in die politische Praxis umzusetzen – sowohl für die kommunale Selbstverwaltung als auch für die Position der Regionen. Prof. Dr. Manfred Dammeyer 135 Gleichwohl: Die Umsetzung ist gleichermaßen eine nationale Frage und eine Frage des Gleichklangs des europäisches Diskurses zu diesen Fragestellungen. Daran hapert es an allen Ecken und Enden. Ja, meine Damen und Herren, man kann, man muss von und an Europa lernen, und zwar nicht nur, indem man auszuführen hat, was dort ausgedacht wird. Übrigens: Was dort ausgedacht wird, hat allemal die Zustimmung der jeweiligen nationalen Regierungen gefunden. Bislang gilt faktisch das Einstimmigkeitsprinzip. Nur in wenigen Punkten ist der eine oder andere überstimmt worden. Allenfalls im Zuge eines Deals wurden Positionen zurückgestellt. Aber alles, was europäische Instanzen beschlossen haben, hat die Billigung der zuständigen nationalen Instanzen gefunden. Jedoch: Für eine Entscheidung auf europäischer Ebene ist noch nie jemand auf nationaler Ebene zur Rechenschaft gezogen worden. Ja, man kann, man muss von und an Europa lernen, und zwar in allen Einzelheiten: In den großen Linien, von denen ich gesprochen habe, dass man für die Orientierung auf Wettbewerb und Wettbewerb und Wettbewerb und gegen Subventionen, gegen Subventionen, gegen Subventionen – übrigens auch gegen Quersubventionen in Unternehmen und in Kommunen – eintritt, wie im Detail. Ich sage ausdrücklich: Man muss frühzeitig an dieser Debatte beteiligt sein; man muss sich daran beteiligen, bevor Entscheidungen zustande kommen. Deshalb: Wenn hier vor allen Dingen von Kommunen die Rede ist, treten Sie ruhig Ihre kommunalen Spitzenverbände. Sie tun viel. Aber die Diskussion darüber, ob denn die Kommunen gegenwärtig selber Büros in Brüssel errichten müssen, beschreibt ein Maß an Unzufriedenheit. Ich sehe das zu der parallelen Situation, in der die Länder in den achtziger Jahren standen. Die Bundesregierung dachte, sie würde die Länder ausreichend vertreten. Sie hatte den Ländern lange Zeit untersagt, ihre Vertretungen in Brüssel Vertretungen zu nennen. Das konnte sie zwar nicht verbieten, hat es aber immer wieder versucht. Es mussten viele Gespräche mit dem Auswärtigen Amt darüber geführt werden. Aber die Länder haben es nicht zuletzt deshalb getan, weil sie gesehen haben, dass es schon erforderlich ist, ihre eigenen Interessen selbst zu vertreten. Ich fände es nicht gut, wenn jede Gemeinde ein solches Büro in Brüssel unterhalten müsste, glaube aber, es ist richtig, dass alle Gemeinden begreifen, dass vieles von dem, von dem sie meinen, dass bei ihnen noch eine Entscheidungskompetenz läge, längst europäisch entschieden ist. 136 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? Prof. Dr. Dirk Ehlers 137 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/an Europa lernen? - Kommunalaufsicht und europäisches Gemeinschaftsrecht - I. Einführung "Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/an Europa lernen?" - so ist das Thema, über das ich zu referieren habe, überschrieben. Erlauben Sie mir, die Thematik einzugrenzen. Zum einen ist es kaum möglich, die Problemstellung "Kommunen und Europa" in zwanzig Minuten abzuhandeln. Zum anderen gibt es hierzu bereits zahlreiche Veröffentlichungen. Aus neuerer Zeit sei etwa auf den aus Anlass des sechzigjährigen Bestehens des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im letzten Jahr erschienenen Symposiumsband von Erichsen "Kommunale Verwaltung im Wandel" sowie auf das Professorengespräch 1999 des Deutschen Landkreistages1 hingewiesen. Nicht untersucht worden ist demgegenüber soweit ersichtlich bisher die Frage, welche Auswirkungen sich aus dem europäischen Recht für die Kommunalaufsicht ergeben. Da unsere Tagung der Kommunalaufsicht gewidmet ist, möchte ich mich hierauf konzentrieren. Das Augenmerk soll nicht auf die gesamte Staatsaufsicht über die Kommunen, sondern nur auf die in Nordrhein-Westfalen sog. allgemeine Aufsicht (Rechtsaufsicht2) gerichtet werden. Ausgeklammert bleibt also die Sonderaufsicht3 sowie die Fachaufsicht (die es in Nordrhein-Westfalen ohnehin nur kraft Bundesrechts geben darf4). In Betracht gezogen wird nur das europäische Gemeinschaftsrecht, nicht das sonstige europäische Recht. Mit der Kommunalaufsicht werden unterschiedliche Zwecke verfolgt. Im wesentlichen lässt sich zwischen einer Kontroll- sowie einer Schutz-, Förderungs- und Vermittlungsfunktion unterscheiden 5. Der Kontrolle geht es darum, die Einhaltung der den Kommunen gezogenen Bindungen notfalls durch Korrektur sicherzustellen. Dagegen ist die schutzgewährende, fördernde und vermittelnde Tätigkeit der Kommunalaufsichtsbehörden nicht der staatlichen Eingriffs-, sondern der Leistungsver1 2 3 4 5 Henneke, Kommunen und Europa - Herausforderungen und Chancen, 1999. § 116 Abs. 1 GO NRW. Vgl. für Nordrhein-Westfalen § 116 Abs. 2 GO NRW. Vgl. § 129 GO NRW. Vgl. Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S. 528 ff. Vielfach wird auch nur zwischen einer Kontrollund Schutzfunktion unterschieden (z. B. Lecheler, Verwaltungs-lehre, 1988, S. 247 ff.; zust. Schuppert, DÖV 1998, 831, 832), wobei die Schutzfunktion in einem weiteren Sinne verstanden wird. 138 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? waltung zuzurechnen. Um nachzeichnen zu können, in welcher Weise das Gemeinschaftsrecht die Ausübung der Kommunalaufsicht beeinflusst, empfiehlt es sich, zwischen den genannten Arten der Kommunalaufsicht zu unterscheiden. II. II.1 Bedeutung des europäischen Gemeinschaftsrechts für die Kontrolle der Kommunalaufsichtsbehörden Bindung der Kommunen an das europäische Gemeinschaftsrecht Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ist die Verwaltung an Gesetz und Recht gebunden. Dies trifft die Kommunen ebenso wie alle anderen Verwaltungsrechtssubjekte. Aus dem Demokratie-, Rechtsstaats- und Selbstverwaltungsprinzip ergibt sich, dass verselbständigte Körperschaften einer Staatsaufsicht in Form einer Rechtsaufsicht unterstellt werden müssen 6. Dem gemäß bestimmt z. B. § 116 Abs. 1 GO NRW, dass sich die Aufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen darauf erstreckt, dass die Gemeinden im Einklang mit den Gesetzen verwaltet werden. Zu den Gesetzen - genauer gesagt zu Gesetz und Recht - gehört grundsätzlich auch das Gemeinschaftsrecht. Zwar ist das Recht der Europäischen Gemeinschaften von dem Recht ihrer Mitgliedstaaten zu unterscheiden, weil es sich um jeweils eigene Rechtsordnungen handelt7. Diese sind aber in vielfältiger Weise miteinander verzahnt. Insbesondere kommt dem Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Rechtskreis in weitem Umfange unmittelbare Wirkung zu. Dies bedeutet, dass das Gemeinschaftsrecht nicht nur im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaften, sondern auch zwischen den Gemeinschaftsbürgern und den Mitgliedstaaten oder Gemeinschaften sowie zwischen den Gemeinschaftsbürgern untereinander ohne weitere Konkretisierung anwendbar sein kann. Eine unmittelbare Wirkung erzeugen in der Regel das Vertragsrecht sowie die Verordnungen und Entscheidungen der Europäischen Gemeinschaften 8. Selbst den Richtlinien der Gemeinschaft kommt nach der Rechsprechung des Europäischen Gerichtshofs Direktwirkung zu, wenn die Umsetzungsfrist abgelaufen ist, die Richtlinie nicht oder nicht vollständig umgesetzt wurde, die Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt ist, die Richtlinie keines weiteren Ausführungsaktes bedarf und die Bürger nicht belastet werden 9. Dies ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil die 6 7 8 9 Vgl. Kahl (Fn. 5), S. 479 ff. Vgl. etwa BVerfGE 22, 293 (296). Zum Vertragsrecht vgl. die Grundsatzentscheidung EuGH, Slg. 1963, 1 (25) – Van Gend & Loos, zu den Verordnungen und Entscheidungen Art. 249 Abs. 2 und 4 EGV. Näher zum Ganzen mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 3 Rn. 29; Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1996, S. 71 ff.; Streinz, Europarecht, Prof. Dr. Dirk Ehlers 139 Richtlinie die vorherrschende Handlungsform der Gemeinschaften darstellt. Soweit das Gemeinschaftsrecht unmittelbar anwendbar ist, bindet es auch die nationalen Verwaltungsbehörden einschließlich der kommunalen Behörden. Fehlt es an einer unmittelbaren Anwendbarkeit, heißt dies noch nicht, dass es unbeachtet bleiben darf. Vielmehr sind die Verwaltungsbehörden im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts immer zu einer EG-rechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts verpflichtet. Insbesondere ist eine richtlinienkonforme Auslegung auch dann geboten, wenn die Richtlinien nicht rechtzeitig oder nicht vollständig umgesetzt worden sind10. Selbst vor Ablauf der Umsetzungsfrist kann die Richtlinie schon Vorwirkungen entfalten 11. II.2 Vorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts Heute ist unstreitig, dass das europäische Gemeinschaftsrecht im Kollisionsfall mit dem nationalen Recht Anwendungsvorrang genießt. Dies bedeutet, dass das gemeinschaftsrechtswidrige innerstaatliche Recht zwar gültig bleibt, aber insoweit unanwendbar ist, als das Gemeinschaftsrecht selbst unmittelbare Anwendung verlangt. Dahingestellt bleiben kann hier, ob der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts uneingeschränkt gilt (wie der Europäische Gerichtshof meint12) oder sich im Sinne der sog. Solange-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts13 Begrenzungen gefallen lassen muss. Der Vorbehalt des Bundesverfassungsgerichts, dass die Identität der geltenden Verfassungsordnung der Bundesrepublik nicht aufgegeben und die Europäischen Gemeinschaften sich keine nicht übertragenen Kompetenzen anmaßen dürfen, ist so hoch angesetzt, dass eine Unanwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts in Deutschland nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht kommen dürfte. Die Grundsätze der unmittelbaren Anwendung und des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts bewirken wegen der kontinuierlich anwachsenden Rechtssetzungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft, dass es immer häufiger entscheidend auf 10 11 12 13 4. Aufl. 1999, Rn. 394 ff.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 1999, Art. 249 Rn. 69 ff. Vgl. z. B. EuGH, Slg. 1984, 1891, Rn. 26 - von Colson und Kamann; Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 265; Zuleeg, Deutsches und Europäisches Verwaltungsrecht - wechselseitige Einwirkungen, VVDStRL 53 (1994), S. 154 (165 ff.). Vgl. EuGH, EuZW 1998, 167 (170) - Inter-Environnement Wallonie; vgl. aber auch BVerwG, DVBl. 1998, 148 (149). Vgl. EuGH, Slg. 1964, 1251 (1269 ff.) - Costa; Slg. 1970, 1125, Rn. 3 – Internationale Handelsgesellschaft. BVerfGE 37, 271 (279); 73, 339 (375 f.); 89, 155 (174 f.); BVerfG, NJW 2000, 3124 f. 140 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? das Gemeinschaftsrecht und immer weniger auf das nationale Recht ankommt. Langfristig muss damit gerechnet werden, dass dem nationalen Recht ein ähnliches Schicksal wie dem Landesrecht im Vergleich zum Bundesrecht beschieden sein wird. II.3 Normverwerfungspflicht der Kommunen bei Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts besagt noch nicht, welche mitgliedstaatliche Instanz zu entscheiden hat, ob eine Kollision von Gemeinschaftsrecht und mitgliedstaatlichem Recht vorliegt und das mitgliedstaatliche Recht unangewendet bleiben muss. Im deutschen Rechtskreis stellt sich die Frage in strukturell vergleichbarer Weise, wenn es um die Vereinbarkeit von nationalen Vorschriften mit höherrangigem nationalen Recht geht. Insoweit wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass Regierung und Verwaltung keine Normverwerfungskompetenzen zukommen 14. Für die nachkonstitutionellen Parlamentsgesetze wird dies vor allem aus dem sich aus Art. 100 Abs. 1 GG ergebenden Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts hergeleitet. Die rechtsanwendenden Behörden haben allerdings die Pflicht, die Entscheidung der nächsthöheren Behörde bzw. der Rechtsaufsichtsbehörde einzuholen, wenn sie von der Nichtigkeit der Norm überzeugt sind oder an der Gültigkeit der Norm zweifeln. Die obersten Behörden können auf einen Normenkontrollantrag der Regierung nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG oder nach entsprechendem Landesverfassungsrecht hinwirken. Umstrittener ist, ob auch für ungültig angesehene Rechtsverordnungen und Satzungen von der anwendenden Behörde verworfen werden dürfen oder müssen. Hier dürfte der richtige Weg sein, auf eine Aufhebung der Vorschriften durch die Verwaltung hinzuwirken 15 und eine Verwerfungskompetenz nur in Eilfällen anzuerkennen. Ganz anders stellt sich die Rechtslage im Falle der Einwirkung des Europäischen Gemeinschaftsrechts dar. Nach der Fratelli Costanzo-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind "alle Träger der Verwaltung einschließlich der Gemeinden und der sonstigen Gebietskörperschaften" verpflichtet, divergierendes nationales Recht außer Anwendung zu lassen 16. Dies bringt die Verwaltung, insbesondere die Kommunalverwaltung (die das Verwaltungsrecht vorwiegend anzuwenden hat), in eine außerordentlich schwierige Situation. So ist der Sinngehalt des europäischen 14 15 16 Vgl. zum Meinungsstand Ehlers (Fn. 9), § 3 Rn. 60; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 1999, § 4 Rn. 44 ff. Vgl. auch BVerwGE 75, 142 ff. EuGH, Slg. 1989, 1839, Rn. 32 f. - Fratelli Costanzo. Prof. Dr. Dirk Ehlers 141 Gemeinschaftsrechts häufig ganz unklar. Ferner sind die Verwaltungsbehörden in der Regel überfordert, wenn sie z. B. entscheiden sollen, ob eine Richtlinie unmittelbar anwendbar ist. Wie ausgeführt wurde, setzt dies u. a. die Feststellung voraus, dass die Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt ist und dass der Gesetzgeber sie nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig umgesetzt hat. Anders als die nationalen Gerichte17 haben die Verwaltungsbehörden auch nicht die Möglichkeit, bei Zweifeln über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Den Verwaltungsbehörden wird also etwas zugemutet, was den Gerichten (die das Recht noch besser kennen sollten) nicht abverlangt wird. Dies muss zu einer großen Rechtsunsicherheit führen. Zudem wird der Verwaltung ein zweifaches Haftungsrisiko aufgebürdet18. Verwirft sie zu Unrecht eine nationale Norm, muss sie nach innerstaatlichen Grundsätzen (insbesondere des Amtshaftungsrechts) für den Schaden einstehen. Wendet sie die Norm dagegen fälschlicherweise an, kann dies eine Haftung wegen Missachtung des Vorrangs des europäischen Gemeinschaftsrechts nach sich ziehen 19. Zwar hat der Europäische Gerichtshof mittlerweile klargestellt, dass nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Verwaltung für die Verletzung von Gemeinschaftsrechten nur dann haften muss, wenn der Rechtsverstoß hinreichend qualifiziert war20. Das stellt die Verwaltung im Falle nicht eindeutiger Rechtslage von Gemeinschafts wegen von einer Haftung frei. Soweit ersichtlich nicht diskutiert worden ist bisher aber, ob in solchen Fällen nicht dennoch die nationale Amtshaftung eingreift. Das nationale Recht kann über den gemeinschaftsrechtlich geforderten Mindeststandard hinausgehen 21. In Deutschland muss grundsätzlich für alle rechtswidrigen (und schuldhaften) Schadenszufügungen gehaftet werden. Dies gilt auch dann, wenn nicht gegen nationales, sondern gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht verstoßen worden ist. Ob ein nicht qualifizierter Rechtsverstoß stets Verschulden ausschließt, bleibt abzuwarten. In jedem Falle ist das Haftungsrisiko der Verwaltung erheblich. Aus der Perspektive der kommunalen Verwaltungsbehörden ist zudem nicht einzusehen, warum die Kommunen stets für die Anwendung gemeinschaftsrechtswidri- 17 18 19 20 21 Vgl. Art. 234 EGV. Nur wenn das Sekundärrecht der Gemeinschaft wegen eines Verstoßes gegen das Primärrecht als ungültig angesehen wird, könnte Nichtigkeitsklage erhoben werden. Doch hilft auch dies den Verwaltungsbehörden nicht weiter. Zum einen sind nur die Mitgliedstaaten selbst zur Erhebung der Klage befugt (Art. 230 Abs. 2 EGV). Zum anderen dürfte die für die Erhebung von Nichtigkeitsklagen geltende Zweimonatsfrist (Art. 230 Abs. 5 EGV) längst abgelaufen sein, wenn sich bei der Rechtsanwendung Zweifel an der Gültigkeit des Sekundärrechts ergeben. Vgl. Kadelbach (Fn. 9), S. 159. Vgl. grundlegend dazu EuGH, Slg. 1991, I-5357, Rn. 38 ff. - Francovich; Slg. 1996, I-1029, Rn. 39 - Brasserie du pêcheur. Vgl. die Nachweise bei Beljin, Staatshaftung im Europarecht, 2000, S. 47. Ferner z. B. EuGH, Slg. 1998, I-5255, Rn. 26 - Brinkmann. Vgl. EuGH, Slg. 1996, I-1029, Rn. 47 - Brasserie du pêcheur. 142 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? gen nationalen Rechts haften sollen 22. Die Rechtsverletzung ist jedenfalls im Falle des Vorliegens gemeinschaftsrechtswidriger Parlamentsgesetze der Legislative und im Falle des Erlasses gemeinschaftsrechtswidriger staatlicher Verordnungen dem staatlichen Verordnungsgeber, nicht der Vollzugsverwaltung anzulasten. Im Schrifttum fehlt es nicht an Vorschlägen, die Fratelli Costanzo-Rechtsprechung abzumildern. So wird häufig für eine Beschränkung der Verwerfungspflicht auf eindeutige Verstöße des nationalen Rechts gegen das Gemeinschaftsrecht plädiert23. Eine solche Abmilderung dürfte indessen zu weit gehen. Auch eine teilweise Ansiedlung der Verwerfungskompetenz bei der Legislative (im Falle dem Gemeinschaftsrecht nachfolgender Parlamentsgesetze24), läuft Gefahr, die effektive Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts zu sehr hintanzustellen. Eher in Betracht kommen könnte eine Konzentration der Verwerfungskompetenz bei der Verwaltungsspitze des Rechtsträgers, der die Norm erlassen hat25. Dies würde allerdings für die verselbständigten Rechtsträger wie die Kommunen bedeuten, dass ein innerexekutivisches Vorlageverfahren eingeführt werden müsste, wenn es um die Anwendung staatlich gesetzten Rechts geht. Unabhängig von diesen und weiteren Reformüberlegungen bleibt es solange bei dem geschilderten Rechtszustand, bis der Europäische Gerichtshof seine Rechtsprechung geändert hat. 22 23 24 25 Vgl. auch Kadelbach (Fn. 9), S. 159; Schmidt-Aßmann, ZöR 55 (2000), 159 (169). Vgl. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Vergleich, 1969, S. 217; Everling, DVBl. 1985, 1201 (1202); Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 103; Pietzcker, FS Everling, Bd. II, 1995, S. 1095 (1109); Böhm, JZ 1997, 53 (56 f.). Vgl. Kadelbach (Fn. 9), S. 159. Vgl. dazu auch Schmidt-Aßmann, ZöR 55 (2000), 159 (169); dens., Grundlagen und Aufgaben der verwaltungsrechtlichen Systembildung, in: Ehlers/Krebs (Hrsg.), Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, 2000, S. 1 (18 f.). Prof. Dr. Dirk Ehlers II.4 143 Folgerungen für die Kommunalaufsichtsbehörden Fragt man nach den Konsequenzen der gemeinschaftsrechtlichen Bindung der Kommunen für die Kommunalaufsicht, lassen sich quantitative und qualitative Folgerungen ziehen. Wenn sich der Kontrollauftrag der Kommunalaufsichtsbehörden darauf richtet, sicherzustellen, dass die Kommunen im Einklang mit den Gesetzen verwaltet werden, ist nicht nur auf die Einhaltung der nationalen Gesetze, sondern auch des Gemeinschaftsrechts zu achten. Da das Gemeinschaftsrecht eine außerordentlich weit gefächerte Rechtsmaterie mit einer atemberaubenden Wachstumsrate darstellt, liegen die quantitativen Konsequenzen auf der Hand. Die Vergrößerung der Rechtsmasse trifft nicht nur die Kommunen, sondern auch ihren Kontrolleur, die Kommunalaufsichtsbehörden. Darüber hinaus bringt das Gemeinschaftsrecht aber auch qualitative Veränderungen für die Kommunalaufsicht mit sich. Zum einen führt das Gemeinschaftsrecht zu einer Verkomplizierung der Rechtsanwendung, der nur mit einem besonders kundigen und bestens ausgebildeten Personal beizukommen ist. Zum anderen beeinflusst das europäische Recht auch die Wahrnehmung der Kommunalaufsicht. Nach nationalem Recht steht das Ob und Wie des Einschreitens der Kommunalaufsichtsbehörden in deren Ermessen 26. Dies lässt Raum für Opportunitätserwägungen. Bei mittelbarem oder unmittelbarem Vollzug von Gemeinschaftsrecht27 muss das mitgliedstaatliche Recht aber im Lichte des vorrangigen Gemeinschaftsrechts ausgelegt und angewendet werden. Wie schon deutlich geworden ist, kommt es dem Gemeinschaftsrecht entscheidend auf seine effektive Durchsetzung, den sog. effet-utile, an28. Das läuft auf eine Ermessensreduzierung der Kommunalaufsichtsbehörden hinaus, wenn und soweit sich die Kommunen gemeinschaftsrechtswidrig verhalten. Dies gilt zumal deshalb, weil die Mitgliedstaaten als solche - in Deutschland also der Bund - und nicht die staatlichen Untergliederungen wie z. B. die Kommunen der Europäischen Gemeinschaft für die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts verantwortlich sind29. Der Bund kann seiner Verantwortung nur gerecht werden, wenn 26 27 28 29 So zu Recht die h. M. (vgl. z. B. BVerfGE 8, 122, 138; OVG Lüneburg, NVwZ 1988, 464, 465; Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1997, S. 354; Knemeyer, BayBl. 1999, 193, 195; Kahl, Fn. 5, S. 550 ff.; a. A. z. B. BayVGH, BayVBl. 1960, 287, 288; Borchert, DÖV 1978, 721 ff.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 460 f.; vgl. auch Schmidt-Jortzig, in: v. Oertzen, Hrsg., Rechtsstaatliche Verwaltung im Aufbau, 1994, S. 25, 31 f.), die sich darauf stützen kann, dass die einschlägigen Vorschriften als Kann-Vorschriften formuliert worden sind. Vgl. dazu Ehlers (Fn. 9), § 3 Rn. 57 ff. Vgl. Hatje, Die gemeinschaftsrechtliche Steuerung der Wirtschaftsverwaltung, 1998, S. 69 f.; Kadelbach (Fn. 9), S. 71 f.; kritisch v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 144 ff. Vgl. z. B. Art. 10, 226, 230 Abs. 2 EGV. 144 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? die zur Bundestreue30 verpflichteten Länder gegen kommunale Gemeinschaftsrechtsverstöße einschreiten. Da das EG-Recht auch die Prinzipien der Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit anerkennt31, muss dies nicht bedeuten, dass überhaupt kein Raum für Ermessenswägungen mehr bleibt. Doch treten die genannten Gesichtspunkte bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts regelmäßig hinter das Effektivitätsgebot zurück. Anders mag die Rechtslage z. B. sein, wenn Gemeinschaftsrechtsverstöße irreparabel oder ganz unerheblich sind und sich künftig nicht wiederholen können. Ferner ist im innerstaatlichen Rechtskreis nicht eindeutig geklärt, ob die Kommunalaufsichtsbehörden auch die Einhaltung der Normen des Privatrechts zu überwachen haben, wenn sich die Kommunen der Privatrechtsform bedienen 32. Zumindest fehle es bei der Verletzung von privatrechtlichen Vorschriften in der Regel an einem öffentlichen Interesse für ein Einschreiten 33. Das europäische Gemeinschaftsrecht verlangt indessen in jedem Falle Beachtung, unabhängig davon, ob z. B. eine Richtlinie in nationales öffentliches oder nationales Privatrecht umgesetzt worden ist34. Das spricht dafür, die Kommunalaufsicht auch auf diese Fälle zu beziehen. Schließlich muss das europäische Gemeinschaftsrecht nicht nur von den Kommunen, sondern auch von deren verselbständigten Rechtsträgern korrekt angewendet werden. Adressat der Kommunalaufsicht sind zwar nur die Kommunen selbst sowie die verselbständigten Rechtsträger in öffentlich-rechtlicher Organisationsform wie die Sparkassen und die rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts35, nicht z. B. die Eigengesellschaften. Gegenstand der Aufsicht ist aber auch, ob die Kommu- 30 31 32 33 35 Vgl. z. B. BVerfGE 8, 122 (138 ff.); 12, 205 (254 f.); 92, 203 (230 f., 239). Vgl. zum einen EuGH, Slg. 1976, 455, Rn. 69 ff. - Defrenne, zum anderen Art. 5 Abs. 3 EGV. Näher dazu statt vieler Hassel, DVBl. 1985, 697 (698 ff.). OVG NW, OVGE 18, 227 ff.; OVG NW Rspr. Slg. Kottenberg/v. Mutius, Nr. 3 zu § 109 (S. 17 ff.). Bei dem Vergaberecht handelt es sich für die Kommunen insofern um öffentliches Recht, als die Vergabe von Aufträgen in den Gemeindehaushaltsverordnungen in Verbindung mit Vergabegrundsätzen des Innenministeriums geregelt werden (vgl. z. B. § 31 GemHVO NRW). Vgl. auch § 102 GWB, wonach die Vergabe öffentlicher Aufträge der Nachprüfung durch die Vergabekammern "unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden und Vergabeprüfstellen" unterliegt. Zur Frage, ob die haushaltsrechtlichen Bestimmungen nach Art des § 31 GemHVO NRW ungeachtet der Regelungstechnik (dynamische Verweisung; Einschränkung der Selbstverwaltung durch in Bezug genommene Verwaltungsvorschriften; Erlass der Vorschriften, ohne dass das für den Erlass der Rechtsverordnung nach § 130 Abs. 2 Nr. 6 GO NRW erforderliche Einvernehmen mit dem Finanzminister hergestellt wurde) gültig sind, vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1989, 37 ff.; Ehlers, in: ders. rsg.), Kommunale Wirtschaftsförderung, 1990, S. 103 (141 f.). Vgl. §§ 30 SpkG NRW, 114 a Abs. 11 i. V. m. § 116 ff. GO NRW. Prof. Dr. Dirk Ehlers 145 nen ihrer Einwirkungspflicht36 genügt haben, mit der sie ihre privatrechtlichen Trabanten zur Einhaltung des Rechts anhalten müssen. Soweit es um die Wahrung des Gemeinschaftsrechts geht, sind wiederum strengere Maßstäbe als im rein nationalen Rechtskreis anzulegen, weil es nicht nur um die Wahrung der Gesetzmäßigkeit im allgemeinen, sondern auch um die im Gemeinschaftsrecht so sehr betonte effektive Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts geht. Im Ergebnis ist festzustellen, dass das Gemeinschaftsrecht auch die Vorschriften über die Kommunalaufsicht überlagert und den Kommunalaufsichtsbehörden eine Intensivierung der Aufsichtskontrolle abverlangt. III. Bedeutung des europäischen Gemeinschaftsrechts für die Schutzgewährung, Förderung und Vermittlung der Kommunalaufsichtsbehörden Die Kommunalaufsichtsbehörden haben nicht nur einen Kontroll- bzw. Korrekturauftrag, sondern sie sollen den Kommunen auch positiv bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben behilflich sein37. So bestimmt etwa Art. 108 der bayrischen Gemeindeordnung, dass die Aufsichtsbehörden die Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben verständnisvoll beraten, fördern und schützen sowie die Entschlusskraft und die Selbstverantwortung der Gemeindeorgane stärken sollen. In Nordrhein-Westfalen schreibt § 11 GO NRW vor, dass die Aufsicht des Landes die Gemeinden in ihren Rechten schützt (und die Erfüllung ihrer Pflichten sichert). Ähnliche Bestimmungen finden sich in den Gemeindeordnungen der anderen Länder 38 In diesen kommunalrechtlichen Bestimmungen kommt ein verallgemeinerungsfähiges Prinzip zum Ausdruck, das selbst dann gilt, wenn es nicht vom Gesetzgeber positiviert worden ist. Aus dem Selbstverwaltungsrecht lässt sich nämlich eine Pflicht des Staates zum selbstverwaltungsfreundlichen Verhalten ableiten 39, der freilich eine Pflicht der 36 37 38 Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 124 ff.; Spannowsky, DVBl. 1992, 1072 ff. Vgl. Stober, Kommunalrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1996, S. 151 f. mit Fn. 38 ff.; Knemeyer, BayVBl. 1999, 193 (194); Kahl (Fn. 5), S. 526 ff. Vgl. § 118 Abs. 3; Art. 83 Abs. 4 S. 4, Art. 77 Abs. 2 VerfBay, §§ 119 GO Bbg., 11, 135 S. 2 GO Hess., 78 Abs. 1 KV MV, 127 Abs. 1 S. 1 u. 3 GO Nds., 117 S. 2 GO RP, 127 Abs. 1 S. 2 KSVG Saarl., 119 Abs. 3 GO Sachs., 133 Abs. 1 GO SA, 9, 120 S. 2 GO SH, 116 KO Thür. Vgl. z. B. Ehlers (Fn. 34), S. 129; v. Mutius, Sind weitere rechtliche Maßnahmen zu empfehlen, um den notwendigen Handlungs- und Entfaltungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltung zu gewährleisten?, Vhdlg. d. 53. DJT, Gutachten E, 1980, S. 203; Dreier, in: ders., Grundgesetz, 1998, Bd. II, Art. 28 Rn. 98; Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 2. Aufl. 1999, Art. 28 Rn. 60. 146 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? Kommunen zur Staatstreue40 gegenübersteht. Ein selbstverwaltungsfreundliches Verhalten gebietet es, dass sich der Staat schützend vor die Kommunen stellt, die Wahrnehmung ihrer Aufgaben fördert und mit der Kommune als Mittler kooperiert41. Im Einwirkungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts kommen vor allem der Förder- und Vermittlungsfunktion besondere Bedeutung zu. III.1 Notwendigkeit einer Förderung Klassisches Mittel der Förderung der Kommunen ist die Beratung. Das Bundesverfassungsgericht rechnet sie zu den "wichtigsten Formen präventiver Kommunalaufsicht"42. Sicher darf die Beratung nicht zu einer aufgedrängten Einmischung43 und subkutanen Leitung44 führen. Ohne sie kommen die Kommunen aber nicht aus. Das gilt insbesondere dann, wenn es um die Anwendung des Gemeinschaftsrechts geht. Rechtstreue setzt Rechtskenntnis und diese wiederum zunächst Kenntnis der Vorschriften voraus. Es kann aber besonders in kleinen und mittleren Gemeinden nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, daß die Kommunalverwaltungen zum Beispiel die möglicherweise einschlägigen europäischen Richtlinien überhaupt kennen. Selbst wenn dies der Fall ist, sind die Probleme damit noch nicht gelöst. Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts stößt auf besondere Schwierigkeiten. Der Europäische Gerichtshof hat diese folgendermaßen beschrieben: "Zunächst ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in mehreren Sprachen abgefasst sind und dass die verschiedenen sprachlichen Fassungen gleichermaßen verbindlich sind; die Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift erfordert somit einen Vergleich ihrer sprachlichen Fassungen. Sodann ist auch bei genauer Übereinstimmung der sprachlichen Fassungen zu beachten, dass das Gemeinschaftsrecht eine eigene, besondere Terminologie verwendet. Im übrigen ist hervorzuheben, dass Rechtsbegriffe im Gemeinschaftsrecht und in dem verschiedenen nationalen Recht nicht unbedingt den gleichen Gehalt haben. Schließlich ist jede Vorschrift des Gemeinschaftsrechts in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Lichte des gesamten Gemeinschafts- 40 41 42 43 44 Vgl. Kahl (Fn. 5), S. 517 f. Vgl. bereits H. Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 318. Aus neuerer Zeit Kahl (Fn. 5), S. 528 ff. BVerfGE 58, 177 (195). Vgl. BVerfGE 78, 331 (341); BayVerfGH, BayVBl. 1989, 237 ff. Kahl (Fn. 5), S. 527. Prof. Dr. Dirk Ehlers 147 rechts, seiner Ziele und seines Entwicklungsstands zur Zeit der Anwendung der betroffenen Vorschrift auszulegen."45 Lassen Sie mich am Beispiel einer kürzlich gemachten persönlichen Erfahrung verdeutlichen, wohin das führen kann. Das wichtigste Rechtsschutzinstrument des europäischen Gemeinschaftsrechts ist das Vorabentscheidungsverfahren des Art. 234 EGV, in dem alle wichtigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ergangen sind. Das Vorabentscheidungsverfahren sichert die Einheitlichkeit und Kohärenz der Gemeinschaftsrechtsordnung und die Verklammerung mit den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, weil es die mitgliedstaatlichen Gerichte berechtigt oder verpflichtet, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, damit dieser über die Gültigkeit und Auslegung des Gemeinschaftsrechts entscheiden kann. In der Rechtssache Dorsch Consult46 hat nun der Europäische Gerichtshof entschieden, dass auch der Vergabeüberwachungsausschuss des Bundes als Gericht i. S. d. Art. 234 EGV zu betrachten ist. Dies kam mir merkwürdig vor (ohne dass ich der Rechtsfrage weiter nachgegangen bin), weil nach deutschem Verständnis Ausschüsse der Verwaltung eindeutig keinen Gerichtscharakter haben. Sollte der Europäische Gerichtshof wieder einmal zu weit vorgeprescht sein? Vor einem Monat hatte ich in den USA Gastvorlesungen über europäisches Gemeinschaftsrecht zu geben. Hierbei musste ich selbstverständlich mit der englischen Fassung der Gemeinschaftsverträge arbeiten. Dabei stellte sich heraus, dass in der englischsprachigen Fassung des Art. 234 EGV nicht nur von einem Gericht (englisch: Court), sondern von "Court or Tribunal" die Rede ist. Tribunals sind im englischen Recht unabhängige Verwaltungsinstanzen. Vor diesem Hintergrund wird die Dorsch Consult-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ohne weiteres verständlich. Wenn sich aber schon beim Vertragsrecht im Zusammenhang mit einer Vorschrift, mit der wir täglich umgehen, solche Auslegungsschwierigkeiten ergeben, wohin soll dies beim Sekundärrecht führen? Kann man wirklich von einem Kommunalverwaltungsbeamten verlangen, dass er auch die englische und französische oder gar die dänische, portugiesische und finnische Sprachfassung des Gemeinschaftsrechts zu Rate zieht? Ohne weiteres einsichtig ist jedenfalls, dass vermehrter Beratungsbedarf auf die Kommunalaufsichtsbehörden zukommt47. 45 46 47 EuGH, Slg. 1982, 3415, Rn. 18 ff. - C.I.L.F.I.T. EuGH, Slg 1997, I-4961, Rn. 38 - Dorsch Consult. Die kommunalen Spitzenverbände können zwar ebenfalls einen Beitrag leisten, sehen sich aber denselben Schwierigkeiten wie die Kommunen selbst ausgesetzt. 148 III.2 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? Notwendigkeit einer Vermittlung Richten wir den Blick auf die Vermittlungstätigkeit der Kommunalaufsichtsbehörden, lässt sich feststellen, dass es der Vermittlung unter Umständen schon deshalb bedarf, damit die Kommunen rechtmäßig handeln können. So unterfallen auch die kommunalen Subventionen jenseits einer Erheblichkeitsschwelle48 grundsätzlich der Beihilfeaufsicht der Europäischen Gemeinschaft (Art. 87 ff. EGV). Dies bedeutet, dass sie angemeldet werden müssen (Art. 88 Abs. 3 EGV). Die Anmeldung obliegt dem Mitgliedstaat, in Deutschland also dem Bund. Damit der Bund seiner Notifizierungspflicht gegenüber der EG-Kommission nachkommen kann, müssen die Länder dem Bund und die Kommunen den Ländern berichten. Dies setzt notwendigerweise die Einschaltung der Kommunalaufsichtsbehörden voraus. Mit solchen Vermittlungstätigkeiten kann es indessen nicht sein Bewenden haben. Wenn es richtig ist, dass das Verwaltungsrecht immer mehr europäisiert wird und die Anwendung dieses Rechts vorwiegend den Kommunen obliegt, spricht dies dafür, die kommunalen Erfahrungen den rechtsetzenden Instanzen auf der europäischen und nationalen Ebene zugänglich zu machen und umgekehrt deren Beweggründe nach dem Gegenstromprinzip an die Kommunen weiterzuleiten. Dies setzt ungeachtet der selbständigen Rechte und Pflichten der Rechtsträger auf den verschiedenen Ebenen eine gewisse Vernetzung und einen Dialog voraus, der sich in geordneter Weise nur mit den Kommunalaufsichtsbehörden vollziehen kann. III.3 Organisatorische Konsequenzen Die Forderung, dass die Kommunalaufsichtsbehörden die Kommunen bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts beratend und vermittelnd unterstützen sollen, ist schneller gestellt als eingelöst. Auch den Aufsichtsbehörden darf nichts Unmögliches abverlangt werden. Auf der Hand liegt die Notwendigkeit einer intensiven Schulung des Verwaltungspersonals im Gemeinschaftsrecht sowie die Erforderlichkeit einer organisatorischen Ausdifferenzierung in einem arbeitsteiligen Verbund, der über die Zusammenarbeit der unteren, oberen und obersten staatlichen Aufsichtsabteilungen hinausgehend auch die an der Umsetzung der Richtlinien beteilig48 Vgl. Art. und 2 der Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates v. 07.05.1998 über die Anwendung der Art. 92 und 93 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl. EG Nr. L 142 v. 14.05.1998. S. 1 ff., wonach die Kommission mittels Gruppenfreistellungsverordnungen bestimmte Kategorien von Beihilfen (insbesondere auch Beihilfen zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen) von der vorherigen Anmeldepflicht ausnehmen sowie durch De minimis-Verordnung feststellen kann, daß bestimmte Beihilfen nicht alle Tatbestandsmerkmale der Beihilfevor-schriften erfüllen. Prof. Dr. Dirk Ehlers 149 ten Fachabteilungen in den Bundes- und Landesministerien sowie die Vertretungen in Brüssel einbeziehen muss. IV. Fazit Als Fazit lässt sich feststellen, dass das europäische Gemeinschaftsrecht nicht nur die Kommunen, sondern in mehrfacher Hinsicht auch die kommunalen Aufsichtsbehörden herausfordert. Es führt wegen der Vergrößerung der Rechtsmasse zu einer Kontrollausweitung, wegen der Kompliziertheit der Rechtsmaterie zu einer Kontrollerschwerung und wegen der Notwendigkeit einer effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts zu einer Kontrollintensivierung. Darüber hinaus steigt der den Kommunen geschuldete Beratungsaufwand sowie die Vermittlungsfunktion der Kommunalaufsichtsbehörden erheblich an. 150 Was können und was müssen Kommunen und Kommunalaufsicht von/ an Europa lernen? Werner Böllinger 151 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? Die wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen der Städte und Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland haben seit Beginn der 90er Jahre gewaltige Veränderungen erfahren. Das verfassungsrechtlich verankerte Recht der kommunalen Selbstverwaltung ist dabei durch immer knapper werdende finanzielle Spielräume auf eine harte Probe gestellt worden. Ein Ende des Konsolidierungsdrucks, der auf den kommunalen Haushalten lastet, ist noch nicht absehbar. Das Wohlergehen der Städte und Gemeinden hängt deshalb nicht zuletzt von der Fähigkeit und der Bereitschaft ihrer Räte und Verwaltungen ab, auf solche Herausforderungen schnell und angemessen zu reagieren. Eine zunehmende Brisanz gewinnt dieses Problem durch die Neufassung gesetzlicher Vorgaben. Nicht nur auf nationaler Ebene werden kommunale Aufgaben neu definiert, finanzielle Spielräume eingeschränkt, Handlungsrahmen vorgegeben und Organisationsmodelle beeinflusst. Beispielhaft möchte ich an dieser Stelle die Neufassung des Gemeindewirtschaftsrechts, die Gesetze zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen sowie die Steuerrechtsänderungen des Bundes nennen. Ständig wachsende Bedeutung gewinnen auch Vorgaben der Europäischen Union, die unmittelbare Wirkung auf den kommunalen Bereich entfalten. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht hierbei sicherlich die zunehmende Liberalisierung der Märkte, die einhergeht mit einer Aufweichung staatlicher Monopole. Dies zwingt auch die Städte und Gemeinden, sich in angestammten Handlungsfeldern dem Wettbewerb mit privaten Anbietern zu stellen. Aber auch vergabe- und beihilferechtliche Restriktionen veranlassen die Entscheidungsträger in den Kommunen, über neue Formen der Aufgabenerledigung nachzudenken. Diese Problemlagen lassen sich nur lösen, wenn in den erforderlichen Diskussionsprozessen der Blick auf die Zielsetzung kommunalen Handelns nicht verloren geht. Städte und Gemeinden haben die Aufgabe, das Wohl der örtlichen Gemeinschaft zu fördern und zu erhalten. Im Mittelpunkt ihrer Bemühungen muss deshalb die Frage stehen, in welchen Handlungsfeldern ein Engagement erforderlich ist und in welcher Weise die Aufgabenwahrnehmung erfolgen soll, um diesen Zweck optimal zu erreichen. Die Diskussion sollte sich somit nicht an ideologischen Grundüberzeugungen sondern ausschließlich an der Fragestellung orientieren: Was ist das Beste für die in der jeweiligen Stadt bzw. Gemeinde lebenden und arbeitenden Menschen? 152 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? In diesem Zusammenhang gilt es, die Bürgerinnen und Bürger nicht länger als Objekt des Verwaltungshandelns zu begreifen, sondern gleichsam als Auftraggeber und Kunden kommunaler Leistungen. Die Betroffenen selbst beanspruchen diesen Stellenwert nicht erst seit gestern und artikulieren ihren berechtigten Anspruch immer deutlicher. Sie betrachten die Leistungsfähigkeit öffentlicher Verwaltungen zunehmend kritisch und drängen auf wirtschaftliches und effektives Verwaltungshandeln. Ich bin der Einladung zu dieser Veranstaltung gerne gefolgt. Dies gibt mir die Gelegenheit, Ihnen am Beispiel der Stadt Köln über meine Erfahrungen mit dem Thema Verwaltungsmodernisierung, die damit verbundenen Probleme aber auch die Chancen zu berichten. Die Stadt Köln hat Anfang der 90er Jahre damit begonnen, ihre Verwaltung von einer traditionell bürokratisch geprägten Behörde zu einem modernen und leistungsfähigen Dienstleistungsunternehmen umzubauen. Die eingeleitete und in der Zwischenzeit weitgehend umgesetzte Strukturreform zielt auf eine umfassende Steigerung von Effizienz, Effektivität und Qualität des Verwaltungshandelns. Den konkreten Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger soll im Rahmen der vorhandenen Mittel stärker Rechnung getragen werden. Kernstück dieser Neustrukturierung war eine umfassende Dezentralisierung der Ressourcenverantwortung. Den Ausgangspunkt bildete dabei die Entwicklung eines neuen Haushalts- und Finanzplanungssystems, der sogenannten Budgetierung. Dieses Verfahren basiert auf dem Gedanken, die Verantwortung für alle mit Managemententscheidungen beeinflussbaren Einnahmen und Ausgaben dort anzusiedeln, wo die Fachaufgaben wahrgenommen werden. Konsolidierungsentscheidungen im Einzelnen werden heute nicht mehr zentral vorgegeben. Sie werden auf der Grundlage zentraler Budgetvorgaben in der Arbeitsebene entwickelt, umgesetzt und auch nach außen vertreten. Dieses System steigert die Kreativität vor Ort, fördert die Akzeptanz für unumgängliche Leistungseinschränkungen und stärkt das Engagement für deren Umsetzung. Die Dezentralisierung der Verantwortung für die Ressource Finanzen war nur ein erster Schritt auf dem Weg der Neuorientierung der Stadtverwaltung. Inzwischen sind die Fachdezernate in ihren Angelegenheiten auch für Personal, Organisation und Datenverarbeitung eigenverantwortlich zuständig. Mit dem Ziel, die Aufgabenerledigung weiter zu verbessern, hat die Stadt Köln auch ein Bündel organisatorischer Maßnahmen ergriffen, die ich an dieser Stelle kurz skizzieren möchte. Im Vordergrund aller Überlegungen stand dabei stets das Werner Böllinger 153 Ziel, die Qualität der Leistungen und die Wirtschaftlichkeit des Handelns zu optimieren und dabei die erforderliche Bürgernähe sicherzustellen. Wir haben uns dabei in Rat und Verwaltung bemüht, vernünftige Lösungen einzelfallbezogen zu erarbeiten. Generelle Leitlinien garantieren nicht immer die besten Ergebnisse. Dies zeigen in besonderer Weise die nun wieder heftig aufgeflammten Privatisierungsdiskussionen. Die Position, nur die öffentliche Hand garantiere eine Aufgabenwahrnehmung zum Wohl der Bürger und der Beschäftigten trifft die Realität ebenso wenig wie die Ansicht, Private könnten alles besser und billiger. So hat die Stadt 1994 damit begonnen, Hilfsbetriebe der Verwaltung, die ausschließlich Produkte erzeugen, die auch am Markt bezogen werden können, als sogenannte Servicebetriebe zu führen. Dazu gehören z.B. die Hausdruckerei, das Rechenzentrum, die Gebäudereinigung oder die städtische Steuerberatung. Sie erheben für ihre Leistungen kostendeckende Entgelte und erzeugen damit Kostentransparenz und Kostenbewusstsein. Da die Existenz der Betriebe an die Forderung geknüpft ist, zumindest genauso gut und preiswert zu arbeiten wie der freie Markt, ist ein Höchstmaß an Wirtschaftlichkeit geboten. Rationalisierungspotentiale nutzen ohne Bürgerfreundlichkeit zu verlieren ist oftmals durch eine einfache Bündelung von Aufgaben möglich. So hat die Stadt Köln in den letzten Jahren eine Reihe von Ämtern mit artverwandten Arbeitsinhalten zusammengefasst. Synergien ergeben sich dabei durch die Streichung von Leitungsebenen, die Zusammenlegung von Overheadfunktionen und durch den Wegfall von Doppelarbeiten. Wirtschaftlicher Aufgabenvollzug ohne Einschränkung von Nähe zum Kunden ist auch das Ziel stadtkölnischer Bestrebungen, dezentrale Einheiten mit vergleichbarer Aufgabenstellung wieder organisatorisch zusammenzufassen. Wir haben dies mit Erfolg in den Bereichen Bauunterhaltung, Grünpflege und Sportplatzpflege praktiziert. Damit haben wir nicht nur einen Gleichklang der Arbeiten in allen 9 Stadtbezirken erreicht, sondern auch Synergiepotenzial durch einen stadtbezirksübergreifenden Personal- und Maschineneinsatz erschlossen. Die konsequente und zielgerichtete Optimierung der städtischen Aufgabenwahrnehmung darf sich nicht darauf beschränken, nach Verbesserungsmöglichkeiten im Rahmen tradierter Verwaltungsstrukturen zu suchen. Das nordrhein-westfälische Kommunalrecht lässt eine Vielzahl von Organisationsformen zu, die den Entscheidungsträgern in den Städten und Gemeinden sehr beachtliche Entwicklungschancen bieten. Sie zielen – mit unterschiedlicher Ausprägung - letztlich auf eine Ausgliederung von Aufgaben aus der Kernverwaltung ab und führen damit zu dem, was heute im Allgemeinen als "Konzern Stadt" bezeichnet wird. 154 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? Von diesem Ausdruck sollte sich niemand in die Irre führen lassen. Auch wenn der Begriff aus der Privatwirtschaft stammt, so bedeutet er nicht, dass sich die Kommune in allen Facetten privatwirtschaftlichem Handeln entsprechend verhalten sollte. So fehlt es den Städten und Gemeinden nach wie vor an Gewinnstreben. Ihre Ausgangslage unterscheidet sich damit in einem zentralen Punkt von der privaten Wirtschaft. Diese Erkenntnis darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir sehr viel von der Privatwirtschaft lernen können, ohne Gemeinwohlprinzipien außer Acht zu lassen. Im Gegenteil. Oftmals bieten die dort erprobten Konzepte die Möglichkeit, Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit unmittelbar zum Vorteil der örtlichen Gemeinschaft zu nutzen. Eine durchaus gängige Form der Aufgabenausgliederung ist die Überführung klassischer Regiebetriebe in Eigenbetriebe. Ohne den direkten Einflussbereich der Kommune zu verlassen, eröffnet die weitgehende Verselbständigung die Möglichkeit einer flexiblen Mittelbewirtschaftung. Außerdem schafft die Rechnungslegung nach kaufmännischer Buchführung ein hohes Maß an Kostentransparenz. Beispielhaft für eine sehr erfolgreiche Etablierung einer eigenbetriebsähnlichen Einrichtung in Köln möchte ich an dieser Stelle die städtische Gebäudewirtschaft nennen. Dort wird an zentraler Stelle eine professionelle, ganzheitliche Objektbewirtschaftung für einen Großteil des städtischen Gebäudebestandes wahrgenommen. Wir können heute feststellen, dass sich die Stadt damit erstmals selbst in die Lage versetzt hat, für eine optimale, bedarfsgerechte Versorgung der Nutzer und Betreiber sowie die wertschöpfende Bewirtschaftung der Objekte zu sorgen. Mit einigen Vorbehalten verfolge ich die Diskussionen um eine Auslagerung städtischer Museen in eine Stiftung. Die Befürworter begründen dies mit dem durchaus nachvollziehbaren Argument, private Sponsorenmittel ließen sich für eine Stiftung leichter einwerben als für Museen in öffentlicher Hand. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass Vermögenswerte, die in eine Stiftung eingebracht wurden, der rechtlichen und wirtschaftlichen Verfügungsgewalt der Kommune entzogen sind. Letztlich bedeutet dies nichts anderes, als das in den Museen gebundene Kapital den Besitzern - nämlich den Bürgerinnen und Bürger der Stadt – auf Dauer vorzuenthalten. Dies betrachte ich trotz aller guten Absichten als nicht unproblematisch. Deshalb sollte ein solcher Schritt nach meiner Ansicht nur gegangen werden, wenn sich eine im Interesse der örtlichen Gemeinschaft liegende Aufgabenerfüllung nicht anders darstellen lässt. Eine neue interessante Organisationsform wurde den Kommunen in unserem Land durch die Novellierung des Gemeindewirtschaftsrechts eröffnet. Sie werden nunmehr ausdrücklich ermächtigt, Unternehmen und Einrichtungen auch in der Form Werner Böllinger 155 einer Anstalt des öffentlichen Rechts zu gründen. Die rechtliche Ausgestaltung dieser Einrichtung führt letztlich zu einer Organisationsform, die praktisch zwischen dem unselbständigen öffentlich-rechtlichen Eigenbetrieb und der privatrechtlichen GmbH/Aktiengesellschaft anzusiedeln ist. Im Vergleich zu den Eigenbetrieben gewährt die Anstalt des öffentlichen Rechts mehr Spielraum, weil sie selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann, ohne den Restriktionen des Gesellschaftsrechts zu unterliegen. Im Vergleich zu den privatrechtlichen Organisationsformen ermöglicht sie der Gemeinde, wegen des fehlenden Vorrangs gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen, eine wirkungsvolle Steuerung und Kontrolle der wesentlichen Entscheidungsprozesse. Die Stadt Köln bereitet zur Zeit die Überführung der Abwasserentsorgung in eine Anstalt öffentlichen Rechts vor. Der Betrieb der Anlagen soll durch die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln AG, einer Gesellschaft des Stadtwerke-Verbundes sichergestellt werden. Ich gehe davon aus, dass sich diese neue Organisationsform auch in der Praxis bewährt. Wachsende Bedeutung bei den Bemühungen der Stadt Köln zur Optimierung der Aufgabenerledigung gewinnt die städtische Beteiligungspolitik. Die Überführung von Aufgabenwahrnehmungen in eine private Rechtsform kann erhebliche wirtschaftliche Vorteile haben, die auch den Leistungsempfängern zugute kommen. Ich möchte dies an einem Beispiel deutlich machen. Die Stadt Köln hat zum 01.01.1998 die städtischen Bäder aus dem Sport- und Bäderamt ausgegliedert und in eine neugegründete KölnBäder GmbH unter dem Dach des Stadtwerke-Konzerns – einer 100%-Tochter der Stadt – eingebracht. Wie wohl ein Großteil kommunaler Bäder wiesen auch die der Stadt Köln einen hohen Sanierungs- und damit Investitionsbedarf auf. Ziel der Neustrukturierung war, Kostenvorteile durch optimierte Organisationsstrukturen und erweiterte Finanzierungsmöglichkeiten einer GmbH zu nutzen. Damit sollte die Grundlage für die dauerhafte Sicherung und Attraktivierung der städtischen Bäder geschaffen werden. Diesem Ziel haben wir uns inzwischen ein gutes Stück genähert. Außerdem hat die Auslagerung den Verwaltungshaushalt bereits im ersten Jahr um rd. 10 Mio. DM entlastet. Welche Vorteile intelligente Strukturveränderungen für die Bürgerinnen und Bürger haben können, zeigen auch die Bemühungen der Stadt Köln, ihre Abfallwirtschaft zu optimieren. Geprägt wurde dieser Bereich durch den seit Jahren zu verzeichnenden Anstieg der Gebühren für Müllabfuhr und Straßenreinigung. Mit dem Ziel, diese Entwicklung zu stoppen und sich bereits frühzeitig auf die immer deutlicher werdende Liberalisierung der kommunalen Entsorgungswirtschaft vorzubereiten, hat die Stadt Köln ihre Abfallwirtschaft inzwischen neu geordnet. Zukünftig wird in Köln der Abfall beseitigt von einem privatrechtlich organisierten Unternehmen unter mehrheitlicher Beteiligung der Stadtwerke. 156 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? Die Handlungsfähigkeit dieses neuen Betriebes konnte durch die gesellschaftsrechtliche Einbindung eines kompetenten und finanzstarken Partners entscheidend verbessert werden. Er garantiert letztlich konstante Gebühren während der nächsten fünf Jahre. In enger Abstimmung mit der Bezirksregierung hat die Stadt die vertraglichen Beziehungen in dieser neuen Gesellschaft so geordnet, dass der kommunale Einfluss auf alle wesentlichen Entscheidungen mittelbar über die Stadtwerke unvermindert bestehen bleibt. Eines möchte ich in diesem Zusammenhang besonders hervorheben. Die von der Verwaltung erarbeitete Lösung hat sowohl beim betroffenen Personal als auch in der Politik breite Zustimmung erfahren. So waren fast ausnahmslos alle Beschäftigten bereit, zu den mit der Gewerkschaft ausgehandelten Konditionen im Personalüberleitungstarifvertrag in das neue Unternehmen zu wechseln. Auch in den Fraktionen des Rates fand das Konzept – trotz den auch Ihnen bekannten großen Veränderungen in der politischen Landschaft – weitgehend Anerkennung. Ständig wachsenden Anforderungen stehen die Städte und Gemeinden in den Aufgabenfeldern Energieversorgung und Nahverkehrsdienstleistungen gegenüber. Die fortschreitende Liberalisierung der Märkte zwingt sie, ihre eigenen Unternehmen fit zu machen für einen harten Verdrängungswettbewerb. Nicht nur in der kommunalen Familie ist es nahezu unbestritten, dass der Einfluss der Städte und Gemeinden auf diese zentralen Bereiche der Daseinsvorsorge erhalten bleiben muss. Ich bin fest überzeugt: Dies wird letztlich nur gelingen, wenn sich die Stadtwerke heutiger Prägung zu leistungsstarken regionalen Anbietern weiterentwickeln. Dies setzt allerdings bei allen kommunalen Entscheidungsträgern die Bereitschaft voraus, über den eigenen Kirchturm hinauszudenken und schlagkräftige Allianzen mit den Nachbarstädten einzugehen. Ich hoffe, dass diese Notwendigkeit auch bei den Aufsichtsbehörden gesehen wird und ihre Zustimmung findet. Zusammenfassend kann ich feststellen, dass die konsequente Nutzung organisatorischer Gestaltungsmöglichkeiten enorme Vorteile für die Kommunen und damit für die dort lebenden und arbeitenden Menschen haben kann. Allerdings - und darauf weise ich ausdrücklich hin – werden die tradierten Steuerungsmechanismen einer Stadtverwaltung den Anforderungen dieser neuen Organisationsmodelle nicht mehr gerecht. Die Stadt Köln hat deshalb frühzeitig damit begonnen, moderne und leistungsfähige Steuerungsinstrumente aufzubauen, die sich in der freien Wirtschaft bestens bewährt haben. Sowohl für den Kernbereich der Verwaltung als auch für die eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen ist inzwischen ein Controlling fest etabliert. Control- Werner Böllinger 157 ling bedeutet nach unserem Verständnis eine ergebnisorientierte Steuerung auf der Grundlage von vereinbarten und messbaren Zielen. Welche Leistungen mit den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln erbracht werden sollen und was die Erstellung einer einzelnen Leistung kostet wird im sog. Produkthaushalt dokumentiert. Da der Entwurf dieser am kaufmännischen Rechnungswesen orientierten Datenquelle den kommunalpolitischen Gremien gemeinsam mit dem Haushaltsplanentwurf vorgelegt wird, kann hier eine Einflussnahme auf die angestrebten Arbeitsziele durch die politischen Entscheidungsträger erfolgen. Die Realisierung der vereinbarten Arbeitsziele wird im Laufe des Jahres über ein differenziertes Berichtswesen sehr genau beobachtet. Damit liegen sowohl vor Ort als auch an zentraler Stelle umfassende Informationen vor, die bei Fehlentwicklungen ein rechtzeitiges Gegensteuern möglich machen. Das Erreichen kommunalpolitischer Ziele kann nach meiner Erfahrung auch bei einer Auslagerung von Aufgaben in den Bereich rechtlich selbständiger Einheiten sichergestellt werden. Die Stadt Köln ist an einer Vielzahl von Unternehmen direkt oder indirekt beteiligt, die sich in einem breiten Handlungsspektrum engagieren. Deren Betätigung in den Bereichen Ver- und Entsorgung, Verkehr, Wohnungsbau, Kultur, Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung ist ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der kommunalen Infrastruktur, zur Stärkung des Produktions- und Dienstleistungsstandorts und zur Schaffung und Erhaltung eines großstadtgerechten Leistungsangebotes. Die Steuerung dieser Unternehmen im Sinne einer auf gesamtstädtische Interessen ausgerichteten Aufgabenwahrnehmung ist im Rahmen bestehender gesetzlicher Grundlagen jederzeit möglich. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass die Kommunen die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumentarien auch konsequent und zielgerichtet nutzen. Dies klingt selbstverständlich, ist es aber nach meiner Erfahrung längst nicht überall. Ein Beteiligungscontrolling, das grundsätzlich ähnlichen Gesetzmäßigkeiten wie das von mir beschriebene städtische Controlling folgen sollte, scheint mir in der Bundesrepublik nicht weit verbreitet zu sein. Ich begrüße deshalb die Initiative des Landes NW im Rahmen des ersten Modernisierungsgesetzes, den kommunalen Einfluss auf die Unternehmen zu stärken. Dies kann z.B. über eine entsprechende Ausgestaltung von Gesellschaftsverträgen erfolgen, wie dies die Gemeindeordnung im übrigen auch fordert. Die wachsende Bedeutung der kommunalen Wirtschaft für die Aufgabenstellung der Städte und Gemeinden wird auch unterstrichen durch die Bemühungen des 158 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? Landes, über eine vergleichende Betrachtung der Beteiligungswirtschaft der 23 kreisfreien Städte Verbesserungspotentiale aufzeigen zu können. Die bei der Stadt Köln im Rahmen dieser Analyse eingesetzten Mitarbeiter des Gemeindeprüfungsamtes haben zwar bei der Abschlussprüfung der in meinem Aufgabenbereich angesiedelten Beteiligungsverwaltung eine gute Arbeit testiert. Dennoch erwarte ich – und dies bitte ich gleichzeitig als Appell an die hierfür Verantwortlichen zu sehen – von den darzulegenden Ergebnissen eine praxisnahe Unterstützung eigener konzeptioneller Überlegungen zur Optimierung dieses Bereiches. Das Thema meines Referates wurde mir in Form einer Frage vorgegeben: Konzern Stadt – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess? Die Antwort darauf möchte ich keinesfalls schuldig bleiben. Die Legitimation kommunalen Handels leitet sich unmittelbar ab aus der Verantwortung von Städten und Gemeinden für die Menschen, die in ihrem Einflussbereich leben und arbeiten. Die Erbringung kommunaler Dienstleistungen muss von den Entscheidungsträgern in einer Form organisiert werden, die ein Höchstmaß an Qualität und Wirtschaftlichkeit garantiert. Es wäre deshalb geradezu töricht, die hierfür zur Verfügung stehende Organisationsvielfalt nicht zu nutzen. Erosionen treten nur dort ein, wo Steuerungsmöglichkeiten leichtfertig aus der Hand gegeben oder nicht konsequent genutzt werden. Die Arbeit im Rahmen eines optimierten organisatorischen Umfeldes verlangt deshalb nicht nur von den Mitarbeitern Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Auch bei den Entscheidungsträgern muss ein Umdenkprozess stattfinden. Von ihrer Fähigkeit, ein innovatives, modernes Stadtmanagement aufzubauen und zu betreiben wird die zukünftige Positionierung der Städte und Gemeinden in wichtigen kommunalen Handlungsfeldern geprägt. Hartmut Beuß 159 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? Gliederung I II III Vorbemerkung: Die Kommune als Konzern? Anmerkungen "wider den Zeitgeist" Der Befund: Die schleichende Auflösung der klassischen Kommunalverwaltung Der Ausgliederungstrend: "Risiken und Nebenwirkungen" 1. 2. 3. IV Die Ausgliederungsentscheidung: Argumente und Gegenargumente 1. 2. 3. 4. 5. 6. V Entwertung der Rolle des Rates Entwertung des Öffentlichkeitsprinzips Entwertung des Kommunalhaushalts Effizientere Aufgabenerfüllung Überlegenheit der kaufmännischen Buchführung Gewinnung qualifizierten Personals Einbeziehung Privater in die Aufgabenerfüllung Steuervorteile Erweiterung des materiellen Handlungsspielraums? Fazit: Handlungsbedarf für Kommunen und Kommunalaufsicht? 1. 2. Konsequenzen für die kommunale Praxis Konsequenzen für die Kommunalaufsicht 160 I. "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? Vorbemerkung: Die Kommune als Konzern? Anmerkungen "wider den Zeitgeist". Die Überschrift über diesen Teil der Veranstaltung zeigt, dass uns der Begriff "Konzern Stadt" – wenn auch in Anführungsstriche gesetzt – heute leichter über die Lippen geht als noch vor wenigen Jahren. Nicht zuletzt davon, ob man diesen Begriff mit einem Fragezeichen oder mit einem Ausrufezeichen versieht, hängt die Bewertung von Chancen und Risiken ab, die sich mit dem in der Überschrift angesprochenen Ausgliederungstrend verbinden. Deshalb sei zu Beginn eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff "Konzern Stadt" gestattet: Das Lexikon definiert den Konzern als "Zusammenschluss rechtlich selbständiger Unternehmen zu einer wirtschaftlichen Einheit mit gemeinsamer Leitung und Verwaltung aus produktionstechnischen, finanziellen oder organisatorischen Gründen". Im wesentlichen geht es also darum, voneinander unabhängige (rechtlich selbständige) Unternehmen einer Gesamtsteuerung zu unterwerfen. Auf Theorie und Praxis dieses Steuerungsanspruches in der kommunalen Wirklichkeit wird noch zurückzukommen sein. Unabhängig davon liegt es bei einem Blick in die Beteiligungsberichte jedenfalls großer Kommunen nahe, an konzernähnliche Gebilde zu denken. Es besteht auch weitgehende Übereinstimmung dahingehend, dass Kommunen im gesellschaftsrechtlichen Sinne ein beherrschendes Unternehmen sein können, also die Konzernzentrale darstellen können. Gleichwohl müssen Zweifel daran erlaubt sein, ob unsere Städte und Gemeinden auf diese Funktion beschränkt werden dürfen: Der Einzug betriebswirtschaftlichen Denkens und betriebswirtschaftlicher Methoden in die öffentliche Verwaltung ist unaufhaltsam und notwendig. Die Notwendigkeit resultiert aus zwei unterschiedlichen Aspekten. Zum einen geht es darum, den effizienten Einsatz knapper öffentlicher Mittel zu fördern. Zum anderen geht es um die Erkenntnis, dass öffentliche Verwaltung in vielen Bereichen Dienstleistungscharakter hat. In dem Prozess der betriebswirtschaftlich "untermauerten" Verwaltungsmodernisierung hat die Kommunalverwaltung bis heute eindeutig eine Vorreiterrolle. In den Kommunen hat nicht nur die Diskussion um Neue Steuerungsmodelle und stärkere "Kundenorientierung" ihren Anfang genommen, sondern hier sind vielfältige konkrete Reformansätze bereits verwirklicht. Wenn auch in dem ein oder anderen Fall "Modernes" und "Modisches" dicht beieinander liegt, bleibt unbestreitbar, dass die Reform der öffentlichen Verwaltung von der kommunalen Ebene entscheidende Impulse erfahren hat. Dabei darf aber nicht in Vergessenheit geraten, dass kommunale Selbstverwaltung mehr ist als die Summe aller (Dienst-) Leistungen der Daseinsvorsorge. Das Recht, Hartmut Beuß 161 die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung regeln zu können, ist nicht der Kommune als abstraktem Gebilde garantiert, sondern begründet einen Anspruch für alle Bürgerinnen und Bürger. Und dies macht den entscheidenden Unterschied zu einem Wirtschaftsunternehmen aus. Die Bürgerinnen und Bürger sind eben nicht nur "Kunden" des Dienstleistungsbetriebs Gemeindeverwaltung. Sie sind vielmehr selbst zur Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufgerufen. Es ist ein häufig beklagtes Defizit, dass sich die Mitwirkung in der Praxis weit überwiegend auf die Wahlen zum Gemeinderat beschränkt. Die in den vergangenen Jahren in der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung verankerten Elemente zur Verbesserung von Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten und die aktuelle Diskussion um eine Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements beweisen, dass dieses Defizit zu recht ernst genommen wird, weil es hier um das grundsätzliche Verständnis von kommunaler Selbstverwaltung und Gemeinwesen insgesamt geht. Wenn wir aber an dem bisherigen Verständnis von kommunaler Selbstverwaltung festhalten wollen, müssen wir dafür sorgen, dass das kommunale Geschehen für alle Bürgerinnen und Bürger überschaubar, kontrollierbar und beeinflußbar bleibt. II. Der Befund: Die schleichende Auflösung der klassischen Kommunalverwaltung Es ist keine Erfindung unserer Zeit, dass einzelne kommunale Aufgaben aus der klassischen Ämterverwaltung herausgelöst und in eigenständige Organisationsformen überführt werden. Prominentestes Beispiel aus der "ferneren" Vergangenheit sind gewiss die Sparkassen, die ursprünglich auch einmal vollständig in die Kommunalverwaltung integriert waren. Aber auch die Energieversorgung (Vorläufer der heutigen Stadtwerke), das Messewesen und Krankenhäuser waren zu Beginn ihrer "Karriere" Teil der Kommunalverwaltung. Die Beispiele zeigen zugleich, dass unterschiedliche Rechtsformen zur Verfügung standen und stehen. Sparkassen sind Anstalten des öffentlichen Rechts, Stadtwerke z.T. Aktiengesellschaften, weit überwiegend aber GmbH`s oder Eigenbetriebe, letzteres gilt ebenso für kommunale Krankenhäuser. In den vergangenen Jahren hat diese Entwicklung allerdings eine neue Dimension erreicht, und dies in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht. Zum einen nimmt die absolute Zahl von Ausgliederungen deutlich zu. Zum anderen sind nicht mehr nur die typischen Dienstleistungsfelder erfasst, also die Bereiche Versorgung, Entsorgung, Sozial- und Gesundheitswesen u.ä. Vielmehr werden immer häufiger sog. interne Dienstleistungsbereiche (z.B. Datenverarbeitung, Gebäudewirtschaft, Grünflächenpflege, Planungs- und Erschließungsaufgaben) in verselbständigte Organisa- 162 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? tionsformen überführt. Hinzu kommt eine deutliche Bevorzugung privatrechtlicher Organisationsformen, insbesondere der GmbH. Es kann ohne weiteres von einem allgemeinen Trend gesprochen werden. Gleichwohl sind von Kommune zu Kommune ganz unterschiedliche Bereiche von Ausgliederungsentscheidungen betroffen. Hierin liegt ein weiterer wichtiger Unterschied zu früheren Zeiten, der insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit von Kommunen und kommunalen Haushalten (s.u.) eine Rolle spielt. II. Der Ausgliederungstrend: "Risiken und Nebenwirkungen" Idealtypisch ist die einzelne Ausgliederungsentscheidung das Ergebnis eines Abwägungsprozesses, der auf eine optimale Erfüllung der jeweiligen Aufgabe abzielt und hierfür die jeweils optimale Organisationsform wählt. Dass die Praxis diesem idealtypisch skizzierten Prozess nicht immer folgt, ist fast schon eine Binsenweisheit, aber noch kein Anlass zur "grundsätzlichen Sorge". Gravierender ist schon, dass – unabhängig vom Zustandekommen und den Beweggründen einzelner Ausgliederungsentscheidungen – der generelle Trend Auswirkungen hat, die zumindest zum Nachdenken zwingen: III.1 Entwertung der Rolle des Rates Der Rat ist das tragende Element lokaler Demokratie. Seine Legitimation bezieht er unmittelbar aus den Kommunalwahlen. Folgerichtig überträgt die Gemeindeordnung dem Rat als dem zentralen Willensbildungs- und Entscheidungsorgan alle wesentlichen Kompetenzen innerhalb der Gemeindeverwaltung. Ohne Zweifel führt die Tatsache, dass nach der Reform der Gemeindeordnung in Nordrhein-Westfalen hauptamtliche und unmittelbar gewählte Bürgermeister/innen an der Spitze der Verwaltung stehen, zu einer Verlagerung von Gewichten. Gleichwohl bleibt die überragende Bedeutung des Rates erhalten, eine Gewaltenteilung im verfassungsrechtlichen Sinne – wie zwischen Legislative und Exekutive bei Bund und Ländern – kann es bei den Gemeinden nicht geben. Vor diesem Hintergrund verdient Beachtung, dass organisatorische Ausgliederungen stets auch eine "Ausgliederung" aus dem unmittelbaren Einflussbereich des Rates darstellen. Kompetenzen verlagern sich in Organe, die vom Rat nicht unmittelbar zu beeinflussen sind. Eigenständige Organisationen entwickeln daher – je nach Ausgliederungsgrad – ein mehr oder weniger starkes Eigenleben. Begünstigt wird diese Entwicklung dadurch, dass die sachlich gebotene – und rechtlich von der Gemeindeordnung verlangte – Einflussnahme nicht immer in angemessenem Um- Hartmut Beuß 163 fang wahrgenommen und zudem in den Formen des Privatrechts durch gesellschaftsrechtliche Vorschriften erschwert wird. Man mag darüber streiten können, ob die dem Rat bisher zugeschriebene überragende Funktion die Arbeit und die Arbeitsmöglichkeiten dieses Gremiums nicht zu sehr idealisiert. Kommunale Verwaltung ist – natürlich in Abhängigkeit von der jeweiligen Gemeindegröße – hochgradig komplex geworden und durch vielfältige Rechtsvorschriften beeinflusst. Angesichts dieser Tatsache mag es nahe liegen, eine Überforderung des Ehrenamtes zu vermuten. Die Verlagerung Kompetenzen in andere Gremien wäre dann der folgerichtige Ausweg aus der Diskrepanz zwischen Entscheidungs- und Sachkompetenz der Ratsmitglieder. Diese Argumentation fällt umso leichter, als es ja die Räte selbst sind, die Ausgliederungen beschließen. Gleichwohl prägt das Bild vom all zuständigen Rat bis heute unsere Vorstellung von kommunaler Selbstverwaltung. Wenn diese Vorstellung als überholt angesehen wird, sollten wir den Mut haben, den rechtlichen Rahmen (konkret: die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Gemeinde) zu verändern. Solange dies nicht der Fall ist, bleibt der Rat die entscheidende und letzt verantwortliche Instanz. III.2 Entwertung des Öffentlichkeitsprinzips Kommunale Aufgabenerfüllung in ausgegliederten Organisationseinheiten heißt für die Bürgerinnen und Bürger, dass kommunales Geschehen und die Verantwortlichkeiten für dieses Geschehen weniger transparent sind. Dies gilt nicht nur für Entscheidungen und Ergebnisse, sondern auch für den Prozess der Willensbildung. Ganz besonders augenscheinlich ist dies für Ausgliederungen in privatrechtlichen Rechtsformen; die Organe einer GmbH oder einer AG tagen in nicht öffentlicher Sitzung. Dies ist nicht nur ein Verlust an Informationsqualität; allerdings wiegt schon dieser Verlust schwer, wenn zugleich die Erwartungen an aktive und engagierte Bürgerinnen und Bürger steigen. Es ist vielmehr auch ein Verlust an demokratischer Kontrolle, die mit dem Öffentlichkeitsprinzip untrennbar verbunden ist. Wer sich über Entscheidungen und Entscheidungsgrundlagen nicht hinreichend informieren kann, kann seine eigenen Wahlentscheidungen nur schwer prüfen. Auch hiergegen mag man einwenden, das immanent gezeichnete Bild des mündigen und engagierten Wahlbürgers sei allzu sehr idealisiert. An der Richtigkeit des Befunds ändert dies nichts. Letztlich geht es um die Frage, ob die Gemeinde als vom Willen ihrer Bürgerinnen und Bürger getragene "demokratische Veranstaltung" erhalten bleiben kann. 164 III.3 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? Entwertung des Kommunalhaushalts Wenn eine zunehmende Zahl von Aufgaben und ganzen Aufgabenbereichen sowie die dazu erforderlichen Mittel aus dem Haushalt herausverlagert werden, kann der Haushalt seine Funktion als das zentrale Steuerungselement nicht mehr erfüllen. Zugleich wird das Budgetrecht des Rates zwar nicht formal aufgehoben, aber faktisch geschwächt, wenn nicht gar ausgehöhlt. Die Dimension wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass in einer Reihe von Kommunen das Finanzvolumen ausgelagerter Bereiche bereits das Volumen des Kernhaushalts übersteigt; z.T. wird dort auch mehr Personal beschäftigt als in der Kernverwaltung. Das finanzwirtschaftliche Ergebnis taucht im Kommunalhaushalt allenfalls im Saldo auf, d.h. in Form einer Gewinnausschüttung oder eines Verlustausgleichs. Wegen der handelsrechtlich begründeten Möglichkeiten des Verlustvortrags bzw. der Bildung von Gewinnrücklagen schlägt sich das Ergebnis im übrigen nicht zwingend jährlich im Haushalt der Kommune nieder. Auch dies reduziert die Aussagekraft kommunaler Haushalte. Insgesamt droht der Haushalt seine Bedeutung als Informationsgrundlage für den Rat, die Bürgerschaft und auch die Kommunalaufsicht zu verlieren. Der Blick in den Haushalt ermöglicht nicht mehr annähernd eine Einschätzung der finanzwirtschaftlichen Lage. Da Art und Umfang von Ausgliederungen zudem stark differieren, ist die Vergleichbarkeit kommunaler Haushalte erst recht nicht mehr gewährleistet. Vorhandene Kompensationsinstrumente (Beteiligungsbericht, Wirtschaftspläne und die Jahresabschlüsse als Anlagen zum Haushaltsplan) sollen und können den Informationsverlust zwar vermindern, keinesfalls aber ausgleichen. Dies ist nicht etwa nur ein Problem für die Kommunalaufsicht, interkommunale Vergleiche werden zunehmend von den Gemeinden und Gemeindeverbänden selbst genutzt, um die eigenen Stärken und Schwächen zu analysieren und daraus Verbesserungsansätze zu entwickeln. Schließlich darf auch nicht übersehen werden, dass Daten aus den kommunalen Haushalten für die Konzeption und für die konkrete Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs – d.h. für die Ermittlung der Finanzkraft und des Finanzbedarfs – benötigt werden. Verlieren diese Daten ihre Aussagekraft, bedarf der Finanzausgleich zumindest einer kritischen Prüfung. Hartmut Beuß IV. 165 Die Ausgliederungsentscheidung: Argumente und Gegenargumente Ausgliederungen sind in der Regel Einzellfallentscheidungen, die unterschiedliche Gründe und Begründungen haben können. Es dürfte aber deutlich geworden sein, dass unabhängig vom Einzelfall mit der Gesamtentwicklung Konsequenzen verbunden sind, die kommunale Selbstverwaltung nachhaltig verändern. Deshalb ist eine knappe und kritische Auseinandersetzung mit einigen häufig genannten Argumenten notwendig: IV.1 Effizientere Aufgabenerfüllung Nicht zuletzt unter Verweis auf die angespannten Kommunalfinanzen wird im Zusammenhang mit Ausgliederungsentscheidungen häufig das Streben nach effizienteren Formen kommunaler Aufgabenerfüllung genannt. Rechtlich und/oder organisatorisch selbstständige Einheiten zeichnen sich – so die Argumentation – gegenüber der herkömmlichen Willensbildung in Rat und Verwaltung durch flexible und kurze Entscheidungswege aus. Diese Entwicklung erfährt einen zusätzlichen Schub durch die Einführung neuer Steuerungsmodelle in der Kommunalverwaltung. Insbesondere ein zentrales Element dieses Modells, die dezentrale Ressourcenverantwortung – d.h. die Zusammenführung von Sachverantwortung und Verantwortung für Finanzen, Personal und Organisation – beflügelt die Befürworter eigenständiger Organisationsformen. Die Förderung der Selbständigkeit und (Ergebnis-) Verantwortung von (dezentralen) "Einheiten", denen die Erfüllung bestimmter Aufgaben übertragen ist, bietet gewiss Chancen zur Stärkung von Motivation und Effizienz. Gerade die unter dem Stichwort "Binnenmodernisierung" zusammenzufassenden Reformmodelle bieten aber eine echte Alternative zur Ausgliederung. Die Delegation und Dezentralisierung von Ressourcenverantwortung innerhalb der Kommunalverwaltung in Verbindung mit einer klaren und eindeutigen Kompetenzverteilung kann Ausgliederungen entbehrlich machen. IV.2 Überlegenheit der kaufmännischen Buchführung Gesellschaften des privaten Rechts sind kraft Handelsrecht zur kaufmännischen Buchführung verpflichtet. Für Eigenbetriebe und eigenbetriebsähnliche Einrichtungen, ebenso für die neu in die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung aufgenommene Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 114 a GO) ist die kaufmännische 166 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? Buchführung vorgesehen, jedenfalls ist sie zulässig. Die mit der Ausgliederung verbundene Umstellung des Rechnungswesens befreit – so ein wesentliches Argument – von den "Fesseln der Kameralistik" und führt zu mehr Kostentransparenz und damit Kostenbewusstsein. Zutreffend ist, dass die kaufmännische Buchführung die vollständige Erfassung und Bewertung des Ressourcenverbrauch fordert und voraussetzt. Hier liegt ihr wesentlicher Vorteil gegenüber der Kameralistik, hier liegt zugleich eine wesentliche Schwäche des herkömmlichen Rechnungswesens der öffentlichen Haushalte. Deshalb hat sich der nordrhein-westfälische Innenminister in seinen Eckpunkten für eine Reform des kommunalen Finanzmanagements eindeutig für eine in diese Richtung zielende Reform des kommunalen Haushaltsrechts ausgesprochen. Dahinter steht auch die Überlegung, ein weiteres Auseinanderdriften von "Kernhaushalt" und ausgelagerten Bereichen zu verhindern. Allerdings ist bereits das geltende kommunale Haushaltsrecht in den vergangenen Jahren mit dem Ziel und dem Ergebnis reformiert worden, weitgehende Flexibilisierung in der Bewirtschaftung zuzulassen. Insbesondere ist so die Budgetierung von Aufgabenbereichen – mit weitgehender gegenseitiger Deckungsfähigkeit einzelner Haushaltsansätze – möglich geworden. Die Ausnutzung dieser Spielräume sollte deshalb zunächst im Vordergrund stehen. Hinzu treten Möglichkeiten, verwaltungsinterne Leistungsbeziehungen durch Nebenrechnungen auf der Basis einer Kosten- und Leistungsrechnung zu dokumentieren. Auch dieser Weg führt zu größerer Kostentransparenz und erhöhtem Kostenbewusstsein. IV.3 Gewinnung qualifizierten Personals Die Bezahlung des Personals in den Kommunalverwaltungen ist an das Dienstrecht und das Besoldungsrecht bzw. das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes gebunden. In den dadurch gezogenen Grenzen läßt sich nach gelegentlich vorgetragener Auffassung qualifiziertes Personal jedenfalls nicht in allen Aufgabenbereichen finden. Als "Ausweg" bieten sich – folgt man dieser Auffassung – Rechtsformen des privaten Rechts an; diese erlauben grundsätzlich ein anderes Gehaltsgefüge und darüber hinaus eine stärker leistungsgerechte Entlohnung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In einigen eng begrenzten Aufgabenfeldern (z.B. im EDV-Bereich) mag es schwierig sein, qualifizierte Arbeitskräfte zu den Konditionen des öffentlichen Dienstes zu gewinnen. Für die gesamte Bandbreite kommunaler Aufgabenerfüllung ist dieses Argument allerdings nicht durchschlagend. Es verliert zudem an Überzeugungskraft, wenn ausgelagerte Gesellschaften Personal aus der Kernverwaltung über- Hartmut Beuß 167 nehmen, das dort die gleichen Aufgaben wie zuvor erfüllt, dies aber zu (deutlich) verbesserten finanziellen Konditionen und mit Rückkehranspruch. Zudem bergen solche Entwicklungen im Einzelfall einen nicht zu unterschätzenden personalwirtschaftlichen Zündstoff. IV.4 Einbeziehung Privater in die Aufgabenerfüllung Private Unternehmen sind seit jeher in unterschiedlicher Weise in die kommunale Aufgabenerfüllung eingebunden. Die Modelle der sog. Public-Private-Partnership reichen von reinen Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen bis hin zur Gründung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen. Dabei kann es sowohl um die Mobilisierung privaten Kapitals als auch um die Einbindung privaten Know-hows gehen. Zwar stehen für diese Form der Zusammenarbeit auch öffentlich-rechtliche Organisationsformen zur Verfügung (z.B. Zweckverband), nachvollziehbar ist aber, dass insbesondere die privaten Unternehmen auf die ihnen bekannten Rechtsformen des Privatrechts (GmbH, AG) setzen. Deshalb kommen bei der Gründung gemischtwirtschaftlicher Unternehmungen nahezu ausschließlich die Formen des Privatrechts zum Zuge. Die Mobilisierung privaten Kapitals und die Einbeziehung von privatem Knowhow (in technischer, organisatorischer und betriebswirtschaftlicher Hinsicht) kann einen wertvollen Beitrag zur effizienten und kostengünstigen Erledigung kommunaler Aufgaben leisten. Gleichwohl ist zu prüfen, ob es hierzu der Gründung von gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften bedarf. Andere Formen der Zusammenarbeit – z.B. der "Einkauf" von Dienstleistungen privater Unternehmen – sind eine denkbare Alternative. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen bedeuten zudem bereits eine teilweise materielle Privatisierung von Aufgaben. In die Prüfung ist deshalb auch einzubeziehen, ob eine vollständige materielle Privatisierung sinnvoll ist. Beide Alternativen haben gegenüber gemischtwirtschaftlichen Unternehmen den Vorteil einer eindeutigen Zuordnung von Kompetenzen und Verantwortungsbereichen. Die "Vermischung" der am Gemeinwohl orientierten Verantwortung für die Daseinsvorsorge einerseits und (legitimen) ökonomischen Interessen andererseits birgt Risiken und Reibungsflächen, die nicht zu unterschätzen sind. IV.5 Steuervorteile Für die Wahl privatrechtlicher Rechtsformen werden mitunter steuerliche Vorteile geltend gemacht. Diese sind unter zwei Aspekten denkbar: 168 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? IV.5 a Vorsteuerabzug Kommunale Gesellschaften (GmbH, AG) sind aufgrund ihrer Rechtsform steuerpflichtig. Insbesondere in Bereichen, in denen hohe Investitionsaufwendungen bevorstehen (z.B. Abwasserbeseitigung, Abfallentsorgung), ist deshalb der mögliche Vorsteuerabzug bei der Umsatzsteuer in der kommunalen Diskussion ein Argument für die Wahl einer privaten Rechtsform. Der Vorsteuerabzug senkt die Investitionskosten und entlastet damit – jedenfalls zunächst - den kommunalen Haushalt und die Gebührenzahler. Allerdings ist zu bedenken, dass sich dieser Vorteil – jedenfalls in Bereichen, in denen die kommunale Leistung bei Wahl einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform nicht steuerpflichtig wäre (wie z.B. bei Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung) – mittelbis langfristig in einen Nachteil wandelt. Die Leistungen des laufenden Betriebes unterliegen nämlich in diesem Fall auf Dauer der Steuerpflicht, so dass sich der Vorsteuerabzug irgendwann verbraucht und anschließend sogar überkompensiert wird. Der Vorsteuerabzug allein kann deshalb kein durchschlagender Grund für die Wahl einer privatrechtlicher Rechtsform sein. IV.5 b Steuerlicher Querverbund Steuervorteile können sich auch dadurch ergeben, dass verlustbringende Aktivitäten (z.B. ÖPNV, Bäder) und gewinnbringende Aktivitäten (z.B. im Versorgungssektor) unter einem gesellschaftsrechtlichen Dach (Gesellschaft oder Holding) zusammengefasst werden. Auf diese Weise reduzieren die Verluste der einen Branche die Steuerzahlungen für die Gewinne in der anderen Branche. Man mag unter prinzipiellen Gesichtspunkten darüber streiten können, ob sich Gebietskörperschaften bei ihren organisatorischen Entscheidungen von steuerlichen Überlegungen leiten lassen sollten; schließlich sind die Kommunen Teil der öffentlichen Hand und insoweit selbst auf Steuereinnahmen angewiesen. Angesichts der schwierigen Finanzlage vieler Kommunen stehen solche prinzipiellen Erwägungen allerdings schnell im Verdacht der Realitätsferne. Es ist zumindest verständlich, dass Kommunen Wege suchen, Belastungen zu minimieren und hierbei auch die Gestaltungsmöglichkeiten des Steuerrechts nutzen. Gleichwohl sollten steuerliche Vorteile nicht das alleinige Kriterium für die Wahl einer bestimmten Organisationsform sein. Holding-Konstruktionen wohnt zudem in der Praxis ein Trend zur Ausdehnung inne, wenn – zur Vermeidung von Steuerzahlungen – regelmäßig neue Aufgabenfelder integriert werden. Auch dies ist bei allen Entscheidungen zu bedenken. Hartmut Beuß IV.6 169 Erweiterung des materiellen Handlungsspielraums? Unternehmen in den Rechtsformen des Privatrechts (GmbH, AG) unterliegen dem bundesrechtlich normierten Gesellschaftsrecht. Das Gesellschaftsrecht kann insbesondere kommunalrechtlich vorgesehene Einwirkungsrechte und - pflichten der Kommune überlagern (Vorrang des Bundesrechts gegenüber dem Landesrecht). Aus dieser Tatsache wird gelegentlich der Schluss gezogen, die Wahl einer privaten Rechtsform könne auch den materiellen und/oder räumlichen Handlungsspielraum der Kommune erweitern. Wenn eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband eine GmbH oder AG gründet, soll sie sich auf Geschäftsfeldern oder in Gebieten bewegen können, die ihr sonst nicht offen stehen. Diese Position hält indes einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand. Das Gesellschaftsrecht regelt – wie auch das Eigenbetriebsrecht – allein das "Wie" der Aufgabenerfüllung einschl. der Kompetenzverteilung zwischen den Organen einer (kommunalen) Gesellschaft. Das Gesellschaftsrecht kann dagegen nicht das "Ob" kommunaler Aktivitäten regeln, also die Frage, welche Aktivitäten einer Kommune erlaubt sind. Diese Frage ist wie das gesamte Kommunalrecht dem Landesgesetzgeber vorbehalten. Insofern ergeben sich die sachlichen und die räumlichen Beschränkungen für kommunale Betätigung – abgesehen von spezialgesetzlichen Zuständigkeitszuweisungen - allein aus dem Kommunalrecht. Die Kommune kann aber einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft nicht mehr Rechte verleihen als sie selbst hat. Deshalb ändert auch die Wahl einer privaten Rechtsform nichts an den Beschränkungen, denen die Kommune selbst unterliegt. Dies gilt im übrigen auch für sog. Minderheitsbeteiligungen einer Gemeinde. Zwar kann hier die Durchsetzung kommunaler Beschränkungen an den Anteilsverhältnissen in der Gesellschaft scheitern. Dadurch werden kommunalrechtlich unzulässige Aktivitäten allerdings nicht zulässig. Im Zweifel verbleibt somit der Kommune nur der Rückzug aus einer solchen Gesellschaft. V. V.1 Fazit: Handlungsbedarf für Kommunen und Kommunalaufsicht? Konsequenzen für die kommunale Praxis Die Kommunen sind auf zwei unterschiedlichen Ebenen gefordert. Zum einen muss in jedem Einzelfall die Ausgliederungsentscheidung sehr sorgfältig und für den Rat nachvollziehbar vorbereitet werden. Dazu gehört eine auf die konkrete Aufgabenerfüllung bezogene Auseinandersetzung mit Vorteilen und Nachteilen der Ausgliederung, die anhand nachprüfbarer Kriterien erfolgen muss. Dies bedeutet auch, dass 170 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? Ausgliederungsentscheidungen rückholbar sein müssen, wenn der erwartete Erfolg nicht eingetreten ist. Ebenso unabdingbar ist für jeden Einzelfall die Sicherung des kommunalen Einflusses. Das beginnt mit einer präzisen und abschließenden Bezeichnung des jeweiligen "Unternehmensgegenstandes", weil diese Bezeichnung den Handlungsspielraum ausgelagerter Aufgabenbereiche begrenzt. Weiter gehört dazu eine präzise und angemessene Zuordnung und Abgrenzung von Kompetenzen für die Organe eigenständiger Organisationsformen. Wesentliche Entscheidungen müssen den Organen vorbehalten sein, in die die Gemeinde (über Weisungen an die Vertreter) hineinwirken kann. Das bedeutet auch, dass vorhandene Einflussmöglichkeiten praktisch genutzt werden, es bedarf einer stärkeren Rückkoppelung der gemeindlichen Vertreter. Über den "Umgang" mit der Einzelentscheidung hinaus sind aber zusätzliche Schritte erforderlich, die jedenfalls bestimmte "Risiken und Nebenwirkungen" zunehmender Ausgliederungen mildern können: Zum einen bedarf es einer verbesserten Gesamtschau über die finanzwirtschaftliche Lage der Kommune. In die Gesamtübersicht sind zwingend einzubeziehen die wichtigsten Eckdaten auch der ausgelagerten Bereiche; nur so wird der Rat in die Lage versetzt, seiner Verantwortung für die gesamte Finanzwirtschaft der Kommune gerecht zu werden. Zum anderen bedarf es der Einrichtung eines wirksamen Beteiligungsmanagements. Wirksam ist Beteiligungsmanagement dann, wenn es • • • V.2 für kommunale Unternehmen und Einrichtungen (aus der für die Gemeinde insgesamt geplanten Entwicklung abgeleitete) Ziele vorgibt und die Zielerreichung überprüft, bestehende Beteiligungsstrukturen sowie einzelne Beteiligungen auf ihre Stärken und Schwächen (bis hin zur Frage der "Existenzberechtigung") analysiert, die Rolle und die Rechte der Kommune als Beteiligte so ausübt, dass rechtliche Rahmenbedingungen (Kommunalrecht, Gesellschaftsrecht), aber auch die Interessen der Kommune gewahrt sind. Konsequenzen für die Kommunalaufsicht Die Kommunalaufsicht ist unter zwei Aspekten gefordert. Zum einen hat sie – wie die Kommune selbst – bei der einzelnen Ausgliederungsentscheidung die Einhaltung des rechtlichen Rahmens zu prüfen. Der rechtliche Rahmen wird insbesondere Hartmut Beuß 171 durch die Gemeindeordnung gesetzt und zielt zum einen auf die Begrenzung der finanziellen Risiken für die Gemeinde, zum anderen auf die Sicherung des kommunalen Einflusses. Im Einzelfall mag es unterschiedliche Auffassungen über die Einhaltung des rechtlichen Rahmens geben. Der Ausgliederungstrend und seine Folgen insgesamt ist aber nicht abhängig davon, ob die einzelne Verselbständigung zulässig oder unzulässig ist. Kommunalaufsicht hat aber auch eine Beratungsaufgabe gegenüber den Kommunen, und dies sowohl im Einzelfall als auch über den Einzelfall hinaus. Das ist ohne Zweifel ein sensibles Thema, weil auch "Ratschläge als Schläge" verstanden werden können, zumal wenn sie von der Aufsicht kommen. Das Thema Ausgliederungen ist es aber wert, eine intensive Diskussion mit den Kommunen und den kommunalen Spitzenverbänden zu führen. Wir wollen diese Diskussion mit dem Entwurf eines Beratungserlasses in Gang bringen. Kommunalaufsicht hat darüber hinaus – jedenfalls nach meiner Überzeugung – eine Beratungsfunktion gegenüber Politik und Gesetzgebung. Diese Funktion leitet sich ab aus der Beobachtung kommunaler Entwicklungen und der sich daran anschließenden Prüfung, ob aus solchen Entwicklungen Konsequenzen für die Gesetzgebung resultieren. Beispiele für solche Konsequenzen sind die bereits 1994 in die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung aufgenommene Verpflichtung zur Erstellung eines Beteiligungsberichts oder die Vorgaben für die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen – mit dem Ziel, die Einflussmöglichkeiten der Kommune zu stärken -, die 1999 Eingang in die Gemeindeordnung gefunden haben. Auch Vorschläge für gesetzgeberische Konsequenzen in Organisationsfragen sind nicht ohne Brisanz, weil Kommunen ihre Organisationshoheit zu Recht als hohes Gut (und Teil der Selbstverwaltungsgarantie) ansehen. Gleichwohl muss deutlich sein, dass Organisationsvielfalt kein Selbstzweck ist. In diesem Sinne sehe ich die Aufgabe der Kommunalaufsicht in der gegenwärtigen Situation insbesondere darin, zu einem "Bewusstseinswandel" beizutragen: Ausgliederung ist keinesfalls ein Beweis für modernes Verwaltungsmanagement, Verzicht auf Ausgliederung ist keinesfalls ein Beleg für "rückständiges Denken". Gerade die kommunale Ebene beweist, dass Binnenmodernisierung im Sinne neuer Steuerungsmodelle ein geeigneter "Gegenentwurf" für Verwaltungsmodernisierung ist. 172 "Konzern Stadt" – Organisationsvielfalt oder Erosionsprozess der Kommunalverwaltung? 173 Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." Johannes Winkel, Moderator: Wir haben das Problem, dass wir diesen Saal um 19 Uhr verlassen müssen, weil hier heute Abend, wie Sie wissen, eine weitere Veranstaltung stattfinden wird. Deswegen möchte ich Sie nicht mit Einführungs-Statements behelligen, sondern gleich in medias res gehen. Wir haben im Laufe des heutigen anstrengenden Tages eine Menge von Hinweisen, Anregungen und Meinungen bekommen, die sich alle mit der kommunalen Selbstverwaltung auseinander gesetzt haben. Es ist nunmehr an der Zeit, die verschiedenen Facetten und Aspekte kommunaler Selbstverwaltung in Form eines Gespräches hier oben auf dem Podium zusammenzuführen. Diesen Versuch wollen wir unternehmen mit • • Herrn Dr. Behrens, dem Innenminister unseres Landes zu meiner Linken, Frau Dr. Pröhl, der Leiterin des Bereiches Staat und Verwaltung der Bertelsmann Stiftung zu meiner Rechten - das alles natürlich ohne politischen Hintersinn. Ich fahre in der Reihenfolge des Programms fort mit • • • • • Herrn Dr. Twenhöven, dem langjährigen ehrenamtlichen Oberbürgermeister der Stadt Münster, der jetzt als Regierungspräsident in Münster gesamtstaatliche Verantwortung trägt, Herrn Stüber, dem Oberbürgermeister der Stadt Bochum – ebenfalls zu meiner Rechten. Er war der erste hauptamtliche Oberbürgermeister in Nordrhein-Westfalen überhaupt und ist von daher der dienstälteste in dieser Riege. Er ist zugleich der Vorsitzende des Nordrhein-Westfälischen Städtetages. Herrn Heinrichs – rechts außen; auch ohne politischen Hintersinn –, der Kommunalpolitik nicht nur aus seiner Tätigkeit beim nordrheinwestfälischen Städte- und Gemeindebund her kennt, sondern auch aus seiner Ratstätigkeit in seiner Heimatstadt Nümbrecht, Herrn Leifert, der vor dem Hintergrund langjähriger kommunalpolitischer Tätigkeit – auch er war Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde – die Interessenvertretung der Kommunen zu seinem Hauptberuf gemacht hat und nunmehr im nordrhein-westfälischen Landtag für kommunale Interessen streitet, Herrn Groth, der das Streiten für kommunale Interessen ebenfalls zu seinem Hauptberuf gemacht hat, wenn auch in einer anderen Fraktion, und last but not least mit 174 • Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." Herrn Wilmbusse, der die kommunale Selbstverwaltung aus der ehrenamtlichen wie aus der hauptamtlichen Perspektive kennt und der bis zu seinem Ausscheiden aus dem Landtag vor fünf Jahren die Wahrnehmung der gesamtstaatlichen Verantwortung für die kommunale Selbstverwaltung entscheidend geprägt hat. Meine Damen und Herren, wenn der Innenminister auf dem Podium sitzt, ist die Versuchung immer groß, die rechtlichen Rahmenbedingungen kommunaler Selbstverwaltung auf den Prüfstand und den Minister zur Rede zu stellen. Das sollten wir nicht tun. Wir sollten mit dem ersten Teil der Fragestellung dieser Gesprächsrunde anfangen, nämlich mit den Reformnotwendigkeiten von Kommunen. Und wir sollten die Frage stellen, ehe nach dem Gesetzgeber gerufen wird, was denn die Kommunen selbst tun können, tun sollen, um sich auf die Anforderungen der Zukunft vorzubereiten und kommunale Selbstverwaltung in ihrem Kern zu bewahren. Was können also – und ich möchte meine erste Frage an Herrn Stüber richten – die Kommunen selbst tun, um ihre Bürgerinnen und Bürger auch jenseits von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden an der kommunalen Willensbildung zu beteiligen? Welche Chancen und Risiken beinhalten die neuen Medien? Ernst Otto Stüber: Ich habe leider heute Morgen nicht alle Facetten, Argumente oder widerstrebenden Meinungen hören können. Deswegen bin ich unbelastet; das ist gut so. Wenn wir über die Aufgaben der Kommunen unter dem Gesichtspunkt der Reformen reden, stellt sich für uns die Frage, wie denn die Kommunen in der Zukunft aussehen und welche Rolle sie haben werden. Der Städtetag hat das unter dem Gesichtspunkt "Zukunft der Stadt – Stadt der Zukunft" formuliert. Dazu gehört, dass wir zweierlei leisten müssen: Wir müssen erstens die Binnenreform durchführen, um als Kommune effizienter und leistungsfähiger zu werden. Es wird oft von "kundenorientiert" gesprochen. Ich halte den Begriff für falsch; denn Bürger sind nicht Kunden. Wir müssen daher "bürgerorientiert" reden. Und wir müssen zweitens versuchen, die Reform nach außen zu tragen. Zu der Reform gehört, dass wir den Menschen deutlich machen müssen, wo denn welche sie betreffenden Entscheidungen fallen. Ich finde es außerordentlich bedauerlich – nahezu schon tragisch –, dass die Bürger dort, wo sie am meisten beteiligt sind und am ehesten Zugang haben, ihr Schicksal mitzugestalten, nämlich auf der kommunalen Ebene, die geringste Wahlbeteiligung wahrnehmen. Das muss uns nachdenklich machen. Das liegt nach meiner Einschätzung unter anderem daran, dass die Bürger nicht mehr erkennen können, wer wo was für sie entscheidet. Das muss deutlicher werden. Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." 175 Wir müssen den Bürger an diesen Entscheidungen mehr beteiligen. Dazu gehört zunächst die Information. Angesichts der Reformfähigkeit der Kommunen in Nordrhein-Westfalen glaube ich, dass wir in den letzten zehn Jahren auf einem sehr guten Weg sind. Von 42 großen Städten, für die ich sprechen darf, haben über 30 – 33 oder 35 – inzwischen so genannte Bürgerämter eingerichtet, die nicht nur eine Dienstleistung oder ein Service, sondern auch ein Informationsangebot sind. Die Reform der Kommunen ist weit fortgeschritten. Im Vergleich mit einem Land oder einer anderen Ebene sind wir nicht nur weit voraus, sondern auch Vorbild. Johannes Winkel, Moderator: Vielen Dank, Herr Stüber. – Ich möchte die gleiche Frage an Herrn Leifert richten, der aus der Sicht der kleineren Gemeinden beurteilen kann: Was können, was müssen die Kommunen tun, um ihre Bürgerinnen und Bürger mehr und jenseits von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid an der Willensbildung zu beteiligen, sie einzubeziehen? Albert Leifert: Lassen Sie mich, Herr Winkel, eine Vorbemerkung machen. Wenn man in Nordrhein-Westfalen von kleinen Städten und Gemeinden redet und in andere Bundesländer kommt, sehen die Verhältnisse sehr unterschiedlich aus. (Heiterkeit) Unsere Mitgliedsstädte und -gemeinden – 358 an der Zahl – mit knapp 5 000 bis 145 000 Einwohnern sind nicht unbedingt alle unter "klein" einzuordnen. Auch die Bischofsstadt Paderborn, also unsere größte Mitgliedsstadt, hat sicherlich besondere Bedeutung. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat vor kurzem in Bingen am Rhein getagt – 25 000 Einwohner –, und Frau Oberbürgermeisterin hat uns empfangen. (Erneute Heiterkeit) Sie sehen also die strukturellen Unterschiede. Deshalb bin ich ein großer Verfechter, dass wir mehrere Maßnahmen durchführen, wenn wir kommunale Selbstverwaltung interessanter und stärker gestalten wollen: erstens möglichst viel Verantwortung in die kleinste Einheit zu legen. Das ist in Nordrhein-Westfalen etwas anderes als in Brandenburg. Deshalb brauchen wir bei den Zuständigkeitsgesetzen das, was schon versucht worden ist, nämlich ein Zuständigkeitslockerungsgesetz, damit Länder selbst entscheiden können, wie sie die Zuständigkeiten nach der Struktur ihrer Städte und Gemeinden verteilen wollen. 176 Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." Zweitens brauchen wir klare Aufgaben- und Finanzzuordnungen. Aufgaben- und Finanzverantwortung müssen zusammengeführt werden. Es wird ja versucht, beendet ist dieser Prozess nicht. Der dritte Schritt ist der wichtigste – in kleinen Städten und Gemeinden, Herr Stüber, ist das sicherlich viel einfacher als in der größten Stadt unseres Landes –: Entscheidungen transparent und Verantwortungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern klar zu machen. Daran mangelte es nach der alten Gemeindeordnung erheblich. Aber daran fehlt es auch noch in der seit 1994 geltenden, schon ein paar Mal verbesserten und veränderten Gemeindeordnung heute. Der Bürger muss, wenn er sich beteiligen soll, außer seinen ureigenen Einzelinteressen klar erkennen können, wer für was verantwortlich ist, wen er bei der nächsten Wahl für seine Tätigkeiten abwählen oder wem er seine Zustimmung geben kann. Es muss Aufgabentransparenz bestehen. Der einfache Bürger muss klar erkennen können, dafür ist der Rat zuständig – ich möchte ihn als Board oder Aufsichtsrat benennen –, der die wichtigen Aufgaben in bürgerschaftlicher Verantwortung regelt, dafür ist die Verwaltung mit dem Bürgermeister an ihrer Spitze verantwortlich, der die vielen tausend kleinen, aber sehr interessanten Maßnahmen regelt – von der Beseitigung des Schlagloches vor der Tür bis zu vielem anderen. Das muss klar getrennt sein, ist jedoch heute nicht der Fall. Zum anderen müssen die Bürger viel stärker beteiligt werden. Meine zwanzig Jahre als ehrenamtlicher Bürgermeister von 1979 bis 1999 in meiner Heimatstadt mit knapp 15 000 Einwohnern haben mir gezeigt, dass die Bürgerbeteiligung – Bürgerbegehren und Bürgerbescheid haben wir hinter uns – erfolgreich sein kann. Über die Hälfte der Wahlberechtigten wollten das große Schwimmbad behalten. Sie haben es auch behalten. Auch Räte müssen erkennen, wo ihre Entscheidungsgrenzen sind; denn der mehrheitliche Wille der Bürgerschaft ist das höchste Gut in der kommunalen Selbstverwaltung überhaupt. Im Übrigen gehöre ich, Herr Winkel, dem Landtag nicht mehr an – ich habe also jetzt einen anderen Blickwinkel –, muss allerdings sagen: Viele meiner Ansichten musste ich in meiner jetzigen Funktion nicht ändern. Zur Bürgerbeteiligung sage ich ein kleines Beispiel. Unser Jugendpfleger wird bei jedem Kinderspielplatz, der gebaut wird, eingeschaltet. Das erste Gespräch führt er mit den Kindern. Im zweiten Gespräch befasst er sich wieder mit den Kindern. Das dritte und vierte führt er mit den Eltern der Kinder. Danach geht es in den Ausschuss oder in das Gremium, das dafür zuständig ist. Wenn das alte Bahnhofsgebäude zu einem so genannten Kulturbahnhof umgebaut werden soll, muss dies einen großen Vorlauf haben: von der ersten Befragung derjenigen, die öffentliche Nahverkehrsmittel benutzen, über eine große Beteiligung der Bürger bis zu Werkstattgesprächen mit allen Fachleuten und anderen Beteilig- Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." 177 ten. Es auf diese Art und Weise anzugehen, zeigt tolle Erfolge. Wir müssen – das ist in kleinen und mittleren Gemeinden einfacher als in Großstädten – so verfahren. Deshalb ist es an der Zeit, in den Großstädten zu überlegen, was mit den Bezirken geschehen soll. Johannes Winkel, Moderator: Vielen Dank, Herr Leifert. Die Korrektur nehme ich natürlich gerne zur Kenntnis. Sie haben die Frage weiterentwickelt: Ist die Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger erkennbar? Wer hat in einer Kommune welche Verantwortung? Mich lenkt dies zu der Frage: Ist denn die Aufgabenverteilung zwischen der Kommune und der Bürgerschaft korrekt? Sind wir mit den Möglichkeiten wirklich schon am Ende, Aufgaben, die derzeit in kommunaler Verantwortung wahrgenommen werden, auf die Bürgerinnen und Bürger selber, auf Vereine und Ähnliches zu übertragen, Herr Groth? Die Frage geht an Sie. Ewald Groth: Jetzt haben Sie mich kalt erwischt. (Zuruf: Soll ich Ihnen helfen? – Heiterkeit) – Nein. – Ich glaube, dass wir in den kleinen Kommunen nicht am Ende sind und in den großen erst langsam anfangen, etwas zu praktizieren, was richtig ist. Es gilt, Bürgerinnen und Bürger mehr in die Verantwortung für die Gestaltung der Kommune einzubeziehen und nicht zu sagen, es ist die Verwaltung, die das leisten und gewährleisten muss, sondern der Rahmen muss stimmen, in dem sich bürgerschaftliches Engagement entwickeln kann. Wir müssen zur aktivierenden Kommune kommen. Das ist heute schon vielfach gesagt worden. Wir sind in NordrheinWestfalen dank der Kommunalabteilung im Innenministerium auf einem guten Weg. Er ist eingefahren. Man muss ihn einfach konsequent weitergehen. Aber ich muss gleichzeitig noch sagen, was am Ende droht, weil wir ja über den Tag hinaus denken wollen, wie Herr Beuß vorhin gesagt hat. Genau wie bei der wirtschaftlichen Betätigung, bei Ausgliederungen und Privatisierungen müssen wir prüfen, was am Ende stehen wird. Falls am Ende stehen sollte, dass die Bürgerinnen und Bürger für Kultur oder Sport nur noch ganz allein zuständig sein sollen, sind wir zu weit gegangen. Dies muss in der eigentlichen Zuständigkeit der Gemeinde bleiben, und sie muss ihre Bürgerinnen und Bürger aktivieren, dass sie soweit möglich mithelfen. Soweit Aufgaben auf Vereine oder Initiativen übertragen werden können, sollte man dies tun. Das ist richtig so; das belebt unser kommunales Gemeinwesen. Wir sind damit also noch lange nicht am Ende. Aber bitte aufpassen, zuständig sind nicht die Bürgerinnen und Bürger alleine. 178 Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." Johannes Winkel, Moderator: Vielen Dank. – Herr Wilmbusse, sind wir aus Ihrer Erfahrung mit der Idee des aktivierenden Staates, übertragen auf die kommunale Selbstverwaltung, auf dem richtigen Weg? Reinhard Wilmbusse: Bei mir hat es ja einen Wechsel des Standortes gegeben. 30 Jahre lang war ich aus dem Rathaus verhältnismäßig gut informiert; jetzt bin ich Zeitungsleser und stelle fest: Die Bürger sind überhaupt nicht über das informiert, was in der Stadt passiert. (Heiterkeit) Wenn eine neue Turnhalle gebaut oder heute eher nicht gebaut wird, wissen die Sportvereine Bescheid, aber die übrigen Bürger wissen davon überhaupt nichts. Sie lesen die Zeitung. In der Zeitung steht das Spektakuläre, meistens ohne das nötige Sachwissen. Ich glaube das wenigstens immer noch erkennen zu können. Darin liegt das erste Problem. Wir können bei Bürgeranträgen und was weiß ich die Quoren senken, dies und das unternehmen, aber von dem, was uns eigentlich vorschwebt, nämlich der mündige Bürger, den wir bei der Stadt beteiligen wollen und der sein Wissen bei der nächsten Wahl mit seiner Stimme zum Ausdruck bringen kann, sind wir noch weit entfernt. Ein praktischer Vorschlag dazu: Immer mehr Leute haben Zugang zum Internet. Meine Stadt hat auch eine Domain und eine Homepage. Solange ich Bürgermeister war, war ich immer stolz darauf. Wenn ich jetzt darauf schaue, steht dort, wo der Bürgermeister war und dass er diesem oder jenem die Hand geschüttelt hat. Das interessiert den Bürger überhaupt nicht. Wenn alle Vorlagen für den Hauptausschuss ins Internet gestellt würden und die Fraktionen die Möglichkeit hätten, ihre gegenteilige Meinung dazu auch ins Internet zu stellen, wären wenigstens eine Menge junger Leute dabei und würden sich die Homepage anschauen. Wenn sie jedoch www.lemgo.de aufgerufen haben, fallen sie ab und sagen: Das kennen wir doch sowieso. Das muss interessanter werden. Insofern können die Kommunen wirklich etwas verbessern. Eines noch zum Generellen: Sie haben vorhin gefragt, was die Kommunen denn tun könnten. Wenn ich mir die Diskussion und das traurige Schicksal der Verwaltungsreform vor Augen führe, stelle ich fest, dass es die Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände waren, die vieles ad absurdum geführt haben und dass das finanzielle Interesse über den Sachverstand gesiegt hat. Ich muss daher sagen: Von den Kommunen erwarte ich nicht allzu viel. Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." 179 Dr. Jörg Twenhöven: Es waren aber nicht alle kommunalen Spitzenverbände! Johannes Winkel, Moderator: Das war ein gehöriges Maß an Skepsis, das aus der Berufserfahrung sprach. Das reizt, vermute ich, zum Widerspruch. (Zuruf: Nein! – Heiterkeit) Dr. Jörg Twenhöven: Ich will gern einen Satz zu dem sagen, was die Kommunen tun können. Die Kommunen können dasselbe wie das Land auch unternehmen, nämlich dezentral Verantwortung nach unten geben. Dezentralisieren endet nicht auf der Ebene der Kommune. Ich gebe ein paar Beispiele, die inzwischen uralt sind. 1986/87 hatten wir in Münster angefangen, den Sportvereinen über Schlüsselgewaltverträge die Verantwortung für ihren Sportplatz zu geben. Was passierte? Die Mitglieder erhielten festes Geld. Davon mussten sie den Platzwart, das Sauberhalten des Platzes, die Energiekosten, das Wasser usw. bezahlen. Sie haben hinterher Gewinn erzielt. Die Stadt jedoch hatte ständig steigende Kosten bei den Anlagen, die sie selbst verwaltete. Wenn die alten Herren Fußball gespielt hatten, passten sie auf, dass sie nicht mit dreckigen Schuhen in den Duschraum gingen, sondern die wurden vorher gesäubert. In der Dusche wurde darauf geachtet, dass kein Hahn tropfte. Das Licht wurde ausgeschaltet. Und selbstverständlich wurde als Erstes, bevor sie in die Dusche gingen, das Flutlicht abgeschaltet. Solche Wirkungen hatte dies! Es war auf einmal ihr Platz – und nicht mehr der städtische. Nach diesem völlig banalen Beispiel sind wir auch mit Kunstwerken verfahren, die wir den Schulen oktroyieren wollten. Wir bekamen nur Ärger. Deswegen hatte ich gesagt: Lasst doch in der Schulkonferenz – wir haben so etwas Herrliches – abstimmen und Verantwortung nach unten geben. Die Eltern konnten unter den Künstlern wählen und stellten deren Werke auf. 1987 schon hatten wir ein Programm aufgelegt, nach dem nicht mehr am grünen Tisch entschieden wurde, was den Schulen frommt, sondern der Gesamtetatansatz wurde den Schulen zugeteilt, damit die Schulkonferenzen es für die Maßnahmen einsetzen konnten, die sie für notwendig hielten. Wir haben nicht einen einzigen Reinfall erlebt. Wir haben eine gemeinsame Versicherung für die Schulen auf Gegenseitigkeit eingeführt und brauchten die Gemeindeversicherungen nicht mehr in Anspruch zu nehmen. Das funktioniert bis heute. Es kommt fast nichts mehr weg. Es wird zwar noch geklaut, aber sehr selten. Über solche Maßnahmen könnte ich stundenlang erzählen. Das ist aktive Kommunalpolitik. Dabei fühlen sich die Bürger mitverantwortlich. Kommunalpolitiker 180 Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." unterliegen heute häufig dem Irrtum, der Staat habe zu dezentralisieren und Verantwortung bis auf die kommunale Ebene abzugeben, und damit sei Feierabend und sie könnten regieren. Die Kommunen – auch die größeren Dörfer – in NordrheinWestfalen sind so abstrakt und so weit vom Bürger weg, dass sie selber in ihrer Kommunalpolitik stärker dezentralisieren, also Verantwortung nach unten geben müssten. Mit Ressourcen! (Zuruf: Kein Widerspruch!) Johannes Winkel, Moderator: Vielen Dank für das Beispiel, Herr Dr. Twenhöven. – Lassen Sie uns den Blick in die Kommunalverwaltung richten. Sind denn die Möglichkeiten, die Potenziale zur Rationalisierung von Arbeitsabläufen und zur Aufbauorganisation in den Kommunalverwaltungen ausgeschöpft? Ich möchte diese Frage gern an Herrn Heinrichs richten. Friedrich Wilhelm Heinrichs: Ich bin der Auffassung, dass die Kommunen auf einem guten Weg sind, dass schon viel geschehen ist – viel mehr, als nach außen gegeben wird. Aber wir stehen vor einer Zeit, in der die Finanzen für den gesamten öffentlichen Bereich nicht besser, sondern schlechter werden. Deshalb stellt sich auch bei fortschreitender Binnenmodernisierung die Frage: Kann die Verwaltung nicht noch produktiver sein? Ich persönlich bin der Auffassung, dass sich die öffentliche Verwaltung nicht unbedingt auf die Wirtschaft übertragen lässt, dass sie sich aber an Gedanken des Produktivitätsfortschritts orientieren muss. 1975, als die kommunale Gebietsreform abgeschlossen war, hatte NordrheinWestfalen eine für meine Begriffe im Maßstab zu anderen Ländern – auch international – gute Kommunalstruktur herbeigeführt. Aber danach waren die Helden müde, als es um die eigentliche Organisation der Verwaltungen und der Ebenen ging. Ich halte es nach wie vor für eine große Crux, dass es bisher nicht gelungen ist, im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung und der Verwaltungsreform dazu beizutragen, dass Doppelverwaltungen abgebaut und die Verwaltungsebenen reduziert wurden. Ich habe in den letzten Tagen einen Beitrag aus Baden-Württemberg gelesen, wonach der Städtetag gefordert hatte, statt der vier Ebenen, vom kreisangehörigen Bereich ausgehend – Kommune, Kreis, Regierungspräsident und Land –, drei einzuführen. Der Städtetag hatte nicht genau gesagt, wie das geschehen sollte, sondern zunächst solle eine Sachverständigen-Gruppe Vorschläge ausarbeiten. Ich will mir heute nicht den Mund damit verbrennen, indem ich meine eigenen Vorstellungen vortrage, – Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." 181 Johannes Winkel, Moderator: Aber es wäre doch sehr interessant! Friedrich Wilhelm Heinrichs: – sage aber sehr deutlich: Die Crux auch in Nordrhein-Westfalen besteht darin, dass es nicht gelungen ist, die mittlere Ebene staatlich-kommunal zusammenzuführen und zwischen Kreisen, Bezirksregierungen und Landschaftsverbänden eine Ebene zu schaffen, die in der Zukunft die gesamten Verwaltungsabläufe effektiver gestalten könnte. Diesen Schritt müssten wir noch einmal ansprechen, um für die gesamte kommunale Familie und die staatliche Verwaltung ein Stück weiterzukommen. (Vereinzelter Beifall) Johannes Winkel, Moderator: Ich vermute, dass dazu der Innenminister gleich etwas sagen wird; aber er muss sich noch einen Moment gedulden. Wir sind sehr schnell bei dem Gedanken, ob nicht der Wettbewerb der Kommunen untereinander ein geeigneter Anreiz sein könnte, Arbeitsabläufe und Aufbauorganisationen zu optimieren. Frau Dr. Pröhl, was halten Sie von diesem Gedanken? Dr. Marga Pröhl: Ich glaube, dass man gar nicht darüber reden muss, weil die Kommunen bereits im Wettbewerb stehen – und das nicht nur national, sondern auch international. Es konkurriert Essen mit einer Kommune in Belgien oder in Frankreich oder Italien oder in den USA oder in Korea. Es ist einfach so, dass wir heutzutage eine Internationalisierung sowie eine Globalisierung und insofern einen bereits existierenden Standortwettbewerb in den Kommunen verzeichnen. Insofern ist es nur konsequent, wenn Kommunen sich, wie das schon in Bezug auf internationale Leistungsvergleiche geschehen ist, bereit erklären, diesen Wettbewerb fortzuführen und auf anderen Ebenen zu intensivieren. Denn es reicht nicht, dass man sich "nur" – in Anführungsstrichen; das war schon schwierig genug – darum kümmert, Leistungen im Bereich der Einwohnermelde- oder der Sozialämter vergleichbar zu gestalten, sondern es muss auf die nächste Ebene gegangen werden. Unsere Kommunen werden – das sind die Aspekte, die vorhin im Gespräch schon angesprochen wurden – in nächster Zukunft sich sehr viel stärker in Richtung einer verbesserten politischen Steuerung entwickeln müssen. Dazu brauchen wir ganz andere Instrumente, die wir heute noch gar nicht haben. Nicht nur mit dem Leistungsvergleich beim Einwohnermeldeamt steuern die Politiker, sondern sie müssen wissen, wie es in Bezug auf ihre Wirtschaftsförderung aussieht, wie gut es um ihre 182 Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." Arbeitsplatzsituation bestellt ist, wie sich die Umwelt- oder die Bildungssituation darstellen. All diese Aspekte gehören zusammen, genauso wie der des sozialen Zusammenhaltes. Alle Punkte, die sich auf der politisch-strategischen Ebene bewegen, sollten in einem interkommunalen Vergleich bearbeitet werden, um Politikern die Möglichkeit zu geben, Stärken und Schwächen herauszufiltern, um daran arbeiten zu können. Diese Art des Wettbewerbs, wenn man so will, wird die Zukunft unserer deutschen Kommunen sein, genauso wie das im Ausland bereits der Fall ist. Allerdings kann ich Sie beruhigen: Auch im Ausland ist diese Systematik noch nicht weit erarbeitet. Fast überall steht es in Bezug auf die Binnenmodernisierung gut. Es wurden Steuerungsinstrumente entwickelt. Aber das Instrument der politisch-strategischen Steuerung ist auch im Ausland noch nicht weit entwickelt. Insofern haben die deutschen Kommunen sicherlich mit der ihnen eigenen Konsequenz und Kompetenz eine gute Chance, schnell voranzukommen. Johannes Winkel, Moderator: Ich darf die Frage weiterentwickeln. Herr Dr. Behrens, können Sie sich vorstellen, dass in Zukunft ein Bürger, der sein Kraftfahrzeug anmelden will, wählen kann, ob er dies beim Straßenverkehrsamt in Düsseldorf, in Mettmann oder in Neuss vornimmt – je nach dem, wo es denn am günstigsten für ihn ist? Die technologischen Möglichkeiten dafür haben wir mittlerweile. Dr. Fritz Behrens: Vorstellen, Herr Winkel, kann ich mir vieles. Ob die rechtlichen Rahmenbedingungen das hergeben, müssten wir eine Weile diskutieren. Das ist die knappe Antwort auf Ihre Frage. Aber weil ich das Wort habe, sage ich auch noch ein paar andere Sachen, ohne dass das zu lang werden soll. (Heiterkeit) Ich fange mit der Aussage von Herrn Heinrichs an: Die Helden waren nach der Funktionalreform müde. – Ich bin seit 1977 im Lande und seit dieser Zeit immer an irgendeiner Stelle tätig gewesen, wenn es um diese Frage ging – zuletzt in der gegenwärtigen Funktion. Funktionalreform ist ja ein Begriff, der das Ganze heute nicht mehr zutreffend beschreibt. Man kann es mit anderen Begriffen belegen: Verwaltungsreform, Strukturreform usw. Ich teile die Auffassung, dass die letzten Antworten noch nicht gegeben sind. Ob es je welche geben wird, weiß ich nicht. Aber eine optimale Organisationsstruktur unseres Staats- und Kommunalaufbaus haben wir in unserem Lande nicht. Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." 183 Wenn heute in der WAZ zu lesen ist, dass zwei Oberbürgermeister – einer aus Gelsenkirchen und einer aus Oberhausen – nun die Ruhrstadt fordern, kann ich nur sagen: Man tau! Die Chance hattet ihr letztes Jahr. Meine Antwort, die vielleicht auch morgen in der WAZ stehen wird: Ich warte auf die Vorlage eines ausformulierten Gesetzentwurfs, und zwar möglichst mit Zustimmung aller Oberbürgermeister des Ruhrgebiets. Dann kann man sehen, wie es weitergehen wird. (Zuruf: Plus Fraktionsvorsitzenden! – Große Heiterkeit) – Gut, nehmen wir die auch noch mit ins Boot – inklusive der Landräte, die dabei sein wollen. An diesem Beispiel, das jetzt pars pro toto steht, wird deutlich: Man braucht für all das, was man hier diskutiert, politische Mehrheiten – für jedes der Gebiete, ob das wirtschaftliche Betätigung ist, ob das Europa oder was auch immer ist: Ich habe in diesen 23 Jahren bis heute lernen müssen, dass ich sehr viele vollmundige Gesprächspartner hatte, wenn hinter geschlossenen Türen in Arbeitskreisen oder sonst wo diskutiert wurde, aber dass es am Ende, wenn es um das Handheben vor den Fernsehkameras oder im Parlament ging, nur noch Fahnenflüchtige gab – viele jedenfalls. Das ist eines der Probleme. Aber ich will die politische Entscheidungskraft jetzt nicht zum Grundsatzthema erheben. Das lässt sich auf die kommunale Ebene herunterbrechen. Ich möchte gern einen Satz einschieben. Wir sprechen jetzt über die Modernisierung der Kommunalverwaltung. Ich will sagen, dass die Modernisierung der Landesverwaltung im Zentrum der Landespolitik dieser Legislaturperiode steht. Das hat miteinander zu tun. Wenn es um Benchmarking, um Qualität, Vergleiche und Ähnliches geht, muss man wissen, dass wir in der Innenverwaltung in den nächsten fünf Jahren versuchen werden, vergleichsweise große Schritte zu machen. Darüber gibt es mittlerweile Beschlussfassungen auf der Leitungsebene des Innenministeriums; es gibt Aussagen in der Koalitionsvereinbarung – und so weiter. Das heißt, die staatliche Verwaltung will versuchen, im Wettbewerb auch mit der kommunalen Verwaltung mitzuhalten; denn wir wollen nicht am Ende die einzigen Blinden sein. Das ist nicht der alleinige Antrieb und das alleinige Motiv, aber auch ein Wettbewerbsgedanke, mithalten zu wollen und in der Leistungskraft der Verwaltung gleich gut zu sein. Dafür werden wir alle Anstrengungen unternehmen. Ich stimme Herrn Stüber zu, der gesagt hat, die Kommunen seien Vorreiter. Absolut! Der Druck auf Veränderungen war auf der untersten öffentlichen Handlungsebene am größten – natürlich wegen der Bürgernähe, wegen der Erwar- 184 Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." tungen, wegen der Mittelknappheit und wegen vielem anderen. Es hat manchmal den Anschein – das klang heute in den Referaten mit den kontroversen Positionen an –, dass die staatliche Kommunalaufsicht mit Traditionalisten und ewig Gestrigen eher ein Bremser sei. All diese Begriffe sind nicht gebraucht worden, aber Einschätzungen dieser Art stehen hinter manchem, was zu hören war. Ich finde, wir wären alle gut beraten, nachdenklich zu betrachten, was passiert. Die Referate des heutigen Tages haben nach meinem Dafürhalten genügend Motivation dafür gegeben. 200 Jahre kommunale Selbstverwaltung: Ich möchte gern in der Lage sein, einen Blick 200 Jahre voraus zu werfen, um mir vorzustellen, wie dann kommunale Selbstverwaltung aussehen könnte. Herr Beuß hat zum Schluss seiner Ausführungen Fragen gestellt. Was wird dann noch politisch verantwortete, durch Wahl legitimierte politische kommunale Selbstverwaltung sein, und was wird aus dem wirtschaftlichen Wettbewerb bei der, wie wir heute mit einem deutschen Begriff sagen – Herr Dammeyer hat vorhin gesagt, man könne ihn nicht in die anderen europäischen Sprachen übersetzen –, Daseinsvorsorge? Was machen andere? Die Autozulassung in Neuss oder in Düsseldorf: Ja, das kann ich mir alles vorstellen. Das ist sicherlich kein Kernbereich hoheitlicher Tätigkeit. Das können TÜV, Notare und andere mit öffentlicher Glaubwürdigkeit ausgestattete Persönlichkeiten oder Rechtsfiguren auch. Dazu wird nicht eine Rechtsfigur wie "die Kommune" gebraucht. Das ist deutsche Rechtstradition; das muss nicht so bleiben. Wir sind jetzt auf einem Scheideweg. Immer wenn man Verantwortung trägt, meint man, man stehe vor einer Weichenstellung; vielleicht ist das zu hoch gezeichnet, zu groß gegriffen. Ich glaube schon – ich will es anders formulieren –, dass wir hier wie woanders lernen werden, dass an unserem Kommunalwesen, an unserem Rechtswesen, an unseren Denktraditionen dieses Europa nicht genesen wird und dass wir uns in dem ausgelösten Wettbewerb der Systeme auch auf dieser Ebene sehr radikal weiterentwickeln und manches über Bord werfen werden, was heute noch für unverzichtbar gehalten wird. Herr Dammeyer hat das für den Bereich Sparkassen usw. beschrieben. Ich kann nur sagen: Das, was ich zur Zeit auch in der Funktion des Vorsitzenden der Innenministerkonferenz in Sachen Europa, Ministerratentscheidungen, Vorbehalte durch die Kommission etwa im Bereich der Zuwanderungspolitik erlebe, macht jegliche deutsche Diskussion, die wir hier zugespitzt und mit der Frage führen, sollen wir das zum Wahlkampfthema machen – ja oder nein –, zu einer Farce. Das werden wir alles nicht mehr autonom entscheiden; das ist heute schon absehbar. Nur: Den informierten Bürger, den Reinhard Wilmbusse vermisst und daher einfordert, wird es Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." 185 nicht geben, weil all das, was dort stattfindet, nicht wahrgenommen wird – nicht einmal vom politisch Verantwortlichen. Es sind Entscheidungen mit Wirkungen im Gange, die wir heute alle nicht abschätzen können. Deshalb möchte ich davor warnen, Funktionsträger – etwa Kommunalaufsichtsbeamte – in Ecken zu drücken: Das sind die Verhinderer, und wir sind die Modernisierer. Es wird sich in einem dialektischen Prozess erweisen, wer an der Spitze der Bewegung stehen wird. Das wird nicht allein nach den Denkschemata von heute zu entscheiden sein, sondern es werden ganz andere Themen aufs Tapet kommen; dessen bin ich mir ziemlich sicher. Also: Es gibt weiterhin viel zu tun. Manch einer hat sich vielleicht gefragt, warum wir die heutige Tagung durchführen. Es fügte sich gut, dass eine Arbeitskreis-III-Sitzung der Innenministerkonferenz in Detmold unter der Leitung von Friedrich Wilhelm Held stattfand. Auf ihr haben wir diese Veranstaltung eingeschoben. Friedrich Wilhelm Held, der ja von seinem letzten Arbeitstag im Landesdienst nicht mehr weit entfernt ist, hat wahrscheinlich deshalb Wert auf diese Veranstaltung gelegt, weil er sich vor 13 ½ Jahren, als er von seinem Amtsvorgänger die Leitung der Abteilung III übernahm, sehr über das ärgerte, was ihm an unerledigten Aufgaben hinterlassen wurde. Mit dieser Veranstaltung hat er einen Beitrag dazu leisten wollen, dass auch sein Nachfolger gleich dieses Gefühl bekommt. (Heiterkeit und Beifall – Zuruf: Also gibt es doch einen Nachfolger!) Johannes Winkel, Moderator: Das wird aber kein Schlusswort! (Erneute Heiterkeit) Frau Dr. Pröhl, es ist für Sie jetzt etwas schwierig, den Anschluss zu finden. Sie wollten eine Frage stellen. Das sollen Sie. Dr. Marga Pröhl: Ja, ich möchte gern eine Frage stellen, weil wir hier mit Personen sprechen, die die Kommunalaufsicht darstellen und die letztendlich die Reform der Kommunen betreuen. Das war den gesamten Tag über unser Thema. Ich bin von einer Institution gekommen, die die kommunalen Entwicklungen sehr gestützt hat. Ich möchte nicht von hier wegfahren, ohne zu wissen, was denn die Kommunalaufsicht sich eigentlich denkt, wie ihre Funktion sich weiterentwickeln wird, wie es wohl in Zukunft mit der Kommunalaufsicht aussehen wird. Das finde ich total spannend und möchte es gern von Ihnen wissen. 186 Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." Johannes Winkel, Moderator: Wir haben auf dem Podium einen Vertreter der Kommunalaufsicht. Er ist unmittelbar – Dr. Fritz Behrens: Es sind mehrere Vertreter. Johannes Winkel, Moderator: – zuständig – ich war noch nicht fertig – als Untere Kommunalaufsichtsbehörde über seine frühere Heimatstadt. Dr. Fritz Behrens: Wir wollten ja die Aufgabenwahrnehmung so weit möglich nach unten verlagern. (Heiterkeit) Johannes Winkel, Moderator: Und deswegen möchte ich Herrn Dr. Twenhöven Gelegenheit zur Antwort geben. Dr. Jörg Twenhöven: Ich bin sehr dankbar für die Frage, weil ich heute meine folgenden Ausführungen noch gern los werden wollte. Ich habe heute durchgängig die These – unbestritten durch die Reaktionen der Zuhörerinnen und Zuhörer – gehört, die etwa lautet: Die Kommunalaufsicht ist nicht in erster Linie die im herkömmlichen Sinne verstandene Rechtsaufsicht, sondern eher eine Beratungsaufsicht. Als ich das Papier des Präsidenten des Städte- und Gemeindebundes, Albert Leifert, gelesen hatte, habe ich erkannt: Das wird heftig bestritten. Herr Leifert schreibt in seinem Papier – ich will das zitieren –: "Hierzu bedarf es vielmehr einer unabhängigen, kommunal bestimmten Einrichtung. Die derzeit sowohl als Kommunalaufsichtsbehörden als auch gleichzeitig als Gemeindeprüfungsämter agierenden Kreise und Bezirksregierungen sind insoweit staatliche Verwaltungsbehörden, deren Aufgabe die Kontrolle, nicht aber die Beratung der Städte und Gemeinden sein kann." Das wiederholt er auf einer anderen Seite: Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie wird gestört durch einen unvereinbaren Dualismus von Prüfung und Beratung. Das muss diskutiert werden, finde ich; das kann man nicht verschweigen. Sonst kommen wir nicht auf den Punkt, der heute hier diskutiert werden sollte. Ich bin ganz entschieden der Meinung, dass eine qualifizierte Rechtsaufsicht nur wahrge- Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." 187 nommen werden kann, wenn auch eine Beratung vorgenommen wird, wenn man die Sachverhalte sehr genau kennt. (Beifall) Von daher gehören für mich Beratung und Rechtsaufsicht unlösbar zueinander, weil eine Rechtsaufsicht sonst am grünen Tisch schlicht nach Paragrafen und nicht nach der Lebenswirklichkeit entscheidet. Dann brauchten wir in der Tat keine Kommunalaufsicht in den Kreisen und nicht in den Bezirksregierungen; dann würde sich eine Kommunalabteilung beim Innenminister als ausreichend erweisen; denn sie ist in der Regel juristisch noch besser als wir und kann am grünen Tisch schneller entscheiden. Meine Damen und Herren, das muss diskutiert werden. Wenn der Präsident eines großen Verbandes, der die Mehrheit der Städte und Gemeinden in NordrheinWestfalen vertritt, dies dezidiert sagt, ist das ein Punkt, den wir heute Abend wahrscheinlich nicht klären können, den wir aber klären müssen. Sonst befinden wir uns in einem unausgesprochenen Dissens, der dazu führt, dass beide – die einen wie die anderen – sich unwohl fühlen. Noch einmal – und das auch auf die Frage von Frau Pröhl –: Ich glaube, dass qualifizierte Aufsicht – überhaupt jegliche Aufsicht – nur wahrgenommen werden kann, wenn man den Weg mit denen, die man beaufsichtigen soll, partnerschaftlich gemeinsam geht, aus dem Gehen des gemeinsamen Weges die Situation genau kennt und weiß, wie man beraten kann. Das, was in psychologischen Praxen heute an Beratungsstrategien geschieht, ist in Teilen auf das Verhältnis von Kommunalaufsicht und Städten und Gemeinden übersetzbar. Wir stehen noch am Anfang. Es ist ungewohnt. Dazu gehört auch Fortbildung; dazu gehört Detailkenntnis; dazu gehört nicht nur juristische Kenntnis. Dazu brauchen wir volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse, und wir brauchen Ingenieure. Alles das sind Qualitäten, die die Bezirksregierungen in ihren Reihen haben. Diese können wir bündeln. Von daher bin ich sehr optimistisch, dass wir in Nordrhein-Westfalen mit den vorhandenen Kräften die Beratungsaufsicht sehr viel intensiver, sehr viel qualifizierter und sehr viel mehr mit positiven Rückmeldungen der Klienten – oder von mir aus der Kunden – versehen betreiben können. Wir sind im Moment in einer diffusen Situation. Das liegt an der zur Zeit geführten Diskussion. Ich wünsche mir sehr, dass diese Diskussion auch zu dem Punkt, den ich gerade angesprochen habe, des Dissenses zwischen Herrn Leifert und mir, wenn ich das so einfach personalisieren darf, ausdiskutiert und die Landesregierung eine Entscheidung treffen wird, wie es 188 Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." weitergehen soll. Das müssen wir dringend, weil wir sonst nicht adäquat unsere Funktionen wahrnehmen können. (Beifall) Johannes Winkel, Moderator: Wir werden diesen Dissens heute sicherlich nicht ausdiskutieren können. Aber ein Gebot der Fairness ist es natürlich, jetzt Herrn Leifert die Gelegenheit zu geben, seine Position darzustellen. Bitte schön, Herr Leifert. Albert Leifert: Schönen Dank dafür. – Ich will eines klarstellen: Das ist nicht nur meine Position, das ist die Position des Städte- und Gemeindebundes NRW, Herr Heinrichs sitzt ja mit am Tisch. Ich will dazu auch etwas als jemand sagen, der zwanzig Gemeindeprüfungsberichte auf den Tisch bekommen und sie dem Rat transparent zu machen versucht hat. Ich will jedoch verschweigen – das ist heute auch besprochen worden –, was die Bevölkerung davon gehabt hat. Ich bin ein entschiedener Verfechter klarer Aufgabentrennung und für weise Selbstbeschränkung des Rates. Aber ich bin entschieden dafür, dass dem Rat Kontrollinstrumente an die Hand gegeben werden, die besser als heute sind. Dazu kann Kommunalaufsicht, verbunden mit einer Gemeindeprüfung, sicherlich in der Lage sein. Aber wir müssen sie – und das ist der Kernpunkt des Papiers – anders organisieren. Wir haben heute von Professor Dammeyer gehört, was an Problemen aus europäischen Richtlinien auf uns zukommt. Ich frage mich: Welches Gemeindeprüfungsamt, mit fünf Personen besetzt, kann das denn alles leisten? Wir haben 36 Gemeindeprüfungsämter im Land mit den verschiedensten Aufgaben: fünf bei den Regierungsbezirken, 31 bei den Kreisen. Diese Aufgaben können sie nicht leisten. Es kommt ein psychologisches Moment hinzu: Welcher Bürgermeister, welcher Rat, welche Gemeindeverwaltung lässt sich unbedingt von demjenigen gern beraten, der auf der anderen Seite – ich drücke es plump aus – den Knüppel der kommunalen Rechtsaufsicht – wie auch immer – in der Hand hat? Das funktioniert nicht. Dr. Jörg Twenhöven: den, die das anders sehen. Ich kenne eine ganze Reihe von Städten und Gemein- Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." 189 Albert Leifert: Deshalb plädieren wir dafür, dass der eigentlichen Rechtsaufsicht etwas an die Hand gegeben wird. (– Heiterkeit – Weitere Zurufe) Deshalb lassen Sie mich eines sagen: Wenn der Rechtsaufsicht an die Hand gegeben würde – wie das der Städte- und Gemeindebund in Bayern, in BadenWürttemberg, aber auch in Finnland besichtigen konnte –, dass eine kommunale Anstalt die Beratung und die Prüfung durchführt sowie die Ergebnisse der Aufsicht an die Hand gibt, wo Spezialisten anderer Art eingesetzt werden können, als dies heute aus der Natur der Sache – das ist überhaupt kein Vorwurf – bei den Gemeindeprüfungsämtern geschehen kann. Die Ergebnisse der Prüfung sollten der Aufsicht an die Hand gegeben werden. Das wäre eine wesentliche Verbesserung. Was ich persönlich in einigen dieser Bereiche gesehen habe und in Gesprächen mit Vertretern der betroffenen Städte und Gemeinden in diesen Gebieten gehört habe, zeigt uns, dass wir organisatorisch sicherlich etwas verbessern können. Es geht nicht um die Verstärkung durch eine staatliche Anstalt; es geht auch nicht um die Abschaffung der Rechtsaufsicht, sondern um eine andere Zuarbeit für diese Rechtsaufsicht, die unter Umständen, gerade was die Prüfung der ausgelagerten Betriebe oder der Eigenbetriebe angeht, sich externen Fachverstandes – und zwar nicht in jedem einzelnen Gemeindeprüfungsamt, sondern eben zentral – bedienen kann. Um auch das zu sagen: Wir haben mit dem Städtetag darüber geredet. Das hätte finanzielle Auswirkungen. Darüber können wir aber reden; das ist für uns überhaupt kein Problem. Ich weiß, dass die größten Städte dieser Beratung nicht so sehr wie die vielen mittleren und kleinen Städte und Gemeinden bedürfen. Deshalb ist es ein Anliegen von uns, dass auf eine andere Art und Weise Beratung und Rechtsaufsicht miteinander verknüpft werden, als das heute der Fall ist. Eine kommunale Gemeindeprüfungsanstalt wäre eine wesentliche Verbesserung. Johannes Winkel, Moderator: Ich registriere angesichts der Dominanz der "gesamtstaatlichen Verantwortung" hier im Saal natürlich den Widerspruch. Aber gerade deshalb ist es legitim, wenn auch der Vertreter eines zweiten Spitzenverbandes, nämlich Herr Stüber, dazu seine Position erläutert. 190 Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." Ernst Otto Stüber: Ich will Herrn Regierungspräsident Twenhöven gerne beipflichten, dass dies ein Ideal ist, von dem wir noch sehr weit entfernt sind. (Zuruf: Eindeutig! Richtig!) Ich will gern zugeben, dass es in einzelnen Bereichen stattfindet, damit keiner sich betroffen fühlt. Das gibt es auch; das findet in Bereichen statt. Aber wenn wir uns die Geschichte der kommunalen Aufsicht vom Staatskuratell von dem, was sie heute ist, bis zu dem Ziel, auch ein fachlich beratendes Hilfsinstrument zu sein, anschauen und weg von der sich oft sehr stark verstehenden Regulierungsbehörde kämen, wären wir auf einem guten Weg. Dazu aber muss eine ganze Menge passieren. Der Innenminister hat visionär angesprochen, wie es weitergehen wird. Aber eines wird sicherlich bleiben: Es wird nach wie vor Kommunen geben – in dieser Form oder in einer anderen –; denn das ist die einzige Form, in der Menschen miteinander leben. Manche Bezirks-, Landes- und Bundespolitiker tun so, als hätten sie ein eigenes Volk. Das sollen sie uns einmal zeigen! Das Volk, die Demokratie, der Ernstfall ist die Kommune. Sie wird sich verändern. Das ist gar keine Frage; dafür bin auch ich. Aber ich stelle die Frage, da wir über diese Reformen nachdenken: Wo liegt denn eigentlich die originäre Aufgabe eines Landes in diesem Europa? Ich hinterfrage die originäre Aufgabe einer Landesregierung; denn alles, was die Landesregierung heute tut, können andere auch leisten. Soziale Wirtschaftspolitik kann der Bund übernehmen. Die Polizei war früher eine kommunale Aufgabe. Bildungspolitik wäre wahrscheinlich, was die Lehrer angeht, eh kommunal besser aufgehoben, (Widerspruch der Zuhörer) wenn wir die entsprechenden Instrumente dafür hätten. Schauen Sie sich die vielen Probleme an den Schulen an. Wenn wir vor Ort den Lehrereinsatz organisieren könnten, wäre er viel leichter und einfacher zu handhaben und praxisorientierter. Ich will bewusst provozieren, weil die staatliche Gemeinschaft, wie gerade gesagt worden ist, nur sehr überzogen hier vertreten ist und der Beifall einen falschen Eindruck gibt, wie es im Lande aussieht. Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." 191 (Heiterkeit) Ich möchte gern die provozierende Frage stellen: Brauchen wir eigentlich noch eine Landesregierung? Oder brauchen wir nicht in einem globalisierten Europa eine ganz andere Form von Regionen? Die europäischen Regionen werden nicht die Länder des Bundes sein. Das ist, glaube ich, unstrittig. (Friedrich Wilhelm Heinrichs: Eben!) Deswegen brauchen wir andere Regionen. Wir müssen – das ist vorhin angesprochen worden – die Mittelinstanzen anders bündeln. Sie können nicht ausschließlich nachgeordnete Behörden der Oberinstanz sein, (Friedrich Wilhelm Heinrichs: Richtig!) sondern sie müssen eine Zusammenfassung der Kooperation von unten darstellen. Ich halte eine solche Diskussion, wie sie heute in der WAZ steht, für unsinnig. Schon der Artikel ist ein Widerspruch. Einerseits spricht er für eine Metropole und gegen Gigantonomie, besagt aber andererseits, man brauche die kleinen Gemeinsamkeiten; sie müssten ausgebaut werden. Die beiden, die das gefordert haben – das kann ich ja offen sagen –, haben an Kooperation bisher nicht allzu viel gezeigt. (Heiterkeit und Beifall) Ich bin bereit zur Kooperation. Das setzt aber voraus, dass jeder Einzelne etwas abgibt. Aber man kann nicht sagen: Ich will eine große Metropole; keiner darf Verlierer, sondern muss teilweise Gewinner sein. Die Quadratur des Kreises werden wir in der Form nicht hinkriegen. Eine solche Aussage ist für Schlagzeilen, aber nicht für die Praxis gut. Also frage ich – jetzt ist der Innenminister wieder da –: Brauchen wir eigentlich überhaupt noch eine Landesregierung? (Große Heiterkeit) Johannes Winkel, Moderator: Die Provokation ist insoweit gelungen, als sich sofort Herr Groth gemeldet hat. Herr Groth hat versprochen, in einem Satz zu antworten. Darauf bin ich gespannt. 192 Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." Ewald Groth: Dann muss ich verschiedene Kommata einfügen. Dass wir für die Gemeindeprüfung in NRW endlich eine Anstalt bekommen sollten, war 1995, als ich erstmals in den Landtag gewählt wurde, schon klar. Damals lag das WiberaGutachten ja schon vor. Das ist dann durch den Innenminister, Herrn Kniola, verschoben worden, der den Bezirksregierungen für eine Anpassung an moderne Erfordernisse Luft verschafft hat. Dazu war bis heute fünf Jahre Zeit. Dr. Fritz Behrens: Nein, nein, Entschuldigung! Ewald Groth: Wir sind uns ja einig. – Ich finde, wir brauchen dringend sehr viel mehr Beratung. Weiter will ich mich nicht auf ein Modell festlegen. Die Anstalts-Lösung ist kurz vor der letzten Landtagswahl aus folgendem Grund gescheitert. Alle Betroffenen, Landräte und Bezirksregierungen, hatten sich aufgebäumt und gefordert: Wir wollen auf jeden Fall nichts abgeben, alles soll so bleiben wie es ist. Genau das hat Herr Stüber, der Oberbürgermeister von Bochum, gerade angesprochen. So geht es nicht! So können wir nicht weitermachen! Wir müssen das Beharrungsvermögen – bitte schön bei uns allen – durchbrechen! Das müssten wir frei von Lobbyistentum tun. Dann könnten wir zu den optimalen Lösungen kommen. Ich glaube, dass das im Falle der Gemeindeprüfung tatsächlich eine Anstalt sein wird. Im Fall von Gelsenkirchen und Oberhausen, kann ich nur sagen, Herr Stüber, haben Sie völlig Recht: Wir müssen darüber nachdenken, was die Städte abgeben. Deswegen erfolgt dieser Vorstoß nicht in den luftleeren Raum. Hannover und Stuttgart sind keine Modelle, die übertragen werden können. Aber wir müssen darüber nachdenken, wenn wir die Ruhr-Region nach vorne bringen wollen. – Das waren jetzt eineinhalb Sätze, Entschuldigung. Johannes Winkel, Moderator: Aber mit zahllosen Kommata. – Frau Dr. Pröhl, Sie haben sich sehr lange geduldet. Dr. Marga Pröhl: Ich freue mich, dass ich mit der Frage, die ich vorhin gestellt hatte, einen Klärungsprozess angestoßen habe. Ich höre hier: Rechtsaufsicht Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." 193 und Beratung. Sie müssen untereinander noch klären, wo diese beiden Funktionen sinnvollerweise untergebracht und wahrgenommen werden müssen. Aber ich vermisse, ehrlich gesagt, nach all dem, was vorhin über die Intransparenz gegenüber dem Bürger gesagt worden ist, die ihm nicht erlaube, sich einzubringen, und angesichts der hehren Visionen von einer aktiveren Bürgerschaft, die wir hervorbringen wollen, die klare Aussage: Unser Hauptziel muss es sein, Transparenz gegenüber dem Bürger herzustellen. Das ist der einzige Weg, um eine aktive Bürgerschaft, um eine lebendige Kommune hervorzubringen, in der Bürger die Möglichkeit haben, sich einzubringen. Das bedeutet meines Erachtens einen Paradigmenwechsel. Ich sage es so, wie ich es beurteile. Sicherlich habe ich damit Unrecht, und Sie werden mir tausend Gründe sagen, warum das nicht stimmt. Es stellt sich aus meiner Sicht so dar, als wäre im Moment im Mittelpunkt permanent die Frage: Wie müssen sich Kommunen gegenüber dem Staat – sprich: Kommunalaufsicht – rechtfertigen, und wie müssen sie geprüft werden? Meines Erachtens – das habe ich heute Morgen mit dem Beispiel der Audit Commission deutlich zu machen versucht – muss es eine andere Seite der Medaille geben, nämlich die der Transparenz gegenüber der Bürgerschaft. Wenn es durch eine Initiative der Kommunalaufsicht gelingen könnte, dass Kommunen auf der einen Seite sehr viel Freiheit bekommen, die sie benötigen, damit sie sich mit der sich permanent verändernden Gesellschaft möglichst schnell und effektiv ändern können, brauchen sie aber auch Verantwortung – als Stichwort – und die Pflicht, sich gegenüber dem Bürger zu rechtfertigen, Transparenz zu gewährleisten und dem Bürger damit Mitspracherechte und Beurteilungsmöglichkeiten zu geben. Das wünsche ich mir von einer Kommunalaufsicht – jetzt nicht als Mitarbeiterin der Bertelsmann Stiftung, sondern als Bürgerin. Johannes Winkel, Moderator: Herr Dr. Behrens. Dr. Fritz Behrens: Ich bin vorhin hinausgegangen, als es noch um die Aufsicht und um das Selbstverständnis ging. Kurz drei Sätze dazu: Ich glaube, dass Kommunalaufsicht Teil umfassender staatlicher Zuständigkeit für die Kommunen ist und das nicht separat diskutiert werden kann, dass die Aufsicht in andere Tätigkeit nicht nur eines Innenministeriums, sondern einer Landesverwaltung und Landespolitik eingebunden ist. Wenn ich auf den Innenminister schaue, geht es dabei auch um die Vorbereitung vernünftiger Gesetzgebung. Das geht nicht nur durch Rechtsaufsicht. Die notwendigen Erfahrungen und das Lernen für solche Beratungsaufgaben ge- 194 Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." genüber dem Parlament, der ersten Gewalt, geht nicht allein durch Wahrnehmung von Rechtsaufsicht, sondern ist lernende, beratende Aufsichtstätigkeit/Verwaltungstätigkeit. Es geht um Fürsorge gegenüber den Kommunen – das ist viel mehr als nur die Wahrung von Rechten und als die Kontrolle der Rechtseinhaltung –; Fürsorge auch im Verhältnis der übrigen Fachverwaltungen gegenüber der Kommunalaufsicht mit sehr, sehr vielen Ansprüchen, Abwehr von unsittlichen Vorstellungen etwa, die nicht allein durch Rechtsaufsicht gewährleistet werden kann. Ich gehe jetzt auf Ihre Ausführungen ein, Frau Pröhl, und formuliere es wie folgt. Die Reformen, die im Gang sind, sind zu unterstützen und zu ermöglichen. Das ist in den vergangenen Jahren alles schon passiert. Der staatliche Teil eines Gesamtmodernisierungsprozesses muss noch besser, offener, drängender und fördernder werden. Es gibt ein kleines Problem im Verhältnis zu den kommunalen Spitzenverbänden, was Aufgabe von Selbstorganisation der Kommunen ist, auch was Beratung und Unterstützung der Kleineren im Geleitzug betrifft, die nicht aus dem Blick verloren werden dürfen. Es sind nicht alle Kölner, schlicht von der Größenordnung her, sondern auch nach der kommunalen Neugliederung besteht nach wie vor ein großer Unterschied in den Größenklassen unserer Städte und Gemeinden. Wir müssen dafür sorgen, dass die Stufen nicht zu weit auseinanderlaufen und auch die Langsamen eine Chance haben mitzukommen. Wir stellen fest: Nicht allein die kommunalen Spitzenverbände – Sie können es vermutlich auch nicht – können diese Unterstützung leisten; dazu braucht es die Wahrnehmung von Aufsicht. Dazu gehört als ein Mittel, Frau Pröhl, auch Transparenz. Das ist Ihr Begriff; ich nehme ihn auf. Das Thema Durchschaubarkeit hat uns den ganzen Tag über begleitet. Was, Herr Böllinger, ist in Köln von dem, was passiert, durchschaubar? Herr Leifert hat gesagt, die Bürger wollten wissen, wer für was verantwortlich ist. Facetten dieses Themas kamen heute in jedem Vortrag vor. (Dr. Marga Pröhl: Aber es wird nicht gelöst!) Darauf gibt es keine einfache Antwort, sondern die: Wenn Bürgermitwirkung unser Ziel ist – das ist ja verschiedentlich formuliert worden –, ist Information der erste Schritt in diese Richtung. Dieses Thema hatte Herr Wilmbusse angesprochen. Der uninformierte Bürger ist nicht der mündige Bürger; das kann er nicht sein. Ich argumentiere jetzt sehr kurz; das wird bruchstückhaft sein. Das hat mit Engagement und mit unserem Ziel der Bürgergesellschaft zu tun. Das hat mit Wahlbetei- Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." 195 ligung und damit zu tun, dass selbst das Angebot, nun direkt den Bürgermeister, den Landrat usw. wählen zu können, von den Menschen nicht so angenommen wird, wie wir uns das erhofft hatten. Die Wahlbeteiligung ist ja leider nicht so, wie wir sie durch Gesetzesänderungen für beeinflussbar gehalten haben. Es fehlt doch offensichtlich etwas. Das fordert und klagt Frau Pröhl ein. Rein gesetzestechnisch haben wir die Voraussetzungen geschaffen. Wir Funktionsträger leben in dem politischen Bewusstsein – Reinhard Wilmbusse hat das sehr gut beschrieben – und glauben, es sei alles bestens gerichtet. Zieht man sich in die Privatheit zurück, erlebt man die Welt aus einer ganz anderen Perspektive. Das wird jeder schon einmal erlebt haben und kann es daher nachvollziehen. Es bestehen offensichtliche Lücken. Die Informationsgesellschaft von heute braucht andere Mittel und Möglichkeiten, den Zugang vor allem zu jungen Menschen zu finden. Ich darf Sie von Herrn Beckstein grüßen. Wir werden morgen den Antrag auf das NPD-Verbot beschließen. Deshalb musste ich kurz hinaus. Ich habe das eingeflochten; denn diese Partei NPD versteht es wie keine andere politische Organisation, junge Menschen mit neuen technischen Mitteln anzusprechen. Schauen Sie sich das einmal an! Der Leiter unseres Verfassungsschutzes sitzt hier und könnte darüber einen langen Vortrag halten. Das müssen wir staatstragenden Parteien besser als bisher lernen, und das müssen die staatlichen kommunalen Organisationen besser als bisher lernen: dass sich die Welt radikal verändert hat und dass wir mit unseren traditionellen Denkkategorien überhaupt nicht hinterherkommen. Johannes Winkel, Moderator: Meine Damen und Herren, ich habe es gewusst: Das Thema Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht können wir nicht ansatzweise erschöpfend behandeln. Das ist gut so; denn so ist gewährleistet, dass uns für heute Abend noch ausreichend Gesprächsstoff zur Verfügung steht und wir darüber hinaus – das ist eine Erfahrung aus dem heutigen Tag – gelegentlich solche Veranstaltungen aus anderen Anlässen, aber in ähnlicher Zusammensetzung wiederholen sollten. Das ist aber meine ganz persönliche Meinung; sie ist mit niemandem abgestimmt. Ich möchte den Diskutanten auf dem Podium sehr herzlich für ihre Mitwirkung danken, (Lebhafter Beifall) und ich möchte Ihnen für die Geduld danken. Sie waren ein außerordentlich geduldiges Publikum; denn es war ein langer und anstrengender Tag vor allem deshalb, 196 Podiumsdiskussion: "Reformnotwendigkeiten von Kommunen und Kommunalaufsicht." weil Sie bislang so wenige Möglichkeiten hatten, sich einzubringen. Aber das ändert sich ab sofort. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. (Lebhafter Beifall) 197 Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer - Kurzbiografien - Seite Dr. Fritz Behrens Hartmut Beuß Werner Böllinger Professor Dr. Manfred Dammeyer Professor Dr. Dirk Ehlers Ewald Groth Friedrich Wilhelm Heinrichs Friedrich Wilhelm Held Professor Dr. Hans-Günter Henneke Albert Leifert Professor Dr. Janbernd Oebbecke Rudolf Oster Heinrich Pflock Dr. Marga Pröhl Ernst-Otto Stüber Dr. Jörg Twenhöven Reinhard Wilmbusse Johannes Winkel 198 199 199 200 200 201 202 203 203 206 207 208 209 209 209 211 211 212 198 Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer Dr. Fritz Behrens geboren am 12. Oktober 1948 in Göttingen, verheiratet, zwei Kinder Abitur am mathematisch-naturwissenschaftlichen Felix-Klein-Gymnasium in Göttingen anschließend zwei Jahre Bundeswehr; Leutnant der Reserve ab Oktober 1969 seit 1972 24.April 1974 22.Juni 1976 ab 1975 25.November 1977 ab 1. Dezember 1977 1978 ab 19. März 1979 4. Juni 1980 ab 15. August 1983 ab 15. Dezember 1986 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Georg-August-Universität in Göttingen Mitglied der SPD, zur Zeit Mitglied im Bezirksvorstand Niederrhein der SPD 1. juristisches Staatsexamen in Celle, anschließend Fertigung der Dissertation mit dem Titel "Rechtsgrundlagen der Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaften" bei Professor Dr. Zieger am Institut für Völkerrecht Promotion an der Georg-August-Universität in Göttingen Referendarausbildung in Hannover und Celle Zweites juristisches Staatsexamen Hilfsreferent in der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, Abteilung "Ressortkoordination und politische Planung" im Aufgabengebiet "Innen- und Rechtspolitik" Auszeichnung der Dissertation mit dem "Oce-van-derGrinten-Preis für Umweltschutz" Persönlicher Referent des damaligen Chefs der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Herbert Schnoor Wechsel in das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen als Persönlicher Referent des neuen Innenministers Dr. Herbert Schnoor Leiter des Büros des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. h. c. Johannes Rau Regierungspräsident in Düsseldorf, mit ca. 5,3 Mio. Einwohnern größter Regierungsbezirk in der Bundesrepublik Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer ab 17. Juli 1995 ab 9. Juni 1998 ab 1. März 1999 ab 1. Januar 2000 199 Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen Minister für Inneres und Justiz des Landes NordrheinWestfalen Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder (IMK) Hartmut Beuß 5.12.1954: 1961 – 1973: 1976 – 1982: 1982 – 1984 : 1984 – 1987: Mai 1987: bis Oktober 1990: Oktober 1990: bis August 1993: bis Mai 1999: ab Juni 1999: geboren in Rostock Schulbesuch (Volksschule, Gymnasium) in Köln Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Köln mit dem Abschluss Diplomvolkswirt Mitarbeit im Forschungsprojekt "Ausgabeverhalten von Sozialhilfeempfängern" am Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik in Köln Verwaltungsreferendariat beim Land NordrheinWestfalen Übernahme in den Landesdienst Einführungsausbildung, anschließend Tätigkeit als Dezernent bei der Bezirksregierung Düsseldorf Wechsel in das Innenministerium NordrheinWestfalen, Kommunalabteilung Referent im Bereich Finanz- und Haushaltsplanung Referatsleiter für den Bereich wirtschaftliche Betätigung, Kommunalabgaben, Sparkassen Leitung der Gruppe kommunales Wirtschafts-, Finanzund Prüfungswesen in der Kommunalabteilung Werner Böllinger Werner Böllinger ist seit dem 19. November 1996 Stadtkämmerer der Stadt Köln und vom Rat der Stadt für acht Jahre in dieses Amt gewählt. Er leitet das Dezernat II - Finanzen und Liegenschaften. Zu seinem Geschäftskreis gehören: • • • die Kämmerei mit der Zentralen Finanzsteuerung das Kassen- und Steueramt das Amt für Liegenschaften, Vermessung und Kataster. 200 Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer Werner Böllinger ist 52 Jahre alt. Er trat 1969 als Stadtinspektorenanwärter in den Dienst bei der Stadt Köln ein. Von 1972 an war er in unterschiedlichen Aufgabengebieten bei der Kämmerei tätig. Unter anderem betreute er den Finanzausschuss des Rates. Von Mitte 1985 bis Mitte 1990 war er der persönliche Referent der früheren Stadtkämmerer Gerd Ludemann und Jörg-Michael Gleitze. Von Juli 1990 bis Ende Juni 1992 hatte Böllinger die Funktion des stellvertretenden Amtsleiters der Kämmerei inne und leitete die Haushaltsabteilung des Amtes. Seit dem 1. Juli 1992 war er Amtsleiter der Kämmerei der Stadt Köln. Professor Dr. Manfred Dammeyer wurde 1939 in Hausberg a.d. Porta geboren. Nach dem Abitur 1958 studierte er Sozialwissenschaften und Erziehungswissenschaften und schloß 1963 mit dem Diplom-Sozialwirt ab. Die Promotion erfolgte 1979. Manfred Dammeyer leitete als jüngster Direktor in der Bundesrepublik die Volkshochschule Oberhausen bis 1975. Er ist Honorarprofessor für Politische Wissenschaften an der Universität/ Gesamthochschule Duisburg. Von 1995 bis 1998 war er Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten. Der SPD gehört er seit 1957 an. Von 1976 bis 1990 war Manfred Dammeyer stellvertretender Vorsitzender des SPD-Bezirks Oberhausen. Dem Landtag NordrheinWestfalen gehörte er von 1975 bis 2000 an. Im Februar 1998 wählte ihn der Ausschuss der Regionen der Europäischen Union zum Vorsitzenden. Von November 1998 bis zum Ende der 12. Legislaturperiode führte er als Vorsitzender die SPDLandtagsfraktion. Professor Dr. Dirk Ehlers Geb. 1945; rechtswissenschaftliches Studium und sozialwissenschaftliches Aufbaustudium in Kiel, Freiburg und Konstanz; 1. Staatsexamen in Schleswig-Holstein; 2. Staatsexamen in Baden-Württemberg; Promotion 1973 (Universität Konstanz); Habilitation 1981 (Universität Erlangen-Nürnberg); seit 1982 Professor für Öffentliches Recht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; Geschäftsführender Direktor des Instituts für öffentliches Wirtschaftsrecht; Richter am Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (1988 - 1996); Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät (1994 - 1996); Vorstandsmitglied des Freiherr-vomStein-Instituts, Wissenschaftliche Forschungsstelle des Landkreistages NordrheinWestfalen an der Universität Münster; Vorstandsmitglied des Zentrums für Außen- Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer 201 wirtschaftsrecht e. V.; Beiratsvorsitz des Europäischen Forums für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e. V.; Direktor der Forschungsstelle für Versicherungswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität. Ewald Groth Geboren am 10. Oktober 1953 in Lünen; verheiratet, zwei Kinder. Mittlere Reife 1969, Fachoberschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik; Fachhochschulreife 1973. Von 1973 bis 1975 Fachhochschule für Sozialarbeit in Dortmund. Von 1976 bis 1981 Heilpädagogisöche Hochschule in Dortmund. 1981 erstes Staatsexamen für das Lehramt an Sonderschulen. Seit 1983 Sonderschullehrer; von 1983 bis 1989 Krankenhauslehrer an der Kinder- und Jugendpsychatrie Osnabrück. Gestaltpädagogische Ausbildung am Fritz-Perls-Institut. Von 1989 bis 1995 Sonderschullehrer an der Albert-Schweitzer-Schule in Münster (Schule für Lernbehinderte, Montessori-Schule); Ausbildung zum Montessori-Lehrer(Diplom). Mitglied der GRÜNEN seit 1989. Von 1989 bis 1995 Mitglied des Gemeinderates Ostbevern (Fraktionssprecher). 1994 bis 1995 Mitglied des Kreistages Warendorf (stellv. Fraktionssprecher). Mitglied im Hauptausschuss Städte- und Gemeindebund NRW von 1990 bis 1995, seit Juni 1995 Mitglied im Präsidium. Kooptiertes Mitglied im Vorstand des Landkreistages NRW seit August 2000. Abgeordneter des Landtags Nordrhein-Westfalen seit 1. Juni 1995. Sprecher der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Kommunalausschuss und im Sportausschuss. Ewald Groth kandidierte als Direktkandidat in Bochum und auf Platz 8 der Reserveliste seiner Partei für die Landtagswahl am 14. Mai 2000 und ist einer von 17 Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN in der 13. Legislaturperiode. 202 Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer Friedrich Wilhelm Heinrichs Name: Vorname: Geburtstag: Familienstand: Religionsgem.: Heinrichs Friedrich Wilhelm 11. Mai 1937 verheiratet evangelisch Schul- und Berufsausbildung: 1943 - 1947 1947 - 1956 1956 - 1961 1962 – 1966 Volksschule Gymnasium Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Bonn, Freiburg und Berlin Vorbereitungsdienst für die Zweite juristische Staatsprüfung Bestandene Prüfungen: 1956 1961 1966 Reifeprüfung am Hollenberg-Gymnasium in Waldbröl Erste juristische Staatsprüfung beim Oberlandesgericht Köln Zweite juristische Staatsprüfung beim Justizprüfungsamt in Düsseldorf Beruflicher Werdegang: 15.05.66 - 31.12.1968 ab 01.01.1969 ab 01.01.1971 ab 01.01.1973 1980 Referent beim früheren Rheinischen Gemeindetag bzw. Städte- und Gemeindeverband NRW Beigeordneter beim Städte- und Gemeindeverband NW in Düsseldorf Beigeordneter beim Nordrhein-Westfälischen Städteund Gemeindebund zugleich Beigeordneter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Wiederwahl als Beigeordneter des Deutschen und Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer ab 01.01.1987 1988 ab 01.12.1994 ab 01.12.1994 bis 31.12.1997 von 1973 – 1997 ab 1973 ab 01.01.1998 ab 1995 ab 01.09.2000 203 Erster Beigeordneter und damit Allgemeiner Vertreter des Geschäftsführenden Präsidialmitgliedes zweite Wiederwahl Geschäftsführendes Präsidialmitglied des NordrheinWestfälischen Städte- und Gemeindebundes zugleich Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (bis zum Umzug der Hauptgeschäftsstelle des deutschen Verbandes nach Berlin) Mitglied des Finanzplanungsrates und des Konjunkturrates Mitglied des Vorstandes des Deutschen Sparkassenund Giroverbandes, Vizepräsident des Verbandes Mitglied des Vorstandes des Gemeindeversicherungsverbandes in Köln Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen Friedrich Wilhelm Held Ein echter "Lipper" (die im Lipperland leben, wissen was gemeint ist). Ausbildung als Jurist. Tätig seit 1968 in der Landesverwaltung, Regierungsvizepräsident in Detmold. Seit 1987 Leiter der Kommunalabteilung im Innenministerium. Anhänger der Bürgerkommune in Gemeinde und Stadt. Professor Dr. Hans-Günter Henneke 11.05.1957 10.04.1964 1967 – 1976 26.05.1976 WS 1976/77 – geboren in Bassum, Landkreis Diepholz Einschulung in die Volksschule Syke Besuch des Gymnasiums Syke Abitur (Durchschnittsnote 1,8) 204 WS 1980/81 03.11.1981 ab 01.02.1982 01.01.1980 – 31.10.1982 01.11.1982 – 31.10.1985 01.04.1983 – 31.12.1988 14.09.1984 01.11.1985 – 31.12.1988 26.02.1986 22.05.1987 26.09.1988 01.01.1989 – 28.02.1993 Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer Studium der Rechtswissenschaft an der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel Erste Juristische Staatsprüfung vor dem Justizprüfungsamt bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig (vollbefriedigend, 12 Punkte) Juristischer Vorbereitungsdienst mit Stationen in Kiel, Kronshagen und Schleswig, anschl. Große Juristische Staatsprüfung vor dem Gemeinsamen Prüfungsamt bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg (ebenfalls vollbefriedigend, Vorstellungsnote: gut ) Nebenamtlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lorenz-von-Stein-Institut für Verwaltungswissenschaften an der Universität Kiel bei Prof. Dr. von Mutius Fakultätsassistent der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Lehrbeauftragter am Ausbildungszentrum Verwaltung (Verwaltungsfachhochschule Altenholz) in den Fachbereichen Polizei und Allgemeine Verwaltung Heirat mit der derzeitigen Staatsanwältin Susanne Henneke, geb. Andres Wissenschaftlicher Assistent am Lorenz-von-SteinInstitut für Verwaltungswissenschaften Promotion zum Doktor der Rechte (summa cum laude), Dissertation: Landwirtschaft und Naturschutz, 643 Seiten Zuerkennung eines staatlichen Preises der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel durch die Rechtswissenschaftliche Fakultät für die o. g. Dissertation (Fakultätspreis) Wahl zum Kreisrat (Leitender Beamter auf Zeit) des Landkreises Diepholz (Niedersachsen) Kreisrat des Landkreises Diepholz, Dezernent für die Bereiche Ordnung und Ausländer, Straßenverkehr, Veterinärwesen, Schule und Kultur, Soziales, Jugend, Ge- Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer seit 01.10.1990 1991 – 1992 10.11.1992 01.03.1993 – 30.09.1995 01.11.1994 – 31.10.1995 10.05.1995 25.09.1995 27.09.1995 01.10.1995 14.03.1996 01.05.1996 14.11.1991 seit 1994 seit 1996 seit 1996 seit 01.01.1997 seit 1998 seit 1999 28.09.2000 205 sundheitswesen, Krankenhäuser, Lastenausgleich und Hochbau Lehrbeauftragter an der Universität Osnabrück Zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen für Landräte und andere kommunale Wahlbeamte in Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie Seminare für Landtagsabgeordnete der neuen Länder Wahl zum Beigeordneten des Deutschen Landkreistages Beigeordneter des Deutschen Landkreistages, Dezernat II: Kommunalverfassung, Ordnungsverwaltung, Europa, Kultur Lehrbeauftragter an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Ruf auf den Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Wahl zum Ersten Beigeordneten und Stellvertreter des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Landkreistages Ablehnung des Rufs auf den Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft Erster Beigeordneter und Stellvertreter des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Landkreistages Bestellung zum Honorarprofessor an der Universität Osnabrück Erweiterung des Dezernats um die Bereiche Verwaltungsorganisation und Finanzen Berufung zum Mitglied des Landesjustizprüfungsamtes im Niedersächsischen Justizministerium in Hannover Beirat Niedersächsische Verwaltungsblätter Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift für Gesetzgebung Mitglied des Verwaltungsrates der KGSt Stellv. Vorstandsmitglied im DSGV Beirat Deutsches Verwaltungsblatt Mitglied des Präsidiums der Freiherr-vom-SteinGesellschaft Wahl in die Ständige Deputation des Deutschen Juristentages 206 Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer Zahlreiche Veröffentlichungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts und der Verwaltungslehre, zuletzt u. a.: • • • • • • Die Kommunen in der Finanzverfassung des Bundes und der Länder (3. Aufl. 1998) Landesfinanzpolitik und Verfassungsrecht (1998) Organisation kommunaler Aufgabenerfüllung (1998) Optimale Aufgabenerfüllung im Kreisgebiet? (1999) Reform der Aufgaben- und Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Kommunen (1999) Kommunen und Europa – Herausforderungen und Chancen (2000) Mitarbeit an den Kommentaren zum Verwaltungsverfahrensgesetz (Knack, 6. Aufl. 1998, 7. Aufl. 2000) und zum Haushaltsrecht (Heuer, Stand: Juni 1999). Albert Leifert Geboren am 16. September 1936 in Schwelm/Ennepe-Ruhr-Kreis; verheiratet. Volksschule, Gymnasium, Abitur 1956. Studium an der Universität Münster (Chemie und Volkswirtschaft). Von 1965 bis 1967 angestellt im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb. Von 1967 bis 1992 selbständiger Landwirt. Mitglied der CDU seit 1961. Von 1967 bis 1969 stellvertretender und von 1970 bis 1971 Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Drensteinfurt. Von 1968 bis 1972 Mitglied des Vorstandes des CDU-Kreisverbandes Lüdinghausen und von 1979 bis 1981 Mitglied des Vorstandes des CDU-Kreisverbandes Warendorf-Beckum, von 1981 bis 1985 stellvertretender Vorsitzender dieses Kreisverbandes, 1987 bis 1995 Vorsitzender. 1975 bis 1986 Mitglied des Fachausschusses für Agrarpolitik der CDU Westfalen-Lippe, seither Mitglied des Landesagrarausschusses NRW. Von 1975 bis 1979 stellvertretender und 1979 bis 1987 Vorsitzender des Fachausschusses für Agrarpolitik des CDU-Kreisverbandes Warendorf-Beckum. Seit 1974 Mitglied des Vorstandes des CDU-Ortsverbandes Drensteinfurt. Seit 1981 Vorstandsmitglied der CDU-Mittelstandsvereinigung Kreisverband Warendorf-Beckum. Seit 1967 Mitglied des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes. Seit 1981 Mitglied des Vorstandes des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Warendorf, 1973 bis 1991 Mitglied des Vorstandes Saatbauverein Münster. 1983 bis 1991 Mitglied des Beirates des Bundesverbandes Landwirtschaftlicher Pächter. Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer 207 Seit 1975 Mitglied des Rates der Stadt Drensteinfurt. Von 1976 bis 1979 Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion Drensteinfurt und von 1979 bis 1999 Bürgermeister der Stadt Drensteinfurt. Seit 1985 Mitglied des Präsidiums des Städte- und Gemeindebundes NRW, ab September 1991 Vizepräsident, Juli 1992 bis Juni 1996 Präsident, Juli 1996 bis November 1998 1. Vizepräsident, seit Dezember 1998 Präsident. Seit 1991 Mitglied des Präsidiums des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Abgeordneter des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 30. Mai 1985 bis 1.Juni 2000. Direkt gewählt im Wahlkreis 100, Warendorf I. Mitgliedschaften in folgenden Ausschüssen: Ausschuss für Kommunalpolitik ordentl. Mitglied Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten u. Naturschutz ordentl. Mitglied Verkehrsausschuss stv. Mitglied Ausschuss für Verwaltungsstrukturreform stv. Mitglied Haushalts- und Finanzausschuss stv. Mitglied Von 1987 bis 2000 Kommunalpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Professor Dr. Janbernd Oebbecke geboren 1950 1969 - 1974 1976 1977 1979 1979 – 1981 1981 - 1987 1986 1987 - 1993 Studium der Rechtswissenschaft an der Westf. Wilhelms-Universität Münster Ergänzungsstudium an der Verwaltungshochschule Speyer Zweites juristisches Staatsexamen Promotion Verwaltungsbeamter beim Landschaftsverband Westfalen in den Abteilungen für Kulturpflege und Sozialhilfe Leiter des Freiherr-vom-Stein-Instituts, Wissenschaftliche Forschungsstelle des Landkreistages NordrheinWestfalen an der Universität Münster Habilitation für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Universität Münster Beigeordneter und Erster Beigeordneter beim Landkreistag Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf 208 1994 - 1997 seit 1997 Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer Universitätsprofessor für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; Gründungsdekan der Juristischen Fakultät Universitätsprofessor für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Westf. Wilhelms-Universität Münster Geschäftsführender Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Münster Geschäftsf. Direktor des Freiherr-vom-Stein-Instituts an der Universität Münster Mitherausgeber des Deutschen Verwaltungsblattes Rudolf Oster Name: Vorname: Geburtstag: Geburtsort: Oster Rudolf 08.11.1940 Urmitz/Rhein Berufliche Tätigkeit bei: Amtsverwaltung Weißenthurm Stadtverwaltung Koblenz FHöV Rheinland-Pfalz Landkreistag Rheinland-Pfalz Ministerium des Innern und für Sport Schriftleitung: Deutsche Verwaltungspraxis (DVP) Praxis der Kommunalverwaltung, Landesausgabe Rheinland-Pfalz Veröffentlichungen: Neben zahlreichen Veröffentlichungen in Fachzeitschriften Mitarbeit am Kommentar "Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz", Kommentierung zur AGVwGO Rheinland-Pfalz und des AGBSHG Rheinland-Pfalz Lehrtätigkeit: Dozent an der VWA Rheinland-Pfalz, Teilanstalten Koblenz, Mainz und Trier Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer 209 Heinrich Pflock geb. 1942 Nach Abitur in Recklinghausen Studium in Münster und an der FU Berlin 1. Examen OLG Hamm Referendarzeit und Assessorexamen in Hessen Seit 1971 im Landesdienst Hessen (zunächst beim RP Kassel und bei einem Landratsamt, danach verschiedene Funktionen im Innenministerium.). Seit 1991 Leiter der Abteilung für kommunale Angelegenheiten und Sport. Dr. Marga Pröhl Studium der Sozialwissenschaften (1974 - 1979) Schwerpunkt: Theorie und Praxis der Führungskräfteausbildung/ Entwicklung unternehmerischen Handelns in Wirtschaft und Verwaltung Forschungsaufenthalte im Ausland • Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Osnabrück (1981/82) • Führungsfunktion bei den Vereinten Nationen, UNDP (1985 - 1989) Betreuung überregionaler Projektarbeit • Bereichsleiterin "Staat und Verwaltung", Bertelsmann Stiftung (seit 1989) Reform öffentlicher Dienste im Verwaltungs- und Bildungsbereich Ernst-Otto Stüber Dezernent für die Ämter: • Amt für Angelegenheiten des Rates und des Oberbürgermeisters • Presse- und Informationsamt • Rechnungsprüfungsamt 210 • • Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer Gleichstellungsstelle Geschäftsstelle Frauenbeirat geb. 4. Juli 1940 in Hannover, Journalist, verheiratet 3 Kinder bis 1963 Volksschule, Realschule, Gymnasium 1963 - 1965 1965 - 1970 Ab 1970 1975 - 1980 1985 - 1994 Ausbildung als Journalist (Volontariat) Lokalredakteur der Westfälischen Rundschau in verschiedenen Revierstädten Gewerkschaftsredakteur der IG Bergbau und Energie Bezirksvorsteher Bochum-Ost Abgeordneter des Landtags Nordrhein-Westfalen. Seit dem 4. November 1994 erster hauptamtlicher Oberbürgermeister in Bochum. Kraft dieser Funktion (Oberbürgermeister) Mitglied verschiedener Gremien, z.B.: • • • • • • • • • • Mitglied im Präsidium und Hauptausschuss des Deutschen Städtetages sowie Vorsitzender des Städtetages NW Vorsitzender der kommunalen Arbeitgeberverbände und Verhandlungsführer bei den Tarifrunden für den öffentlichen Dienst Mitglied des Kuratoriums der Ruhr-Universität und der Fachhochschule Bochum Mitglied des Kuratoriums Pro Ruhrgebiet e.V. Mitglied des Aufsichtsrates der Energie- und Wasserversorgung Mittleres Ruhrgebiet GmbH Aufsichtsratsvorsitzender der Holding für Versorgung und Verkehr GmbH Bochum Vorsitzender des Verwaltungsrates der Sparkasse Bochum Mitglied des Vorstandes des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Gelsenwasser AG Stellvertretender Vorsitzender des Genossenschaftsrates der Emschergenossenschaft Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer 211 Dr. Jörg Twenhöven Dr. Jörg Twenhöven ist seit November 1995 Regierungspräsident. Der 58 Jahre alte Twenhöven (geboren am 18. Juli 1941) studierte in Münster und in Fribourg/Schweiz Geschichte, Philosophie, Publizistik und Jura. Der gebürtige Sauerländer (Bigge im Hochsauerlandkreis) schloss 1966 das Studium mit dem juristischen Lizenziat ab. 1972 promovierte er zum Dr. jur. utr. mit dem Dissertationsthema "Die Stellung der Legislative im Staatsnotstand". Dr. Twenhöven ist verheiratet und hat vier Kinder. 1969 wurde er hauptamtlicher Dozent der Katholisch-Sozialen Akademie "FranzHitze-Haus" in Münster. 1971 erfolgte die Übernahme als Beamter im Kirchendienst (i.K.). Er erhielt eine Berufung zum Leiter des Diözesan-Bildungswerks im Bistum Münster und zum Leiter der Abteilung Erwachsenenbildung im Bischöflichen Generalvikariat. Die parteipolitische Laufbahn begann Twenhöven 1964 mit dem Eintritt in die CDU. 1968 übernahm er den Kreisvorsitz der Jungen Union Münster, wurde 1970 Mitglied des Kreisvorstands der CDU Münster, 1972 Vorsitzender der CDU Ortsunion Münster-Coerde, 1985 Mitglied des NRW-Landesvorstands der CDU, 19901996 Landesvorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU in Nordrhein-Westfalen. 1969 begann er seine kommunalpolitische Tätigkeit als sachkundiger Bürger im Rat der Stadt Münster. 1975 wurde er Ratsmitglied, Kulturpolitscher Sprecher seiner Fraktion und Vorsitzender des Kulturausschusses. 1984 erfolgte seine Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Münster mit Wiederwahl 1989. 1994 wurde er Erster Bügermeister. 1990 und 1995 erhielt er ein Mandat im nordrhein-westfälischen Landtag. Reinhard Wilmbusse geb. 1932 1953 bis 1975 1971 bis 1994 1975 bis 1994 198o bis 1994 1994 bis 1999 Dipl. Rechtspfleger an NRW - Amtsgerichten ehrenamtl. Bürgermeister der Alten Hansestadt Lemgo Mitglied im NRW - Landtag kommunalpolitischer Sprecher der SPD - Fraktion hauptamtl. Bürgermeister der Alten Hansestadt Lemgo 212 Verzeichnis der Referenten und Diskussionsteilnehmer Johannes Winkel geboren 1955 Studium der Rechtswissenschaften von 1973 bis 1979 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Eintritt in die Landesverwaltung 1984. Persönlicher und Pressereferent des Regierungspräsidenten Dr. Fritz Behrens (Düsseldorf) von 1987 bis 1989. Pressesprecher des Innenministers Dr. Herbert Schnoor von 1991 bis 1995. Leitung der Gruppe Kommunales Verfassungsrecht von 1995 bis 1998. Leiter des Arbeitsstabes Verwaltungsmodernisierung 1999. Leiter der Abteilung Öffentlicher Dienst 2000. Leiter der Abteilung Kommunale Angelegenheiten ab 01. Februar 2001. 213 Stichwortverzeichnis A B Abfallwirtschaft ............................... 155 Abgaben ............................................ 14 Abzinsung ......................................... 87 Aktiengesellschaft............... 15, 155, 169 Aktive Bürgerschaft ......................... 193 Aktivierender Staat .....................66, 178 Allgemeine Finanzzuweisungen ......... 39 Amtshaftung.................................... 141 Amtshaftungsgrundsatz...................... 32 Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft....................48, 93, 161 Annex-Geschäft ................................. 20 Anstalt des öffentlichen Rechts..155, 165 Anstaltslast ...................................... 129 Anweisung ........................................ 13 Anzeigepflichten................................ 13 Asylbewerberleistungsgesetz.............. 43 Audit Commission ................76, 77, 193 Auf- oder Abzinsung.......................... 87 Aufbauorganisation.......................... 180 Aufgabenverantwortung..................... 15 Aufsichtsverfügung............................ 20 Aufstockung II........................38, 42, 43 Auftragsangelegenheit........................ 22 Aufzinsung ........................................ 87 Ausgleichsansprüche... 81, 110, 111, 114 Ausgleichsleistungen ......................... 81 Ausgleichsquote................ 79, 88, 96, 97 Ausgleichsstock ............................40, 41 Ausgleichsverbindlichkeiten 81, 111, 114 Ausgliederung....5, 36, 64, 153, 162, 165, 166, 169, 171 Ausländerbeiräte................................ 56 Ausschuss der Regionen in der EU........4, 132, 133, 200 Bauunterhaltung............................... 153 Beanstandung....................13, 27, 28, 30 Bedarfsindikatoren ........................... 124 Beihilfenregelung................................. 4 Beitrittsvoraussetzung ........................ 48 Benchmarking.......................60, 61, 183 Beratungsaufsicht......................186, 187 Berichtswesen..... 63, 71, 73, 74, 75, 157 Bertelsmann Stiftung.....4, 69, 70, 71, 73, 74, 75, 173, 193, 209 Besoldungsrecht............................... 166 Best Value ......................................... 76 Beteiligungsbericht .......................... 164 Beteiligungscontrolling .................... 157 Beteiligungsmanagement.................. 170 Beteiligungsstrukturen...................... 170 Beteiligungsunternehmen ................... 15 Beteiligungsverwaltung.................... 158 Bezirksregierung.................51, 156, 199 Bildungspolitik .........................134, 190 Binnenmodernisierung...69, 72, 165, 171, 180, 182 Branchendialog ............................ 49, 50 Buchverluste...................................... 20 Budgetierung ......................60, 152, 166 Budgetrecht des Rates ...................... 164 Bundesergänzungszuweisungen..82, 101, 102, 106, 111, 112, 114 Bundesverwaltungsgericht.............. 9, 46 Bund-Länder-Finanzausgleich 87, 88, 89, 90 Bürgerämter..................................... 175 Bürgerbegehren........... 55, 174, 175, 176 Bürgerbeteiligung ..... 16, 64, 73, 75, 176 Bürgerentscheide................................ 55 Bürgerfreundlichkeit ........................ 153 Bürgergesellschaft...........66, 67, 72, 194 Bürgerhaushalt..................61, 64, 71, 73 214 Bürgerinitiativen................................ 14 Bürgerkommune....36, 61, 66, 67, 72, 76, 203 Bürgermeisterwahl............................. 52 Bürgernähe ...............................153, 183 bürgerschaftliches Engagement.....72, 73, 177 Bürgschaften...........................12, 47, 51 Ermessensausübung ........................... 14 Ersatzvornahmen................................ 14 Europäische Richtlinien...................... 49 Europäische Union....9, 91, 95, 127, 128, 133 Eurowährung ..................................... 16 Exekutive..................................125, 162 Experimentierklausel... 36, 56, 61, 62, 75 C F Controlling ................... 63, 74, 156, 157 Finanzaufsicht.........................11, 12, 16 Finanzausgleich...4, 7, 35, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 44, 46, 58, 79, 80, 81, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 98, 99, 100, 107, 110, 112, 117, 119, 121, 122, 123, 124, 125, 164 Finanzausgleichsgesetz..9, 80, 81, 82, 86, 87, 99, 100, 101, 102, 110, 112, 125 Finanzausgleichsmasse....................... 86 Finanzbedarf........... 85, 88, 90, 107, 164 Finanzkommission ............................. 39 Finanzkraft.....44, 46, 82, 83, 88, 90, 102, 106, 114, 118, 164 Finanzverfassung.....80, 81, 97, 100, 101, 103, 104, 106, 108, 109, 110, 111, 112, 115, 118, 206 Finanzwissenschaft ..... 91, 92, 93, 94, 95 Finanzzuweisung...............39, 45, 47, 58 Föderales Konsolidierungsprogramm 100 Föderalismus.......................24, 102, 120 Fonds Deutsche Einheit...................... 46 Fremdenverkehr................................. 15 Fremdwährungskredit......................... 19 Funktionalreform ..................36, 57, 182 D Darlehensverträge .............................. 20 Daseinsvorsorge.......48, 65, 66, 132, 133, 156, 160, 167, 184 Demokratiegebot................................ 16 Deregulierung.........................48, 75, 78 Dezentralisierung.......... 23, 69, 152, 165 Dienstaufsichtsbeschwerde................. 17 Dienstrecht ...................................... 166 Dirigismus......................................... 77 Drei-Phasen-Modell........................... 27 Duale Finanzgarantie ....................... 123 E Effektivitätsgebot............................. 144 EG-Vertrag.................................24, 139 Ehrenamt......................................... 163 Eigenbetriebe.......15, 154, 161, 165, 189 Eigengesellschaft ................................. 5 Einheit der Lebensverhältnisse ........... 58 Einheitsbewertung ............................. 45 Einkommensteuer .........................37, 45 Einvernehmensregelungen.................. 13 Einwohnermeldeamt ...................39, 181 Energieversorgung ........ 49, 50, 156, 161 Entsorgungswirtschaft.................49, 155 Erforderlichkeitsgrundsatz.................. 30 Erfüllungsstaat................................... 66 Ergänzungszuweisungen .............81, 107 Ergebnisorientierte Steuerung........... 157 G Gebäudemanagement ............... 5, 15, 50 Gebietskörperschaft. 15, 48, 91, 140, 168 Gebietsmonopole ............................... 49 Gebietsreform ........... 13, 30, 36, 57, 180 Gebühren.....14, 45, 76, 87, 97, 155, 156 Gemeindeanteil ............................ 37, 45 215 Gemeindefinanzierungsgesetz.....46, 100, 123, 125 Gemeindefinanzsystem .................35, 45 Gemeindehaushaltsverordnung........... 75 Gemeindeversicherungen ................. 179 Gemeindevorstand ............................. 56 Gemeinschaftsrecht....137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149 Gemeinschaftssteuer .....................84, 97 Genehmigungspflicht ......................... 12 Genehmigungsvorbehalt........13, 21, 124 Gesetz über den Feuerschutz .............. 62 Gesetzgebungskompetenz .................. 97 Gewährleistungsstaat ......................... 66 Gewährträgerhaftung ....................... 129 Gewaltenteilung............................... 162 Gewerbekapitalsteuer......................... 45 Gewerbesteuer ..............................38, 45 Gewerbesteuerumlage ...................38, 46 Gewinnausschüttung ........................ 164 Gewinnrücklage............................... 164 Gleichbehandlungsgebot ...........107, 114 Gleichstellungsbeauftragte ............56, 59 GmbH......5, 15, 19, 50, 64, 65, 155, 161, 162, 163, 167, 168, 169, 210 Good Practice .................................... 77 Grundgesetz.......9, 24, 28, 31, 80, 82, 84, 104, 110, 145 Grundsteuer ....................................... 45 Grünpflege ...................................... 153 Haushaltsplan............................. 16, 164 Haushaltsrecht .... 5, 61, 63, 89, 166, 206 Haushaltssanierung .................... 17, 103 Haushaltssicherungshilfe...35, 38, 40, 41, 43 Haushaltssicherungskonzept ...35, 38, 40, 43, 44 Haushaltssperre.................................. 12 Hebesatzrecht..................................... 45 Hebesatzreduzierung .......................... 94 Hebesatzvariation............................... 89 Hilfsbetriebe der Verwaltung............ 153 Holding ..........................5, 65, 168, 210 Horizontaler Finanzausgleich.............. 99 H J Haftungsbegrenzung .......................... 15 Handelsrecht.................................... 165 Handwerksbetrieb .............................. 14 Hauptausschuss................. 178, 201, 210 Hauptsatzung..................................... 53 Hauptverwaltungsbeamter.................. 52 Haushaltsaufstellungsverfahren .......... 71 Haushaltsausgleich..................40, 44, 45 Haushaltsdefizit ................................. 13 Haushaltsgenehmigung .................12, 13 Haushaltskonsolidierung .................... 12 Jahresabschluss ................................ 164 Jahresgutachten.................................. 43 I Inflationsrate...................................... 37 Informationsgesellschaft................... 195 Innenministerkonferenz. 21, 63, 184, 185 Instrumente der Kommunalaufsicht....27, 36, 61 Interkommunaler Leistungsvergleich..69, 164 Internationalisierung......................... 181 Internet ...................................... 63, 178 Intransparenz ................................... 193 Investitionen ................................ 13, 65 Investitionskredit................................ 12 Investitionsquote................................ 47 ISIS ................................................... 51 K Kameralistik .........................63, 92, 166 Katastervermessung ........................... 62 Kaufmännisches Rechnungswesen...... 63 Kennzahlen.................................. 14, 72 Kernverwaltung .......... 63, 153, 164, 166 Kindertagesstättengesetz .........58, 90, 97 216 Kindertagesstättenpauschale............... 58 Koalitionsvereinbarung .................... 183 Kommission ............. 132, 133, 148, 184 Kommunalaufsichtsbehörde....11, 17, 19, 20, 186 Kommunale Selbstverwaltung.....3, 4, 25, 27, 36, 45, 48, 51, 57, 64, 76, 77, 134, 160, 165, 174, 175, 178, 184, 186 Kommunale Spitzenverbände........12, 13 Kommunale Wirtschaft .............4, 48, 51 Kommunalisierung............................. 22 Kommunalisierungsmodellgesetz..36, 61, 62 Kommunalunternehmen ................49, 50 Kommunalverfassungsrecht13, 21, 31, 32 Kommunalwahl ....................53, 56, 162 Kommunen helfen Kommunen........... 46 Kommunen in Not ....................3, 35, 46 Kompass-Projekt................................ 73 Kompensationsinstrumente............... 164 Komplementärleistungen.................... 90 Konferenz der Staatssekretäre............. 58 Konnexität....................................39, 41 Kontraktmanagement ......................... 69 Konzern Stadt....7, 60, 63, 151, 153, 158, 159, 160 Kooperationshoheit............................ 31 Kopfbeträge..................................38, 41 Kostenbewusstsein.............. 63, 153, 166 Kostenrechnung..........................60, 166 Kostentransparenz............. 153, 154, 166 Krankenhaus..................... 132, 161, 205 Kreditgeschäfte.................................. 19 Kreditrahmen..................................... 89 Kreishaushalt..................................... 56 Kreistag............................................. 56 Kreisumlage ...................................... 56 Kulturelle Einrichtungen .................... 15 Kundenorientierung ..............60, 74, 160 L Länderfinanzausgleich.......46, 80, 82, 87, 100, 101, 103, 106, 111, 112, 114 Landesgleichstellungsgesetz............... 59 Landesregierung.... 12, 80, 187, 190, 191 Landesverwaltung ..... 183, 193, 203, 212 Landkreisversammlung ...................... 80 Lastenausgleichsamt........................... 39 Legislative ........................142, 162, 211 Legislaturperiode ........ 43, 183, 200, 201 Leistungsgerechte Entlohnung.......... 166 Leistungsrechnung ..................... 60, 166 Lernmittelfreiheit ............................... 38 Liberalisierung der Märkte ..51, 151, 156 Lobbyistentum................................. 192 Lohnsummensteuer ...........37, 38, 40, 43 M Maastricht-Vertrag............................. 89 Management Letter ............................ 77 Managementhaushalt.......................... 64 Mandatsträger .................................... 14 Marginalistische Revolution ............... 92 Markterkundung................................. 49 Marktwirtschaft............................ 48, 66 Maßstäbegesetz..7, 79, 80, 82, 84, 85, 92, 97, 98, 99, 100, 110, 112, 114, 116, 119, 121, 123, 125 Mehrbelastungsausgleich...........122, 123 Messewesen..................................... 161 Mexiko-Papier ................................... 37 Minderheitsbeteiligung..................... 169 Mindestausstattung........ 94, 98, 122, 123 Ministerratentscheidungen................ 184 Mittelinstanzen ................................ 191 Mittelverteilung ................................. 82 Monistische Finanzgarantie .............. 123 Müllabfuhr................................. 15, 155 N Nahverkehrsdienstleistungen ............ 156 Nationalstaaten .................................. 24 Negativkatalog................................... 55 NetCologne........................................ 52 Nettokreditaufnahme.......................... 37 Neues kommunales Finanzmanagement ............................ 36, 63 217 Public-Private-Partnership................ 167 Neues Steuerungsmodell .......60, 69, 160 Neufassung des Gemeindewirtschaftsrechts................................ 151 Neuverschuldung ............................... 95 Nivellierungssätze.............................. 88 Norddeutsche Ratsverfassung..35, 52, 54 Notifizierungsverfahren...................... 47 Qualifizierungsmaßnahme.................. 75 Qualitätssicherung...................... 78, 154 Quoren....................................... 55, 178 O R Oberinstanz ..................................... 191 Öffentliche Hand ........ 15, 153, 168, 183 Öffentlich-rechtliche Anstalt .............. 50 ÖPNV ..................................49, 50, 168 Opportunitätsprinzip .....................14, 26 Organ ..................... 5, 22, 162, 163, 170 Organisationsmodelle.......... 64, 151, 156 Organisationsverschulden................... 33 Organleihe......................................... 22 Örtlichkeitsprinzip ...... 49, 51, 65, 93, 97 Output-Orientierung........................... 69 Overheadfunktionen......................... 153 Rationalisierungspotentiale............... 153 Ratswahl............................................ 52 Realsteuern ........................................ 45 Rechnungsfehlbetrag.......................... 40 Rechnungshof .......................12, 14, 133 Rechtsberatungsfunktion .................... 16 Rechtskontrolle .................................. 27 Rechtsstaatlichkeit ............................. 23 Rechtsstaatsprinzip............................. 23 Rechtsverordnungen................... 58, 140 Rechtswissenschaft .............93, 204, 207 Referenten ........................4, 7, 120, 197 Reformdruck...................................... 48 Reformimpulse .................................. 71 Regiebetriebe................................... 154 Regulierungsbehörde........................ 190 Ressourcen .................................. 5, 180 Ressourcenverbrauchskonzept ...... 60, 63 Revisionsklausel ........................ 82, 101 Rückholrecht des Rates ...................... 53 Rücklagenverzehr .............................. 13 Ruhr-Region .................................... 192 P Paradigmenwechsel.......................... 193 Parlament ............54, 122, 133, 183, 194 Partnerschaft...................................... 46 Pensionslasten ................................... 95 Pensionsverpflichtungen .................... 95 Personalüberleitungstarifvertrag ....... 156 Pflegeversicherung............................. 47 Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung........................................ 22 Podiumsdiskussion....................3, 7, 173 Politikhaushalt ................................... 64 Politikreform ..................................... 71 Popularklage...................................... 23 präventive Aufsicht.......................16, 30 Privatisierung...... 15, 36, 64, 65, 66, 167 Privatrechtsform ................. 15, 144, 145 Privatwirtschaft................................ 154 Produktorientierung ........................... 60 Prüfungsbericht.................................. 12 Public Service Agreements............. 9, 77 Q S Sachverständigenrat ........................... 43 Satzungshoheit................................... 97 Schlüsselgewaltvertrag..................... 179 Schlüsselzuweisungen.................. 39, 87 Schuldenentlastungshilfe .................... 41 Schülerfahrtkosten ............................. 38 Selbstverwaltungsgarantie.......16, 31, 94, 122, 124, 171, 186 Selbstverwaltungsrecht......12, 28, 33, 42, 51, 59, 61, 91, 93, 145 218 Service Public................... 130, 132, 133 Solidarbeitragsgesetz ......................... 46 Solidarpakt ........................................ 46 Sonderaufsichtsbehörden.................... 17 Sondereingriffsrechte ......................... 17 Sonderstatusstadt ............................... 12 Soziale Wirtschaftspolitik................. 190 Sozial-Holding................................... 64 Sozialverwaltung ............................... 64 Sparkassen...4, 47, 50, 65, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 144, 161, 184, 199, 203, 210 Sponsorenmittel............................... 154 Sportplatzpflege............................... 153 Staatliche Monopole ........................ 151 Staatliche Verwaltungsbehörden....... 186 Staatsaufsicht16, 22, 23, 24, 30, 137, 138 Staatskuratell ................................... 190 Staatsverschuldung ............................ 37 Stadtbezirke..................................... 153 Städtenetzwerk .............................69, 71 Stadtregierung ..............................54, 57 Stadtvorstand..................................... 56 Stadtwerke.................. 50, 155, 156, 161 Standardabbau ..............................36, 58 Standard-Controlling-Verfahren ....58, 74 Steuerausfall.................................37, 45 Steuereinnahmen............. 47, 83, 89, 168 Steuerermäßigung .............................. 94 Steuerfindungsrecht ........................... 89 Steuerreform...................................... 47 Steuerreformgesetze......................... 101 Steuersatzrecht................................... 89 Steuerverbund...............................46, 47 Stiftung.......4, 69, 70, 71, 73, 74, 75, 154, 173, 193, 209 Straßenreinigung.............................. 155 Straßenverkehrsamt.......................... 182 Strom- und Wasserversorgung............ 15 Strukturhilfe .................................... 100 Strukturreform ..........................152, 182 Subsidiarität..............................133, 134 Subsidiaritätsklausel........................... 93 Süddeutsche Bürgermeisterverfassung ..........................35, 52, 54 Synergiepotenzial ............................ 153 T Tarifrecht des öffentlichen Dienstes.. 166 Telekommunikationsmärkte ............... 49 Tilburger Modell................................ 69 Ü Übermaßverbot ............................ 27, 28 Überwachungsaufsicht ....................... 15 Umlandverband.................................. 11 Umsatzsteuer...45, 46, 80, 102, 107, 113, 168 Umsatzsteuerbeteiligungsverhältnis.. 101, 111, 112, 113 V Value For Money......................... 10, 76 Veräußerung von Vermögensgegenständen................ 13 Verbundsatz................................. 37, 84 Vereine............................................ 177 Vergabeverfahren............................... 14 Vergnügungssteuergesetz ................... 62 Verlustausgleich............................... 164 Verlustvortrag.................................. 164 Vermögensbesteuerung ...................... 45 Verpflichtungsermächtigungen ........... 12 Verschuldungsgrenze ......................... 89 Verteilungsparameter ......................... 44 Vertikaler Finanzausgleich ................. 99 Verwaltungsgerichtshof Kassel........... 11 Verwaltungshaushalt .................. 13, 155 Verwaltungsmodernisierung..69, 71, 152, 160, 171, 180, 212 Verwaltungsreform ..... 12, 178, 180, 182 Verwaltungsvorschriften ............ 58, 144 Verwaltungsvorstand.................... 54, 56 Volkseinkommen ............................... 66 Vollausgleich..................................... 96 Vorsteuerabzug ................................ 168 Vorwegabzug................................... 102 219 W Wahlbeteiligung........................174, 195 Weinheimer Entwurf.......................... 42 WestLB ............................................. 47 Wettbewerbsvorteile .......................... 50 Wibera-Gutachten............................ 192 Wiederbesetzungssperre..................... 12 Wirtschaftlichkeit.......14, 29, 49, 69, 153, 154, 158 Wirtschaftspläne .............................. 164 Wirtschaftspolitik .................48, 49, 190 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen......... 88, 91 Z Zinsgeschäfte..................................... 20 Zuständigkeitslockerungsgesetz........ 175 Zustimmungsregelungen .................... 13 Zuwanderungspolitik........................ 184 Zuweisungscontrolling ......86, 87, 88, 98 Zweckverbände.................................. 86 Zweckzuweisungen............................ 47 220 221 Hinweis Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für die Landtags-, Bundestagsund Kommunalwahlen sowie auch für die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Eine Verwendung dieser Druckschrift durch Parteien oder sie unterstützende Organisationen ausschließlich zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder bleibt hiervon unberührt. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift den Empfängern zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. 222 Herausgeber: Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Haroldstr. 5, 40213 Düsseldorf