ver.di – Sparkassen

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ver.di – Sparkassen
Fachbereich
Finanzdienstleistungen
- Sparkassen April 2006
So kriegen wir die ganzen Flaschen los!
oder
Der "richtige" Umgang mit "Schlechtleistern"
Vor kurzem berichteten wir über die unglaublichen Vorgänge in der Sparkasse Bad Kissingen.
Dort wurden innerhalb kurzer Zeit 123 MitarbeiterInnen (von 440!) gegen ihren Willen aus der
Sparkasse rausgedrängt. Das ganze wurde über Aufhebungsverträge bewerkstelligt.
Durch die im Sparkassenbereich bekannten Unternehmensberatungsgesellschaften
zeb/rolfes.schierenbeck.associates und zeb/sales.consult (www.zeb.de) wurden in
einem systematischen Auswahlverfahren sog. "Schlecht- oder Minderleister" (neudeutsch:
low-performer) "identifiziert" und anschließend unter massiven Drohungen in "Trennungsgesprächen" dazu gebracht, Aufhebungsverträge zu unterschreiben. Die Personalabteilung
drückte ihre Zufriedenheit mit der Arbeit der Berater so aus:
"So kriegen wir die ganzen Flaschen los"
Wir stellen immer öfter fest, dass sich Unternehmen bei dieser Art des Personalabbaus externer Hilfe bedienen. Es gibt eine Vielzahl von Unternehmensberatungen, die ihre "Hilfe" bei der
"Identifizierung von Schlechtleistern" anbieten. Hier ein Beispiel für ein Seminarangebot einer
Beratungsfirma:
Aus dem Seminarangebot einer Beratungsfirma:
Seminartitel: "Umgang mit leistungsschwachen Mitarbeitern"
...
Gerade in Zeiten der Personalkonzentration ist es wichtig, "Schwachperformer" rechtzeitig zu identifizieren, sie .... auszugliedern.
...
Das Trennungsgespräch als Alternative zur Kündigung
•
Der Aufhebungsvertrag und seine Besonderheiten
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...
Checklisten und Formschreiben für die praktische Vorgehensweise
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Tips für die Anfertigung von Gesprächsprotokollen
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...
Warum Sie dieses Seminar besuchen sollten. Sie lernen
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Leistungs- und Verhaltensdefizite zu identifizieren
•
Im Beanstandungsfalle Korrekturmaßnahmen einzuleiten
•
Form, Inhalt und Zeitpunkt der Abmahnung kennen
•
Den Aufhebungsvertrag als Alternative zur Kündigung zu nutzen
•
Checklisten und Formschreiben sinnvoll einzusetzen
....
Übrigens: Die Kosten für dieses eintägige Seminar beliefen sich auf € 1.095
Für die Sparkassen hat das Thema in zweierlei Hinsicht Brisanz.
1. Die DSGV-Strategie ("strategische Neuausrichtung") fordert von den Sparkassen Eigenkapitalrenditen von 15 %. Dieses Ziel ist nicht allein durch Geschäftsausweitung zu
erreichen, sondern geht nur, wenn gleichzeitig die Kosten massiv gesenkt werden. Hierbei
spielen die Personalkosten natürlich eine besondere Rolle.
2. Als "Problem" für die Sparkassen stellt sich dabei die Unkündbarkeitsregelung des § 34
TVöD1 heraus. Um Beschäftigte, die unter diese Regelung fallen, rauszubekommen, muss
soviel Druck aufgebaut werden, dass am Ende ein Aufhebungsvertrag unterschrieben
wird.
"forced ranking" - was ist das?
Die Methode, systematisch sog. "Schlechtleister" zu "identifizieren", kommt - wie so vieles
was uns heute als wegweisend verkauft wird - aus den USA und ist dort unter dem Namen
"forced ranking" bekannt. Einige große Unternehmen wie General Electric, Ford oder der
mittlerweile pleite gegangene Enron-Konzern haben dieses "forced ranking" in der Vergangenheit angewandt, um auf diese Weise Beschäftigte los zu werden.
Bei Enron z.B. gab es ein äußerst rigides Verfahren der persönlichen Leistungsbeurteilung
durch Vorgesetzte. Die Beschäftigten wurden regelmäßig einem Ranking auf einer Skala von 1
bis 5 unterworfen. Dabei mussten 15 % der Beschäftigten in die unterste Kategorie eingeordnet werden, um sie dann zu feuern. Auch den Beschäftigten der nächsten Kategorien wurde
mitgeteilt, dass ihnen beim nächsten Ranking der weitere Abstieg und damit die Entlassung
drohen würde. Indem die Hälfte der Belegschaft permanent mit der Entlassung bedroht wurde, wurde eine erbarmungslose interne Konkurrenz aller gegen alle organisiert. Schätzungen zufolge verwenden ca. ein Fünftel der US-amerikanischen Unternehmen ein solches
System.
Der bekannteste Fall von "forced ranking" in Deutschland spielte sich vor drei Jahren bei
Siemens ab. Dort wurde beim Tochterunternehmen infineon versucht, diese Methode einzuführen, man scheiterte letztlich aber am Widerstand des Betriebsrates und wegen des öffentlichen Drucks, den die IG Metall organisiert hat.
Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass sich - weit mehr als öffentlich bekannt eine Vielzahl von Unternehmen hierzulande bereits dieser Methoden bedienen. Uns erreichen
in letzter Zeit immer mehr Hinweise aus Sparkassen und Banken, die darauf schliessen lassen,
dass regelmäßig und systematisch "Schlechtleister" aussortiert werden.
Was macht ver.di?
Wir sorgen dafür, dass Vorgänge wie in Bad Kissingen bekannt gemacht werden2 und unterstützen dabei die Belegschaft. Öffentlichkeit ist immer noch eine wirksame Form, um Druck
aufzubauen und faire Arbeitsbedingungen zu verteidigen bzw. zu erreichen. Wir beraten
und unterstützen Personalräte, für unsere ver.di-Mitglieder bieten wir Hilfe und Beratung in
Konfliktsituationen an. Von der Vorbereitung und Einstellung auf schwierige Personalgespräche bis zur Gewährung von kostenlosem Rechtsschutz.
V.i.S.d.P.:
ver.di NRW - Fachbereich Finanzdienstleistungen, Karlstr. 123-127, 40210 Düsseldorf
[email protected]
1
Nach Vollendung des 40. Lebensjahres und 15jähriger Betriebszugehörigkeit kann das
Arbeitsverhältnis nicht mehr ordentlich gekündigt werden.
2
ver.di-S-magazin März 2006 oder z.B. Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung
vom 18.3.2006 und diverse TV-Berichte