Wir gehen nicht als Verlierer
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Wir gehen nicht als Verlierer
Elena weiß zu viel Die Werkzeugbauer in Lippe erleben schwere Zeiten, die Aufträge fehlen und das Eigenkapital ist oft zu gering. Seite 3 Mit einem neuen digitalen System erfassen Arbeitgeber nun die Daten der Beschäftigten. Gegen die Sammelwut regt sich Protest. Seite 2 Zeitung der IG Metall für die Beschäftigten in der lippischen Kunststoffindustrie Krise Werkzeugbau Nr.8 März 2010 »Wir gehen nicht als Verlierer« vorwort Entschlossen gekämpft, wichtige Teilsiege errungen – aber kein Happy End. Das ist die Geschichte der 25 Beschäftigten von OHS Kunststoffverarbeitung Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sonst drohe den Blockierern ein Ordnungsgeld von 250 000 Euro. Die OHSBeschäftigten verstehen die Welt nicht mehr. »Da werden Menschen mit massiven Geldstrafen bedroht, die nichts anderes versuchen, als ihren Arbeitsplatz zu retten«, ärgert sich Svend Newger, Sekretär der IG Metall Detmold. Doch die unglaubliche Geschichte spricht sich schnell herum. Die Medien berichten. Die Belegschaft muss selbst nicht mehr blockieren. Anwohner, Kollegen benachbarter Firmen und Freunde tummeln sich vor OHS, die Blockade geht weiter. Blockade: Hier kam kein LKW durch, schließlich gab der OHS Geschäftsführer seinen Plan auf, die Maschinen abtransportieren zu lassen. Die letzte Hiobsbotschaft kam am 28. Januar: Die Beschäftigten bei der OHS Kunststoffverarbeitung in Bad Salzuflen erfahren, dass der Hauptkunde – Ninka – abgesprungen ist. Die Folge: Seit dem 1. Februar stehen die Maschinen still. Dass die Maschinen zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch in der Halle an der OttoHahnstraße standen, war nur dem entschlossenen Vorgehen der Belegschaft zu verdanken. Kurz vor Weihnachten, die Beschäftigten waren bereits in den Betriebsferien, fällt Sabahattin Atasayar auf, dass in der Firma Licht brennt. Es ist ein Samstag Nachmittag, und dem Betriebsratsvorsitzenden Atasayar, der gleich um die Ecke zum Werk wohnt, kommt das komisch vor. Er alarmiert die Belegschaft. führer der SEG. Er hatte sich so selbst zur Herausgabe der Maschinen aufgefordert. Wes Geistes Kind er ist, verrät sein Berater Guido Lemke: »Maschinen sind wichtiger als Menschen«, sagt er. Lemke ist übrigens auch Geschäftsführer des »Lotsenhauses«, eines Zusammenschlusses von Sanierungsund Insolvenzberatern. Die Arbeitnehmervertretung von OHS beantragte beim Arbeitsgericht Detmold eine Einstweilige Verfügung gegen die Produktionsverlagerung. Noch bevor sie abgelehnt wird, entscheidet eine andere Instanz, das Amtsgericht Lemgo, auf Antrag von OHS: Der Abtransport der Maschinen darf nicht behindert werden – Am Dienstag, 22. Dezember, erringen IG Metall und Betriebsrat einen Etappensieg: Geschäftsführer Drunagel erklärt sich bereit, die Maschinen im Werk zu belassen. Tags darauf beantragt Drunagel die Insolvenz. Mit dem Insolvenzverwalter verständigt er sich darauf, die Produktion noch bis 31. März 2010 aufrecht zu erhalten. Die Beschäftigten, die seit Oktober keinen Lohn mehr bekommen haben, können jetzt zumindest mit Insolvenzgeld rechnen. Sie sparen an allen Ecken und Kanten, haben sich Geld bei Freunden und Bekannten geliehen. Ende Januar dann folgt das endgültige Aus. IG Metall und Betriebsrat sind sich einig: Der Kampf habe sich – trotz allem – gelohnt. Man dürfe Unrecht nicht tatenlos hinnehmen; man habe anderen Beschäftigten gezeigt, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss, dass auch kleine Belegschaften etwas bewegen können. »Wir gehen nicht als Verlierer vom Hof!« Interessant zu beobachten wird in den kommenden Wochen auch sein, welche Partei was verspricht. Mehr Netto vom Brutto gefällig? Steuerersparnisse für Arbeitnehmer? Mehr Lehrer in den Schulen? Klar ist: Für unsere Einkommen und Arbeitsplätze müssen wir vor allem selber streiten, im Ernstfall brauchen politische Parteien den nötigen Druck von uns, um sich in die richtige Richtung zu bewegen. Für die Redaktion, Martin Brummermann fett-ecke Großer Laden, kleiner Lohn Schnell wird klar: Die Maschinen werden abgebaut. Sie sollen abtransportiert werden. Fünf Laster stehen auf dem Hof bereit. Am Sonntagmittag treffen sich Belegschaft und IG Metall – und beschließen, ab Montagmorgen die Zufahrt zur Firma zu blockieren, um den Abtransport der Maschinen zu verhindern. Wie sich später herausstellt, sollte das Inventar zur SEG Kunststofftechnik nach Hörstel bei Rheine gefahren werden. OHS hatte alles von SEG gemietet – und sollte es wegen Mietrückständen jetzt herausrükken. Er habe davon zu spät erfahren, entschuldigte sich OHS-Geschäftsführer Günter Drunagel, und deshalb den Betriebsrat nicht informieren können. Eine dreiste Lüge, denn Drunagel ist auch Geschäfts- Das Jahr 2010 hat es in sich. Ob sich die Konjunktur stabilisiert oder ob es nochmals einen Rücksetzer gibt, wagt im Moment niemand vorherzusagen. Hinzu kommen Wahlen: Zwischen März und Mai werden die Beschäftigten bei den Betriebsratswahlen an die Urnen gerufen, am 9. Mai folgen Landtagswahlen in NRW. Bis vor kurzem war die Koalition aus CDU und FDP in den Umfragen vorne, aktuell scheint es aber noch einmal spannend zu werden. Die Affäre, in der die CDU bei Parteitagen Standflächen samt inklusivem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten verkauft hat, hat für Wirbel gesorgt und am Image des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers gekratzt. Die Opposition aus SPD, Linkspartei und Grünen tituliert ihn nun als Sozialschauspieler, der nur jahrelang vorgegeben habe, die Interessen der kleinen Leute zu vertreten. Gescheiterter Abtransport: So sah die Halle nach Weihnachten aus. Groß ist gut, dachte sich Familie Schlecker, ließ etliche Filialen ihres Drogerie-Imperiums abreißen und dafür einige wenige große errichten. Doch die schöne neue Welt funktioniert auch weiterhin nur mit Beschäftigten, die die Regale einräumen und abkassieren. Genau an dieser Stelle wurde aus groß auf einmal klein. Vielen Beschäftigten wurde indirekt mit Kündigung gedroht, um ihnen im gleichen Atemzug einen Arbeitsvertrag mit einer Zeitarbeitsfirma vorzulegen. Zu deutlich schlechteren Bedingungen, die Hälfte des Lohnes weg, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr, weniger Urlaubstage. Ganz zufällig wird diese Zeitarbeitsfirma vom ehemaligen Personalleiter von Schlecker geführt. Erst als die Abzocke durch die Presse ging, ruderte Schlecker zurück und kündigte den Vertrag mit der Zeitarbeitsfirma. nachdruck 2 Datenkrake Elena in den Betrieben Mit einem neuen digitalen System erfassen Arbeitgeber nun die Daten der Beschäftigten und geben sie gebündelt weiter. Gegen die Sammelwut regt sich Protest der IG Metall möglichkeiten auszuweiten. »Die Bundesregierung betont zwar die Datensicherheit. Aber wir sagen: Die vielen Skandale der Vergangenheit zeigen: Nur Daten, die nicht erhoben werden, sind wirklich sicher«, ergänzt Hans-Jürgen Urban. aber so wenig wie möglich gespeichert werden, um die Rechte der Beschäftigten nicht auszuhöhlen. Info Interview mit Hans-Jürgen Urban bei YouTube: www.youtube.com/watch?v=0VhuTETHDU Die Kritik zeigt Wirkung Weniger Papier: Elena machts möglich. Doch zu viele Daten werden an die Sammelstelle übermittelt. Elena – es klingt wie ein harmloser, netter Frauenname. In Wirklichkeit verbirgt sich jedoch hinter diesem Namen ein weiteres ursprünglich von Peter Hartz initiiertes Monster, ein Daten-Sammel-Monster. Denn das Konzept dazu geht auf einen Vorschlag der so genannten Hartz-Kommission und auf Forderungen von Arbeitgeberverbänden zurück. Elena (ELektronischer EntgeltNAchweis) sorgt dafür, dass die Daten von rund 40 Millionen Beschäftigten bei einer zentralen Stelle gespeichert werden, auf die etwa die Agenturen für Arbeit bei Bedarf zugreifen können. Der Startschuss für Elena fiel am 1. Januar 2010, die Testphase läuft bis 2012, danach sollen Arbeitgeber keine Entgeltbescheinigungen mehr in Papierform ausstellen. Stattdessen erhalten die Arbeitnehmer eine Chipkarte, auf der alle Daten gespeichert sind, auf die sie aber keinen Einfluss nehmen können. Seit dem 1. Januar melden die Arbeitgeber monatlich die Entgeltdaten ihrer Mitarbeiter an eine Zentrale Speicherstelle (ZSS). Diese Zentrale Speicherstelle speichert und verwaltet diese Daten nicht nur, sondern übermittelt sie auch an Behörden, die diese Angaben zum Beispiel zur Gewährung von Sozialleistungen wie Wohngeld oder Arbeitslosengeld benötigen. Elena wird von der Bundesregierung als Meilenstein auf dem Weg zur Entbürokratisierung gefeiert. Doch die neue Datenerfassung stößt auf Kritik von Gewerkschaften und Datenschützern. Der Bundesdatenschutzbeauftrage Peter Schaar fragt, ob die Datensammlung tatsächlich verhältnismäßig sei. Hans-Jürgen Urban, ge- schäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, kritisiert: »Es werden millionenfach Daten gespeichert, für die es keinen legalen Verwendungszweck gibt«. Von der beabsichtigten Kostenersparnis könne keine Rede sein, erklärt Urban weiter, da millionenfach Daten erhoben werden, die nie benötigt würden, da die meisten Bürger weder Wohngeld, Eltergeld oder Arbeitslosengeld beantragen würden. Bliebe Elena, wie es ist, würden über 60 Seiten Daten über jeden einzelnen Beschäftigten gespeichert. Die Kritik richtet sich nicht nur gegen das Speichern an sich, sondern gegen den Umfang. Die Kritik von Gewerkschaften und Datenschützern zeigt inzwischen Wirkung. Das Bundesarbeitsministerium hat zugesagt, die Zahl der Datensätze zu verschlanken, »in Kürze« sei mit einem überarbeiteten Datenfragebogen zu rechnen. Klar ist wohl bereits, dass etwa die Datenerhebung über die Teilnahme an Streiks herausgenommen wird, da dies Rückschlüsse auf eine Gewerkschaftszugehörigkeit zuläßt. Eine Verarbeitung solcher Daten ist nach der Europäischen Datenschutzrichtlinie aber grundsätzlich untersagt. Das Kernproblem von Elena bestehe aber weiter, erklärt Hans-Jürgen Urban: »Es werden Daten auf Vorrat gespeichert und es ist bisher nicht gewährleistet, was damit geschieht«. Urban fordert vor allem bei Bereichen wie Kündigung mehr Vorsicht: »Es gibt eine ganze Reihe von Fragen, die auf den ersten Blick harmlos erscheinen. Im Gesamtzusammenhang können sie jedoch ganz brisante Wirkungen entfalten. Es gibt zum Beispiel überhaupt keinen Grund über Kündigungsstreitigkeiten Details zu ermitteln«. Die IG Metall zielt darauf ab, dass nur so viel Daten wie nötig, Sparsam sein mit den Daten Ein Kommentar von Silke Bäcker-Hanke Elena macht deutlich, dass nicht alles, was dank moderner Informationstechnologien möglich ist, auch gut ist. In Zukunft heißt es daher für uns alle, wachsam darauf zu achten, welche und wie viele Daten über uns alle gespeichert werden. Denn der gläserne Bürger ist sicherlich nicht der erstrebenswerte Zustand für unsere Zukunft. Zudem haben Daten in unserer heutigen Welt nicht nur einen Informationswert, sondern werden auch bei Bedarf mit viel echtem Geld bezahlt. Diese Datenbank wird daher sicherlich ein gefundenes Fressen für Hacker, Schnüffler und Datenhändler sein, sollten sie, auf welchen Wegen auch immer, Zugang zu ihr bekommen. Denn zentral gespeicherte Daten laden immer zum Mißbrauch geradezu ein. Daher sollten wir alle auch unseren Umgang mit anderen persönlichen Daten überdenken, denn nur nicht erhobene oder leichtfertig weitergebene Daten sind wirklich sichere Daten. Es wird nicht nur gespeichert, was jeder Arbeitnehmer verdient, sondern auch, wann – und wenn ja, wie oft – man sich krank gemeldet hat, wann – und wenn ja, wie oft – man erlaubt oder unerlaubt gestreikt hat, wann – und wenn ja, warum – man eine Abmahnung kassieren musste, und warum man entlassen wurde. Zudem gibt es Textfelder, in die der Arbeitgeber beliebige Angaben oder gar Bemerkungen eintragen kann. Alle Daten werden fünf Jahre lang gespeichert. »Das akzeptieren wir nicht«, erklärt Hans-Jürgen Urban, »diese Sammelwut ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen«. Datenschützer befürchten auch, dass die Daten nicht sicher sind oder von anderen Stellen abgerufen werden könnten. Eine solch riesige und sensible Datenmenge weckt Begehrlichkeiten, die Nutzungs- So soll es gehen: Dreh- und Angelpunkt des Systems ist die Zentrale Speicherstelle. Noch bis Mai laufen die Betriebsratswahlen. Betriebsratswahlen sorgen dafür, dass die Beschäftigten im Betrieb ihre Interessen einbringen können. Auf betrieblicher Ebene vertritt der Betriebsrat die Beschäftigten. Der kann etwa bei Einstellungen, Entlassungen oder Veränderungen der Betriebsorganisation mit entscheiden. Auch in alltäglichen Fragen bestimmen Betriebsräte mit. Wer die Interessen der Beschäftigten vertreten will, braucht ein umfangreiches Wissen über Verordnungen, Gesetze und Urteile. Die IG Metall bietet ihren Betriebsräten Informationen zu einer Fülle von Fachthemen. Viele IG Metall-Betriebsräte sind zudem in Netzwerken organisiert und unterstützen sich gegenseitig. »Wählen gehen ist wichtig, weil so Demokratie im Betrieb hautnah erlebt und mitgestaltet werden kann. Darum habe ich mich als Kandidat zu dieser Wahl gestellt. Wir haben erfahren, was es bedeutet einen starken Betriebsrat zu haben. Ich möchte dabei mitmachen und meinen Horizont erweitern. Das Wohl der Beschäftigten darf nicht zu kurz kommen.« nachdruck Frühlingsanzeichen in der Branche recht praktisch Insgesamt hat sich die Lage in der lippischen Kunsstoffindustrie in den vergangenen drei Monaten weiter stabilisiert Altersgrenze bei Kündigungen ist unzulässig Die Situation im Coko-Werk hat sich erfreulicherweise stabilisiert. Deutliches Zeichen dafür ist, dass wieder Leiharbeiter im Betrieb sind, auch Netzwerker werden eingesetzt. Leider ist im März aber auch wieder in einigen Bereichen Kurzarbeit nötig. Es ist noch nicht bei allen Kunden eine Erholung der Situation spürbar. Die Möglichkeit zur Kurzarbeit ist noch bis Juni vereinbart. Der Betriebsrat steht mit der Geschäftsleitung in Verhandlung über die Einführung von Arbeitszeitkonten. Dieses soll der Flexibilisierung dienen und wird dem Unternehmen auch Geld sparen. Es gibt noch Differenzen zwischen den Parteien. Martin Brummermann, Betriebsrat beim Coko-Werk, ist aber optimistisch, dass es klappt. »Es ist wichtig, dass solche Vereinbarungen für alle Arbeitnehmer gelten«, sagt er, es müssten dadurch Arbeitsplätze gesichert werden. »Wenn schon möglicherweise weniger Geld in der Lohntüte ist, dann nur mit Jobgarantie«. Im ersten Jahr nach der Insolvenz hat die Brandt ETK GmbH & Co. KG sich wieder erfolgreich für den Markt aufgestellt. Mit Hilfe der Kurzarbeit ist es gelungen die anfänglichen Auftragsschwankungen gut zu Überstehen. Auch Qualifizierungsmaßnahmen sind in den vergangenen Monaten mit Erfolg angegangen worden. Auch eine Zertifizierung nach ISO 9000 konnte schon nach neun Monaten erreicht werden, die Vertrauen für alte und neue Kunden in die Leistungsfähigkeit bringen soll. Die alten und auch schon neue Kunden sorgen mittlerweile für eine gute, wenn auch nur kurzfristige Produktionsauslastung, die mit motivierten Kolleginnen und Kollegen geschafft werden kann. Das Unternehmen blickt zuversichtlich in die Zukunft, da von vielen Seiten Aufträge plaziert und in Aussicht gestellt werden, die die Kurzarbeit auf ein Minimum reduzieren. Mit einem nach der Betriebsratswahl gestärkten Betriebsrat wird versucht auch weiterhin ein optimales Ergebnis für die Kolleginnen und Kollegen auf Basis des Tarifvertrages »Zukunft in Arbeit« zu erreichen. Bei Linpac ist Kurzarbeit vereinbart bis 30. April 2010, zugleich sind betriebsbedingte Kündigungen bis Ende Juli ausgeschlossen. Die Auftragslage hat sich leicht verbessert. Sieben Beschäftigte haben am Seminar AN1 (Arbeitnehmer) in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft in Form eines Bildungsurlaubs erfolgreich teilgenommen. Zudem hat LINPAC das HSHE-Sicherheitsaudit erfolgreich abgeschlossen. Bei Honasco sind die Auftragseingänge bis Ende März recht gut, was danach kommt, sei noch nicht absehbar, erklärt die Geschäftsleitung. Die Vorsicht begründet sich mit den unsicheren Prognosen über die Entwicklung in der Automobilindustrie. Die aktuell stabile Lage zeigt sich auch darin, dass auf die geplante Kurzarbeit in den ersten zwei Monaten des Jahres verzichtet werden konnte. Im Gegenteil: Da Honasco bei einigen Produkten kaum nachkommt, wurde bei der Bezirksregierung Detmold eine Genehmigung für Sonntags- und Feiertagsarbeit beantragt. Die Bezirksregierung hat dies für die nächsten fünf Jahre genehmigt. Die Rahmenbedingungen dazu, wie Betriebsvereinbarung und Personalplanung, werden zurzeit zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat erarbeitet. Auch bei Friedrichs & Rath hat sich die Lage weiter entspannt. »Die gesamte Situation bei Friedrichs & Rath sieht nicht schlecht aus«, berichtet Matthias Mürkens, Betriebsratsvorsitzender. Nach derzeitigem Stand soll im Laufe des Monats April die Kurzarbeit bis auf weiteres ausgesetzt werden. Zugleich soll die Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit bis November 2010 verlängert werden, um eventuellen Auftragsrückgängen schnellstmöglich entgegen wirken zu können und Kündigungen zu vermeiden. Angespannte Lage im Maschinenbau Viele Kunststoffbetriebe haben ihren Werkzeugbau ausgelagert. Die Werkzeugbauer befinden sich in der Krise: weniger Aufträge, Kapazitätserweiterungen und geringes Eigenkapital sorgen dafür Die Situation im Maschinenbau in Lippe ist aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung äußerst angespannt. Dieses ist darauf zurückzuführen, dass die Werkzeugbaufirmen im Jahr 2009 noch einen Auftragsvorlauf hatten, der weiter reichte als in der übrigen Industrie. Von daher wirkte sich die Finanz- und Wirtschaftskrise zunächst nur sehr gering aus. Die Problematik im Maschinenbau begann allerdings sehr wohl mit dieser Krise, da keine neuen Investitionen in der Industrie vorgenommen wurden und dadurch keine weiteren Aufträge mehr erteilt wurden. Einhergehend mit dieser Entwicklung nahmen jedoch etliche Werkzeugbauer Erweiterungsinvestitionen ihrer Betriebsanlagen vor, in der Annahme, diese zukünftig aus- lasten zu können. Als weiteres Problem stellte sich in der Folge dann heraus, dass der Eigenkapitalanteil einiger Werkzeugbaufirmen zu gering war. Die sich ab der zweiten Jahreshälte 2009 abzeichnende Entwicklung des stark abnehmenden Auftragsbestands, überproportionaler Kapazitätserweiterung und der zu geringe Eigenkapitalanteil führte zu der Problematik, keine oder nicht mehr ausreichende Kredite von den Geldinstituten erhalten zu können. Mit den Insolvenzen von T/Mould, in der Folge dann bei Werkzeugbau Beckmann, Manfred Weege werkzeugbau und einigen weiteren kleineren Werkzeugbauunternehmen treten diese Problem nun zu Tage. Sicherlich ist das Tal im Werkzeugbau »Ohne Betriebsrat sind wir Arbeitnehmer der Willkür des Arbeitgebers schutzlos ausgeliefert. Kein Betriebsrat heißt keine Mitbestimmung. Darum ist es wichtig, dass ein Betriebsrat gewählt wird und dass alle Beschäftigten zur Wahl gehen.« damit noch nicht erreicht. Für 2010 ist in noch weiteren Unternehmen mit derartigen Problemen zu rechnen. Hoffnung in dieser Situation macht jedoch die offensichtlich wieder anziehende Konjunktur in der Metall- und Elektroindustrie und in der Kunststoffindustrie, sowie ein beträchtlicher Modellwechsel in der Automobilindustrie. Hier ist zu erwarten, dass die Firmen zukünftig wieder verstärkt Aufträge an die Werkzeugbaufirmen erteilen werden und die KFZ-Hersteller für die neuen Modellreihen neue Werkzeuge benötigen. 3 Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Regelungen über Kündigungsfristen in Deutschland als unzulässige Altersdiskriminierung verworfen. Eine Vorschrift, wonach nur die Betriebszugehörigkeit nach dem 25. Geburtstag die Kündigungsfrist verlängert, dürfe ab sofort nicht mehr angewendet werden, so die Richter. Im Bürgerlichen Gesetzbuch steht, dass Zeiten, die man vor der Vollendung des 25. Lebensjahres im Betrieb gearbeitet hat, nicht angerechnet werden müssen. So wurde auch bei einer 28-jährigen Düsseldorferin verfahren. Sie hatte seit ihrem 18. Lebensjahr in einer Essener Firma gearbeitet und war nach zehn Jahren entlassen worden – mit einer Kündigungsfrist von lediglich einem Monat. Denn der Arbeitgeber berücksichtigte nur die drei Jahre der Betriebszugehörigkeit, die nach ihrem 25. Lebensjahr lagen. Hätte er die gesamte Betriebszugehörigkeit berücksichtigt, hätte ihr eine Kündigungsfrist von vier Monaten zugestanden. § Die ehemalige Mitarbeiterin zog dagegen vor Gericht. Das deutsche Gericht leitete den Fall an den Europäischen Gerichtshof weiter, um die Vereinbarkeit der deutschen Kündigungsregeln mit dem europäischen Recht prüfen zu lassen. Und das Urteil der Richter ist eindeutig: Das deutsche Arbeitsrecht widerspricht in diesem Punkt dem EURecht. Denn das verbietet eine Diskriminierung wegen des Alters. Eine solche Ungleichbehandlung sei aber gegeben, wenn Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr bei der Festlegung der Kündigungsfristen nicht berücksichtigt werden. In Deutschland wird diese Schlechterstellung jüngerer Arbeitnehmer damit begründet, dass diesen eine größere berufliche und persönliche Mobilität zugemutet werden könne. Diese Begründung wurde vom EuGH verworfen, weil die Regelung für alle Arbeitnehmer gilt, die vor dem 25. Lebensjahr in den Betrieb eingetreten sind, unabhängig davon, in welchem Alter die Kündigung erfolgt. Die Luxemburger Richter wiesen die deutschen Gerichte an, die für unrechtmäßig befundene Klausel nicht mehr anzuwenden. Das heißt: Unabhängig davon, ob und wann die Bundesregegierung das Arbeitsrecht ändert, kann sich jeder nun in einem Rechtsstreit auf das EuGH-Urteil berufen. In Anbetracht dieser Bewertung dürften die Werkzeugbauer, die 2010 dieses Tal erfolgreich durchschreiten, anschließend gestärkt aus dieser Krise herauskommen. »Ich gehe zur Betriebsratswahl, weil wir auch in den nächsten vier Jahren eine starke, kompetente Arbeitnehmervertretung in unserem Betrieb brauchen!« nachdruck 4 »Groß etwas planen geht da nicht« Leiharbeiter müssen flexibel sein. Dafür bekommen sie wenig Geld und haben kaum Aussichten, wieder einen festen Job in einem Betrieb zu bekommen. Ein Interview Petra B.* ist 56 Jahre alt und lebt in Lippe. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Lange Jahre hat sie ihren erlernten Beruf als Näherin in einem regulären Arbeitsverhältnis ausgeübt, mit 50 Jahren machte ihre Firma pleite. Seitdem hält sie sich mit Leiharbeit über Wasser. * Name von der Redaktion geändert Wie bist Du zur Leiharbeit gekommen? Nach der Insolvenz, mit anschließender Schließung meiner damaligen Firma, ist es mir auch nach circa 50 Bewerbungen nicht gelungen eine Festeinstellung in meinem erlernten Beruf zu bekommen. Da blieb mir nur der Gang zu einer Leiharbeitsfirma. Wie lange arbeitest Du schon als Leiharbeiterin? Seit Mai 2007. Und ich frage mich oft, ob ich das bis zu meiner Rente wohl durchziehen muss, welch eine Aussicht. Eigentlich mache ich mir keine großen Hoffnungen mehr, dass sich da noch was ändern wird, gerade für uns ältere Beschäftigte sind die Aussichten nicht rosig. Ich weiß auch nicht, ob ich diese Arbeit noch sechs Jahre gesundheitlich durchstehe. Wenn nicht, wie komme ich dann über die Runden? Dann sage ich mir immer: Nicht runterziehen lassen. Was sollen die jungen Leute erst sagen, die in Leiharbeit sind und da ganz schlecht wieder raus kommen. Musstest Du die Verleihfirmen schon mal wechseln? Svends Nussecken Vorsicht Cartoon! Ja, es gibt eine ganze Reihe von Verleihern. Mein letzter hat mir gekündigt, weil in der Firma bei der ich beschäftigt war, wegen Auftragsmangel sämtliche Leiharbeitskräfte sozusagen freigestellt wurden. Wie sehen die Arbeitsbedingungen aus? Die Arbeitszeiten sind zurzeit okay, 37 Wochenstunden. Doch die Firmen, bei denen ich eingesetzt werde, können wechseln. Die Benachrichtigung wann ich wo gebraucht werde, kommt leider immer erst am Wochenende, groß etwas planen geht da gar nicht. Schon des öfteren musste ich an Wochenenden arbeiten, es kann aber sein, dass ich in der folgenden Woche zwei oder drei Tage frei habe. Die Stunden fehlen mir dann oder ich werde kurzfristig woanders eingesetzt, das ist auch nicht das Tollste. Wird der Arbeitsschutz ernst genommen, auch von Deiner Verleihfirma? Ich bin im jetzigen Betrieb unterwiesen worden, also auf Gefahren hingewiesen worden. Dies wurde auch schriftlich niedergelegt. Meine Verleihfirma hat mir Sicherheitsschuhe zur Verfügung gestellt. Wie geht die Stammbelegschaft mit Dir um? Sie sind, bis auf wenige Ausnahmen, korrekt, freundlich und hilfsbereit. Aber auch das habe ich schon anders erlebt. Wie kommst Du mit dem Verdienst klar? Finanziell ist es kaum zu schaffen, tariflich liegen wir da unter 8 Euro, da sind große Sprünge nicht drin. Ich spare an allen Ecken und Kanten, um über die Runden zu kommen. Das frustriert schon öfters. kurz berichtet Immer ein guter Klick Das Rezept reicht für 24 leckere Nussecken. So gehts: Mürbeteig machen mit 300 g Mehl, 1 TL Backpulver, 130 g Zucker, 2 Pck. Vanillezucker, 2 Eier, 130 g Margarine. Den Teig auf einem Kuchenblech ausrollen. Den ausgerollten Teig mit Aprikosenmarmelade dünn bestreichen. Dann den Belag herstellen: 200 g Margarine (Butter), 200 g Zucker, 2 Pck. Vanillezucker, 4 EL Wasser. Die obigen Zutaten im Kochtopf erhitzen, dann 200 g gehackte Nüsse und 200 g gemahlene Nüsse unterheben. Die Nussmasse auf dem Teig verteilen. Im Heißluftherd bei 190°C maximal 30 Minuten backen. Schokoladencouvertüre im Wasserbad (nicht zu heiß) auflösen und über die Ecken der Nussecken mit einem Löffel verteilen. Guten Appetit! IG Metall – Eine starke Gemeinschaft. Jetzt Mitglied werden! Die Beitrittserklärung können Sie bei Ihrem Betriebsrat, bei den Vertrauensleuten der IG Metall und in der Verwaltungsstelle der IG Metall in Detmold, Gutenbergstr. 2, 32756 Detmold, abgeben. Wer wissen will, was gerade aktuell ist in der Arbeitswelt, dem sei die neu gestaltete Internet-Seite der IG Metall Detmold empfohlen. Dort stehen Neuigkeiten aus der IG Metall, Berichte über Aktionen und Arbeitskreise und Neues aus den Betrieben in Lippe. Mitglieder können dort ihre geänderten Daten durchgeben oder – ganz aktuell – Karten für die Hannover-Messe ordern. Auch die Ausgaben der Zeitung ›Nachdruck‹ lassen sich dort nachlesen. www.detmold.igmetall.de Wer sich weiterbilden und an gewerkschaftlichen Diskussionen beteiligen will, dem sei das neue, im Dezember 2009 gestartete Debattenmagazin des Deutschen Gewerkschaftsbundes empfohlen: www.gegenblende.de Ein internationales Projekt von Gewerkschaften und der Europäischen Union, begleitet von der Universität Amsterdam, vergleicht europaweit Löhne und Gehälter. Wer verdient wieviel in der EU? www.lohnspiegel.de __________ Impressum ›Nachdruck‹ Zeitung der IG Metall für die Beschäftigten in der lippischen Kunststoffindustrie Redaktion: Silke Bäcker-Hanke, Martin Brummermann, Horst Gromann, Susanne Herrmann, Elmar Kleine-Grauthoff, Jürgen Küstermann, Beate Linke-Niehage, Matthias Mürkens, Svend Newger, Dajana Nüsse-Klamann, Sergio Vezzon Cartoon S.4: Harm Bengen Fotos S.1 oben: Moritz Winde (Westfalen-Blatt) Redaktionsleitung, Layout und Satz: Manfred Horn Verantwortlich i.S.d.P.: Reinhard Seiler, IG Metall Detmold, Gutenbergstr. 2, 32756 Detmold, fon 05231. 99 190, eMail [email protected] Druck: apm AG, Darmstadt Wir freuen uns über LeserInnenbriefe und Rückmeldungen. Vielleicht wissen Sie, weißt Du, von einem Thema, über das wir berichten sollten. Schreibe eine eMail mit dem Betreff ›nachdruck‹ an: [email protected] oder einen Brief an unsere Redaktionsadresse: IG Metall Detmold, Gutenbergstr. 2, 32 756 Detmold