WS 12/13 - Universität Bremen
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WS 12/13 - Universität Bremen
I. Bewerbung Von September 2012 bis Januar 2013 studierte ich fünf Monate an der Yeditepe Universität in Istanbul. Ziemlich zu Beginn meines Studiums hatte ich mich bereits dazu entschieden, während meines Bachelorstudiums für einen längeren Zeitraum ins Ausland zu gehen. Motiviert wurde ich dabei vor allem durch meine Schwester, die zeitweise im Ausland (Kalifornien) studiert hatte. Ich vereinbarte deshalb Anfang des dritten Semesters ein Beratungsgespräch bei unserer ErasmusBeauftragten des Fachbereichs 9. Zuvor hatte ich mich über die Seite des International Office der Universität Bremen bereits über die möglichen Länder und Gastuniversitäten informiert. Dass ich mich für die Türkei als Gastland entschieden habe, lag vor allem daran, dass ich im Sommer 2011 eine Reise nach Ägypten und Israel machte und dadurch ein steigendes Interesse am Nahen Osten entwickelte. Zudem wollte ich gerne auf English studieren. Deshalb erschien mit Istanbul als eine gute Möglichkeit innerhalb des Erasmus Programmes zu studieren und trotzdem etwas ferner von Europa zu sein. Anfang Februar 2012 musste ich dann ein zweiseitiges Motivationsschreiben und einen Lebenslauf einreichen. Es war nicht sehr leicht sich für eine der zwei möglichen Universitäten in Istanbul zu entscheiden, da man sich nur spärlich über die jeweilige Internetseite informieren konnte. Ich hatte mich vorher zudem zu wenig bei vorherigen Erasmus-Studierenden über die beiden Gastuniversitäten aufklären lassen. Ich empfehlen jedem sich beim International Office zu erkundige, ob die Möglichkeit besteht sich mit einer oder einem Studierenden, der oder die zuvor an der Gastuniversität studiert hat, in Kontakt zu treten. Die Zusage kam Anfang April, was ich verhältnismäßig als spät empfand, da es von da ab nur noch vier Monate bis zum Beginn des Auslandsaufenthalts war. Ich würde allen folgenden Studierenden empfehlen, sich rechtzeitig zu informieren um am Ende nicht in Zeitdruck zu geraten. II. Vorbereitungen in Deutschland In den vier Monaten vor meiner Ausreise begann ich in einem vierstündigen Kurs an der Universität Bremen Türkisch zu lernen, konnte bei meiner Ankunft trotzdem nicht ausreichend auf Türkisch kommunizieren. Zudem mussten wir für unseren Aufenthalt ein Studentenvisum beim türkischen Generalkonsulat in Hannover beantragen. Telefonisch konnte man dort wochenlang niemanden erreichen, sodass es viel Zeit kostete, bis klar war, welche Unterlagen für den Antrag benötigt wurden. Ich empfehle deshalb sich frühzeitig darum zu kümmern und es nicht zu leicht zu nehmen. Das Visum ist ein Muss um später die ‚residence permit‘ (Aufenthaltsgenehmigung) zu beantragen. Diese benötigt man, wenn man länger als 90 Tage in der Türkei bleiben und zwischendurch das Land verlassen will. Ein Problem war, dass der offizielle ‚letter of acceptance‘ der Yeditepe Universität, den man für den Antrag des Visums benötigt, erst ca. 4 Wochen vor meiner Abreise ankam. Darüber hinaus informierte ich mich über meinen Versicherungsschutz und beantragte eine Kreditkarte um im Ausland einfacher Geld abheben zu können. Meine Zimmer fand ich dann durch eine Bekannte, die vor mir ein Auslandssemester in Istanbul verbracht hatte. Ich wollte gerne mit türkischen Studierenden zusammen wohnen und habe in vielen Situationen von ihrer Hilfe, gerade beim Übersetzten und Orientierung im Alltag, profitiert. Viele meine Freunde haben auch vor Ort Wohnungen über craigslist.com.tr gefunden. Wichtig ist, dass man Zeit für die Wohnungssuche einplanen und nicht zu knapp vor Studienbeginn anreisen sollte. Mit Wohnungsmieten ist es etwas schwierig. Ich würde empfehlen nicht mehr als 700TL zu bezahlen und die Höhe im Voraus genau festzulegen. Man muss sehr aufpassen, dass man nicht an Vermieter gerät, die nur an Erasmus-Studierende vermieten und meist sehr hohe Mietpreise für schlechte Wohnungen nehmen. Noch ein Bonus, wenn man mit türkischen Studierenden zusammen wohnt. Für Studierende der Yeditepe würde ich die Viertel Kadıköy und Moda empfehlen. Zwar braucht man täglich etwas mehr als eine Stunde mit dem Bus 19 zu Universität, ist aber abends und an den Wochenenden besser angebunden um etwas zu unternehmen. Auf lange Aufenthalte in öffentlichen Verkehrsmitteln muss man sich in Städten wie Istanbul sowieso schnell gewöhnen. Solltet ihr auf der asiatischen Seite Istanbuls wohnen, empfehle ich einen Flug zum Sabiha Gökçen Flughafen. Von dort kann man einen Havataş (Bus) nehmen, der direkt nach Kadıköy fährt und den man praktischer Weise auch in Euro bezahlen kann. III. Vor Ort Zwei Tage nach meiner Ankunft gab es eine offizielle Begrüßungsveranstaltung des International Offices der Yeditepe Universität. Wir erhielten dort erste wichtige Informationen und konnten andere Erasmus-Studierende kennen lernen. Außerdem stellten sich unsere ‚student buddies‘ vor, einheimische Studierende zu denen wir bei Fragen und Problemen gehen konnten und die zahlreiche Aktivitäten für Erasmus-Studierende organisiert haben. Erste Hürde an der Gastuniversität war sich für die Kurse im Semester zu entscheiden und das ‚learning agreement‘ zu aktualisieren. Dadurch, dass es fast 250 Erasmus-Studierende an der Yeditepe gab, dauerte die Aktualisierung ewig und war mit ständigen Besuchen in meinem Departement und dem International Office verbunden. Die Kurse, die ich in meiner Vorauswahl anhand einer Liste auf der Internetseite der Yeditepe getroffen hatte, musste ich komplett aktualisieren, da die von mir gewählten Kurse entweder nicht angeboten wurden oder auf Türkisch stattfanden. Im Anthropologie Departement wurde uns eine Koordinatorin zugewiesen, die mit uns unsere Kurse besprach. Grundsätzlich wurde mir empfohlen Master-Kurse zu belegen, da das Niveau der Undergraduate Kurse für mich als deutsche Bachelor-Studentin im letzten BachelorJahr von unserer Departement-Koordinatorin als zu niedrig eingestuft wurde. Diese Annahme bestätigte sich später. In den ersten zwei Wochen sollten wir die Kurse besuchen und uns dann endgültig für Kurse entscheiden. Leider fand zu meiner Unzufriedenheit in den ersten zwei Wochen eigentlich kein Kurs statt, da die türkischen Mitstudierenden nicht zum Unterricht erschienen und die Lehrenden trotz unserer Anwesenheit nicht mit dem Unterricht begannen. Das System der sehr früheren Registrierung war lästig, da wir eigentlich keine Informationen über genau Inhalte und Form des Kurses erfahren konnten. Allgemein war ich mit der Arbeitsmoral meiner Mitstudierenden, aber auch der Lehrenden nicht sehr zu frieden. Kurse vielen unangekündigt aus und die Form des Unterrichts war sehr verschult. Ich besuchte einen Masterkurs, der zwar arbeitsintensiver, aber auch deutlich interessanter war. Zudem war die Unterrichtssprache offiziell als Englisch angekündigt, oft wechselten die Lehrenden jedoch ins Türkisch und gerade in den Undergraduate Kursen sprach eine Mehrzahl der Mitstudierenden kein Englisch. Darüber hinaus hatte ich mehrfach das Gefühl, dass die einheimischen Studierenden nicht erfreut über die Teilnahme von Erasmus-Studierenden in ihren Kursen waren, da der Unterricht somit - zumindest teilweise - auf Englisch stattfinden musste. Positiv war, dass man als Erasmus-Studierender grundsätzlich die Möglichkeit hatte auch Kurse aus anderen Departements zu besuchen wodurch ich einen Kurs zur Geschichte und Politik im Nahen Osten belegen konnte. Ich kann Kurse aus dem Political Science oder History- Departement nur empfehlen, wenn man neben seinem Aufenthalt mehr über sein Gastland erfahren will. Zudem besuchte ich einen vierstündigen Sprachkurs. Mangelhaft war außerdem die technische Ausstattung der Yeditepe Universität (kein W-LAN und kaum englische Literatur in der Bibliothek). Akademisch hat mich mein Aufenthalt eigentlich nur gering weiter gebracht, aber ich habe mich privat stark weiter entwickelt. Ich hatte im Vorhinein bereits beschlossen vor allem viel von Istanbul und der Türkei zu sehen und zu lernen. Praktisch war deshalb, dass Mitte Oktober ‚Kurban Bayramı‘ war. Das Opferfest gehört zu den wichtigsten Feiertagen in der Türkei. Während in dieser Zeit keine Kurse stattfanden, bereiste ich zusammen mit einer Freundin die Westküste der Türkei von Izmir bis Antalya. Ich lege allen ans Herz freie Tage zu nutzen. Die Türkei ist ein sehr vielfältiges Land und das Reisen mit dem Bus ist verhältnismäßig günstig und bequem. IV. Leben in Istanbul Ich habe während meines Aufenthalts von der Erasmus-Initiative ca. 120 Euro im Monat, aber kein Auslandsbafög bekommen. Ich habe aber deutlich mehr Geld ausgegeben als in Deutschland. Insgesamt brauchte ich ca. 700Euro im Monat. Zwar ist Essen gehen in der Türkei deutlich günstiger, aber die Preise für Lebensmittel im Supermarkt entsprechen eigentlich deutschen Preisen und Pflegeprodukte und Mieten sind teilweise deutlich teurer. Meinen Alltag in Istanbul empfand ich zunächst als sehr hektisch. Auf Grund meiner fehlenden Türkischkenntnisse waren schon einfachste Dinge wie Einkaufen oder Busfahren eine Herausforderung. Es hat mir dabei sehr geholfen durch meine türkische Mitbewohnerin andere türkische Studierende kennen zu lernen, die mich immer sehr hilfsbereit unterstützt haben. Rückblickend hätte ich mir jedoch erhofft mit besseren Sprachkenntnissen eingereist zu sein. Für den Anfang helfen vor allem eine ‚Akbil Öğrenci Kart‘, eine Fahrkarte für Studierende, mit der man vergünstigt alle öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen kann, sowie die ‚Müze Kart‘, eine Museumskarte für die man einmalig 15TL bezahlt und anschließend ein Jahr lang nahezu überall umsonst ins Museum gehen kann. Diese bekommt man zum Beispiel auf der europäischen Seite bei der Ayasofia. Grünflächen zum Joggen und sportliche Betätigung sind eher schwierig zu finden, Radfahren empfehle ich auf Grund des Verkehrs nicht. Zur Erholung unter der Woche - am Wochenende sehr überfüllt - empfehle ich mit der Fähre von Kadıköy zu den Prinzeninseln im Marmara Meer oder mit dem Bus von Üsküdar (Line 139) nach Şile am Schwarzen Meer zu fahren. Kulturell hat Istanbul unwahrscheinlich viel zu bieten und auch nach fünf Monaten Aufenthalt kann ich nicht sagen, dass ich alles gesehen habe. Am besten hört man sich immer bei Mitstudierenden um. Istanbul lädt einen immer zum Schlendern und Entdecken ein und durch den Bosporus hat man eine wundervolle Verbindung von See und Großstadt. Ich habe mir im Vorhinein einen gebrauchten Reiseführer (Lonely Planet) für die gesamte Türkei gekauft. Leider ist es schwierig in Deutschland eine Stadtkarte zu bekommen, die auch die asiatische Seite beinhaltet. Die kann man einfacher vor Ort kaufen. Ich empfehle auf jeden Fall einen Besuch im Hamam in Üsküdar, ein traditionelles Dampfbad, bei dem man geschlechtergetrennt zunächst eine Kese (eine Art Peeling) und anschließend eine Massage bekommt. V. Abschlussphase Über die Akkreditierung von im Ausland geleisteten Studienleistungen kann ich nur wenig sagen, da ich im Anschluss an das Auslandssemester für zwei Monate nach Ankara gegangen bin, um dort in einer Frauenrechtsorganisation ein Praktikum zu absolvieren. Von Seiten der ErasmusBeauftragten meines Fachbereichs wurde mir aber über ständigen E-Mailaustausch versichert, dass es keine Probleme geben wird. Der Kontakt bei dringenden Fragen während des Semesters lief darüber hinaus immer reibungslos, unterstützend und freundlich. Den Entschluss im Anschluss ein Praktikum im Gastland zu absolvieren, hatte ich bereits mit der Zusage im April getroffen und im Juni angefangen mich zu bewerben. Ein Praktikum in Istanbul ist schwer zu finden, wenn man wie in meinem Fall nicht über ausreichende Türkischkenntnisse verfügt. Ankara als Hauptstadt des Landes bietet jedoch auch zahlreiche Möglichkeiten. Zudem sind der Kontakt und die Anreise deutlich leichter, wenn man bereits in der Türkei ist. Ich würde nachträglich jedoch anregen so früh wie möglich nach Praktika zu suchen und sich auf die Erasmus Praktikumsförderung bewerben. Informationen dazu findet man auch auf der Seite des International Office Bremen. Rückblickend war mein Aufenthalt in Istanbul oft anstrengend und herausfordernd. Ich habe bei jeder Herausforderung dazu gelernt und vor allem die Fahrten mit der Fähre auf dem Bosporus sehr genossen. Ich habe viele neue Menschen aus ganz Europa kennen gelernt und bin mit jeder (sprachlichen und kulturellen) Herausforderung gewachsen. Ich kann die Yeditepe Universität als Gastuniversität zwar nicht empfehlen, aber einen längeren Aufenthalt in Istanbul jedem ans Herz legen.