Reader - Friko Berlin

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Reader - Friko Berlin
Ostermarsch Reader 2007
Foto: Z.Safaei-Kahran
Erstellt von Stefan Zwingel
(Bühnenregie der Berliner Friedenskoordination)
14.April 2007
Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis
Der Aufruf zum Berliner Ostermarsch 2007
Ostermärsche gegen Kriegsgefahr
Bundesweit sind etwa 70 Veranstaltungen vorbereitet worden
Ostermärsche gegen Rüstung
Emma macht Mut
Brecht, Wekwerth – und eine Rockband
Ostermarsch
Aufruf zu Protesten gegen Atomwaffen
Ostermarsch in Wechseljahren
Ostern wird für Frieden marschiert
Friedenskoordination ruft zu Demonstration gegen nukleare Rüstung und
Militäreinsätze auf
Friedensdemo mit Publikum - Bilder auf potsdam-abc.de
Ostermarsch ohne PDS
Marsch führt von US-Botschaft zum Rosa-Luxemburg-Platz
Ostermarsch der Kraftwerksgegner
Ostermärsche fortgesetzt - Grünen und Friedensbewegung streiten
Ostermarsch-Koordinator weist Grünen-Kritik zurück
Streit um "Schwarz-Weiß-Sicht" - Ostermarschierer erzürnt über Grüne
Kommentar zu den Ostermärschen
Gewohnheiten
Tausende demonstrieren gegen «Bombodrom»
Platzeck: "Bombodrom" gefährdet Arbeitsplätze
Platzeck-Appell gegen Bombodrom
Ostermärsche ziehen gegen Tornados und Sozialabbau
Deutlich mehr Teilnehmer beim Ostermarsch in Calw
Grüne kritisieren Ostermarsch-Bewegung
Grüne kontra Ostermarschierer - Krieg um Frieden
DER OSTERMARSCH – Ein Jubiläum in Berlin
„Der Mensch sehnt sich nach Frieden“ –
Interview mit Laura Freiin von Wimmersperg
Berlins und Brandenburgs Friedensbewegung demonstriert
Linke marschieren zum Bombodrom
Nach den Grünen kehrt auch die PDS dem Berliner Ostermarsch den Rücken
„Ostermärsche sind nicht mehr zeitgemäß“
Grüne gegen Ostermarschierer. Die eigenen Irrtümer
Ostermarsch durch die Berliner Innenstadt
Bundeswehr rekrutiert in Jobcentern. 550 Ostermarschierer zogen von der USamerikanischen Botschaft zum Rosa-Luxemburg-Platz
Zehntausende bei Ostermärschen
Grünen-Chefin Claudia Roth warf Organisatoren pauschale Verurteilung des
Militärischen vor Seite
Alte Hasen retten Ostermarsch
Zehntausende verurteilen Kriegseinsätze
Friedensbewegung: Ostermärsche waren ein Erfolg. Grüne wettern weiter
gegen »Einseitigkeit« der Proteste
Ohne harte Mißtöne
Reaktionen. Friedensbewegung widerspricht zahm
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Leitartikel
Die Legende von den grünen Pazifisten
Grünen-Pazifisten gründen Flügel
"Grüne Friedensinitiative" übt Kritik an der Parteilinie
Offener Brief an die Grünen-Spitze
Richtige Fragen
Beim Parteitag droht Ärger
Interview mit Florian Pfaff.
Drewermann bezeichnet Nato als "kriminelle Vereinigung"
Tausende Ostermarschierer gegen Auslandseinsätze und Tiefflieger
Rede von Dr. Eugen Drewermann, Paderborn, in Fretzdorf 8.4.07
Bahr wirft Drewermann Populismus vor
Kritik an der Ostermarsch-Rede des Theologen: "Das schadet der Bewegung"
Grüne streiten sich über Afghanistan-Einsatz
Hausfriedensbruch mit dem Fahrrad
Rede von Tobias Pflüger in Calw
Der Aufruf zum Berliner Ostermarsch 2007
Atomwaffen abschaffen –
Gegen die Lagerung von
A-Waffen auf deutschem Boden
Statt die Atomwaffen endlich weltweit abzuschaffen, sind die Arsenale - so auch die Lager
der US-Armee im Hunsrück - mit ihnen gefüllt und es werden immer noch neue Typen
erforscht. Gleichzeitig streben immer mehr Staaten nach Atomwaffen, um nicht militärisch
angegriffen zu werden. Damit wächst die Gefahr des Einsatzes dieser Waffen, statt den
Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag nachzukommen.
Für Deutschland als weltweit geachtete Friedensmacht –
Gegen die Beteiligung der Bundesrepublik an
Angriffskriegen
Für eine Weltfriedensordnung –
Gegen die neuen Weltordnungskriege
Seit mehr als fünf Jahren findet unter offizieller Führung der US-Regierung ein „Krieg gegen
den Terror“ statt. Die Begründungen für die damit verbundenen Kriege gegen Afghanistan
und Irak waren und sind vorgeschoben. Ziel war nicht die Demokratisierung der betroffenen
Länder. Ziel war vielmehr die Beherrschung strategisch und wirtschaftlich bedeutender
Regionen.
Das Ergebnis ist die Barbarisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse mit täglichem Leiden
der Bevölkerungen. Gegen Staaten, die sich nicht der neoliberalen Globalisierung
unterwerfen, wird ein permanenter Krieg geführt. Durch Druck auf die UNO, mit Hilfe der G8-Gipfel und anderer formeller und informeller Treffen wird versucht, diese Strategie durchzusetzen.
Mit Hilfe der UNO-Reformen sollen völkerrechtswidrige Angriffskriege legitimiert werden.
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Für soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Entwicklung im Interesse der Menschen, die
in diesem Lande leben –
Gegen Sozialabbau, Arbeitslosigkeit und eine
Hartz –Gesellschaft
Gegen die breite Ablehnung der Bevölkerung in Deutschland für Kriegseinsätze strebt die
Regierung eine umfassende Kriegsteilnahme in allen Regionen der Welt an. Im „Weißbuch
der Bundeswehr 2006“ hat sich die Bundesregierung bereits verpflichtet, den "ungehinderten
Warenaustausch" und die Sicherung der "Rohstoffzufuhr" weltweit militärisch durchzusetzen
und die Bundeswehr entsprechend aufzurüsten.
Für aktive Demokratie,
die von Allen gestaltet wird –
Gegen Abbau von Demokratie und unkontrollierbare und unkontrollierte Geheimdienste
Systematisch geschürte Islamophobie und Antiterror-Hysterie gehen Hand in Hand mit
Einschränkungen durch die Beschneidung fast aller demokratischer Grundrechte. Die
angestrebte vollständige Überwachung des Internets und Telefons, die Erfassung des
genetischen Fingerabdrucks verbunden mit der Kriminalisierung bloßen Denkens bei
gleichzeitiger Abschaffung eines ernsthaften Rechtsschutzes dient der Unterbindung sozialen
Widerstandes.
Mit der Verbreitung der Ideologie angeblicher „nationaler“ und „religiöser“ Unterschiede
wird nicht nur eine Herausbildung von „Parallelgesellschaften“ gefördert. Sie dienen der
Begründung noch umfangreicherer Repressionsmaßnahmen. Dadurch wird auch die
Wahrnehmung der sozialen Spaltung und die Ausgrenzung weiterer Teile der Gesellschaft
verdrängt.
Es gibt eine geschichtliche und menschenrechtliche Verantwortung, sich diesen Tendenzen zu
einer antidemokratischen, die Zivilisation verneinenden und vernichtenden Entwicklung
entgegenzustellen!
Tun wir dies!
Ostermontag 9. April 2007
Auftaktkundgebung:
12.00 Uhr
Unter den Linden/
Neustädtische Kirchstraße
(nahe US-Botschaft)
Abschlusskundgebung:
gegen 14 Uhr
vor dem Kino Babylon:Mitte
(nahe Volksbühne)
Mit u.a.
Tino Eisbrenner & Band, Emma-männlich, Manfred Wekwerth
Moderation: Jutta Kausch
Anschließend im Babylon:Mitte
15.00 Uhr, „In der Sünder schamvollem Gewimmel“
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Eine Rockband erinnert sich an Brecht
„Emma-männlich“, mit Renate Richter und Hendrik Durin
Präsentiert von: Antieiszeitkomitee und Con Takt
Eintritt: 12 €, 10 €und 6 €
Atomwaffen weltweit abschaffen –
bei uns anfangen!
Bundeswehreinsätze im Ausland beenden!
Abrüstung statt Sozialabbau!
Ostermärsche gegen Kriegsgefahr
Bundesweit sind etwa 70 Veranstaltungen vorbereitet worden
Mit ihren traditionellen Ostermärschen tritt die Friedensbewegung auch in diesem Jahr wieder
gegen Krieg, Gewalt und für soziale Gerechtigkeit ein. Hauptveranstalter von rund 70
angemeldeten Demonstrationen sind erneut der Deutsche Gewerkschaftbund (DGB) sowie
zahlreiche im Netzwerk Friedenskooperative zusammengeschlossene Initiativen. Nach
Angaben der »Informationsstelle Ostermarsch 2007« in Frankfurt am Main werden die
Demonstrationen und Kundgebungen größtenteils zwischen Karfreitag und Ostermontag
stattfinden. Einen ersten Ostermarsch hatte es bereits am Sonntag in Potsdam gegeben.
Im vergangenen Jahr waren etwa 80 Veranstaltungen mit rund 30000 Teilnehmern gezählt
worden. Noch in den 70er Jahren hatte die Friedensbewegung Hunderttausende Anhänger auf
die Straße gebracht. Massenbeteiligung ist nach Darstellung der Veranstalter jedoch schon
lange nicht mehr das oberste Ziel der Ostermärsche. Es gehe vielmehr darum, öffentliche
Aufmerksamkeit für die Anliegen der Bewegung zu wecken. »Die Ostermärsche mit ihrer
antimilitaristischen Tradition bieten eine Gelegenheit, um den Herrschenden laut zu sagen:
Wir wollen keine Kriege!«, heißt es im Aufruf der Informationsstelle.
Zu einer der zentralen Veranstaltungen unter dem Motto »Kriege beenden statt Kriege
vorbereiten« hat der DGB für Ostermontag in Frankfurt am Main eingeladen. Thematisiert
werden soll nach den Worten des Vorsitzenden der DGB-Region Frankfurt-Rhein-Main,
Harald Fiedler, vor allem die Gefahr einer Ausweitung des Krieges im Nahen und Mittleren
Osten. Im einzelnen verlangen die Initiatoren den Abzug aller deutschen Truppen aus
Auslandseinsätzen und den Verzicht auf einen Einsatz deutscher »Tornados« in Afghanistan.
Als Alternative fordert die Friedensbewegung eine neue Politik basierend auf Gerechtigkeit,
Solidarität, Armutsbekämpfung und nachhaltigem Umgang mit der Natur. »Durch Abrüstung
könnten dafür die notwendigen Mittel bereitgestellt werden: Spart endlich an der Rüstung!«
lautet der Appell der Initiativen. Direkt gegen die Anwesenheit US-amerikanischer Truppen
und Waffen auf deutschem Boden richtet sich die Osterveranstaltung der Friedensinitiative
Westpfalz. Sie wies darauf hin, daß trotz aller Abrüstungsvereinbarungen auf den USTruppenübungsplätzen in Ramstein und Büchel noch 150 Atombomben stationiert sind.
(AP/jW)
ostermarsch.info
http://www.jungewelt.de/2007/04-05/051.php
Ostermärsche gegen Rüstung
DÜSSELDORF epd De Ostermärsche der Friedensbewegung sind in diesem Jahr dem Protest
gegen den Krieg im Irak und in Afghanistan gewidmet. An zahlreichen Orten finden von
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Gründonnerstag bis Ostermontag (5. bis 9. April) Gottesdienste, Friedensfeste,
Kundgebungen und Mahngänge statt, zu denen zehntausende Teilnehmer erwartet werden.
Größere Aktionen sind unter anderem in Berlin, München, Hamburg, Düsseldorf, Leipzig und
Frankfurt geplant. "Kriege beenden - Völkerrecht durchsetzen - Spart endlich an der Rüstung"
sind die Ostermärsche Rheinland und Ruhr überschrieben. Die Organisatoren plädieren "für
eine gerechtere Weltordnung". Weltweit betrügen die Militärausgaben derzeit 1.118
Milliarden Dollar. Das sei das Zehnfache der für die Entwicklungshilfe eingesetzten Gelder,
heißt es im Ostermarsch-Aufruf.
taz vom 27.3.2007, S. 7, 29 Z. (Agentur)
http://www.taz.de/dx/2007/03/27/a0102.1/text
28.03.07
Emma macht Mut
Brecht, Wekwerth – und eine Rockband
»In der Sünder schamvollem Gewimmel oder was Eugen Berthold Friedrich in Augsburg so
alles gedichtet und gesungen hat«. So heißt das Brecht-Programm der sechsköpfigen
Thüringer Rock-Band »Emma – männlich« aus Bleicherode. Verstärkt durch Schauspielerin
Renate Richter und Schauspieler Hendrik Duryn. Regie: Manfred Wekwerth, lange einer der
wesentlichen Regisseure des Berliner Ensembles, einer der letzten von Brecht unmittelbar
geprägten Theatermacher.
Das erfolgreiche, ungewöhnliche Programm erlebt seine Wiederaufführung am Ostermontag,
dem 9. April, ab 15 Uhr (nach dem Ostermarsch) im Kino Babylon Berlin, Rosa-LuxemburgPlatz. Ein Interview mit Bandleader MATTHIAS MÜLLER (35, Keyboard, Gitarre), der die
Gesänge für die Rock-Version bearbeitete.
ND: Was ist das – Brecht-Lyrik?
MÜLLER: Das Literatur-Seminar ist eröffnet. Darf ich schwänzen?
Die Frage bleibt.
Da ist Leben drin.
Leben von euch?
Ja. Das war das Überraschende. Wir kannten nichts vom frühen Werk, hatten die Gedichte der
»Hauspostille« noch nie gelesen ...
Aber es gab doch Deutsch-Unterricht in der DDR.
Ja, und natürlich war Brecht im Lehrplan. Aber die Schule hat es bei uns offenbar nicht geschafft, den
Zugang zu diesem Dichter nachhaltig zu machen.
Aber von Wekwerth hattet ihr schon gehört?
Nein, auch nicht.
Da war der Meister begeistert.
Mit meinem Vater unterhielt ich mich, ja, dem war der Name ein Begriff: Ui, Schall, BE – Welttheater.
Wekwerth fand das ganz pfiffig, dass wir so unbelastet waren. Das hielt uns frei. Unbedarftheit half,
Berührungsängste zu überwinden. Wir arbeiteten dann sogar nach Original-Noten aus dem BrechtArchiv.
Die frühen Brecht-Gedichte: Da ist also Leben drin. Was für Leben?
Kaltes, böses. Die Sprache ist charmant und brutal, und charmant und brutal ist auch die Haltung des
Dichters: Vorsicht vor jeder Ordnung, Mut zur Kritik, und die List, sich durchzuschlagen, ist ein
schönes Talent.
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Für eure Alben textet ihr auch selber. Welche Folgen wird die Beschäftigung mit Brecht haben?
Es kann zur Gefahr werden, wenn man zu lange und zu heftig hochschaut. Aber der Mann ist ein
Hammer. Man hat plötzlich Angst vor der eigenen Banalität.
Euer Traum vom Hit?
Was bleiben soll, muss sich einprägen – Ohrwurm wird, was Gefühle anspricht. Aber dann noch
Themen, die nicht platt sind, und ein deutscher Text, der nicht nur Beiwerk ist – das wär's. Wir hoffen,
dass es uns mit der neuen CD »Ladies First« gelingt.
Wieso heißt ihr »Emma«?
Der Spitzname unseres Sängers: Matthias. Wenn er als Kind buchstabieren musste, kam er nicht weit:
Emm, a ... Um nicht verwechselt zu werden, der Zusatz: »männlich«.
Ein Lieblingsvers von Brecht?
»Man muß schon Schnaps getrunken haben/ Eh man vor deinem Leibe stand/ Sonst schwankt man
ob der trunknen Gaben/ Von schwachen Knien übermannt«.
Interview: Hans-Dieter Schütt
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=107301&IDC=4
Ostermarsch
Aufruf zu Protesten gegen Atomwaffen
Berliner Friedensaktivisten planen zum traditionellen Ostermarsch in der Hauptstadt für den
Abbau von Atomwaffen zu demonstrieren. Außerdem wollen sie sich für en Ende der
Bundeswehreinsätze im Ausland stark machen. (29.03.2007, 14:58 Uhr)
Berlin - Trotz geringer Teilnehmerzahl in den vergangenen Jahren hätten die Ostermärsche
ihre Berechtigung, betonte Laura von Wimmersperg von der Friedenskoordination. Die
Hauptforderung der Demonstranten, Atomwaffen abzuschaffen, sei nämlich bis heute nicht
umgesetzt worden. Die weltweite Verbreitung von Atomwaffen stellte heute eine noch viel
größere Gefahr dar als zur Zeit des Kalten Kriegs.
Neben der Abschaffung von Atomwaffen fordern die Ostermarschierer unter anderem, die
Bundeswehreinsätze im Ausland zu beenden sowie den "Abbau von Demokratie" zu stoppen.
Darüber hinaus richtet sich der Protest "gegen die neuen Weltordnungskriege" sowie gegen
"Sozialabbau, Arbeitslosigkeit und eine Hartz-Gesellschaft".
Die Veranstalter rechnen nach eigenen Angaben in Berlin mit weniger als 2000
Demonstranten. Bundesweit würden insgesamt etwa 10.000 Friedensaktivisten zu den
Ostermärschen erwartet. In Berlin versammeln sich die Friedensaktivisten am Ostermontag
um 12 Uhr zur Auftaktkundgebung auf dem Boulevard Unter den Linden/Ecke Neustädtische
Kirchstraße in der Nähe der US-Botschaft. Von dort wollen die Demonstranten zum Kino
Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz ziehen, wo es um 14 Uhr eine Abschlusskundgebung
geben wird. (tso/ddp)
http://www.tagesspiegel.de/berlin/nachrichten/ostermarsch/97779.asp
Ostermarsch in Wechseljahren
Der Berliner Ostermarsch wird in diesem Jahr 40. Grund zu feiern gibt es für die Friedensaktivisten
allerdings nicht. Dazu kommen zu wenige. Und friedlicher ist die Welt auch nicht geworden
von FELIX LEE
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Laura von Wimmersperg ist ein Urgestein der Berliner Friedensbewegung. Es können 10.000
TeilnehmerInnen beim Ostermarsch sein wie während des Kosovo-Krieges 1999 - und sie ist
ganz vorne dabei. Es können aber auch nur wenige hundert kommen wie in den vergangenen
zwei Jahren - Laura von Wimmersperg gibt nicht auf. In diesem Jahr wird der Ostermarsch in
Berlin 40. Ein Grund zum feiern ist das für die 72-Jährige nicht.
"Unsere Hauptforderung, die Atomwaffen abzuschaffen, sind nach wie vor nicht erfüllt", sagt
von Wimmersperg. Im Gegenteil: Die Gefahr sei noch viel größer geworden als 1967.
Damals, auf dem Höhepunkt der Proteste gegen den Vietnamkrieg, gingen zehntausende
Westberliner Friedensaktivisten auf die Straße. Heute folgen meist viel weniger Menschen
den Demonstrationsaufrufen. Auch in diesem Jahr erwarten die Aktivsten nur eine geringe
Beteiligung. Angemeldet seien 10.000 Teilnehmer, sagt von Wimmersperg. Aber sie rechne
nicht mit so vielen. "Wir sind froh, wenn wir 2.000 auf die Straße bekommen."
Der erste Berliner Ostermarsch hat zwar 1967 stattgefunden, trotzdem jährt er sich nicht zum
40. Mal. Denn unter dem Eindruck der Notstandsgesetzgebung und interner Streitereien kam
die Friedensbewegung in den Siebzigerjahren so gut wie zum Erliegen. Schon 1968 war der
Ostermarsch überschattet vom Anschlag auf den Studentenführer Rudi Dutschke.
Erst Anfang der Achtzigerjahre kam mit dem Nato-Doppelbeschluss zur Stationierung von
Atomwaffen und Pershing-Raketen auf dem Gebiet der damaligen Bundesrepublik wieder
Leben in die Bewegung. 1982 wurde in Westberlin zu Ostern erneut demonstriert, die Zahl
der TeilnehmerInnen wuchs in den folgenden Jahren auf mehrere zehntausend an. Das
Interesse nahm erst mit dem Ende des Kalten Kriegs wieder ab.
Seitdem erleben die Ostermärsche in Berlin immer dann eine Renaissance, wenn es einen
Anlass dafür gibt. Während des Golfkriegs oder der Bombardierung des Kosovo schoss die
Zahl der Ostermarschierer nach oben. Seit etwa zwei Jahren dümpeln die Demonstrationen
wieder vor sich hin. "Wir können damit leben, dass wir derzeit nicht so groß sind", sagt die
Friedensaktivistin.
Doch von Wimmersperg muss dieses Jahr einen besonderen Dämpfer wegstecken: Anders als
sonst weigerte sich der Linkspartei-Landesverband, zum Marsch aufzurufen. Inhaltliche
Gründe gibt es nicht, versichert Linkspartei-Sprecher Thomas Barthel. Aber die
Friedensdemonstration in Berlin habe derzeit "keine Relevanz". Der Landesvorstand habe
stattdessen zum Ostermarsch gegen den geplanten Truppenübungsplatz in der Ruppiner Heide
aufgerufen. Von Wimmersperg bezeichnet das als "politisch dumm". Nichts hindere die
Linkspartei, zu beiden Demonstrationen zu mobilisieren.
Von Wimmersperg macht weiter, auch ohne die Unterstützung der Partei. In anderen Städten
würden schließlich auch Ostermärsche stattfinden. "Da muss in der Hauptstadt doch
zumindest Präsenz gezeigt werden."
www.friko-berlin.de
taz Berlin lokal vom 30.3.2007, S. 24, 105 Z. (TAZ-Bericht), FELIX LEE
30.03.07
Ostern wird für Frieden marschiert
Friedenskoordination ruft zu Demonstration gegen nukleare Rüstung und Militäreinsätze auf
Von Mark Wolter
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40 Jahre nach dem ersten Ostermarsch in Berlin wollen auch in diesem Jahr
Friedensaktivisten auf die Straße gehen und gegen Rüstung und Militäreinsätze
demonstrieren. Die Friedenskoordination ruft daher für den Ostermontag zu einem Protestzug
mit drei Schwerpunkten auf:
Die Abschaffung von Atomwaffen, die Beendigung von Bundeswehreinsätzen im Ausland
und Abrüstung statt Sozialabbau.
Das Hauptanliegen der Ostermarschierer, die Abschaffung aller nuklearen Waffen weltweit,
sei noch lange nicht erreicht, so Laura von Wimmersperg, Sprecherin der
Friedenskoordination. Auch die Schließung von US-Militärbasen auf deutschem Boden würde
die Möglichkeiten der USA, Kriege zu führen, erheblich einschränken und den Frieden
fördern. Eine Beteiligung am Friedensmarsch sei deshalb immer noch aktuell und notwendig, so
Wimmersperg.
Die Organisatoren bedauern zwar, dass sich der Landesvorstand der Linkspartei.PDS diesmal
der Initiative »Freie Heide«, dem größeren, brandenburgischen Protestmarsch gegen das
Bombodrom bei Wittstock und nicht dem Berliner Ostermarsch angeschlossen habe. Dafür
habe man aber mehrere Kreisverbände für die Aktion gewinnen können. Insgesamt
engagieren sich rund 40 politische Gruppen, Gewerkschaften, kirchliche Gemeinschaften,
soziale Vereine und einzelne Friedensaktivisten in dem Bündnis.
Im vergangenen Jahr marschierten rund 1000 Demonstranten für den Frieden. Dieses Jahr
erwarte man etwa die doppelte Anzahl, so Wimmersperg – auch wenn viele Menschen sich
von der Ignoranz der Regierung entmutigt fühlten oder sich eher für soziale Probleme
interessierten.
Mit einem Musikprogramm wolle man den Marsch und die Kundgebungen beleben und mehr
Jugendliche mobilisieren. Einen der Konzertbeiträge bei der Abschlusskundgebung leistet der
musikalische Weltenbummler und Dichter Tino Eisbrenner: »Als Vater von fünf Kindern
ergreift mich die Angst vor deutschen Kriegsbeteiligungen und terroristischen Aggressionen
auch bei uns. Deshalb kann es gar nicht genug Ostermärsche geben.«
• Der Ostermarsch am Ostermontag startet um 12 Uhr mit einer Auftaktkundgebung Unter den Linden
/ Neustädtische Kirchstraße.
• Die Route des Friedensmarsches führt ab Unter den Linden über Spandauer Straße, Dircksenstraße
und Luxemburgstraße bis zum Rosa-Luxemburg-Platz.
• Ab 14 Uhr Abschlusskundgebung vor dem Kino Babylon, u. a. mit Regisseur Manfred Wekwerth
sowie Tino Eisbrenner und Band.
• Anschließend Brecht goes Rock: Ab 15 Uhr spielt die Rockband EMMA im Babylon das BrechtProgramm »In der Sünder schamvollem Gewimmel«.
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=107452&IDC=5
Friedensdemo mit Publikum - Bilder auf potsdam-abc.de
02.04.2007: „Kriegseinsätze sind Teil des Problems und nicht die Lösung.“ Unter diesem
Motto trafen sich gestern etwa 40 Potsdamer zum Ostermarsch durch die Innenstadt. Mit
Spruchband und Plakaten fand der eher kleine Demonstrationszug am sonnigen
Frühlingsnachmittag zumindest viele Zuschauer.
Veranstalter war das Bündnis „Friedenskoordination Potsdam“. Potsdam als Sitz des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr-Auslandseinsätze machte den „Auftakt der
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deutschen Ostermarschbewegung“, erklärte Michael Meixner von der Friedenskoordination.
So könnten die Potsdamer am kommenden Wochenende an den geplanten Veranstaltungen
gegen das „Bombodrom“ in der Ruppiner Heide teilnehmen. Die Linkspartei.PDS unterstützte
die gestrige Demonstration als einzige politische Partei.
Hans-Jürgen Scharfenberg, PDS–Landtagsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender in der
Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, sprach sich gegen die Entsendung der sechs
Tornado-Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr nach Afghanistan aus. Den geplanten
Bundeswehr-Einsatz bewertete der Politiker als „eine politische Entscheidung, mit der die
USA Deutschland mit ins Boot holen und mitverantwortlich machen“. Aufklärung und
Kampfeinsatz könne man nicht voneinander trennen, so Scharfenberg. Auch die
Feindaufklärung diene letztendlich „der Bekämpfung und Vernichtung des Gegners“. Zudem
seien die Tornados mit Bordkanonen und Marschflugkörpern bestückt. Scharfenberg setzte
dagegen ein „Nein zu Aufrüstung und Krieg“.
Für konsequente Abrüstung und ein atomwaffenfreies Europa hatte sich auch Hans-Jürgen
Schulze-Eggert von der Organisation „Christen für den Frieden“ zu Beginn des Marsches am
Brandenburger Tor ausgesprochen. Er forderte unter anderem ein sofortiges Verbot der
Verwendung und Herstellung von Streubomben und kritisierte das „Sicherheitsdenken“: „Es
gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit“, zitierte Schulze-Eggert den
Pfarrer und NS–Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer.
Vor dem kaffeetrinkenden Publikum der Restaurants am Nauener Tor redete Ulf Rassmann
vom Brandenburger Freidenker-Verein. Er kritisierte die deutsche Beteiligung an
Kriegseinsätzen und den Verteidigungshaushalt der Bundesrepublik, der 2006 gestiegen sei.
Rassmann forderte stattdessen den Ausbau des Bildungssystems und die Erschließung und
Nutzung alternativer Energiequellen.
Sowohl Scharfenberg als auch Schulze-Eggert bedauerten die geringe Beteiligung an der
gestrigen Veranstaltung: „Ich hätte mir gewünscht, dass mehr teilgenommen hätten und sich
damit konkret engagiert hätten“, sagte Scharfenberg. „Es sehen wenigstens viele Leute“,
kommentierte Teilnehmer Gerhard Zeiger.
Ostermärsche für Frieden und gegen die nukleare Aufrüstung haben in der Bundesrepublik
seit 1960 Tradition.
(Text: PNN)
http://www.potsdam-abc.de/meldungen/anzeigen.php?id=13247
Ostermarsch ohne PDS
Marsch führt von US-Botschaft zum Rosa-Luxemburg-Platz
Auch in diesem Jahr ruft die Berliner Friedensbewegung zusammen mit anderen linken
Gruppen zum Ostermarsch auf. Die Demonstration beginnt am Ostermontag um 12 Uhr Unter
den Linden/Höhe Niederstädtische Kirchstraße in der Nähe der US-Botschaft. Am RosaLuxemburg-Platz ist gegen 14 Uhr die Abschlusskundgebung. Die Aktivisten der
Friedensbewegung rechnen mit einigen tausend Demonstranten. Allerdings unterstützt
erstmals der PDS-Landesverband die Aktion nicht, sondern ruft parallel zum Ostermarsch
gegen die Wiederinbetriebnahme des ehemaligen Truppenübungsplatzes in der KyritzRuppiner Heide auf. Begründet wird dies intern damit, dass das Interesse am Berliner
Ostermarsch kontinuierlich zurückgehe.
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Die Aktion der Friedensbewegung richtet sich bundesweit vor allem gegen die Lagerung von
Atomwaffen auf deutschem Boden und gegen die Beteiligung der Bundesrepublik an
"Angriffskriegen". Gefordert werden eine Weltfriedensordnung, soziale Gerechtigkeit und
wirtschaftliche Entwicklung im Interesse der Menschen. In der Ruppiner Heide werden
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und der Theologe Eugen
Drewermann als Redner erwartet.
In Berlin spielt ab 14 Uhr im Kino Babylon am Luxemburg-Platz die Thüringer Rockband
ESMA und erinnert dabei an Bertold Brecht unter dem Titel "In der Sünder schamvollem
Gewimmel...". Der Eintritt kostet 12 und 14 Euro, für Schüler und Studenten sechs Euro.
(mm.)
Berliner Zeitung, 02.04.2007
Ostermarsch der Kraftwerksgegner
Für Sonnabend haben die Kraftwerksgegner zu einem Ostermarsch aufgerufen. Zu den
Initiatoren gehören eigenen Angaben zufolge die Bürgerinitiative "Zukunft Lubminer Heide"
sowie die Kreisverbände der Grünen von Rügen und Greifswald-Peeneland. Mit der Aktion
wolle man vor den touristischen und wirtschaftlichen Folgen des Kraftwerksprojekts für die
Region warnen, sagte Christa Labouvie vom Landesvorstand der Grünen. Zugleich solle
gezeigt werden, dass der Bau neuer Kohlekraftwerke in Deutschland aus Klimaschutzgründen
der falsche Weg sei. Nach dem Osterspaziergang ist eine Kundgebung im Lubminer Kurpark
geplant, zu der auch Grünen-Chef Reinhard Bütikofer und Mecklenburg-Vorpommerns
früherer Umweltminister Wolfgang Methling (Linkspartei) erwartet werden.
http://www1.ndr.de/ndr_pages_std/0,2570,OID3873328,00.html Stand: 04.04.2007 16:26
07.04.2007 19:57
Ostermärsche fortgesetzt - Grünen und Friedensbewegung streiten
Frankfurt/Main (dpa) Mit Aktionen in zahlreichen deutschen Städten hat am Samstag die
Friedensbewegung ihre Kritik an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr fortgesetzt. Im
Mittelpunkt der Ostermärsche stand die Kritik an den Tornado-Einsätzen in Afghanistan.
Bei der größten Demonstration, dem zentralen Ostermarsch in Baden-Württemberg im
Schwarzwald-Ort Calw, kamen am frühen Nachmittag knapp 1000 Menschen zusammen.
Demonstrationen wurden auch aus Orten in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz,
Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Bayern gemeldet.
Unterdessen wiesen Sprecher der Friedensbewegung Forderungen der Grünen nach einem
Kurswechsel bei den Ostermärschen zurück.
«Wir sind sehr deutlich, was den Zusammenhang zwischen sozialer Entwicklung und Frieden
betrifft», wies der Sprecher der Frankfurter Infostelle Ostermarsch, Willi van Oyen, in der
«Frankfurter Rundschau» (Samstag) den Vorwurf der Einseitigkeit zurück. So finde sich das
Thema Armutsbekämpfung in allen Aufrufen wieder. Den Grünen warf van Ooyen zugleich
vor, «halbseidene und widersprüchliche Positionen» zu beziehen. Die Grünen-Vorsitzende
Claudia Roth hatte am Donnerstag den Veranstalter der Ostermärsche eine «Schwarz-WeißSicht» und eine «pauschale Ablehnung des Militärischen» vorgehalten.
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Die Netzwerk Friedenskooperative in Bonn warf den Grünen vor, mit ihrer «überheblichen
Distanzierung» ihre eigene Basis zu brüskieren. Wenn sich die Bundeswehr wie mit dem
Tornado-Einsatz in Afghanistan an offensiven Kampfhandungen beteilige, müsse die
Friedensbewegung klare Antikriegsbewegung sein und ein eindeutiges «Nein!» auf ihre
Transparente schreiben, sagte Netzwerk-Geschäftsführer Manfred Stenner am Samstag. Der
parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, nahm am Samstag dagegen Roth
in Schutz. Die Friedensbewegung müsse anerkennen, dass internationale Organisationen und
UN-Agenturen unter bestimmten Umständen militärischen Schutz bräuchten, erklärte er.
http://www.szon.de/news/lifestyle/klatsch/200704071263.html
07. April 2007 13:17 Uhr
Ostermarsch-Koordinator weist Grünen-Kritik zurück
Frankfurt - Die Organisatoren der Ostermärsche haben die Kritik der Grünen an der
Ausrichtung der Protestaktionen zurückgewiesen. Grünen-Chefin Claudia Roth und der
abrüstungspolitische Sprecher Winfried Nachtwei hatten bemängelt, dass die Aufrufe zu
Friedensdemonstrationen «geradezu notorisch wenig» dazu erklärten, wie internationale
Krisen, Gewalt und Krieg begegnet werden könne. Dies wies der Sprecher der Infostelle
Ostermarsch, Willi van Ooyen, zurück. Er sagte der «Frankfurter Rundschau»
(Samstagausgabe), von einem engen Blick nur auf das Militärische könne keine Rede sein.
«Wir sind sehr deutlich, was den Zusammenhang zwischen sozialer Entwicklung und Frieden
betrifft», sagte van Ooyen. So finde sich das Thema Armutsbekämpfung in allen Aufrufen
wieder.
Den Grünen warf van Ooyen vor, «halbseidene und widersprüchliche Positionen» zu
beziehen. Grundsätzlich trete die Partei für Frieden und atomare Abrüstung ein. Wenn es
konkret werde, vergesse sie aber regelmäßig ihre Überzeugungen.
Roth hatte gefordert: «Friedenspolitik braucht Bewegung und mehr neues Denken». Sie hatte
kritisiert, dass die Vereinten Nationen in den Aufrufen zu Ostermärschen so gut wie gar nicht
auftauchten und zivile Mittel zur Krisenbewältigung kaum erwähnt würden. Die GrünenVorsitzende war den Veranstaltern eine Schwarz-Weiß-Sicht vor: «Etliche Aufrufe erwecken
den Eindruck, als seien Bush-Administration, die EU und bundesdeutsche Politik eine einzige
"Achse des Bösen".»
http://www.net-tribune.de/article/070407-24.php
Streit um "Schwarz-Weiß-Sicht"
Ostermarschierer erzürnt über Grüne
Begleitet von einer Debatte über die politische Ausrichtung hat die Friedensbewegung ihre
Ostermärsche begonnen. Die Organisatoren wiesen Forderungen der Grünen nach einem
Kurswechsel zurück.
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Berlin - Rechtzeitig vor den Feiertagen meldete sich die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth
mit heftigen Angriffen auf die Friedensbewegung und deren Ostermärsche zu Wort. Den
jährlichen Demonstrationen bescheinigte sie zwar eine "gute und wichtige Tradition", aber
eine umso trübere Gegenwart. Die sieht Roth geprägt von einer "Schwarz-Weiß-Sicht" und
einer einseitigen, "pauschalen Ablehnung des Militärischen". Friedenspolitik benötige heute
aber mehr "neues Denken und Differenzierung", betonte die Politikerin.
Als "überflüssig und an der Sache vorbei" wies der Sprecher der Infostelle Ostermarsch, Willi
van Ooyen, die Ermahnungen zurück. Von einem engen Blick nur auf das Militärische könne
keine Rede sein, sagte van Ooyen am Freitag der Frankfurter Rundschau. "Wir sind sehr
deutlich, was den Zusammenhang zwischen sozialer Entwicklung und Frieden betrifft." So
finde sich das Thema Armutsbekämpfung in allen Aufrufen wieder. Charakteristisch für die
Ostermärsche sei zudem die "internationalistische Position", die auf die gemeinsame
Verantwortung bei der Überwindung von Krisen und Konflikten abstelle.
Als "unverständlich" bezeichnete van Ooyen den Vorwurf der Grünen, in den Erklärungen der
Demonstranten tauchten die Vereinten Nationen (UN) kaum auf. Die Friedensbewegung setze
auf die UN als die einzige Chance, international voranzukommen. Gleichzeitig kritisiere sie
aber die Demokratiedefizite in einer Organisation, die von wenigen Mächten dominiert werde.
Den Grünen warf van Ooyen vor, "halbseidene und widersprüchliche Positionen" zu
beziehen. Grundsätzlich trete die Partei für Frieden und atomare Abrüstung ein. Wenn es
konkret werde, vergesse sie regelmäßig ihre Überzeugungen. Das Verhältnis zwischen
Friedensbewegung und Grünen ist zerrüttet, spätestens seitdem sich diese als
Regierungspartei in der Koalition mit der SPD endgültig von ihrer pazifistischen Tradition
verabschiedet haben.
Die Ostermärsche richten sich diesmal vor allem gegen Auslandseinsätze deutscher Soldaten.
Zudem rufen die Veranstalter zu Protesten gegen den Gipfel der sieben führenden
Wirtschaftsnationen plus Russland (G8) in Heiligendamm auf, warnen vor einem Krieg im
Iran und mahnen ein Ende des Sozialabbaus an. Da die Verantwortung bei örtlichen Gruppen
liegt, unterscheiden sich die Aktionen und ihre Inhalte von Region zu Region stark. Nach
Angaben des zentralen Büros in Frankfurt beteiligten sich im vergangenen Jahr zehntausende
Menschen.
Die Resonanz bleibt aber seit langem weit hinter den Höchstständen zurück. Ihren Ursprung
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hat die Bewegung in Großbritannien. In Deutschland gibt es sie seit 1960 und fand in Zeiten
des Kalten Krieges regen Zulauf. Einen Höhepunkt erlebte sie 1982 durch die Debatte über
die Raketenstationierung der Nato, die so genannte Nachrüstung. Seit dem Zerfall des
Ostblocks spielen Friedensbewegung und Ostermärsche politisch kaum noch eine Rolle. M.
Sievers
Kommentar zu den Ostermärschen
Gewohnheiten
Früher war manches doch einfacher. Es gab eine militärfreundliche Regierung und eine
pazifistische Friedensbewegung. In ersterer saß obenauf die Union, in letzterer sammelten
sich Linke, Grüne und Teile der SPD. Aus diesen alten Zeiten stammt die Tradition, dass
immer zu Ostern die Gegner neuen Wettrüstens Protestmärsche veranstalten. Eine gute,
ehrenwerte Gewohnheit. Eine aber auch, die nicht erst 2007 mit kritischer Fragen aus dem
ehemals eigenen Lager zu tun hat.
Seit ihren Regierungszeiten haben speziell die Grünen sich angewöhnt, die Ostermärsche für
ein überlebtes Ritual zu halten - und sie müssen sich im Gegenzug die eigene
friedenspolitische Widersprüchlichkeit vorhalten lassen. An beiden Positionen ist sicher etwas
dran. Aber beide sind auch so grob formuliert, dass sie die wichtigere Frage eher verdecken.
Was konkret bedeutet es, in Zeiten von "zivil-militärischen" UN-Einsätzen, die Tradition der
Friedensbewegung hochzuhalten? Fundamentalopposition gegen alles Militärische ist zu
einfach. Bloße Mahnerrolle wäre zu wenig. Gegen neue Raketen in Europa zu sein, bleibt
sicher Pflichtprogramm. Darüber hinaus aber fehlt links der Mitte jene Verständigung, ohne
die von "Bewegung" so schnell nicht mehr die Rede sein wird. Richard Meng
FR, 8.4.07 http://www.fr-online.de
Tausende demonstrieren gegen «Bombodrom»
Frankfurt (dpa) Die Friedensbewegung hat am Ostersonntag ihre traditionellen Ostermärsche
fortgesetzt. An zahlreichen Orten in Deutschland demonstrierten Menschen insbesondere
gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Im nordbrandenburgischen Fretzdorf versammelten sich tausende Menschen, um gegen den
geplanten Tiefflugbetrieb der Luftwaffe über der Kyritz-Ruppiner Heide zu protestieren. Die
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Bundeswehr will dort einen früheren Luft-Boden- Schießplatz der sowjetischen und später
russischen Streitkräfte wieder in Betrieb nehmen. Auf dem rund 14 000 Hektar großen Areal
soll der größte Tiefflugübungsplatz Mitteleuropas entstehen.
An der Kundgebung nahmen auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und
Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (beide SPD) teil. Der
Paderborner Theologe Eugen Drewermann griff die NATO scharf an und bezeichnete sie als
«kriminelle Vereinigung». Regierungschef Platzeck forderte Verteidigungsminister Franz
Josef Jung (CDU) auf, seine Pläne aufzugeben. Die Menschen in der Region brauchten nach
jahrelanger Ungewissheit endlich Klarheit, hieß es in einer Mitteilung der Potsdamer
Staatskanzlei.
In Essen setzten rund 120 Menschen die Ostermarsch Ruhr fort. Nach einer Kundgebung ging
es per Fahrrad nach Gelsenkirchen und von dort nach Bochum. Der dreitägige Ostermarsch
Ruhr hatte am Samstag in Duisburg begonnen und endet an diesem Montag in Dortmund. Der
Marsch steht unter dem Motto «Kriege beenden! Völkerrecht durchsetzen! Spart endlich an
der Rüstung!».
http://www.szon.de/news/politik/aktuell/200704080264.html 8.04.2007 19:30
(Schwäbische Zeitung)
Platzeck: "Bombodrom" gefährdet Arbeitsplätze
Mehrere tausend Demonstranten haben beim bundesweit größten Ostermarsch gegen
das so genannte Bombodrom an der Landesgrenze von Brandenburg und MecklenburgVorpommern protestiert. (08.04.2007, 20:02 Uhr)
Wittstock - Nach Angaben der Bürgerinitiative Freie Heide versammelten sich rund 10.000
Menschen auf dem Dorfplatz in Fretzdorf bei Wittstock und zogen gemeinsam in Richtung
des geplanten Bombenabwurfplatzes. An der Demonstration nahmen auch der
brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck und Mecklenburg-Vorpommerns
Landwirtschaftsminister Till Backhaus (beide SPD) teil.
Platzeck forderte beim 15. Ostermarsch in Fretzdorf Verteidigungsminister Franz Josef Jung
(CDU) auf, von einer militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner-Heide Abstand zu nehmen.
Das Bombodrom sei "längst ein Symbol für die Blockade der Zukunftschancen einer
gebeutelten Region geworden", sagte er. Schon jetzt hätten zahlreiche notwendige
Investitionen wegen der unklaren Rechtslage nicht getätigt werden können. Der Bund solle
daher auf weitere juristische Auseinandersetzungen verzichten.
Platzeck wirbt für naturnahen Tourismus
Der Ministerpräsident betonte, für die betroffenen Menschen in beiden Bundesländern stehe
der wirtschaftliche Aufschwung in der strukturschwachen Region im Vordergrund.
Naturnaher Tourismus sei hier die "einzig absehbare Chance". Nach den Worten Platzecks
würden Tiefflüge und Bombenabwürfe die bisherigen Investitionen in der Region aber
entwerten und 15.000 Arbeitsplätze gefährden.
Die Luftwaffe will den rund 12.000 Hektar großen früheren sowjetischen Truppenübungsplatz
für rund 1700 Einsätze pro Jahr nutzen. Bürgerinitiativen erwirkten in den vergangenen
Jahren mehrere vorläufige Übungsverbote gegen die Bundeswehr. Verteidigungsminister Jung
hält jedoch an einer militärischen Nutzung des Areals fest. (tso/ddp)
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Tagesspiegel-Online 8.4.07
Platzeck-Appell gegen Bombodrom
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat von
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) gefordert, auf eine militärische
Nutzung der Kyritz-Ruppiner-Heide zu verzichten.
Beim 15. Ostermarsch in Fretzdorf (Ostprignitz-Ruppin) sagte Platzeck am Sonntag, das so
genannte Bombodom sei "längst ein Symbol für die Blockade der Zukunftschancen einer
gebeutelten Region geworden". Schon jetzt hätten zahlreiche notwendige Investitionen wegen
der unklaren Rechtslage nicht getätigt werden können. Der Bund solle daher auf weitere
juristische Auseinandersetzungen verzichten.
Nach den Worten Platzecks würden Tiefflüge und Bombenabwürfe die bisherigen
Investitionen in der Region entwerten und 15.000 Arbeitsplätze gefährden. Die Luftwaffe will
den rund 12.000 Hektar großen früheren sowjetischen Truppenübungsplatz für rund 1700
Einsätze pro Jahr nutzen. Darum wird seit 1992 vor Gericht gestritten.
An dem Protestmarsch am Ostersonntag gegen das "Bombodrom" beteiligten sich etwa
10.000 Menschen. Zum Auftakt der 104. Protestwanderung sprach der Theologe Eugen
Drewermann. Die Aktionen gegen den geplanten Bombenabwurfplatz in der Kyritz-Ruppiner
Heide finden seit 15 Jahren statt. Die Landesregierungen von Brandenburg und MecklenburgVorpommern unterstützen den Protest der Bürgerinitiativen.
http://www.rbb-online.de/_/nachrichten/politik/beitrag_jsp/key=news5709177.html
Stand: 08.04.2007 15:29
Ostermärsche ziehen gegen Tornados und Sozialabbau
Mit über 80 Veranstaltungen, Demonstrationen und Kundgebungen führt die
Friedensbewegung derzeit erneut die traditionellen Ostermärsche durch. So zieht der
Ostermarsch Rhein-Ruhr nach dem traditionellen Auftakt am Karfreitag bei der
Gedenkveranstaltung der Stadt Dortmund zur Erinnerung an die Ermordung von rund 300
Gefangenen durch die Gestapo in den Wochen vor Ostern 1945 am Samstag durch
Düsseldorf.
Am Sonntag folgt die traditionelle Fahrradetappe vom Essener Hauptbahnhof über
Gelsenkirchen, Wattenscheid und Herne zum Bahnhof Langendreer in Bochum. Am Montag
geht es dann von Bochum nach Dortmund. Weitere Ostermärsche gibt es u.a. in Berlin,
Hamburg, Erfurt, Augsburg, Chemnitz, Bielefeld, Braunschweig, Bremen, Gießen, Erlangen,
Hannover, Karlsruhe, Köln, Mannheim, Rostock und Saarbrücken.
Bündnis 90/Die Grünen versucht, sich bei den OstermarschiererInnen einzuschleimen: "Die
jährlichen Demonstrationen der Friedensbewegung für Frieden und Abrüstung an den
Ostertagen sind noch immer eine gute und wichtige Tradition. Friedenspolitik heute muss eine
Politik sein, die auf Gerechtigkeit, Solidarität, Armutsbekämpfung und dem nachthaltigen
Umgang mit der Natur basiert. Wir sind uns einig, dass Militär keine Konflikte lösen kann
und ein Krieg gegen Iran verhindert werden muss", teilen Bundesvorsitzende Claudia Roth
und der als Sicherheits- und Abrüstungspolitischer Sprecher firmierende Winfried Nachtwei
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mit, als wenn die Grünen nicht zum Beispiel den Krieg gegen Jugoslawien unterstützt hätten
und auch die Bundeswehr-Besatzung in Afghanistan mittragen.
Die Schuld für die übliche "innere Zerrissenheit" wollen diese Herrschaften aber liebend
gerne der Friedensbewegung zuschieben: "Geradezu notorisch wenig sagen die Aufrufe
allerdings auch in diesem Jahr dazu, wie internationalen Krisen, Gewalt und Krieg begegnet
werden kann. Der Blick verengt sich zu oft allein auf die pauschale Ablehnung des
Militärischen. (...) Etliche Aufrufe erwecken den Eindruck als seien Bush-Administration, die
EU und bundesdeutsche Politik eine einzige 'Achse des Bösen'. Eine solche Schwarz-WeißSicht ist so falsch wie friedenspolitisch kontraproduktiv. Friedenspolitik heute braucht auch
mehr neues Denken und Differenzierung."
Ist es etwa nicht die von den Grünen unterstützte EU-Verfassung, die die Mitgliedsstaaten zur
Aufrüstung verpflichtet? Ist Deutschland etwa nicht als Besatzungsmacht oder Helfer u.a. in
Afghanistan, Kosovo, Irak, Somalia, Libanon und anderswo dabei? Die Differenzierung der
Grünen ist, dass Kriege dann abzulehnen sind, wenn die Grünen nicht an der Bundesregierung
beteiligt sind, ansonsten sind es ja keine Kriege, sondern Notmaßnahmen zur Verhinderung
einer humanitären Katastrophe...
Ohne Wenn und Aber unterstützt hingegen die Linkspartei.PDS die Ostermärsche und ruft
ihre Mitglieder zur Teilnahme auf: "100 Jahre nach dem Erscheinen von Karl Liebknechts
Schrift 'Militarismus und Antimilitarismus' gilt mehr denn je, dass nur Abrüstung und
Konversion sowie die konsequente Durchsetzung des Prinzips der friedlichen Konfliktlösung
als Grundsatz für das politische Agieren und sicherheitspolitische Handeln eine friedliche
Welt möglich machen. Schluss mit dem Denken und politischen Agieren in militärischen
Kategorien!"
Auch die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) beteiligt sich aktiv an den Ostermärschen.
In ihrer Wochenzeitung "UZ - Unsere Zeit" nennt sie die Gründe: "... Am Montag schickte die
Luftwaffe zehn Tornados über die Stationen Sardinien und Vereinigte Arabische Emirate
nach Masar-i-Sharif. Der Bundestag hatte Anfang März den Einsatz von sechs Flugzeugen
genehmigt. Die zusätzlichen Maschinen sollten als 'Pannenreserve' dienen. Mit den 250
Soldaten, die zum Tornado-Kontingent gehören, dürften sich dann rund 8 300
Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz befinden. Die Bundesregierung hat sich vom
Parlament einen Vorratsbeschluss für den Einsatz von insgesamt 500 Soldaten im Rahmen der
Tornado-Einsätze geben lassen. Außerdem wurden 30 Feldjäger nach Afghanistan geschickt,
die bei der Polizeiausbildung helfen sollen. Am 9. April sollen die Tornados der NATO
unterstellt werden.
Vor acht Jahren öffnete die Schröder-Fischer-Regierung mit der Beteiligung deutscher
Tornados am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien die Tür zu weltweiten
Kampfeinsätzen. Nun sind es erneut Tornados, die dafür sorgen, dass die Bundeswehr noch
tiefer in den Krieg am Hindukusch hineingezogen wird.
Ebenfalls verlängert werden soll der Einsatz von acht Schiffen mit rund 900 Soldaten vor der
Küste Libanons, der eigentlich bis August terminiert war. Der Bundestag soll noch vor der
Sommerpause seine Zustimmung geben.
Gleichzeitig drängt die Bundesregierung in der EU gegen die Bedenken des slowakischen
Parlamentes und der Regierungen Griechenlands, Spaniens und Zyperns auf die
Unterstützung des Ahtisaari-Planes zur Schaffung eines EU-Protektorates Kosovo. Dazu
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sollen rund 1 500 Polizisten, Zöllner, Richter und Staatsanwälte auf den Balkan geschickt
werden, die für eine "überwachte Unabhängigkeit" des Kosovo von Serbien unter Führung
eines EU-Bevollmächtigten sorgen sollen. Derzeit sind rund 3 000 Bundeswehr-Soldaten im
Kosovo stationiert, das zweitgrößte Kontingent nach Afghanistan. Unter dem Vorwand, für
den Schutz der serbischen Minderheit sorgen zu müssen, wird ihr weiterer Einsatz im
künftigen EU-Protektorat bereits geplant.
Am Wochenende wurde bekannt, dass die Bundesregierung auch am Horn von Afrika ihre
Operationsbasis ausdehnen wollte. Sowohl das Sultanat Oman, als auch Jemen lehnten aber
den Einsatz der Bundesmarine in der Zwölfmeilen-Zone vor ihren Küsten ab.
Die für das kommende Jahr im Bundeshaushalt eingeplanten 642 Millionen Euro sind längst
nicht mehr zu halten. In Berlin sammeln sich die 'parlamentarischen Truppen', die auf eine
weitere Erhöhung des Rüstungsetats drängen werden. Die Friedensbewegung hat also gute
Gründe für die Forderungen 'Auslandseinsätze stoppen' und 'Spart endlich an der Rüstung'
verstärkten Druck zu machen."
von http://www.redglobe.de 08.04.2007
Deutlich mehr Teilnehmer beim Ostermarsch in Calw
Mit einer deutlichen Steigerung der Teilnehmerzahl fand der zentrale Ostermarsch BadenWürttembergs in Calw statt. 1300 Teilnehmer beteiligten sich an der Auftaktkundgebung vor
der Graf-Zeppelin-Kaserne und dem anschließenden Ostermarsch durch Calw zum zentralen
Platz der Abschlusskundgebung in Calw.
Das Motto der friedlich verlaufenen Veranstaltung lautete „Bundeswehr raus aus
Afghanistan!!“, „Auslandseinsätze beenden!“ und wurde unter anderem von Tobias Pflüger
(MdEP), Ulrich Duchrow (Theologe), Heike Hänsel (MdB), Bernd Riexinger (ver.di) und
Martin Spreng (DGB) untermauert und gefordert. Die Graf-Zeppelin-Kaserne ist Standort der
„Spezialkräfte“ (KSK) – hier trainieren die „Eliteeinheiten“ ihr tödliches Handwerk und
beteiligen sich bereits seit 2001 an direkten Handlungen.
Diese sind durch keinerlei Mandat der UNO gedeckt. Die Einsätze des KSK, das auch die
Verschleppung und Misshandlung von Gefangenen verwickelt ist, finden völlig im Geheimen
statt, jenseits demokratischer Kontrolle. Sie sind der skandalöseste Aspekt der deutschen
Kriegsbeteiligung. Auf die Kritik von Claudia Roth (Die Grünen) an den Ostermärschen
antwortete der Organisator Thomas Mitsch: eine Partei wie die Grünen, die um Ihre
Koalitionsfähigkeit zu beweisen, nahezu allem zustimmt insbesondere dem am 9 März
beschlossenen Tornadoeinsatz, stünde eine derartige Kritik nicht zu. Zumal alle glaubhaften
Meinungsumfragen in der Bevölkerung gezeigt hätten, dass 60 –70 Prozent der Bevölkerung
gegen diesen Tornado Einsatz waren.
Nach Anwendung des neuen Antiterrorgesetzes müssten Merkel, Bush und Co., inklusive
Claudia Roth wegen Verletzung gerade dieses Gesetzes vor Gericht gestellt werden. Der
Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan erfolgt vorwiegend im Rahmen der Nato-geführten
„Internationalen Stabilisierungskräfte“ ISAF, die offiziell den Wiederaufbau des Landes
absichern sollen. Hilfsorganisatoren vor Ort lehnen aber ihre Präsenz ab, da sie durch
Anwesenheit ausländischer Truppen, mehr gefährdet als geschützt werden
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Quelle: Pressemitteilung
AutorIn: Friedensnetz Baden-Württemberg
http://www.stattweb.de/baseportal/NewsDetail&db=News&Id=1705
Grüne kritisieren Ostermarsch-Bewegung
Die Zeiten, in denen mehrere hunderttausend Menschen zu Ostern auf die Straße gingen, um
gegen nukleares Wettrüsten und für Frieden zu demonstrieren, sind längst vorbei. Spätestens
mit Ende des Kalten Krieges nahm das Interesse an der Friedensbewegung ab - heute
versammeln sich zu Ostern nur noch wenige Menschen auf Deutschlands Straßen.
Die politische und gesellschaftliche Relevanz der Ostermarsch-Bewegung hat dramatisch
abgenommen - gleichwohl stießen die Aufrufe in diesem Jahr im politischen Berlin auf
heftige Kritik - und die kommt ausgerechnet von den Grünen, die ihre politischen Wurzeln
auch in der Friedensbewegung haben.
Eine kontraproduktive "Schwarz-Weiß-Sicht"
Grünen-Chefin Claudia Roth und Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei formulierten ihre
Kritik an den Aufrufen deutlich: "Der Blick verengt sich zu oft allein auf die pauschale
Ablehnung des Militärischen", bemängelten die zwei Grünen-Politiker. Dazu passe, dass die
Vereinten Nationen in den Aufrufen so gut wie gar nicht auftauchten und auch die zivilen
Mittel der Krisenbewältigung kaum erwähnt würden.
Zwar gestanden Roth und Nachtwei der Ostermarsch-Bewegung zu, dass die jährlichen
Demonstrationen eine "gute und wichtige Tradition" seien, aber: Die diesjährigen Aufrufe
seien "friedenspolitisch ein Armutszeugnis". Es werde der Eindruck erweckt, als seien USRegierung, EU und deutsche Politik "eine einzige 'Achse des Bösen'". Eine solche "SchwarzWeiß-Sicht" sei nicht nur falsch, sondern auch kontraproduktiv. Friedenspolitik brauche
"mehr neues Denken und Differenzierung", forderten Roth und Nachtwei.
Linke ruft zur Teilnahme auf
Anders sieht das die Linksfraktion im Bundestag. Deren Innenexpertin Ulla Jelpke erklärte,
Protest gegen die Einsätze der Bundeswehr bleibe notwendig. Sie warf der Bundesregierung
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vor, mit dem Weißbuch der Bundeswehr ein "Dokument des Krieges" vorgelegt zuhaben, das
"das Friedensgebot des Grundgesetzes verhöhnt".
Überall auf der Welt sollten danach "deutsche, Nato- und EU-Truppen eingesetzt werden, um
die globale Vorherrschaft der Industriestaaten militärisch abzusichern", kritisierte Jelpke.
Zudem sei die Bundesrepublik "nicht nur selbst aktive Kriegspartei, sondern fungiert auch als
Unterstützer für die Kriege anderer Nato-Staaten", so Jelpke.
Proteste gegen Auslandseinsätze geplant
Die Friedensbewegung will in diesem Jahr vor allem gegen Auslandseinsätze deutscher
Soldaten protestieren. Das Netzwerk Friedenskooperative hat im Internet bundesweit rund 70
Aktionen zusammengestellt. Sie richten sich gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und die
Entsendung von Tornados nach Afghanistan. Weiter warnen die örtlichen Friedensgruppen
vor einem Krieg in Iran und vor Sozialabbau.
Quelle: tagesschau.de
http://www.swr.de/nachrichten/-/id=396/nid=396/did=2077832/auncq0/
Grüne kontra Ostermarschierer - Krieg um Frieden
onlineredaktion - Die Bundesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Claudia Roth
ließ sich im Streit mit den Organisatoren der Ostermärsche zu einer Äußerung hinreißen,
deren Wahrheitsgehalt nicht nur von Ostermarschierern nicht bestritten wird: „Etliche Aufrufe
erwecken den Eindruck, als seien Bush-Administration, die EU und bundesdeutsche Politik
eine einzige 'Achse des Bösen'."
Sie bemängelte weiter, in den Aufrufen zu den Ostermärschen fehlten die Vereinten Nationen.
Zivile Mittel zur Krisenbewältigung gebe es bei den Organisatoren der Ostermärsche kaum.
Roth forderte, Friedenspolitik brauche Bewegung und „mehr neues Denken“. Sie und der
abrüstungspolitische Sprecher Winfried Nachtwei bemängelten, die Aufrufe zu
Friedensdemonstrationen erklärten „geradezu notorisch wenig“ dazu, wie man internationalen
Krisen, Gewalt und Krieg entgegen treten könne.
Der Sprecher der Infostelle Ostermarsch, Willi van Ooyen, wies dies zurück. Der „Frankfurter
Rundschau“ erklärte er, von einem engen Blick auf das Militärische könne keine Rede sein.
Die Friedensbewegung mache sehr deutlich, „was den Zusammenhang zwischen sozialer
Entwicklung und Frieden betrifft". Das Thema Armutsbekämpfung sei in allen Aufrufen
wieder zu finden. Dies sei etwas, was er bei den Grünen vermisse, denen er vorwarf
„halbseidene und widersprüchliche Positionen“ zu vertreten. Die Partei werbe für Frieden und
atomare Abrüstung, wenn es jedoch konkret werde, vergesse sie aber regelmäßig ihre
Überzeugungen.
http://oraclesyndicate.twoday.net/stories/3535567/ 7. Apr, 12:37
DER OSTERMARSCH
Der Berliner Ostermarsch wird in diesem Jahr zwar 40. Doch stattgefunden hat er nicht 40mal. 1967 fand er zum ersten Mal statt, wegen des Attentats auf Rudi Dutschke; ein Jahr
später wurde er aber schon wieder abgeblasen. Dann gab es Anfang der 70er-Jahre zaghafte
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Versuche, dauerhaft etabliert ist er aber erst seit 1982. In Berlin gehen die Friedensaktivisten
immer am Ostermontag auf die Straße.
Denn der Sonntag ist der Freien Heide in Brandenburg reserviert, wo gegen den geplanten
Truppenübungsplatz "Bombodrom" protestiert wird. In Berlin treffen sich die Aktivisten am
Ostermontag um 12 Uhr zur Auftaktkundgebung auf dem Boulevard Unter den Linden in der
Nähe der US-Botschaft. Von dort wollen die Demonstranten zum Rosa-Luxemburg-Platz
ziehen, wo es um 14 Uhr ein buntes Bühnenprogramm mit Abschlusskonzert gibt. FLEE
http://www.taz.de/pt/2007/04/07/a0308.1/text.ges,1
„Der Mensch sehnt sich nach Frieden“
Der Berliner Ostermarsch wird 40 Jahre. Grund zum Feiern gibt es allerdings nicht, sagt
Laura Freiin von Wimmersperg. Seit 27 Jahren ist sie in der Friedensbewegung aktiv, seit
einem Vierteljahrhundert organisiert sie den Berliner Ostermarsch. Es habe schon mal
friedvollere Zeiten gegeben
INTERVIEW FELIX LEE
taz: Frau von Wimmersperg, in diesem Jahr wird der Berliner Ostermarsch 40 Jahre
alt. 25 Jahre davon haben Sie ihn mitorganisiert. Werden Sie mit Sekt anstoßen?
Laura von Wimmersperg: Das ist ganz eigenartig. Aber wir vergessen oft zu feiern. Nein,
ich denke nicht, dass wir anstoßen werden. Denn richtige Freude kommt auch bei mir nicht
auf. Die politischen Verhältnisse sind heute viel gefährlicher als damals. Und die Umstände,
unter denen wir derzeit arbeiten, sind auch nicht gerade rosig.
Wie meinen Sie das?
Es ist kein Geheimnis, dass wir momentan nicht besonders mobilisierungsstark sind. Als wir
Anfang der 80er-Jahre in Berlin mit dem Ostermarsch wieder begonnen hatten, waren viele
Menschen gegen die Stationierung von Atomwaffen auf der Straße, weil sie Angst vor einem
Krieg hatten. Damals hatten wir geglaubt: Wenn wir nur viele sind, werden wir uns mit
unseren Forderungen schon durchsetzen. 1983 sprachen sich 72 Prozent gegen die
Stationierung der Pershing-Raketen aus. Einen solchen Gegenwind konnte die Regierung
nicht ignorieren. Wir hatten uns getäuscht.
Wann ist die Stimmung gekippt?
Ende 1983 kam der Stationierungsbeschluss. Für uns war das eine große Niederlage. Viele
stiegen frustriert aus. Ich gehörte damals der Wilmersdorfer Friedensinitiative an. Wir fanden
schnell Aktivitäten, die geeignet waren, den Widerstand gegen die Aufrüstung fortzuführen.
Wir riefen die Kampagne "Unsere Stadt gegen Atomwaffen" ins Leben. Im Rahmen dieser
Kampagne haben wir den Friedensfilmpreis ins Leben gerufen und das Deutsch-Japanische
Friedensforum gegründet. Bis zum Mauerfall hat die Kampagne getragen.
Was hat Sie so lange gehalten?
Ich organisiere mit den anderen nicht um des Gelingens Willen. Wir müssen das machen und
aufzeigen, wie bedrohlich die Kriegspolitik auf der Welt ist.
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Sind denn noch viele Aktivisten von damals dabei?
Nein, viele gibt es nicht mehr. Gerade in den vergangenen zehn Jahren ist für viele die soziale
Bedrohung stärker geworden. Darunter leidet natürlich das Engagement. Als
Friedenskoordination sind wir ein Netzwerk. Es kommen viele, wenn es einen Anlass gibt. In
den Zeiten dazwischen bemühen wir uns, die Strukturen aufrechtzuerhalten und das Netz zu
erweitern.
Mit Blick auf den Iran ist die Kriegsbedrohung aktuell größer denn je.
Ja, es kann sein, dass die USA den Iran bombardieren werden und vor allem die Atomanlagen
im Visier haben. Das würde den Flächenbrand noch weiter ausdehnen.
Sind die Menschen abgestumpft?
Das kann man so nicht sagen. Es ist heute vielen bloß nicht klar, was da läuft. Ich finde den
iranischen Präsidenten Ahmadinedschad auch sehr gefährlich. Doch letztlich macht der Iran
nichts anderes als die Staatengemeinschaft auch: Er rüstet auf, und zwar im Rahmen des
Atomwaffensperrvertrags. Man darf nicht mit zweierlei Maß messen.
Aber wie erreichen Sie mit Ihrem Protest Bush und Blair?
Selbst wenn wir sie nicht erreichen, können wir nicht aufgeben. Wir halten die Friedensoption
im öffentlichen Bewusstsein. Im Übrigen sind wir längst ein Teil einer weltweit vernetzten
Bewegung. Bush und Blair kriegen uns als Weltfriedensbewegung sehr wohl mit.
Zumindest in den vergangenen Jahren war der Ostermarsch in Berlin eher ein
Happening. 1999 demonstrierten viele gegen den Kosovokrieg. 2003 waren viele wegen
des Kriegs im Irak auf der Straße. Doch wirklich dauerhafte Impulse gingen nicht aus.
Die Bewegung 2003 war so groß, weil der Jugoslawienkrieg noch nicht so lange her war. Die
Muster der Kriegsinszenierungen waren sehr ähnlich. Insofern bauten sie schon aufeinander
auf. Aber klar, in den Folgejahren waren wir nicht mehr viele.
Hat das Konzept Ostermarsch nach 40 Jahren ausgedient?
Der Ostermarsch knüpft an eine alte Tradition an und erinnert daran, dass die Gefahr eines
Atomkriegs nach wie vor nicht gebannt ist. Und diese 40 Jahre zeigen, wie alt dieser Kampf
schon ist. Zugleich wird daran erinnert, dass der Ostermarsch kirchliche Wurzeln hat:
Auferstehung, dem Leben zugewandt. Diese ganzen Gesichtspunkte haben dem Ostermarsch
eine eigene Komponente gegeben. Es geht uns um die Abschaffung der Atomwaffen. Und es
geht uns um die Erhaltung des Lebens.
Was nützt eine Demonstration, wenn sie nur noch als Ritual empfunden wird?
Die Berliner Friedensbewegung ist ja nicht tot. Direkt vor unserer Haustür ist die Freie Heide.
Dort kommen jedes Jahr Tausende zum Ostermarsch. Darunter sind auch viele Berliner. Und
das ist auch gut so. Denn wenn wir dieses Bombodrom verhindern, wird den Kriegswilligen
ein wichtiges Versatzstück aus der Hand genommen. Dafür nehme ich gerne in Kauf, dass der
Ostermarsch in Berlin mau ausfällt.
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Die Linkspartei-Spitze hat den Aufruf zum Berliner Ostermarsch nicht unterschrieben.
Ein Argument: Selbst der Aufruf sei vom letzten Jahr.
So ein Quatsch. Natürlich setzen wir jedes Jahr neue Schwerpunkte. Wir beziehen uns ganz
aktuell auf den deutschen Tornado-Einsatz in Afghanistan. Die afghanische Kinderzeichnung
mit der Aufschrift "Wir wollen Frieden" auf dem Aufruf unterstreicht das. Außerdem haben
wir die PDS eingeladen, den Aufruf mitzugestalten. Von denen ist aber keiner gekommen.
Was könnte hinter dieser Haltung stecken?
So recht kann ich mir das nicht erklären. Denn zum Ostermarsch in der Freien Heide ruft der
Landesvorstand ja auch auf. Ich habe mich daraufhin an die Basis der PDS gewandt. Und
immerhin haben acht der zwölf Bezirksverbände unseren Aufruf unterschrieben.
Was wird aus dem Berliner Ostermarsch, wenn Sie sich zur Ruhe setzen?
Gruppen funktionieren immer dann gut, wenn sie eine Struktur haben, die nicht von einzelnen
Personen abhängt. Wenn ich nicht mehr kann oder will, könnte es sein, dass es für eine Weile
eine Lücke gibt. Diese Lücke wird aber wieder gefüllt werden. Und ich bin sicher, dass der
Ostermarsch nicht abgeschafft wird. Der Mensch sehnt sich nach Frieden.
taz Berlin lokal vom 7.4.2007, S. 27, 209 Z. (Interview), FELIX LEE
DIE FRIEDENSIKONE
Wenn soziale Bewegungen nicht so institutionsfeindlich wären - Laura Freiin von
Wimmersperg wäre eine Institution. Das Urgestein der Berliner Friedensbewegung hat 1982
zum ersten Mal einen Ostermarsch organisiert. Seitdem koordiniert sie die "Berliner
Friedenskooperative" (Friko), einen Dachverband von mehreren Dutzend Friedensinitiativen.
Die 72-Jährige stammt aus einer schlesischen Adelsfamilie, hat die meiste Zeit ihres Lebens
aber in Berlin verbracht. Sie war Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Westberlin
(SEW) und ist jetzt bei der Linkspartei. Bis 1985 war sie Lehrerin an einer Hauptschule.
FLEE
http://www.taz.de/pt//2007/04/07/a0313.1/text
OSTERMÄRSCHE
Berlins und Brandenburgs Friedensbewegung demonstriert
Linke marschieren zum Bombodrom
Nach den Grünen kehrt auch die PDS dem Berliner Ostermarsch den Rücken
Eine der traditionellen Veranstaltungen der Berliner Friedensbewegung ist weiter auf dem
Weg, ein Auslaufmodell zu werden. Der Ostermarsch durch die Innenstadt, in früheren Jahren
von vielen Gruppen und Parteien wie der PDS und den Grünen mitgetragen, verliert dieses
Jahr noch mehr Unterstützer. So ruft der Landesverband der Linkspartei/PDS, der den
Berliner Ostermarsch vergangenes Jahr noch finanziell unterstützte, nicht mehr zur Teilnahme
auf, sondern mobilisiert seine Mitglieder stattdessen für den voraussichtlich größten
deutschen Ostermarsch gegen den Truppenübungsplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide in
Brandenburg, das sogenannte Bombodrom. Im vergangenen Jahr zählten die Veranstalter von
der Bürgerinitiative Freie Heide dort rund 12 000 Protestierer.
23
„Wir müssen die Kräfte bündeln und dahin gehen, wo wir etwas bewegen können“, heißt es in
der Berliner Linkspartei. Der Berliner Ostermarsch sei dagegen zu einem „Ritual“ erstarrt.
Ähnlich sehen das die Berliner Grünen, die ihre Anhänger ebenfalls aufrufen, in Brandenburg
zu marschieren. „Da trifft man viele Leute, die man lange nicht gesehen hat“, sagt Barbara
Oesterheld, Landesvorsitzende der Grünen. Auch Grünen-Fraktionschefin Franziska
Eichstädt-Bohlig, die schon lange nicht mehr bei einem Ostermarsch mitgelaufen ist, findet
die Veranstaltung in Brandenburg immerhin besser als den Berliner Marsch: „Da geht es um
ein konkretes Projekt, gegen das sich der Protest richtet. Das ist etwas anderes als die
pauschalen Forderungen des Berliner Ostermarsches“, sagt sie.
Beim Marsch gegen den geplanten Bombenabwurfplatz in Brandenburg werden auch
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und der Theologe Eugen Drewermann erwartet,
Treffpunkt ist heute um 14 Uhr die Kirche von Fretzdorf in Nordwest-Brandenburg.
Der Berliner Ostermarsch, der unter anderem von den Gewerkschaften, einzelnen linken
Gruppen und Friedensinitiativen sowie einzelnen Bezirksverbänden der Linkspartei
unterstützt wird, findet am Ostermontag mit drei zentralen Forderungen statt: Atomwaffen
abschaffen, Bundeswehreinsätze im Ausland beenden sowie: „Abrüstung statt Sozialabbau.“
Der Berliner Marsch beginnt am Montag um 12 Uhr mit einer Kundgebung an der USBotschaft Unter den Linden. Die Abschlusskundgebung ist für 14 Uhr vor dem Kino Babylon
geplant. Angemeldet sind 500 Teilnehmer.lvt
http://www.tagesspiegel.de/berlin/archiv/08.04.2007/3189833.asp 8.4.07
„Ostermärsche sind nicht mehr zeitgemäß“
Frau Eichstädt-Bohlig, wann waren Sie zum letzten Mal auf einem Ostermarsch?
Ich bin in den 80er Jahren oft auf Ostermärschen mitgelaufen. Aber nach dem Ende des
Kalten Krieges, der ja ein Grundmotiv der Ostermärsche war, hat diese Art von
Friedensdemonstrationen an Bedeutung verloren.
Wieso?
Sie sind zum Ritual geworden, da sie sich nur noch gegen Kriegs- und Konfliktsituationen im
Allgemeinen wenden, ohne sich differenziert mit ihnen auseinanderzusetzen. Deswegen finde
ich die Ostermärsche nicht mehr zeitgemäß.
Dabei gibt es auch heute von Afghanistan bis Iran und Irak viele Themen, die die
Menschen beunruhigen.
Ja, aber mit diesen Themen muss man sich spezifisch auseinandersetzen. Viele
Ostermarschaufrufe tun das zu pauschal.
Sagen Sie das als Politikerin einer Partei, die sich in ihrer Regierungszeit mit der
Friedensbewegung überworfen hat?
Wir haben bei den Konflikten in Ex-Jugoslawien viel gelernt, und ich gehöre zu denjenigen
Grünen, die sagen, da musste militärisch eingegriffen werden.
Haben sich die Grünen endgültig von der Friedensbewegung entfremdet?
24
Nein, aber man muss spezifisch hingucken, was zum Beispiel in Darfur, Afghanistan oder
dem Irak los ist. Die Lehre aus dem Kosovo und auch aus Afghanistan ist: Es reicht nicht
immer aus, gegen jegliche militärische Einsätze zu sein.
FRANZISKA EICHSTÄDT-BOHLIG (65) ist Fraktionschefin der Grünen im
Abgeordnetenhaus. Von 1994 bis 2005 saß sie im Bundestag.
Mit ihr sprach Lars von Törne
Tagesspiegel, gedruckte Ausgabe 8.4.07
Grüne gegen Ostermarschierer
Die eigenen Irrtümer
Man braucht sich nur durch die Webseiten der Ostermarschbewegung zu klicken, um die
inneren Widersprüche des Radikalpazifismus zu erkennen: Die „Friedenskoordination“ Berlin
lädt mit einer Friedenstaube zum Ostermarsch ein, die Ende der 80er von einem Kind im von
Islamisten umzingelten Kabul gezeichnet wurde. Heute ist die Zukunft Afghanistans und
besonders die junger Mädchen wieder von Gotteskriegern bedroht – und die Ostermarschierer
fordern ein Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Wenn jetzt die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth den Friedensaktivisten „pauschale
Ablehnung des Militärischen“ vorwirft, hat sie nicht nur recht, sondern arbeitet damit auch
friedenspolitische Irrtümer ihrer Partei auf. Denn es war noch nie logisch, einerseits jedes Jahr
am 8. Mai die Befreiung Europas vom Faschismus zu feiern und andererseits Krieg in jedem
Fall abzulehnen. Mit Friedenstauben konnte man Hitler genauso wenig besiegen wie man die
Taliban davon abhalten wird, ihre Terrorherrschaft über Afghanistan wiederzuerlangen. clw
Tagesspiegel, 8.04.07, gedruckte Ausgabe
Demonstration
Ostermarsch durch die Berliner Innenstadt
Mehrere hundert Friedensaktivisten haben am Montag beim traditionellen Ostermarsch in
Berlin gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und Atomwaffen protestiert. Laut
Veranstalter nahmen an der Demonstration rund 1000 Menschen teil. Die Polizei ging von
knapp 600 Ostermarschierern aus.
Die Demonstranten versammelten sich um 12.00 Uhr zur Auftaktkundgebung auf dem
Boulevard Unter den Linden nahe der US-Botschaft. Von dort zogen sie zum RosaLuxemburg-Platz, wo es um 13.30 Uhr eine Abschlusskundgebung gab. Im vergangenen Jahr
hatten sich etwa 1000 Demonstranten an dem Berliner Ostermarsch beteiligt, wie die Gruppen
der Berliner Friedenskoordination als Veranstalter mitteilten.
Neben der Abschaffung von Atomwaffen forderten die Ostermarschierer unter anderem, den
Irak-Krieg und Bundeswehreinsätze im Ausland zu beenden. Darüber hinaus richtete sich der
Protest gegen "die neuen Weltordnungskriege" sowie gegen "Sozialabbau, Arbeitslosigkeit
und eine Hartz-Gesellschaft".
http://www.rbb-online.de/_/nachrichten/politik/beitrag_jsp/key=news5713146.html
Stand: 09.04.2007 14:57
25
10.04.07
Bundeswehr rekrutiert in Jobcentern
550 Ostermarschierer zogen von der US-amerikanischen Botschaft zum Rosa-LuxemburgPlatz
Von Andreas Heinz
Die große weiße Taube aus Pappmaché führte in diesem Jahr mal wieder den Ostermarsch an.
»Das Tier ist schon etwas gerupft, aber noch lange nicht kaputt«, sinnierte Organisatorin
Laura von Wimmersperg gestern beim Anblick des Friedenssymbols. Die Taube sei erstmals
1981 beim Marsch der Wilmersdorfer Friedensinitiative mitgeführt worden. Und Klaus-Dieter
Heiser, vor 40 Jahren Mitinitiator des ersten Ostermarsches in Westberlin, erinnerte an die
lange Tradition der Bewegung: »Die Haare mancher Protestierer sind inzwischen grau
geworden, aber wir sind noch lange nicht lahm!«
Vor dem Start in Rufweite zur US-amerikanischen Botschaft Unter den Linden mahnte Elsa
Rassbach von der Antikriegsbewegung »American Voices Abroad Military Project«, eine
Schweigeminute für den Frieden einzulegen. »65 000 US-Soldaten in 73 bundesdeutschen
Stützpunkten lehnen den Krieg ab«, so Rassbach. Wer aber in den USA gegen den Krieg sei,
könne abgehört und auch verhört werden. »In US-Amerika gibt es weniger Demokratie als in
Deutschland«, erklärte sie, bevor die nach Polizeischätzungen etwa 550 Ostermarschierer in
Richtung Rosa-Luxemburg-Platz zogen. Im letzten Jahr wurden laut Veranstalter rund 1000
Demonstranten gezählt.
An dem Protestzug gegen Krieg und Auslandseinsätze deutscher Soldaten sowie Sozialabbau
nahmen politische Gruppierungen wie Linkspartei, Marxistisch-Leninistische Partei
Deutschlands (MLPD), DKP und Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) teil,
Vertreter der Gewerkschaften ver.di und BAU und der Kirchen. Auf Transparenten machten
sie ihre Standpunkte klar: »Kein Bundeswehreinsatz im Ausland«, »Bundeswehr raus aus
Afghanistan« und »Keine deutschen Truppen ins Ausland – egal unter welcher Helmfarbe«,
hießen die Forderungen. Neben einem Tornado-Kampfjet aus Pappe mit der Frage: »Für
Frieden und westliche Werte?« wurde der Widerstand auch musikalisch aus einem
Lautsprecherwagen kund getan. Da ertönten alte Barden wie Franz Josef Degenhardt,
Mercedes Sosa, Hannes Wader oder Georges Moustaki.
Ver.di zitierte aus einer Bundeswehr-Studie: »68 Prozent der Deutschen lehnen Krieg zur
Herbeiführung von Gerechtigkeit ab.« Pfarrer Peter Storck von der HeiligkreuzPassionskirche in Kreuzberg mahnte: »Seien wir wachsam! Kriege werden als friedensstiftend
umdefiniert.« Der Kreislauf aus Gewalt und Gegengewalt könne nur durch Ausbrechen
durchbrochen werden.
Eine »Entmenschlichung durch Worte und Taten« nannte Jutta Kausch von der Initiative
»Künstler gegen den Krieg« die Verurteilung des Irak-Kriegsdienstverweigerers Augustin
Aguayo. Gleichzeitig gehe die Bundeswehr in Arbeitsagenturen und Jobcenter, um Soldaten
zu rekrutieren, so am 26. April ab 15 Uhr in der Arbeitsagentur Mitte in Kreuzberg. »Das
werden wir uns nicht gefallen lassen«, erklärte Kausch. »Wir werden dagegen
demonstrieren.«
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=107899&IDC=5
10.04.07
Zehntausende bei Ostermärschen
26
Grünen-Chefin Claudia Roth warf Organisatoren pauschale Verurteilung des
Militärischen vor
Bundesweit zehntausende Menschen nahmen an den diesjährigen Ostermärschen teil. Indes
kritisierte die Parteispitze von Bündnis 90/Die Grünen die Ostermärsche als zu pauschal
gegen Militärisches gerichtet.
Frankfurt (Main) (Agenturen/ND). Mehrere zehntausend Menschen haben über Ostern in
ganz Deutschland für Frieden und Abrüstung sowie gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr
demonstriert. An den traditionellen Ostermärschen beteiligten sich nach Angaben der
Veranstalter ähnlich viele Menschen wie im vergangenen Jahr. Eine genaue Zahl nannten sie
nicht. Es gab Veranstaltungen in mehr als 80 Städten. »Es hat sich gezeigt, dass die
Friedensbewegung nach wie vor lebt und auch in der Fläche aktiv ist«, sagte der Sprecher der
Frankfurter Infostelle Ostermarsch, Willi van Ooyen, am Montag.
Besonders die Entsendung von Aufklärungs-Tornados der Luftwaffe nach Afghanistan wurde
von den Demonstranten kritisiert. »Der entgegen einer Dreiviertelmehrheit der Bevölkerung
gefasste Beschluss bedeutet die unmittelbare Beteiligung an Bombardements, die mit großer
Sicherheit auch viele zivile Opfer fordern werden«, sagte der Geschäftsführer des
Friedensnetzwerkes Manfred Stenner. Von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft verlangten
die Friedensaktivisten ein energischeres Engagement für Konfliktlösungen im Nahen und
Mittleren Osten.
Die größte Kundgebung fand wie im Vorjahr im nordbrandenburgischen Fretzdorf statt, wo
sich nach Polizeiangaben 3000 und laut Veranstalter mehr als 10 000 Menschen
versammelten, um gegen den geplanten Tiefflugbetrieb der Luftwaffe über der KyritzRuppiner Heide zu demonstrieren. Die Bundeswehr will dort einen früheren Luft-BodenSchießplatz der sowjetischen und später russischen Streitkräfte wieder in Betrieb nehmen. An
der Demonstration beteiligten sich auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck
und Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (beide SPD).
In Berlin nahmen gestern 550 Menschen am Ostermarsch teil. Auf dem Frankfurter
Römerberg kamen am Montag nach Angaben des Veranstalters rund 2000 Menschen
zusammen. Dort sagte Ulrich Gottstein von der Organisation »Ärzte gegen Atomkriege«: »Es
ist eine Tragödie, dass Deutschland mehr und mehr in fremde Kriege hineingezogen wird wie
jetzt mit dem Tornado-Einsatz in Afghanistan.«
Auf Unverständnis bei der Friedensbewegung stieß die Kritik der Grünen an den
Ostermärschen. Die Vorsitzende Claudia Roth hatte am Donnerstag den Veranstaltern der
Ostermärsche eine »Schwarz-Weiß-Sicht« und eine »pauschale Ablehnung des Militärischen«
vorgeworfen. Sie kritisierte, die meisten Aktionen sagten »notorisch wenig« dazu, »wie
internationalen Krisen, Gewalt und Krieg begegnet werden kann«. Manfred Stenner vom
Netzwerk Friedenskooperative wertete dies als Indiz für einen wachsenden Konflikt zwischen
den »Regierungsgrünen« und der Basis.
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=107891&IDC=16
10.4.07
Alte Hasen retten Ostermarsch
27
Trotz Tornado-Einsatz und Irak-Dilemma: Die Beteiligung am Ostermarsch ist mager.
Selbst SPD und Grüne fehlen. Vor allem junge Menschen lassen sich durch das Thema
Krieg nicht mehr mobilisieren
VON KATHRIN SCHRECK
"Unsere Haare sind grauer geworden, aber wir werden deswegen nicht lahmer!" Klaus-Dieter
Heiser, 60 Jahre alt, scheint mit dem Alter wirklich kaum an Enthusiasmus eingebüßt zu
haben. Bei seiner Rede zum Auftakt des Ostermarschs ist jedenfalls nichts von Altersmilde zu
hören: "Eine andere Welt ist nötig! Wir erhalten die Forderung nach Abrüstung wach!", ruft
Heiser, der Mitglied der WASG ist, ins Mikrofon. Und erntet Beifall der Umstehenden. In der
ersten Reihe sind wirklich viele mit grauen Haaren zu sehen.
550 Menschen nahmen laut Polizei gestern am Ostermarsch teil. Von der Auftaktkundgebung
Unter den Linden, nahe der US-Botschaft, machte sich der Zug auf den Weg zum RosaLuxemburg-Platz. "Bundeswehr raus aus Afghanistan" forderten die Demonstranten auf
Transparenten und "Kein Krieg gegen Iran!"
Vor 40 Jahren fand in Berlin der erste Ostermarsch statt. Beim Blick über die diesjährigen
Teilnehmer drängt sich der Verdacht auf, dass ihm die Teilnehmer aus seiner Anfangszeit treu
geblieben sind, während sich die jüngere Generationen doch sehr zurückhält. "Ich bin vor 64
Jahren geboren worden und habe noch am eigenen Leibe erfahren, was Krieg bedeutet", sagt
eine Teilnehmerin, die von Anfang an beim Ostermarsch dabei war. Sie hält es für möglich,
dass junge Menschen nur schwer für die Friedensbewegung zu mobilisieren sind, weil sie den
Krieg selbst nicht kennen. Frieden sei für die Jüngeren kein zu erstrebendes Ziel, sagt sie,
sondern der schon lebenslange Ist-Zustand.
Die Stimmung unter den Teilnehmern wirkt gedrückt - vielleicht liegt es an der niedrigen
Teilnehmerzahl. "Das ist ja wie ein Trauermarsch hier", ruft ein Demonstrant denn auch zu
Beginn der Demo. Auch die Debatte in den Medien über den Sinn der Ostermärsche dürfte zu
der geringen Beteiligung in Berlin beigetragen hat. In den vergangenen Tagen hatten mehrere
Politiker Stimmung gegen die bundesweit stattfindenden Ostermärsche gemacht. Claudia
Roth, Parteichefin der Grünen, hatte etwa den Pazifisten vorgeworfen, die Augen vor der
Realität zu verschließen und unhaltbar strenge Positionen einzunehmen. Die
Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Franziska Eichstädt-Bohlig,
bezeichnete den Ostermarsch als "nicht mehr zeitgemäß" (siehe Interview).
Dieser öffentliche Boykott vieler Grünen-Politiker - deren Partei Anfang der Achtzigerjahre
die Ostermärsche maßgeblich geprägt hat - erzielte aber nicht bei allen die erhoffte Wirkung.
"Das Statement von Frau Roth gegen die Ostermärsche war für mich ausschlaggebend, heute
hier doch mitzulaufen", sagt Peter Weigt von der WASG Reinickendorf. Und für ihn ist das
ein echtes Opfer: Sein rechter Fuß ist im Gips - Fersenbeinbruch.
Carsten T., Fahnenträger der DKP, hat zu dem Vorstoß der Grünen eine eigene Theorie: "Die
machen das in den Medien, um ihre eigene Basis dahingehend zu formatieren, heute nicht
mitzulaufen. Oder sind hier irgendwo die Grünen? Ich hab sie noch nicht gesehen."
Das stimmt: Sollte die Sonnenblumenpartei bei der Demo anwesend sein, dann hält sie sich
gut versteckt. Die SPD ist auch nicht auszumachen.
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Die 28-jährige Julia ist eine der wenigen jungen Menschen, die zum Ostermarsch gekommen
sind. Von den abwertenden Aussagen der Politik hält sie wenig: "Das ist Quatsch, zu sagen,
es bringt nichts. Wenn dadurch immer weniger Menschen für den Frieden kämpfen, dann
bringen Friedensbewegungen wirklich irgendwann gar nichts mehr."
taz Berlin lokal vom 10.4.2007, S. 21, 119 Z. (TAZ-Bericht), KATHRIN SCHRECK
Zehntausende verurteilen Kriegseinsätze
Friedensbewegung: Ostermärsche waren ein Erfolg. Grüne wettern weiter gegen
»Einseitigkeit« der Proteste
Mehrere zehntausend Menschen haben am Osterwochenende bei Veranstaltungen der
Friedensbewegung gegen die deutsche Beteiligung an Kriegseinsätzen protestiert. Die größte
Demonstration mit rund 10000 Teilnehmern fand erneut auf dem Gelände des früheren
sowjetischen Truppenübungsplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide statt.
Die Veranstalter der Ostermärsche sprachen von rund 80 Protestaktionen in ganz
Deutschland. Der Einsatz der Bundeswehr-»Tornados« in Afghanistan war
Schwerpunktthema. Der zentrale Ostermarsch Baden-Württembergs begann mit 1300
Teilnehmern vor der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw. Die Kaserne ist Standort des
berüchtigten »Kommandos Spezialkräfte« (KSK) der Bundeswehr. In München zählten die
Veranstalter des Ostermarsches 600 Teilnehmer bei der Demonstration und etwa 1000 bei der
Abschlußkundgebung auf dem Marienplatz. Zu den Rednern gehörte hier Jürgen Rose,
Oberstleutnant der Bundeswehr und Friedensaktivist. »Deutschlands Sicherheit wird am
Hindukusch nicht verteidigt, sondern nur gefährdet«, betonte er. Der Kampf gegen den Terror
mit militärischen Mitteln führe immer nur zu neuem Terror.
In Düsseldorf kamen zum Ostermarsch Rheinland und zu einem abschließenden Friedensfest
nach Veranstalterangaben knapp 1000 Menschen. In Berlin gingen am Montag nach Angaben
der Organisatoren ebenfalls rund 1000 Friedensaktivisten auf die Straße. In Hamburg
demonstrierten am Montag unter dem Motto »Kriege beenden – Spart endlich an der
Rüstung« nach Polizeiangaben knapp 2000 Menschen.
Der Sprecher der Infostelle Ostermarsch, Willi van Ooyen, wies erneut die Kritik der GrünenSpitze an der Friedensbewegung (siehe jW vom Wochenende) zurück und konterte in der
Frankfurter Rundschau, grundsätzlich trete die Partei für Frieden und atomare Abrüstung ein,
wenn es aber konkret werde, vergesse sie regelmäßig ihre Überzeugungen.
(jW) 10.4.2007
Ohne harte Mißtöne
Ein Brecht-Programm von Manfred Wekwerth mit den Schauspielern Renate Richter
und Hendryk Duryn sowie der Rock-Band EMMA (männlich) präsentiert alte Texte
von erstaunlicher Aktualität
Aus der Finsternis und der Kälte der dunklen Wälder kam der Dichter B. B. bekanntlich in
den asphaltierten Dschungel der Städte. Auf dem Gymnasium zu Augsburg lernte er die
Kunst des Textens und des Gitarrenspiels. Die damals noch kaisertreue Borniertheit des
Publikums verhinderte allerdings, daß er als Begründer einer völlig neuen Musikrichtung in
die Geschichte einging. Ganz und gar notgedrungen begann er demzufolge mit dem Schreiben
dramatischer Texte...
29
Die Idee, Texte von Brecht als Grundstock für Rock-Musik zu nutzen, ist seinem Schüler,
dem langjährigen Intendanten des Berliner Ensembles, Manfred Wekwerth, zu verdanken. An
sich liegt sie nahe – überliefert ist des Dichters Ausspruch aus dem Jahre 1954, seine frühen
Gedichte gingen »alle zu Gitarre zu singen«. Und in Brechts gesammelten Werken findet sich
auch schon mal die Anweisung: »zu singen unter Anschlag harter Mißtöne auf einem
Saiteninstrument«.
Wekwerths neues Programm – hauptsächlich Gedichte aus der »Hauspostille«, ergänzt durch
Texte über Brecht – ist eine Kombination aus Theaterabend und Konzert. Nach dem Motto
»Wer Brecht singt, muß auch Brecht lesen« wechseln sich die Schauspieler Renate Richter
(ehemals Berliner Ensemble) und Hendrik Duryn (bekannt durch Film und Fernsehen) sowie
die Musiker der Rock-Band EMMA (männlich) ab – mit ganz und gar durchschlagendem,
keineswegs mißtönendem Erfolg. Gesungene und gesprochene Texte gehen ineinander über:
Sanfter Gitarrenrhythmus untersetzt plötzlich die Monologe der Schauspieler – der
Trommelwirbel des Schlagzeugers wird jäh durchbrochen von leisen, fast zärtlich
gesprochenen Worten.
Brechts frühe Gedichte sind von eigenartiger Aktualität – der bittere Hohn des Gymnasiasten
über die bourgeoise Doppelmoral, sein Aufbegehren gegen den gnadenlosen Stumpfsinn des
Daseins könnte ohne weiteres von einem Jugendlichen der Gegenwart stammen. Besonders
interessant: Ob nun das »Lied der Galgenvögel«, die »Mahagonny-Songs« oder der »Choral
vom großen Baal« – die Verse erweisen sich als erstaunlich paßgerecht gegenüber den
Anforderungen moderner Instrumentalmusik. Bekannte Weill- oder Eisler-Melodien werden
zitiert und adaptiert – bekommen plötzlich einen ganz neuen Rhythmus. War Brecht nun
wirklich der verhinderte Erfinder des Rock‘n’Roll? Wer kann das wissen... In jedem Fall
knüpft die Vertonung seiner Texte durch die Gruppe EMMA (männlich) nahtlos an die besten
Traditionen des DDR-Rock der siebziger und achtziger Jahre.
Der Lyriker Brecht war natürlich auch schon in seiner Jugendzeit ein politischer Dichter. Der
diesjährige Berliner Ostermarsch am Montag fand daher nicht ohne Grund seinen Abschluß
mit Wekwerths Brecht-Programm im Kino Babylon. Noch immer von besonderer Brisanz ist
die »Moderne Legende«, vom sechzehnjährigen Dichter wider den Zeitgeist geschrieben im
Jahre 1914 – als die gesamte Nation sich im patriotischen Blutrausch überschlug. Und
natürlich die vom zwanzigjährigen Sanitätssoldaten Brecht verfaßte »Legende vom toten
Soldaten« in der hervorragenden Wiedergabe von Renate Richter.
Den Musikern der 1989 gegründeten Band EMMA (der Zusatz »männlich« ist notwendig
wegen einer zwar nicht naheliegenden, aber immerhin möglichen Verwechslung mit einem
Druckerzeugnis) sind die Brecht-Texte ein besonderes Anliegen – alle sechs kommen aus der
Finsternis des tiefschwarzen Bundesstaates Thüringen. Seit einem Namenswechsel – zuerst
hieß die Band YOGA – produziert die Gruppe um den Sänger Matthias Hirschfeld
überwiegend deutschsprachige Titel. Eine erste CD entstand 1998. Nach über 1000 LiveAuftritten kam es im Jahre 2006 bei einer ersten Zusammenarbeit mit Manfred Wekwerth zur
Idee mit diesem Brecht-Programm. Auf Anfrage erklärte Band-Chef Hirschfeld, die
Herausgabe einer neuen CD mit Brecht-Titeln wäre angedacht. Sollte diese tatsächlich
zustandekommen, sei sie hiermit bereits jetzt allen Interessierten wärmstens empfohlen.Gerd
Bedszent
»In der Sünder schamvollem Gewimmel – oder: Was Eugen Berthold Friedrich in Augsburg
so alles gedichtet hat«. Brecht-Programm von Manfred Wekwerth mit den Schauspielern
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Renate Richter und Hendryk Duryn sowie der Rock-Band EMMA (männlich). Termine über:
emma-maennlich.de.
http://www.jungewelt.de/2007/04-11/010.php 11.4.07
Reaktionen. Friedensbewegung widerspricht zahm
Die Initiatoren der Ostermärsche weisen Vorwürfe der Grünen-Spitze zurück, die
Friedensbewegung mache keine konkreten Vorschläge zur Lösung internationaler Konflikte
und Krisen. Nicht jeder will dabei allerdings die mittlerweile zu jedem Krieg bereite Partei
offensiv und grundsätzlich angehen – offensichtlich aus bündnispolitischen Erwägungen. Bei
den Ostermarschprotesten sei die Zuspitzung auf die Politik der eigenen Regierung und ihrer
Verbündeten nötig, verbunden mit einer deutlichen Kritik, die von der grünen Fraktion nicht
geleistet werde, rechtfertigte sich etwa Manfred Stenner vom »Netzwerk
Friedenskooperative«.
Willy van Ooyen, Sprecher der »Infostelle Ostermarsch 2007«, nennt das Verhältnis von
Grünen und Friedensbewegung dagegen »zerrüttet«, seit die einst pazifistische Partei
völkerrechtswidrigen Militäreinsätzen zugestimmt habe. Peter Strutynski vom
»Bundesausschuß Friedensratschlag« meint, zwischen Empörung und Belustigung schwanke
die Reaktion der Ostermarschierer auf die Angriffe von Seiten der bündnisgrünen
Parteiführung. Claudia Roths Vorwurf, die Friedensbewegung lehne das »Militärische«
»einseitig und pauschal« ab, empfänden die so Gescholtenen als Auszeichnung. Denn genau
darum müsse es heute gehen: »Die Probleme dieser Welt, gleichgültig ob in Afghanistan,
Irak, Iran, Somalia oder Kongo, können nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden. Es
bedarf statt dessen gewaltiger ziviler, politischer, wirtschaftlicher und sozialer
Anstrengungen, die Welt vor dem Abgrund zu bewahren.«
Christine Buchholz kritisiert namens der WASG (Wahlalternative Arbeit und soziale
Gerechtigkeit) die jüngsten Ausfälle grüner Spitzenpolitiker. »Wenn Roth und Bütikofer die
Friedensbewegung angreifen, schonen sie in Wirklichkeit die Große Koalition.« Das sei
besonders abenteuerlich, da die Bundesregierung mit der Entscheidung, »Tornados« nach
Afghanistan zu senden, gerade einen weiteren Schritt in den Sumpf von Bushs Krieg gegen
den Terror gemacht habe.
(rg) http://www.jungewelt.de/2007/04-11/013.php 11.4.07
Leitartikel
Die Legende von den grünen Pazifisten
Holger Schmale
Es gibt Legenden, die dauerhaft jeglicher Realität widerstehen. Die Behauptung, die Grünen
seien eine pazifistische Partei, ist eine solche Legende. Nur so ist die Erregung zu erklären,
mit der in manchen grünen Kreisen die distanzierten Äußerungen der Parteivorsitzenden
Claudia Roth zu den diesjährigen Ostermärschen und ihren sehr einfachen Losungen
aufgenommen worden sind. Claudia Roth hat aber nicht mehr getan, und das ist immerhin
verdienstvoll, als die politische Entfremdung, die sich seit vielen Jahren zwischen Grünen und
der Friedensbewegung entwickelt hat, in Worte zu kleiden.
Der entscheidende Bruch zwischen Partei und Bewegung hat ein Datum und einen Ort. Er ist
für alle Welt offenkundig geworden am 13. Mai 1999, als der Parteitag der Grünen in
31
Bielefeld mit Zwei-Drittel-Mehrheit für die Beteiligung der rot-grün regierten Bundesrepublik
am Kosovo-Krieg gestimmt hat. Der Bruch hat aber auch ein Siegel: Es ist der Farbbeutel, mit
dem ein gewaltbereiter Pazifist Joschka Fischer vor der Abstimmung auf jenem Parteitag
angegriffen und getroffen hat. Es war diese orangefarbene Attacke, die Fischer erst die
Mehrheit für seinen Kriegskurs gesichert hat.
Damals wurde für alle sichtbar, dass die Partei der Grünen nicht mehr die Partei der Pazifisten
war. Das allerdings war auch zu jenen Zeiten schon eine Legende. Denn von der ersten
Stunde der Grünen an gab es in ihren Reihen starke Strömungen und Persönlichkeiten, die gar
kein Problem damit hatten, Geld für Waffen der Befreiungsbewegung in El Salvador oder für
die kämpfenden Sandinisten in Nikaragua zu sammeln. Viele von ihnen hatten aber auch
überhaupt kein Problem, beim Ostermarsch hinter dem Transparent "Frieden schaffen ohne
Waffen" zu demonstrieren. Damals, in den Zeiten des Kalten Krieges, gab es eine
denkwürdige Vermischung des klassischen Pazifismus - der bei den Grünen auch immer
einen Platz hatte - mit einem, der sehr genau zwischen guten und schlechten Waffen,
gerechten und ungerechten Kriegen zu unterscheiden wusste. Mit einem im Zweifel auch
gewaltbereiten Pazifismus, der sich mit dem Farbbeutelwurf von Bielefeld eindrucksvoll
delegitimiert hat.
Der Zeitpunkt war kein Zufall, denn spätestens mit dem Eintritt der Grünen in die
Bundesregierung ließ sich die Legende von der Partei als dem parlamentarischen Arm der
Friedensbewegung nicht mehr aufrecht erhalten. Wer ein Mitgliedsland der Nato mitregiert,
kann dem Einsatz von Militär nicht grundsätzlich abschwören. Allerdings blieb gerade der
Kosovo-Krieg ein Sündenfall, denn er war im Kern eine völkerrechtswidrige Intervention
ohne Mandat der Vereinten Nationen. Erst das Nein der rot-grünen Regierung zum Irak-Krieg
2003 führte dann wieder zu einer zeitweiligen Versöhnung mit der Friedensbewegung.
Sie aber verdeckte auch die grundsätzliche Differenz zwischen Bewegung und Partei. Denn
seit ihrer Regierungsbeteiligung stehen die Grünen zum Unterschied zwischen guten und
schlechten Kriegen. So hat Claudia Roth recht, wenn sie den Ostermarschierern eine
pauschale Ablehnung des Militärischen vorhält. Es ist ein Unterschied, ob Soldaten in Marsch
gesetzt werden, um einen Völkermord wie im Sudan zu unterbinden oder um ein unliebsames
Regime wie im Irak zu stürzen. Diese Erkenntnis und Argumentation der Grünen ist weder
neu noch besonders originell. Allerdings hat die Partei es lange vermieden, sie gegenüber
einem einst wesentlichen Teil ihrer Basis so explizit zu formulieren. Gerade in
Oppositionszeiten lässt sich mit einer gewissen Unklarheit gut leben und eine bequeme
Legende noch besser pflegen. Damit ist nun Schluss.
Man hätte sich für eine basisbewegte Partei, als die sich die Grünen ja auch noch immer
betrachten, freilich auch einen anderen Weg als den einer recht überheblich daherkommenden
öffentlichen Erklärung und diverser Interviews der Parteiführung vorstellen können. Die
Grünen hätten ihre Positionen zum Beispiel in die Bewegung tragen und mit dafür sorgen
können, dass dort eben keine plumpe Schwarz-Weiß-Sicht gepflegt wird. Gerade jetzt
könnten sie dafür sogar eine besondere Glaubwürdigkeit in Anspruch nehmen. Denn erstmals
seit ihrer Regierungszeit wachsen in der Bundestagsfraktion der Grünen wieder die Zweifel
am Militärischen. Dem Einsatz der Tornados in Afghanistan hat die Hälfte der Abgeordneten
die Zustimmung verweigert. Claudia Roth gehörte zu ihnen.
Berliner Zeitung, 14.04.2007
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/meinung/644985.html
32
„Friedensinitiative“
Grünen-Pazifisten gründen Flügel
Von Günter Bannas, Berlin
11. April 2007
Wenige Tage vor dem Länderrat der Grünen in Bremen ist innerhalb der Partei eine
Gruppierung gebildet worden, die der Parteispitze vorwirft, die pazifistischen Strömungen
und Grundüberzeugungen verraten zu haben. Eine sogenannte „Grüne Friedensinitiative“, die
am Ostermontag gegründet worden ist, erhebt den Anspruch, das „bündnisgrüne
friedenspolitische Erbe“ bewahren zu wollen. Die „fortgesetzte Unterstützung des
Afghanistan-Krieges durch die Grünen“ habe mit „Friedenspolitik“ wenig zu tun.
Der Gruppierung gehören mit Uli Cremer aus Hamburg sowie Marianne Hürten aus Köln
Grünen-Mitglieder an, die schon zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung und von
Außenminister Fischer deren Politik - vergeblich - bekämpft hatten. Nun forderten sie, der
Länderrat dürfe sich nicht, wie das vorgesehen sei, hinter den Afghanistan-Kurs der Nato
stellen. Stattdessen müsse es um einen Abzug der Nato aus Afghanistan gehen. „Wir brauchen
keine militärische Nato-Frühjahrsoffensive.“
„Friedenspolitische Spielräume in der Regierung“
In einem Papier, das die Initiatoren der Gruppierung jetzt veröffentlichten, heißt es, die
„Friedenspolitik“ sei viele Jahre Pfeiler der Politik der Grünen und „Kernelement“ ihrer
politischen Identität gewesen. Die Grünen hätten der „Friedensbewegung“ viel zu verdanken.
„Mit dem Eintritt in die rot-grüne Koalition erodierten die friedenspolitischen Ansprüche der
Grünen substantiell. So lange Entscheidungen, an Kriegen teilzunehmen, nicht anstanden, war
es leicht, gegen den Krieg zu sein. Als es darauf ankam, versagten die Grünen.“ Die
Zustimmung der Grünen zum Kosovo-Krieg wird in dem Papier als „Dammbruch“
bezeichnet. Auch hernach seien vorhandene „friedenspolitische Spielräume in der Regierung“
kaum genutzt, sondern häufig verkleinert worden.
Die Vorwürfe der Gruppierung spiegeln Auseinandersetzungen wider, die während der
Osterfeiertage zwischen Teilen der Parteiführung und den Organisatoren der „Ostermärsche“
ausgetragen worden waren. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth und der
verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Nachtwei, hatten in einer
gemeinsamen Erklärung die Kundgebungen zwar als eine immer noch „gute und wichtige
Tradition“ bezeichnet. Es bestehe auch Einvernehmen, „dass Militär keine Konflikte lösen
kann und ein Krieg gegen Iran verhindert werden muss“. Doch fügten sie an: „Gerade zu
notorisch wenig sagen die Aufrufe allerdings auch in diesem Jahr dazu, wie internationale
Krisen, Gewalt und Krieg begegnet werden kann. Der Blick verengt sich zu oft allein auf die
pauschale Ablehnung des Militärischen.“
Vorwurf: „Weitere Provokation“
Einige Aufrufe erweckten sogar „den Eindruck, als seien Bush-Administration, die EU und
bundesdeutsche Politik eine einzige ,Achse des Bösen'“. Frau Roth und Nachtwei
bezeichneten diese „Schwarz-weiß-Sicht“ als falsch. „Friedenspolitik heute braucht auch
mehr neues Denken und Differenzierung“. Sprecher der Ostermarsch-Organisatoren
kritisierten die Stellungnahme als „überflüssig und an der Sache vorbei“. Die Grünen
verträten „halbseidene und widersprüchliche Positionen“.
33
Die Jugendorganisation der Grünen warf der Parteivorsitzenden eine „weitere Provokation“
vor. Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Trittin warnte am Mittwoch im
„Deutschlandfunk“ vor pauschaler Kritik. Er erinnerte daran, Deutschland und Frankreich
hätten sich gegen den Irak-Krieg gewendet. Auch „Pazifisten“ müssten „konkrete
Zusammenhänge und konkrete Konflikte“ überprüfen, sich aber „nicht schlank davonmachen,
nach dem Motto: ,Egal, was passiert, Hauptsache ich bin nicht dabei'“.
Text: F.A.Z. vom 12. April 2007
http://www.pr-inside.com/de/friedensbewegung-wirft-gruenen-halbherzigkeit-vor-r87564.htm
"Grüne Friedensinitiative" übt Kritik an der Parteilinie
Die Debatten über Militäreinsätze reißen bei den Grünen nicht ab – sie werden auch den
Parteitag in Bremen beschäftigen
DIETMAR PHILIPP
POTSDAM Soweit sie sich erinnern kann, sagt Claudia Roth, sei die Friedensbewegung doch
wohl nie homogen gewesen. Die Grünen-Vorsitzende gab sich gestern gelassen. Sie hatte sich
an einigen Forderungen in Aufrufen zu den Ostermärschen gestoßen und dafür Kritik aus den
Organisationsbüros geerntet. Roth waren die Aufrufe zu eng gefasst, vieles bei der Ablehnung
von Militäreinsätzen zu "Schwarz-Weiß" gefasst.
Das hatte auch in der eigenen Partei für Bewegung gesorgt. Mehrere Politiker der Ökopartei
gründeten eine "Grüne Friedensinitiative", die sich als Gegengewicht zur "derzeit dominanten
militärpolitischen Ausrichtung der Grünen" versteht, wie einer der Initiatoren, der Sprecher
des Grünen-Kreisverbandes Münster, Wilhelm Achelpöhler, erklärt.
Für Claudia Roth ist jede Debatte darüber, wie man Frieden schaffen kann, nützlich und in
ihrer Partei stets Usus gewesen. Auf diese Feststellung legt sie wert und weist Befürchtungen
weit von sich, es könne auf dem Kleinen Parteitag der Grünen am Samstag in Bremen wegen
der Initiative zu einer Spaltung in den eigenen Reihen kommen. Schließlich gebe es nach wie
vor Konsens darüber, dass kein Konflikt auf der Welt nur mit militärischen Mitteln zu lösen
sei.
Die Grünen-Vorsitzende bekräftigte gestern den Anspruch ihrer Partei, ein starker Teil der
Friedensbewegung zu sein. In der hätte es immer Kontroversen gegeben. Sie erinnerte daran,
dass einst DKP-nahe Teile der Friedensbewegten den Afghanistan-Krieg der Sowjetunion
rechtfertigten und mutmaßt, dass gerade diese Kreise heute den "grünen Verrat" an den
Idealen der Bewegung kolportierten.
Wilhelm Achelpöhler ist davon überzeugt, dass den Grünen am Wochenende in Bremen harte
Debatten über Militäreinsätze ins Haus stehen. Für ihn hat die Unterstützung des
"Afghanistan-Krieges" durch die Grünen-Spitze mit Friedenspolitik wenig zu tun. Die neue
Initiative der Grünen will als "friedenspolitischer Think-Tank" Debatten um militärische
Alternativen anstoßen. Für Achselhöhle war es ein großer Fehler, dass seine Partei eine
Exitstrategie für Afghanistan abgelehnt hat. Die Vereinten Nationen hätten das Mandat für
einen Kampfeinsatz gegeben, den sollte der Kleine Parteitag ablehnen. Der Schalter muss
umgelegt werden, fordert der Münsteraner. Er will, dass sich die Grünen mehrheitlich von der
Vorstellung lösen, man habe es am Hindukusch mit einem halben Dutzend böser Taliban zu
tun und der Rest der Afghanen erwarte den Westen mit offenen Armen. Man müsse
verhandeln und Waffenstillstände erreichen. Die afghanische Gesellschaft sei pluralistisch.
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Claudia Roth, die den deutschen Tornado-Einsatz bei den Abstimmungen in ihrer Partei
ablehnte, hat keine Probleme mit einer kritischen Sicht. Afghanistan brauche eine politische
und zivile Initiative. Ihr sei selbst nicht klar, wie die Bundeswehr darauf wirksam Einfluss
nehmen kann, sagt sie. Auch die Drogenpolitik der Kabuler Regierung hält Roth für mehr als
fragwürdig. Sie sucht nach Antworten auf Gewaltsituationen. Ein prinzipielles Nein zu
Auslandseinsätzen der Bundeswehr, das wird sie in Bremen vertreten, hält sie allerdings für
realitätsfremd.
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10907734/492531/
13.4.07
Offener Brief an die Grünen-Spitze
junge Welt dokumentiert ein Schreiben an Claudia Roth (Bundestagsabgeordnete und
Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen), Reinhard Bütikofer (Bundesvorsitzender
Bündnis 90/Die Grünen) und Winfried Nachtwei (Bundestagsabgeordneter):
Liebe Claudia, lieber Reinhard, lieber Winni, liebe Grüne in Bundesvorstand und
Bundestagsfraktion, Ihr habt in einer Erklärung zu den Ostermärschen die Friedensbewegung
scharf kritisiert. Ihr habt den Aufrufen zu den Ostermärschen ein »Armutszeugnis« ausgestellt
und erklärt: »Friedenspolitik in unserer globalisierten Welt ist komplizierter und schwieriger
geworden. Eine Schwarz-Weiß-Sicht hilft hier nicht weiter. Heute braucht Friedenspolitik
mehr neues Denken und Differenzierung.«
Ihr kritisiert eine »pauschale Ablehnung des Militärischen« der Friedensbewegung, dieser
fehle auch der positive Bezug auf die Vereinten Nationen. Die Fraktionsvorsitzende der
Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, Franziska Eichstädt-Bohlig, ist sogar noch einen
Schritt weiter gegangen; für sie sind Ostermärsche »zum Ritual geworden« und »nicht mehr
zeitgemäß«.
Lieber Reinhard, Du hast gesagt, daß wer z.B. alle Auslandseinsätze der Bundeswehr
kategorisch ablehne, in deinen Augen keine Friedenspolitik betreibe. Die Grünen und die
Friedensbewegung gehen danach – nicht nur zu Ostern – getrennte Wege.
Eure massive Kritik, gerade als führende VertreterInnen der Grünen, weisen wir zurück.
»Kompliziert« ist Friedenspolitik wohl vor allem für manche Grüne geworden. Das zeigte
sehr deutlich die Auseinandersetzung um die Entsendung von Tornado-Flugzeugen der
Bundeswehr nach Afghanistan, Flugzeuge, die die Kriegsführung der NATO im Süden
Afghanistans unterstützen sollen. Die Grünen zeigten sich in einer Weise »differenziert«, die
ihresgleichen sucht. Eine knappe Mehrheit in der Bundestagsfraktion und eine etwas größere
Mehrheit im Parteirat stimmte der Entsendung der Tornado-Flugzeuge zu, die Mehrheit des
Bundesvorstandes lehnte sie ab. In einer Erklärung des Parteirates vom 5. März werden dann
die Argumente aufgelistet, die jeweils für bzw. gegen den Tornado-Einsatz vorgebracht
wurden.
Wir wollen nicht die gesamte Debatte um die Tornados nachzeichnen, wir wollen angesichts
Eurer Forderung nach »mehr Differenzierung« in den Stellungnahmen der Friedensbewegung
aber unserem Wunsch nach etwas »mehr Eindeutigkeit« in den Stellungnahmen unserer
Führungsgremien Ausdruck geben. Gleichzeitig wären wir nicht überrascht, daß andere
politische Gruppierungen nicht jenes Maß an Differenziertheit anstreben, wie es die Grünen
derzeit bieten. Es ist weder Anspruch noch Aufgabe der Friedensbewegung,
Optimierungsvorschläge für NATO-Operationen zu machen.
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Auch Euer Ratschlag, friedenspolitische Aufrufe sollten einen positiven Bezug auf die
Vereinten Nationen enthalten, kollidiert mit dem taktischen Verhältnis, das unsere Partei in
den letzten Jahren zum Völkerrecht gepflegt hat: Wer mit dem Kosovo-Krieg 1999 und dem
Afghanistan-Krieg 2001 (Beteiligung an der Operation Enduring Freedom) zwei
völkerrechtswidrige Kriege unterstützt hat, sollte gegenüber der Friedensbewegung nicht den
moralischen Zeigefinger heben. Wir erlauben uns außerdem den Hinweis, daß der von den
UN legitimierte Irak-Krieg 1991 von den Grünen völlig zu Recht abgelehnt und zum Anlaß
für eine breite friedenspolitische Kampagne genommen wurde. Und wenn Ihr von der
Friedensbewegung einen positiven Bezug auf die UN erwartet, dann fordert dies doch bitte
auch von Franziska Eichstädt-Bohlig ein, die im Tagesspiegel vom 8. April aus dem nicht
UN-mandatierten Kosovo-Krieg die einfache Lehre zieht: »Es reicht nicht immer aus, gegen
jegliche militärische Einsätze zu sein.«
In diesem Falle erwarten wir nun auch »mehr Differenzierung«: Am Ende der
außenpolitischen Debatte, die innerhalb der Partei in den Friedens- und Sicherheitspolitischen
Kongreß Ende des Jahres mündet, müssen differenzierte Antworten stehen.
Daß es nicht genügend »friedenspolitische Begleitung« der zivilen Friedensförderung gebe,
ist im übrigen ein Vorwurf, der auf Bündnis 90/Die Grünen selbst zurückfällt: Zwar wurden
unter Rot-Grün friedenspolitische Fortschritte, z. B. im »Aktionsplan zivile
Krisenprävention«, erzielt. Deren finanzielle und personelle Ausstattung ist jedoch im
Vergleich zu den Milliardenausgaben für Militär verschwindend gering. Insofern müssen sich
die Grünen der zentralen friedenspolitischen Frage stellen: Wie können die zivilen Mittel der
Krisenbewältigung aus dem Würgegriff des Militärischen befreit werden?
Wir möchten Euch erinnern: In unserem Grünen-Grundsatzprogramm erklären wir, daß
bündnisgrüne Außenpolitik den Werten der »ökologischen Verantwortung, der
Selbstbestimmung, der internationalen Gerechtigkeit, der Demokratie und des Friedens«
verpflichtet ist. Wenn wir unsere Politik nach diesen Werten gestalten wollen, ist die
Friedensbewegung keine Gegnerin, sondern Verbündete.
Arvid Bell (Vertreter der Grünen Jugend im Bundeskoordinierungskreis von ATTAC), Stefan
Ziller (Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin), Paula Riester (Sprecherin Grüne Jugend
Bundesverband), Wilhelm Achelpöhler (Kreisvorstandssprecher Bündnis 90/Die Grünen,
Münster), Sven Lehmann (Landesvorstand Bündnis 90/Die Grünen, NRW), Julia Seeliger
(Mitglied des Grünen Bundesparteirats), Birgit Ebel (NRW-Delegierte im Grünen
Bundesfrauenrat), Uli Cremer (Bündnis 90/Die Grünen, Kreisverband Hamburg-Eimsbüttel),
Nadine McNeil (Schatzmeisterin Grüne Jugend Bundesverband)
http://www.jungewelt.de/2007/04-11/013.php
14.04.07
Richtige Fragen
Von Tom Strohschneider
Warum eigentlich die ganze Aufregung um die Kritik führender Grüner an der
Friedensbewegung? Muss man Claudia Roth und Co. nicht eher dankbar sein für späte
Ehrlichkeit? Oder hätten sich die Ostermarschierer mehr darüber gefreut, wenn die in
Regierungsverantwortung olivgrün gewordenen Parteioberen jetzt in der Opposition
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versuchen, sich wieder als Friedenskräfte anzubiedern?
Die Aufregung über die grüne Ostermarsch-Schelte lebt von der Hoffnung, der Kopf dieser
Partei stünde der außerparlamentarischen Bewegung noch als Bündnispartner zur Verfügung.
Und sie schweißt zusammen. Mit dem, was als Kritik vorgebracht wurde, wollte sich denn
auch niemand so recht auseinandersetzen. Man kann aber durchaus darüber streiten, ob ein
fundamentaler Pazifismus angesichts der real existierenden Killing Fields tragbar ist. Was
nützen die Appelle für Armutsbekämpfung den von mörderischen Banden Verfolgten? Fragen
müssen sich auch jene gefallen lassen, die einst kein Problem mit dem sowjetischen
Afghanistan-Feldzug hatten. Und was heißt es eigentlich, von der Bundesregierung
Entmilitarisierung und eine »gerechte Welt« zu fordern? Abwarten auf Einsicht bei den
Herrschenden? Oder Revolution?
Diese Debatte kann die Friedensbewegung auch ohne Claudia Roth führen. Statt für die
Zukunft auf falsche Freunde zu hoffen, sollten jetzt die richtigen Fragen auf den Tisch.
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=108135&IDC=7
Beim Parteitag droht Ärger
Ostermärsche und Tornados heizen alte Debatte der Grünen an
Die Friedenspolitik stiftet erheblichen Unfrieden bei den Grünen. Vor ihrem kleinen Parteitag
am Samstag ist die alte Kontroverse über die Militäreinsätze im Ausland überraschend heftig
aufgebrochen.
Berlin - Von "großem Unmut" an der grünen Basis, spricht der Exponent der Parteilinken,
Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele. "Heftige Debatten" sieht auch Partei-Chefin Claudia
Roth auf die 80 Delegierten des "Länderrats" der Grünen am Wochenende in Bremen
zukommen. Darüber, dass "wir einen Nerv getroffen haben" triumphiert hingegen der
Münsteraner Wilhelm Achelpöhler. Der Rechtsanwalt aus Nordrheinwestfalen gründete über
Ostern mit einem kleinen Kreis von Mitstreitern eine "Grüne Friedensinitiative" - und schuf
damit ein provokantes Sammelbecken für das Gegrummel in den eigenen Reihen über die
Friedens- und Sicherheitspolitik.
Vor allem an zwei Punkten macht sich der Konflikt fest, der nun - eher unplanmäßig - den
kleinen Parteitag beschäftigen wird. Zum einen regt sich vernehmlicher Ärger über die
ungewöhnlich scharfen Worte, mit denen sich Claudia Roth und Sicherheitsexperte Winfried
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Nachtwei von Aufrufen zu den traditionellen Ostermärschen abgegrenzt hatten. Als zu
"schwarz-weiß", zu undifferenziert hatten sie die Appelle zurückgewiesen.
Diese Schelte teilen viele Grüne "in der Sache" - nicht aber in der Form. Tatsächlich seien
viele Ostermarsch-Aufrufe holzschnittartig und einseitig Linkspartei-PDS-lastig gewesen.
"Aber man muss nicht unnötig Krach anfangen", meint etwa Ströbele. "Wir können nicht
jeden Mist unterschreiben, aber wir dürfen die Diskussion mit der Friedensbewegung nicht
arrogant führen, sondern mit einer gewissen Demut und Lernbereitschaft", meint auch der
Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann. "Warum sollen wir eine Art von Pauschalkritik,
die auch unsere Politik denunziert, unwidersprochen lassen?", hatten hingegen Roth und
Nachwei gekontert und statt eines "Anbiederns" an Teile der Friedensbewegung die "offene
Auseinandersetzung" gefordert.
Weit mehr noch als die richtige Form im Umgang mit der Friedens- und auch der AntiGlobalisierungsbewegung treibt die Grünen jedoch die Sache selbst um. Um die Haltung zum
Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr bahnt sich dabei ein heftiger Dauerstreit an, der das
Zeug zu einem Grundsatzkonflikt hat.
Junge und Altlinke sind verärgert
Dass die grüne Bundestagsfraktion kürzlich - wenn auch nur mit hauchdünner Mehrheit - für
die Entsendung deutscher Tornados nach Afghanistans gestimmt hat, irritiert und verärgert
vor allem junge Grüne. Aber auch der Altlinke Ströbele sieht darin einen glatten Verstoß
gegen einen Parteitagsbeschluss vom vergangenen Dezember.
Im Hintergrund schwelt dabei die Forderung, ein Konzept zum Abzug der Bundeswehr aus
Afghanistan zu erarbeiten. Die Gründer der neuen "Grünen Friedensinitiative" fordern
vehement eine solche "Exit-Strategie". Andere sind vorsichtiger. "Es wäre sicher nicht klug,
einfach zu gehen", meint Pazifist Hermann. Dennoch solle die Partei über einen
"verantwortbaren Rückzug" reden. Dem widerspricht der Bundesvorstand ausdrücklich: In
einem Antrag für den Länderrat plädiert die Parteispitze zwar für einen Strategiewechsel am
Hindukusch. Gerade den Grünen aber mit ihrer "besonderen Verantwortung für Afghanistan"
könne es nicht um "eine Exit-, sondern um eine Erfolgsstrategie gehen". Vera Gaserow
http://www.fronline.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?sid=0046445ac80307596c7d42e644a76ef1&em_cn
t=1114645 13.4.07
Interview mit Florian Pfaff.
"An die Angriffskriege gewöhnt"
Als Major Florian Pfaff die Mitwirkung am Irakkrieg verweigerte, wollte ihm die
Bundeswehr das Denken verbieten. Auf dem Ostermarsch heute zeigt er, wie das Militär
das Recht noch immer bricht
Interview: Armin Simon
taz: Herr Pfaff, Sie kommen gerade vom Dienst?
Florian Pfaff, Major: Ja. Ich war gerade im Sanitätsamt in München. Da hab' ich Gott sei
Dank keine Probleme mehr mit Angriffskriegen.
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Sie haben vor vier Jahren Ihre Mitarbeit an einem Softwareprojekt verweigert. Hatten
Sie keine Lust mehr?
Damals konnte man in allen Medien lesen, dass der Irakkrieg ein völkerrechtswidriger
Angriffskrieg ist. Weder die Rechtslage noch Anstand und Moral hätten es mir erlaubt, daran
mitzuwirken. Mein Vorgesetzter hatte mir aber klargemacht, dass ich mit meinem Projekt
immer auch den Irakkrieg unterstützte - nicht nur Friedenseinsätze und Verteidigung.
Welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?
Die, die ich mir vorgenommen hatte für diesen Fall: Meine Mitwirkung an diesem
Verbrechen zu verweigern. Ich habe den Militärpfarrer und den Truppenarzt, neutrale
Personen also, gefragt, ob ich das richtig vernähme, dass fast die ganze Welt den Irakkrieg als
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ansehe und dass dieser begonnen habe. Der Pfarrer hat
gesagt: "Na sicher ist das so, leider." Der Nervenarzt hat mich dann in die Psychiatrie
verfrachtet, wo ich eine Woche auf meinen Geisteszustand untersucht wurde.
Mit welchem Ergebnis?
Dass ich kerngesund bin. Und dass mich meine Vorgesetzten dann unter Druck setzten.
Inwiefern?
Sie haben verlangt, ich solle nicht weiter prüfen, ob ich an einem Verbrechen mitwirke. Ich
würde sonst entlassen. Das ist selbstverständlich gesetzeswidrig.
Sie sind seit Jahrzehnten Soldat. Mussten Sie schon einmal Befehle verweigern?
Leider ja, denn schon in Somalia hat sich die Bundeswehr am Verfassungsbruch beteiligt. Ich
habe damals meinem Vorgesetzten gemeldet, dass ich da nicht mitmachen darf. Die
Bundeswehr hat nichts gegen mich unternommen, das Verfassungsgericht hat mir später
Recht gegeben. Auch die Tornado-Piloten, die 1999 beim völkerrechtswidrigen Angriff auf
Jugoslawien ihre Mitwirkung verweigert haben, hat die Bundeswehr nicht gemaßregelt.
Beim Irakkrieg kamen Sie nicht mehr so glimpflich davon?
Da war man sich offenbar sicher, die Bevölkerung nun an die Angriffskriege gewöhnt zu
haben.
Wie sah Ihre Weigerung aus?
Ich habe meinem Vorgesetzten gemeldet, dass ich alle rechtmäßigen und verbindlichen
Befehle weiter ausführen werde.
Eine Provokation.
Die wahre Provokation war doch: Einem Soldaten, dem man fast 30 Jahre lange beigebracht
hatte, er sei ausschließlich für den Frieden da, nun den Auftrag zu geben, einen
völkerrechtswidrigen Angriff zu unterstützen! Zum Teil nannten selbst meine damaligen
Vorgesetzten den Krieg offen "Verbrechen".
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Sie wurden degradiert, haben geklagt - und 2005 vom Bundesverwaltungsgericht Recht
bekommen. Was bedeutet das für Ihre KameradInnen?
Sie haben es einfacher. Oberstleutnant Rose, der jetzt die Mitwirkung am Tornado-Einsatz in
Afghanistan verweigert hat, wurde nicht mehr in die Klapse eingeliefert und auch nicht mehr
so unter Druck gesetzt. Und viele Verfahren gegen Demonstranten, die etwa Soldaten zur
Gehorsamsverweigerung aufgerufen haben, wurden eingestellt oder es gab Freisprüche - unter
Berufung auf mein Urteil.
Haben Sie viele NachahmerInnen gefunden?
Eine Frau Hauptfeldwebel aus dem Sanitätsdienst hat sich geweigert, das humanitäre
Völkerrecht in Afghanistan zu brechen. Von weiteren Fällen habe ich gehört. Aber kein
Vergleich zu den USA: Dort haben Tausende verweigert.
Wie hält es die Bundeswehr mit dem Gewissens-Urteil?
Meine Vorgesetzten hier im Sanitätsamt haben mich schon im Verfahren sehr unterstützt. Die
Bundeswehrführung aber erkennt das Urteil nicht an. Sie unterstellt mir weiterhin, ich hätte
keine Gewissensentscheidung getroffen.
Wie kann man die Bundeswehr wieder ans Recht binden?
Entweder es wird gerichtlich aufgearbeitet oder die Politik muss eingreifen.
Und die Bundeswehrführung austauschen?
Zumindest müsste sie sie so in ihre Schranken weisen, dass sie sich nicht mehr traut, Soldaten
dazu anzustiften, in völkerrechtswidrigen Angriffskriegen das Grundgesetz und die Justiz zu
missachten. Die Regierung deckt aber die Gesetzesbrüche oder stiftet sogar dazu an.
Sind Sie nach alldem noch überzeugter Soldat?
Ich glaube ja. Aber wohl nicht in den Augen derjenigen, die auch Angriffskrieg befürworten
und Kadavergehorsam fordern und dies "Primat der Politik" nennen.
taz Nord vom 7.4.2007, S. 32, 158 Z. (Interview), Armin Simon
http://www.taz.de/pt/2007/04/07/a0031.1/text
Drewermann bezeichnet Nato als "kriminelle Vereinigung"
Tausende Ostermarschierer gegen Auslandseinsätze und Tiefflieger
An der Kundgebung gegen das "Bombodrom" nahmen auch Brandenburgs Ministerpräsident
Matthias Platzeck und Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (beide
SPD) teil. Regierungschef Platzeck forderte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU)
auf, seine Pläne aufzugeben. Die Menschen in der Region brauchten nach jahrelanger
Ungewissheit endlich Klarheit, hieß es in einer Mitteilung der Potsdamer Staatskanzlei.
Die "Bombodrom"-Pläne sollten endlich beerdigt werden, forderte Petra Pau, stellvertretende
Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Bundestag. "Die Kyritz-Ruppiner Heide braucht
eine friedfertige Zukunft. Das noch immer geplante "Bombodrom" verheißt das Gegenteil",
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sagte Pau. Der Paderborner Theologe Eugen Drewermann griff die NATO scharf an und
bezeichnete sie als «kriminelle Vereinigung».
In Essen setzten rund 120 Menschen den Ostermarsch Ruhr fort. Nach einer Kundgebung
ging es per Fahrrad nach Gelsenkirchen und von dort nach Bochum. Der dreitägige
Ostermarsch Ruhr hatte am Samstag in Duisburg begonnen und endet an diesem Montag in
Dortmund. Der Marsch steht unter dem Motto «Kriege beenden! Völkerrecht durchsetzen!
Spart endlich an der Rüstung!».
Im bayerischen Ansbach kamen rund 300 Menschen zusammen und demonstrierten gegen
den Ausbau des örtlichen US- Militärstützpunktes. Die Initiatoren vom «Ansbacher
Friedensbündnis» forderten den Stadtrat dazu auf, den Ausbauplänen nicht zuzustimmen. Die
Kaserne Ansbach würde durch den Ausbau zur größten Hubschrauber- Basis der US-Armee
in Europa.
Rund 100 Ostermarschierer demonstrierten in Schkeuditz bei Leipzig gegen eine militärische
Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle. Von dort starten seit März 2006 humanitäre und
militärische Einsätze von NATO und EU in Krisengebiete in aller Welt.
http://linkszeitung.de/content/view/103654/42/ 13.4.07
Rede von Dr. Eugen Drewermann, Paderborn, in Fretzdorf 8.4.07
Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens, liebe Bürgerinnen und Bürger der Neuruppiner
Heide!
Von ganzem Herzen danke ich Ihnen für Ihr jahrelanges Engagement gegen die Nutzung
eines schönen Teils Natur als eines Zielobjektes, wie man effizient töten und morden aus
großer Höhe lernt.
Ich bin mir sicher, dass es viele regionalpolitische und rechtspolitische Argumente gibt, das
Bombodrom der Bundeswehr nicht zu übergeben. Diese Gründe, bin ich mir genauso sicher,
werden nachher von Herrn Backhaus, Herrn Platzeck und Herrn Geulen dargelegt. Uns aber
geht es heute am ersten Ostertag nicht nur darum, zu verhindern, dass ein bestimmtes Areal in
das Training des Militärs umfunktioniert wird oder bleibt. Wir könnten das Bombodrom in
Neuruppin verhindern, um dann mitzuerleben, wie Herr Struck oder Herr Jung es in die
Lüneburger Heide verlegen. Es ist sehr wichtig, heute zu sagen, wir wollen dieses
Bombodrom nicht und wir wollen überhaupt kein Bombodrom nicht, denn wir wollen keinen
Krieg mehr und keine Kriegsvorbereitungen mehr.
Wogegen wir hier protestieren, hat eine direkte Verbindung zur aktuellen Tagespolitik. Man
bringt uns gerade bei, dass wir Tornados brauchen über Afghanistan, um mit Herrn Struck zu
reden, damit Deutschland verteidigt wird und der zivile Aufbau in Afghanistan nicht
gefährdet würde.
Was denn trainiert man mit den Tornados? Alle Leute, die hier stehen in meinem Alter wissen
noch, aus Kindererinnerungen an den so genannten zweiten Weltkrieg was gemeint ist mit
einem Weihnachts- oder Christbaum: Ein Bomberpilot vor dem Pulk gibt die Markierung der
Zieldaten an, auf welche dann die Bomben niedersausen. Nur, dass es heute sechzig Jahre
später weit furchtbarere Waffen noch sind oder Massenvernichtungsmittel besser gesagt, als
die Spreng- und die Phosphorbomben im zweiten Weltkrieg, Druckbomben, Napalmbomben
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das ist das normale Areal zum auskoffern der killing boxes. Genau dafür sollen Deutsche sich
jetzt hergeben und Herr Struck erklärt, dass das alles noch kein Krieg ist. Und ein
Militärbischof Mixa erklärt, dass er das gerade noch eben mittragen kann. Dies ist Beihilfe
zum Mord, nichts weiter.
Vor allem sind wir es Leid, über eine Brücke von Lügen in immer die nächste Katastrophe
hineinreiten zu lassen. Wer denn von unseren Nachrichten- und Medienschreibern und sprechern erinnert sich dessen noch, wie 2001 vor dem Angriff auf die Twintowers noch im
Juli in Deutschland in Bonn Amerikaner verhandelten mit Talibanführern. Darüber nämlich,
wie zwei Pipelines für Erdöl durch Afghanistan gelegt werden sollten. Erst als sie sich dessen
weigerten, war klar, dass sie die nächsten sein würden, die drankämen, und der Krieg war nur
der Vorwand. Mit den Angriffen vom 11. September hat Afghanistan erkennbar nicht das
mindeste zu tun. Man kann nicht gleichzeitig sagen, wir haben es zu tun mit
Steinzeitislamisten, und ihnen dann in die Schuhe schieben, sie hätten die Technologie zur
Vorbereitung der Angriffe von 9/11. Beides ist bescheuert, aber es hat nur eine einzige Logik:
unter scheinbar humanitären Gründen, unter scheinbar defensiv-politischen Gründen nimmt
man sich das Recht, zu machen, was man will im Zugriff auf das Erdöl.
Manchmal fragt man sich, worin der Fortschritt der Geschichte - die Vernunft der Geschichte
- eigentlich bestehen solle. Sie können in Wittstock im Museum zum dreißigjährigen Krieg in
deutlichem Vergleich zum Status quo heute -rechtspolitisch- den Rückfall um fast 390 Jahre
miterleben. Damals führten die Habsburger Krieg, wie es die Amerikaner heute tun. Man
beutete die damals Dritte Welt aus und ruinierte Millionen Indios in Mittel- und Südamerika
im Zugriff auf Gold und Silber, damit man die Truppen hätte, die Soldateska, im Kampf in
Europa. Der erste europäische Gesamtkrieg dreißig Jahre lang, den man zu gewinnen hoffte
am Ende, um noch besser im eigenen Gebiet Herrschaft und Macht und Geld erringen zu
können. Setzen Sie statt Gold und Silber Erdöl, Bauxit, Uran und was Sie wollen, haben Sie
einen der vier Kriegsgründe der NATO seit 1999 - Sicherung der Ressourcen steht da – nichts
weiter als „Wir nehmen uns was wir brauchen, denn wir haben jedes Recht im Gefälle der
Macht.“
2001 erklärte Rot-Grün Herr Schröder und Herr Fischer die unbedingte Solidarität mit den
Vereinigten Staaten von Amerika, als wenn sie die Lügerei um den Angriff gegen
Afghanistan völkerrechtswidrig nicht gekannt hätten. Man hat 2003 genauso freigegeben die
Unterstützung für den Krieg gegen den Irak über die Drehscheibe Frankfurt. Man war nicht
gegen den Krieg, man wollte lediglich mit der Unterstützung von Friedenswilligen im Volk
die nächste Wahl gewinnen. Und wir sagen: Rot-Grün oder jetzt Rot-Schwarz – Wir werden
Euch die Tour vermasseln. Wir brauchen keine Politiker, deren Kopf auf einem Hals sitzt, der
ähnelt einem Rechtsgewinde, wie bei einem Schraubenzieher, um sich am Wein der Macht
nur gründlich zu besaufen.
Die allerschlimmste Lüge lautet, dass wir dabei sind, gar keine Kriege mehr zu führen,
sondern im orwellschen Neusprech nur noch humanitäre friedensstiftende Maßnahmen
ergreifen. Eindeutig ist das Töten von Menschen, nicht das Retten von Menschen. Eindeutig
ist Kriegsvorbereitung, nicht Abrüstung. Eindeutig ist Krieg, nicht Frieden und Lüge, nicht
Wahrheit und Menschlichkeit, nicht Grausamkeit.
Man hat uns hinein gelogen in die humanitären Kriege, als Rot-Grün, als Herr Fischer und
seine Mannen uns erklärten, wir müssten Auschwitz verhindern im Kosovo. Man präsentierte
uns den Hufeisenplan, von dem jeder damals bereits wissen konnte, dass er niemals existierte,
dass die Verbrechen von Milosevic die konsequente Antwort dessen waren, dass man die
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NATO zur Luftunterstützung der UCK von Seiten der Albaner bereitstellte und in
Rambouillet so verhandelte, dass kein Serbe den Vertrag am Ende hätte unterschreiben
können. Madeleine Albright wollte ihren Krieg in Serbien, und den Schlamassel haben wir bis
heute: Vielleicht jetzt gerade müssen wir als Europäer unablässig lang das eine Zehntel von
Serben im Kosovo schützen. Nichts ist gelöst worden indem wir humanitäre Kriege führten.
Zum ersten Mal deutsche Bomber über Belgrad! Welch ein Albtraum, welch eine
unverschämte Lügerei und welche Unerträglichkeiten!
Man fragte 1998 Madeleine Albright, Außenministerin unter Clinton, ob ihr der Tod von
500.000 irakischen Kindern unter fünf Jahren die Aufrechterhaltung des US-Waffenembargos
gegen den Irak wert sei. Wie glauben Sie antwortet eine Außenministerin eines westlichen
Staates auf die Ermordung von 500.000 Kindern unter fünf Jahren? „Yes Sir“, war ihre
Antwort und Punkt. Sind es nicht kriminelle, die uns da regieren, unverantwortliche Zyniker
der Macht! Und was war, als ihr Chef Clinton ’95 Al-Shifa bombardieren ließ, rein auf
Verdacht hin, ein Chemiewerk im Süden des Sudan mit der Unterstellung, es produziere
Waffen. Es produzierte Medikamente. Und was macht ein amerikanischer Präsident, wenn er
das einzige pharmazeutische Werk in einem Drittweltland in Grund und Boden bombardieren
lässt? Baut er es wieder auf, entschuldigt er sich, gibt er Medizinersatzmittel bereit? Nichts
von alledem! Mit der Folge, dass wieder, wir können schätzen, hunderttausende von
Menschen krepieren, an Malaria, an Schlafkrankheit, an was Sie wollen, dass die
Rinderherden dezimiert werden durch jede Seuche. So beginnt zum Teil die Ursache für das
Desaster in Darfur. Aber wieder müssen wir humanitär eingreifen. Statt die Verbrechen vor
Ort zu benennen. Dafür wären die Medien gut, dass sie Ihre Kamera mal darauf richteten, wie
es aussieht, was sie machen.
Wir könnten in dieser Auseinandersetzung politisch endlos weitermachen, Punkt für Punkt
abarbeiten. Wir sind gegen den Krieg aus einer einzigen Begründung: Sie steht zur Einfahrt
hierher auf dem Plakat oder dem Transparent an der Straße: Es ist das fünfte Gebot „Du sollst
nicht töten!“ Ich war gerade erschüttert, hier in der Kirche von Fretzdorf, zum ersten Mal in
meinem Leben, einem Moses zu begegnen, der unter der Last der Kanzel fast zusammenbricht
und der sich stützen muss wie wär’ es seine letzte Krücke. Auf der Tafel der zehn Gebote auf
der steht „Du sollst nicht töten!“
Wie schwer in unserer mörderisch wütenden Friedenspolitik ist es, daran zu erinnern, dass
„Du sollst nicht töten!“ mit Sicherheit heißt: „Du sollst nicht mit 18 Jahren dich zwingen
lassen zu trainieren, wie man am effizientesten mordet!“
Es gibt eine Menge wirtschaftlicher Gründe, gegen den Krieg und gegen jede
Kriegsvorbereitung zu sein. Wir in Deutschland zahlen ungefähr dreißig Milliarden Euro nur
für Rüstung jedes Jahr. Das bedeutet etwa täglich 100 Millionen Euro, die wir verpulvern.
Jeder kann sich in Neuruppin ausrechnen, was man mit 100 Millionen Euro machen könnte.
Und das ist nur ein Zehntel von dem, was die Amerikaner verschwenden: über
dreihundertfünfzig Milliarden Dollar jedes Jahr nur für Rüstung plus Zusatzhaushalte 100
Milliarden, 80 Milliarden – so what? Allein die USA geben für Rüstung mehr aus, als die
halbe Welt. Man will den Hegemonialanspruch. Wie anders könnte es aussehen, und wir
wüssten es genau als die Russen hier abzogen, und ihr Bombodrom zurückließen. Damals ’89
erklärte Gorbatschow ein Ende aller Rüstung - Abbau des Warschauer Paktes genauso wie der
NATO, die Stalinnote 1952, der Rapazki-Plan 1956 - kein NJET von russischer Seite, sondern
NO von amerikanischer Seite! Man wollte den kalten Krieg gewinnen. Man wollte
Hegemonialansprüche für den globalisierten Kapitalismus durchsetzen. Da stehen wir heute.
Deshalb musste es eine NATO-Osterweiterung geben unter Kohl. Und deshalb belügt man
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uns bis zum heutigen Tag und erklärt das für eine Erfolgsstory. Als Bush Senior ’91 erklärte,
wir haben den kalten Krieg gewonnen, gab es keinen deutschen Politiker, der ihm sagte, was
denn der Preis dafür war. Fünfzig Millionen Menschen, die verhungern, jedes Jahr. Das ist der
Preis für den gewonnen kalten Krieg. Ich muss zugeben, um diesen Preis wollte ich niemals
Sieger sein. Wir hätten den ganzen kalten Krieg über was Besseres zu tun gehabt.
Dann höre ich Grünenpolitiker sagen, aber wir müssen eine zuverlässige berechenbare
Außenpolitik etablieren. Wir dürfen aus der NATO gar nicht heraus. Wenn wir zur Erkenntnis
kommen, dass wir im Grunde einer kriminellen Vereinigung angehören, nur aus wenig
Wachsamkeit beim Eintritt, kommt es einem Verbrechen gleich, in diesem Verband noch
weiter zu bleiben. Der Austritt wird zur Pflicht.
Wir haben in ganz Europa keine Feinde mehr. Und wenn die Rüstung bedeutet, die
Verwüstung der Welt - Millionen Opfer an Toten, mehr als der ganze zweite Weltkrieg in
Ostasien und Europa an Menschen gefressen hat sechs Jahre lang, im Auswurf der
Vernichtungskapazität aller großindustrialisierten Nationen - ist deutlich in welchen
Dimensionen wir heute nicht Sicherheit, sondern politischen Wahnsinn zum Machterhalt und
Machtgewinn definieren. Damit muss im PRINZIP Schluss sein.
Und wenn all das noch diskutabel wäre, modifizierbar, differenzierbar, gibt es an diesem
Punkt nun kein Wenn und Aber mehr: Was die Kriegsvorbereitung mit den Achtzehnjährigen
auf den Kasernenplätzen überall auf Erden macht, bedeutet, dass wir den Krieg, wie einen
Kraken unsere Kultur umgeben lassen bis dass er jeden zivilen Impetus ins Gegenteil
wegsaugt. Wir führen am Ende Krieg unter den ewigen Begriffen Gerechtigkeit, Fortschritt,
Freiheit, Menschlichkeit und was wir anrichten ist in jedem Punkt das Gegenteil: Es verbreitet
sich im Kampf gegen den Terrorismus auf diese Art der Terror. Es verbreitet sich auf diese
Art beim Fortschritt für die Demokratie Zwang und Diktatur. Es verbreitet sich bei dieser Art
der Verbreitung von Menschlichkeit Unmenschlichkeit und Würdelosigkeit. Dies alles ist ein
gegenfinaler Irrsinn, den jeder erkennen könnte, und von dem ich möchte, dass er im
Bundestag von den Linksparteien zumindest und von denen die noch denken können, klar und
eindeutig zur Sprache gebracht wird.
Was denn lernt ein Achtzehnjähriger, wenn man ihn hernimmt, zum Killerprofi sich ausbilden
zu lassen? Sollten wir nicht sagen ungerührt mit Tucholsky und Karl von Ossietsky „Soldaten
sind Mörder“, denn wozu erzieht man sie außer, dass ihre aus dem Tierreich noch stammende
Tötungshemmung durch rein mechanisiertes Training heruntergefahren wird zur
vollkommenen Empfindungslosigkeit, zu töten auf Befehl. Das soll gelernt werden. Ich höre
sagen, dass unsere Soldaten ja weiter Bürger in Uniform bleiben. Der Krieg macht aus ihnen
eine Gegenwelt, Angehörige der Steinzeit mitten im Atomzeitalter, macht aus ihnen latente
Bestien, die nur auf den Befehl warten, wie Schläfer, sich selber von der Kette zu lassen.
Keine Armee der Welt gibt es, in der man Befehlsverweigerung aus Gewissensgründen
trainiert und lernt, wie man unmenschliche Befehle verweigert. Nirgendwo. Ein Soldat hat zu
lernen, dass er verantwortlich ist für die Ausführung des Befehls, nicht für den Inhalt. Das
wird delegiert. Wie wenig in irgendein Rechtssystem dieses Denken passt, könnten wir
Deutschen, hätten wir Deutschen lernen sollen 1947 in Nürnberg. Damals konnten die
amerikanischen Ankläger den Nazigranden gegenüber die Frage erheben, ob sie sich denn das
selber glauben - Befehl ist Befehl?! Was denn mit ihnen los sei, man schiebt sich einen
Stahlhelm über das Gehirn und hört dann auf zu denken. Man zieht sich eine Uniform an und
gibt seine Menschlichkeit an der Garderobe zum Wallhall einfach ab. Man schiebt sich einen
Koppel um den Bauch auf dem steht „Gott mit uns!“ und hat das Recht zu jeglichem
Verbrechen. Ist nicht die Delegation der Verantwortung an die nächsthöhere Befehl
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ausgebende hierarchische Ebene unverantwortlich und unmenschlich im Kern, dann ist der
Gehorsamsbegriff des Militärs inhuman im Kern. Und dies sollten wir unseren
amerikanischen Verbündeten jenseits des Teichs genauso zurückmelden, wie sie es ’47 gesagt
haben.
Den ganzen kalten Krieg hat man uns beibringen wollen, dass wir die Abscheulichkeiten alle
nur lernen, um sie niemals tun zu müssen. Jetzt titelt der Spiegel im letzten Jahr: „Die
Deutschen müssen lernen wie sie töten“. Wir sagen, wir werden das niemals mehr lernen
wollen. Wir wollen eine Politik, die das nicht mehr im Programm hat, die Option des Krieges.
Nehmen sie als Beispiel für das, was militärischer Gehorsam aus Menschen macht, nicht nur
die Experimente von Stanley Milgram aus den siebziger Jahren in Stanford und in der YaleUniversität, nehmen sie ein kleines Interview von 1995 auf RTL: Günter Jauch befragt den
Bomberkommandanten vom 9.August 1945 über Nagasaki. „Major Sweeney, was haben sie
gedacht, ein halbes Jahrhundert geht hin und Sie …“. Er hat nicht gefragt, „Major Sweeney,
sie haben mit eigener Hand gleich ihrem Staffelkameraden Major Tibbets drei Tage vorher
über Hiroshima mehr Mensche getötet mit eigener Hand, als jeder in der Geschichte der
Menschheit bislang. Wussten Sie, dass ein Dutzend Jahre später noch japanische Frauen beim
Gebären eines Kindes nicht fragen, ist es ein Junge oder ein Mädchen, sondern, hat es
Erbschäden oder nicht. Das zwanzig Jahre später in den Kliniken von Japan immer noch
Menschen strahlen, vergiftet und verseucht, sich verröcheln werden in einem Leben, das Sie
gestohlen haben.“ Major Sweeney antwortete ganz simpel: “Was soll das? Jeder Soldat der
Welt hätte dasselbe getan. Befehl ist Befehl.“ Und sein Präsident erklärt, ich werde mich für
Amerika niemals entschuldigen.
Was macht man aus Menschen? Die US-Army hat im Moment einhunderttausend Fälle von
posttraumatischem Stress-Disorder. Von Menschen, die aus dem Ruder laufen, weil man sie
gelehrt hat, jede Grenze zu überschreiten. Wenn man einmal tötet, gibt es kein Halten mehr.
Man überschreitet die Hemmung, die, ich sage noch mal, aus der Zeit der Wölfe und
Schimpansen in uns liegen könnte. Wir hören nicht bloß auf, Menschen zu sein, wir werden
schlimmer als die Bestien, weil wir all das was furchtbar ist, lernen mit System, mit
Gefühllosigkeit, mit Zerstörung des Mitleids, und dann kommen Menschen nach Hause, die
von all dem was sie tun sollten oder mussten oder glaubten, man könne es ihnen abverlangen,
kein Wort mehr sagen dürfen. Ich hab eine Reihe von Feldpostbriefen aus dem so genannten
zweiten Weltkrieg von Männern gelesen, die genauso schrieben: „Frau, feiere Weihnachten,
aber was wir hier machen, kann ich dir nicht sagen. Und wenn es zurückkommt auf
Deutschland, ist es wie ein Gericht Gottes.“ Wie heilt man Menschen, die traumatisiert
wurden -nicht durch das was man ihnen zugefügt hat- sondern durch das, was sie anderen
zufügen mussten. Es zerspaltet ihre Seele. Es teilt sie in ganz verschiedene
Marionettenpersönlichkeiten, die keine geistige Synthese mehr finden.
Es wäre die große Chance, dass endlich eine Generation aufsteht, die nicht mehr durch den
Schlachthof den Eintritt in die Geschichte finden muss. Und diese Generation, hätten wir die
Chance in Deutschland endlich zu bekommen, ersparen wir unseren Kindern und
Kindeskindern den Krieg ein für alle mal, sagen wir mit Wolfgang Borchert, ganz ähnlich,
wie es da steht auf der Rückseite -nicht des Kriegerdenkmals von Fretzdorf- sondern des
Kriegserinnerungsmals. Er schrieb ’47 in Basel lungenkrank und sterbend sein Vermächtnis:
Mann an der Werkbank, wenn sie wiederkommen
und dir sagen, du sollst statt Wasserrohren und Kochgeschirren
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Kanonenrohre und Handgranaten ziehen.
Mann an der Werkbank, sag nein!
Und wenn sie kommen, Pfarrer in der Kirche
und sagen, du sollst wieder den Krieg rechtfertigen und heilig sprechen
und die Waffen segnen.
Pfarrer auf der Kanzel, sag nein!
Und Mutter, wenn sie zu dir kommen und sagen,
du sollst gebären, Jungs für die Schützengräben, Mädchen für die Spitäler,
für den nächsten Krieg.
Mutter in der Ukraine, Mutter in Deutschland, sag nein !
Denn wenn ihr nicht nein sagt, wird das alles noch viel schlimmer wiederkommen!!!
*****Tonbandabschrift der Rede im Wortlaut*****
Bahr wirft Drewermann Populismus vor
Kritik an der Ostermarsch-Rede des Theologen: "Das schadet der Bewegung"
NEURUPPIN Der Bundestagsabgeordnete Ernst Bahr (SPD) hat sich kritisch zur
Ostermarsch-Rede des Theologen Eugen Drewermann geäußert. Drewermann sollte am
Ostersonntag in Fretzdorf die üblichen Worte zur Besinnnung zum Beginn einer jeden
Protestwanderung der Bürgerinitiative "Freie Heide" halten. Es wurde ein leidenschaftliches
Plädoyer gegen Militäreinsätze aller Art, wobei der Theologe auch unter die Gürtellinie ging.
Drewermann bezeichnete unter anderem die Grünen als "eine Bande von Verbrechern" und
die Regierungsbeschlüsse zu Bundeswehreinsätzen im Ausland als "Beihilfe zum Mord".
"Solche Äußerungen, dass die Bundesrepublik Deutschland von Kriminellen und
verantwortungslosen Zynikern regiert würde, kann ich so nicht stehen lassen", sagte Ernst
Bahr. "Das ist purer Populismus. Mit solchen Entgleisungen schadet Herr Drewermann der
Bewegung", kritisierte er. Drewermann habe das Podium, das ihm die Bürgerinitiative "Freie
Heide" bot, für eine generelle Diskreditierung der Bundeswehr genutzt und sich dabei im Ton
vergriffen. Der Bundestagsabgeordnete befürchtet, dass sich Leute von der Protestbewegung
abwenden, weil sie sich mit solchen Generalverurteilungen nicht identifizieren können. Nicht
jeder, der sich für eine freie Heide ausspricht, sei grundsätzlich gegen das Militär.
"Wir leben nun einmal in einer Welt, in der es auch böse Menschen gibt. Da müssen wir
Sicherheit schaffen, auch mit Militär", sagte Bahr.
Der SPD-Mann lobte ausdrücklich das Engagement der Bürgerinitiative "Freie Heide" und
der vielen Menschen, die zu den Protestwanderungen gingen. Ihm persönlich falle es schwer,
zu Protestwanderungen zu gehen, wenn er dann wortlos danebenstehen muss, "wenn solche
populistischen Äußerungen fallen". kat
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10907609/61299/
13.4.07
13. April 2007 09:52 Uhr
Grüne streiten sich über Afghanistan-Einsatz
Berlin - Bei den Grünen zeichnet sich ein Streit über die Friedenspolitik und den
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Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan ab. Beim Länderrat am Samstag in Bremen will sich die
Parteilinke mit einem Antrag gegen den Bundesvorstand positionieren, wie der nordrheinwestfälische Landtagsabgeordnete Rüdiger Sagel (Grüne) der Berliner Tageszeitung "Welt"
(Freitagausgabe) sagte. "Wir brauchen eine neue Friedenspolitik und eine Exit-Strategie für
Afghanistan". In einem Antrag des Bundesvorstandes, der am Samstag in Bremen zur
Abstimmung steht, wird einer "Exit-Strategie" demgegenüber ausdrücklich eine Absage
erteilt.
Sagel nannte die Positionierung des Grünen-Bundesvorstandes "enttäuschend". Ein
Strategiewechsel sei nicht erkennbar. Die Wählerschaft der Grünen fordere in ihrer großen
Mehrheit ein Ende des Engagements in Afghanistan. "Wir sind mit unserem Antrag näher an
der Basis als einige Leute in Berlin", sagte Sagel der "Welt". Es sei ein Unding, dass die
Mehrheit der grünen Bundestagsabgeordneten für den Tornado-Einsatz in Afghanistan und
damit gegen einen Beschluss der Partei gestimmt habe.
In dem Antrag des Bundesvorstandes heißt es, die Grünen sollten auch weiterhin "die
Mitverantwortung für einen erfolgreichen Aufbau- und Stabilisierungsprozess in Afghanistan
übernehmen. Es geht uns daher auch nicht um eine Exit-Strategie, sondern um eine
Erfolgsstrategie in Afghanistan." Die Bundesregierung wird in dem Antrag aufgefordert, die
Unterstützung für den zivilen Aufbau in Afghanistan "massiv aufzustocken".
Sagel kritisierte zudem die Absage von Grünen-Chefin Claudia Roth an die
Ostermarschbewegung. "In unserer Partei finden es sehr viele unverständlich und unnötig,
wie sehr die Spitze sich in offene Konfrontation mit der Basisbewegung begibt." Roth hatte
den Initiatoren des Ostermarsches vorgeworfen, in ihrem Aufruf keine Vorschläge zur Lage
im Sudan gemacht zu haben. Auch andere Grünen-Vertreter hatten kritisiert, dass die
Ostermarsch-Initiatoren keine konkreten Vorschläge zur Lösung internationaler Konflikte
unterbreitet hätten.
http://www.net-tribune.de/article/130407-94.php
Hausfriedensbruch mit dem Fahrrad
Ein Mann soll vor Gericht, weil er auf dem Heimweg über den Schießplatz fuhr
NEURUPPIN Ein Mann aus Dranse muss sich wegen Hausfriedensbruchs vor Gericht
verantworten, weil er mit dem Fahrrad über den von der Bundeswehr beanspruchten
Schießplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide fuhr. Der Mann hatte im Juli vergangenen Jahres
ein Konzert in Gadow besucht und hatte für den Heimweg nach Dranse die etwas kürzere
Strecke über den Schießplatz gewählt.
Auf dem Platz wurde der Radfahrer von Bundeswehrangehörigen angehalten, die dann auch
die Polizei hinzuholten. Das "widerrechtliche Betreten eines umfriedeten Gebietes" ist
Hausfriedensbruch.
Etwa einen Monat später bekam der Dranser Post von der Bundeswehr, die eine Verwarnung
aussprach und gleichzeitig mitteilte, diesmal auf die Erhebung eines Bußgeldes zu verzichten.
Für den Fall einer Wiederholung kündigte die Bundeswehr aber ein Bußgeldverfahren an.
Umso überraschter war der Mann, als er gut drei Monate später einen Beschluss des
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Amtsgerichtes Neuruppin über eine Geldstrafe von 200 Euro erhielt. Die Bundeswehr hatte
doch Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt.
Der Mann legte Widerspruch gegen die Strafe ein, sodass es jetzt zu einer öffentlichen
Verhandlung kommt. Am 25. April ab 14 Uhr wird sich das Amtsgericht Neuruppin mit der
Frage befassen, ob das Betreten des Schießplatzes Hausfriedensbruch ist.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Ankündigung einer namenlosen Aktionsgruppe
besonders brisant. Die Bombodrom-Gegner haben angekündigt, am 1. Juni für einen Tag mit
zirka 1500 Aktivisten das Schießplatzgelände zu "besiedeln". Auch beim Ostermarsch in
Fretzdorf wurde die "Besiedlung" beworben. Die Bürgerinitiative "Freie Heide" hat sich von
der Besetzungsaktion distanziert. kat
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10905508/61299/
11.4.07
Rede
von Tobias Pflüger, MdEP
Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
in Calw beim Ostermarsch 2007
Liebe Freundinnen und Freunde!
Vielleicht hören das ja auch die Soldaten und Soldatinnen des Kommando Spezialkräfte, die
heute noch hier sind - die meisten sind ja "ausgeflogen"
Ich hab mal nachgeschaut, wann wir den ersten Ostermarsch hier in Calw gemacht haben. Das
ist sage und schreibe 10 Jahre her. Vor 10 Jahren waren wir hier über 5.000 Leute, die die
Forderung aufgestellt haben: "Löst das Kommando Spezialkräfte sofort auf!"
Und ich weiß, dass wir hier heute mit genau derselben Forderung "Löst das Kommando
Spezialkräfte sofort auf!" wieder hier sind: Es ist dringender denn je, dass diese
Elitekampftruppe der Bundeswehr endlich aufgelöst wird.
Ich habe auch nachgeschaut, mit welchen Begründungen wir damals diese Forderungen
aufgestellt haben.
Eine Begründung war, dass das KSK eine Truppe der Exekutive ist. D.h., allein die Regierung
entscheidet über den Einsatz des KSK. Der Bundestag wird nicht ausreichend informiert.
Diese Aussage 1997 getroffen, hat sich erschreckend bewahrheitet. Wie wir gesehen haben im
Fall Murat Kurnaz, hat diese Truppe gemacht, was sie für richtig erachtet hat und sie wurde
dabei gedeckt von der Bundesregierung, von der vorigen rot-grünen Bundesregierung. Und
der Koordinator für diesen Bereich (der drei deutschen "Nachrichtendienste" BND, MAD und
Verfassungsschutz, der auch explizit zuständig war für die Bundeswehr z.B. bei
Gefahrenanalyse von ausländischen Regionen, in denen auch die Bundeswehr mit
Einsatzkräften vor Ort war) war Frank-Walter Steinmeier, der heutige Außenminister der
großen Koalition.
Liebe Freundinnen und Freunde,
Wir wissen, dass das Kommando Spezialkräfte bzw. Soldaten des Kommando Spezialkräfte
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in Kandahar in Afghanistan bei der Bewachung und auch bei der Einteilung von Gefangenen
im Gefangenenlager in Kandahar beteiligt waren. Wir wissen, dass dort in diesem Lager
gefoltert wurde und wird. Und deshalb ist die Aussage richtig, dass dieses Kommando
Spezialkräfte Zulieferung zu Folterungen betrieben hat und Folterunterstützer sind.
Liebe Freundinnen und Freunde,
Wir haben damals gesagt, dass es regelmäßig beim Kommando Spezialkräfte Kontakte und
Berührungen zu Rechtsextremen gibt. Einer der früheren Kommandanten dieses KSK, Herr
Reinhard Günzel, ist inzwischen offen in das rechtsextreme Lager übergelaufen. Er hat jetzt
gemeinsam mit Herrn Wegener, dem damaligen Chef der GSG 9 und Wilhelm Walter, dem
ehemaligen Chef der so genannten "Brandenburger", einer Wehrmachts-Eliteeinheit, ein Buch
herausgegeben. Das Buch heißt "Geheime Krieger". Und dort werden Traditionen hergestellt,
u.a. von Herrn Günzel, der sagt, dass das KSK sich auf diese Wehrmachts-"Brandenburger"
positiv beziehen soll. Diese Bezüge werden von den Soldaten hier betrieben, wir haben immer
wieder gesagt, wir warnen davor eine militärische Eliteeinheit zu betreiben, weil
Eliteeinheiten automatisch Rechtsextreme anziehen. Wir wollen keine Rechtsextremen und
natürlich auch keine Rechtsextremen im Kommando Spezialkräfte!
Liebe Freundinnen und Freunde,
(Wir haben immer wieder danach gefragt, was das Kommando Spezialkräfte mit Gefangenen
macht, denn nach Aufgabenzuschreibung sollten sie "Terroristen bekämpfen, gefangen
nehmen und vor Gericht zu stellen." Ich kenne keine Gefangenenlager des KSK und keine
Gefangenen des KSK, die vor deutschen Gerichten stehen. Nein, die KSK-Soldaten
übernahmen wohl in Übereinstimmung mit dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr
die us-amerikanische Klassifikation der Gefangenen als "illegitime Kämpfer", die nicht
"festgenommen" sondern "festgesetzt" wurden. Die Gefangenen wurden wohl Verbündeten
bzw. verbündeten Truppen übergeben, was die mit ihnen gemacht haben, war den KSKSoldaten und ihren Vorgesetzten offensichtlich egal. Dass KSK-Soldaten es besser wussten,
zeigen einige ihrer Berichte, in denen von Kriegsgefangenen die Rede ist. Doch diese
Bezeichnung würde eine nach dem Kriegsvölkerrecht vorgeschriebene Behandlung nach sich
ziehen.)
Wir haben damals gesagt, dass diese Truppe an vorderster Linie - auch bei Angriffskriegen kämpfen und auch töten wird. Und was wir jetzt wissen, zeigt, dass genau das offensichtlich
immer wieder der Fall war und ist. Das KSK war mindestens viermal in Afghanistan.
Ich hoffe, dass immer mehr Soldaten das machen, was jetzt der aktive Oberstleutnant der
Bundeswehr, Jürgen Rose gemacht hat: Er sagte, er will Angriffskriegshandlungen der
Bundeswehr nicht unterstützen und nicht an ihnen teilnehmen, bezogen hat er das auf den
geplanten Tornadoeinsatz. Ich begrüße ausdrücklich, dass Jürgen Rose Angriffskriege
verweigert. Es müsste mehr solche Angriffskriegsverweigerer geben!
Jürgen Rose hat das KSK im übrigen "Kommando Spezialkiller" genannt. Ich glaube das trifft
zu. Das ist nicht gegen die Soldaten gerichtet, sondern gegen die politische Führung. Wir
wollen, dass dieses Kommando Spezialkräfte aufgelöst wird. Das ist eine politische
Entscheidung, dafür ist die Bundesregierung zuständig. Also Frau Merkel, Herr Steinmeier
lösen sie endlich dieses Kommando Spezialkräfte auf!
Liebe Freundinnen und Freunde!
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In Afghanistan wird von der NATO ein brutaler Krieg geführt mit der Operation Achilles mit
5.500 NATO-Soldaten. Die Bundeswehr beteiligt sich nicht direkt an diesem Krieg, aber mit
der Entscheidung für den Tornadoeinsatz sind sie - so hat es die Tagesschau formuliert "Angriffshelfer".
77 % der Bevölkerung sind nach Umfragen gegen diesen Tornadoeinsatz. Und wir sagen von
hier aus: Dieser Tornadoeinsatz muss sofort beendet werden! Ich hoffe, dass das
Bundesverfassungsgericht diesen Kriegseinsatz sofort stoppt.
Und es ist typisch, dass sich Herr Jung, der deutsche Militärminister Orwellscher Sprache
bedient: Er nennt den Auftrag der Tornados "Aufklärung". Nein, es ist ein Kriegseinsatz und
wir sind gegen Krieg, also sind wir gegen diesen Tornadoeinsatz!
Liebe Freundinnen und Freunde!
Die Bundeswehr ist mit ca. 8.000 Soldaten im Auslandseinsatz. Wir haben eine Kampagne
gestartet, die heißt: "Stoppt die Auslandseinsätze der Bundeswehr - keine deutsche
Kriegsunterstützung". Ich glaube, diese Kampagne sollten wir ab heute von hier aus verstärkt
unter die Leute bringen. Beendet die Auslandseinsätze der Bundeswehr, beginnt mit dem
Afghanistan-Einsatz. Bundeswehr raus aus Afghanistan!
Liebe Freundinnen und Freunde!
Es werden weitere Kriege vorbereitet. Das, was wir die letzten Tage in den Medien erlebt
haben (die Berichterstattung über die britischen Soldaten im Iran), war so etwas wie der
Auftakt für einen möglichen Krieg gegen den Iran. Es herrscht eindeutig Kriegsstimmung.
Egal wie sich die iranische Regierung, das iranische Regime verhält, ein Krieg trifft immer
die Zivilbevölkerung. Wir sind gegen ein Krieg gegen den Iran und wir werden alles dafür
tun, dass er nicht stattfindet!
Liebe Freundinnen und Freunde!
Derzeit hat ja Deutschland den Vorsitz, die Präsidentschaft in einer Reihe von Bereichen:
Deutschland hat die EU-Ratspräsidentschaft und Deutschland hat den Vorsitz der so
genannten G 8 Staaten. Bzgl. der EU-Ratspräsidentschaft erlebe ich derzeit ja hautnah, was
Merkel und Steinmeier betreiben. Sie haben zwei zentrale Projekte innerhalb der EURatspräsidentschaft: Die EU-Militarisierung weiter voranzutreiben und den in Frankreich und
den Niederlanden abgelehnten EU-Verfassungsvertrag doch noch durchzusetzen. Wir sind
selbstverständlich gegen eine Militarisierung der Europäischen Union und lehnen den EUVerfassungsvertrag - ob er nun weiter so genannt wird oder nicht - nach wie vor ab, dieser
Verfassungsvertrag darf nicht etabliert werden!
Dieser Verfassungsvertrag schreibt neoliberale Politik fest und schreibt an einer Reihe von
Stellen Militarisierung fest. Im Artikel I. 41 Absatz 3 wird es am deutlichsten: "Die
Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern"
das ist eine Aufrüstungsverpflichtung! Wir wollen kein militarisiertes Europa, wir wollen eine
zivile EU!
Liebe Freundinnen und Freunde!
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Lasst mich noch auf einen Aspekt eingehen, der die nächste Zeit noch sehr wichtig werden
wird. Die US-amerikanische Regierung will in Tschechien, Polen, in der Ukraine und im
Kaukasus und in anderen Staaten ein so genanntes Raketenabwehrsystem stationieren. Es gibt
Widerstand z.B. in Tschechien, aber auch in den anderen Ländern gegen dieses
Raketenabwehrsystem. Wir sollten von hier aus sagen, wir wollen dieses so genannte
Raketenabwehrsystem nicht und wir unterstützen diejenigen, die sich in Tschechien, Polen
und den anderen Staaten gegen dieses Raketenabwehrsystem wehren.
Liebe Freundinnen und Freunde!
Ihr wisst, Calw ist für mich ein besonderer Ort, in Calw-Stammheim bin ich aufgewachsen.
Ich freue mich, dass wir wieder einmal einen Ostermarsch hier haben und ich hoffe, dass es
der letzte sein wird, weil dann das Kommando Spezialkräfte aufgelöst sein wird. (Und wenn
nicht, kommen wir halt wieder.)
Ich will mit folgendem Satz enden:
Ceterum censeo Kommando Spezialkräfte esse delendam!
Vielen Dank!
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