Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken

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Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken
Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken
Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen
in Zementwerken
Renato Sarc, Roland Pomberger und Karl E. Lorber
1.Einleitung......................................................................................................140
2.
Anforderungen an das EBS-System...........................................................141
2.1.
Anforderungen aus Sicht von Regionen
mit niedriger Substitutionsrate in der Zementindustrie.........................144
Ortsbezogene Anforderungen....................................................................146
Materialbezogene Anforderungen.............................................................147
Möglichkeiten zum Aufbau
eines abfallwirtschaftlichen EBS-Systems..................................................150
2.1.1.
2.1.2.
2.1.3.
2.2.
2.2.1.
2.2.2.
2.2.3.
Anforderungen aus Sicht von Regionen
mit hoher Substitutionsrate in der Zementindustrie..............................154
Ziel der 100 %-Substitutionsrate in der Zementindustrie......................155
Verfügbarkeit von Brennstoffen auf dem Markt......................................155
Technische Herausforderungen für letzte Prozente
der Substitutionsrate....................................................................................156
3.
Bedeutung der Qualitätssicherung von Ersatzbrennstoffen
in der Praxis..................................................................................................159
4.
Zukunftsthemen bei der Weiterentwicklung
von Ersatzbrennstoffen................................................................................160
4.1.
Biogener Kohlenstoff in den Ersatzbrennstoffen.....................................160
4.2.
Neue Ersatzbrennstoffe aus Landfill Mining............................................160
5.
Verwendete Literatur...................................................................................161
Im vorliegenden Beitrag werden zwei Extremfälle der abfallwirtschaftlichen und
EBS-Verwertungsperspektive näher betrachtet. Einerseits das abfallwirtschaftliche
EBS-System aus Sicht von Regionen mit niedriger Substitutionsrate und andererseits das
EBS-System aus Sicht von Regionen mit hoher Substitutionsrate in der Zementindustrie.
Beide EBS-Systeme stehen vor gewissen Herausforderungen, sei dies die generelle Entwicklung der Abfallwirtschaft, die Problematik der Finanzierung in der Abfallwirtschaft,
die Herausforderung der Brennstoffversorgung oder die Qualitätsverbesserung für die
letzten Substitutions-%, die wiederum mit potentiellen Risiken wie z.B. Konkurrenz am
Markt zur stofflichen Verwertung (u.a. bei den Kunststoffen) oder Abfallverbrennung
verbunden sind. Des Weiteren wird die Bedeutung der Qualitätssicherung von Ersatzbrennstoffen in der Praxis erläutert und anhand von Zukunftsthemen ein Ausblick der
Verwertung von Ersatzbrennstoffen gegeben.
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Renato Sarc, Roland Pomberger, Karl E. Lorber
1. Einleitung
Im Jahr 2000 verständigten sich die Staats- und Regierungschefs in Lissabon darauf,
die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes
Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen
Zusammenhalt zu erzielen [11] (im Jahr 2010 wurde Nachfolgedokument EUROPA 2020
mit ähnlichen Zielen bis 2020 erstellt [10]). Die Lissabon-Strategie stellt den langfristigen wirtschaftspolitischen Koordinierungsrahmen der EU dar. Mit strukturpolitischen
Maßnahmen sollte die Europäische Union wirtschaftlich, sozial und ökologisch gestärkt
werden. Das erste Nationale Reformprogramm (2005 – 2007) legte sieben Schwerpunktbereiche für Strukturreformen vor, wobei eines dieser Programme sich mit effizientem
Ressourcenmanagement und Klimaschutz beschäftigt. Vor dem Hintergrund der zu
erwartenden klima- und energiepolitischen Herausforderungen werden Maßnahmen
in diesen Politikbereichen forciert; d.h. Versorgungssicherheit, Energieeffizienz, Energiesparen, wirtschaftlich sinnvoller Einsatz von effizienten, erneuerbaren Energien und
weitere Kyotomechanismen sind die Prioritäten zum Klimaschutz. [6]
Ein abfallwirtschaftlicher Meilenstein bezüglich des EU-Rechts wurde im Juli 1975 mit
der Richtlinie des Rates über Abfälle, auch Abfallrahmenrichtlinie genannt, gesetzt.
Die grundlegenden Ziele dieser Richtlinie waren, so wie sie auch heutzutage in verschiedenen Gesetzestexten zu finden sind: der Schutz der menschlichen Gesundheit
und der Umwelt, welche durch verschiedenste schädliche Auswirkungen verursacht
werden, die von Abfall bedroht werden können, sowie der schonende Umgang von
Ressourcen und die Gewinnung von Rohstoffen aus Abfällen durch Verwertung. [15]
Die neue europäische Abfallrahmenrichtlinie [9], die erfolgreich in das österreichische
Recht umgesetzt worden ist, richtet die Mitgliedstaaten der EU auf eine gemeinsame
Abfallwirtschaftspolitik und -strategie mit dem Ziel aus, die EU als eine RecyclingGesellschaft zu gestalten. Wichtige Änderungen und Ziele neben der neuen fünf-stufigen
Abfallhierarchie sind die Einführung der erweiterten Herstellerverantwortung (Produktverantwortung) für den gesamten Lebenszyklus eines Produktes, die Definition
des Abfalls, sowie Nebenprodukts und seine Abgrenzung von Abfällen, die Regelungen
zum Ende der Abfalleigenschaften im Zusammenhang mit Verwertungsverfahren, die
Abgrenzung der Abfallverwertung als Brennstoff in Abfallverbrennungsanlagen von der
Abfallbeseitigung nach einer Energieeffizienzformel, die Erstellung von Abfallvermeidungsprogrammen mit konkreten Vermeidungszielen in den Mitgliedstaaten bis Ende
2013, um das Wirtschaftswachstum von den mit der Abfallerzeugung verbundenen
Umweltauswirkungen zu entkoppeln. [15]
In den einzelnen Mitgliedsstaaten befinden sich diese und viele weitere abfallwirtschaftliche, ökonomische, ökologische und politische Ziele und Maßnahmen in den
unterschiedlichen Umsetzungsphasen. Während in den wirtschaftlich und abfallwirtschaftlich hoch entwickelten Ländern wie z.B. Österreich, Deutschland, Holland und
Dänemark bereits sehr viele Vorgaben erfüllt und Maßnahmen umgesetzt worden sind,
befinden sich andere ebenso hoch entwickelte Länder wie Frankreich, Italien, und das
Vereinigtes Königreich erst in der Umsetzungs- und Anpassungsphase. Länder wie
Bulgarien, Rumänien, Griechenland usw. setzen, abfallwirtschaftlich gesehen, noch
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Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken
immer verstärkt auf die Deponierung von unbehandelten Abfällen [7] (vgl. Bild 3)
und kämpfen mit anderen (für sie zurzeit von größerer Bedeutung) wirtschaftlichen
Problemen, Strategien und Umsetzungen. Somit ist klar, dass die abfallwirtschaftlichen Ziele und Vorgaben bzw. Entwicklungen nach einzelnen Ländern, nicht nur in
der EU sondern auch weltweit gesehen, differenziert werden müssen, weil z.B. die
Bevölkerungsakzeptanz für die neuen Wege noch nicht vorhanden ist, weil sich nicht
jede Wirtschaft diese abfallwirtschaftlichen Entwicklungen derzeit leisten kann und
weil die Abfallströme noch immer den Weg des geringsten Widerstandes gehen, d.h.
unaufbereitet und meistens auf den, nicht nach dem Stand der Technik aufgebauten
Deponien abgelagert werden.
Der Einsatz von Ersatzbrennstoffen (EBS) in der Zementindustrie ist in den abfallwirtschaftlich entwickelten Ländern Stand der Technik. Diese Möglichkeit hat die abfallwirtschaftlichen Grenzen erweitert und leistet heutzutage einen wesentlichen Beitrag
im Rahmen der modernen Gesamtabfallwirtschaft. Durch die stetig ansteigenden
Primärbrennstoffpreise (z.B. Öl) und die damit verbundenen Transportkosten bietet die
vor Ort Abfallwirtschaft viele Vorteile in Bezug auf die Verfügbarkeit von (Roh-)Brennstoffen. Diese Brennstoffe müssen z.B. in Österreich eine vom Gesetzesgeber festgelegte
Qualität erfüllen. In Österreich werden nicht nur die Emissionen am Kamin kontrolliert,
sondern auch die Schadstoffbelastung (z.B. Schwermetalle) in den eingesetzten Abfällen. Diese Qualitätskriterien sind in der Abfallverbrennungsverordnung [4] und in der
Richtlinie für Ersatzbrennstoffe [3] niedergeschrieben. Trotz strenger Grenzwerte und
regelmäßigen Überprüfungen hat die österreichische Zementindustrie im Jahr 2011
eine Substitutionsquote von Primärbrennstoffen durch den EBS-Mix-Einsatz in der
Höhe von 65,3 % [19] erreicht. Aufgrund der unterschiedlichen abfallwirtschaftlichen
Entwicklungen in der EU können auch unterschiedliche Substitutionsraten beobachtet
werden, z.B. lag die Substitutionsrate in Deutschland im Jahr 2011 bei 61,1 % [26], in
der EU 27 lag sie im Jahr 2010 bei 30,52 % [28], in Spanien bei 15,57 % [28] und in
Italien bei 8,63 % [28]. Dies zeigt eindeutig, dass die Perspektiven der Abfallwirtschaft
Europas (und auch weltweit) und somit auch der Ersatzbrennstoffverwertung in der
Zementindustrie unterschiedlich sind und daher mit unterschiedlichen Betrachtungsweisen zu diskutieren sind.
2. Anforderungen an das EBS-System
In der Abfallverbrennungsverordnung [4] wird für die Ersatzbrennstoffe folgende
Definition gegeben:
Ersatzbrennstoffe sind Abfälle, die zur Gänze oder in einem relevanten Ausmaß zum
Zweck der Energiegewinnung eingesetzt werden und die die Vorgaben gemäß Anlage 8
zu dieser Verordnung erfüllen. Ein relevantes Ausmaß zum Zweck der Energiegewinnung
liegt vor, wenn eine selbstgängige Verbrennung ohne Zusatzfeuerung möglich ist.
Zusammenfassend dargestellt, werden folgende Abfälle aus Haushalt, Industrie und
Gewerbe ohne oder nach einer Aufbereitung als Ersatzbrennstoff in Mitverbrennungsanlagen eingesetzt: Klärschlamm, Altholz, heizwertreiche Fraktion aus mechanischen
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Renato Sarc, Roland Pomberger, Karl E. Lorber
und mechanisch-biologischen Anlagen, Kunststoffabfälle aus Haushalten und Gewerbe,
Shredderleichtfraktionen (z.B. aus Altfahrzeugaufbereitung), tierische Nebenprodukte
(z.B. Tierfett, -mehl), Altreifen, Altöl, Lösemitteln usw.
Die österreichische Zementindustrie setzt seit Jahren Ersatzbrennstoffe wie z.B. Altreifen, Tiermehl, -fett, Altöl usw. zur Substitution von fossilen Primärenergieträgern
(Kohle, Öl, Gas) ein. Dabei kooperiert die Zementindustrie eng mit Behandlungs- und
Entsorgungsunternehmen, die EBS-Produktionsanlagen betreiben und EBS unterschiedlicher Qualität produzieren. Diese Entwicklung ist bereits auf die neunziger
Jahre zurückzuführen, als die Substitutionsrate nur bei 9,08 % lag. Im Jahr 2000 lag
die Substitutionsrate noch bei 12,5 % und im Jahr 2010 bereits bei 63,1 % [28] bzw.
im Jahr 2011 bei 65,3 % [19].
Im Jahr 2007 – 2008 hat die Cement Sustainability Initiative (CSI) unter dem Dachverband der World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) die
Getting the Numbers Right (GNR) – Initiative ins Leben gerufen. Dieses System liefert
Informationen über Energieeffizienz, CO2-Emissionen usw. bei der Herstellung von
Zement. Die CSI ist eine globale Anstrengung von 25 führenden Zementherstellern
mit Industrieanlagen in über 100 Ländern und einer Produktionsmenge von etwa
30 % der weltweiten Zementproduktion. Das GNR System umfasst zurzeit Informationen aus 43 multinationalen oder internationalen Zementunternehmen mit
insgesamt 844 Produktionsstandorten. Es beinhaltet bis jetzt noch nicht die gesamte
globale Zementindustrie und der Abdeckungsgrad variiert von Region zu Region
sehr stark. Für Europa beinhaltet die Datenbank fast die gesamte Industrie, d.h. der
Abdeckungsgrad liegt bei 94 %, für Nordamerika liegt der Abdeckungsgrad bei 78 %,
für Südamerika bei 67 % usw. Wie bereits gezeigt, variiert die Substitutionsrate von
primären Energieträgern in der Zementindustrie sehr stark. Europaweit bzw. weltweit
betrachtet, liegt einerseits ein großes Erweiterungspotential der abfallwirtschaftlichen
Möglichkeiten vor, aber andererseits könnte die Steigerung der Substitutionsraten
zu Konflikten mit der Verwertungsindustrie (z.B. stoffliche Verwertung von Kunststoffen) und den Betreibern von Abfallverbrennungsanlagen führen, weil die (bereits
knappen) Mengen auf mehrere Abnehmer aufgeteilt werden müssten. Bild 1 stellt
dieses Potential bzw. mögliche Gründe für die Konflikte in der Abfallwirtschaft in
ausgewählten Ländern dar.
Aus den Bildern (Bild 1 und 2) kann vereinfacht abgeleitet werden, dass die Substitutionsrate in der Zementindustrie relativ gut mit dem abfallwirtschaftlichen
Entwicklungsstand eines Landes übereinstimmt. Anhand dieser Annahme werden
im gegenständlichen Beitrag zwei Extremfälle betrachtet. Einerseits werden die
Herausforderungen und Probleme von Entwicklungsländern wie z.B. CEE-Ländern
dargestellt. Dabei stellen sich u.a. folgende Fragen: Welche Stoffströme gibt es und
in welcher Qualität stehen diese zur Verfügung? Welche Aufbereitungstechnologien
zur Herstellung der notwendigen Ersatzbrennstoffqualität sind erforderlich bzw. vorhanden? Wie muss ein Zementwerk technisch nachgerüstet sein, damit der Einsatz
von Brennstoffen aus Abfällen überhaupt ermöglicht wird? Wer soll das bezahlen?
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Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken
Substitutionsrate von fossilen Brennstoffen in der Zementindustrie 1990 bis 2010
%
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
1990
2000
Österreich
Deutschland
Tschechische Republik
Polen
Großbritannien
Bild 1:
2005
2006
2007
2008
Europäische Union (EU 27)
Frankreich
Brasilien
Spanien
2009
2010
USA
Weltweit
Kanada
Italien
Substitutionsrate von Ersatzbrennstoffen in der Zementindustrie für ausgewählte Länder,
EU 27 und weltweit für den Zeitraum 1990 – 2010
Quelle: World Business Council for Sustainable Development (WBCSD): The Cement Sustainability Initiative. Cement Industry
Energy and CO2 Performance – Getting the Numbers right. Online im WWW unter URL: http://www.wbcsdcement.org/index.
php/key-issues/climate-protection/global-cement-database, 2010
Diese Fragen sind nur einige von den Herausforderungen, vor denen Entwicklungsländer stehen. Zusätzlich darf die Frage der Akzeptanz der Abfallwirtschaft nicht außer
Acht gelassen werden.
Auf der anderen Seite werden abfallwirtschaftlich hoch entwickelten Länder wie
Österreich und Deutschland betrachtet, die bereits relativ hohe Substitutionsraten
erreicht haben und die mit Herausforderungen zur Nutzung der letzten % bis zu
einer 100 %-Substitutionsrate kämpfen. Hierzu gibt es u.a. folgende Fragestellungen:
Welche Menge an Abfällen, die sich für die Herstellung von Ersatzbrennstoffen eignen, gibt es (noch) auf dem Markt? (d.h. die Frage der Verfügbarkeit) Wie soll die
EBS-Qualitätssicherung oder -verbesserung umgesetzt werden? Welche Technologie
oder Umstellungen der abfallwirtschaftlichen Einrichtungen (Anlagen) sind notwendig?
Welche technischen Möglichkeiten, die für EBS in anderen Sektoren bereits genützt
werden, können in der Zementindustrie zum Einsatz kommen?
Diese zwei Extremfälle werden im Nachfolgenden näher betrachtet.
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Renato Sarc, Roland Pomberger, Karl E. Lorber
Substitutionsrate
%
100
90
80
70
63,05
60
61,64
54,4
50
40,12 39,51
40
30,52 29,43
30
19,22
20
15,57 14,21
12,33
10
10,62 8,63
0
lik len
nd
ich
ien nion reich silien nien
a
rre schla epub Po tann
Sp
e U rank Bra
i
t
r
R
u
ch
b
F
De ische
oß päis
r
G
ro
ch
Eu
he
Tsc
te
Ös
Bild 2:
A
US
a
it
n
we anad Italie
K
lt
We
Substitutionsrate von Ersatzbrennstoffen in der Zementindustrie für ausgewählte Länder,
EU 27 und weltweit für das Jahr 2010
Quelle: World Business Council for Sustainable Development (WBCSD): The Cement Sustainability Initiative. Cement Industry
Energy and CO2 Performance – Getting the Numbers right. Online im WWW unter URL: http://www.wbcsdcement.org/index.
php/key-issues/climate-protection/global-cement-database, 2010
2.1.Anforderungen aus Sicht von Regionen
mit niedriger Substitutionsrate in der Zementindustrie
Die in unterschiedlichen Strategien (u.a. Lissabon-Strategie [11]) und Gesetzestexten
(u.a. Abfallrahmenrichtlinie [9] und Deponierichtlinie [8]) festgelegten Ausrichtungen
und Ziele befinden sich in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU aber auch weltweit
in unterschiedlichen Umsetzungsphasen. Länder wie Bulgarien, Rumänien, Griechenland usw. setzen, wie bereits berichtet, noch immer verstärkt auf die Deponierung von
unbehandelten Abfällen (Bild 3). Somit ist klar, dass abfallwirtschaftliche Ziele und
Vorgaben bzw. Entwicklungen nach Ländern differenziert betrachtet werden müssen.
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Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken
erzeugter Abfall
(kg im Jahr pro Person)
Abfallwirtschaft
EU-27
Dänemark
Deutschland
Zypern
Niederlande
Luxemburg
Österreich
Irland
Schweden
Malta
Dänemark
Niederlande
Belgien
Österreich
Luxemburg
Deutschland
Frankreich
Spanien
Finnland
Italien
Vereinigtes Königreich
Frankreich
Italien
Vereinigtes Königreich
Spanien
Belgien
Irland
Portugal
Portugal
Schweden
Estland
Finnland
Polen
Bulgarien
Slowenien
Griechenland
Tschechische Republik
Slowenien
Ungarn
Ungarn
Slowakei
Romänien
Romänien
Litauen
Griechenland
Estland
Zypern
Lettland
Litauen
Slowakei
Lettland
Polen
Malta
Tschechische Republik
Bulgarien
0
400
800
0
Recycling/
Kompostierung/
Sonstiges
Bild 3:
50
100
%
Verbrennung
Deponierung
Siedlungsabfallaufkommen und Abfallwirtschaft in der EU für das Jahr 2009
Quellen: Eurostat; Department for Environment, Food and Rural Affairs (DEFRA): Waste Data Overview. 2011
Die abfallwirtschaftliche Entwicklung eines Landes geht mit dem Übergang von einer
industriell geprägten Gesellschaft zu einer Dienstleistungsgesellschaft und einem stetem
Wachstum des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf einher. Entwicklungsphasen, die ein
Land durchgeht, sind wie folgt [14]:
• Phase 0: Nicht-Beachtung:
Der Abfallbeseitigung wird wenig bis keine Beachtung gewidmet und die Entsorgung findet in offenen Gruben oder Ähnlichem statt.
• Phase 1: Erfassung und ungeordnete Ablagerung:
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Renato Sarc, Roland Pomberger, Karl E. Lorber
Mit den Erkenntnissen, dass durch die unkontrollierte Ablagerung gewisse Gefahren für Menschen und Umwelt ausgehen, werden erste Verbote bzw. Gesetze
festgelegt. Diese führen dazu, dass die Denkweise der Menschen in Bezug auf den
Begriff Abfall erweitert wird.
• Phase 2: Geordnete Deponierung:
Nachdem die Probleme der ungeordneten Ablagerung erkannt werden, entwickelt
sich die unkontrollierte Ablagerung zu der geordneten Deponierung weiter. In
dieser Phase erfolgt eine ständige Verbesserung der Deponiestandorte, damit die
Schadstoffe aufkonzentriert an einem Ort bleiben und so weit es möglich ist, die
Gefahren aus den Deponien gering gehalten werden.
• Phase 3: Sammellogistik:
Durch die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung sowie die Ausarbeitung von ersten Vermeidungs- und Verwertungsstrategien und die Erkenntnisse der z.B. wirtschaftlichen Potentiale einzelner Abfallfraktionen entwickelt sich
die getrennte Sammlung. Die Wertstoffe gewinnen langsam an der Bedeutung.
• Phase 4: Verwertungslösungen:
Die Sammlung alleine kann das Problem nicht lösen, daher werden durch weitere
Überlegungen und Strategien einheitliche Abfallwirtschaftsgesetze samt Maßnahmen beschlossen. Diese eröffnen neue Möglichkeiten für den Aufbau von unterschiedlichen abfallspezifischen Verwertungslösungen.
• Phase 5: Industrieller Stoffkreislauf:
Auf dem Weg zur nachhaltigen Recyclinggesellschaft bekommt Abfall immer mehr
Bedeutung und wird heutzutage in der Wirtschaft als Rohstoff angesehen. Diese
Rohstoffe (Abfälle) leisten einen wesentlichen Beitrag zur industriellen Stoffkreislaufwirtschaft in der die Wert(Roh-)stoffe im Vordergrund stehen und die Deponierung nur einen geringen Beitrag in der Gesamtwirtschaft darstellt, d.h. nur für
nicht verwertbare Stoffe genutzt wird.
Um den Übergang zwischen den Entwicklungsphasen der Abfallwirtschaft in Ländern
mit niedrigen Substitutionsraten zu beschleunigen, müssen gewisse Anforderungen
erfüllt werden. Nachfolgend werden ortsbezogene und materialbezogene Anforderungen näher erläutert.
2.1.1. Ortsbezogene Anforderungen
Um die von der EU vorgeschriebenen abfallwirtschaftlichen Maßnahmen und Ziele
umzusetzen, müssen zuerst Strategien zur Umsetzung festgelegt werden. Die Abfallrahmenrichtlinie [9] beschreibt in Art. 10 und 11 das Ergreifen von Maßnahmen zur
Förderung der Wiederverwendung von Produkten und der Errichtung von u.a. Reparaturnetzen, und gibt vor, dass Abfälle geeignete Verwertungsverfahren durchlaufen.
Des Weiteren sind im Kapitel V Abfallbewirtschaftungspläne und Abfallvermeidungsprogramme festgelegt. Diese sind unter Mitwirkung der Öffentlichkeit umzusetzen.
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Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken
Die Akzeptanz der Bevölkerung in der abfallwirtschaftlichen Entwicklung spielt eine
wesentliche Rolle, da die Abfallqualität nur von den Abfallproduzenten beeinflusst
werden kann. Möglichkeiten zur Bewusstseinsbildung sind u.a. die Einbindung der
Bevölkerung in abfallwirtschaftliche Projekte der Gemeinden, Organisation der
Putzprojekten, wo an unterschiedlichen Themenfeldern aktiv mitgearbeitet wird usw.
Weitere Möglichkeiten zur Förderung der getrennten Sammlung von Abfallfraktionen
sind wirtschaftlicher Natur, d.h. die Einführung von Mehrweg-, Rücknahme- und
Pfandsystemen. Damit kann direkt die Nutzungsdauer von Produkten verlängert und
eine aktive Beteiligung an der Abfallwirtschaft gewonnen werden. Mit der im Jahr
1991 in Kraft getretenen Verpackungsverordnung ist die Absicht verfolgt worden, den
Mehrweganteil, insbesondere am Getränkemarkt, auf einem hohen Niveau zu stabilisieren und für Einwegverpackungen beträchtliche Erfassungs- und Verwertungsquoten
durchzusetzen. [15]
Eine weitere Herausforderung in Entwicklungsländern ist der Mangel an abfallwirtschaftlichen Daten, z.B. über die Abfallzusammensetzung, Stoffstromwege, deponierte
Mengen usw. Um eine abfallwirtschaftliche, stoffstromorientierte Strategie zu entwickeln, müssen exakte Daten über Abfallmengen und -zusammensetzung sowie über
Abfalleigenschaften (physikalische, chemische und biologische) vorhanden sein. Die
Problematik der ungeordneten Abfallwirtschaft liegt auch in der Vermischung von
ungefährlichen mit gefährlichen Abfällen, was eine gezielte Behandlung fast unmöglich
macht. Dieser Mangel führt in weiterer Folge zu Problemen bei der Planung der Sammellogistik (Behältergröße, -anzahl usw.), der Dimensionierung von Anlagen (Größe,
technische Daten usw.), der Auslegung von Aggregaten (Korngröße, Wassergehalt usw.)
und zu weiteren abfallwirtschaftlichen Problematiken. [15]
Die nächsten Herausforderungen an die ein Entwicklungsland bei der Umsetzung
von abfallwirtschaftlichen Maßnahmen stößt, sind der Lebensstandard sowie die
wirtschaftlichen und sozialen Strukturen. Nicht nur, dass der Unterschied im Lebensstandard zwischen den einzelnen Entwicklungsländern groß sein kann, sondern sogar
innerhalb eines Landes. Zum Beispiel ist in großen Städten, wo auch sehr viel Industrie
angesiedelt ist, das wirtschaftliche Wachstum größer als z.B. im ländlichen Bereich.
Sogar in den hochentwickelten Ländern wie z.B. in Deutschland ist der Status in Bezug
auf Wohlstand, Arbeitsmarkt, Standort und Struktur, d.h. das Niveau der wirtschaftlichen Stärke der Bundesländer, unterschiedlich. So liegt der Gesamtindikator für das
Wohlstandsniveau und die Wirtschaftskraft z.B. im Bundesland Bayern bei 65,8 und
der vom Bundesland Berlin bei 37,5. [25].
2.1.2. Materialbezogene Anforderungen
Die genaue Kenntnis der Abfallzusammensetzung ist eine der Voraussetzungen für
Konzeption und Implementierung von Abfallwirtschaftstechnologie. Zum Beispiel,
wenn der Abfall einen hohen Anteil an Organik beinhalten, dann ist meistens ein
hoher Wassergehalt zu erwarten, was wiederum bedeutet, dass der Heizwert relativ
niedrig sein wird.
147
Renato Sarc, Roland Pomberger, Karl E. Lorber
Exemplarisch dazu ist die Siedlungsabfallzusammensetzung in Österreich in Bild 4
dargestellt.
Glas
7,2 %
Inerte Materialien
2,1 %
Textilien
3,3 %
Metalle
4,2 %
Kunststoffe
11,9 %
Hygieneartikel
3,1 %
Papier, Pappe und
Kartonage (PPK)
22,5 %
Bild 4:
Problemstoffe
1,0 %
Restfeinfraktion < 16 mm
10,0 %
Organische/
Biogene Abfälle/Holz
34,5 %
Siedlungsabfallzusammensetzung Österreichs für das Jahr 2009
Quelle: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW): Bundesabfallwirtschaftsplan 2011 (Waste Management Plan 2011), 2011 – eigene Darstellung
Die Restmüllzusammensetzung in Österreich sieht wie folgt aus: biogene Abfälle
20,5 %, Papier, Pappe und Kartonagen 12,4 %, Hygieneartikel 8,2 %, Kunststoffe 9,7 %,
Verbundstoffe 9,5 %, Textilien 5,8 %, Metalle 2,9 % usw. [5]. Der mitteleuropäische
Restabfall weist einen Heizwert zwischen 9 und 13 MJ/kg auf. [16]
Im Vergleich dazu ist die Siedlungsabfallzusammensetzung Englands in nachfolgendem
Bild 5 dargestellt.
Die Zusammensetzung des Siedlungsabfalls eines BRIC Staates (Bild 6) unterscheidet
sich wesentlich von der Abfallzusammensetzung eines abfallwirtschaftlich weit entwickelten Landes wie z.B. Österreich. Das Beispiel Brasilien zeigt sehr hohen Anteil von
biogenen Stoffen. Die getrennte Sammlung ist noch nicht eingeführt. Die Nutzung des
Siedlungsabfalls als Rohstoff für EBS Produktion muss auf den hohen Organik Anteil
und hohen Wassergehalt abgestellt sein. Aufgrund der Zusammensetzung ist biologische
Trocknung (Trockenstabilisierung) ein überlegenswertes Verfahren. Klassische MBA
(Kohlenstoffabbau, Deponierung der Schwerfraktion, energetische Verwertung der
Leichtfraktion) erscheinen bei dieser Abfallzusammensetzung ungeeignet.
Auch der städtische Abfall in der VR China besteht überwiegend (zu über 60 %) aus
Organik sowie aus Verpackungsmaterial und zwischen 10 und 20 % aus Asche und
mineralischem Feinmaterial. Der Wassergehalt im Abfall variiert je nach Herkunft,
Abfallart und Jahreszeit, liegt aber im Durchschnitt zwischen 40 – 50 %. [22] Auch
hier zeigt sich eine ähnliche Problematik wie in Brasilien.
148
Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken
Gesamt LACW: 28,3 mt
Metall
4%
Holz
4%
Glas
6%
Textilien
3%
Kunststoff
10 %
WEEE
2%
Garten- und andere
organische Abfälle
16 %
Nahrungsmittel
18 %
Andere*
14 %
Papier und Karton
23 %
*Andere: gefährliche Abfälle, Sanitär, Möbel, Matratzen, Sonstige, Boden und andere Abfälle
Bild 5:
Siedlungsabfallzusammensetzung Englands für das Jahr 2009
Quelle: Department for Environment, Food and Rural Affairs (DEFRA): Waste Data Overview. 2011
Papier, Pappe und TetraPak
13,1 %
Metall
2,9 %
Glas
2,4 %
Kunststoff
13,5 %
Andere
16,7 %
Bild 6:
Organische Stoffe
51,4 %
Siedlungsabfallzusammensetzung Brasilien
Quelle: National Solid Waste Plan (NSWP): Version post Hearings and Public Consultation to National Councils and ABRELPE
Survey 2011. 2012
Die Verknappung von verschiedenen Rohstoffen, die steigende Nachfrage nach getrennten Abfallfraktionen und die damit verbundene Preissteigerung führt auch in
Entwicklungsländern zur Erkenntnis, dass die Abfälle eigentlich wertvolle Rohstoffe
sind, die bestimmte Primärrohstoffe ersetzten können. Von großer Bedeutung sind
dabei Kunststoffabfälle (z.B. PET-Flaschen), Metalle (u.a. Kupfer, Aluminium), aber
auch weitere Abfälle wie z.B. Glas und Papier. Eine effiziente Nutzung von Altstoffen
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Renato Sarc, Roland Pomberger, Karl E. Lorber
und Abfällen als Rohstoffe unter dem Gesichtspunkt einer hochwertigen stofflichen
Verwertung wird in Zukunft ein ständig an Bedeutung gewinnendes Thema sein.
Nachfolgend werden einige Möglichkeiten für die Nutzung dieser Potentiale und den
Aufbau eines abfallwirtschaftlichen EBS-Systems eines Entwicklungslandes dargestellt.
2.1.3. Möglichkeiten zum Aufbau eines abfallwirtschaftlichen EBS-Systems
Wie bereits erwähnt, hat die EU bestimmte Ziele (Recyclingquoten, Verringerung
des biologisch abbaubaren Anteils usw.) gesetzt und dazu die Ausarbeitung von
unterschiedlichen Abfallbewirtschaftungsplänen und -programmen bzw. Strategien
empfohlen. Ein wesentliches Thema in den weniger entwickelten Ländern ist die Strategie zur Verringerung der zur Deponierung bestimmten, biologisch abbaubaren Abfälle
[8], wo es mehrere Möglichkeiten zur Umsetzung dieser Vorgabe gibt. Die deponierte
Menge biologisch abbaubarer Siedlungsabfälle musste bzw. muss bis zum 16. Juli 2006
auf 75 %, bis 16. Juli 2009 auf 50 % und bis 16. Juli 2016 auf 35 % verringert werden,
jeweils bezogen auf die erzeugte Menge im Bezugsjahr 1995. Um dieses und weitere
Ziele zu erreichen, sind Maßnahmen in Bezug auf das Recycling, die Kompostierung,
Rückgewinnung von Energie usw. zu setzen. Dieses Ziel kann mit einer sortenreinen,
getrennten Sammlung biogener Abfälle am Ort ihrer Entstehung und deren Verwertung z.B. Kompostierung und anschließendem Einsatz als Humusprodukt in der u.a.
Landwirtschaft erreicht werden.
Ein weiterer wesentlicher Schritt im Aufbau der Abfallwirtschaft ist die getrennte
Erfassung von Wertstoffen, die in dem Abfall landen, wie z.B. Pappe, Kartonagen,
Kunststoffen und Metallen sowie Glas. Für diese Fraktionen könnte die Einführung
von Mehrweg-, Rücknahme- und Pfandsysteme die Entwicklung der getrennten Sammlung beschleunigen. Eine weitere Möglichkeit zur Entwicklung der Abfallwirtschaft ist
die Einbindung der bestehenden Industrie (z.B. Zement- und Papierindustrie) in die
Kreislauf- und Abfallwirtschaft, die sich durch diese Mitarbeit gewisse Rohstoffe oder
Ersatzbrennstoffe sichern kann. Eine bestehende Möglichkeit der Zusammenarbeit und
Kooperation zwischen der Industrie und der Kommune sind die sog. Public-PrivatePartnership (PPP)-Modelle.
Public-Private-Partnership (PPP)-Modelle und Kooperationen
Die Bewirtschaftung von Siedlungsabfällen in der Gesamt-EU ist nicht auf dem gleichen
Entwicklungsstand, obwohl die Gesetze für die EU einheitlich erlassen werden. Bei der
Umsetzung dieser bekommen die weniger entwickelten Länder gewisse Übergangszeiten, die sie nützen können, um eigene abfallwirtschaftliche Systeme aufzubauen.
Die maßgeblichen Einflussfaktoren für die Umsetzung von PPP-Modellen sind u.a.
schrumpfende Mittel für die öffentliche Dienstleistungen (z.B. Abfallentsorgung
und -verwertung), hohe Betriebskosten moderner Abfallbehandlungsanlagen und
nicht ausreichende Abdeckung der abfallwirtschaftlichen Kosten durch die örtlichen
150
Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken
Abfallgebühren. Durch den Druck der Europäischen Kommission bezüglich der Umsetzung der Abfallgesetzgebung, benötigen die weniger entwickelten Länder kurz- bis
mittelfristig hohe Finanzmitteln zur Umsetzung der Vorgaben. Diese Finanzmittel können
einfacher durch die Kooperationen und Erweiterung der abfallwirtschaftlichen Aspekte
durch die Industrie erfolgen. [13]
Unter public private partnership werden allgemein partnerschaftliche Organisationsformen zwischen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen und privatwirtschaftlichen Unternehmen verstanden. In der Entsorgungswirtschaft haben sich derartige Kooperationen
schon vor längerer Zeit in Westeuropa etabliert, im Rahmen der fünften Erweiterung
(auch als Osterweiterung bezeichnet) haben sie sich vermehrt in Zentral- und Osteuropa
(CEE-Länder) durchgesetzt. Eine Untersuchung in den CEE-Ländern hat ergeben, dass
neben dem Kaufpreis insbesondere dem Aspekt der weiteren Investitionen während
der Laufzeit des Dienstleistungsvertrages seitens des kommunalen Partners große
Bedeutung beigemessen wird. Das Verhältnis zwischen weiteren Investitionen des
privaten Kooperationspartners nach Eintritt in die gemeinschaftliche PPP-Gesellschaft
und dem dafür getätigten Kaufpreis ist im Beobachtungszeitraum (2006 – 2012) von
0,62 auf 1,93 angestiegen. [13] Bei solchen Kooperationen ist von großer Bedeutung,
dass langfristige Verträge und Abfallmengen gesichert werden und dass der politische
Wille zur gemeinsamen Umsetzung, auch nach den nächsten Wahlen und möglicher
anderer Regierungsbeteiligungen, vorhanden ist. Vorteil dieses Modells ist die Effizienzsteigerung und Kostenoptimierung beim Aufbau und der Erweiterung von abfallwirtschaftlichen Systemen, die Erhöhung der Akzeptanz der lokalen Bevölkerung, sowie
Erleichterungen bei der Einführung der Systeme zur getrennten Sammlung usw. [13]
Eine weitere Möglichkeit, die Abfallwirtschaft eines Entwicklungslandes aufzubauen,
ist die Nutzung von bestehenden Potentialen der Industrie (u.a. Zement- und Papierindustrie), d.h. die Nutzung der bereits eingesetzten Technologien oder Nachrüstung
dieser, um Abfälle niedriger Qualität (d.h. geringer Heizwert und größere Korngröße)
zu behandeln.
Verstärkter Einsatz von Vorbrennkammern
Bei relativ niedrigen Substitutionsraten und noch wenig entwickelten abfallwirtschaftlichen Sammel- und Vorbehandlungssystemen kommt einer flexiblen Verbrennungstechnologie besondere Bedeutung zu. Abfallarten und Qualitäten können sich rasch
ändern, die Qualität der Sammlung und Vorbehandlung muss noch entwickelt werden.
Länder ohne getrennter Sammlung zeichnen sich auch durch hohen biogenen Anteil
im Siedlungsabfall aus, dies führt zu eher geringeren Heizwerten in den daraus herstellbaren EBS. Vorbrennkammern (Precombustion chambers z.B. Hotdisc oder PREPOL)
ermöglichen den Einsatz von inhomogeneren EBS mit höheren Korngrößen und
geringeren Heizwerten. Die qualitativen Anforderungen und ihre Störstofftoleranz
bilden gute Voraussetzungen für den Einsatz in Ländern mit abfallwirtschaftlichen
Systemen, die sich erst im Aufbau befinden. Beispielhaft soll die technologische Entwicklung und der Einsatz des Hotdisc Systems in der Zementindustrie beschrieben
werden.
153
Renato Sarc, Roland Pomberger, Karl E. Lorber
Die Technologie wurde erstmals im Zementwerk Rohožnik (Slowakei) bei der
Holcim Ltd. großtechnisch für Ersatzbrennstoffe umgesetzt. Um den Substitutionsgrad in den Zementwerken zu steigern, muss ein höherer Energieeintrag durch
Ersatzbrennstoffe über die Sekundärfeuerung des Drehrohrofens erfolgen. [23] Die
Hotdisc-Technologie bietet die Möglichkeit eines Einsatzes von weniger aufbereiteten
Abfällen, d.h. die materialspezifischen Anforderungen (insbesondere Heizwert und
Korngröße) können mit wenigen Aufbereitungsschritten erfüllt werden. Vereinfacht
ausgedrückt, sind die Anforderungen an die Brennstoffqualität in der Sekundärfeuerung niedriger als in der Primärfeuerung, die höheren Heizwert (d.h. Hu > 18
MJ/kg) und geringere Korngröße (d.h. d95 < 30 mm) erfordert. Die Hotdisc ist eine
Vorbrennkammer im Bereich des Zyklon-Wärmetauschers eines Drehrohrofens. Der
Ausbrand des über ein Klappensystem eingebrachten EBS erfolgt auf einem feuerfest
ausgemauerten Drehteller, der von einem Teilstrom der Ofenabgase durchströmt
wird, wobei das Brennkammerabgas der Vorwärmung und Vorcalzinierung des
Rohmehls dient. [16]
Durch diese Nachrüstung der bestehenden Technologie sowie durch die Erweiterung
der Abgasreinigungsanlagen in der Zementindustrie (z.B. SCR- oder SNCR-Anlage)
kann die Zusammenarbeit einer solchen Industrie mit den öffentlichen Einrichtungen und weiteren Industriezweigen in Entwicklungsländern einen wesentlichen
Schritt in Richtung Aufbau einer modernen Abfallwirtschaft leisten.
2.2.Anforderungen aus Sicht von Regionen
mit hoher Substitutionsrate in der Zementindustrie
Die Substitutionsrate von primären Energieträgern (vgl. Bild 1) in den abfallwirtschaftlich hoch entwickelten Ländern wie Österreich und Deutschland liegt über
60 – 65 %, wobei einige Anlagen einen Substitutionsgrad > 80 % aufweisen. Je höher
der Einsatz von Ersatzbrennstoffen in der Zementindustrie ist, desto höher und konstanter muss die Qualität der eingesetzten Ersatzbrennstoffe sein bzw. desto ähnlicher
mit den Regelbrennstoffen, die derzeit eingesetzt werden. Nicht nur materialspezifische Anforderungen (Qualitätskriterien wie z.B. Schadstoffe, Heizwert, Korngröße
usw.) spielen eine wesentliche Rolle, sondern auch rechtliche Anforderungen
(u.a. Grenzwerte und Qualitätssicherung), anlagenbezogene Anforderungen (Aufbereitungs- und Fördertechnik) und wirtschaftliche Entwicklungen (Sekundärrohstoffpreise, Abfall- und Energiemarkt usw.). [24]) Trotz vielen Anforderungen beim
Einsatz von EBS besteht weiterhin großes Interesse zur Erhöhung der Substitutionsraten in der Zementindustrie bis hin zu einer kohlefreien Industrie, d.h. einer
100 %-igen Substitutionsrate. Die Herausforderungen vor denen die Abfallwirtschaft
und Zementindustrie stehen sind andere, als in den Entwicklungsländern, wo der
Einsatz von Abfällen zur Substitution von primären Energieträgern erst am Anfang
ist. Die Themenfelder 100 %-Substitutionsrate, Materialverfügbarkeit, usw. werden
in den nachfolgenden Unterkapiteln näher behandelt.
154
Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken
2.2.1. Ziel der 100 %-Substitutionsrate in der Zementindustrie
Wie bereits erwähnt, lag österreichische Substitutionsrate in der Zementindustrie im
Jahr 2011 bei 65,3 %, wobei das Zementwerk Retznei der Lafarge Perlmooser AG im
Jahr 2010 eine Substitutionsrate über 80 % erreichte. Im Rahmen eines Versuchsbetriebs
wurden in diesem Zementwerk 2010 eine Woche lang sämtliche Primärenergieträger
durch ein Mix aus flüssigen und festen Ersatzbrennstoffen zu 100 % ersetzt. Aus diesem grundlegenden Versuch konnten wichtige Erkenntnisse in Bezug auf technische
Probleme (Brennstoffmix, Brennstoffsteuerung, Anbackungen) gewonnen werden. Ein
wesentlicher, positiver Aspekt dieser 100 %-igen Substitution war, dass keine Änderung
(Verschlechterung) der Klinkerqualität eingetreten ist [23]. Die bei diesem Versuch
gewonnenen Erkenntnisse dienen u.a. als Basis für die Umsetzung eines Projektes am
Institut für Nachhaltige Abfallwirtschaft und Entsorgungstechnik (IAE), das sich mit
der Qualitätssicherung von Ersatzbrennstoffen beschäftigt. Die dabei gewonnenen
Daten über die in der ThermoTeam Anlage (Hersteller von EBS, die u.a. im Zementwerk Retznei eingesetzt werden) produzierte Brennstoffqualität werden anschließend
in einem Zementwerk zur Bilanzierung des Klinkerprozesses und Optimierung der
Technologie eingesetzt. Erste positive Ergebnisse lassen erwarten, dass langfristig
gesehen das Ziel 100 % Substitutionsrate erreich werden kann.
2.2.2. Verfügbarkeit von Brennstoffen auf dem Markt
In den letzten Jahren könnte beobachtet werden, dass der Heizwert der verfügbaren
Abfallströme für die Ersatzbrennstoffproduktion sinkt. Dafür dürften im Wesentlichen
drei Gründe verantwortlich sein:
1. Die steigende Nachfrage und damit verknüpft hohen Preise für Kunststoffe im Recycling, was eine Abtrennung aus den Abfallströmen attraktiver macht. Hochwertige Kunststoffe werden somit bereits vor der Anlieferung aussortiert und stofflich
verwertet. In die EBS-Produktionsanlagen gelangen somit mehr heizwertärmere
Materialien wie z.B. PVC, was den Heizwert sinken lässt und den Chlorgehalt zunehmen lässt. Ein höherer Inertstoffanteil wirkt sich ebenso negativ auf den Heizwert aus und lässt die Verschleißkosten in den Anlagen steigen.
2. Die sinkende Verfügbarkeit von gut geeigneten hochkalorischen Mengenströmen
aus der Leichtverpackungssammlung. Durch die Umstellung mehrerer Regionen
auf reine Hohlkörpersammlung reduziert sich die Menge der verfügbaren Mischkunststofffraktion (MKF). Die nicht stofflich verwertbaren Kunststoffabfälle verbleiben in diesen Regionen im kommunalen Siedlungsabfall und werden entweder
Abfallverbrennungsanlagen oder MBAs zugeführt. Der Mengenstrom für die EBS
Produktion ist entweder verloren oder in der Qualität wesentlich verändert.
3. Die Versorgung mit Input Material kann durch die gut geeigneten Mengenströme
aus der Leichtverpackungssammlung und aus Produktionsabfällen nicht gesichert
155
Renato Sarc, Roland Pomberger, Karl E. Lorber
werden. Es werden daher immer mehr Teilströme aus MBAs als Rohstoff zur EBS
Produktion genutzt. Diese heizwertreichen Fraktionen haben tendenziell niedrigere Heizwerte durch geringeren Kunststoffanteil, höhere biogene Anteile und höhere
Wassergehalte.
Die Konkurrenz um verfügbare Abfallmengen hat in den letzten Jahren zugenommen. Die gesamten Verbrennungskapazitäten übersteigen in einigen Ländern (z.B.
Deutschland, Österreich) die Abfallmengen. Es besteht hoher Wettbewerb insbesondere
zwischen der klassischen Abfallverbrennung, die unbehandelte Abfälle einsetzen kann,
und industrieller Mitverbrennung, die Abfallaufbereitung und Produktion geeigneter
EBS Qualitäten voraussetzt. Abfall hat sich zum knappen Gut entwickelt. Unter diesen
Bedingungen wird auch der bisher eher kritisch betrachtete Abfallimport zunehmend
als Option angesehen. Gerade EBS stellen verstärkt ein Handelsgut dar und werden
zukünftig verstärkt international gehandelt werden. Die Bereitstellung von Aufbereitungs- und Verbrennungskapazitäten sollte auch als wirtschaftliche Chance erkannt
und genutzt werden.
100 %-ige Substitution von primären Energieträgern in Zementwerken ist weniger ein
technisches Problem als vielmehr eine Frage der Verfügbarkeit der geeigneten EBS.
2.2.3. Technische Herausforderungen für letzte Prozente der Substitutionsrate
Die letzten 20 % der Substitution zu erreichen, stellt besonders hohe Herausforderungen
an EBS Produzenten und Zementwerke. Das 100 % Ziel ist eine technische Herausforderung, die von der Art der eingesetzten EBS und den individuellen Verhältnissen
des Ofensystems abhängt. Aus wirtschaftlicher Sicht kann es aber auch sinnvoll sein,
eine niedrigere Substitutionsrate zu akzeptieren, da die letzten Prozent besonders
kostenintensive Behandlungsschritte erfordern. Folgende Maßnahmen unterstützen
das Ziel einer vollständigen Substitution.
Trocknung von Abfällen
Die Nachfrage nach hochkalorischen, qualitätsgesicherten Ersatzbrennstoffen ist auf
dem österreichischen Markt größer als das tatsächliche Angebot. Auch die Nachfrage
nach mittelkalorischen Ersatzbrennstoffen (Heizwert zwischen 11 und 18 MJ/kg)
wird in der Zukunft steigen und somit gewinnen Überlegungen zur Trocknung
von niederkalorischen Abfällen (z.B. Rejekte aus Papierindustrie, Siebdurchlauf aus
der mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage usw. mit einem Heizwert
< 11 MJ/kg) an Bedeutung. Die Trocknung erhöht den Heizwert und ermöglicht den
Einsatz im Zementdrehrohrofen als EBS (Veredelung). Abfälle, die derzeit als mittelkalorische Ersatzbrennstoffe zum Einsatz kommen, könnten nach der Trocknung
(= Erhöhung des Heizwertes) möglicherweise sogar die Qualitäten von hochkalorischen
Ersatzbrennstoffe (Heizwert > 18 MJ/kg) erreichen. Diese zurzeit noch theoretische
Möglichkeit bedarf aber weitere Forschungsarbeit.
156
Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken
Bei gleich bleibender Abfallzusammensetzung gibt es mehrere Ansätze, die Abfälle zu
trocknen. Einerseits kann Abwärme aus der Industrie (z.B. Zement- und Papierindustrie) für die Trocknung von mittel- und hochkalorischen Ersatzbrennstoffen genutzt
werden. Andererseits besteht die Möglichkeit zur Trocknung von Abfällen durch die
Umstellung der gewöhnlichen mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen
(vor der Deponierung) MBAVD in Richtung mechanisch - biologische Stabilisierung
(MBS) und mechanisch-physikalische Stabilisierung (MPS). Dadurch könnte die biologisch stabilisierte Fraktion (MBA-Material), die derzeit nach dem Rotteprozess auf
einer Massenabfalldeponie landet, in Abfallverbrennungsanlagen eingesetzt werden und
andererseits die mittelkalorischen Abfälle, die derzeit in Abfallverbrennungsanlagen
eingesetzt werden, zur Erhöhung der Substitutionsraten in der Zementindustrie herangezogen werden. Dies würde einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung von Deponien,
Verringerung der Deponienachsorge und Schonung vom Deponievolumen leisten.
Andererseits könnte die in den Abfällen bzw. Abfallfraktionen chemisch gespeicherte
Energie sinnvoller genützt werden und zudem ein Beitrag zur besseren Auslastung von
Abfallverbrennungsanlagen geleistet werden. Diese Umstellung würde zur Erweiterung
der abfallwirtschaftlichen „Wertschöpfungskette“ führen, müsste aber in Bezug auf
die Umsetzung noch detailierter wissenschaftlich und technisch untersucht werden.
Feine Materialien
Eine Steigerung der Einsatzmenge am Hauptbrenner kann durch verbessertes Ausbrandverhalten des EBS in der Flamme erreicht werden. Die Nachzerkleinerung auf etwa 5 mm
muss nicht in den EBS Produktionsanlagen erfolgen, die i.d.R. für mehrere Abnehmer
produzieren, sondern könnte unmittelbar vor dem Ofen durch das jeweilige Zementwerk
selber vorgenommen werden. Da ja bereits zerkleinerter, störstoff- und metallbefreiter
EBS angeliefert wurde, kann eine schneidende Nachzerkleinerung als isolierter zusätzlicher Verfahrensschritt integriert werden. Das Zementwerk kann die Korngröße dann
selbst einstellen und optimieren.
Chlorreduktion im Material
Ein weiteres Ziel des oben erwähnten Projektes 100 %-ige Substitutionsrate ist die Ausschleusung von chlorreichen Fraktionen (z.B. PVC-haltige Produkte wie Böden) aus
dem zu produzierenden Ersatzbrennstoff. Einige mechanische Aufbereitungsanlagen
und EBS-Produktionsanlagen haben bereits solche Aggregate, die die Qualität von EBS
verbessern oder zumindest konstant halten sollen. Die Chlorproblematik ist ein bekanntes
Thema in der Zementindustrie und je höher die Substitutionsrate gesteigert wird, desto
besser muss auch die Qualität des eingesetzten Materials sein, d.h. desto geringer muss die
Chlorbelastung sein (d.h. Cl < 0,6 %). In der österreichweit größten EBS-Produktionsanlage
ThermoTeam ist der Aufbereitungsprozess um weitere Aggregate (NIR-Sortiertechnologie)
erweitert worden (Bild 7), die sicherstellen sollen, dass die Chlorfracht gesenkt wird bzw.
dass ein maximaler Chlorgehalt von 0,6 % [23] gewährleistet wird. Die Anlage ist heuer
im Sommer in Betrieb genommen worden und das dazugehörige Projekt wird unter Zusammenarbeit von ThermoTeam und Lafarge vom IAE begleitet.
157
Renato Sarc, Roland Pomberger, Karl E. Lorber
INPUT
Gewerbe- und
Industrieabfall
Verpackungsabfall
Aufbereiteter Hausmüll
Bunker
(Zwischenlagerung)
Grobzerkleinerung
NDIR-Sortierung 2
PET
PVC
Verwertung Beseitigung
Mix
NDIR-Sortierung 1
3D
(25 w%,
10 Vol%)
Windsichtung
2D
(75 w%,
90 Vol%)
Metallabscheidung
Nichteisenmetallabscheidung
Windsichtung
Schwerfraktion
(Steine, Beton, etc.)
Nachzerkleinerung
(< 10 mm)
Nachzerkleinerung
(< 30 mm)
Zwischenproduktlagerung
Metallabscheidung
Siebung
(< 30 mm)
Übergröße > 30 mm
Metallabscheidung
Metallverwertung
Bild 7:
SRF Eigenschaften PBF
für Zementindustrie
Fließbild der EBS-Produktionsanlage ThermoTeam
Quelle: Lorber, K. E.; Sarc, R.: Waste to Energy by Preparation of Quality Controlled SOLID RECOVERED FUELS (SRF). In:
Nellers et al. (Hrsg.): Proceedings of the 4th international conference on Environmental Technology and Knowledge Transfer.
Hefei, P.R. China, May 24-25, 2012
Abfallmixoptimierung
Hohe Substitutionsraten können nur durch den Einsatz verschiedener Abfallströme
(EBS) erreicht werden. Dabei spielen auch flüssige gefährliche Abfälle wie z.B. Altöl
und Lösungsmittel eine wichtige Rolle. Durch Auswahl geeigneter EBS und Zuordnung
158
Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken
der Abfallarten zu den geeigneten Einbringorten kann ein für das Ofensystem optimierter Abfallmix eingestellt werden. Beschränkend ist leider die Verfügbarkeit von
besonders gut geeigneten flüssigen Abfällen, die einem hohen Wettbewerb unterliegen
und zunehmend aus wirtschaftlichen Gründen unattraktiv werden.
Sauerstoffeintrag in den Ofen
Bei sinkenden Heizwerten am Hauptbrenner kann der Zusatz von Sauerstoff zur
Verbrennungsluft das Ausbrandverhalten verbessern und die Flammentemperaturen
erhöhen. Auch durch diese Maßnahme kann die Substitutionsrate am Hauptbrenner
verbessert werden.
3. Bedeutung der Qualitätssicherung von Ersatzbrennstoffen
in der Praxis
Um auf Schwankungen der Ersatzbrennstoffqualität rechtzeitig reagieren zu können,
d.h. die Prozessbedingungen und die Substitutionsmengen in einem Zementwerk an
diese Änderungen anzupassen, ist die kontinuierliche Qualitätssicherung von Ersatzbrennstoffen eine unabdingbare Voraussetzung. Die Qualitätssicherung besteht dabei
aus mehreren Stufen wie z.B.: Erstellung des Probenahmeplans nach Art und Korngröße
des einzusetzenden Materials, Auswahl der Probenahmemethode (vom Haufen, aus
einem Fahrzeug, vom laufenden Band), Anwendung von Aufbereitungs- und Verjüngungsmethoden bis hin zur Laboraufbereitung und Analyse der Testprobe auf die
notwendigen Parametern der Abfallverbrennungsverordnung [4] und der vertraglich
festgelegten Spezifikationen.
Grundsätzlich müssen drei Voraussetzungen vorhanden sein, damit sich ein Anlagenbetreiber entscheidet, Abfälle bzw. Ersatzbrennstoffe in seiner Anlage einzusetzen:
Rechtssicherheit, Versorgungssicherheit und Qualitätssicherheit. [16]
Der rechtliche und technische Rahmen für die Umsetzung der Qualitätssicherung an
einem Standort in Österreich ist in der Abfallverbrennungsverordnung [4], der Richtlinie für Ersatzbrennstoffe [3] und in den unterschiedlichen Normen (z.B. ÖNORM
EN 15442 [1] und ÖNORM EN 15443 [2]) festgelegt. Neben den rechtlichen Vorgaben
sind auch weitere vertraglich festgelegte Spezifikationen (wie z.B. Chlor-, Schwefel-,
Asche-, Wassergehalt, Schüttgewicht, Korngröße usw.) von Bedeutung, weil anhand
dieser die aktuelle Preisgestaltung zwischen Produzenten (EBS-Produktionsanlage)
und Abnehmer (Zementwerk) erfolgt.
Für die Durchführung der Qualitätssicherung von Ofen-Inputmaterial (d.h. Probenahme inkl. Probenahmeplan, Aufbereitung, Verjüngung, chemische Analysen,
Auswertung, Beurteilung mit Grenzwertgegenüberstellung und Übergabe des Beurteilungsnachweises an die zuständige Behörde) unter Einhaltung von o.a. rechtlichen
und normativen Vorgaben werden zwei Ansätze angewandt: Einerseits kann dieser
Vorgang vom EBS-Hersteller (Produktionsanlage) und andererseits von EBS-Abnehmer
(Zementwerk) umgesetzt werden, aber es gibt auch Misch-Modelle.
159
Renato Sarc, Roland Pomberger, Karl E. Lorber
Die ständige Verbesserung von EBS-Qualitäten durch z.B. Erweiterung der Aufbereitungstiefe oder Verwendung von ausgewählten höherwertigen (reinen) Abfallqualitäten
ermöglicht in bestimmten Fällen, dass für diese Abfälle das sogenannte Abfallende
erreicht wird. Um ein Abfallende zu erreichen, müssen alle in der Abfallverbrennungsverordnung, Anlage 9, Kapitel 1.2. [4] angeführten Grenzwerte unterschritten werden.
Bei vollständiger Erfüllung dieser Anforderungen und durch den Nachweis seitens
einer unabhängigen Einrichtung (Gutachter) kann der Status Ersatzbrennstoffprodukt
erreicht werden. Der Nachweis erfolgt unter Einhaltung von strikten gesetzlichen
Vorgaben, angefangen mit der Abfallprobenahme bis hin zu den Analysemethoden
und der Dokumentation des Beurteilungsvorganges.
Für Ersatzbrennstoffqualitäten, die aus gemischten Siedlungsabfällen hergestellt werden, erscheinen diese Vorgaben nicht erreichbar. Die Grenzwerte für ein Ersatzbrennstoffprodukt dürften dauerhaft nur von ausgewählten sortenreinen Inputmaterialien,
die speziellen Aufbereitungsprozessen und einer hochwertigen Qualitätssicherung
unterzogen werden, erreicht werden können. [23]
4. Zukunftsthemen bei der Weiterentwicklung von Ersatzbrennstoffen
4.1. Biogener Kohlenstoff in den Ersatzbrennstoffen
Das aus dem biogenen Anteil eines Brennstoffes stammende CO2 gilt als emissionsneutral und unterliegt nicht dem CO2-Emissionshandel. Etwa zwei Drittel der CO2-Emissionen bei der Zement- und Kalkproduktion sind rohstoffbedingt. Um Einsparungen
zu erzielen, ist daher ein hoher kostenneutraler biogener Kohlenstoff-Anteil im EBS
erwünscht, der jedoch mit der Forderung für möglichst hohe Heizwerte in Konflikt
steht. Der biogene Kohlenstoffanteil im Ersatzbrennstoff ASB (Output-Brennstoff aus
der ThermoTeam-EBS-Produktionsanlage) beträgt i.d.R. zwischen 30 und 50 %. Eine
Steigerung des biogenen Kohlenstoffanteils in diesem EBS würde den Heizwert weiter
senken und erscheint nur für den Einsatz in der Sekundärfeuerung sinnvoll, da hier
im Vergleich zur Primärfeuerung auch EBS mit geringeren Heizwerten eingesetzt
werden können.
Neue Überlegungen zielen aber darauf ab, durch Vorbehandlung (z.B. thermische Behandlung) einerseits den Wassergehalt zu reduzieren und andererseits den Kohlenstoff
aufzukonzentrieren. Durch diese Vorbehandlung könnte es auch gelingen klassische
Bioabfälle als klimaneutrale EBS verfügbar zu machen.
4.2. Neue Ersatzbrennstoffe aus Landfill Mining
Bedingt durch die einerseits bereits erwähnte Abfall/Rohstoffverknappung auf dem
Markt (teilweise verursacht durch nicht vollständig ausgelastete Anlagenkapazitäten)
und andererseits stetig steigende Nachfrage nach nutzbaren Abfällen sucht die Abfallwirtschaftsbranche nach neuen Quellen bzw. Erweiterungspotentialen. Ein, derzeit
sehr aktuelles Thema, das sich erst in den Anfängen der Überprüfung und Bewertung
160
Perspektiven der Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Zementwerken
befindet, ist das Thema Landfill Mining, welches die Deponien als zukünftige Lagerstätten von Roh- und Energiestoffen heranzieht.
Landfill Mining ist der gezielte Rückbau von Altdeponien mit dem Ziel, stofflich und
energetisch verwertbare Rohstoffe zu gewinnen und darüberhinaus das Schadstoffpotential der verbleibenden Deponiemenge wesentlich zu reduzieren. [20, 27] Ein
von der österreichischen FFG (Forschungs- und Förderungsgesellschaft) gefördertes
Deponierückbauprojekt, welches die Region Steiermark als Pilot-Region vorsieht, soll
die in Österreich vorhandenen Potentiale aufzeigen.
Neben den zukünftigen Handlungsempfehlungen soll anhand von vor-Ort Versuchen
das technisch erreichbare Potential zur Nutzung von Roh- und Energiestoffen untersucht werden. [20]
Die, bereits in der Umsetzung befindlichen Landfill Mining Projekte aus Deutschland
schätzen das Gesamtpotential an heizwertreichen Fraktionen (Papier/Pappe, Kunststoffe, Verbunde, Textilien und Holz) in deutschen Siedlungsabfalldeponien (seit 1975
etwa insgesamt 2,5 Milliarden Tonnen abgelagert) auf etwa 250 bis 400 Millionen
Tonnen ein. Dies macht etwa 50 – 80 % des deutschen Jahresbedarfs an heizwertreichen Fraktionen aus. Anschaulicher ausgedrückt, heißt dies, dass über einen Zeitraum
von 20 Jahren etwa 2,5 – 4 % des Bedarfs an Primärenergieträgern aus rückgebauten
Altdeponien bereitgestellt werden könnten, d.h. es wäre eine MVA-Jahreskapazität
von 12,5 Millionen Tonnen notwendig, um diese neugewonnenen Abfälle zu verwerten. Auch wenn Recyclingmaßnahmen und neue Projekte wie Landfill Mining allein
die Ressourcenverknappung und andere ähnliche, heutzutage vorhandene Probleme
nicht lösen können, bilden sie doch einen wichtigen Schritt in Richtung nachhaltige
Abfallwirtschaft bzw. Ressourcenwirtschaft. [12]
5. Verwendete Literatur
[1] Austrian Standards Institute (ASI) (Hrsg.): ÖNORM EN 15442 Solid Recovered Fuels-Methods
for sampling. Vienna, Austria, 2011
[2] Austrian Standards Institute (ASI) (Hrsg.): ÖNORM EN 15443 Solid Recovered Fuels-Methods
for the preparation of the laboratory sample. Vienna, Austria, 2011
[3] Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW):
Richtlinie für Ersatzbrennstoffe (Guideline for Waste Fuels). Vienna, Austria, 2008
[4] Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW):
Verordnung über die Verbrennung von Abfällen Abfallverbrennungsverordnung – AVV (Waste
Incineration Directive). Vienna, Austria, 2010
[5] Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW):
Bundesabfallwirtschaftsplan 2011 (Waste Management Plan 2011), 2011
[6] Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ): Lissabon Strategie: Online
im WWW unter URL: http://www.bmwfj.gv.at/Wirtschaftspolitik/Wirtschaftspolitik/Seiten/
LissabonStrategie.aspx, abgerufen am 25.11.2012
[7] Department for Environment, Food and Rural Affairs (DEFRA): Waste Data Overview. 2011
[8] Europäische Union (EU): Council Directive 1999/31/EC of 26 April 1999 on the landfill of waste.
(Deponierichtlinie 1999)
161
Renato Sarc, Roland Pomberger, Karl E. Lorber
[9] Europäische Union (EU): RICHTLINIE 2008/98/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
UND DES RATES vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien, kurz Abfallrahmenrichtlinie
[10]European Commission (EC): Europe 2020 – A Strategy for Smart, Sustainable and Inclusive
Growth. COM (2010) 2020. Brussels. 3 March 2010
[11] European Council (EC): Presidency Conclusions – Lisbon European Council, 23-24 March 2000,
(No. 100/1/00): European Council
[12] Fricke, K.; Münnich, K.; Heußner, C.; Wanka, S.; Rettenberger, G.; Krüger, M.; Schulte, B.: Landfill
Mining – ein Beitrag der Abfallwirtschaft für die Ressourcensicherung. In: Lorber, K. E. et al.
(Hrsg.): DepoTech 2012. Tagungsband, S. 575-584
[13]Hodecek, P.: Public-Private-Partnership (PPP) – Modelle in Zentral- und Osteuropa. In: Lorber
K. E. et al. (Hrsg.): DepoTech 2012. Tagungsband, S. 123-126
[14]Klampfl-Pernold, H.; Gelbmann, U.: Quantensprünge in der Abfallwirtschaft – Entwicklung
eines innovationsorientierten Phasenmodells der europäischen Abfallwirtschaft. 2006
[15]Kranert, M.; Cord-Landwehr, K. (Hrsg.): Einführung in die Abfallwirtschaft, 4. vollständig aktualisierte und erweiterte Auflage 2010. Viewer + Teubner Verlag
[16]Lorber, K. E.; Sarc, R.; Pomberger, R.: Production and application of refuse derived fuels. In:
Kuhle-Weidemeier, M. (Hrsg.): Waste-to-Resources 2011. 4. Internationale Tagung MBA und
Sortieranlagen. Göttingen: Cuvillier Verlag, 2011
[17]Lorber, K. E.; Sarc, R.; Aldrian, A.: Design and quality assurance for solid recovered fuel. In:
Waste Management & Research Special Issue 30 (2012), Nr. 4
[18]Lorber, K. E.; Sarc, R.: Waste to Energy by Preparation of Quality Controlled SOLID RECOVERED FUELS (SRF). In: Nelles et al. (Hrsg.): Proceedings of the 4th international conference
on Environmental Technology and Knowledge Transfer. Hefei, P.R. China, May 24-25, 2012
[19]Mauschitz, G.: Emissionen aus Anlagen der österreichischen Zementindustrie; Berichtsjahr
2011 (Emissions from plants of the Austrian cement industry). TU Wien, Wien, Austria, 2012
[20]Mitterwallner, J.; Himmel, W.; Pomberger, R.; Sarc, R.: Deponierückbau in der Steiermark. In:
Lorber, K. E. et al. (Hrsg.): DepoTech 2012. Tagungsband, S. 585-588
[21] National Solid Waste Plan (NSWP): Version post Hearings and Public Consultation to National
Councils and ABRELPE Survey 2011. 2012
[22]Nelles, M.; Dorn, T.; Wu, K.: Abfallwirtschaft in der VR China – aktuelle Entwicklungen und
Herausforderungen. In: Lorber, K. E. et al. (Hrsg.): DepoTech 2012. Tagungsband, S. 119-122
[23]Pomberger, R.; Curtis, A.: Neue Entwicklungen bei der Produktion und Verwertung von Ersatzbrennstoffen in Österreich (New developments in production and application of Solid Recovered
Fuels in Austria). In: Thomé-Kozmiensky, K. J.; Beckmann, M. (Hrsg.): Energie aus Abfall,
Band 9. Neuruppin: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2012
[24]Pomberger, R.; Sarc, R.: The Future of Solid Recovered Fuels (SRF). In: EUMICON, European
mineral resources conference 2012, Leoben, September 2012
[25]Statista GmbH: Bundesländerranking: Vergleich der Wirtschaftskraft der Bundesländer im Jahr
2012 (Bestandsranking). Online im WWW unter URL: http://de.statista.com/statistik/daten/
studie/72903/umfrage/vergleich-der-wirtschaftskraft-der-bundeslaender/, 2012
[26] VDZ: Online im WWW unter URL: http://www.vdz-online.de/vdz.html, abgerufen im August 2012
[27] Weißenbach, T.: Deponierückbau – Ressourcenpotential, Klimarelevanz und Wirtschaftlichkeit.
In: Lorber, K. E. et al. (Hrsg.): DepoTech 2012. Tagungsband, S. 589-592
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Initiative. Cement Industry Energy and CO2 Performance – Getting the Numbers right. Online
im WWW unter URL: http://www.wbcsdcement.org/index.php/key-issues/climate-protection/
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162