BUNDESKARTELLAMT 1. Vergabekammer des Bundes VK 1 – 65
Transcription
BUNDESKARTELLAMT 1. Vergabekammer des Bundes VK 1 – 65
BUNDESKARTELLAMT Kaiser-Friedrich-Str. 16 53113 Bonn 1. Vergabekammer des Bundes VK 1 – 65/07 Beschluss In dem Nachprüfungsverfahren der ... - Antragstellerin Verfahrensbevollmächtigte: ... gegen ... - Antragsgegnerin ... - Beigeladene - wegen der Vergabe eines Auftrags zur Beschaffung von Bewachungsdienstleistungen an den Standorten ..., ... und ... (...), Los 1 (...), hat die 1. Vergabekammer des Bundes durch die Vorsitzende Direktorin beim Bundeskartellamt Dr. Seifert, die hauptamtliche Beisitzerin Regierungsdirektorin Korthals und den ehrenamtlichen Beisitzer Adamczak auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juli 2007 am 31. Juli 2007 beschlossen: 1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, unter den Bedingungen des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens den Zuschlag zu erteilen. 2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin. -23. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig. Gründe: I. Die Antragsgegnerin (Ag) hat einen Auftrag zur Beschaffung von Bewachungsdienstleistungen an den Standorten ..., ... und ... (...) in drei Losen ausgeschrieben. In der Bekanntmachung vom 15. März 2007 heißt es unter IV.1.2: „Beschränkung der Zahl der Wirtschaftsteilnehmer, die zur Angebotsabgabe bzw. Teilnahme aufgefordert werden: Geplante Zahl der Wirtschaftsteilnehmer 7 Objektive Kriterien für die Auswahl der begrenzten Zahl von Bewerbern: Die Bewertungsmatrix und die Auswahlhinweise können bei der Vergabestelle abgerufen werden.“ Schlusstermin für den Eingang der Angebote bzw. Teilnahmeanträge war der 19. April 2007. Mit Schreiben vom 16. März 2007 forderte die Antragstellerin (ASt) „die Zusendung der Unterlagen“ an. Mit Schreiben vom 27. März 2007 übersandte die Ag der ASt die „ergänzenden Unterlagen zur Erstellung eines Teilnahmeantrages“. In der Anlage übersandte die Ag die K.O.- Kriterien und die Eignungskriterien entsprechend dem SIMAP-Formular für den Teilnahmewettbewerb sowie die Zuschlagskriterien und die Auswertungsmatrix. Die Unterlage zum Teilnahmewettbewerb enthielt folgenden Hinweis: „Die Bewertung der unter Ziffer III.2.3 aufgeführten Anforderungen erfolgt anhand einer Bewertungsmatrix. Die Bewertungsmatrix mit den einzelnen Kriterien, Zielerreichungsgraden, Gewichtungspunkten und Mindestpunkten kann bei der Vergabestelle abgefordert werden.“ Am 16. April 2007 reichte die ASt einen Teilnahmeantrag für das Los 1 ein. In einem Telefonat vom 8. Mai 2007 teilte die Ag der ASt mit, dass zur Teilnehmerauswahl ein Losverfahren unter den geeigneten Bewerbern durchgeführt worden sei und das Los nicht auf die ASt ge- -3fallen sei. Am 14. Mai 2007 bestätigte die Ag der ASt auf deren Wunsch, dass im durchgeführten Teilnahmewettbewerb 19 gültige Teilnahmeanträge eingegangen seien. Nach Prüfung der Eignung seien 14 Teilnahmeanträge verblieben. Die Auswahl der 7 Teilnehmer, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden sollten, sei im Losverfahren erfolgt. Die ASt als geeignete Bewerberin habe nicht zu den ausgelosten Teilnehmern gehört. Daraufhin rügte die ASt am 22. Mai 2007 die Durchführung eines Losverfahrens als Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz und vergaberechtlich unzulässig. Nach anwaltlicher Beratung rügte die ASt durch ihren Verfahrensbevollmächtigten am 24. Mai 2007 das Vorgehen der Ag als Verstoß gegen Art. 44 Abs. 1,3 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (VKR). Danach seien die zur Angebotsabgabe aufzufordernden Teilnehmer anhand objektiver und nicht diskriminierender Kriterien aus den geeigneten Bewerbern auszuwählen. Ein Losverfahren sei nur als ultima ratio zulässig. Am 4. Juni 2007 übersandte die Ag der ASt die Bewertungsmatrix zu den Eignungskriterien. Die Auswahl der Teilnehmer sei zunächst anhand dieser Bewertungsmatrix erfolgt. Erst danach habe das Losverfahrens stattgefunden. In einem weiteren Schreiben vom 6. Juni 2007 erläuterte die Ag, dass nach der Prüfung mittels der Bewertungsmatrix 14 geeignete Teilnehmer festgestanden hätten, unter denen eine Auswahl nach größerer Eignung nicht möglich gewesen sei, so dass man letztlich eine Auswahl im Losverfahren getroffen habe. Am 13. Juli 2007 stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag, dessen Zustellung an die Ag am gleichen Tag durch die Vergabekammer veranlasst wurde. Die ASt ist der Auffassung, die Ag habe in mehrfacher Hinsicht gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen und die ASt dadurch in ihren Rechten verletzt. Die Ag habe zunächst entgegen ihrer Verpflichtung aus Art. 44 Abs. 3 Satz 2 VKR i.V.m. § 97 Abs. 1,7 GWB die objektiven und nicht diskminimierenden Kriterien für die Auswahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Teilnehmer nicht bekannt gemacht. Statt dessen habe die Bekanntmachung den Hinweis enthalten, dass die Bewertungsmatrix und die Auswahlhinweise bei der Vergabestelle abgerufen werden könnten. Die Ag habe aber auch auf das Schreiben der ASt, mit der diese die Ausschreibungsunterlagen angefordert habe, die Bewertungsmatrix und die Auswahlhinweise nicht übersandt. Zu einer weitergehenden Nach- -4frage habe die ASt angesichts der klaren rechtlichen Verpflichtung der Ag keinen Anlass gehabt. Ebenso wenig habe die Ag ihre Auswahl der Teilnehmer für das weitere Verfahren unter den eingegangenen Teilnahmeanträgen in transparenter und diskriminierungsfreier Weise anhand objektiver Kriterien getroffen. Die Ag habe ihre Auswahl der Teilnehmer vielmehr unter letztlich unklarer Verwendung einer nicht bekannt gemachten Bewertungsmatrix in Verbindung mit einem wettbewerbswidrigen Losverfahren getroffen und auf dieser Grundlage die ASt vergaberechtswidrig vom weiteren Verfahren ausgeschlossen. Ein Losverfahren sei nur als ultima ratio zulässig, wenn anhand der bekannt gemachten Eignungsnachweise und objektiven Auswahlkriterien wegen identischer Eignung nicht mehr anhand sachlicher Gründe und wirtschaftlicher Maßstäbe differenziert werden könne. Vorliegend sei jedoch eine Auswahl anhand von objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien fehlerhaft bzw. überhaupt nicht durchgeführt worden. Die Ag habe vielmehr nach vermeintlicher „Bewertung“ anhand ihrer Matrix alle Bewerber oberhalb einer bestimmten Mindestpunktzahl als gleichermaßen geeignet angesehen und unter ihnen die sieben Teilnehmer ausgelost. Zudem habe sie die Durchführung eines Losverfahrens weder in der Bekanntmachung noch sonst öffentlich gemacht. Die ASt beanstandet außerdem einzelne Bewertungskriterien der Bewertungsmatrix als untauglich bzw. von der Ag als fehlerhaft im Sinne eines Ja/Nein-Schemas ohne Ausschöpfung des vorgegebenen Bepunktungsspielraums angewendet und legt dies im Einzelnen dar. Aus der Akteneinsicht sei weiter ersichtlich, dass die Bepunktung des Teilnahmeantrags der ASt anhand der Bewertungsmatrix durch die Ag teilweise nicht nachvollziehbar und somit willkürlich sei. Auch dies legt die ASt im Einzelnen dar. Die Ag habe außerdem – wie ebenfalls aus der Akteneinsicht ersichtlich sei - vergaberechtswidrig zugelassen, dass einzelne Bewerber ihre Teilnahmeanträge nachträglich vervollständigten. Tatsächlich hätten diese Anträge ausgeschlossen werden müssen und bei der Teilnehmerauswahl nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Die ASt habe die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße auch rechtzeitig gerügt. Sie habe erst am 22. Mai 2007 nach anwaltlicher Beratung Kenntnis davon erlangt, dass Art. 44 VKR die Auswahl der Teilnehmer anhand objektiver Kriterien verlange und dass ein Losverfahren -5nur als ultima ratio zulässig sei. Die diesbezügliche Rüge am 22. Mai 2007 sei daher rechtzeitig gewesen. Die fehlerhafte Teilnehmerauswahl in ihrer konkreten Form sei erst nach der Akteneinsicht erkennbar gewesen, so dass auch insofern eine Präklusion nicht in Betracht komme. Dies gelte auch in Bezug auf die Beanstandungen hinsichtlich der Kriterien der Bewertungsmatrix. Die Ag verhalte sich treuwidrig, wenn sie sich darauf berufe, die ASt habe die Bewertungsmatrix „nicht ausdrücklich“ angefordert und sei daher mit Beanstandungen, die die Bewertungsmatrix betreffen, präkludiert. Tatsächlich habe die Ag durch ihr vergaberechtswidriges und intransparentes Verhalten selbst für Unklarheit gesorgt und auch auf die ausdrückliche Anforderung der Bewertungsmatrix und der Auswertungshinweise durch die ASt mit deren Schreiben vom 16. März 2007 die Bewertungsmatrix nicht übersandt. Die ASt beantragt, 1. die Ag zu verpflichten, das Verfahren zurückzusetzen und eine neue, ordnungsgemäße Vergabebekanntmachung unter Angabe der objektiven, nicht diskriminierenden Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden sollen, im Supplement zum EU-Amtsblatt zu veröffentlichen; 2. die Ag zu verpflichten, bei neuerlicher Versendung der Unterlagen für den Teilnahmewettbewerb eine etwaige zu diesem Zeitpunkt bereits erstellte Bewertungsmatrix für die Auswahl der Teilnehmer den Unterlagen beizufügen; 3. die Ag zu verpflichten, aus den daraufhin eingegangenen Teilnahmeanträgen eine ordnungsgemäße Auswahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Teilnehmer anhand der bekannt gemachten objektiven und nicht-diskriminierenden Auswahlkriterien zu treffen; 4. der ASt Akteneinsicht zu gewähren und die Vergabeakten der Ag beizuziehen. hilfweise, 5. das Vergabeverfahren aufzuheben. Die Ag beantragt, den Antrag auf Nachprüfung des Vergabeverfahrens zurückzuweisen. -6- Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, da die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße nicht bzw. nicht rechtzeitig gerügt worden seien. Die ASt beanstande drei Vergaberechtsverstöße: - Auswahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Teilnehmer nicht anhand objektiver Kriterien, sondern im Losverfahren, - Unterlassung der Übersendung der Matrix für die Bewertung der Teilnahmeanträge, - fehlerhafte Prüfung der Eignung der Teilnehmer. Die ASt habe erstmals am 22. Mai 2007 die Durchführung eines Losverfahrens als vergaberechtswidrig gerügt. Bereits am 8. Mai 2007 sei die ASt aber telefonisch darüber aufgeklärt worden, dass ein Losverfahren stattgefunden hatte, so dass sie ab diesem Zeitpunkt positive Kenntnis vom angebliche Vergaberechtsverstoß gehabt habe. Die weiteren Vergaberechtsverstöße seien erst im Nachprüfungsantrag benannt worden. Der Nachprüfungsantrag sei daher insgesamt unzulässig. Der Nachprüfungsantrag sei aber auch unbegründet. Die Ag habe nicht gegen Art. 44 VKR verstoßen. Vielmehr hätten für die Eignungsprüfung keine weiteren objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien für die Bildung einer Rangfolge zur Verfügung gestanden. Deshalb habe sich die ASt für die Durchführung eines Losverfahrens entschieden. Es habe auch keine Verpflichtung bestanden, die Bewertungsmatrix und die Durchführung eines Losverfahrens in der Bekanntmachung zu veröffentlichen. Entgegen der Auffassung der ASt bestehe auch keine Rechtspflicht, die Bewertungsmatrix den Unternehmen unaufgefordert zur Verfügung zu stellen. Der Transparenzgrundsatz werde durch eine Übersendung der Unterlagen auf eine entsprechende Aufforderung durch die Teilnehmer gewahrt. Eine solche Aufforderung sei seitens der ASt bis zum Ablauf der Angebotsfrist – entgegen deren Darstellung - nicht ergangen. -7Entgegen der Auffassung der ASt sei die von der Ag aufgestellte Bewertungsmatrix nicht untauglich. Bei der Erstellung einer Bewertungsmatrix stehe der Vergabestelle ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu. Bei der Eignungsprüfung mit Hilfe einer Bewertungsmatrix gehe es ausschließlich um die Frage, ob die Hürde der Eignungsanforderungen von den Bietern überschritten werde, nicht jedoch um eine Rangfolge der Bewerber hinsichtlich ihrer Eignung. Die Matrix und die Kriteriengewichtung dürften daher nicht darauf ausgerichtet sein, die spätere Herstellung einer Rangfolge zu ermöglichen. Zulässig sei nach der Rechtsprechung lediglich ein Ergebnis “geeignet“ bzw. „nicht geeignet“. Die Ermittlung von Eignungspunkten stelle daher eine bloße Hilfestellung im Rahmen der Eignungsprüfung dar. Hieran ändere auch der von der ASt in Bezug genommene Art. 44 Abs. 1,3 VKR substantiell nichts. Nach Auswertung der Teilnahmeanträge anhand der Bewertungsmatrix hätten 14 Teilnehmer die erforderliche Mindestpunktzahl erreicht, die somit allesamt als geeignet eingestuft worden seien. Soweit die ASt beanstande, dass die Ag die zur Angebotsabgabe aufzufordernden Teilnehmer nicht anhand objektiver und nicht diskriminierender Kriterien, sondern im Losverfahren ausgewählt habe, bestünden schon Zweifel an der zu Grunde liegenden Rechtsauffassung. Unabhängig davon hätten nach Auffassung der Ag keine weiteren objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien für die Bildung einer Rangfolge in dieser Bewertungsstufe des Verfahrens zur Verfügung gestanden. Die Durchführung eines Losverfahrens sei daher zulässig gewesen. Zudem sei die Ag nach der auf der Grundlage der Bewertungsmatrix ermittelten Gesamtpunktzahl in der Rangfolge auf Platz 9 anzusiedeln gewesen und daher ohnehin nicht zur Abgabe eines Angebots aufzufordern gewesen. Die Ag legt außerdem dar, weshalb ihrer Auffassung nach weder die Kriterien in der Bewertungsmatrix noch die konkret durchgeführte Eignungsprüfung der ASt anhand dieser Kriterien vergaberechtswidrig seien. Die Ag weist außerdem detailliert den Vorwurf der ASt zurück, sie habe unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz von mehreren Bewerbern Unterlagen, die den Teilnahmeanträgen nicht beigelegen hätten, nachgefordert. -8Mit Beschluss vom 10. Juli 2007 hat die Vergabekammer die Beigeladene (Bg) zum Verfahren hinzugezogen. Die Bg hat keine Anträge gestellt und sich auch in der Sache nicht geäußert. Die ASt hat gemäß § 111 Abs. 2 GWB unter Wahrung der Geschäftsgeheimnisse Akteneinsicht erhalten. In der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2007 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre jeweiligen Standpunkte vorzutragen und mit der Kammer umfassend zu erörtern. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze, die Verfahrensakte sowie die der Kammer vorgelegten Vergabeakten verwiesen. II. 1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. a) Die Zuständigkeit der Vergabekammer des Bundes ist nach § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 Nr. 3 VgV eröffnet, da sich der Nachprüfungsantrag auf einen Auftrag eines öffentlichen Auftraggebers, der dem Bund zuzurechnen ist, oberhalb des einschlägigen Schwellenwerts bezieht. b) Die ASt ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie geltend macht, durch einen Vergaberechtsverstoß in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu sein. Durch die Abgabe ihres Angebots hat sie ihr Interesse an der Auftragserteilung dokumentiert, so dass ihr durch die behauptete Rechtsverletzung auch ein Schaden droht. c) Der Nachprüfungsantrag ist – entgegen der Ansicht der Ag - auch nicht deshalb unzulässig, weil die ASt mit ihrem Vortrag gemäß § 107 Abs. 3 GWB präkludiert wäre. Die ASt hat am 22. Mai 2007 die Durchführung eines Losverfahrens und am 24. Mai 2007 nach anwaltlicher Beratung durch ihren Verfahrensbevollmächtigten gerügt, dass die Ag entgegen Art. 44 Abs. 1,3 VKR die zur Angebotsabgabe aufzufordernden Teilnehmer im Losverfahren ausgewählt hat und nicht anhand von objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien, die zwingend in der Bekanntmachung anzugeben gewesen wären. Die Ag macht geltend, dieser Vortrag sei präkludiert, da sie -9die ASt bereits am 8. Mai 2007 telefonisch darüber informiert habe, dass ein Losverfahren stattgefunden habe. Die Rügen am 22. April 2007 bzw. am 24. Mai 2007 seien daher verspätet. Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB sind Verstöße gegen Vergaberechtsvorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge war gemäß der Bekanntmachung der 19. April 2007. Die ASt hat die fehlende Festlegung von Auswahlkriterien nach anwaltlicher Beratung mit Schreiben vom 24. Mai 2007 und somit nicht mehr innerhalb der Frist gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB gegenüber der Ag gerügt. Der von der ASt geltend gemachte Vergaberechtsverstoß war für die ASt jedoch aufgrund der Bekanntmachung nicht erkennbar. Zwar konnte die ASt bereits aufgrund der Bekanntmachung ersehen, dass es die ASt versäumt hatte, dort objektive Kriterien zur Teilnehmerauswahl zu veröffentlichen. Für die ASt war jedoch nicht erkennbar, dass hierin auch ein Vergaberechtsverstoß liegen könnte. Dabei ist mit dem OLG Düsseldorf auf einen subjektiven Maßstab der Erkennbarkeit abzustellen. Danach sind bei der Beurteilung der von einem verständigen Bewerber oder Bieter zu erwartenden Sorgfalt die individuellen Verhältnisse zu berücksichtigen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.2006 –VII-Verg 35/06). Die ASt ist zwar ein Unternehmen, das Erfahrungen mit öffentlichen Auftragsvergaben und somit auch mit den vergaberechtlichen Vorschriften hat. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zur Festlegung von objektiven und nicht diskriminierenden Bedingungen zur Teilnehmerauswahl bereits in der Bekanntmachung ergibt sich jedoch nicht unmittelbar aus nationalen vergaberechtlichen Vorschriften, da insoweit die entsprechende Vorschrift der VKR (Art. 44) nicht in das nationale Recht umgesetzt worden ist (siehe hierzu schon VK Bund, Beschluss vom 14. Juni 2007, VK1 – 50/07). Die Herleitung der Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zur Benennung solcher Auswahlkriterien in der Bekanntmachung setzt daher neben vergaberechtlichen auch vertiefte allgemein- und europarechtliche Kenntnisse voraus, deren Vorhandensein bei der ASt nicht erwartet werden kann. Da der Vergaberechtverstoß für die ASt somit erst nach anwaltlicher Beratung erkennbar war, ist die Rüge vom 24. Mai 2007 nicht verspätet. - 10 - Ob die ASt auch die weiteren von ihr geltend gemachten Vergaberechtsverstöße rechtzeitig gerügt hat, kann dahin stehen. Denn da der Nachprüfungsantrag bereits aufgrund der fehlenden Bekanntmachung von objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien zur Teilnehmerauswahl begründet ist – was unter Punkt 2 ausgeführt wird – kommt es auf die übrigen Beanstandungen der ASt nicht mehr an. 2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die Ag hat die ASt dadurch in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt, dass sie in der Bekanntmachung keine transparenten objektiven Kriterien genannt hat, nach denen die von ihr begrenzte Anzahl von Bewerbern, die nur zur Angebotsabgabe aufgefordert werden soll, ausgewählt wird. Die Ag hat eine Auftragsvergabe in einem Nichtoffenen Verfahren nach den Vorschriften der VOL/A ausgeschrieben. Dabei hat sie einen öffentlichen Teilnahmewettbewerb durchgeführt, wobei gemäß der Bekanntmachung die Zahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Bewerber auf 7 reduziert war. Zwar enthält die VOL/A – anders als die VOB/A – keine Norm, nach der öffentliche Auftraggeber verpflichtet sind, bei einem Teilnahmewettbewerb mit beschränkter Teilnehmerzahl die Auswahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Unternehmen nach objektiven Kriterien, die in der Bekanntmachung zu nennen sind, vorzunehmen. Diese ergibt sich jedoch unmittelbar aus dem im Vergaberecht geltenden Wettbewerbs- und dem Transparenzgebot in ihrer richtlinienkonformen Auslegung in Verbindung mit Art. 44 Abs. 3 VKR. Danach erfolgt im Nichtoffenen sowie im Verhandlungsverfahren bei einer Begrenzung der Anzahl der Teilnehmer, die zur Angebotsabgabe aufzufordern sind, deren Auswahl auf der Grundlage objektiver und nicht diskriminierender Bedingungen, die in der Bekanntmachung genannt werden müssen. Die Ag hat in der Bekanntmachung unter IV.1.2) angegeben, dass die Auswahl der begrenzten Zahl von Bewerbern nach objektiven Kriterien erfolgen soll. Die Kriterien selbst sind allerdings nicht in der Bekanntmachung genannt. Die Bekanntmachung enthält inso- - 11 fern nur einen Hinweis auf eine Bewertungsmatrix und Auswahlhinweise, die bei der Vergabestelle abgerufen werden könnten. Dieser Hinweis genügt nicht den Anforderungen des Art. 44 Abs. 3 VKR, der ausdrücklich besagt, dass die Auswahlkriterien in der Bekanntmachung selbst zu nennen sind. Danach ist ein Hinweis auf die Möglichkeit, solche Kriterien an anderer Stelle abrufen zu können, nicht ausreichend. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Anhang VII Teil A zur VKR - „Angaben die in den Bekanntmachungen für öffentliche Aufträge enthalten sein müssen“, und dort aus der laufenden Nr. 20. Danach gehören die objektiven Kriterien, nach denen eine begrenzte Anzahl von Bewerbern zur Angebotsabgabe im Nichtoffenen Verfahren ausgewählt wird, zu den Angaben, die in der Bekanntmachung enthalten sein müssen. Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu verhindern. Da die Ag es unterlassen hat, transparente, objektive und nicht diskriminierende Kriterien für die Teilnehmerauswahl in der Bekanntmachung zu nennen, ist das streitgegenständlichen Vergabeverfahren von Anfang an fehlerbehaftet. Der Ag ist somit zu untersagen, in diesem Vergabeverfahren einen Zuschlag zu erteilen. Die von der ASt begehrte Anordnung einer Wiederholung des Vergabeverfahrens kommt nicht in Betracht. Ob eine solche Möglichkeit besteht und ergriffen werden soll, hat die Ag in eigener Verantwortung zu klären und zu bestimmen. Derzeit kann folglich nur festgestellt werden, dass die Ag auf der Grundlage der Bedingungen der streitgegenständlichen Ausschreibung keinem Bieter den Zuschlag erteilen darf. Dieses Verbot stellt die zur Beseitigung des Vergabeverstoßes gebotene Maßnahme dar. Hierdurch wird der Ag die Gelegenheit gegeben, für den Fall, dass sie an dem Beschaffungsvorhaben festhalten will, die Beschaffung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer rechtmäßig durchzuführen (siehe hierzu BGH, Beschluss vom 26.9.2006, X ZB 14/06). Da somit eine Zuschlagserteilung in dem vorliegend zu beurteilenden Vergabeverfahren nicht in Betracht kommt, muss über die von der ASt beanstandeten Vergaberechtsverstöße bezüglich vergaberechtswidriger Nachforderung von Unterlagen, der Geeignetheit der im streitgegenständlichen Vergabeverfahren konkret verwendeten Auswahlkriterien, der inhaltlichen Prüfung der Eignung der Bewerber sowie der Durchführung des Losverfahrens nicht mehr entschieden werden. - 12 - Die Vergabekammer gibt folgenden rechtlichen Hinweis: Neben den objektiven Kriterien zur Teilnehmerauswahl bei begrenzter Teilnehmerzahl sind gemäß § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit m) VOL/A, § 7a Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 VOL/A auch die mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen, die gegebenenfalls vom Auftraggeber für die Beurteilung der Eignung des Bewerbers verlangt werden, in der Bekanntmachung anzugeben. Außerdem ist für die Bekanntmachung hinsichtlich von Eignungskriterien Art. 44 Abs. 2 VKR in Verbindung mit Nr. 17 des Anhangs VII Teil A zur VKR zu beachten. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 GWB. Die Bg hat weder Anträge gestellt noch das Verfahren in sonstiger Weise wesentlich gefördert und somit kein Prozessrechtsverhältnis zur ASt begründet. Sie ist daher nicht als unterliegende Beteiligte anzusehen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Juni 2004, VII – Verg 21/04, Beschluss vom 19. Februar 2002 - Verg 33/01, Beschluss vom 4.8.2005, VII – Verg 51/05, Beschluss vom 5.8.2005, VII – Verg 31/05). Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die ASt war notwendig. Im Nachprüfungsverfahren waren komplexe und schwierige Rechtsfragen zu beantworten, die von der Ag nicht ohne weiteres durch hausinternen Sachverstand zu lösen waren. IV. Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Oberlandesgericht Düsseldorf – Vergabesenat - , Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer - 13 angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt. Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern. Dr. Seifert Korthals