Die Identität von Luxusmarken
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Die Identität von Luxusmarken
Die Identität von Luxusmarken Der Luxus-Boom ist in Deutschland vor allem auf Anbieterseite bemerkenswert. Zu den wichtigsten Akteuren zählen eine Welle von Luxus-Startups wie Julisis (Hautpflege) und Welter (Wandunikate), aber auch Traditionsunternehmen, die ihre Luxus-Identität wiederentdecken oder verstärken wollen wie beispielsweise Edsor Kronen (Krawatten) und Premium-Anbieter, die ins Luxussegment expandieren könnten wie zum Beispiel Leysieffer (Konditoreiwaren). Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung einer Luxusstrategie ist Expertise im Luxus-Marketing, also vor allem Wissen darüber, was Luxusmarken ausmacht und wie sie geschaffen und geführt werden. Die Positionierung nach wenigen, kaufrelevanten Merkmalen reicht besonders im Lifestyle-Segment nicht mehr aus, um eine unverwechselbare Markensymbolik zu entwickeln. Deshalb findet zunehmend das Konzept der Markenidentität Verwendung, das in Anlehnung an natürliche Personen auch Marken eine Persönlichkeit zuschreibt. Die Markenidentität ist ein detaillierter Bauplan der Markensymbolik, der sämtliche vom Unternehmen gewünschten Assoziationen mit der Marke enthält und in eine funktionale und eine emotionale Komponente unterteilt wird. I. Die funktionale Komponente der Markenidentität Die funktionale Komponente umfasst alle produktbezogenen Assoziationen. Dazu könnten bei Louis VuittonMänteln beispielsweise „mehrfach vernähte Knöpfe“ (Markenattribute) und folglich auch „langlebig“ (Markennutzen) zählen. Zwischen Luxus und Nicht-Luxus wird meist anhand solcher produktbezogenen Eigenschaften unterschieden. Die funktionale Komponente der Markenidentität ist deshalb eng verbunden mit der Definition von Luxusprodukten und -marken. Zu deren Verständnis ist es hilfreich, sich zunächst über die grundlegende Bedeutung von Luxus klar zu werden. Luxus ist etwas Positives und Wünschenswertes, von dem Menschen träumen. Luxus ist mehr als notwendig, wie beispielsweise Grundnahrungsmittel, und mehr als gewöhnlich, wie beispielsweise Toaster und Mikrowellen. Was genau nun mehr als notwendig und gewöhnlich ist, liegt natürlich an der Perspektive des Betrachters, die in eine regionale, zeitliche, ökonomische, kulturelle und situative Relativität differenziert werden kann. Was in einer Gesellschaft als wünschenswert gilt, wird größtenteils von ihrer Elite bestimmt, ist also nicht immer objektiv nachvollziehbar. Im alten Rom beispielsweise galten Pasteten aus Nachtigallen als Delikatessen. Abgesehen von sehr armen oder reichen Schichten gibt es gesamtgesellschaftlich eine relativ hohe Übereinstimmung darüber, welche Produktkategorien eher als Standard (Toaster) oder als Luxus (HeimKlimaanlagen) gelten. Zudem sollte Luxus grundsätzlich unter Annahme normalen Bedingungen, aus Sicht der Gegenwart und aus globaler, also nicht regions-spezifischer Perspektive definiert werden. Dadurch lässt sich die Reichweite des Luxusbegriffs bereits deutlich einschränken. Beispielsweise entfallen dadurch Dinge wie „saubere Luft“, möglicherweise ein Luxus in Jakarta, „Mobiltelefone“, ein Luxus Anfang der 1990er und „McDonald’s Hamburger“, ein Luxus möglicherweise nach einer strikten Diät. Kontroversen über die Luxusbegriffe basieren größtenteils auf unterschiedlichen Zielen und Interessen der Fachbereiche, die sich mit Luxus beschäftigen. Das Verständnis von Luxus lässt sich in drei wesentliche Kategorien gliedern. Das philosophisch-soziologische Luxusverständnis hat die größte Reichweite und bezieht sich auf alle wünschenswerten Dinge, die mehr als notwendig und gewöhnlich sind, beispielsweise musikalisches Talent, wahre Liebe oder Selbstbestimmung. Luxus nach diesem Verständnis ist also nicht unbedingt marktfähig, lässt sich also nicht notwendigerweise kaufen oder verkaufen. Das volkswirtschaftliche Luxusverständnis bezieht sich dagegen nur auf Güter, die für den Austausch auf dem Markt geeignet sind, zum Beispiel Produktkategorien wie Boote oder Golfausrüstung. Für diesen Objektbereich wird besonders in der Volkswirtschaftslehre der Begriff „Luxusgüter“ gebraucht. Das betriebswirtschaftliche Luxusverständnis hat die kleinste Reichweite und bezieht sich auf Produkte, die mehr als notwendig und gewöhnlich sind im Vergleich mit den anderen Produkten ihrer Kategorie. Dazu gehören beispielsweise Louis Vuitton-Mäntel oder Rolls-Royce Automobile. Diese grobe Definition ermöglicht zwar einige Beispiele zu nennen, allerdings noch nicht, für jede Marke oder jedes Produkt zu entscheiden, ob sie zum Luxussegment gehören oder nicht. Zu diesem Zweck wurden auf Basis mehrerer Konsumentenbefragungen Vergleichskriterien identifiziert. Dazu zählen Preis, Qualität, Seltenheit, Außergewöhnlichkeit, Ästhetik und Symbolkraft (siehe Abbildung 1). Luxusprodukte werden demnach anhand dieser Kriterien definiert. Sie sind also durch eine mehr als notwendige und gewöhnliche Ausprägung dieser Merkmale im Vergleich zu Produkten der gleichen Produktkategorie gekennzeichnet. Diese konstitutiven (also notwendigen) Merkmale dienen einerseits dazu, Luxusprodukte vom Wirrwarr mitunter luxusähnlicher Nicht-Luxusprodukte zu unterscheiden. Andererseits erlaubt es die detaillierte Beschreibung dieser Merkmale und ihrer Sub-Merkmale nachzuvollziehen, wie Standard- in Luxusprodukte verwandelt werden können (siehe Arbeitspapier „The Concept of Luxury Brands“). Die konstitutiven Eigenschaften begründen demnach den „Code of Luxury“, den alle Luxusmarken entsprechen müssen und wollen. Sie beschreiben die Gemeinsamkeiten von Marken wie Dior und Chanel im Vergleich zu Massenmarken wie H&M. Die sechs wesentlichen Merkmale sind als Dimensionen zu verstehen zwischen einem Minimum-Level, das auch für Massenprodukte als notwendig gilt und einem Maximum-Level, das der höchsten Form von Luxus entspricht. Selbstverständlich ist nicht jedes Luxusprodukt gleich luxuriös. Ein Produkt ist umso luxuriöser, je höher die Ausprägung auf mindestens einer der sechs Dimensionen ist. Entsprechend gilt das Luxus-Level als das wichtigste Differenzierungskriterium im Luxus-Segment. Allerdings würde längst nicht jeder einen RollsRoyce einem Bugatti oder Porsche vorziehen. Ziel sind also nicht möglichst maximal ausgeprägte konstitutive Merkmale, sondern den Präferenzen der Zielgruppen entsprechende Ausprägungen. Damit stellen die konstitutiven Eigenschaften die grundlegenden Optionen zur Differenzierung im Luxus-Segment dar. Abbildung 1: Die Identität von Luxusmarken Quelle: Heine, K. (2011) The Concept of Luxury Brands. In: Luxury Brand Management, www.conceptofluxurybrands.com, S. 47 ff. Allerdings sind weniger die objektiv vorhandenen, sondern die von der Zielgruppe subjektiv wahrgenommenen Produkteigenschaften relevant. Die Seltenheit von Louis Vuitton-Taschen wird also teilweise vom Produktionsvolumen und teilweise vom Marketinggeschick bestimmt. Luxusmarken konkurrieren deshalb vor allem um die bestmögliche Wahrnehmung ihrer Produkteigenschaften. Dabei sind erfolgreiche Luxusmarken wahre (Lehr-)Meister des schönen Scheins. Langfristig orientierte Luxusmarken fühlen sich ihren Kunden gegenüber loyal verbunden und verwenden auch im eigenen Interesse emotionales Marketing vor allem zur Steigerung des Kundennutzens. Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Identität von Luxusmarken bestehend aus den konstitutiven Eigenschaften von Luxusprodukten und -marken und den Dimensionen der Luxusmarken-Persönlichkeit. Beide Komponenten der Markenidentität sind eng miteinander verbunden: Entsprechend der funktionalen Komponente sind Luxusprodukte durch eine hohe Symbolkraft charakterisiert, die zum großen Teil durch die Dimensionen der Luxusmarken-Persönlichkeit bestimmt wird. Wer also eine Marke mit Symbolkraft aufladen und zur Luxusmarke aufwerten möchte, fragt sich früher oder später, was denn nun symbolisiert werden soll und findet in den Dimensionen der Luxusmarken-Persönlichkeit Antworten und Orientierung. II. Die emotionale Komponente der Markenidentität Mehrere Studien haben gezeigt, dass Konsumenten fünf wesentliche Dimensionen der Persönlichkeit von Luxusmarken wahrnehmen. Dazu gehören Modernität, Prestige, Understatement, Exzentrik und Sinnlichkeit (siehe Abbildung 2). Diese Eigenschaften basieren letztlich auf den fünf Hauptdimensionen der menschlichen Persönlichkeit – beziehen sich aber speziell auf das Luxussegment. Die Persönlichkeitsdimension „Offenheit für Erfahrungen“ findet sich beispielsweise in der Luxus-Dimension Modernität wieder und beschreibt die zeitliche Perspektive einer Marke. Abbildung 2: Dimensionen der deutschen Luxusmarken-Persönlichkeit Quelle: Heine, K. (2012) The Identity of Luxury Brands. Technische Universität Berlin, S. 158 ff. Als einer der weltweit führenden Luxus-Produzenten verfügt Deutschland über eine Reihe renommierter Luxusmarken und über ein noch viel größeres Reservoir an potentiellen Luxusmarken. Die Stärken vieler deutscher Luxusmarken liegen in ihrer ausgeprägten Produktorientierung und hervorragenden Ingenieursleistung. Deshalb fällt es ihnen häufig schwer, den Boden der Tatsachen zu verlassen und sich auf das schwer greifbare, beinahe esoterisch wirkende Terrain der Markensymbolik zu bewegen und ihre Produkte mit einer Aura auszustatten. Allerdings ist ausgerechnet die Kombination funktionalen Nutzens mit spezifischem symbolischem Nutzen der Schlüssel vom Premium- ins Luxussegment. Wer also neben Produktdetails nichts zu erzählen hat, an das er glaubt, ist und bleibt nur premium. Die Luxus-Dimensionen helfen Marketingverantwortlichen dabei, die Symbolik und Persönlichkeit bereits existierender oder geplanter Luxusmarken (klarer) zu bestimmen und (weiter) zu entwickeln. Dadurch wird nach innen und außen klar und deutlich, wer die Marke ist und für was sie steht. Die Ausrichtung des Marketings an der Markenpersönlichkeit erhöht die Konsistenz in der Markenkommunikation und -wahrnehmung und reduziert dadurch auch den Kommunikations- und Abstimmungsbedarf. Während die konstitutiven Eigenschaften die grundlegenden Optionen zur Differenzierung darstellen, sind die Persönlichkeits-Dimensionen als erweiterte Optionen zur Differenzierung im Luxussegment zu verstehen, mit denen sich Luxusmarken von anderen Luxusmarken abgrenzen können. Das Konzept der Luxusmarken-Persönlichkeit ist auch geeignet, um Luxusmarken und Kundenpräferenzen in verschiedenen Ländern systematisch zu vergleichen. Abbildung 2 zeigt vereinfacht die typisch deutschen Ausprägungen der Luxus-Dimensionen und einige dafür charakteristische Marken. Die meist noch relativ jungen deutschen Luxusmarken sind beispielsweise eher gegenwarts- und zukunftsorientiert. Im Gegensatz zu französischen Marken, bei denen das Gründungsjahr oft stolz im Logo gezeigt wird, machen sie meist nicht viel Aufsehen um ihre ohnehin kurze Geschichte. Bei einigen Marken ist nicht einmal ihr Gründungsjahr auf ihrer Homepage zu finden. Marken wie Dedon, Poggenpohl und Porsche verkörpern Innovationskraft und modernen Luxus. Die Identität besonders französischer Luxusmarken ist stark in ihrer Tradition verankert. Die Anzeigen einiger Traditionsmarken zeigen Szenen, die sowohl in das Leben vor 100 Jahren passen als auch in die Gegenwart. Erfolgreiche Traditionsmarken wirken aber nicht angestaubt, sondern übersetzen ihre Tradition und die damit verbundenen Werte in die heutige Zeit. Während britische Luxusmarken besonders im traditionellen Segment vertreten sind, stammt ein großer Teil der exzentrischen Luxusmarken aus Italien. Besonders französische Marken sind Meister der Luxus-Symbolik, ganz im Geiste von König Ludwig XVI. besonders hinsichtlich Prestige, Eleganz und Opulenz. Bereits diese wenigen Beispiele lassen vermuten, dass es einen typisch englischen, französischen, italienischen und eben auch deutschen Luxus gibt. Luxusmarken anderer traditioneller Luxus-Länder dienen als Vorbilder für deutsche Marken, ihr langfristiger Erfolg wird allerdings auf ihrer eigenen Identität basieren. Typische Eigenschaften deutscher Luxusmarken sind Authentizität, Nachhaltigkeit, Innovationskraft, Understatement und Werte wie Offenheit und Toleranz. Sie stehen demnach für eine Vision, die zukünftige Konsumenten wohlmöglich mehr schätzen werden als den „alten Luxus“. Kontakt zum Autor: [email protected] Weitere Informationen unter: www.conceptofluxurybrands.com