Programmheft - Der wahre Inspector Hound

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Programmheft - Der wahre Inspector Hound
Das Theater Gymnasium Christian-Ernestinum
präsentiert am 14. und 15. Juli 2011
im Kleinen Haus der Stadthalle Bayreuth:
DER WAHRE INSPEKTOR HOUND
– eine Farce von Tom Stoppard –
Martin Lau Anna
Kerner
Katharina Ströle
Laurens von Assel
Christoph Breunig
Christian Kessler
Nicola Werner
Stephanie Kasch
D IE VE R D ÄC H TIG E N
Moon............................................................................................... Martin Lau
Birdboot...............................................................................Christoph Breunig
Mrs. Drudge..................................................................................Anna Kerner
Simon Gascoyne.................................................................... Christian Kessler
Felicity Cunningham............................................................... Katharina Ströle
Cynthia Muldoon........................................................................ Nicola Werner
Magnus Muldoon................................................................. Laurens von Assel
Kriminalkomissar Watson...................................................... Stephanie Kasch
I M H I N TE R G R U N D Z I E H E N D I E F Ä D E N
Regie:.....................................................................................Christian Plätzer
Bühnenbild:....................................................................... Carla Schmidhuber
Technik:........................................................................... Sebastian Frühhaber
Robin Thunig
Sarah Purrucker
Souffleuse:............................................................................... Franziska Popp
Maske:.............................................................................................. Ensemble
Plakat:........................................................................................... Ylli Krasniqi
Programmheft:............................................................Katharina Ströle (Texte)
Anna Kerner (Werbung)
Laurens von Assel (Layout)
O B E R I N S P E K TO R — TO M S TO P P A R D S L E B E N U N D W E R K
„Der Wahre Inspektor Hound― –
dieser
Titel
ist
programmatisch für
das
damit
bezeichnete Stück von
Tom Stoppard, in des- sen
Verlauf viele versuchen, sich
als „wahre Inspektoren― zu
betätigen.
Auf der Bühne führen sechs
Schauspieler einen englischen
Krimi auf – der aber erst dadurch interessant
wird, dass
in
einer Art gespiegeltem
Zuschau- erraum zwei Kritiker
sitzen, die das
Stück im
(parodierten)
Stil
Agatha
Christies
fortlaufend
kommentieren. Diese Kritiker
heißen Moon und Birdboot –
zwei Namen, die in Stoppards
Werk häufiger auftreten. Generell bezeichnet der Name Boot
jemanden, der geschehen lässt,
und Moon ist eher einer, dem
Dinge geschehen. Es gibt also
zwei parallele Handlungen, das
Spiel im Spiel und das Gespräch
der Kritiker. Bis sich dann in einer überraschenden Wendung
die beiden Ebenen plötzlich vermischen…
In absurden Wendungen und
Dialogen wird systematisch geklärt und verwirrt, bis man sich
unweigerlich fragt, wer hier eigentlich
der Mörder
ist.
Und wer hat die Fäden in der
Hand? Die einzig gesicherte
Antwort lautet:
Der
Autor
Tom Stoppard.
Dieser international bekannte
zeitgenössische Autor hält die
Fäden so gekonnt, dass er ne-
ben vielen Auszeichnungen und
Preisen 1997 zum Ritter geschlagen wurde und ihm im
Jahr 2000 sogar der Titel „Order
of Merit― verliehen wurde.
Stoppard schreibt englisch, ist
aber ursprünglich anderer Herkunft. Er wurde am 3. Juli 1937
in Zlín, einer Stadt in der ehemaligen Tschechoslowakei, als
Tomás Straussler geboren.
Da seine Eltern jüdischer Herkunft waren, musste die Familie
schon bald nach Singapur fliehen.
Vor der drohenden japanischen
Invasion zog die Mutter des damals fünfjährigen Thomás mit
ihren zwei Söhnen weiter nach
Indien. Um diese Zeit starb der
Vater der Familie. In Indien besuchten Tomás und sein Bruder
eine amerikanische Schule, wo
der Name Tomás auf Tom verkürzt wurde. Seinen heutigen
Nachnamen „Stoppard― erhielt
er von dem zweiten Mann seiner Mutter, einem britischen
Major, den diese nach ihrem
Umzug nach England kennen
lernte und heiratete.
Mit siebzehn verließ dann der
junge Stoppard die verhasste
englische Schule und fing an
als Journalist zu arbeiten. Obwohl er später bereute, nie studiert zu haben, denkt er gerne
an diese Zeit zurück, in der
er sich seinen Namen weniger
durch seine
Beiträge
als
durch seine
angestrengten
Humorve- suche und speziellen
Kleidungs- stil machte.
Nach der Veröffentlichung einiger kurzer Hörspiele konnte
er sein erstes größeres Werk
„A Walk on the Water― fertig
stellen, das 1963 verfilmt und
etwas später in leicht veränderter Version unter dem Titel „Enter a Free Man― auf der Bühne
uraufgeführt wurde.
Stoppards Durchbruch gelang
mit
dem
Theaterstück
„Rosencrantz
and
Guildenstern Are Dead― 1966,
das
ihn über Nacht berühmt
machte. Hier nimmt er zwei
Nebenfiguren aus „Hamlet― von
Shakespeare auf und kehrt die
Rollenverhält- nisse um: Die
beiden
werden zu
den
Hauptfiguren
des Stückes,
während Hamlet
eine eher
untergeordnete Rolle spielt.
Aber genau diese Verwirrspiele,
ad absurdum geführte Dialoge
und oft auch eine kritische Botschaft sind kennzeichnend für
die Werke Stoppards. Verwirrung auf allen Ebenen:
Passen Sie auf – vielleicht sind
Sie
der
„Wahre
Inspektor
Hound―?
Tom Stoppard
VOM FASS Bayreuth · Inh.: Volker Kläning · Von-Römer-Straße 10 · 95444 Bayreuth
„ S IE M AC H E N D AS G AN Z E Z U E IN E R FAR C E ! ―
„Sie machen das Ganze zu einer Farce!―, ruft der Kritiker
Moon an einer Stelle des
Stückes. Auch wenn natürlich
nicht nur der Angesprochene
daran beteiligt ist, dass hier das
ganze Theater zu einer Farce
wird – die Tatsache bleibt unbestreitbar.
Aber
was genau
macht
eine
Farce
eigentlich aus?
Um diese Frage zu klären, muss
man zurückgehen zu den Wurzeln und der Herkunft dieses
Wortes. Dieser französische Begriff kommt ursprünglich aus
der Küchensprache. Das lateinische farcire, von dem das Wort
Farce abstammt, meint so viel
wie „stopfen―, „füllen― und
stammt seinerseits von dem
griechischen Begriff „frassein―
(fraßssein) mit der Bedeutung
„umschließen― oder auch „versperren―, „verstopfen― ab. Diese
lateinische Herkunft schlägt
sich in der heutigen Verwendung des Wortes Farce für eine
Füllung von Fleisch oder Fisch
nieder. Später wurde dieser Begriff auch
als
„füllendes
Zwischenspiel― im Theater
verwendet, also gleichbedeutend mit „Posse― oder
„Schwank―.
„Der wahre Inspektor Hound―
mag streckenweise aussehen wie
ein solches derbes Lustspiel, dennoch greift die Bezeichnung zu
kurz. Denn bei genauerem Hinsehen hat dieses Stück mehr Tiefgang, Stoppard hat hier ein
Theaterstück über das Theater
geschrieben. Über ein Theater,
das zur Farce wird. Die Bedeutungslinie führt im Übertragenen
weiter
zur
letzten
Komponente des Begriffs Farce:
„lächerliche Szene― oder „Unsinn―. Das dürfte Moon im Sinn
haben, wenn er sagt: „Sie machen das Ganze zu einer Farce!―
Damit hat das Wort Farce eine
ganz ähnliche Entwicklung gemacht wie der Begriff „Satire―.
Dieser kommt vom lateinischen
„satura―:
„gemischtes
Allerlei― oder „Opferkuchen―,
also eben- falls ein Begriff aus
der Küchen- sprache.
Die Bedeutung wandelte sich
allmählich, zunächst durch den
Schriftsteller Ennius (3./2. Jahrhundert vor Christus). Er verfasste eine bunt gemischte
Gedichtsammlung mit verschiedenen Themen und Metren und
wegen dieser Vielfalt wurde
sein Werk „satura― genannt.
Die Geschichte der römischen
Verssatire beginnt mit Lucilius
und wird unter anderem von Horaz weitergeführt, der in seinen
Werken
lächelnd
die
Wahrheit sagt („ridentem dicere
verum―). Im
Vergleich
dazu
ist
Satire heute bissiger und
politischer. Außerdem
ist
unser Begriff
„Satire― nicht wie in der römischen Antike festgelegt auf
eine Dichtung im Hexameter.
Vielmehr gibt es viele Erscheinungsformen und Arten der
Satire – so unterschiedlich wie
die Satiriker, die sie entstehen lassen.
Ist das Stück „Der wahre Inspektor Hound― nun eine Farce, eine
Satire oder etwa beides? Im Begriff „Satire― steckt die (maßlose)
Übertreibung, die eine Handlung
grotesk und oft komisch wirken
lässt. Übertreibende Elemente
gibt
es
in
diesem
Theaterstück zweifellos,
aber
dennoch steht wohl nicht die
überzogene Darstellung im
Vordergrund, auch nicht eine
etwaige politi- sche Aussage,
sondern
die
Verkettung
verschiedener
Handlungsstränge. Der Inhalt
wird lächerlich gemacht und
abgewertet
durch
eine
unsachgemäße Herangehensweise der Handelnden.
Übrig bleibt nur ein Schatten
des Spiels, ein Schattenspiel,
das mit neuem Inhalt gefüllt,
„farciert―, wird – Kritik in mehrerlei Hinsicht, Verwirrung und
Witz. Somit dürfte der Begriff
der Farce sehr zutreffend sein
für dieses Werk von Tom
Stoppard,
nicht
zuletzt
auch weil die Farce stärker an
eine bildhafte Handlung und
Vorfüh- rung geknüpft ist als die
Satire, die
auch
auf dem
Papier
ihre volle Wirkung
entfaltet. Die Handelnden sind
hier die Schauspieler:
Das
Theater macht
sich
lustig
über sich selbst.
Und Felicity bringt es an einer
Stelle auf den Punkt: „Aber das
gibt doch alles gar keinen
Sinn!―
Dieser Artikel ist den Griechisch- und Lateinlehrern Hendler und Lobe gewidmet.
T H E A TE R K R I T I K E N L E I C H T G E M A C H T
Im Zuge der fortschreitenden Einbeziehung und Interaktivität des Publikums
im Theater – sei es zum Beispiel durch die direkte Ansprache des Publikums,
sich im Zuschauerraum versteckende Schauspieler oder die musikalische
Untermalung des Stückes durch Handyklingeltöne – wollen wir Sie,
verehrter Leser, nun an dieser Stelle in das Geschehen mit einbeziehen. In
diesem Kreativteil des Programmhefts können Sie nun selbst aktiv werden –
schreiben Sie sich Ihre eigene Theaterkritik!
Damit bereits
Ihr erster Versuch zum Erfolg wird und da ein
besonderes Stück wie dieses einen besonderen Stil erfordert, sind im
Folgenden ein paar wichtige Regeln abgedruckt, die Sie unbedingt beachten
sollten.
1.
Ein gedanklicher
Austausch
mit
dem Sitznachbarn
kann
sehr anregend sein. Darüber hinaus kann man auch schon nach der
ersten Pause das Theater verlassen, da man das Ende meist schon
nach der Hälfte des Stückes abschätzen kann.
2.
Schreiben Sie ganz subjektiv. Nichts interessiert den Leser mehr als
Ihre persönlichen Wertungen, Gefühle, Krisen und überhaupt Ihre
eigene Geschichte. Von nicht nachvollziehbaren Gedankengängen und
Begründungen geht ein ganz besonderer Reiz aus.
3.
Flechten Sie auch Hintergrundinformationen geschickt in Ihren Bericht
mit ein. Setzen Sie Ihre Kritik medial in Szene, indem Sie
haltlos Gerüchte über Schauspieler, Regisseur und Autor verbreiten.
Diese Textpassagen sollten mindestens ein Drittel der Gesamtlänge
Ihres Textes
ausmachen
und
können
ruhig
auch
zu
konkreten manipulativen Zwecken verwendet werden.
4.
Um dem sprachlichen Stil Ihrer Kritik den letzten Schliff zu
geben, sollten Sie rhetorische Mittel in angemessener Weise
verwenden. Es eignen sich besonders Anakoluthe (gebrochene
Satzstrukturen) und Neologismen. Auch häufige Wiederholungen
können als Stilmittel aufgewertet werden.
5.
Folgende Beispielphrasen können Ihnen bei der Formulierung helfen: *
Ich würde so weit gehen und sagen – Trichotomie der Aussage –
kinetisch und trotzdem nicht Pop – in den tiefsten Schichten des
Begehrens werden alle Schranken niedergerissen – der Sohn, den sie
nie gehabt hat, wird hineinprojiziert in […] und zum Liebhaber
umgepolt – Einführung des Katalysators – Höhepunkt im Theaterleben
der Gegenwart – nicht mein Geschmack – gibt keinen Sinn
*
Die Phrasen sind aus „Der wahre Inspektor Hound― entnommen und inspiriert
WIR D AN KE N
Siggi Seebach vom Musik-Studio Seebach
für die Headsets der Kritiker
dem Wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasium
für die Leiche Gerch
den Technikern der Stadthalle Bayreuth
für die tatkräftige Unterstützung
dem Verein der Freunde des Gymnasium Christian-Ernestinum
für die vielfältige Hilfe
den Theatergruppen des Gymnasium Christian-Ernestinum
als bezauberndes Publikum auf der Bühne
Herrn Dr. Zartner
für die Bereitstellung der Möbel
Vielen Dank für die Realisation der Vorstellung – vor und vor allem hinter
der Bühne!