Reichen die Rohstoffe für die Energiewende?
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Reichen die Rohstoffe für die Energiewende?
Reichen die Rohstoffe für die Energiewende? Alex Bradshaw Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Garching/Greifswald und Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin Nd Fotos: Wikimedia Commons Foto: Alpha Ventus Foto: AMB Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 1 Werden Rohstoffe knapp? 02.02.2011 07.12.2011 21.06.2012 Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 2 • Mineralische Rohstoffe: Häufigkeit und Abbau • Seltene Elemente für die Energiewende • Knappheit, zur Neige Gehen der Ressourcen und Nachhaltigkeit Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 3 Globaler Verbrauch von Rohstoffen 1900 - 2005 Quelle: Krausmann et al, Ecological Economics 68 (2009) 2696; Graphik: UNEP Report 2011 Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 4 Chemische Elemente für die Erzeugung, Verteilung und Speicherung von Energie Graphik: Achzet, Reller et al, Materials critical to the energy industry, Universität Augsburg (2011) Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 5 Informationstechnologie und Kommunikation Recycling von ElektronikSchrott in Agbogbloshie, Ghana. Quelle: Wikimedia Commons In den letzten Jahren stieg der Verbrauch seltener Elemente auch in anderen Sparten, vor allem in der Informationstechnologie und Kommunikation : Neben Cu zusätzlich kleine Mengen an Au, Ag, Pt, Pd, In, Ta, Li, Sn, etc. Im UNEP-Bericht Recycling rates of metals (2011) wird geschätzt, dass ein Mobiltelefon mindestens 60 verschiedene Elemente beinhaltet! Arbeiter in einer Elektronik-Werkstatt in Shantou, Guangdong province, China Quelle: China Daily, 9. August 2012 Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 6 Chemische Elemente in der Erdkruste Geochemisch reichlich vorhandene Elemente: Al, Fe, Mg, Mn, Si, Ti Konzentration in der Erdkruste höher als 0,1% Gewicht (1000 ppm) Geochemisch seltene Elemente (weniger als 1000 ppm): • Ferrolegierungsmetalle, z.B. Co, Ni, W • unedle Metalle, z.B. Cu, Pb, Hg • Edelmetalle, z.B. Au, Ag, Pt • Sondermetalle, z.B. Li, In, Ta, Seltene Erdelemente Aber wie selten sind seltene Elemente wirklich? Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 7 Geochemische Häufigkeit der Elemente in der kontinentalen Erdkruste (bezogen auf Silizium) Quelle: G. B. Haxel, Haxel J. B. Hedrick and G. J. Orris, US Geo Geological Survey, 2005 Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 8 Beispiel Kupfer Häufigkeit in der Erdkruste ca. 50 ppm Chuquicamata, Chile: Weltgrößtes ÜbertageKupferbergwerk. Tiefe 900 m; Länge 4,5 km Foto: Wikimedia Commons Kupfer ist zwar ein seltenes Element, kommt aber in großen Lagerstätten vor (hauptsächlich als CuFeS2 and Cu2S in Konzentrationen von 0,3 – 0,9%). Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 9 „Artisanal mining“ Quelle: Manuel Ziegler, IT-Consultant Fotos: Wikimedia Commons Handwerklicher Bergbau (“artisanal mining”) in einer chinesischen Seltene-Erden-Mine Kinderarbeit beim Abbau von Coltan [Columbit-Tantalit, (Fe,Mn)(Nb,Ta,Sb)2O6] im Kongo Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 Abbau von Wolframit (FeWO4) im Kongo 10 Nebenprodukte Viele (seltene) Metalle sind “Nebenprodukte” bei der Gewinnung von l, Pla Kupfer, Zinn, Zink, Blei, Nickel, Platin und Aluminium. Tellur wird hauptsächlich aus dem Anodenschlamm bei der elektrolytischen Raffination von Kupfer gewonnen. 1 t Cu produziert 1 g Te. Graphik: Hagelüken und Meskers, Umicore Graphik: corrosion-doctors.org Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 11 • Mineralische Rohstoffe: Häufigkeit und Abbau • Seltene Elemente für die Energiewende • Knappheit, zur Neige Gehen der Ressourcen und Nachhaltigkeit Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 12 Ein Szenario für Stromerzeugung in der EU 2050 (ohne fossile Brennstoffe und Kernenergie) Geothermie Import Erdgas Biomass Wind Solar-CSP Quelle: The battle of the grids, Greenpeace/Energynautics, 2050 HIGH GRID scenario. Hydro Ozean Solar-PV 1,52 TWe installierte Kapazität (EU27) (2007: 0,78 TWe, 18% Hydro, 7% Wind) Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 13 Materialien für die Energiewende Obwohl der Verbrauch von fossilen Brennstoffen stark zurückgeht, wird es weiterhin einen hohen Bedarf an „Energie“-Rohstoffen geben. Viele von diesen werden für Erzeugung, Transport, Speicherung und Verwendung von Energie aus erneuerbaren Quellen – in manchen Ländern auch aus der Kernenergie – benötigt. Beispiele für “Energiematerialien”: TESLA all-electric • Seltene-Erdelemente für Windturbinen und Elektroautos Siemens SWT-6.0 • Kupfer für neue Netze direct drive • Cadmium und Tellur für Solarzellen • Lithium und Kobalt für Batterien • Beryllium, Helium für die Kernfusion Foto: Wikimedia Commons Foto: Siemens Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 14 Beispiele für “Energiematerialien”- 1 Cadmium Selten. Wird für Ni-Cd-Batterien und für CdTe-Dünnschicht-Photovoltaikzellen (First Solar, 2011: 18% Marktanteil) benötigt. Nebenprodukt beim Abbau von Zn (0,3% in Sphalerit, ZnS). Tellur Sehr selten. Nebenprodukt bei der Gewinnung von Cu und Pb. Jährliche Produktion ≈ 1 kt. Foto: Solar Power Plant Information Center Quelle: Wikimedia Commons Waldpolenz Solar Park, Sachsen CdTe (First Solar) Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 15 Beispiele für “Energiematerialien”- 1 Cadmium Selten. Wird für Ni-Cd-Batterien und für CdTe-Dünnschicht-Photovoltaikzellen (First Solar, 2011: 18% Marktanteil) benötigt. Nebenprodukt beim Abbau von Zn (0.3% in Sphalerit, ZnS). Tellur Sehr selten. Nebenprodukt bei der Gewinnung von Cu und Pb. Jährliche Produktion ≈ 1 kt. Foto: Solar Power Plant Information Center Indium! Quelle: Wikimedia Commons Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 Waldpolenz Solar Park, Sachsen CdTe (First Solar) 16 Beispiele für “Energiematerialien”- 2 Neodym, Dysprosium Nd2Fe14B wird als Dauermagnetwerkstoff für synchrone Motoren in Windgeneratoren (2011: 14% Marktanteil) und in der Elektromobilität vorgezogen. Erfahrungswert: ca. 200 kg pro MW! Seltene Erdelemente: Scandium, Yttrium und die 15 Lanthaniden (La, Ce, Pr, Nd, [Pm], Sm, Eu, Gd, Tb, Dy, Ho, Er, Tm, Yb, Lu). Kommen hauptsächlich in den Mineralen Monazit, CeYPO4, und Bastnäsit, CeFCO3 vor. Sind sie wirklich knapp? The rare earth mine in Bayan Obo, Inner Mongolia autonomous region. Foto: Wu Changqing (China Daily) Quelle: Gareth P. Hatch, Technology Metals Research, LLC Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 17 Beispiele für “Energiematerialien”- 3 Lithium Es gibt zwei Quellen für Lithium: Minerale, z.B. Spodumen, LiAlSi2O4 und Salzlaugen unter den “Salaren” in den Anden und im Himalaya. Verwendung: Glas- und Keramikindustrie 29%, Batterien 27%. Jährliche Produktion: 34.000 t (2011). USGS: Reserven = ca. 13 Mio. t. Ressourcen = ca. 30 Mio. t Salar de Uyuni, Bolivia: 5 Mio. t Lithium Foto: SGW@raphme Schematischer Aufbau einer Lithium-Ionen-Batterie (positive Elektrode: LiCoO2; negative Elektrode: Li-Graphit). Source: http://www.stromtip.de Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 Aber Lithium wird man auch für die Kernfusion brauchen! 18 Beispiele für “Energiematerialien”- 3 Lithium Es gibt zwei Quellen für Lithium: Minerale, z.B. Spodumen, LiAlSi2O4 und Salzlaugen unter den “Salaren” in den Anden und im Himalaya. Verwendung: Glas- und Keramikindustrie 29%, Batterien 27%. Jährliche Produktion: 34.000 t (2011). USGS: Reserven = ca. 13 Mio. t. Ressourcen = ca. 30 Mio. t Salar de Uyuni, Bolivia: 5 Mio. t Lithium Foto: SGW@raphme Kobalt! Schematischer Aufbau einer Lithium-Ionen-Batterie (positive Elektrode: LiCoO2; negative Elektrode: Li-Graphit). Source: http://www.stromtip.de Aber Lithium wird man auch für die Kernfusion brauchen! Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 19 Rohstoffe für die Kernfusion Fusionsreaktion: D + T = 4He + n + Energie Herstellen von Tritium: 6Li + n = 4He + T Dafür wird ein Neutronenvervielfacher benötigt (Be or Pb), e.g. 9Be + n = 24He + 2n Beryllium Nicht sehr selten (ca. 2 ppm in der Erdkruste), aber kaum Lagerstätten vorhanden. Jährliche Produktion: 240 t (2011). Ressourcen: 80.000 t. Helium Gewonnen durch die fraktionierte Destillation von Erdgas (Konzentration zwischen wenigen 0,01 und 1 %). Benötigt für die Kernfusion (supraleitende Magnete und Kühlmittel) und in manchen G4-Spaltungsreaktoren. Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 20 • Mineralische Rohstoffe: Häufigkeit und Abbau • Seltene Elemente für die Energiewende • Knappheit, zur Neige Gehen der Ressourcen und Nachhaltigkeit Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 21 Meadows and “The Limits to Growth” 1972 D. Meadows et al, 1972. The Limits to Growth: A report for the Club of Rome’s project on the predicament of mankind Meadows und seine Koautoren haben für 19 Rohstoffe (einschließlich Kohle, Erdöl und Erdgas) die “dynamic lifetime”, oder “dynamische Lebensdauer” (Quotient: Reserven/jährlicher Verbrauch) berechnet. Ihre Schlussfolgerung: “Auf der Basis des gegenwärtigen Ressourcenverbrauchs und seiner projektierten Steigerungsrate wird die überwiegende Mehrheit der jetzt wichtigen nicht-erneuerbaren Ressourcen in 100 Jahren extrem teuer sein.” Photo: AMB Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 22 Führt der Abbau von Mineralressourcen zu einer Knappheit? Was ist Knappheit? Kann nur ökonomisch definiert werden: Die Nachfrage kann nicht vom Angebot gedeckt werden, was zu höheren Preisen führt. Mehrere Gründe können dafür verantwortlich sein: • schnelles wirtschaftliches Wachstum • neue Anwendungen oder Technologien • Spekulation, Horten, Monopolsituationen • geopolitische Faktoren Trägt neuerdings auch das zur Neige Gehen der Ressourcen (mineral depletion) zur Knappheit bei? Zurzeit steigen die inflationsjustierten Preise; gleichzeitig fällt die durchschnittliche Metall-Konzentration im Erz. Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 23 Rohstoffpreisentwicklung 1900 - 2010 Quelle: GMO Quarterly Letter April 2011 Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 24 Abnahme der Mineralbestände Cu Grade of copper ores, USA After Norgate (2010) Au Metal concentration in Australian gold deposits After Mudd (2007) In einem Land oder in einer Region nimmt als Funktion der Zeit die durchschnittliche Konzentration des Erzes ab, da die “besten” Lagerstätten als erste ausgebeutet werden. Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 25 Ressourceneffizienz Wie können wir Rohstoffe effizienter nutzen? • Höhere Effizienz beim Abbau, bei der Verarbeitung und Nutzung • Verwertung von bisherigem „Abfall“ • Re-use und Recycling, einschließlich recycling-orientiertes Produktdesign • Substitution Können und dürfen wir uns ausschließlich auf den Markt verlassen, um eine stärkere Nachhaltigkeit zu erreichen? Sind Kupfer (und Blei) gute Beispiele für Recycling ohne Gesetzesauflagen? Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 26 End of Life Recycling Rate (EoL-RR) für 60 Metalle Graphik: T. Graedel, C. Hagelüken et al, Recycling Rates of Metals, UNEP Report (2011) Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 27 Schlussbemerkung Sollten wir uns über zur Neige gehende Mineralressourcen Sorgen machen? – JA! Komplett erschöpft werden die Mineralvorräte nie sein. Minerale in der Erdkruste oder in den Ozeanen wird es immer geben. Wenn jedoch Erze mit zunehmend niedrigerer Konzentration ausgebeutet werden müssen, werden eines Tages der Energieverbrauch (und möglicherweise auch der Wasserverbrauch) so hoch und die Umweltschäden so groß sein werden, dass trotzdem viele Rohstoffe nicht mehr abgebaut werden können. Nachhaltigkeit: Dürfen wir eine solche Situation zukünftigen Generationen hinterlassen? Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 28 Münchner Wissenschaftstage, Oktober 2012 29