Laserstrahl-Remoteschweißen

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Laserstrahl-Remoteschweißen
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Laserstrahl-Remoteschweißen
Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung anhand system- und
prozesstechnischer Beispiele
Florian Albert, Alexander Müller und Pravin Sievi
Das
Laserstrahl-Remoteschweißen
erfährt zunehmend an industrieller
Bedeutung. Immer neue Aufgabengebiete erschließen sich mit dieser Technologie. Als Vorreiter treten neben
dem Automobilbau heute zunehmend
auch mittelständische Unternehmen
aus dem metallverarbeitenden Gewerbe in den Vordergrund. Für alle
Anwender stellt sich jedoch stets die
Frage: Welche der am Markt verfügbaren Systeme sind für mich technisch
sinnvoll und wirtschaftlich betreibbar? Der Beitrag soll anhand systemund prozesstechnischer Beispiele darauf Bezug nehmen.
Das Prinzip des LaserstrahlRemoteschweißens
Prinzipiell besteht eine Schweißoptik
für das Laserstrahl-Remoteschweißen
aus einem optischen Aufbau mit einer oder mehreren angetriebenen
Ablenkeinheit(en), so genannten Spiegeln oder Scanner-Modulen. Sie positionieren den Laserspot im Bereich des
Arbeitsfeldes der Optik. Dadurch ist es
möglich, beliebige, festigkeitsgerechte
Komponente
Vorteile
Roboter-adaptierte
Systeme ermöglichen:
■■
Scanner ermöglichen:
■■
Sensorik ermöglicht:
Spiegel
Abb. 1 Post-Objective-Scanning [8]
Abb. 2 Pre-Objective-Scanning [8]
Schweißmuster und -formen auf die zu
verschweißenden Baugruppen zu applizieren, ohne die Optik dabei zwingend
bewegen zu müssen. In der Regel ist die
Schweißoptik natürlich dennoch an einer bewegbaren Führungsmaschine –
typisch sind Knickarmroboter – angebracht, wodurch Schweißoperationen
an großen Bauteilen im dreidimensionalen Raum flexibel durchführbar sind.
Schweißoptiken für das LaserstrahlRemoteschweißen weisen große Arbeitsabstände auf, realisiert durch Fokussierbrennweiten meist größer f =
500 mm. Sie lassen sich kollisionsfrei
über Spannvorrichtungen führen. Im
Vergleich zum konventionellen Laserschweißen entfällt das zeitaufwändige
Positionieren der Optik zwischen den
einzelnen Schweißaufgaben. Dabei
stellen der Roboter und der RemoteSchweißkopf ein kinematisch gekoppeltes System dar, dessen Steuerungslösung essenziell für den Erfolg der
Fügeaufgabe ist. Die Kombination des
Laserstrahls mit einer Remote-Optik
ist somit eine ideale Verbindung, bei
der das Werkzeug Licht mit hochperformanten Ablenkeinheiten kombiniert
wird. Tab. 1 zeigt die aus der Verwendung
der jeweiligen technischen Lösung resultierenden Vorteile im Kontrast zu aus
technischer und wirtschaftlicher Sicht
zu beachtenden Kenngrößen.
Doch: Ist Laserstrahl-Remoteschweißen eigentlich gleich LaserstrahlRemoteschweißen? Welche Verfahrensvarianten und Technologiepakete gibt
es und welche sind notwendig?
Nachfolgend werden Unterschiede
der wichtigsten Verfahrensvarianten
diskutiert und prozesstechnische Optionen, die verschiedene Technologiepakete – wie z. B. Fügestoßerkennung,
Strahlmodulation, Spaltdetektion – bieten, aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten beantwortet.
Kenngrößen
■■
Minimierte Verfahrzeiten zwischen den
Nähten
■■ Reduzierte Taktzeiten
■■ Sehr hohe Ausbringung
■■
Festigkeitsgerechte Schweißkonturen
Bauteilgerechte Lösungen
■■ Gesicherte Qualität
■■
Welche Sensorik wird benötigt?
■■
Gute Zugänglichkeit an das Bauteil
Geringe Störkonturen und Kollisionsgefahren
■■ Erhöhter Schutz der optischen Elemente
■■
■■
■■
Abbildung und Brennweite
Störkontur
■■
Laser Technik Journal
4/2013 Notwendige roboterspezifische Steuerungsschnittstellen sind zu betrachten
Feldgröße
Systemaufbau
■■ Verbrauchskosten
■■
Tabelle 1 Vorteile und Kenngrößen der robotergeführten Remote-Technologie.
28 Rohstrahl
F-Theta
Fokus-shifter
Fast beliebige Werkstückgrößen
Flexible und betriebswirtschaftlich
günstige Lösungen
■■
Spiegel
Linsensystem
Verfahrbare
Linse
■■
Großer Arbeitsabstand
ermöglicht:
Rohstrahl
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Remote-Bearbeitung
Verfahrensvarianten des
Laserstrahl-Remoteschweißens
Qualitätssystem
Faserkopplung
Es werden prinzipiell zwei verschiedene
Lösungsansätze unterschieden:
Kollimation
Nahtführkamera
Scannereinheit
Post-Objective Scanning
Strahlablenkung in der Optik nach der
Fokussierlinse (Abb. 1), [8].
n Der kollimierte Laserstrahl wird
durch die Fokussierlinse fokussiert und
anschließend mit einem beweglichen
Spiegel (auch Ablenkeinheit oder Scanner-Modul) abgelenkt.
n Der Fokus bewegt sich auf einer
Kreisbahn. Der Laserspot muss daher
abhängig von der z-Lage bzw. der Scannerposition ständig nachgeführt werden.
Objektiv
Projektor
Strahlteiler
Objektivschutz
(Schutzglas, Crossjet)
Abb. 3 PreObjectiveScanning,
Beispiel eines
Systems
inkl. weiterer
Module von
Scansonic.
Bauteil
x-Richtung/Vorschubrichtung
Pre-Objective Scanning
Strahlablenkung in der Optik vor der
Fokussierlinse (Abb. 2), [8].
n Der kollimierte Rohstrahl wird erst
durch einen Spiegel (auch Ablenkeinheit oder Scanner-Modul) abgelenkt
und anschließend über ein Plan-FeldObjektiv (F-Theta) fokussiert.
n Das F-Theta-Objektiv ermöglicht,
dass sich der Laserspot über das Arbeitsfeld in einer Ebene bewegt. Es sind
keine weiteren Korrekturmaßnahmen
oder eine Feldentzerrung notwendig.
Da in der Regel der Anwender keine
ebenen Bauteile schweißt, muss bei
beiden Varianten die z-Lage über eine
entsprechende Aktorik ständig nachgeführt werden. Dies geschieht durch
hochdynamische Optikeinheiten, so
genannte Autofokus-Module. Der numerische Aufwand bei den Post-Objective Systemen ist hierbei höher, da die
Feldentzerrung nicht nur abhängig der
z-Lage, sondern auch von den Achspositionen des oder der Spiegel berechnet
und umgesetzt werden muss.
Neben den zwei prinzipiellen Aufbauarten werden noch weitere Module
am Beispiel einer Post-Objective-Remoteoptik benötigt (Abb. 3). Im Beispiel
handelt es sich um eine Kollimation,
die Autofokus-Einheiten, zusätzliche
Strahloszillationseinheiten, notwendige
Qualitätssensorik und Nahtführung mit
deren notwendiger Beleuchtung.
Man kann festhalten: Es gibt mehrere
technische Lösungen, die jeweils auf
verschiedenen Ansätzen basieren. Doch
was bedeutet Pre-Objective- und PostObjective-Scanning bezüglich wirtschaftlichem Einsatz der Technologie?
Umlenkeinheit
Arbeitsfeld versus
Verbrauchskosten
Die erste Maßgabe für die Wahl einer
Bearbeitungsoptik für das LaserstrahlRemoteschweißen richtet sich nach
der tatsächlich benötigten Größe des
Arbeitsfeldes, also dem Feld, das ohne
Bewegung der Führungsmaschine über
die Ablenkeinheiten erreicht werden
soll. Dieses muss individuell und abhängig von der Nahtanzahl, den Nahtlängen, den Nahtlagen zueinander und
den Nahtformen sowie der Bauteil-3DKontur durch Abschätzungen oder gar
Bauteil-Simulationen ermittelt werden.
Pre-Objective-Scanning-Optiken erreichen sehr große Arbeitsfelder, mit
denen abhängig von der verwendeten
Fokussierbrennweite eine Größe von
200 mm × 300 mm i. d. R. erfasst wird.
Post-Objective-Scanning-Bearbeitungsoptiken können aufgrund der notwendigen Nachführung der z-Position
des Laserstrahls hier nicht ganz mithalten. Typisch wird meist die Hälfte des
Arbeitsfeldes abgedeckt.
Doch was ist nun praxisrelevant? Bei
sehr vielen industriellen Anwendungen der Remotetechnik wird tatsächlich nur eine Größe des Arbeitsfeldes
von 50 % des oben genannten Wertes
genutzt. Gründe sind die Anordnung
und die Lage der Schweißnähte auf den
Baugruppen und die typisch gewählte
Schweißgeschwindigkeit zwischen 4
bis 6 m/min bei Robotervorschubgeschwindigkeiten um zirka 8 m/min.
Die Frage, welches System geeignet
ist, entscheidet folglich die Lage und
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die Anzahl der Schweißnähte. Eine
möglichst genaue Beantwortung dieser
Frage hat wirtschaftliche Auswirkungen.
Um das vom Anwender tatsächlich
benötigte Arbeitsfeld zu erreichen,
ist beim Pre-Objective-Scanning ein
aufwändiges und geometrisch großes
Linsensystem vorgesehen. Dieses wird
durch entsprechend große Schutzgläser
(Durchmesser ~ 5 – 6 Zoll) geschützt.
Ihr Preis ist um den Faktor 8 – 10 höher
als handelsübliche 2-Zoll-Schutz­gläser,
die typischerweise bei Post-ObjectiveScanning-Optiken eingesetzt werden.
Dies ist ein wichtiger wirtschaftlicher
Aspekt bei Schweißprozessen, die
Schmauch oder gar eine erhöhte Spritzerbildung verursachen. Der Schutzglasverschmutzung wird – sowohl
bei Pre- als auch bei Post-ObjectiveScanning-Optiken – durch sogenannte
Crossjets entgegnet. Ein Crossjet verteilt unmittelbar unter dem Schutzglas
komprimierte Luft und bläst Schmauch,
wie Spritzer weitestgehend in Richtung
Absaugung. Aufgrund der unterschiedlichen Dimension der Schutzgläser
beider Verfahrensvarianten und der
Notwendigkeit, dass ein Crossjet über
die gesamte Breite des Schutzglases eine
Schutzwirkung aufbauen muss, sind
diese in der Regel mehrstufig.
Zum Vergleich: Der groß dimensionierte Crossjet bei Pre-Objective-Scanning-Optiken verursacht einen Druckluftverbrauch von bis zu 2200 l/min.
Bei einem Druckluftpreis von 0,1 €/m³
und einer Jahresproduktion – angeLaser Technik Journal
4/2013 29
Durchschüsse / Poren pro 100 mm Schweißnaht
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16
I-Naht am Überlappstoß
14
Kehlnaht am Überlappstoß
12
TruDisk 5001; LLK 200 µm
RLW-A; dSp = 0,56 mm
P = 3,5 kW; v = 6 m/min
Bleckdicke: 0,6 mm/0,6 mm
Schweißnahtlänge 100 mm
10
8
6
n = 10
4
2
0
techn. Nullspalt 25 µm Spalt 50 µm Spalt
Abb. 4 An­­zahl Durch­
schüsse /
Spritzer beim
Schweißen
verzinkter
Bleche mit
Scansonic
RLW-A.
k. D.
100 µm Spalt
nommen werden drei Schichten bei 230
Tagen, bei einer Taktzeit von 60 s und
einer Schweißzeit pro Takt von 40 % –
ergeben sich jährliche Verbrauchskosten von bis zu rund 25 000 € allein
für Druckluft. Im direkten Vergleich
werden bei einem Post-ObjectiveScanning-Bearbeitungskopf mit deutlich kleineren Schutzgläsern laufende
Kosten, die im gleichen Rechenbeispiel
um ca. 30 – 50 % geringer ausfallen,
erreicht. Es kann sich also durchaus
lohnen, die Frage des erforderlichen
Arbeitsfelds und der geeigneten Verfahrensvariante vorab genau zu klären.
Welches Technologiepaket bringt
weitere wirtschaftliche Vorteile?
Technologiepaket Nahtführung
Nahezu jeder Laserschweißprozess
erfordert eine genaue Positionierung
des Laserstrahls auf dem Werkstück.
So kann sichergestellt werden, dass die
korrekte Einschweißtiefe erreicht, die
Gefügeausbildung positiv beeinflusst
und die geforderte Nahtart korrekt abgebildet wird. Gerade bei der Remote-
Die Firma
Scansonic MI GmbH
Berlin
Die Scansonic MI GmbH entwickelt und produziert Systemtechnik für das automatisierte
Fügen in modernen Fertigungsprozessen. Mit
neuen Verfahren und Produkten erweitern sie
die Grenzen des technisch Machbaren. Die
Scansonic MI GmbH erschließt ihren Kunden die
Vorteile der Laser- und Lichtbogentechnologie
– für höhere Effizienz, Präzision und Qualität in
der Fertigung. Beim nahtgeführten Schweißen
und Löten bieten sie die derzeit effektivsten und
zuverlässigsten Lösungen.
www.scansonic.de
30 Laser Technik Journal
4/2013 bearbeitung ist das aber kompliziert.
Die Bauteile und die Spannvorrichtung
sind toleranzbehaftet, die Führungsmaschine unter Berücksichtigung des
großen Arbeitsabstands zwischen Optik und Werkstück zu ungenau. Die
Folge war bisher: Der Laserstrahl trifft
lokal nur unpräzise auf die Werkstücke
und das Remoteschweißen war nur an
I-Nähten am Überlappstoß wirklich
sinnvoll. Es muss zudem der Verbindungsflansch derart groß gewählt werden, dass auch bei Aufsummierung aller
Toleranzen der Flansch noch getroffen
wird. Es handelt sich zunächst um einen
indirekten Wirtschaftlichkeitsverlust,
da mehr Material an den Schweißbaugruppen vorgesehen werden muss.
Welche wirtschaftlichen Vorteile
sind zu erwarten, wenn es gelänge,
den Laserstrahl auch beim Remoteschweißen genau zu führen? Am konkreten prozesstechnischen Beispiel
„Schweißen verzinkter Stahlbleche“ soll
auf diese Frage eingegangen werden.
Beim I-Nahtschweißen verzinkter
Bleche im Überlappstoß treten bei unzureichend großem Spalt zwischen den
Blechen Nahtfehler wie Durchschüsse
oder Poren auf. Das beim Schweißen
verdampfende Zink kann nur ungenügend entgasen und sucht den Weg
des geringsten Widerstands durch das
Schmelzbad.
Abhilfe schafft an dieser Stelle und
bis heute nur die Einstellung eines definierten Spalts, z. B. durch Lasernoppen
in einer separaten Bearbeitungsstation,
oder die Änderung der Anstellwinkel
der Bauteile. Eine separate Bearbeitungsstation zum Lasernoppen bedeutet eine Laserzelle mit Teilehandling,
Spannvorrichtung, Roboter, Optik und
entsprechender Laserquelle. Die Investitionskosten für eine solche Zelle liegen
zwischen 500 000 € und 800 000 €. Die
Möglichkeit, die Entgasung über den
Anstellwinkel der Bauteile zu beeinflussen, ist theoretisch möglich, jedoch
auf Grund der begrenzten Positioniergenauigkeit der Remote-Optiken in der
Realität nicht zufriedenstellend umsetzbar. Das Schweißen von I-Nähten ohne
Entgasungsmaßnahmen ist nach heutigen Qualitätskriterien und geforderten
Anlagenverfügbarkeiten somit nicht
durchführbar. Das bedeutet, die Kosten
für die Anlagentechnik für die ansonsten hochproduktive Remote-Technologie verdoppeln sich – allein durch die
Prozesserfordernisse beim Schweißen
verzinkter Stahlbleche.
Betrachtet man hingegen Prozesse
mit Nahtführung, also die Abkehr von
der I-Naht zur genau vom Strahl getroffenen Kehlnaht, so wird schnell klar,
dass allein durch die präzise Positionierung des Strahls und die damit mögliche Änderung der Nahtart ein hohes
wirtschaftliches Potenzial erschlossen
werden kann. Abb. 4 verdeutlicht die
Anzahl der Poren / Durchschüsse beim
Schweißen zweier verzinkter Bleche mit
sowie ohne Nahtführung in Abhängigkeit der Spaltgröße. Nur mit Nahtführung lässt sich unabhängig aller vorhandener Toleranzen überhaupt eine
Kehlnaht erzielen. Entstehender Zinkdampf kann dadurch leichter entweichen und die Spritzer- / Durchschussneigung lässt sich deutlich reduzieren.
Nimmt man nun an, dass jeder Spritzer ein Volumen von etwa 1 mm³ besitzt,
bedeutet das am dargestellten Beispiel:
Ohne Nahtführung und bei Spalt­größen
zwischen 0 µm und 50 µm werden auf
100 mm Schweißnahtlänge ungefähr
7 mm³ Spritzer erzeugt. Bei einer Kehlnaht, die aufgrund der Nahtführung
stets korrekt getroffen wird, entstehen
im konkreten Beispiel wegen besserer
Entgasungsmöglichkeiten für den Zinkdampf weniger als 1 mm³. Nun lässt
sich einfach hochrechnen: Werden beispielsweise 100 m Schweißnaht erzeugt
und variiert dabei der Spalt zwischen
den Blechen wieder zwischen 0 µm und
50 µm, so fallen beim I-Nahtschweißen
ohne Nahtführung zirka 7000 mm³
Spritzer an. Mit Nahtführung und der
dadurch möglichen Änderung der
Nahtform ist es im gleichen Beispiel
nur noch ein Siebtel davon. Wichtig
ist hierbei zu beachten: Diese Spritzer haften nicht nur auf den Bauteilen,
was eine ggf. notwendige Waschung
erschwert, sondern sie verbleiben auf
der Spannvorrichtung und reduzieren
die Anlagenverfügbarkeit. Wie bereits
einen Abschnitt vorher diskutiert, werden Spritzer auch in Strahlrichtung beschleunigt und setzen sich auf der Bearbeitungsoptik fest. Sie reduzieren somit
die Standzeit der Schutzgläser und erhöhen die bereits diskutierten laufenden
Verbrauchskosten in Abhängigkeit der
verwendeten Verfahrensvariante der
Remote-Optik. An dieser Stelle ist nochmals festzuhalten, dass die Nahtführung
für das Kehlnahtschweißen zwingend
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Remote-Bearbeitung
Δz
Δy
Oberblech
+
dOB
hS > 0,2 · dOB
–
dUB
Abb. 5 Linkes Schliffbild: Kehlnahtschweißung an verzinkten Blechen mit Nahtführung.
Rechtes Schliffbild: I-Nahtschweißung an verzinkten Blechen ohne Nahtführung [7].
notwendig ist. Die Anlagenungenauigkeiten erfordern im Fall der Nichtnutzung oder des Nichtvorhandenseins
dieser Technologie eine Fokussierung
des Laserstrahls auf das Oberblech. Es
wird somit eine Mischung aus Kehlnaht
und I-Naht, bzw. eine reine I-Naht mit
dem Ergebnis eines erhöhten Spritzeraufkommens entstehen. Aus der Praxis
ist zu berichten, dass hochproduktive
Fertigungsanlagen, welche ohne Entgasungsmaßnahmen von der Kehlnaht auf die I-Naht wechselten, an den
unerwartet hohen Verbrauchskosten
fast scheiterten. Hier konnte nur durch
eine aufwändige Umkonstruktion der
Bauteile und einen geänderten Anlieferungszustand der Teile vom Zulieferer
eine Lösung gefunden werden. Abb. 5
verdeutlicht anhand von Schliffbildern
Schweißnahtquerschnitte einer Kehlnaht und einer I-Naht am Überlappstoß.
Was ist notwendig, um diese Nahtführung realisieren zu können? Eine
in der Praxis sehr gut funktionierende Lösung basiert auf einer vor
dem Laserstrahl vorlaufenden Lichtschnittsensorik, die kontinuierlich den
Fügestoß erfasst. Der Laserstrahl wird
unabhängig von der Roboterbahn im
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Unterblech
Abb. 6 Definition des Höhenversatzes
zwischen zwei Bauteilen.
Arbeitsfeld genau dort hin abgelenkt,
wo sich die Fuge befindet. Dabei kann
natürlich auch ein definierter seitlicher Abstand zur Fuge berücksichtigt werden, um beispielsweise – falls
gewünscht – immer definiert neben
dem Stoß zu schweißen. Eine ungenaue Roboterprogrammierung oder
Werkstücktoleranzen verlieren ihren
Schrecken. Kehlnähte sind somit prozesssicher mit der Remote-Technik
schweißbar. Erreicht werden die wirtschaftlichen Vorteile Massereduktion,
da Flansche schmaler werden können,
und Fehlstellenreduktion sowie eine
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4/2013 31
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Abb. 7 Querschliff einer Schweißnaht
an verzinkten Blechen, geschweißt ohne
Zusatzwerkstoff mit Strahloszillation und
Nahtführung, Spaltüberbrückung bis 0,75 ×
dOB (vgl. Abb. 6).
damit verbundene Kosteneinsparung
für Schutzgläser, Bauteilwaschung
oder Vorrichtungsreinigung.
Technologiepaket Strahl­oszillation –
Beispiel Spalt­überbrückung
Fügetechnisch kann bereits ab einem
Höhenversatz von hS = 0,2 mm zwischen zwei Bauteilen von der Notwendigkeit zur Spaltüberbrückung gesprochen werden, vgl. auch DIN EN ISO
13919. Bis zu dieser Größe ist ein stabiler Laserfügeprozess meist ohne Parameteranpassungen möglich.
Da Fügeverbindungen oftmals über
ihre Bemessungswerte hinaus konzipiert werden, bzw. neben der Festigkeit
auch andere Eigenschaften wie z. B.
Dichtigkeit aufweisen müssen, ist es
von Vorteil, auch größere Spalte beim
Laserstrahlschweißen überbrücken zu
können. Dieses Thema erlangt zusätzliche Bedeutung durch den zunehmenden Einsatz von hoch- bis höchstfesten Stählen. Deren Eigenschaften, wie
z. B. das Rückfederungsverhalten nach
Umformprozessen, kann variieren [1].
Addieren sich mehrere Toleranzen, ent-
stehen nicht selten Höhenversätze von
bis zu hS = 1 mm. Ansätze, diese lokal
auftretenden Störungen zu beherrschen,
können der Einsatz von Zusatzwerkstoff
[2] oder das Abschmelzen des „Oberbleches“ ohne Einsatz von Zusatzwerkstoff
sein [3]. Spaltüberbrückung mittels Zusatzdraht ist Stand der Technik und wird
bereits vielfach eingesetzt [6]. Bei der
Remote-Bearbeitung mit abgelenktem
Laserstrahl ist der Einsatz von Zusatzdraht hingegen aufgrund der systemtechnischen Randbedingungen kaum
möglich. Das notwendige Material zur
Überbrückung des Höhenversatzes /
Spaltes muss folglich präzise vom Oberblech abgeschmolzen werden.
Systemtechnisch lässt sich das bereits beschriebene, für die Nahtführung
eingesetzte Lichtschnittverfahren auch
für die quantitative Erfassung des Höhenversatzes nutzen. Somit wird die
Position des Laserstrahls auf das Oberblech gelegt und es kann durch eine
Strahloszillation Werkstoff vom Oberblech abgeschmolzen und in Richtung
des Unterblechs transportiert werden.
In Folge besteht die Option, mehr oder
weniger Schmelzgut zu erzeugen.
Wie funktioniert es genau? Die
Laserstrahloszillation ist durch eine
ein- oder zweidimensionale Schwingbewegung gekennzeichnet, die der
Schweißrichtung überlagert ist. Somit
lässt sich beispielsweise über eine Adaption der Schwingungsamplitude die
Schmelzbadbreite an die Spaltsituation
anpassen. Das Intensitätsprofil bleibt
erhalten und die resultierenden Prozesseffekte können als eindimensional
steuerbar betrachtet werden.
Als Verfahrensergänzung hat es sich
als vorteilhaft herausgestellt, die zum
Schweißen genutzte Spotgröße etwas
kleiner als beim konventionellen La-
serstrahlschweißen zu wählen. So zeigt
sich, dass die Energieeffizienz hinsichtlich der zur Schmelzbadbildung
genutzten Leistung steigt. Verantwortlich hierfür ist ein steigendes Gesamt­
absorptionsvermögen [4].
Abb. 7 stellt ein Schweißergebnis unter Berücksichtigung der kombinierten
Verfahrensvarianten Nahtführung und
Strahloszillation am Beispiel des Kehlnahtschweißens verzinkter Bleche dar.
Das Ergebnis wurde mit einem 5 KW
Scheibenlaser der Firma Trumpf, einem 100 µm Lichtleitkabel und einer
Schweißoptik für das Laserstrahl-Remoteschweißen mit Nahtführung und
Option der örtlichen Strahloszillation
„Scansonic RLW-A“ realisiert. Damit
bietet die örtliche Strahloszillation folgende wirtschaftliche Vorteile:
■■ Spaltüberbrückbarkeit ohne Zusatzwerkstoff
■■ Nochmals Spritzerreduktion und
Reduktion laufender Kosten für
Schutzgläser und Crossjet
Ausblick
Das wirtschaftlich nutzbare Potenzial
der System- und Prozesstechnik zum
nahtgeführten
Laserstrahl-Remoteschweißen mit Strahlmodulation ist
bei weitem noch nicht ausgeschöpft.
Systemtechniken zum Laserstrahlschweißen werden bei der Scansonic MI
GmbH kontinuierlich weiterentwickelt.
Abb. 8 zeigt den im Beitrag zu Grunde
liegenden Bearbeitungskopf RLW-A.
Abb. 8 Bearbeitungskopf RLW-A mit optischer Nahtführung (rechts) und Option der
Strahloszillation (oben).
32 Laser Technik Journal
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Remote-Bearbeitung
Im eigenen Laser Application Center werden zudem weitere
Untersuchungen zur Nahtglättung ohne Einsatz von Prozessgas,
zur definierten Einschweißtiefen-Steuerung und zur Qualitätsüberwachung durchgeführt. Des Weiteren erfolgen Parameterstudien, um zukünftig bestimmte Ausgangssituationen, wie
Spalt, etc., mit geeigneten Prozessführungsstrategien automatisiert beantworten zu können.
[1] R. Meyer: Erhöhung der Prozesssicherheit durch Beherrschung der Bauteilabweichung beim Fügen im Karosseriebau, TUDpress Verlag der
Wissenschaften, Dresden, 2012
[2] A. Huwer: Sensorsystem zur Erfassung variabler Fügespaltweiten beim
Laserstrahlschweißen im Stumpfstoß, Technische Hochschule Aachen,
Dissertation, 1993
[3] A. Reek: Strategien zur Fokuspositionierung beim Laserstrahlschweißen,
Technische Universität München, Dissertation, 2005
[4] C. Thiel, A. Hess, R. Weber, T. Graf: Stabilization of laser welding processes by means of beam oscillation, Proceedings of SPIE, Laser Sources
and Applications 8433 (2012)
[5] o.A.: http://www.iwb.tum.de/Forschung/ Forschungsprojekte/Aktuelle+
Forschungsprojekte/ RoboLaSS+_+Robotergef%C3%BChrter+Laser+
zum+Schneiden+und+Schwei%C3%9Fen/Remote_Laserstrahlschweißen.print; IWB, 2012; Stand 27.02.13
[6]o.A.: http://www.scansonic.de/de/produkte/alo3-laserbearbeitungsoptik-mit-nahtfuehrung-mittels-zusatzdraht; Scansonic MI GmbH; Stand:
04.07.2013
[7] C. Kägeler, A. Grimm, F. Albert, M. Schmidt: Towards shorter process
chains in car body manufacturing, Proc. of ICSAT Conference, Melbourne (2008)
[8] M. Zäh, M. Schweier: Remote-Laserstrahlschweißen, Proc. of Fachtagung LASER + BLECH, Garching, Carl-Hanser (2011)
DOI: 10.1002/latj.201300007
Die Autoren
Florian Albert studierte Maschinenbau in Zwickau,
arbeitete anschließend an der FAU ErlangenNürnberg sowie bei der blz GmbH in Erlangen. Seit
Ende 2011 leitet er das Laser Application Center bei
Scansonic.
Alexander Müller
studierte Wirtschafts­ingenieur­wesen an der FHTW
Berlin und arbeitete danach im Produktmanage­ment
bei Scansonic. Seit Ende 2011 ist er wiss.
Mitarbeiter an der FH Brandenburg. Ein Aufgaben­
schwerpunkt ist das Schweißen mit Strahloszillation.
Pravin Sievi studierte Feinwerktechnik und elektrische Geräte­technik an der TH Berlin. Im Anschluss
arbeitete er bei der inpro sowie Sikora GmbH und
ist derzeit Produktmanager bei Scansonic. Hier ist
er u. a. für die Remote-Bearbei­tungs­optik RLW-A
verantwortlich.
Scansonic MI GmbH, Dr.-Ing. Florian Albert, Rudolf-Baschant-Straße 2, 13086 Berlin
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Laser Technik Journal
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