Die Suche nach dem Ich - Gymnase Auguste Piccard

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Die Suche nach dem Ich - Gymnase Auguste Piccard
Abiturarbeit :
Marie-Julie Diserens
3MFA1
Octobre 2000
Die Suche nach dem Ich
„Siddhartha“ von H. Hesse
gefolgt von
Das tibetanische Zentrum
„Rabten Choeling“
Unter der Leitung von
Frau Suzanne Déglon
Abiturarbeit
Die Suche nach dem Ich
Gymnase Auguste-Piccard
Lausanne
1
Marie-Julie Diserens, 3Mfa1
Octobre 2000
INHALTSVERZEICHNIS
Titel (Die Suche nach dem Ich) : ....………………………………......................... S. 1
Inhaltverzeichnis : .....................................…………………………....................... S. 2
Warum diese Arbeit? : .....................................…………………………................ S. 3
Untertitel : Erster Teil (Siddartha) : ...................……………………….................. S. 4
Einleitung : .....................................………………………….................................. S. 5
1.1 Biographie des Autors : .....................................…………………………......... S. 5
1.2 Entstehungsgeschichte : .....................................…………………………........ S. 5
1.3 Analyse des Form : ...................................………………………….................. S. 6
1.4 Analyse des Sprache : ...................................………………………….............. S. 6
1.5 Das Indienbild von Hermann Hesse : ...................................………………...... S. 7
1.6 Deutung des Werks : ..................................…………………………................ S. 7
1.7 Weltweite Wirkung von Hesses Werken : ...................................…………….. S. 8
Erster Teil Siddharthas :
Kapitel 1 : Der Sohn des Brahmanen : .....................................……..............
Kapitel 2 : Bei den Samanas : ................................................……..............
Kapitel 3 : Gotama : .....................................……......................................
Kapitel 4 : Erwachen : .....................................……...................................
S. 9
S. 10
S. 11
S. 11
Zweiter Teil Siddharthas :
Kapitel 1 : Kamala : .....................................……......................................
Kapitel 2 : Bei den Kindermenschen : .....................................……..............
Kapitel 3 : Sansara : .....................................……......................................
Kapitel 4 : Am Flusse : .....................................……..................................
Kapitel 5 : Der Fährmann : .....................................…….............................
Kapitel 6 : Der Sohn : .....................................……....................................
Kapitel 7 : Om : .....................................……............................................
Kapitel 8 : Govinda : .....................................…….....................................
S. 13
S. 14
S. 16
S. 19
S. 22
S. 24
S. 26
S. 28
Übergang zu dem zweiten Teil : .............................................................................. S. 31
Lexikon : .....................................…….................................................... S. 32
Untertitel : Zweiter Teil (Das tibetanische Zentrum „Rabten Choeling“) : .............
Vorstellung des Zentrums : ......................................................................................
Interview einer Nonne : .............................……...........................................
Lexikon : .....................................……....................................................
S. 34
S. 35
S. 39
S. 49
Bibliographie : .....................................…….............................................. S. 53
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WARUM HABE ICH DIESES ARBEITSTHEMA GEWÄHLT ?
Vor fünf Jahren bin ich mit meiner Familie nach Sri Lanka geflogen. Dort haben wir während
einer Woche das Land besichtigt. Leider waren wir dort, als es Probleme zwischen der
tamilischen Minderheit und den Shingalesen gab. Die Tamilen wollten mehr Macht haben. So
haben wir den Norden des Landes nicht besichtigen können. Und da wir nicht genug Zeit
hatten, um in den Süden zu fahren, wo es vor allem Strände und weniger Sehenswürdigkeiten
zu besichtigen gibt, sind wir in die Mitte der Insel gefahren.
Die Hauptreligion ist der Buddhismus. Es gibt auch Hinduisten, und einige Mohammedaner
und Christen. 68% Buddhisten, 18% Hindus, 7% Muselmannen, 7% Christen. Es gibt sehr
alte buddhistische Tempel, fast alle sind noch „im Dienst“, dass heisst, in fast alle kommen
die Gläubigen noch, um Buddha zu ehren.
Wir hatten das Glück, einen Reiseführer mit uns zu haben, der Französisch sprach und
unheimlich viel über Buddhismus wusste. Er konnte uns viel über diese Religion und über die
buddhistischen Regeln, Sitten und Riten erklären.
Wir haben zuerst Anuradhapura besichtigt ; es ist ein buddhistischer Pilgerfahrtort. Wir haben
dort dem Unterricht von einem Bonzen beigewohnt. Die Gläubigen sassen am Boden und
hörten ihm zu. Der Reiseführer hat uns erklärt, dass er von Buddhas Leben sprach. Jeder
nimmt für sich, was er braucht, ohne Schuldgefühl und ohne Zwang. Es handelt sich mehr um
eine Philosophie als um eine Religion.
Dann waren wir in Polonnaruwa, einem Tempel aus dem II. Jahrhundert vor Christus.
Der nächste Tempel hat mich am meisten beeindruckt, es war Dambulla ; das sind Höhlen, die
in Felstempel verwandelt wurden ; Wandgemälde verzieren die Mauern und Hunderte von
Statuen stellen Buddha dar.
Zum Schluss waren wir im Tempel « der heilige Zahn » ; das ist der von den Buddhisten
verehrteste Tempel. Er soll einen Zahn Buddhas enthalten, aber der ist nicht zu sehen!
Wir haben so riesige Statuen gesehen : sie waren manchmal bis 15 Meter lang, und stellten
Buddha in verschiedenen Haltungen dar.
Jedesmal hat uns unser Reiseführer etwas Neues beigebracht. Zum Beispiel hat er uns den
Sinn der liegenden Haltung Buddhas erklärt : wenn der Buddha liegt mit einem hohlen Magen
(er atmet nicht mehr) und wenn seine Füsse gespreigt sind, heisst es, dass er tot ist.
Diese Reise war eine tolle Erfahrung für mich und hat meine Neugier erwacht.
Seither bin ich mehrmals nach Asien gereist, und jedesmal habe ich etwas Neues erfahren.
Diese Maturitätsarbeit gibt mir heute die Gelegenheit, mich eingehend mit diesem Thema zu
beschäftigen und diese Religion besser zu verstehen.
Ich finde sie sehr anziehend. Das wird mir vielleicht helfen, den Sinn meines Interesses zu
verstehen. Vielleicht gleichzeitig kann ich mir diese buddhistische Welle, die in Europa
„fliesst“, erklären.
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EINLEITUNG
1.1. BIOGRAPHIE DES AUTORS
Hermann Hesse wurde am 2. 7. 1877 in Calw (Württemberg) geboren. Sein Vater ist Johannes
Hesse, ein deutsch-baltischer Missionsprediger, und seine Mutter Marie Hesse, eine
schwäbisch-schweizerische Missionarstochter. Bis 1890 besucht er die Realschule, dann die
Lateinschule in Göppingen, legt 1891 das “Landesexamen” ab, entzieht sich aber schon im
nächsten Jahr der theologischen Laufbahn durch die Flucht aus dem evangelischtheologischen Seminar im ehemaligen Kloster Maulbronn. Er will Dichter werden, „oder gar
nichts“.
Die Instabilität von Hermann Hesse löst eine harte Auseinandersetzung mit dem pietistischen
Elternhaus aus. 1892 endet sie mit einem Nervenzusammenbruch und einem
Selbstmordversuch.
1893 legt er seine Mittlere Reife ab. 1895-1898 ist er Lehrling in einer Buchhandlung in
Tübingen.. 1899 schreibt er sein erstes Werk, “Romantische Lieder”, doch erst nach dem
Erfolg seines ersten Buches “Peter Camenzind” (1904) beendet er seine Lehre und zieht sich
als freier Schriftsteller nach Gaienhofen zurück.
1904 heiratet er die Basler Fotografin Maria Bernoulli und schreibt 1906 “Unterm Rad“. 1910
schreibt er „Gertrud”.
1911 unternimmt er eine Indienreise während vier Monaten und lässt sich von der neuen
Kultur inspirieren. Die Philosophie und die Religion des Landes veranlassen ihn in der Zeit
von 1919 bis 1922 zum Schreiben seines Werks “Siddhartha”.
1946 erhält er den Literaturnobelpreis für “Das Glasperlenspiel” und den Goethepreis der
Stadt Frankfurt am Main. 1947 bekommt er die Würde des Ehrendoktors der Universität Bern.
1950 bekommt er den Wilhelm-Reder-Preis der Stadt Braunschwig.
1955 folgt der Friedenspreis des deutschen Buchhandels.
Also kann man feststellen, dass er mit Preisen überhäuft wird, und dass er in der ganzen Welt
bekannt und geehrt wird.
Am 9. 8. 1962, stirbt Hermann Hesse im Alter von 85 Jahren in Montagnola, in Tessin.
„Siddhartha ist ein sehr europäisches Buch, trotz seines Milieus, und die SiddharthaLehre geht so stark vom Individuum aus und nimmt es so ernst wie keine asiatische
Lehre es tut. Siddhartha ist der Ausdruck meiner Befreiung von indischen Denken. Der
Weg meiner Befreiung aus jedem Dogma führt bis Siddharta und geht natürlich weiter,
wenn ich am Leben bleibe." (Aus einem Brief, 1925)
1.2. ENTSTEHUNGSGESCHICHTE SIDDHARTHAS
Hermann Hesse beginnt das Vorstudium und die ersten Notizen zu “Siddhartha” im
Dezember 1919. Der eigentliche Beginn der Niederschrift datiert vom Februar 1920. Er
beendet den ersten Teil im Januar 1921. Er bleibt mit dieser Dichtung im August 1920 beim
Kapitel “Am Flusse” „stehen“. Mit Hilfe philosophischer Studien, Meditationen, YogaÜbungen und zahlreicher psychoanalytischer Sitzungen bei Carl Gustav Jung bereitete sich
Hesse auf die Vollendung seines Werkes vor. Er nimmt die Arbeit am Siddhartha-Manuskript
im März 1922 wieder auf. Ende Mai sendet er seinem Verleger die Reinschrift, und im
Oktober erscheint in dessen Verlag die erste Buchausgabe.
“Siddhartha” ist das Ergebnis der Auseinandersetzung von Hesse mit der Philosophie und
Religion Indiens, die in seine Kindheit zurückreicht, sich in seiner Indienreise von 1911
fortsetzt und in Gedichten, Betrachtungen und Erzählungen von dieser Reise einen ersten
literarischen Niederschlag findet.
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Der Text sammelt legendäre Fragmente aus dem Leben von Buddha mit fiktionalen
Handlungselementen zu einem psychologisch-religiösen Entwicklungsroman.
Nach seinen eigenen Worten versuchte Hesse in seiner Dichtung “[...] die alte asiatische
Lehre von der göttlichen Einheit für unsere Zeit und in unserer Sprache zu erneuern, und
dabei das zu ergründen, was allen Konfessionen und allen menschlichen Formen der
Frömmigkeit gemeinsam ist“.
Hesse sieht die gemeinsame psychologische Basis aller Weltreligionen und Weisheitslehren
in der Überwindung des Ichs.
1.3. ANALYSE DER FORM
Für sein Werk “Siddhartha” hat Hermann Hesse die Form eines Romans gewählt, der in 12
Kapitel gegliedert ist, 4 im ersten Teil und 8 im zweiten. Im Buddhismus ist die Nummer 12
bedeutend. Ich denke, es keinen Zufall von Hesse ist. Ich denke, dass es mit den vier edlen
Wahrheiten und den achtfachen Pfaden zusammenhängt.
Die vier edlen Wahrheiten sind : Alles ist Leiden; Suche nach den wirklichen Anzeichen und
Ursachen des Leidens, Bedeutung des Begehrens; das Nirvana, Aufhebung des Begehrens,
des Hasses, des Irrtums; der Weg zur Heilung (=der achtfache Pfad zum Nirvana).
Der achtfache Pfad sind : die rechte Erkenntnis (Anschauung), die rechte Gesinnung (rechter
Entschluss), das rechte Reden, das rechte Handeln, die rechte Lebensführung, das rechte
Sterben, die rechte Achtsamkeit (rechtes Aufmerken), das rechte Sichversenken (rechte
Versenkung).
Die erste Wahrheit erkennt Siddhartha noch im Haus seiner Eltern.
Die zweite entdeckt er auf seinem asketischen Weg.
Die dritte, als er Gotama begegnet.
Die vierte im „Erwachen“. Der Titel zeigt von selbst die Anerkennung der Tatsache.
Der erste Pfad „erlebt“ er bei Kamala, den zweiten bei Kamaswami. Den dritten wird er am
Ende von „Sansara“ verstehen : er hat sich geirrt.
....
Und den letzten findet er mit der Erleuchtung.
Beim Lesen fällt sein persönliches Erzählverhalten auf, das heißt, daß der Erzähler nicht zu
bemerken ist. Er stellt das Geschehen aus dem Blickwinkel einer handelnden Person, einer
sogenannten “Reflektorfigur”. So hat der Leser den Eindruck, dass das Geschehen sich vor
seinen Augen abspielt.
Das Werk ist in der 3. Person Singular, also in der Er/Sie-Form geschrieben.
Man kann keinen Höhepunkt in der Geschichte an der Art des Schreibens erkennen. Die
Spannung ist die grösste, als Siddhartha am Ende die Erleuchtung findet, aber formal läßt sich
kein Unterschied zu den anderen Teilen feststellen. Das ganze Werk ist einheitlich
geschrieben.
Siddhartha spielt in Indien zur Zeit Buddhas. Daraus kann man schliessen, daß es sich um den
Zeitraum zwischen 560 bis etwa 480 vor Christus handelt. Andere Hinweise gibt es nicht. Es
sind keine anderen geschichtlichen Erlebnisse, mit denen man sich orientieren könnte.
Man verfolgt das Leben Siddharthas von seiner Jugend bis zum Punkt, an dem er als alter
Greis das Nirwana erreicht.
1.4. ANALYSE DER SPRACHE
Hesse macht in “Siddhartha” besonders lange Sätze. Man findet fast keine, die nur aus einem
Hauptsatz bestehen. Die meisten werden durch Beifügungen sehr lang. Es gibt auch einige,
die neun Zeilen oder mehr brauchen.
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Viele Begriffe kommen aus der indischen religiösen Sprache, wie beispielsweise “Om”,
“Brahman”, “Atman” oder “Atharva-Veda”. Man braucht aber vor allen diesen Fachwörtern
nicht zu erschrecken : die Handlung versteht man auch ohne Spezialwissen einfach.
1.5. DAS INDIENBILD VON HERMANN HESSE
Hesse hat nicht zufällig Indien als Schauplatz für seinen Roman “Siddhartha”gewählt. Schon
seit seiner Kindheit spielte dieses Land eine bedeutende Rolle in seinem Leben. Seine Mutter
war dort geboren, sein Vater lebte dort lange als Missionar, sein Großvater war durchs ganze
Land gereist, er beherrschte die Sprache, hatte Wörter und Grammatikbücher herausgegeben
und das Neue Testament ins Malayalam übersetzt. Hermann Hesse bekam Informationen über
Indien aus Erzählungen von Eltern, Grosseltern und durchreisenden Missionaren, die ihm
bereits die Atmosphäre des Subkontinents spüren ließen.
In „Siddhartha“ findet man beim Lesen einige Beziehungen auf die fernöstlichen Religionen.
Viele Namen enthalten mehr oder weniger sichtbare Hinweise auf indische Gottheiten.
Siddhartha ist beispielsweise einer der Namen Buddhas.
Kamala (von Kama) ist eine Anspielung auf den indischen Liebesgott. Auf ihn bezieht sich
auch der Name Kamaswami. Der zweite Teil des Namens, also “Swami” bedeutet “Meister,
Besitzer”.
Warum Kamala nach dem Liebesgott benannt wurde, ist sicher sehr klar. Siddhartha hat von
ihr die Liebeskunst gelernt. Bei Kamaswami war wahrscheinlich von Bedeutung, daß
Siddhartha ohne ihn nie zu Kamala hätte gehen können, da er kein Geld für sie hatte.
Kamaswami hatte den Suchenden also in der Hand, er war in gewisser Weise sein “Meister”,
er hat ihm vieles beigebracht.
Vasudeva ist einer der Namen Krishnas. Dieser ist ein mythischer indischer König, und die
achte irdische Erscheinungsform des Gottes Wischnu. Hier erkennt man, daß Vasudeva eine
entscheidende Rolle im Stück spielt. Er trägt einen der Namen des höchsten Gottes der
hinduistischen Religion, und ist für Siddhartha auch die „Lösung“ seiner Suche.
Es läßt sich klar zeigen, daß Hesse beim Schreiben viele Informationen aus den religiösen
Texten einfließen ließ.
1. 6. DEUTUNG DES WERKES
Im Werk spiegelt sich das Verhältnis von Hesse zum eigenen Vater und dessen Religion. Der
junge Siddhartha verläßt den Vater, da er meint, die Traditionen, die ihm dieser übermittelt,
wären nicht zielführend.
Auch Hermann Hesse, als er jung war, hatte Probleme mit den evangelischen Ansichten von
seinem Vater. Mit 15 Jahren trat er aus dem evangelisch-theologischen Seminar aus, was dem
Vater gar nicht gefiel. Man sieht also, daß das Werk nicht einfach so geschrieben wurde,
sondern daß es sich teilweise auf sein eigenes Leben bezieht.
Meiner Meinung nach behandelt der Autor im Roman 2 Themen, die für den Erfolg des
Suchenden Siddhartha, wie auch für alle anderen Suchenden sämtlicher Religionen, relevant
sind.
Das erste ist der Besitz. Um die Erleuchtung zu erreichen, verzichtet Siddhartha auf das mehr
oder weniger wohlhabende Elternhaus, da er glaubt, sich vom Reichtum lösen zu müssen, um
auf seiner Suche Erfolg zu haben. Bei den Samanas hat er absolut nichts. Bald merkt er doch,
daß auch der absolute Verzicht auf jegliche Art von Wohlstand nicht sinnvoll ist. Bei dem
Kaufmann Kamaswami in der Stadt wird er reich, kommt jedoch zum Entschluß, daß auch
dies nicht die Lösung ist. Erst bei Vasudeva findet er Zufriedenheit.
Ich glaube, dass Hesse uns damit verdeutlichen will, daß weder Armut noch Reichtum die
Voraussetzungen für den Seelenfrieden sind. Man muß den Mittelweg suchen.
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Weiter behandelt er das Thema der Traditionen und der Lehren. Siddhartha wird von seinem
Vater nach den alten Traditionen der Brahmanen erzogen; er verläßt ihn aber, da er überzeugt
ist, daß es nicht der richtige Weg ist. Auch mit den Lehren der Samanas und des Buddha
Gotama kann er wenig anfangen. Er setzt sich auch über alle Dogmen hinweg und sucht sich
seinen eigenen Weg.
Dies ist, finde ich, die wichtigste Mitteilung an die Leser. Man darf nicht einfach glauben, daß
all das, was die anderen machen, richtig ist. Jeder sollte nachdenken, was der Seelenfrieden
für ihn persönlich bedeutet, und dann versuchen, das eigene Ziel zu erreichen. Das gilt nicht
nur für den Hinduismus, den Buddhismus und die anderen fernöstlichen Religionen, sondern
auch für das Christentum, das Judentum, usw, und selbst für die nicht-Gläubigen.
"Ich suchte das zu ergründen, was allen Konfessionen und allen menschlichen Formen der
Frömmigkeit gemeinsam ist, was über allen nationalen Verschiedenheiten steht, was von jeder
Rasse und von jedem Einzelnen geglaubt werden kann." (Vorwort zur persischen Ausgabe,
1958)“
1.7. DIE WELTWEITE WIRKUNG VON HESSES WERKEN
Die Werke von Hermann Hesse sind bis jetzt in fast jeden Winkel der Erde vorgedrungen.
Seine Bücher sind in viele Sprachen übersetzt worden, beispielsweise ins Arabische,
Aserbaidschanische, Baskische, Birmanesische, Bulgarische, Chinesische, Dänische,
Englische, Estnische, Finnische, Französische, Georgische, Hebräische, in 15 indische
Sprachen, ins Japanische, Katalanische, Koreanische, Thailändische, Ukrainische und
Vietnamesische. Dies sind nur wenige der Übersetzungen, denn um alle aufzuzählen, würde
ich mehr als eine Seite benötigen.
Die Sprachen, in die man seine Stücke noch nicht übersetzt hat, sind nur die zahlreichen
afrikanischen Sprachen, das Albanische, das Mongolische, die Sprachen der Indianer und der
Eskimos.
„Siddhartha“ war ein riesiger Erfolg in der ganzen Welt. Dieses Buch, mit seiner „neuen“
Philosophie, welche christliche, indische und buddhistische Philosophie zu versöhnen
versuchte, war wie ein neuer Atem in Europa Und vor allem gewann Hesse eine ganz neue
Gruppe von Lesern für sich, die Jugend. Nach der ersten Buchausgabe wählten viele
“Teenager” Hermann Hesse zu ihrem Guru!
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1. TEIL
I : DER SOHN DES BRAHMANEN
Siddhartha ist ein junger Mann. Er wohnt mit seiner Familie in Indien. Sein Vater ist
Brahmane. Er wächst in der Nähe des Salwaldes mit seinem Freund Govinda, der auch
Brahmanensohn ist.
Siddhartha ist sehr schön : er ist stark, hat schlanke Beine, schmale Hüften, eine leuchtende
Stirn und ist wegen der Sonne braun gebräunt.
Sein Vater hat ihm eine religiöse Erziehung gegeben und gibt ihm zusammen mit anderen
„Weisen“ und „Gelehrten“ Lehren. Der religiöse Unterricht gibt Siddharthas Leben einen
bestimmten Rythmus : jeden Tag macht er Opfer und heilige Waschungen, er spricht mit den
Weisen, übt sich in der „Kunst der Betrachtung“, „im Dienst der Versenkung“. Er weiss schon
das Om (siehe Lexikon!) leise zu sprechen und den Atman in sich selbst zu wissen.
Alle lieben ihn. Seine Eltern sind sehr stolz auf ihren so schönen jungen Sohn. Der Vater will
von ihm einen Weisen oder einen Priester machen. Alle Mädchen lieben ihn auch. Govinda,
sein Freund, liebt ihn am meisten. Er bewundert alles, was er sagt und macht. Für ihn wird
Siddhartha zu einem Gott werden, und er will ihm folgen, er will sein Diener sein.
Aber trotz seiner Schönheit und seiner Qualitäten ist Siddhartha nicht glücklich. Er ist mit
sich unzufrieden, er findet in sich selbst keine Freude, keine Lust. Seine Lehrer haben ihm
viel beigebracht, aber sein Geist ist nicht gesättigt, er ist nicht begnügt. Und das ist sehr
erstaunlich, weil seine Lehrer kluge Brahmanen sind, und weil sie ihm schon das meiste ihres
Wissens beigebracht haben.
Er beginnt, sich Fragen zu stellen. Er stellt alle Rituale und Glaubformen nochmals in Frage.
Er überlegt sich, ob alle diese Opfer wirklich Glück bringen. Und besonders stellt er sich
Fragen über den Atman : ist es wirklich der Atman, der die Welt erschaffen hat? Was ist in der
Tat der Atman? Ist es mein eigenes Ich? Wo ist mein Ich?
Er wird umso unruhiger, da ihm niemand antworten kann, kein Brahmane, kein Buch, nichts!
Es gab ja einige Verse in den Upanishaden, die davon sprachen : „Deine Seele ist die ganze
Welt“, S.10. Aber kein Brahman, der es erlebt, ist zu finden.Er zweifelt nicht an der
Wirklichkeit dieses Wissens, aber fragt sich, ob es nützlich ist, wenn man es nicht erlebt. Er
sucht das Innere Ich, den Atman, was er für die Wahrheit hält.
Eines Tages, wenn Govinda und er „Versenkungsübungen“ machen, wird Siddhartha dessen
stark bewusst, dass das Brahman das Ziel der Seele sein muss, dass man es finden muss.
Um diese Zeit kommen Samanas in die Stadt. Es sind Asketen : sie sind sehr mager, arm und
fast nackt. Sie leben ganz allein, der Welt ganz fremd.
Siddhartha beschliesst, ein Samana zu werden : er will ihnen am nächsten Tag folgen. Wenn
Govinda es erfährt, ist er traurig : er fühlt, dass er Siddhartha „verlieren“ wird. Siddhartha ist
entschlossen, er braucht nur noch die Erlaubnis seines Vaters.
Dieser ist aber nicht einverstanden, er denkt lange nach, gibt nicht auf. Aber Siddhartha
beharrt in seinemVorhaben. Er bleibt unbewegt stehen und wartet. Jede Stunde kommt der
Vater, weil er nicht schlafen kann, und jedesmal steht Siddhartha noch da.
Am Morgen ist der Vater zugleich zornig und mitleidig. Siddhartha sagt, dass er entweder
geht oder stirbt. Der Vater versteht, dass Siddhartha gehen muss und erlaubt ihm so zu gehen.
Er bittet ihn, nach Hause wiederzukommen, und ihn in seinen neuen Kentnissen zu
unterrichten oder nur dazu, um sein „normales“ Leben zu führen.
Dann verabschiedet sich Siddhartha von seiner Mutter und geht zusammen mit Govinda.
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II : BEI DEN SAMANAS
Am selben Abend holen Siddhartha und Govinda die Asketen Samanas ein. Sie fragen sie, ob
sie mit ihnen gehen dürfen, und ob sie ihrer Lebensart folgen dürfen. Die Samanas sind
einverstanden. Unterwegs gibt Siddhartha einem armen Brahmanen seine Kleider. Er hat nur
noch einen Gürtel an. Er isst nur noch einmal am Tag. Er macht immer längere Diäten. Er
wird immer dürrer Er achtet nicht mehr auf seinen Körper. Alles Menschliche, was er sieht,
sei es glückliche oder traurige Szenen, lassen ihn gleichgültig. Alles scheint ihm nur noch
böse, hässlich, alles scheint zu lügen. Das Glück erscheint ihm „wie eine Decke auf dem
Unglück“. Es scheint ihm, als ob es kein wirkliches Glück gäbe. Er hat nur noch ein bitteres
Gefühl über das Leben.
So will er sich von seinem Ich trennen. Er will keine Gefühle mehr empfinden. So denkt er,
dass das innere Wesen sich endlich ausdrücken wird, wenn das Ich nicht mehr existieren wird.
Er trainiert sich, allerlei körperliche Leiden loszuwerden. Er versucht, seine physiologischen
Bedürfnisse extrem einzuschränken.
Er lernt, wie man aus sich herauskommen kann.
Seine Seele verlässt ihn und stirbt mehrmals, aber jedesmal kommt sie in ihn wieder zurück.
Jedesmal, wenn sie zurückkommt, kommen gleichzeitig die Wünsche ; und jedesmal muss er
sie wiedertöten. Es ist ein Teufelskreis.
Er versucht noch mit vielen anderen Mitteln, sein Ich loszuwerden. Das klappt aber nur für
einige Tage, und sein Ich kommt immer wieder zurück, und immer wieder beginnt der ewige
Kreis. Er erlebt das wie eine Folter. Govinda folgt ihm immer, wie sein Diener.
Aber Siddhartha zweifelt; er fragt sich, ob dieser Weg der richtige sei, um das Atman zu
erreichen. Govinda denkt, dass es richtig ist. Aber Siddhartha denkt, er hätte das Verlassen
seines Ichs so gut allein lernen können. Und er ist schliesslich völlig unzufrieden.
Er ist zu dieser Zeit sehr pessimistisch; er nimmt an, dass kein Samana das Nirvana je erreicht
hat und erreichen wird; weder Govinda noch er selbst. Sie werden den richtigen Weg nie
finden; alles sei nur Lüge.
Er hat seine Problematik nicht gelöst. Er hat immer noch diese Lust, zur Kenntnis zu
kommen.
Er stellt schliesslich fest, dass man nichts lernen kann, das einzige Wissen sei das Atman, das
in jedem Wesen steckt. All diese Gedanken beunruhigen Govinda, weil nichts mehr übrig
bleibt, wenn es wirklich so ist.
Eines Tages, drei Jahre nach ihrer Ankunft bei den Samanas, hören sie von einem Mann, dem
Gotama, dem Erhabenen, dem Buddha, der aus dem Geschlecht der Shakya käme. Dieser
hätte keine Leiden mehr in sich und hätte das Rad der Wiedergeburten besiegt! Er würde
durch das Land wandern, und würde wie ein Asket leben; aber er wäre glücklich ! Er würde
diese Lebensart lehren.
Alle reden über ihn, aber keiner weiss, ob es eine Legende ist oder nicht.
Es wird erzählt, dass er das Nirvana erreicht hätte, dass er Wunder gemacht hätte, und dass er
mit Göttern zusammengeredet hätte. Einige glauben an ihn nicht und kritisieren ihn. Dieses
Ereignis gibt allen, den Samanas auch, viel Hoffnung, aber auch Zweifel. Sie achten nicht auf
diesen Buddha : der älteste Samana zweifelt an ihm.
Eines Tages trifft Govinda einen Mann, der Buddha lehren hörte. Govinda beschliesst, auch
zu Buddha zu gehen. Siddharta ist darüber erstaunt; er ist aber einverstanden, ihn zu begleiten.
Er hofft, etwas Neues zu lernen. Am selben Tag meldet Siddharta dem ältesten Samana seinen
Entschluss. Dieser ärgert sich. Siddhartha zwingt ihm seinen Willen auf, indem er ihn
hypnotisiert. Siddhartha hatte diese Methode bei den Samanas gelernt !
Der Alte lässt sie schliesslich gehen. Govinda ist stark beeindruckt.
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III GOTAMA
Dank dieses Kapitels kann man die Zeit der Geschichte bestimmen : Siddhartha begegnet
Buddha, so ist es gegen das 6. Jahrhundert, in Indien; sie erlaubt uns auch, Siddharthas
Geschichte in einem historischen Kontext zu situieren. Sie zieht den wirklichen
Zusammenhang mit dem Buddhismus.
Gotama ist der Buddha, den viele Leute aufsuchen. Er hält sich in der Nähe von Savathi, in
einem Hain auf, der Jetavana heisst. Siddhartha und Govinda suchen Gotama, deshalb gehen
sie in diese Stadt, essen bei einer Frau und fragen sie nach Gotama. Die Frau sagt ihnen, dass
er in einem Hain ist. Siddhartha und Govinda machen sich auf den Weg und gehen dorthin.
Sie übernachten dort. Am nächsten Tag sehen sie alle Gläubigen, die dort auch übernachtet
haben. Sie sehen auch Gotama. Siddhartha erkennt ihn sofort an seiner Art. Er ist still und
ruhig mit einem verborgenen Lächeln, wie ein Kind. Das Lächeln ist das Symbol der
Vollendung. Er trägt eine gelbe Kutte.
Er strahlt Frieden und Vollkommenheit aus. Das ist das Besondere an ihm. Er ist sich selbst.
Er ahmt niemanden nach. An diesem Vormittag sammeln wieder alle Almosen, auch Gotama,
Siddhartha und Govinda. Siddhartha zweifelt, ob er noch Neues erfahren wird, weil er bereits
mehrfach die Buddhalehre vernommen hat. Zur gleichen Zeit bewundert er Gotama, da er
diesen Mann als heilig empfindet.
Am Abend hören sie die Lehre Buddhas aus Gotamas Mund. Er spricht über die Herkunft und
die Aufhebung des Leidens. Er lehrt vier Hauptsätze, u.a. „den achtfachen Pfad“. Er lehrt
auch, wie man sich vom Leid erlösen kann.
Nachdem er seine Lehre beendet hat, bitten ihn sofort mehrere Pilger um Aufnahme. Auch
Govinda bittet um Aufnahme, was ihm gewährt wird. Er kann erst nicht glauben, dass
Siddhartha nicht um Aufnahme bittet. Siddhartha dagegen ist froh, dass Govinda sich zu einer
eigenen Tat entschlossen hat und hofft, dass er diesen Weg fortsetzen wird, und dass er so
glücklich sein wird.
Bevor Siddhartha geht, begegnet er noch Gotama, und er spricht mit ihm über seine Lehre.
Siddhartha findet sie klar bis auf eine Stelle. Er kann nicht beweisen, dass die, die an seine
Lehre glauben, am Ende von der Welt erlöst werden. Dieses stellt alles in Frage. Gotama
erwidert, dass er weiter darüber nachdenken kann. Gleichzeitig warnt er Siddhartha davor,
anderen Leuten seine Weisheiten mitzuteilen.
Siddhartha versteht durch dieses Gespräch, dass keine Lehre zur Erlösung führen wird.
Siddhartha muss wie Buddha durch das Suchen seinen eigenen Weg finden. Erst damit wird
er sich vom Tod erlösen können.
Am Schluss dieser Begegnung denkt Siddhartha, dass er zwar seinen Freund verloren hat, sich
selbst aber gefunden; und er wird weiter in sein Inneres vordringen. Keine Lehre wird ihn
mehr verlocken.
IV ERWACHEN
Siddhartha verlässt den Hain, verlässt Gotama und Govinda. Zuerst stellt er fest, dass er ein
Mann geworden ist. Gleichzeitig merkt er, dass er nicht länger einen Lehrer beziehungsweise
eine Lehre suchen will.
Er wird sich bewusst, dass er immer sein eigenes "Ich" gesucht und nicht gefunden hat. Er
kennt sich am wenigsten, weil er immer vor sich selbst geflohen ist. Auf der Suche nach dem
Atman, dem Göttlichen und dem Leben hat er sich selbst verloren.
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In dem Moment dieser Erkenntnis hat er das Gefühl, zu erwachen. Er beschliesst, dass er
nicht mehr "das Andere" suchen will, sondern sich selbst kennenlernen will. Er blickt um sich
und entdeckt eine neue Welt um sich herum, die nicht länger mit dem Schleier der Maya
verhüllt ist. Da er sein Leben von nun an neu beginnen will, hat er das Gefühl, neu geboren zu
sein.
Er hat mit seiner Vergangenheit abgeschlossen. Er wird also nicht mehr nach Hause
zurückkehren.
Er bemerkt bei seinen Überlegungen auch, dass er ganz allein ist, da er zu nichts und
niemanden gehört und dass die Welt um ihn herum wegschmilzt.
Er weiss noch nicht, wohin er gehen wird. Er bewegt sich vorwärts voller Energie und
Unruhe.
Am Ende dieses Kapitel sieht man, dass etwas "anders" beginnen wird, dass Siddhartha einen
Teil seines Lebens abgeschlossen hat, und er etwas Neues beginnen wird.
Mit dem Erwachen endet der 1.Teil dieser „indischer Dichtung“.
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2. TEIL
I KAMALA
Mit diesem zweiten Teil beginnt auch ein neues Leben für Siddharta. Er ist jetzt ein
Erwachter. Auf seinem Weg wird Siddhartha die Welt entdecken.
Er beobachtet alles, was ihn umgibt, all diese schöne Natur. Und er wird sich bewusst, dass er
alle diese wunderbaren Dinge nicht einmal gesehen hat. Er hatte damals alles als einen
lügnerischen Schleier mit Misstrauen betrachtet, da er dachte, dass es nicht die Wahrheit war,
dass es nicht wirklich war, dass "das Wesen jenseits der Sichtbarkeit lag" (s.41). Jetzt sieht er
die Dinge einfach, wie sie sind. Er freut sich an der „Sichtbarkeit“. Er versucht nicht mehr,
nur das Wesen zu finden. So sieht alles anders aus als sonst. Jetzt ist er in der Welt, er gehört
zu ihr. Die Zeit vergeht sehr schnell für ihn, und er ist glücklich.
Er erinnert sich ganz genau an alles, was er im Hain erlebt hat : die Lehre des Buddhas, den
Abschied von Govinda, das Gespräch mit Gotama. Aber er wundert sich über sich selbst : er
hat dem Buddha Worte gesagt, die er damals noch nicht wusste. Er hatte ihm gesagt, dass sein
Geheimnis nicht seine Lehre war, sondern "das Unaussprechliche, das er einst zur Stunde
seiner Erleuchtung erlebt hatte"(42). Und er war weggegangen, gerade um es auch selber zu
erleben, und er beginnt, es schon zu erleben.
Seit langem wusste er, dass sein Selbst und Atman nur eins waren, aber er hatte dieses "Ich"
nie gefunden. Der Körper war nicht das Selbst, aber das Denken auch nicht. Aus beiden
konnte er die Stimmen des Innersten erlauschen : ab jetzt wird er diesen Stimmen gehorchen.
Alles, was ihm diese Stimmen befehlen, wird er machen.
Eines Nachts, als er bei einem Fährmann übernachtet, macht er einen Traum : er sieht den
weinenden Govinda. Er will ihn trösten, umarmt ihn, aber plötzlich ist es nicht mehr Govinda,
sondern eine Frau, aus deren Brust er Milch trinkt, sie schmeckt süss und stark. Er ist wie
bewusstlos, betrunken. Am nächsten Morgen bittet er den Fährman, ihn auf die andere Seite
des Flusses zu bringen. Der Fährmann erklärt, dass er von dem Fluss viel gelernt hat.
Siddhartha kann ihn nicht bezahlen, er hat nichts. Der Fährmann hatte aber nichts erwartet :
seiner Meinung nach kommen alle Geschenke wieder, das hat ihm der Fluss gelehrt.
Sidharthas Freundschaft ist sein Lohn. Siddharha vergleicht ihn mit Govinda, und denkt, dass
alle Menschen so sind : sie sind dankbar, unterwürfig, und mögen „wenig denken“. Sie sind
wie Kinder.
Gegen Mittag kommt er in einem Dorf an. Er begegnet einer Frau am Bach. Sie sprechen ein
bisschen miteinander, und bald lädt sie ihn zu einem "Liebesgenuss" ein. Das erinnert ihn an
seinen Traum. Er fühlt Sehnsucht, aber hat ein bisschen Angst, da es sein erstes Treffen mit
einer Frau ist. Aber plötzlich hört er die Stimme seines Inneren, die Nein sagt. Er gehorcht der
Stimme und geht weg.
Am Abend kommt er in einer grossen Stadt an. Er freut sich über die anderen Menschen : er
hat so lange Zeit einsam im Wald gelebt, ohne Häuser, und ohne eine Menge Menschen zu
sehen. Da trifft er einen Zug : es ist eine Frau in einer Sänfte, die von Trägern getragen wird,
und die um sich viele Diener und Mägde hat. Sie hat schwarze Haare, ein helles Gesicht,
einen roten frischen Mund und dunkle Augen. Sie sieht sehr schön aus. Er grüsst sie, und sie
grüsst ihn zurück. Siddhartha denkt, dass diese Begegnung ein holdes „Zeichen“ ist. Er wird
sich aber bewusst, dass die Diener ihn misstrauisch angucken. Er beschliesst, sich zu
verändern, und nicht mehr wie ein Samana auszusehen. Er erfährt, dass die Frau Kamala
heisst und eine berühmte Kurtisane ist. Er erfährt auch, dass sie ein Haus in der Stadt besitzt.
Nun hat er ein Ziel.
Dann geht er in der Stadt spazieren. Er übernachtet bei den Booten; früh morgens geht er zum
Barbier, um seinen Bart und seine Haare schneiden zu lassen. Dann badet er im Fluss.
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Am Nachmittag wartet Siddhartha Kamala am Eingang des Haines. Wenn sie ankommt, fragt
er einen Diener, ob er sie sprechen kann. Er wird angenommen. Er trifft sie in ihrem Pavillon.
Sie erkennt ihn, und sieht, dass er sich schon geändert hat.
Er bittet Kamala, ihn die Freuden der Liebe zu lehren. Kamala ist erstaunt : normalerweise
kommen zu ihr Jünglinge in schönen Kleidern, in feinen Schuhen, und die viel Geld haben.
Nie ist ein Samana gekommen. Das ist schon eine Lehre für Siddhartha. Kamala sagt ihm,
dass er hübsche Kleider, Schuhe und Geschenke für sie haben muss : also reich sein muss er.
Er fragt sie, ob sie Angst vor ihm hat. „Nein“ antwortet sie, weil man "Liebe erbetteln,
erkaufen, geschenkt bekommen, auf der Gasse finden (kann), aber rauben kann man sie nicht"
(49). Siddhartha beschliesst wiederzukommen, wenn er alles hat, was Kamala verlangt. Aber
bevor er weggeht bittet er sie um einen Rat : er will wissen, wie er wohlhabend werden kann.
Er soll machen, was er kann; er soll denken, warten, fasten und dichten. Er verspricht Kamala
einige Verse gegen einen Kuss. Kamala ist davon sehr begeistert, und gibt ihm einen langen
Kuss.
Dann teilt er ihr noch mit, dass er lesen und schreiben kann. Was Kamala sehr hoch schätzt.
Plötzlich kommt ein Besucher, so muss Sidhartha schnell gehen. Kamala gibt ihm ein weisses
Obergewand. Er verschwindet schnell im Hain. Er bettelt noch einmal um Essen in einer
Herberge. Er bekommt was, aber merkt, dass er kein Samana mehr ist. So beschliesst er, nicht
mehr zu betteln, er ist stolz darauf.
Er findet das Leben einfach, und seine Ziele leicht zu erreichen.
Am nächsten Tag geht er in Kamalas Haus. Sie sagt ihm, dass er von Kamaswami erwartet
wird, dem reichsten Kaufmann der Stadt. Kamala will, dass er ihm ähnlich wird. Sie gibt ihm
zu essen.
Kamala findet, dass er ein grosses Glück gehabt hat, alles so leicht zu finden. Siddhartha ist
überzeugt, dass er es der Lehre verdankt, die er von den Samanas gelernt hat, und besonders
der Kunst von "denken, warten und fasten". Er wusste, als er im Hain angekommen ist, dass
sie ihm helfen würde. Für Siddhartha kann jeder sein Ziel erreichen, wenn er „denken, warten
und fasten“ kann.
Kamala denkt ihrerseits, dass ihm alles so leicht fällt, weil er den Frauen gefällt.
Siddhartha ist sehr glücklich.
II : BEI DEN KINDERMENSCHEN
Der Titel betont es bereits : Kindermenschen. Für Siddhatha sind die Geschäfte etwas ganz
Unbedeutendes, für ihn ist Handel wie ein Spiel. Und so empfindet er auch die Lebensweise
der Menschen. Für ihn ist das wirkliche Leben teilweise anders, wobei er (noch) keine Art
weder total verabscheut noch bevorzugt : er schwankt noch zwischen beiden Seiten. Die
Menschen scheinen ihm wie Kinder, ihr ganzes Leben gleicht einem Spiel. "Er sah die
Menschen auf eine kindliche oder tierhafte Art dahinleben, welche er zugleich liebte und
verachtete.“, S.59.
Dadurch gewinnt der Leser sofort den Eindruck, dass Siddhartha jedoch anders ist. Er scheint
etwas Besseres, vielleicht sogar etwas Höheres zu sein.
Siddhartha sucht Kamaswami, den Kaufmann, auf. Er hat ein schönes, reiches Haus und sieht
klug und vorsichtig aus. Sie führen ein Gespräch miteinander. Er fragt Siddhartha, ob er in
Not ist, da er eine Arbeit sucht. Siddhartha erklärt ihm, er sei bei den Samanas gewesen. Auch
wenn er nichts besitzt, ist er nicht in Not, da er es freiwillig ist. Für Kamaswami hat er vom
Besitz der anderen gelebt. Siddhartha aber erwidert, dass Kamaswami von der „Habe anderer“
lebe, S.54. Kamaswami ist damit nicht einverstanden, denn der Händler gäbe etwas dafür. Er
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fragt Siddharta, was er geben kann. Siddhartha antwortet : "Ich kann denken, ich kann warten,
ich kann fasten", S.55. (Dreigliedriger Rhythmus) Kamaswami versteht die Nützlichkeit
dieser Tätigkeiten nicht. Siddhartha erklärt ihm, dass er geduldig sein kann, durch Denken
geben kann und dass er Hunger ertragen kann, ohne in Not zu sein, da es ja freiwillig ist.
Kamaswami lässt ihn etwas vorlesen, und dann schreiben. Er ist damit zufrieden und bittet
Siddhartha, bei ihm zu bleiben. Siddhartha nimmt dieses Angebot an, er wird von nun an bei
Kamaswami gemütlich wohnen. "Kleider wurden ihm gebracht und Schuhe, und ein Diener
bereitete ihm täglich das Bad.", S.56. Er bekommt zweimal am Tag leckeres Essen. Er isst
aber nur eine Mahlzeit, verzichtet auf Fleisch und trinkt auch keinen Wein.
Kamaswami bringt ihm alles bei, was mit seinen Geschäften zu tun hat. Siddhartha hört sich
das alles an. Dennoch "ordnete er sich niemals dem Kaufmann unter, zwang ihn (sogar), dass
er ihn als seinesgleichen, ja als mehr denn seinesgleichen behandle", S.56. Aber Siddhartha ist
an den Geschäften nicht wirklich interessiert, alles ist für ihn wie ein Spiel. Im Gegensatz zu
Kamaswami nimmt er diese nicht ernst. "Kamaswami betrieb seine Geschäfte mit
Sorglichkeit und oft mit Leidenschaft, Siddhartha aber betrachtete dies alles wie ein Spiel,
dessen Regeln genau zu lernen er bemüht war, dessen Inhalt aber sein Herz nicht berührte."
(Hesse, S.56).
Jeden Tag besucht Siddhartha Kamala " in hübschen Kleidern, in feinen Schuhen, und bald
brachte er ihr auch Geschenke mit ", S.56. Sie lehrt ihn die Liebe, z.B. "dass man Lust nicht
nehmen kann, ohne Lust zu geben ", S.56. Siddharta ist wie ein Kind in der Liebe, er weiß
nichts. Er ist " ihr Schüler, ihr Liebhaber und ihr Freund. Hier bei Kamala liegt für ihn der
Wert seines jetzigen Lebens, nicht in den Handelsgeschäften des Kamaswami.", S.56.
Kamaswami merkt bald, dass "Siddhartha ihn (...) an Ruhe und Gleichmut, und in der Kunst
des Zuhörenkönnens und Eindringens in fremde Menschen(übertraf).", S.57. Er denkt, dass
Siddhartha nie ein Kaufmann sein wird, aber er besitzt "das Geheimnis jener Menschen, zu
welchen der Erfolg von selber kommt", S.57. Vielleicht ist es Glück, oder es kommt von der
Lehre bei den Samanas. Alles innerhalb der Geschäfte ist ihm gleichgültig, sei es Verlust oder
Gewinn. Ein Freund rät Kamaswami, einen Kompromiss mit Siddhartha zu schliessen : wenn
ihm Geschäfte gelingen, wird Kamaswami ihm ein Drittel vom Gewinn geben. Wenn aber
Geschäfte misslingen, so wird er auch ein Drittel des Verlustes zahlen. Siddhartha akzeptiert,
arbeitet aber nicht mehr oder besser. "Es schien in der Tat, als seien die Geschäfte ihm
gleichgültig.", S.57. "In der Tat war seine Seele nicht beim Handel. Die Geschäfte waren gut,
um ihm Geld für Kamala einzubringen.", S.59. Für ihn sind die menschlichen Beziehungen
viel wichtiger als die Geschäfte. Kamaswami beklagt sich darüber, dass er durch Siddhartha
Verluste hat, obwohl er Siddhartha alles gelehrt hat. Siddhartha erwidert, dass er nur das
Geschäftemachen bei ihm gelernt hat. Das wichtigste für Siddharta aber, das Denken, hat er
nicht von ihm gelernt. Nach Siddharthas Meinung sollte Kamaswami dieses von ihm lernen.
Er interessiert sich nur für Leute, deren Beschäftigungen und Torheiten ihm fremd waren.
Aber er merkt, dass es "etwas sei, was ihn von ihnen trennte, und dies Trennende war sein
Samanatum. Er sah die Menschen auf eine kindliche oder tierhafte Art dahinleben, welche er
zugleich liebte und verachtete.", S.59. Die Menschen haben für ihn, für einen Samana, total
unbedeutende Beschäftigungen.
"Allem stand er offen, was diese Menschen ihm zubrachten", S.59. "Er gab Rat, er
bemitleidete, er schenkte, er liess sich ein wenig betrügen, und dieses ganze Spiel
(…)beschäftigte seine Gedanken ebenso sehr, wie einst die Götter und das Brahman diese
beschäftigt hatten", S.60.
So sieht man, dass er das Leben der Menschen unbedeutend findet, dass es aber noch seine
Gedanken beschäftigt. Er ist sich dessen noch nicht ganz bewusst, aber von Zeit zu Zeit hört
er eine leise Stimme in sich, die ihn mahnt. "Alsdann kam ihm für eine Stunde zum
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Bewusstsein, dass er ein seltsames Leben führe, dass er wohl heiter sei und zuweilen Freude
fühle, dass aber das eigentliche Leben dennoch an ihm vorbeifliesse und ihn nicht berühre(...)
mit dem Herzen, mit der Quelle seines Wesens war er nicht dabei ", S.60. Unbewusst weiß er
es, aber bevor er etwas dagegen wird machen können, muss er sich dessen richtig bewusst
sein. Er nimmt wie ein Zuschauer an seinem Leben teil und manchmal wünscht er sich,
"wirklich zu geniessen und zu leben", S.60.
Er geht immer zur Kamala, die ihn die Liebeskunst weiter lehrt. Siddhartha findet, dass
Kamala ihn besser versteht als Govinda. Er denkt, dass sie und er ähnlich sind. Beide können
"in sich" eingehen. Es geht nicht um Intelligenz. Kamaswami z.B. ist klug, aber er "hat doch
keine Zuflucht in sich", S.61, und andere sind dumm, haben aber diese Gabe. Für Siddhartha
gibt es nur eine höhere Art Menschen, die " in sich selber ihr Gesetz und ihre Bahn haben",
S.61, es ist "Gotama, der Erhabene, der Verkünder" (Trio). Aber seine Schüler sind nicht so ,
"sie alle sind fallendes Laub, nicht in sich selbst haben sie Lehre und Gesetz.", S.61, wie die
anderen Menschen.
Für Kamala ist Siddhartha der beste Liebhaber, er hat die Liebeskunst sehr wohl gelernt. Sie
will später ein Kind von ihm bekommen. Aber sie denkt, dass er sie nicht liebt, dass er
niemanden liebt, da er in seinem Innern noch ein Samana ist. Aber Siddhartha antwortet, dass
auch sie niemand liebt, sonst könnte sie nicht "die Liebe als Kunst betreiben.", S.62. Das
unterscheidet sie beide von den anderen Menschen. "Die Menschen von unserer Art können
vielleicht nicht lieben. Die Kindermenschen können es; das ist ihr Geheimnis.", S.62.
Siddhartha fühlt, dass er sich von den anderen unterscheidet, obwohl er nach ihren Regeln
lebt.
III : Sansara
Sansara heisst der Kreislauf des Lebens und des Todes, der Welt der Menschen, die
Wechselhaftigkeit und die Nicht-Dauer der Dinge.
Siddhartha lebt seit langem wie die Kindermenschen, ohne wirklich zu ihnen zu gehören. Er
läßt sich allmählich von der Welt einfangen. Seine Sinne (menschlichen Gelüste) sind wieder
erwacht, “er hatte Reichtum gekostet, hatte Wollust gekostet, hatte Macht gekostet.”, S.63. Er
ist aber im Grunde ein Samana geblieben, wie Kamala es geahnt hat. “Immer war es noch die
Kunst des Denkens, des Wartens, des Fastens, von welcher sein Leben gelenkt wurde, immer
noch waren die Menschen der Welt, die Kindermenschen, ihm fremd geblieben, wie er ihnen
fremd war.”, S.63.
Er ist reich geworden und besitzt jetzt ein Haus, viele Diener und einen Garten am Fluss. Alle
lieben ihn, und kommen zu ihm, um Rat oder Geld zu bekommen. Trotzdem steht nur Kamala
ihm nahe.
Er entfernt sich von seinem ganzen vergangenen Leben. “Jenes Hohe, helle Wachsein,
welches er einst erlebt hatte (...) war allmählich Erinnerung geworden.”, S.63.
Er hört die Stimme seines Inneren fast nicht mehr.
Vieles, was er damals von den Samanas, von dem Erhabenen und von seinem Vater gelernt
hatte, sind noch immer ein Teil von ihm: "...Mäßiges Leben, heimliches Wissen von Selbst,
vom ewigen Ich, das nicht Körper noch Bewusstsein ist.” “Eines ums andere aber war
untergesunken”, S.63.
Hesse vergleicht “das Rad der Askese, das Rad des Denkens, das Rad der Unterscheidung”,
S.64, (dreigliedriger Rhythmus) in Siddharthas Seele mit der Scheibe des Töpfers, die, wenn
sie in Bewegung ist, sich nur langsam verlangsamt bis sie ganz stehenbleibt.
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All das hat sich in ihm verlangsamt, und ist im Begriff anzuhalten.
Siddhartha ist ein geschickter Händler geworden. Er hat alle Grundsätze des Lebens der
Menschen gelernt : “Macht über den Menschen auszuüben, sich mit dem Weibe zu
vergnügen, schöne Kleider zu tragen, Dienern zu befehlen, schmeckendes Essen zu essen”,
S.64; er isst jetzt Fisch, Fleisch, Vogel, Süssigkeiten und trinkt Wein. Er spielt mit den
Würfeln, sieht den Tänzerinnen zu und schläft in einem weichen Bett.
Aber bisher “hatte er sich immer noch von den andern verschieden und ihnen überlegen
gefühlt, immer hatte er ihnen mit ein wenig Spott zugesehen, mit ein wenig spöttischer
Verachtung, mit eben jener Verachtung, wie sie ein Samana stets für Weltleute fühlt.”, S.64.
Aber jetzt beginnt er, dieses zu “verlieren”, das alles schläft bei ihm ein. Er nimmt langsam
das Benehmen der Kindermenschen in sich, “etwas von ihrer Kindlichkeit und von ihrer
Ängstlichkeit”, S.64 “Er beneidete sie desto mehr, je ähnlicher er ihnen wurde.” “Er beneidete
sie um die Wichtigkeit, welche sie ihrem Leben beizulegen vermochten”, und um die
Leidenschaft, die sie in ihren Beschäftigungen empfanden. Aber das schafft er nicht von ihnen
zu lernen, “gerade dies nicht, diese Kinderfreude und diese Kindertorheit; er lernte von ihnen
gerade das Unangenehme, was er selbst verachtete.”, S.65.
Er fängt an, wie ein Kindermensch faul, ärgerlich, ungeduldig und verächtlich zu sein.
“Sein Gesicht war noch immer klüger und geistiger als andre, aber es lachte selten und nahm
einen um den andern jene Züge an, die man im Gesicht reicher Leute so häufig findet, jene
Züge der Unzufriedenheit, der Kränklichkeit, des Missmutes, der Trägheit, der Lieblosigkeit.
Langsam ergriff ihn die Seelenkrankheit der Reichen.”, S.65.
In diesem Kapitel sehen wir die ganze Veränderung von Siddhartha. Es ist eine Veränderung
zum Schlechteren. Er verliert sein Samana-Ich und ergreift das Benehmen der
Kindermenschen. Er erscheint uns jetzt als ein grober und abstoßender Mensch, er ist uns so
gar nicht mehr sympathisch.
Aber dieses neue Leben, das er nach seiner Trennung von Govinda begonnen hat, wird „alt“,
abgetragen, wie ein Kleid, das mit der Zeit Flecken bekommt und sich abnutzt. Es wird
verdorben. „so sammelten sich Falten und Flecken auf ihm, und im Grunde verborgen, hier
und dort schon hässlich hervorblickend, wartete Enttäuschung und Ekel.“, S.65. Aber
Siddhartha merkt es nicht. Er bemerkt aber, dass die Stimme seines Inneren, die ihn damals
begleitet hatte, jetzt schweigt.
„Die Welt hatte ihn eingefangen, die Lust, die Begehrlichkeit, die Trägheit, und zuletzt auch
jenes Laster, das er als das Törichste stets am meisten verachtet und gehöhnt hatte : die
Habgier.“, S.66. Das Eigentum und der Reichtum sind jetzt für ihn „eine Kette und Last
geworden.“ Er betrachtet das nicht mehr wie früher, als Kleinigkeiten. Er ist davon abhängig
geworden wegen des Würfelspieles. Seitdem er im Herzen aufgehört hatte, ein Samana zu
sein, hat er begonnen, das Spiel um Geld „mit einer zunehmenden Wut und Leidenschaft zu
treiben.“, S.66. Er, der das damals so lächerlich gefunden hat, ist ein gefürchteter Spieler
geworden, er macht sehr hohe und waghalsige Einsätze.
„Er trieb das Spiel aus der Not seines Herzens, das Verspielen und Verschleudern des elenden
Geldes schuf ihm eine zornige Freude“, S.66, und er denkt, dass er so seine Verachtung des
Reichtums, des Götzen der Kaufleute zeigt.
Er spielt „ hoch und schonungslos, sich selbst hassend und sich selbst verhöhnend, gewinnt er
viel“, S.66. Er gewinnt viel, und verliert viel. Einmal verliert er alles, gewinnt alles wieder
und verspielt es wieder. Er mag diese Angst, wenn er die Würfel wirft, da er „in diesem
Gefühl allein noch „etwas wie Glück (fühlte), etwas wie Rausch, etwas wie erhöhtes Leben
inmitten seines gesättigten, lauen, faden Lebens.“, S.66. Wenn er verliert, versucht er dann
wieder, Geld zu verdienen, da er noch spielen will und da er noch seine Verachtung
gegenüber dem Reichtum zeigen will. Das Geld ist ihm nicht mehr gleichgültig, er gibt z.B.
dem Bettler kein Geld mehr, er wird sogar geizig. Er träumt sogar vom Geld!
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„Aber sooft er aus dieser hässlichen Bezauberung erwachte, sooft er sein Gesicht im Spiegel
(...) gealtert und hässlicher geworden sah, sooft Scham und Ekel ihn überfiel, floh er weiter,
floh in neues Glücksspiel, floh in Bertäubungen der Wollust, des Weines.“, S.67.
Immer ist es eine Flucht vor der Wirklichkeit; er will nicht sehen, was sein Leben wirklich ist.
Es ist ein Teufelskreis, der ihn müde, alt und krank macht.
Hier ist Siddhartha ungefähr vierzig Jahre alt.
Eines Nachts hat er einen Traum. Am Abend ist er mit Kamala im Garten. Kamala spricht
„nachdenkliche Worte, hinter welchen sich eine Trauer und Müdigkeit verbarg.“, S.67. Sie
will von Gotama hören, und sie sagt, dass sie vielleicht bald diesem Buddha folgen wird.
Dann haben sie sich "geliebt". Sie ist merkwürdig, als „wolle sie noch einmal aus dieser
eiteln, vergänglichen Lust den letzten süssen Tropfen pressen.“, S.67. Da wird es Siddhartha
sehr klar, wie nahe die Wollust und der Tode verwandt sind. Er hat auf dem Gesicht von
Kamala „eine Schrift von feinen Linien gelesen, die an den Herbst und an das Alter
erinnerte.“, S.67. Bei sich selbst hat er einige weisse Haare gefunden. Sie sieht müde aus,
„Müdigkeit vom Gehen eines langen Weges, der kein frohes Ziel hat, und verheimlichte, noch
nicht gesagte, vielleicht noch nicht einmal gewusste Bangigkeit : Furcht vor dem Alter, Furcht
vor dem Herbste, Furcht vor dem Sterbenmüssen“, S.68. Für Kamala, die nur Liebe ist, ist es
Zeit, ihrem Leben einen anderen Sinn zu finden. Und für Siddhartha auch : er realisiert
plötzlich, dass das Leben, das er gelebt hat, bald zu Ende sein wird. Er nimmt an diesem
Abend von Kamala Abschied, „die Seele voll Unlust und voll verheimlichter Bangigkeit.“,
S.68.
Er verbrachte dann die Nacht mit Tänzerinnen beim Weine. Er legte sich spät ins Bett, sehr
müde aber ganz erregt. Er musste weinen. Sein Herz, so schien es ihm, kannte das ganze
Elend nicht mehr fassen, und er war voll von Ekel.
Er ekelte sich vor sich selbst, vor seiner ganzen Personn. „Er wünschte sich, in einem
ungeheuren Schwall von Ekel, sich dieser Genüsse, dieser Gewohnheiten, dieses ganzen
sinnlosen Lebens und seiner selbst zu entledigen.“, S.68. Das zeigt die Abscheu, die er vor
sich selbst hatte. Erst am Morgen findet er den Schlaf und träumt. Dann kommt sein 2.Traum.
Er träumt von Kamalas Vogel, den sie in einem Käfig hält. Er ist stumm geworden, und als
Siddhartha in den Käfig guckt, ist der Vogel tot. Er wirft ihn weg auf die Strasse. Aber
gleichzeitig tut ihm sein Herz weh, und er hat den Eindruck, dass er „mit diesem toten Vogel
allen Wert und alles Gute von sich geworfen hatte.“, S.69.
Es scheint ihm plötzlich, dass er sein Leben wertlos und sinnlos dahingeführt hat. „Nichts
Lebendiges, nichts irgendwie Köstliches oder Behaltenswertes war ihm in Händen
geblieben.“, S.69. Er ist allein, ganz allein und leer.
Er geht in den Garten und hat den Eindruck, dass etwas in ihm gestorben ist. Er überlegt sein
ganzes Leben. Er hat oft Glück erlebt. Als Kind, wenn die Brahmanen ihm gratulierten; als er
sich mit dem Aufsagen der heiligen Verse ausgezeichnet hat; als er beim Opfer geholfen
hatte; als er in Schmerzen den wirklichen Sinn des Brahmans suchte; und immer hat er eine
Stimme gehört, die ihn ermutigte, weiter zu gehen. Er hatte auf sie noch gehört, als er zu den
Samanas gegangen war, und auch als er zu dem Vollendeten gegangen war, auch noch als er
ins Ungewisse gegangen ist. Aber seither hat er sie nicht mehr gehört. Er hat keine Höhe mehr
erreicht, hatte kein Ziel mehr, und war nie zufrieden.
Das einzige, was er während dieser Jahre gewollt hat, war, „ein Mensch wie diese vielen zu
werden, wie diese Kinder, und dabei war sein Leben viel elender und ärmer gewesen als das
ihre, denn ihre Ziele sind nicht die seinen, noch ihre Sorgen.“, S.70. Alles ist nur wie ein Spiel
gewesen, wie eine Vorstellung, die man als Zuschauer schaut.
Nur „Kamala war ihm lieb, war ihm wertvoll gewesen.“, S.70. Aber er weiss nicht, ob es
immer der Fall ist, ob er sie noch braucht und sie ihn. Dieses Spiel ist für das Leben nicht
notwendig, „dieses Spiel hiess Sansara, ein Spiel für die Kinder“, S.70.
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Siddhartha hat bemerkt, dass dieses Spiel jetzt zu Ende ist. Er fühlt in sich, dass etwas
gestorben ist.
Er bleibt den ganzen Tag im Garten, um über sein vergangenes Leben nachzudenken.
Er findet jetzt lächerlich, das zu besitzen, was er besitzt. „Er schliesst auch damit ab, auch das
stirbt in ihm.“, S.70. Er denkt an sein Haus, und an den ganzen Komfort, er ist hungrig, aber
nimmt auch Abschied von diesen Dingen.
Er verläßt die Stadt in der Nacht, und wird nie mehr zurückkommen. Kamaswami lässt nach
ihm suchen. Kamala dagegen nicht. Sie wundert sich darüber nicht. Sie hat geahnt, dass er
immer „ein Samana, ein Heimloser, ein Pilger“ (dreigliedriger Rhythmus) geblieben ist. Sie
hat es gefühlt, aber ist glücklich, dass „sie sich von ihm ganz besessen gefühlt hatte.“, S.71.
Als sie vom Verschwinden von Siddhartha erfährt, lässt sie den Vogel fliegen. Er fliegt davon
und sie schaut ihm nach. Er verschwindet, entfernt sich.
Ab diesem Tag empfängt sie keine Besucher mehr. Kurze Zeit später erfährt sie, dass „sie von
dem letzten Zusammensein mit Siddhartha schwanger sei“. Sie wird bald ein Kind
bekommen, das das Kind Siddharthas ist.
IV : AM FLUSSE
Siddhartha geht in den Wald, er entfernt sich von der Stadt. Er weiss nur eines : nie mehr will
er dorthin zurückkehren, nie mehr will er ein solches Leben führen. Er ist von allem total
angeekelt. „Tief war er in Sansara verstrickt, Ekel und Tod hatte er von allen Seiten in sich
eingesogen,..., voll von Überdruss, voll von Elend, voll von Tod“, S.72, er ist ganz
verzweifelt. Er denkt, dass er sich über nichts mehr freuen kann. Das einzige, was er will, ist :
„Nichts mehr von sich zu wissen, Ruhe zu haben, tot zu sein.“, S.72 (dreigliedriger
Rhythmus).
Er wünscht, alles zu vergessen, für immer einzuschlafen. Er hat alles Niedrige begangen. Er
schämt sich wegen seines ganzen Lebens bei den Kindermenschen. Er fragt sich, ob er noch
weiterleben kann. Er hat den Eindruck, noch in diesem Teufelskreis gefangen zu sein.
Er kommt an die Ufer des Flusses, über den er damals mit Hilfe eines Fährmanns gegangen
war, als er sich von Govinda und Gotama entfernte, mehr, er wünscht nur, „diesen ganzen
wüsten Traum von sich zu schütteln, diesen schalen Wein von sich zu speien, diesem
jämmerlichen und schmachvollen Leben ein Ende zu machen.“, S.72-3. Das Leben ist jetzt für
ihn eine Folter.
Er lehnt sich an den Stamm eines Kokosbaums, der über das Ufer gebeugt hängt. Unter sich
sieht er das Wasser fliessen; er will sich ins Wasser werfen, er fühlt sich leer. „Ja, er war am
Ende.“, S.73. Er will sein Leben zerstören. „Dies war das grosse Erbrechen, nach dem er sich
gesehnt hatte : der Tod, das Zerschlagen der Form, die er hasste.“, S.73.
Aber wenn er den Baum loslässt, wenn er sich über das Wasser beugt, um sich ins Wasser
fallen zu lassen, hört er eine Stimme in seiner Seele : das heilige „Om“, das soviel wie „das
Vollkommene“ oder die „Vollendung“ bedeutet.“, S.73. Plötzlich versteht Siddharta die
Torheit seines Tuns. Er erwacht, genauso wie früher als er sich von Gotama entfernt hatte.
Man kann beobachten, dass er jedesmal, wenn er sein Leben zu ändern beschliesst, eine Art
Erwachen in der Natur erlebt.
Er erschrickt vor seiner Absicht, die Ruhe im Tod zu finden „ indem er seinen Leib
auslöschen könnte.“, S.74. Er hatte gedacht, seine Seele durch den körperlichen Tod,
erleichtern zu können.
Mit diesem Wort "Om" verwirklicht er, was er in den letzten Zeiten nicht bewirkt hatte, er
„erkennt sich in seinem Elend und in seinem Irrsal.“, S.74. Er erinnert sich an die
„Unzerstörbarkeit des Lebens, an alles Göttliche wieder, was er vergessen hatte.“, S.74.
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Er schläft am Fuss des Baumes ein. Er schläft sehr tief. Wenn er endlich erwacht, weiss er
nicht mehr, wo er ist, und was er hier macht. Langsam erinnert er sich an alles. Sein
vergangenes Leben scheint ihm fern, wie gleichgültig für ihn. Erst scheint ihm sein Leben wie
„eine weite zurückliegende, einstige Verkörperung, wie eine frühe Vorgeburt seines jetzigen
Ich.“, S.74. Er erinnert sich nur daran, dass er sein vergangenes Leben hatte verlassen wollen,
dass er „voll von Ekel und Elend“, S.74, es hatte wegwerfen wollen, dass er eingeschlafen
war, indem er das "Om"sprach. Das war für ihn wie eine Wiedergeburt. Er entdeckte die Welt
mit neuen Augen wieder. Während seines Schlafs war er wie ins Vollendete eingesunken.
Dieser Schlaf war der beste Schlaf gewesen. Jetzt ist er „erfrischt, erneut, verjüngt.“, S.75.
(dreifache Wiederholung). Er fühlt sich so verändert, dass er auf den Gedanken kommt, er sei
vielleicht gestorben. Aber er erkennt sein Ich : er ist es ja, Siddhartha, der verwandelt ist und
lebt.
Wenn er aufsteht, sieht er einen Mönch ihm gegenüber; dieser Mönch hat die Körperhaltung
von einem Nachdenkenden. Er erkennt Govinda, der ein Jünger Buddhas ist. Er war auch
gealtert, auch er, aber noch immer trug sein Gesicht die alten Züge, sprach von „Eifer, von
Treue, von Suchen, von Ängstlichkeit.“, S.75. Das ist der Unterschied zwischen den beiden :
Govinda ist sich selbst immer treu geblieben.Govinda erkennt Siddhartha nicht. Er stellt sich
vor : er ist ein Jünger Buddhas. Er ging mit anderen Mönchen vorbei, und hatte Angst um
Siddhartha gehabt, da Schlangen dort waren. So hatte er gewünscht, seinen Schlaf zu
bewachen. Er war aber auch eingeschlafen.
Siddhartha dankt ihm, und sagt : „Lebe wohl, Govinda.“, S.76. Govinda versteht nicht, wie er
seinen Namen kennt. Siddhartha erklärt ihm, woher er ihn kennt.
So erkennt auch er Siddhartha. Er ist sehr froh, ihn wiederzusehen. Siddhartha fragt ihn nach
seinem Weg. „Sie ziehen von Ort zu Ort, leben nach der Regel, verkünden die Lehre, nehmen
Almosen, ziehen weiter.“, S.76, antwortet Govinda. Dann fragt Govinda Siddhartha dasselbe.
Siddhartha antwortet, dass es für ihn dasselbe ist, dass er pilgert. Govinda findet, dass
Siddhartha nicht wie ein Pilger aussieht, sondern wie ein reicher Mann. Er ist zu schön
angekleidet, zu gepflegt für einen Pilger. Govinda hat nie einen solchen Pilger getroffen.
Siddhartha erklärt Govinda, er sei heute einem Pilger im reichlichen Gewand begegnet, er
müsse sich durch den Schein nicht täuschen lassen. „Vergänglich ist die Welt der Gestaltung,
vergänglich, höchst vergänglich sind unsere Gewänder, und die Tracht unserer Haare, und
unsere Haare und Körper selbst.“, S.77.
Er war reich, aber er ist es nicht mehr, und was er jetzt ist und sein wird, weiss er nicht. Er ist
auf dem richtigen Weg. Er hat seinen Reichtum aufgegeben. „Schnell dreht sich das Rad der
Gestaltungen.“, S,77. Immer wieder ist dieses Rad da, um die Änderungen zu symbolisieren.
Er ist Brahmane geworden, dann Samana, und dann ein Reicher. Alles hat sich geändert.
Govinda scheint nicht ganz überzeugt, und geht seinen Weg weiter.
Siddhartha liebt noch Govinda. Und überhaupt in diesem Augenblick liebt er alles. Das hat
sich in ihm geändert. Er war früher krank geworden, weil er dazu nicht fähig war, etwas oder
jemanden zu lieben.
Siddhartha ist hungrig, er hat seit zwei Tagen nichts gegessen. Er wird sich bewusst, dass er
die drei einzigen Eigenschaften, die er besass, das heisst „fasten, warten und denken“
(dreigliedriger Rhythmus), nicht mehr beherrscht. „Dies war sein Besitz gewesen, seine
Macht und Kraft, sein fester Stab“, er hatte nichts anderes gelernt, „und nun hatten sie ihn
verlassen.“, S.78. Und warum hatte er diese drei Gaben aufgegeben ? Nur gegen Sinnenlust,
Wohlleben und Reichtum. Er hat sie deswegen geopfert.
Er versucht, über seine Lage nachzudenken. Er ist wie ein Kind : er ist nackt ; er hat nichts,
kann nichts, ist ganz unwissend, und er ist doch alt! Er hat diesen ganzen Weg gemacht, um
sich zum Schluss wieder am Anfang zu befinden. Er ist an einem toten Punkt angekommen.
„Ja, seltsam war sein Geschick!“, S.78. Aber er kann darüber nicht traurig sein, er „fühlte
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sogar grossen Anreiz zum Lachen, zum Lachen über sich, zum Lachen über diese seltsame,
törichte Welt.“, S.79.
Jetzt ist er wie neugeboren, und wenn er dem Fluss zuschaut, hat er den Eindruck, dass er die
vorige Szene geträumt hat, er kann nicht mehr verstehen, warum er sich den Tod gewünscht
hat.
Er übersieht sein Leben; als Kind kümmerte er sich nur um Götter und um Opfer; dann suchte
er nach Brahman und „verehrte das Ewige im Atman“; nachher lebte er bei den Samanas,
„lehrte seinen Leib absterben“; dann“ kam ihm in der Lehre des grossen Buddhas Erkenntnis
entgegen, er fühlte Wissen um die Einheit der Welt in sich kreisen wie sein eigenes Blut“;
dann lernte er die Liebeslust mit Kamala und den Handel mit Kamaswami, er lernte „seinen
Sinnen zu schmeicheln, den Geist zu verlieren, das Denken wieder zu verlernen, die Einheit
zu vergessen.“, S.79. Der ganze Weg hat aus ihm einen Kindermenschen gemacht. Er war ein
Denker, er ist jetzt ein Kindermensch. Aber trotz all seiner Dummheiten, seines Ekels und
seiner Enttäuschungen ist er froh. Ja, das hat ihn dazu geführt, wieder ein Kind zu sein, aber
jetzt kann er alles von neuem anfangen. „Ich habe Verzweiflung erleben müssen, ich habe
hinabsinken müssen bis zum törichtesten aller Gedanken, zum Gedanken des Selbstmordes,
um Gnade erleben zu können, um wieder Om zu vernehmen, um wieder richtig schlafen und
wieder richtig erwachen zu können. Ich habe ein Tor werden müssen, um Atman wieder in
mir zu finden. Ich habe sündigen müssen, um wieder leben zu können.“, S.80. Hier hat man
eine Parallele mit dem Schicksal Buddhas, der dasselbe erlebt hatte; er hatte auch dieselbe
Suche nach seinem Ich gemacht.
Aber Siddhartha verzweifelt nicht, er beschliesst seinen Weg weiter zu gehen. Er fühlt sich
endlich frei nach seiner Flucht. „Wie gut ist dies Geflohensein, dies Freigewordensein!“, S.80.
Alles ist jetzt rein. Er hasste die Welt der Reichtümer, er hasste sich selbst, weil er so lange in
dieser Welt geblieben war. Diese Welt hatte ihn böse gemacht, er hatte seine Zeit verloren.
Nun hasst er nicht mehr. „Nie mehr werde ich mir einbilden, dass Siddhartha weise ist!“,
S.80. Dieser Gedanke hatte ihn verblendet, hatte ihn verhindert, die Wirklichkeit zu sehen.
„Dies gefällt mir, dass es nun ein Ende hat mit jenem Hass gegen mich selber, mit jenem
törichten und öden Leben!“, S.80. Darauf ist er stolz, er gratuliert sich.
Er hätte bei Kamala noch länger leben können, wenn dieser Augenblick, als er sich ins
Wasser werfen wollte, nicht gewesen wäre. „Dass er diese Verzweiflung, diesen tiefsten Ekel
gefühlt hatte, und dass er ihm nicht erlegen war, dass der Vogel, die frohe Quelle und Stimme
in ihm doch noch lebendig war“, S.81, darüber freute er sich, er hatte sich beherrschen
können. Diese Welt musste er erfahren.
Er musste diese Welt experimentieren. Er musste selbst sehen, dass sie nicht gut war. Damals
wusste er es theoretisch, jetzt weiss er das auch praktisch.
Etwas ist in ihm gestorben. Aber da der kleine Vogel noch lebte, war es vielleicht sein anders
Ich, das gestorben war. „War es nicht sein Ich, sein kleines, banges und stolzes Ich, mit dem
er so viele Jahre gekämpft hatte, das ihn immer wieder besiegt hatte, das nach jeder Abtötung
wieder da war, Freude verbot, Furcht empfand?“, S.80. Dafür war er wahrscheinlich wie ein
Kind, vertraulich, so froh.
Damals war er hochmütig, und deshalb konnte er sein Ich nicht töten. Er war immer der
Klügste gewesen. Und das hatte ihn stolz gemacht. Sein Ich hatte sich in diesem Priestertum,
in diesem Hochmut, in dieser Geistigkeit (dreifache Wiederholung) versteckt. So nutzten
Fasten und Büssen nicht, um es zu töten. Er hatte recht gehabt : kein Lehrer hätte ihn erlösen
können. In der Welt der Reichtümer hatte er so den Priester und den Samana töten können,
und gleichzeitig hatte er Siddhartha töten können, und ein neuer Siddhartha hatte erwachen
können. „Auch er würde alt werden, auch er würde einst sterben müssen, vergänglich war
Siddhartha, vergänglich war jede Gestaltung.“, S.82.
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Es scheint ihm, dass er noch etwas von dem Fluss zu lernen hat. In diesem Fluss hatte er
sterben wollen. Aber schliesslich war sicher der alte Siddhartha in ihm ertrunken. Aber der
neue Siddhartha liebt diesen Fluss, und beschliesst, da zu bleiben.
V : DER FÄHRMANN
Siddhartha beschliesst, an dem Fluss zu bleiben. Über diesen Fluss war er damals dank des
lieben Fährmanns gegangen, um zu den Kindermenschen zu gehen, um ein neues Leben
anzufangen. So will er heute sein neues Leben auch hier beginnen.
Er bewundert diesen Fluss, der ihn gerettet hat. Er ist schön, hat viele Farben. Er hört seine
innere Stimme, die ihm rät, dieses Wasser zu lieben und von ihm zu lernen : „wer dieses
Wasser und seine Geheimnisse verstünde, der würde auch viel anderes verstehen, viele
Geheimnisse, alle Geheimnisse.“, S.83, scheint die Stimme zu sagen.
Zur Zeit sieht er nur eines : das Wasser läuft immer, immer gibt es neues Wasser, der Fluss
hört nie auf zu fliessen. „Das Wasser lief und lief ... neu!“, S.83. Das versteht er aber nicht,
das ist für ihn ein Wunder.
Er ist sehr hungrig. Er geht weiter bis zur Fähre. Das Boot ist bereit, um den Fluss zu fahren.
Er erkennt den Fährmann, welcher ihn damals über den Fluss geführt hatte. Er ist auch alt
geworden. Der Fährmann ist erstaunt, einen so vornehmen Mann hier zu sehen, ganz allein.
Siddhartha findet, dass der Fährmann ein schönes Leben hat. Der Fährmann ist damit
einverstanden, aber denkt, dass ein Mann wie Siddhartha, so schön gekleidet, die Lust an
einer solchen Arbeit schnell verlieren würde.
Siddhartha schlägt ihm vor, ihm seine Kleider zu geben : sie bringen ihm das Misstrauen der
Leute. Das wäre auch sein Lohn, da Siddhartha kein Geld mit sich hat. Der Fährmann ist
misstrauisch. Siddhartha erinnert ihn, dass er ihn schon einmal geführt hatte, ohne bezahlt zu
werden. Der Fährmann fragt, was für Kleider er dann haben wird. Siddhartha erklärt, dass er
am liebsten nicht weiterreisen will; was er am liebsten hätte, wäre beim Fährmann zu bleiben,
und sein Lehrling zu sein. Der Fährmann erkennt ihn, aber erinnert sich an den Namen nicht.
Siddhartha stellt sich vor. Der Fährmann macht dasselbe, er heisst Vasudeva. Er lädt
Siddhartha ein, sein Gast für die Nacht zu sein. So wird Siddhartha ihm erzählen können, was
er erlebt hat, und warum die Kleider eine Last für ihn sind. Siddhatha nimmt an. Er hilft ihm
das Boot festbinden.
Vasudeva bietet ihm etwas zu trinken an und gibt ihm Brot. Sie sitzen an einem Baumstamm
am Ufer, und Siddhartha erzählt von seinem Leben und seiner Vergangenheit. Das dauert bis
spät in die Nacht. Vasudeva hört alles mit grossem Interesse. Er sagt kein Wort, aber hört
alles : „er verstand wie wenige das Zuhören.“, S.85.
„Siddhartha empfand, welches Glück es ist, einem solchen Zuhörer sich zu bekennen, in sein
Herz das eigene Leben zu versenken, das eigene Suchen, das eigene Leiden.“, S.85.
Wenn Siddhartha ihm erzählt, dass der Fluss mit ihm gesprochen hat, hört Vasudeva noch
aufmerksamer zu. Er schlägt ihm vor, bei ihm zu bleiben : er hatte eine Frau, aber sie ist
gestorben, und jetzt ist er ganz allein.
Siddhartha nimmt an und dankt ihm, ihm so aufmerksam zugehört zu haben. Das ist die erste
Sache, die er von Vasudeva gelernt hat, und er denkt, dass es nicht die letzte ist. Vasudeva
erklärt, dass er das von dem Fluss gelernt hat. Der Fluss weiss alles. Siddhartha hat schon von
ihm gelernt, die Tiefe zu suchen, und wird sicher „das andere“ bald lernen. Er kann aber nicht
sagen, was das andere ist, das muss der Fluss ihn lehren. Der Fährmann ist kein Gelehrter : er
kann nur zuhören und fromm sein, er ist auch kein Lehrer.
Siddhartha bleibt bei Vasudeva. Er lernt das Boot bedienen, und arbeitet in den Reisfeldern,
sammmelt Holz und pflückt Früchte. Die Zeit vergeht schnell. Und er lernt noch mehr von
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dem Fluss, das ist eine unaufhörliche Lehre. „Vor allem lernte er von ihm das Zuhören, das
Lauschen mit stillem Herzen, mit wartender, geöffneter Seele, ohne Leidenschaft, ohne
Wunsch, ohne Urteil, ohne Meinung.“, S.87.
Er spricht selten mit Vasudeva. Siddhartha fragt eines Tages Vasudeva, ob er vom Fluss
gelernt hat, dass es keine Zeit gibt. Vasudeva bejaht es. Der Fluss ist überall zugleich, „für ihn
gibt es nur Gegenwart, nicht den Schatten Vergangenheit, nicht den Schatten Zukunft.“, S.87.
Siddhartha hat dasselbe für sein Leben bemerkt. „Es waren auch Siddharthas frühere
Geburten keine Vergangenheit, und sein Tod und seine Rückkehr zu Brahman keine Zukunft.
Nichts war, nichts wird sein; alles ist, alles hat Wesen und Gegenwart.“, S.88. Wenn man
gegen die Zeit gekämpft hat, sind alle Leiden weg.
Der Fluss hat viele Stimmen, er hat „alle Stimmen der Geschöpfe in seiner Stimme.“, S.88.
Siddhartha fragt Vasudeva, was er sagt, wenn man alle seine Stimmen hört. Vasudeva
antwortet ihm „Om“. Siddhartha hatte dasselbe gehört!
Mit der Zeit wird ihm Siddhartha immer ähnlicher. Man könnte glauben, dass sie zwei Brüder
sind. Sie hören oft zusammen auf das Wasser, „welches für sie kein Wasser war, sondern die
Stimme des Lebens, die Stimme des Seienden, des ewig Werdenden.“, S.89. (dreigliedriger
Rhythmus). Sie empfinden dasselbe dem Wasser gegenüber.
Sie haben etwas mehr als die anderen. Einige Reisende fühlen es, und bitten sie um
Ratschläge oder um einen Abend mit ihnen, um dem Fluss zuzuhören.
Einige kommen, da sie gehört hatten, dass sie beide Weise waren. Sie stellen Fragen,
bekommen oft keine Antworten. Dann lachen sie über sie, und über die Leute, die geglaubt
hatten, dass sie Weise waren.
Eines Tages kommen viele Anhänger des Gotama, die über den Fluss wollen. Siddhartha und
Vasudeva erfahren, dass Gotama todkrank ist, und dass er bald sterben wird, „um zur
Erlösung einzugehen.“, S.89. Noch andere kommen, und noch mehr, immer mehr! „Sie
strömten, wo der grosse Buddha seinen Tod erwartete, wo das Ungeheure geschehen und der
grosse Vollendete eines Weltalters zur Herrlichkeit eingehen sollte.“, S.90.
Siddhartha erinnert sich an seine Begegnung mit Gotama. Er lächelt, wenn er sich seine
Worte überlegt. Er fühlt seit langem, dass er jetzt Gotama sehr nah steht, obwohl er seiner
Lehre nicht gefolgt ist. Für ihn soll der, der wirklich seinen Weg finden will, keine Lehre
annehmen, “der aber, der gefunden hat, der konnte jede, jede Lehre gutheissen, jeden Weg,
jedes Ziel, ihn trennte nichts mehr von all den tausend anderen, welche im Ewigen lebten,
welche das Göttliche atmeten.”, S.90.
Auch Kamala beschloss, zum sterbenden Buddha zu pilgern. Sie ist eine Wohltäterin der
Mönche geworden, sie hat ihnen ihren Garten gegeben, und lebt jetzt einfach, indem sie ihre
Zuflucht zur Lehre genommen hat. Sie ist mit ihrem Sohn Siddhartha zu Fuss gegangen. Die
Reise ist aber lang für den kleinen Jungen, der immer müde ist. Er will zurück und ist sehr
launisch. Einmal, während sie anhalten, schlief Kamala eine Weile ein. Plötzlich schrie sie,
und Siddhartha sah eine kleine schwarze Schlange neben ihr; sie hatte sie gebissen. Sie
machen sich auf den Weg, aber Kamala ist bald zu schwach, um weiterzugehen und sie fällt
in der Nähe der Fähre. Beide rufen um Hilfe. Vasudeva hört sie und kommt. Er trägt Kamala
in sein Boot und fährt mit der Frau und dem Sohn über den Fluss bis zu der Hütte. Siddhartha
machte Feuer. Als er das Kind sieht, findet er, dass es ihm gleicht. Das erinnert ihn an sein
lange vergessenes Leben. Er erkennt sofort Kamala und versteht, dass dieses Kind sein Sohn
ist. Er ist ganz bewegt.
Sie waschen Kamalas Wunde, aber sie ist schon schwarz geworden, und ihr Bauch ist
angeschwollen. Sie trinkt was, und ihr Bewusstsein kommt wieder. Als sie Siddhartha sieht,
hat sie den Eindruck, in einem Traum zu sein. Aber bald erinnert sie sich an die Ereignisse
und hat Angst um ihren Sohn.
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Siddhartha beruhigt sie. Sie merkt, dass Siddhartha viel älter geworden ist, aber dass er “dem
jungen Samana, der einst ohne Kleider mit staubigen Füssen zu ihr kam, gleicht.“, S.92. Er
gleicht ihm viel mehr als er ihm damals glich, als er sie und Kamaswami verliess. “ In den
Augen gleichst du ihm” sagt sie, S.92. Sie fragt, ob er sie und ihren Sohn erkannt hat.
Ihre Augen schliessen sich und der Kleine fängt an zu weinen. Siddhartha singt ein
brahmanisches Gebet, das er als Kind lernte. Das beruhigt das Kind und es schläft ein.
Vasudeva sagt, dass Kamala sterben wird.
Siddhartha fühlt Kamalas Schmerzen. Kamala liest auf Siddharthas Gesicht alle Änderungen,
die er in seinem Leben durchgemacht hat, all den Weg, den er gemacht hat. Seine Augen
haben sich verändert : „Du bist Siddhartha, und du bist es nicht.„, S.93, sagt ihm Kamala.
Kamala fragt noch, ob er Frieden gefunden hatte. Aber sie braucht keine Antwort, sie weiss es
ja. Sie hofft, dass sie auch Frieden finden wird. Siddharthas weiss, dass sie ihn schon
gefunden hat.
Kamala wollte Gotama sehen, « um das Gesicht eines Vollendeten zu sehen, um seinen
Frieden zu atmen » aber sie ist durch Zufall Siddhartha begegnet, und « es war gut, ebenso,
als wenn sie jenen gesehen hätte. », S.93. Kamala stirbt langsam.
Er beobachtet sie lange. Er sieht wieder ihr junges Gesicht, das schön und frisch war im
Vergleich zu ihrem gegenwärtigen Gesicht. « Das Gefühl der Gegenwart und Gleichzeitigkeit
durchdrang ihn völlig, das Gefühl der Ewigkeit. Tief empfand er, tiefer als jemals, in dieser
Stunde die Unzerstörbarkeit jedes Lebens, die Ewigkeit jedes Augenblicks. », S.93.
Siddhartha isst nicht. Vasudeva und Siddhartha werden im Stall schlafen. Siddhartha schläft
nicht, er sitzt vor der Hütte die ganze Nacht « von allen Zeiten seines Lebens zugleich berührt
und umfangen. », S.94. Er hört dem Fluss zu, und wird durch den Gedanken der Einheit
geprägt.
Siddhartha ist aber nicht traurig; damals war er reich und glücklich. Jetzt ist er noch reicher
und glücklicher : sein Sohn wurde ihm geschenkt.
Vasudeva, dessen Frau auch auf demselben Bett gestorben war, hilft Siddhartha einen
Scheiterhaufen für Kamala auf demselben Hügel bauen.
VI : DER SOHN
Der kleine Siddhartha ist bei seinem Vater. Er ist elf Jahre alt. Er wohnt der Bestattung seiner
Mutter bei, er ist sehr traurig. Er soll jetzt in der Hütte mit Siddhartha und Vasudeva wohnen.
Er rebelliert sich gegen Siddhartha, der ihn seinen Sohn nennt, er isst nicht mehr, er ist
verschlossen, „er sträubte sich gegen das Schicksal.“, S.95.
Siddhartha ist verständnisvoll mit ihm, er lässt ihn in Ruhe. Er versteht, dass es ihm schwer
fällt, ihn plötzlich wie einen Vater zu lieben Er versteht auch, dass er an Reichtum und feines
Leben gewöhnt ist, und dass er Zeit braucht, um sich an Armut zu gewöhnen. Dafür zwingt er
ihn nicht zu arbeiten, und so hofft er, ihn mit der Zeit zu gewinnen.
Als er angekommen war, war Siddhartha sehr glücklich. Aber allmählich merkt er, „dass mit
seinem Sohne nicht Glück und Friede zu ihm gekommen war, sondern Leid und Sorge.“,
S.95. Er ist sehr launisch, will nichts machen, er ist stolz und trotzig und er verachtet
Siddhartha und Vasudeva.
Vasudeva erfüllt jetzt das Amt des Fährmanns allein, da Siddhartha in der Hütte und auf den
Feldern arbeitet, um bei seinem Sohn zu sein.
Das dauert monatelang; Siddhartha wartet immer, dass sein Sohn seine Liebe annimmt, er
macht dafür alles, was er kann. Vasudeva sagt nichts.
Aber eines Abends beschliesst Vasudeva, mit Siddhartha zu sprechen. Das Kind macht ihnen
beiden viele Sorgen. Er ist an ein anderes Leben gewöhnt. Er hat diese Lebensart nicht selbst
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gewählt; im Gegenteil zu Siddhartha ist er „nicht dem Reichtum und der Stadt entlaufen aus
Ekel und Überdruss, er hat wider seinen Willen dies alles dahinten lassen müssen.“, S.96.
Vasudeva hat den Fluss danach gefragt, der sie beide auslachte und sagte, dass das Kind nicht
an dem Ort ist, wo es sein sollte.
Siddhartha will sich aber nicht von ihm trennen. Er denkt, dass er es schaffen wird, sein Herz
zu gewinnen. Der Knabe wird sicher in seinem Leben leiden und sich irren. Er zwingt ihn
nicht und straft ihn nie. Aber in der Tat „bindet er ihn in Bande mit seiner Liebe.“, S.97. Das
Leben, das er ihm anbietet, ist wie eine Strafe für ihn.
Für Vasudeva gibt es nur eine Lösung : ihn in die Stadt zu bringen, zu dem Haus Kamalas,
und so wird er in seiner Welt leben können. Siddhartha hat aber Angst um ihn : er wird
vielleicht in Sansara verlorengehen.Vasudeva erklärt ihm, dass seine Liebe dagegen unnütz
ist; für Siddhartha war es dasselbe : die Liebe seines Vaters und die Lehre der Lehrer haben
ihn nicht verhindert, seinen Weg zu gehen. Man kann das niemandem ersparen. „Auch wenn
du zehnmal für ihn stürbest, würdest du ihm nicht den kleinsten Teil seines Schicksal damit
abnehmen können.“, S.98. Aber das alles wusste Siddhartha schon.
Das ist das erste Mal, dass Vasudeva eine solche lange Rede macht.
Nie hat er jemanden so stark geliebt. „Täglich war der stumme Kampf der Freundlichkeit, der
lautlose Krieg der Geduld.“, S.98
Eines Tages erinnert er sich an einen Satz von Kamala : „Du kannst nicht lieben.“ Damals
hatte er geglaubt, dass dieses Merkmal ihn von den Kindermenschen trennte. Aber seitdem
sein Sohn wieder da ist, ist er ein Kindermensch geworden : auch er verliert sich jetzt in Liebe
für einen anderen. Und er spürt, dass diese Liebe eine Leidenschaft ist (also etwas sehr
Menschliches), das sie „Sansara“ ist, aber gleichzeitig ist sie notwendig.
Der Knabe findet seinen Vater gut und gütig, aber er langweilt sich mit ihm, und seine immer
freundlichen Reaktionen ärgern ihn auch. Er wäre lieber „von ihm bedroht, von ihm
misshandelt worden.“, S.99.
Eines Tages kommt aber dieser ganze Hass raus. Siddhartha bittet seinen Sohn, Holz zu
holen. Er geht aber nicht und schreit, dass er ihn hasst, dass er nie sein will wie er: „Ich hasse
dich, du bist nicht mein Vater, und wenn du zehnmal meiner Mutter Buhle gewesen bist!“, S.
100. Dann geht er weg und kommt erst spät am Abend wieder.
Am nächsten Tag ist er mit dem Korb, wo die Fahrmänner ihren Lohn haben, verschwunden;
das Boot liegt am anderen Ufer. Siddhartha will ihn suchen. Er beschliesst, ein Floss zu
bauen. Vasudeva rät Siddhartha, das Boot mit dem Floss wiederzubringen, aber das Kind
gehen zu lassen. „Er tut das, was du selbst zu tun versäumt hast. Er sorgt für sich, er geht
seine Bahn.“, S.100.
Sie fahren hinüber. Wenn sie ankommen, ist das Ruder nicht im Boot. Vasudeva zimmert ein
neues. Er weiss, dass der Kleine das gemacht hat, damit sie ihm nicht folgen können, aber er
sagt nichts, und lässt Siddhartha ihn suchen.
Siddhartha findet ihn nicht. Aber er fühlt, dass ihm nichts Schlechtes passiert ist. Er geht
trotzdem weiter, nicht um ihn zu retten, aber mit der Hoffnung, ihn nochmals zu sehen.
Endlich kommt er in der Stadt an.
Er hält sich vor der Gartentür Kamalas, wo er sie damals getroffen hatte. Viele Erinnerungen
kommen ihm in den Geist; er sieht sich wieder vor elf Jahren, einen jungen schmutzigen
Samana, der vor dieser Tür stand. Jetzt sind Mönche in gelben Kutten in dem Garten. Er steht
lange da, und statt Mönche zu sehen, sieht er sich selbst und Kamala unter den Bäumen und
dann Kamaswami. Es ist, als ob er das alles ein zweites Mal erlebte. „Er lebte dies alles
nochmals, atmete Sansara, war nochmals alt und müde, fühlte nochmals den Ekel, fühlte
nochmals den Wunsch, sich auszulöschen, genas nochmals am heiligen Om“, S.102.
Nach langer Zeit versteht er, dass er seinen Sohn in Ruhe lassen soll. Er fühlt in sich wie eine
Wunde, aber fühlt auch, dass er sie strahlen lassen muss.
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Das kommt natürlich nicht gleich. Er empfindet Leere in seinem Herzen, ist traurig, aber hat
es verstanden, und beginnt es zu akzeptieren.
Er tut, was ihn der Fluss gelehrt hatte : „warten, Geduld haben und lauschen“, S.102
(dreigliedriger Rhythmus). Stundenlang lauscht er seinem Herz und wartet auf eine Stimme.
Er sieht nichts mehr, er ist ganz in der Leere. Nur wenn die Wunde zu schmerzhaft ist, spricht
er lautlos das „Om“.
Die Mönche sehen ihn und bringen ihm zwei Pisangfrüchte. Siddhartha sieht sie nicht.
Er fühlt endlich eine Hand auf seinem Schulter; diese erkennt er gleich : das ist diese von
Vasudeva. Er kommt wieder zu sich. Vasudeva ist ihm gefolgt. Vasudevas Gesicht macht ihn
lächeln. Sie essen die Pisangfrüchte und gehen in die Hütte zurück.
Sie sprechen weder über die Ereignisse des Tages, noch über den Sohn. Siddhartha legt sich
hin und schläft sofort ein. Vasudeva bringt ihm Kokosmilch, aber es ist zu spät : er schläft
schon.
VII : OM
Siddhartha leidet noch lange. Er sieht Familien, die mit Kindern über den Fluss fahren. Er ist
neidisch auf sie. Warum können diese Leute diese Glück haben und er nicht? Und es war
genau dieses Gefühl, das er damals den Kindermenschen vorwarf. Er ist ihnen ähnlich
geworden, sie scheinen ihm nicht mehr so fremd wie einst. Jetzt beurteilt er sie weniger
streng, er versteht sie, er ist wie sie. „Obwohl er nahe der Vollendung war, und an seiner
letzten Wunde trug, schien ihm doch, diese Kindermenschen seien seine Brüder“, S.104. Er
sieht, dass alles, was er damals Kindereien nannte, nicht so lächerlich ist, wie er es meinte,
und dass die Menschen gerade für diese Kindereien leben.
Das ist ihr Leben, und dafür liebt er jetzt die Menschen. „Er sieht das Leben, das Lebendige,
das Unzerstörbare, das Brahman in jeder ihrer Leidenschaften, jeder ihrer Taten.“, S.105.
Er denkt, dass sie fast alles haben, was der Wissende hat; nur eine Sache hat der Wissende
mehr : „das Bewusstsein, den bewussten Gedanken der Einheit des Lebens“, S.105.
Er beginnt zu verstehen, was Weisheit eigentlich ist, was das Ziel seines Suchens ist : es ist
die Möglichkeit, irgendwann den Gedanken der Einheit zu fühlen, zu denken und einzuatmen
(dreigliedriger Rhythmus).
Es kann mit den Worten : „Harmonie, Wissen um die ewige Vollkommenheit der Welt,
Lächeln, Einheit“, S. 105, ausgedrückt werden.
Er leidet aber immer noch unter der Trennung von seinem Sohn, und liebt ihn noch.
Eines Tages ist die Wunde zu schmerzhaft und er beschliesst, in die Stadt zu gehen, um
seinen Sohn zu finden. Er geht über den Fluss und hört, dass der Fluss lacht. Er lacht über ihn.
Siddhartha beugt sich über das Wasser und sieht das Spiegelbild seines Gesichts. Dieses Bild
erinnert ihn an etwas Vergangenes : es erinnert ihn an das Gesicht seines Vaters.
Er denkt an alles, was sein Vater seinetwegen erlitten hatte, seine Abfahrt ohne Abschied und
seine endgültige Abwesenheit, selbst wenn er gestorben war. In diesem Augenblick wird er
sich bewusst, dass er jetzt genauso dasselbe erlebt. Alles wiederholt sich, wie in einem
Teufelskreis. „Ja, es ist so, alles kommt wieder, was nicht bis zu Ende gelitten und gelöst
wird, es werden immer wieder dieselben Leiden gelitten“, S.106. Diese Idee erinnert mich an
die Wiedergeburtsregel im Buddhismus, diese Idee, dass man sich gemäss seiner Taten
reinkarniert. Ich glaube, es ist kein Zufall. Vielleicht wollte uns Hesse dieses Zeichen geben,
damit wir schon sehen, dass es etwas ganz Spezielles mit Siddhartha ist, dass er es schon
gemerkt hat. (~“Heiligtum“)
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Siddhartha geht verzweifelt wieder in die Hütte. Aber seine Leiden hat er noch nicht
überwunden, er kann das Schicksal noch nicht annehmen. Er hat Lust, Vasudeva alles zu
sagen, alles, was er ihm noch nie gesagt hat.
Vasudeva flicht an einem Korb in der Hütte. Er ist alt und schwach und kann das Boot nicht
mehr fahren. Die Freude und das Wohlwollen strahlen aber immer auf seinem Gesicht.
Siddhartha fängt an, ihm alles zu sagen. Er spricht von seinem Gang nach dem Sohn bis in die
Stadt, von seiner Wunde, von seinem Neid auf die anderen Eltern, von seiner Flucht und vom
Lachen des Flusses; er sagt alles, ohne Mühe.
Vasudeva hört alles. Es ist, als ob seine Seele Siddharthas Schmerzen, Ängste und
Hoffnungen übernähme. „Siddharha fühlt mehr und mehr, dass dies nicht mehr Vasudeva,
nicht mehr ein Mensch ist, der ihm zuhört,..., dass er Gott selbst, dass er das Ewige selbst
ist.“, S.107. Im Grunde ist es nicht so erstaunlich : er wird sich bewusst, dass Vasudeva
immer so gewesen ist, dass er es aber nicht gesehen hatte. Und dass er endlich nicht sehr
verschieden von ihm ist. Er sieht ihn wie das Volk die Götter, aber fühlt, dass es nicht dauern
wird. Und während er spricht, beginnt er, Abschied von Vasudeva zu nehmen.
Wenn Siddhartha fertig ist, sagt Vasudeva nichts. Er guckt ihn nur an, aber sein Blick ist voll
„von Liebe und Heiterkeit, von Verständnis und Wissen“, S.107. Er führt Siddhartha ans
Ufer, sie setzen sich nebeneinander und hören auf den Fluss.
Siddhartha sieht Bilder im Wasser : er sieht seinen einsamen traurigen Vater, sich selbst
einsam und seinen Sohn auch einsam, „jeder auf sein Ziel gerichtet, jeder vom Ziel besessen,
jeder leidend“, S.108. Die Stimme des Flusses klingt klagend.
Vasudevas Blick ermutigt ihn, noch besser zuzuhören. Er sieht andere Bilder, wie Kamala
und Govinda, die Gesichter, die noch einander vorbei fliessen, die zu Fluss werden; und alle
fliessen „sehnlich, begehrend, leidend“, S.108 (dreigliedriger Rhythmus) zu dem Ziel. Die
Stimme des Flusses hat sich verändert : jetzt klingt sie sehnsüchtig, voll von Verlangen. Der
Fluss fliesst stark und schnell, er erreicht alle seine Ziele (Wasserfall, Meer, Dampf, Regen,
Quelle,...), und fängt alles wieder an; er bildet den Wasserkreis.
Die Stimme hat sich wieder verändert : jetzt besteht sie aus vielen anderen Stimmen. Das sind
tausende Stimmen : traurige wie glückliche, leidende wie lachende. Er fühlt, dass er jetzt das
Lauschen zu Ende gelernt hat. Nie hat er diese Stimmen so gut gehört.
Bald werden sie nur noch zu einer Stimme. „Und alles zusammen, alle Stimmen, alle Ziele,
alles Sehnen, alle Leiden, alle Lust, alles Gute und Böse, alles zusammen ist die Welt. Alles
zusammen ist der Fluss des Geschehens, ist die Musik des Lebens“, S.109.
Wenn Siddhartha sie alle in ihrer Einheit hört, und sein eigenes Ich zur Seite bringt, werden
sie zu einem Wort, das ist Om, die Vollendung.
Vasudeva fragt ihn, ob er das gehört hat. Er lächelt, Siddhartha auch, mit dem gleichen
Lächeln.
„Seine Wunde blühte, sein Leid strahlte, sein Ich war in die Einheit geflossen“, S.109. Er hat
sein Ziel endlich erreicht, er hat geschafft, was er seit seiner Jugend suchte.
In diesem Augenblick hört er auf zu leiden, und nimmt das Schicksal an. Auf seinem Gesicht
strahlt „die Heiterkeit des Wissens,..., das die Vollendung kennt, das einverstanden ist mit
dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust,..., der
Einheit zugehörig“, S.109.
Wenn Vasudeva diese Änderungen in seinem Blick sieht, steht er auf und sagt Siddhartha,
dass er sehr lange auf diese Stunde gewartet hat. Jetzt wird er gehen. Er nimmt Abschied von
der Hütte, dem Fluss und Siddhartha (dreigliedriger Rhythmus), von allen Sachen, mit denen
er zusammen gelebt hat, von der Einheit seines Lebens. Es ist, als ob er von seinem Leben
Abschied nähme. Siddhartha hat es gewusst. Er wird in die Wälder, in die Einheit gehen. Für
mich ist es ein Zeichen, dass er die Erleuchtung erreicht hat. Er wollte Siddhartha die
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Vollendung zeigen, bevor er ging. Und die Einheit, in die er jetzt gehen wird, ist das Symbol
für das Ewige Leben, das Nirvana.
Vasudeva entfernt sich voll Frieden, voll Glanz und seine Gestalt ist voll Licht. Siddhartha
schaut ihm freundlich nach.
VIII : GOVINDA
Eines Tages, als sich Govinda mit anderen Mönchen in Kamalas Lusthain aufhielt, wo es jetzt
Mönche gibt, hörte er von einem Fährmann, von dem es gesagt wurde, dass er ein Weiser
war. Er wohnte mit einem anderen Weisen am Fluss.
Wenn Govinda weitergeht, beschliesst er, einen Umweg zu machen, um sie zu sehen. Er sucht
noch immer. „Ob er wohl sein Leben lang nach der Regel gelebt hat, (...), ist doch in seinem
Herzen die Unruhe und das Suchen nicht erloschen.“, S.111.
Siddhartha fährt ihn über den Fluss. Wenn sie drüben ankommen, fragt Govinda, ob
Siddhartha auch ein Sucher „nach dem rechten Pfade“ ist. Siddhartha ist von dieser Frage
überrascht, da das heisst, dass Govinda auch ein Sucher ist, obwohl er der Lehre von Gotama
folgt. Govinda erklärt, dass er sein Leben lang gesucht hat, es war seine „Bestimmung“. Er
möchte Siddharta über seine Suche sprechen hören, und vielleicht einige Ratschläge
bekommen. Siddhartha weiss nicht, was er antworten soll; er könnte ihm sagen, dass er
vielleicht zuviel gesucht hat, und dass es ihn Finden hinderte. Govinda versteht es nicht.
Siddhartha erklärt ihm, dass man manchmal, (wenn man sucht, wenn man ein Ziel hat) so
besessen von diesem Ziel ist, dass man nichts anders sieht. Man ist wie blind : dieses Ziel
blendet uns.
„Suchen heisst : ein Ziel haben. Finden aber heisst : frei sein, offen stehen, kein Ziel haben.
(...), deinem Ziel nachstehbend, siehst du manches nicht, was nah vor deinen Augen ist“,
S.111-112. Siddhartha erinnert Govinda, dass er damals den Schlaf eines Schlafenden, den er
nicht erkannt hatte, geschützt hat. Plötzlich vertsteht Govinda, dass der Fährmann Siddhartha
ist, er hat ihn schon wieder nicht erkannt. Siddhartha hat sich so sehr geändert. Er ist sehr
begeistert von dieser Begegnung, ist aber erstaunt, dass er jetzt ein Fährmann ist. Siddhartha
sagt, dass „manche sich viel verändern müssen, allerlei Gewand tragen müssen, und dass er
einer ihrer ist.“, S.112. Er lädt ihn für die Nacht ein. Er schläft auf Vasudevas Lager, und
Siddhartha spricht über sein Leben.
Am nächsten Morgen, bevor Govinda seinen Weg weitergeht, fragt er Siddhartha, ob er eine
Lehre, einen Glauben oder ein Wissen hat, das ihm hilft, recht zu leben.
Siddhartha hat schon als junger Mann die Lehre nicht gemocht. Er hat viele Lehrer gehabt :
die Samanas, Kamala, Kamaswami, selbst Govinda, als er damals seinen Schlaf behütet hatte.
Die grössten sind der Fluss und Vasudeva gewesen. „Vasudeva war kein Denker, er wusste
das Notwendige, so gut wie Gotama, er war ein Vollkommener, ein Heiliger.“, S.113. Es ist
das erste Mal, dass Siddhartha diese Worte benutzt, dass er es wirklich sagt.
Allen seinen Lehrern hat er trotzdem den Rücken gewendet.
Govinda nimmt es als einen Witz; er ist überzeugt, dass Siddhartha wenigstens gewisse
Gedanken, Erkenntnisse gefunden hat.
Siddhartha hat Gedanken gehabt, aber für ihn ist es schwer, sie mitzuteilen. Er hat gefunden,
dass die Weisheit unmitteilbar ist, und wenn man versucht, sie mitzuteilen, wird sie für eine
Narrheit gehalten. Govinda glaubt, dass er scherzt.
Siddhartha setzt fort : „Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht. Man kann sie finden,
sie leben, (...), aber sagen und lehren kann man sie nicht.“, S.113. Und das hat er schon
damals gefühlt, darum hat er sich von den Lehrern entfernt.
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Er hat auch noch gefunden, dass das Gegenteil jeder Wahrheit auch wahr ist. Eine Wahrheit,
die einseitig ist, kann man nur mit Worten sagen, und sie versteckt sich in diesen Worten.
Alles, was mit Gedanken und Worten gedacht ist, auch alle Lehren (die von Gotama auch),
sind einseitig, nur halbe Wahrheiten. Das heisst, dass ihm die Ganzheit, das Runde, die
Einheit (Dreigliedriger Rhythmus) fehlen. Man kann aber nicht anders machen, als die Welt
zu teilen. Aber nichts ist in den Extremen, nichts ist ganz negativ oder ganz positiv. Wir
glauben es, da wir die Zeit für eine Wirklichkeit nehmen. Für Siddhartha ist die Zeit nichts
Wirkliches. „ Und wenn Zeit nicht wirklich ist, so ist die Spanne, die zwischen Welt und
Ewigkeit, zwischen Leid und Seligkeit, zwischen Böse und Gut zu liegen scheint, auch eine
Täuschung.“, S.114.
Siddhartha erzählt weiter; man glaubt immer, dass man einmal Brahmane und Buddha wird,
dass man einmal Nirwana erreichen kann. Aber es ist nur eine Täuschung unserers Denkens :
in jedem von uns ist schon der künftige Buddha da, er war immer da. Man muss ihn verehren.
Selbst die Welt ist auch so : sie entwickelt sich nicht, um vollkommen zu werden, sie ist
schon vollkommen. Alles hat man schon in sich versteckt.
„Es gibt in der tiefen Meditation die Möglichkeit, die Zeit aufzuheben, alles gewesene,
seiende und sein werdende Leben als gleichzeitig zu sehen, und da ist alles gut, alles
vollkommen, alles ist Brahman.“, S.115. Darum scheint alles Siddhartha so vollkommen, er
braucht es nur zu lieben, und so kann ihm auch nichts schaden.
Er musste sündigen, um zu lernen, die Welt zu lieben, wie sie ist, ihr einfach zu gehören, und
sie nicht mehr mit seiner eingebildeten vollkommenen Welt zu vergleichen.
Siddhartha greift nach einem Stein, und benutzt ihn als Beispiel. Man muss diesen Stein
verehren, nicht weil er vielleicht eines Tages ein Mensch oder so was werden wird, wie er es
früher glaubte, sondern weil er schon alles ist, Gott wie Mensch und Buddha. Er liebt ihn,
weil er ein Stein ist, er liebt seine Form, seine Materie, und alles, woraus er besteht.
„Jeder ist besonders und betet das Om auf seine Weise, jeder ist Brahman, zugleich aber und
ebensosehr ist er Stein, (...), und gerade das gefällt mir und scheint mir wunderbar und der
Anbetung würdig.“, S.116. Er hört hier auf. Nach seiner Meinung verformen die Worte alles
und geben den persönnlichen Weisheiten eine Art von Narrheit.
Siddhartha kann alle Dinge lieben, die Worte kann er aber nicht. Und dafür mag er die Lehren
nicht : sie sind nichts anders als Worte, sie enthalten nichts Wirkliches. Für ihn sind die Worte
auch der Grund, weswegen Govinda den Frieden nicht findet, vielleicht ist er in denen wie ein
Gefangener. Alles ist nur Worte, selbst die schwersten Worte : „Es gibt kein Ding, das
Nirwana wäre; es gibt nur das Wort Nirwana.“, S.116. Das ist eine sehr ungewöhnliche
materialistische Aufassung von den Sachen.
Govinda ist hier nicht einverstanden; für ihn ist es mehr als ein Wort, es ist ein Gedanke. Für
Siddhartha ist es das Gleiche, das wiegt gar nichts mehr als Worte. Er erzählt von Vasudeva,
der als einzigen Lehrer und Gott den Fluss hatte. Lange Zeit hat er nur an diesen geglaubt und
nicht gesehen, dass alle anderer Dinge ihn das gleiche lehren konnten, dass sie genauso heilig
waren. Aber als er weggegangen ist, wusste er alles, nur weil er an seinen Fluss geglaubt
hatte.
Für Govinda sind die Dinge nur Trug der Maya, nur Schein, und bilden nicht die
Wirklichkeit. Aber Siddhartha hat nichts damit zu tun. Wenn die Dinge Schein sind, so ist er
auch Schein, so ist er ihnen gleich. Und darum liebt er sie, da sie einander gleich sind. Für ihn
ist die Liebe die Hauptsache. Das kann uns überraschen, das von ihm zu hören; als er bei
Kamala war, hatte sie ihm gesagt, dass er unfähig war, etwas zu lieben; als sein Sohn bei ihm
war, liebte er ihn, aber mit der Liebe, die einen leiden lässt, die gleiche wie diejenige, die die
Kindermenschen empfinden. Und jetzt ist es für ihn die wichtigste Sache geworden, aber es
ist nicht die gleiche Liebe, die er für seinen Sohn empfand. Diese ist wie Respekt, Verehrung,
und sie erlaubt ein Leben in Harmonie.
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„Mir aber liegt einzig daran, die Welt lieben zu können, sie nicht zu verachten, sie und mich
nicht zu hassen, sie und mich und alle Wesen mit Liebe und Bewunderung und Ehrfurcht
betrachten zu können.“, S.117.
Gotama wiedersprach ihm mit seiner Lehre : er verbot, das Irdische zu lieben. Aber für
Siddhartha ist es kein Widerspruch, es ist nur ein Widerspruch von Worten. Gotama sind die
Dinge auch lieber als die Worte : er muss auch geliebt haben : er hat die Menschheit so
geliebt, dass er ihr sein ganzes Leben geschenkt hat, um sie zu lehren und ihr zu helfen! Und
das trotzdem er alle ihre Schwächen kannte. „Nicht im Denken sehe ich seine Grösse, nur im
Tun, im Leben.“, S.118.
Sie schweigen lange. Govinda dankt Siddhartha für seine Rede, obwohl er nicht alles
verstanden hat. Aber er zögert noch. Er findet diese Lehre sehr seltsam und auch närrisch.
Gotamas Lehre war viel klarer. Aber das ganze Wesen von Siddhartha scheint ihm heilig. Seit
Gotamas Tod hat er nie einen Menschen gesehen, aus dem eine solche Reinheit, solche Ruhe,
Heiterkeit, Milde und Heiligkeit strahlten. Mit diesen Gedanken Govindas kann man
verstehen, dass Siddhartha wie Vasudeva geworden ist, dass er ein Heiliger geworden ist.
Er erlebt einen inneren Kampf : gleizeitig empfindet er in seinem Herzen Misstrauen für
Siddharthas Worte und eine riesige grosse Liebe mit Ehrfurcht.
Er verneigt sich vor Siddhartha. Indem er Abschied nimmt, bittet er Siddhartha, der den
Frieden gefunden zu haben scheint, ihm etwas wie ein Wort, das er verstehen kann, zu geben,
damit er seinen Weg gehen kann, damit sein Weg erleichtert wird. Es ist wahrscheinlich das
letzte Mal, dass sie sich sehen. In den Augen von Govinda ist Leid und Suchen.
Siddhartha lässt ihn sich neigen, und seine Stirn küssen. Govinda wundert sich, aber er macht
es. Da geschieht etwas sehr Seltsames. Während er noch an Siddharthas Worte denkt und
versucht, sie besser zu verstehen, sieht er plötzlich Siddharthas Gesicht nicht mehr; statt
dessen sieht er tausende andere Gesichter, wie einen Gesichterfluss. Sie verändern sich
unaufhörlich, aber sind trotzdem alle Siddharthas. Er sieht viele verschiedene Gestalten, Tiere
wie Menschen, Tote wie Lebendige, Götter wie Mörder, Kinder wie Verliebte, und alle diese
Gestalten sind miteinander verbunden, sie lieben sich, wie sie sich hassen.
„Jede (Gestalt) war ein Sterbenwollen, ein leidenschaftlich schmerzliches Bekenntnis der
Vergänglichkeit, und keine starb doch, jede verwandelte sich nur, wurde stets neu geboren,
bekam stets ein neues Gesicht, ohne dass doch zwischen einem und dem anderen Gesicht Zeit
gelegen wäre.“, S.120 Es ist wie eine sich bewegende schmelzende Masse von Gesichtern.
Über diese Masse hängt etwas wie ein Schleier, eine feine leichte Decke, eine Art von Maske,
und diese Maske ist Siddharthas lächelndes Gesicht, welches er mit seinen Lippen gleichzeitig
fühlt. Es ist das Lächeln „der Einheit über den strömenden Gestaltungen, das Lächeln der
Gleichzeitigkeit über den tausend Geburten und Toden.“, S.120.
Dieses Lächeln war genau das von Gotama, das gleiche „stille, feine, undurchdringliche,
vielleicht gütige und spöttische, weise, tausendfältige Lächeln Gotamas.“, S.120.
Govinda weiss ganz genau, was dieses Lächeln bedeutet : es ist das von den Vollendeten, von
den Buddhas.
Govinda ist völlig verwirrt. Er hat den Zeitbegriff verloren. Er fühlt jetzt die Einheit, sieht
alles in seiner Totalität. Er weiss nicht mehr, ob es Ich und Du gibt. Er ist wie „von einem
göttlichen Pfeile verwundet, dessen Verwundung süss schmeckt.“, S.120. Er ist erlöst.
Govinda bleibt noch eine Weile über dieses Gesicht, „das so eben Schauplatz aller
Gestaltungen, alles Werdens, alles Seins (dreigliedriger Rhythmus) gewesen ist“, S.121,
gebeugt.
Wenn er sich tiefer verneigt, weint er. Aber er fühlt es nicht. Er fühlt nur Liebe und
Verehrung. Er verneigt sich bis zur Erde vor Siddhartha, „dessen Lächeln ihn an alles
erinnert, was er in seinem Leben jemals geliebt hat, was jemals in seinem Leben ihm wert und
heilig gewesen ist.“, S.121
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Das Ende ist sehr stark. Man erwartet ein richtiges Ende, wie zum Beispiel der Gang von
Govinda oder Siddhartha, oder Siddharthas endliche Vollendung ; das Buch endet aber mit
der gegenseitigen Liebe und Verehrung zwei alter Freunde. Ich finde es sehr schön, und noch
schöner, da Hesse seine Überlegung nicht bis zum Ende führt. Er schlägt uns einen Denkweg
vor, der uns nachdenken lässt und dem wir weiterfolgen können, wie wir wünschen. Er gibt
uns keinen Schlüssel, er lässt aber die Tür offen.
ÜBERGANG ZU DEM ZWEITEN TEIL
Diese Arbeit hat mir viel gebracht : Zuerst hat sie mir erlaubt, den Autor Hesse und dessen
Buch „Siddhartha“, die seit Jahren soviel Erfolg haben, zu entdecken. Es hat mir sehr
gefallen, diese „indische Dichtung“ zu lesen. Wie ich es vorher erwähnt habe, hatte ich schon
einige allgemeine Kenntnisse über den Buddhismus, aber nichts Genaues und nichts
Gründliches.
Es ist für mich eine gute Gelegenheit gewesen zu erfahren, wie man eine Geschichte, die zwar
an der Basis des Buddhismus steht, zu einem Roman verarbeitet. Ich finde, dass Hesse die
Suche Siddharthas unheimlich gut beschrieben hat. Seine Gedankengänge werden sehr gut
erklärt; vielleicht weil es auch die Gedankengänge von Hesse gewesen sind.
Ich finde es wunderbar, wie er es geschafft hat.
Ich kannte schon die Existenz eines buddhistischen Zentrums in Le Mont-Pélerin; aber im
Laufe dieser Arbeit bin ich mir darüber klargeworden, dass es in der Nähe Leute gibt, die
diese Philosophie und eine ähnliche innerliche Entwicklung erleben.
Von da an wollte ich mit diesen besonderen Leuten in Verbindung kommen, um mehr über
sie zu erfahren.
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GLOSSAR
ACHTFACHE PFAD : die rechte Erkenntniss (Anschauung), die rechte Gesinnung (rechter
Entschluss), das rechte Reden, das rechte Handeln, die rechte Lebensführung, das rechte
Sterben, die rechte Achtsamkeit (rechtes Aufmerken), das rechte Sichversenken (rechte
Versenkung).
Er führt zur vollkommenen (und endgültigen) Aufhebung von Leiden, und damit zum
Nirvana.
ATMAN : Es ist die Seele, die Persönlichkeit, das Individuum, das Ich. Es ist vom Buddhismus
geleugnet.
BRAHMA(N) : Es ist die Kraft, die alle Welten schafft und erhält, die Weltenseele, das
unpersönliche Weltgesetz. Im Hinduismus bilden sie mit Shiva und Vishnu die höchste
Trinität.
BRAHMANE : Sie waren in der oberen Kaste der Hindus. Ihre Hauptfunktion war Priester, aber
sie waren auch gleichzeitig Gelehrte und Politiker.
BUDDHA : „Der Erwachende“, dieser, dem die absolute Wahrheit bewusst wird. Dieses Wort
kann sich an alle Erwachende anwenden. Das kann auch die Gestalt des historischen Buddha
(Buddha Sakyamuni) bedeuten.
BUDDHA SAKYAMUNI : Beiname des historischen Buddhas. Lebte von 566 bis ~480 vor
Christus.
DREIGLIEDRIGER RHYTHMUS : Mehrere Male im Buch findet man den dreigliedrigen
Rhythmus. Es symbolisiert die Trinität.
FLUSS : Leitsymbol auf dem Individualisationsweg, für die All-Einheit. Wechselt ständig und
bleibt doch gleich. Man kann beobachten, dass alle Erwachen in der Natur stattfinden. Das
gibt uns das Gefühl, dass es zwischen dem Mann und der Natur sozusagen eine Verbindung
gibt.
GOTAMA : Familienname des Buddha.
JETAVANA : Der Garten von Jêta.
MAYA : „Göttin, Königin, Täuschung, Illusion“. Am Anfang : unvergänglicher Stoff, der den
Göttern dient, scheinbare Formen zu gründen. Dann : die Welt der Illusion. Es ist auch der
Name der Mutter Buddhas.
NIRVANA : Das Ende der Leiden, Ende der bedingten Existenz. Erlösung von Sansara,
Selbstverwirklichung des inneren Wesens. Höchstes Ziel des Buddhismus.
OM : AUM : „Das Volkommene, die Vollendung“. Es ist die ganze Welt in einer Syllabe, die
Einheit. Es ist die hinduistische Trinität („Trimurti“). Es ist Einheit von Gott, Welt und
Menschenseele. Das symboliert alle Wesen und Sachen : z.B. die Vedas, die drei Götter
Brahma, Vishnu, Shiva,...
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SANSARA : oder Samsara : im Hinduismus und Buddhismus, der Kreislauf der Geburt und
des Todes, die Welt der Menschen, die Wechselhaftigkeit und die Nicht-Dauer der Dinge.
SAVATHI : Heute ist es die Provinz Oud in Nordindien.
SCHLANGE : Zoomorphisches Symbol für die Offenheit, die Ewigkeit des Lebens.
SIDDHARTHA : « Der sein Ziel erreicht hat ». Dieser Vorname ist auch derjenige vom
Buddha Sakyamuni.
UPANISHADEN : Heilige theologische und philosophische Texte von Indien.
VOGEL : Zoomorphisches Symbol. Der Vogel entspricht der inneren Stimme des Wesens.
Wenn er ein Gefangener ist, ist Siddharthas Wesen ganz in ihm versteckt, fast nicht mehr zu
sehen. Die Freilasssung des Vogels von Kamala entspricht der Befreiung des inneren Wesens
Siddharthas.
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Das tibetanische Zentrum
RABTEN
CHOELING
in Le Mont- Pélerin
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LE CENTRE RABTEN CHOELING,
UN CENTRE COMME LES AUTRES ?
Le Centre du Mont-Pélerin. On en entend parfois parler, au hasard d’une conversation. On en
a une vague idée, c’est une sorte de monastère bouddhiste, ou quelque chose comme ça. Pour
certains, il évoque l’exotisme, ce lointain pays du Tibet, dont la plupart des gens connaissent
l’existence voire un bout d’histoire par quelques films à succès ; nombreux sont qui se veulent
solidaires face à la violente invasion chinoise, et aux répressions qui l’accompagnèrent. Pour
certains autres, le Dalaï-Lama est un personnage que l’on retrouve de temps en temps sur le
petit écran ou en feuilletant au hasard les pages d’un journal ; pour d’autres encore, ce Centre
évoque une curiosité de cette religion dont on entend tellement parler, mais qu’au fond, on
connaît si peu.
Mais au fond, qu’est-ce que ce Centre, et qui sont ces gens, qui nous paraissent si différents,
mystérieux et presque inaccessibles, qui l’animent ?
C’est ce que j’ai cherché à savoir, en m’y rendant une demi-journée, le mercredi 9.08.2000.
Pour cet après-midi de découverte, au programme : participation à l’enseignement de l’aprèsmidi, de 14 à 15 heures, puis au « débat » qui suit, de 15 à 16 heures ; entrevue avec une
nonne, Gilberte ; puis participation à la prière du soir, de 18 à 19 heures.
L’arrivée au Centre est relativement surprenante. Sur la route principale, face à ce magnifique
panorama du lac et des Alpes, un panneau indique soudain une bifurcation. Après quelques
dizaines de mètres, on peut apercevoir d’abord deux, puis trois bâtiments sur la droite. Et c’est
à ce moment-là que survient le plus étonnant : soudain on aperçoit, surgi de nulle part, dans la
verdure de cette campagne, un moine, parfois plusieurs, vêtu de ce vêtement, sorte de toge
rouge-bordeaux, que l’on voit sur les photos des magazines ayant publié un reportage sur le
bouddhisme dans un pays d’Asie. Même pour le visiteur averti, c’est un brusque
dépaysement ; soudain, sous nos yeux, les images lointaines se fondent dans un de nos
paysages, se retrouvent à quelques kilomètres de chez nous.
Ayant un peu d’avance, je me rends à la boutique, afin d’y trouver quelques renseignements
complémentaires sur le Centre, et d’y demander quelques renseignements d’ordre général. Le
moine qui est là parle Allemand. On m’apprend que le programme a changé, qu’il y a une
prière spéciale de quatre heures, de 15 à 19 heures. On m’amène dans la salle à manger, afin
que je puisse voir avec Sylvie, la secrétaire, comment organiser l’après-midi.
C’est 14 heures, et les gens sont en plein repas. Il règne dans cette salle à manger une
ambiance très conviviale, on pourrait se croire dans une réunion de famille tibétaine, par
exemple. A voir, les gens mangent asiatique. Les gens, car il n’y a pas seulement des moines
et des nonnes, il y a aussi des familles avec des enfants qui sont attablés, et d’autres personnes
ne portant pas l’habit monastique, que je reverrai par la suite lors de la prière.
Je pourrai assister à la prière, à la Puja en fait, de son vrai nom. Elle aura lieu dans une
maison, à 5 minutes de marche, où il y a une sorte de petit temple privé « ad intérim », la
chapelle étant en réparation.
Ayant une heure de libre, je profite d’aller faire quelques photos du site et d’aller en acheter
quelques-unes à la boutique, qui, par ailleurs, contient en plus des nombreux ouvrages sur le
bouddhisme en Tibétain, en Anglais, en Allemand et en Français, de nombreux petits objets
en provenance du Tibet, ou en tout cas d’Asie : bijoux, encens, drapeau de prière, bibelots,
ainsi que des cartes, des posters, des icônes et des images de mandalas.
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Mais si nous en profitions pour nous intéresser tout d’abord à l’histoire du Centre lui-même,
possible à reconstituer grâce au site Internet.
C’est en 1977 que le Vénérable Geshe Rabten, pionnier du bouddhisme en Suisse, fonda le
Centre des Hautes Etudes tibétaines dans le village du Mont-Pèlerin, à 820 mètres d’altitude,
avec l’intention d’établir aussi bien un institut pour les études tibétaines qu’un authentique
monastère tibétain pour les moines tibétains ainsi que ceux de l’Occident, les nonnes et les
personnes laïques.
Il le nomma « Tharpa Choeling», ce qui signifie Centre « d’enseignement de la Libération ».
Plus tard il fut renommé « Rabten Choeling », en mémoire de son fondateur.
L’inauguration par le 14ème Dalaï-Lama eut lieu en 1979. C’est aussi à cette occasion que le
Dalaï-Lama donna, à Rabten Choeling, le premier vrai enseignement dans l’Ouest.
Après la mort de Geshe Rabten, ce fut le Vénérable Gonsar Rinpoche, un de ses disciples les
plus proches, qui fut choisi comme directeur. Depuis, il a endossé toutes ses activités.
Au cours des années qui suivirent, de nombreux maîtres tibétains, entre autres Son Eminence
Kyabje Ling Rinpoche et Son Eminence Kyabje Trijang Chogtrul Rinpoche, s’y rendirent,
ainsi que des maîtres renommé d’autres traditions bouddhistes.
Le Centre tente de préserver et de perpétuer la culture et la religion tibétaine, en particulier la
tradition de Je Tsongkhapa. Il aide aussi les Tibétains établis en Suisse ainsi que dans le reste
de l’Europe à conserver leur culture et leur identité spirituelle.
Afin de remplir le désir de nombreux étudiants, souhaitant étudier les différents aspects du
bouddhisme, il offre un cycle d’étude de sept ans en philosophie, logique, psychologie,
méditation, art, médecine et langue tibétaine ancienne et moderne.
Il est à la fois un authentique monastère et un centre d’études.
La communauté n’est pas seulement constituée de Tibétains et d’étudiants suisses, mais aussi
d’étudiants d’autres pays d’Europe occidentale, des Etats-Unis et de pays asiatiques comme la
Mongolie, le Japon, la Chine, le Vietnam, Taiwan, la Corée ou encore le Népal.
Actuellement, il y a 58 résidents, dont 32 membres de la communauté monastique.
Ce sont au total 14 pays qui y sont représentés, parlant 11 langues différentes.
Tout au long de l’année sont organisés des week-end de cours, des lectures publiques et des
semaines de méditation, comme celle qui vient d’avoir lieu à Leysin, donnés par les maîtres
résidents, ou par des invités.
Les fêtes bouddhiques sont célébrées selon la tradition avec des rituels et de la méditation.
Peu avant 15 heures, je prends le chemin du temple. Là s’offre un spectacle presque irréel et
surtout très surprenant aux quelques passants ne connaissant pas l’endroit. En bordure de la
route, au milieu de la forêt, c’est une sorte de long ruban de moines, tibétains ou non, qui
s’offre à leurs yeux. On se croirait en Asie, et non plus en Suisse. C’est une image très forte,
quasiment féerique de les voir ainsi monter au temple. Nous arrivons près d’une grande
maison privée, et pénétrons dans un immense jardin. Sylvie m’explique où il faudra me
mettre, et qu’il faudra enlever les chaussures pour entrer. Les pieds nus sont en fait un signe
d’humilité, de respect, car dans les temps anciens, porter des chaussures était une marque de
richesse et de haut rang. On entend parler de nombreuses langues, c’est vraiment un mélange
culturel incroyable : on parle Allemand, Français, Anglais, et Tibétain. La salle est superbe,
entièrement décorée, un vrai temple de Thaïlande !
Il y a, au fond de la pièce, une rangée de grandes statues, mais aucunes ne représente le
Bouddha assis comme on a l’habitude d’en voir. Elles sont très particulières, elles représentes
des déités protectrices. Dans les temples tibétains des représentations de ces déités ne sont en
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général pas placées dans le temple principal, mais dans des « chapelles » adjacentes. Elles se
trouvent maintenant dans le temple de Rabten Choeling qui présente une forme de L, au fond
du petit côté du L. Dans la partie principale on trouve des représenatations de Bouddha
Sakyamuni et d’autres formes paisibles de Bouddhas, statues assises semblables à celles que
l’on voit habituellement. L’agencement du temple « ad intérim » tel que je l’ai vu ne
correspond donc pas à la pratique habituelle, mais était dû à l’agrandissement et au
réaménagement du temple. A gauche, sur une table, il y a plusieurs petites statuettes alignées,
comme si elles étaient à vendre. Ce sont des statues qui appartiennent en fait à des fidèles ou
commandées par eux. Elles sont en cours de remplissage par des textes des Ecritures et
finition des visages à la peinture selon la tradition. Certaines sont déjà terminées, d’autres
non. Elles attendent la cérémonie de consécration finale pour être rendues à leurs propriétaires
Au milieu, devant ces statues, il y a un grand trône. A sa droite et à sa gauche,
perpendiculairement, deux plus petits, face à face. Puis, dans leur prolongements, de
nombreuses petites tables basses.
Certaines personnes entrent déjà. En entrant, les gens exécutent un mouvement particulier,
sorte de prosternation : ils joignent les mains, les portent à leur front, à leur menton, à leur
buste et à leur taille, puis se mettent à genou et posent le front à terre. Ils se relèvent et
effectue le tout encore deux fois, puis la dernière fois, ils effectuent uniquement les gestes de
mains. Certains apportent de la nourriture au pied des statues, sur une table débordant déjà de
victuailles en tout genre, croissant, madeleines, fruits, biscuits, yoghourts,…. Il s’agit des
offrandes faites au cours des rituels, les personnes qui veulent participer à l’offrande peuvent
soit donner de l’argent pour leur achat, soit amener elles-mêmes ce qu’elles désirent offrir.
Tous attendent Rinpoche, le « chef de cérémonie ». Il arrive, en compagnie des autres moines.
Tout le monde prend place, les moines devant leur petite table ; trois des moine, eux,
s’installent sur les trônes, c’est probablement les personnes les plus importantes. En général,
les moines s’asseyent sur des trônes de hauteur correspondant à leur position ; normalement,
c’est donc : la réincarnation du fondateur du Centre, Gueshé Rabten, l’abbé actuel du
Monastère, Gonsar Rinpoché, et le professeur principal du Centre, Gueshé Thonpton. Ici
c’étaient Choktrul Rinpoché et les deux autres Rinpochés. Les nonnes s’asseyent en arrière et
les autres gens laïques sur de petits coussins rouges, disposés de part et d’autre autour des
moines.
La cérémonie peut commencer. Les moines commencent en récitant, tous en même temps,
probablement des prières. L’un des moines, l’umdzé (chantre), entonne les prières et les
autres suivent. On a l’impression qu’ils disent chacun quelque chose de différent, mais tous
récitent le même texte. Au début cela semble être une sorte de brouhaha discordant, mais petit
à petit naît une harmonie, et tout se met à ressembler à une douce mélopée. C’est un moment
très fort lorsque toutes ces voix se joignent, pour finalement n’en former plus qu’une.
Au bout de quelques minutes chaque moine se munit d’un instrument (cloches, cymbales,
« cors », gongs,…) et dans un ordre défini, chacun commence à jouer, tout en continuant à
réciter. Cela commence doucement, avec peu d’instruments ; puis, au fur et à mesure, des
instruments s’ajoutent et le bruit s’amplifie. Au premier abord, cela ressemble à une
cacophonie, et c’est tout sauf harmonieux. C’est relativement violent. C’est même pénible à
supporter : tout résonne dans la tête, et c’est très fatiguant.
Mais, bientôt l’oreille s’y habitue et cela devient beaucoup plus facile à écouter, moins
pénible, et même agréable.
Les instruments cessent brusquement, une voix seule s’élève, puis bientôt les voix des moines
accompagnées de celles des « spectateurs », l’accompagnent et l’englobe. Puis bientôt la
musique recommence, et ainsi de suite…
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Les prières sont en Tibétain. Certaines personnes ont un manuscrit en Tibétain, d’autres en
phonétique, d’autres encore n’en ont point et se contentent d’écouter et de « se faire bercer ».
Entre temps, une famille, peut-être tibétaine, avec un bébé, entre, fait les mouvements rituels
et s’installe. Des Tibétains âgés suivent. Puis c’est au tour d’une autre famille, avec une petite
fille et un bébé. Et pendant ce temps, tout continue.
Tout a l’air beaucoup plus naturel et plus simple que dans le christianisme. A côté de moi, un
petit garçon accompagnant sa maman joue à un jeu électronique, et par la suite s’endormira.
Les parents des bébés les changent ou jouent avec eux, et tout cela à l’intérieur. Quelques
personnes sortent de temps à autre, pour aller se dégourdir les jambes.
A 16.30, un moine se lève et va chercher une assiette avec de la nourriture. Il l’amène au
moine qui est sur le trône principal, qui fait quelques gestes, pendant que tous continuent à
réciter.
Deux moines vont ensuite chercher d’abord deux assiettes qu’ils amènent aux deux moines
sur les petits trônes, puis prennent chacun un plateau de nourriture, l’un avec des fruits, l’autre
avec des petits pains et des madeleines. Ils passent vers les moines, qui prennent chacun un ou
plusieurs fruit et des petits pains. Ils passent ensuite vers chaque participant.
Un troisième passe, lui, avec deux petits bols ; l’un rempli de morceaux de viande séchée, et
l’autre d’une sorte de vinaigre doux. Les gens prennent un morceau de viande séchée,
trempent le bout de leur doigt dans le liquide, le lèchent et mangent le bout de viande.
J’apprendrai qu’il s’agit là de bala et madana (alcool et viande) consacrés et transformés au
cours des rituels et qui symbolisent la méthode et la sagesse.
A 16.50, c’est la pause de dix minutes. La plupart des gens sortent et se rendent dans le jardin
pour manger leur « collation ». Les moines les plus jeunes jouent au foot, en tenue de moine
et en grosses baskets ( !), tandis que les plus âgés se reposent sous les arbres.
Dix minutes plus tard, retour au temple. A nouveau, chacun procède à ses mouvements
rituels. Un moine passe avec un petit plateau, et chacun repose un petit morceau de pain, ou
alors un fruit. Le moine emmène alors cela dehors.
On distribue des tasses. Deux moines n’ayant pas assisté à la cérémonie passent avec des
thermos : on reçoit du thé au lait ou de l’eau chaude.
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Les prières reprennent. Vers la
fin, on amène au moine sur le
grand trône une espèce de petite
théière. Durant le prochain quart
d’heure, entrecoupant les prières,
il versera un peu de liquide dans
une petite vasque, fixée au-dessus
d’une plus grande, dans laquelle
elle débordera. C’est l’offrande du
ser kyèm, sorte de nectar, aux
déités.
Un moine va chercher ensuite les
coiffes jaunes, que revêtent tous
les moines.
Trois personnes se lèvent et
se dirigent vers le grand trône.
Elles sortent de longues écharpes
de soie blanches. Chacune à leur
tour, elles tendent une écharpe au
moine, qui la leur met autour du
cou. Puis ils font la même chose
auprès de chaque moine. Ils
déposent aussi devant chacun une
enveloppe. J’apprendrai par la
suite qu’elles contiennent de
l’argent, il s’agit de l’offrande
matérielle.
Ce rite est suivit d’encore quelques prières et de musique, puis les moines et l’assistance se
lèvent.
Au total, ce sera 70 pages de prières qui auront été récitées, durant quatre heures vingt.
Le cortège non organisé de moines redescend vers le Centre, tandis que je retrouve Gilberte
afin de lui poser quelques questions sur elle, sur le Centre et sur la Puja à laquelle nous
venons d’assister, c’est elle qui éclaircira ainsi la signification de certains rites.
J’aurai tout d’abord quelques questions à vous poser au sujet de la prière :
Donc ce qu’on a vu tout à l’heure, c’était la Puja ?
Oui, c’est ça.
Et à quelle fréquence a-t-elle lieu ?
Celle-ci était un peu exceptionnelle, en raison de la visite de Choktrul Rinpoché, donc, cette
grande réincarnation, dont l’incarnation précédente était l’un des professeurs particuliers de
Sa Sainteté le Dalaï-Lama, et puis il y a aussi son départ aux Etats-Unis, il y a le départ d’un
autre Geshe ce matin pour la Mongolie, donc c’est un peu pour tout cela que nous avons fait
cette Puja. Sinon, cette cérémonie particulière nous la faisons une fois par mois à peu près.
C’est une cérémonie pour les protecteurs du Dharma, et donc en tant que requête pour
demander à ces protecteurs leur protection, en tant qu’également remerciements par les
offrandes, etc.…nous faisons cette Puja une fois par mois.
Sinon, les autres prières que nous faisons quotidiennement sont différentes de cela.
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Ce qu’on a vu à la fin, avec ces écharpes de soie et ces coiffes jaunes, c’était quoi ?
Ces coiffes jaunes, ça fait partie du costume monastique, et ces chapeaux sont mis par les
moines lorsqu’ils font des processions ou bien comme là, à la fin d’une cérémonie, non
seulement celle-ci, mais les autres aussi, lorsqu’il y a une cérémonie par exemple lors d’une
commémorer l’un des événements de la vie de Bouddha Sakyamuni, ou certaines fois la Lama
Choepa particulière, les moines mettent à la fin aussi ce même chapeau.
Quant aux écharpes, ces Katags, c’est une tradition tibétaine, et ce sont les personnes qui
avaient demandé que l’on prie pour elles dans un but particulier, qui, à la fin donc, viennent
faire une offrande au Sangha, aux moines qui ont récité cette Puja, ces prières, et donnent en
même temps l’offrande matérielle, l’argent, et en même temps ces Katags, signe de tradition
tibétaine. Pour les Tibétains, c’est ce qui accompagne à peu près tous les cadeaux, tous les
dons, c’est traditionnel.
Les offrandes qui ont été faites, entre autres avec la nourriture, ont-elles lieu lors de chaque
prière ?
Non, c’est ce qu’on appelle le Tsok ; c’est un rituel qui existe dans cette Puja là, mais aussi
dans la Lama Choepa, c’est l’offrande aux maîtres, c’est le type de prières que l’on fait le plus
couramment.
Le Tsok, c’est une sorte de fête à laquelle on convie non seulement tous les bodhisattvas et les
bouddhas, mais aussi les êtres des royaumes inférieurs, et on leur offre ce festin ; pour les
bodhisattvas et les bouddhas, on le leur offre en signe de reconnaissance, on fait ces offrandes
en signe de respect, et, pour ces êtres des royaumes inférieurs, je ne sais pas si vous avez vu, à
la fin, chacun redonne un petit morceau, et ensuite, on récite une prière. Ce reste du Tsok est
parti à l’extérieur, donc ça, c’est pour les êtres des types d’existences inférieures, esprits
affamés, etc.….
Pour ne pas les fâcher ?
Non, pour leur offrir quelque chose pour essayer de diminuer leurs souffrances. Notamment,
parmi les types d’existences inférieures il y a les animaux, les esprits affamés et les êtres des
enfers. Ces esprits affamés, leur souffrance principale, c’est la souffrance de la faim et de la
soif. Ils ne peuvent pas prendre de nourriture ordinaire, ou s’ils prennent de l’eau…ça dépend,
ils ont différents types : certains ne peuvent pas du tout prendre d’eau et de nourriture,
d’autres, s’ils prennent par exemple de l’eau ou de la nourriture, une fois à l’intérieur de leur
estomac, elle se change en quelque chose, qui les fait horriblement souffrir. Pour ces êtres là,
pour essayer de diminuer un peu leurs souffrances, on fait cette offrande du Tsok et on récite
une prière spéciale qui permet à ces êtres de prendre l’essence de cette nourriture, et donc de
voir leurs souffrances un peu diminuées.
Si vous n’y voyez pas d’inconvénients, j’aimerai vous poser quelques questions personnelles,
afin d’avoir une idée un peu plus claire sur les gens que l’on rencontre ici :
Quel est votre fonction ici ? Comment y parvient-on ?
Ma fonction…en fait je n’ai pas vraiment de fonction dans le Centre. Je suis comme les
autres, je fais partie de la communauté monastique et des personnes qui étudient la
philosophie bouddhiste au Centre. Chacun de nous a, en quelque sorte, des tâches à
accomplir, ce ne sont pas vraiment des fonctions. Nous avons tous à participer à l’entretien du
Centre, travailler par équipes, certains doivent faire la cuisine ou d’autres tâches. Une de mes
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tâches particulières, c’est, étant donné que je connaissais l’Anglais et l’Allemand avant de
venir ici, de faire des traductions pour les enseignements et pour des textes écrits.
Vous parlez Tibétain aussi ?
Malheureusement non, le Tibétain est quand même une langue assez difficile, je suis pas du
tout douée pour les langues, j’ai mis beaucoup de temps à apprendre l’Anglais et l’Allemand,
et le Tibétain, j’y suis pas encore arrivée. Je suis quand même des cours de base, mais, sans
trop de succès !
Quel est votre « cursus » ? Avez-vous une autre formation de départ ?
Au départ, oui, j’avais une formation scientifique. J’ai fait une école d’ingénieurs ; ensuite,
j’ai fait une spécialisation en brevet d’invention. J’ai travaillé d’abord comme conseillère en
brevets et ensuite comme examinateur à l’Office européen des brevets dans le domaine de la
métallurgie.
Comment avez-vous découvert le bouddhisme ? Votre entourage vous a-t-il influencée ?
C’est un petit peu une évolution, je ne peux pas dire que j’ai découvert un jour le bouddhisme.
C’est un petit peu par des lectures que je me suis rapprochée de cette philosophie. Ce qui a été
aussi assez important ce sont les voyages ; lorsque j’étais à Munich, à l’Office européen des
brevets, j’avais la possibilité de faire des voyages assez lointains, pas mal de vacances, et
aussi des moyens suffisants. Donc j’ai fait plusieurs voyages en Asie dans différents pays, au
Népal, en Thaïlande, à Ceylan, etc.…, et notamment un voyage très important, ça a été un
voyage au Ladakh, qui a duré un mois et demi à peu près, et dans lequel j’ai pu visiter certains
monastères. Et c’est un peu ça qui m’a fait choisir cette forme de bouddhisme. Et donc après,
au retour, j’ai commencé à suivre des enseignements à Munich, donnés par des maîtres
tibétains. J’ai suivi l’enseignement de différents maîtres. Et c’est à Munich que j’ai rencontré
Gonsar Rinpoche, qui donnait des enseignements de temps en temps, et après j’ai commencé
à suivre régulièrement ses enseignements, tout d’abord à « Tashi Rabten », c’est un autre
Centre qui est en Autriche, et ensuite ici, avant de quitter l’Office et de venir m’installer
définitivement ici.
C’est donc ainsi, en suivant Rinpoche, que vous êtes arrivée ici, au Centre du Mont-Pélerin?
Oui. Enfin, disons qu’il y avait une date limite : le fait de travailler dix ans ou plus à l’Office,
parce qu’avant dix ans, on pouvait partir et avoir un capital retraite, après dix ans il fallait
rester jusqu’à la retraite.
Enseignez-vous ici ?
Non, je suis les enseignements en tant qu’ « auditrice ».
Avez-vous déjà rencontré le Dalaï-Lama ? Ou d’autres hauts dignitaires tibétains ?
Oui, j’ai eu l’occasion de suivre certains de ses enseignements. J’ai eu l’occasion aussi de le
voir au cours de cérémonies, et certaines fois aussi, lorsqu’il était dans la région de Zürich, il
avait invité un petit peu tous les moines et nonnes de la région. Et donc je me suis aussi
retrouvée à ces rencontres.
J’ai eu l’occasion aussi, en plus petit comité, de participer à une entrevue collective ; nous
n’étions pas très nombreux, à Dharamsala, lors d’un pèlerinage que nous avons fait, organisé
par le Centre.
Avez-vous réalisé des voyages ou des pèlerinages au Tibet ?
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Au Tibet, malheureusement, je n’ai jamais pu y aller. C’est un de mes très grand regret.
Quand je suis partie au Ladakh, ça aurait été vraiment le moment de partir au Tibet, c’était le
moment où les frontières se sont un peu plus ouvertes et où on pouvait partir sans passer par
un guide chinois, ce que je connaissais déjà, puisque j’avais fait aussi un voyage en Chine,
que je voulais à tout prix visiter. Mais j’ai eu un petit peur de me lancer directement comme
ça au Tibet, j’ai voulu d’abord partir au Ladakh, pour pouvoir déjà m’habituer, voir comment
je me débrouillais en altitude, etc... . Mais ça a été vraiment un grand tort, parce qu’après, ça a
été terminé, je pouvais pas partir tous les ans comme ça, aussi longtemps, il fallait conserver
des vacances, et, deux ans après, c’était trop tard.
Est-ce que, pour la suite, vous envisagez de rester ici ou avez-vous d’autres projets ?
Alors là…je pense que je vais être obligée de partir dans un an à peu près, parce que mon
permis sera terminé. Je n’ai qu’un permis d’étudiante, et il est bien spécifié dessus qu’il n’est
plus renouvelable.
D’où venez-vous au fond ?
Je suis d’origine française.
Et y a-t-il aussi des Centres pareils en France ?
Il y a des Centres, mais plutôt d’autres traditions que celle à laquelle appartient ce Centre ici.
Il y a un Centre relativement grand dans la région de Toulouse appartenant à la même
tradition. Et sinon, dans les autres villes, en France c’est plutôt d’autres traditions, qui sont
mieux représentées que la tradition Gelugpa, à laquelle appartient Rabten Choeling
En parlant de Rabten Choeling, qui est-il ?
« Rabten Choeling », c’est le nom du Centre. Ce Centre s’appelait au départ « Tharpa
Choeling ». « Tharpa », ça veut dire libération. Et ensuite, il a été renommé « Rabten
Choeling », en mémoire de son fondateur Geshe Rabten, dont la réincarnation était présente à
la Puja, le plus jeune des dignitaires qui étaient là.
Depuis quand le Centre existe-t-il ?
Plus de vingt ans, il a été fondé vers 1977.
J’en ai entendu parler comme d’un monastère et d’une université. Il y a donc aussi des cours
ici ?
C’est à la fois un monastère et un Centre d’Etudes, c’est à dire qu’il y a une communauté
monastique, et les moines et nonnes suivent des enseignements réguliers, il y a aussi des
étudiants laïques permanents qui suivent les mêmes enseignements, et en plus de ceux-là, il y
a des séminaires qui sont organisés en fin de semaine ou pendant une semaine, comme la
semaine qui va avoir lieu là à Leysin ( ndlr : séminaire ayant lieu du 12 au 19 juillet 2000) ,
plutôt pour des personnes de l’extérieur, qui ne peuvent pas être libres en semaine et venir aux
enseignements, mais qui peuvent prendre une semaine de vacances ou venir sur un week-end,
suivre un ensemble d’enseignements.
Combien y a-t-il de résidants permanents ?
Il y a à peu près, en permanence, une cinquantaine de personnes.
Tous les gens du Centre sont-ils résidants permanents ou y a-t-il des « externes », qui
viennent seulement pour suivre les cours ou les prières ?
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Il y a quelques personnes de l’extérieur notamment une dame de Lausanne, une autre de
Clarens, qui viennent régulièrement assister aux cours. Celle de Lausanne, par exemple, est
retraitée, et depuis qu’elle a pris sa retraite, elle vient régulièrement assister à tous ces cours.
Il y a aussi deux retraitées qui habitent Tassoneyres qui viennent aussi suivre ces cours, et qui
ne sont pas résidantes du Centre, mais qui viennent régulièrement.
Est-il possible de venir effectuer de courts séjours, ou des retraites ?
Oui, c’est possible de faire des courts séjours; pour des retraites, c’est un peu difficile.
Maintenant nous avons un tout petit peu plus de place et des chambres individuelles, mais
c’est quand même assez difficile, parce qu’on ne peut pas vraiment s’occuper de ces
personnes-là. Ou les personnes font leur retraite elles-mêmes, ou elles veulent faire un séjour
et participer aux activités, aux Puja, aux cours, etc… c’est possible aussi.
Comment se déroule la vie au Centre ? Comment se passe une journée, par exemple ?
Une journée commence par la prière du matin, à sept heures. Ensuite le petit déjeuner ;
ensuite, on exécute le travail manuel qu’on doit faire, ses propres pratiques, sans avoir
vraiment un horaire collectif fixé, chacun fait un petit peu comme il le préfère, et le matin il y
a aussi des enseignements qui sont donnés un jour sur deux, par niveau, sur la logique, etc…,
donc cela se fait en petits groupes. Ensuite, l’après-midi, il y a un enseignement collectif ex
cathedra tous les jours de quatorze à quinze heures, puis, de quinze à seize heures, débat
général, et après, classes de langue tibétaine, suivant le niveau atteint par les élèves, ou classes
d’anglais pour les tibétains ou les monghols.
En quoi consistent les enseignements plus précisément ?
Les enseignements que nous recevons, ce sont des enseignements de philosophie ; nous
étudions notamment les points de vue philosophiques des quatre écoles principales du
bouddhisme (Nyingmapa, Kagyupa, Sakyapa et Gelougpa), et ensuite, nous étudions aussi
certains textes importants, donc des textes tibétains qui sont traduits et commentés pour ces
enseignements. Nous suivons aussi des enseignements de logique, et des enseignements de
langue tibétaine.
Les fêtes et rituels sont-ils organisés selon le calendrier bouddhique tibétain ?
Oui, enfin disons que les fêtes principales sont les mêmes dans toutes les traditions. Ce sont
les fêtes essentiellement liées aux événements principaux de la vie de Bouddha Sakyamuni.
Nous, en plus, comme nous suivons la tradition tibétaine, avons une grande fête, la fête du
Parinirvana de Je Tsongkhapa, ce grand maître tibétain. Autrement, les autres fêtes sont
communes à toutes les traditions, mais il peut y avoir quelques différences dans la date, parce
qu’il y a différents calendriers. Par exemple, celle du Vésak, la fête la plus importante, où l’on
commémore la naissance, l’illumination et le Parinirvana de Bouddha Sakyamuni : entre la
date à laquelle nous le fêtons et celle à laquelle d’autres traditions le fêtent, il peut y avoir un
mois de différence.
Quelles règles existe-t-il dans le Centre ? Y a-t-il des règles particulières à suivre ? Ou des
interdictions ?
Ceux qui ont pris des vœux monastiques doivent respecter ces vœux, les laïques aussi pour la
plupart ont pris certains vœux, donc ils les respectent aussi.
Les vœux principaux sont les vœux de ne pas tuer, ne pas mentir, ne pas voler, dans le Centre
aussi on ne doit pas prendre de boissons alcoolisées, on ne doit pas fumer. Sinon il n’y a pas
d’autres règles vraiment très très strictes. Notamment il n’y a pas, comme dans certains
monastères ou couvents, d’interdictions concernant les sorties du Centre. Pour nous, il y a
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seulement en général une période dans l’année dans laquelle nous ne devons pas sortir du
monastère sans avoir une raison, et sans avoir fait un rituel pour cela, c’est lorsque nous
faisons la retraite d’été, qui peut durer trois mois ou un mois et demi, suivant si on la fait
longue ou courte, mais sinon, le reste du temps nous avons quand même relativement une
certaine liberté de mouvement. Nous ne sommes pas cloîtrés.
Y a-t-il une hiérarchie au sein des moines et des nonnes ? Comment est-elle établie ? Est-ce
qu’on « grade » au fur et à mesure des années de présence ?
Il y a déjà une hiérarchie entre moines et nonnes, les nonnes étant déjà au rang inférieur dans
la hiérarchie. En plus de cela, dans l’ordination, il y a deux degrés : l’ordination dite de novice
et l’ordination complète. L’ordination, pour être valable, doit avoir été transmise par une
lignée ininterrompue remontant jusqu’à Bouddha Sakyamuni, et, au Tibet, l’ordination
complète des nonnes n’a jamais été introduite. Donc, dans les traditions tibétaines, il n’y a pas
de nonnes pleinement ordonnée, c’est à dire que le degré supérieur n’existe pas pour elles ;
par contre pour les moine cette ordination complète existe, et ensuite la hiérarchie se fait
ainsi : moines pleinement ordonnés, moines novices et nonnes. Alors entre personnes ayant le
même degré d’ordination, la hiérarchie se fait suivant l’ancienneté dans l’ordination.
Le Centre est-il ouvert à tous ou y a-t-il des conditions particulières afin de pouvoir y entrer ?
(mélange de nationalités, d’âges,… ?)
Le Centre est ouvert à tous, oui, bien sûr.
Prononce-t-on des vœux ou n’est-ce pas nécessaire ?
Lorsqu’on veut venir au Centre, non.
C’est donc seulement pour les moines et les nonnes ?
Oui, uniquement. Il est possible aussi pour les laïques qui le désirent, de prononcer des vœux,
de prendre une sorte d’ordination laïque, donc, avec un nombre de vœux plus réduit, cinq
vœux seulement, mais ce n’est pas une obligation si on vient au Centre ; et notamment,
n’importe qui peut venir, même s’il n’est pas bouddhiste, on ne demande à personne qui il est
quand il entre.
Est-ce que vous savez dans quel intérêt, dans quel but les gens viennent-ils ici ? Donc certains
viennent pour pratiquer le bouddhisme, mais par exemple ceux qui viennent pour les
enseignements ?
Ceux qui viennent suivre les enseignements, la plupart souhaitent vraiment pratiquer le
bouddhisme, ou tout au moins approfondir leurs connaissances de cette philosophie, cette
religion ; mais il y a aussi d’autres personnes qui souhaitent garder leur religion, mais qui
souhaitent avoir une ouverture aussi sur d’autres religions, et qui viennent aussi. Il y a aussi
parmi les visiteurs, cette année il y en a beaucoup moins, à cause des travaux, donc parce que
nous ne pouvons pas recevoir tout ce monde, mais il y a énormément d’écoles qui viennent,
un petit peu tous les niveaux, quelquefois aussi des étudiants déjà assez avancés, qui viennent,
soit avec un professeur de leur école, soit avec un pasteur ou un aumônier qui leur a donné un
cours sur les religions comparées et ensuite ils font des visites dans différents lieux
représentatifs des différentes religions.
Les hommes et les femmes sont-ils mélangés dans la vie quotidienne ?
Dans la vie quotidienne, c’est-à-dire… nous assistons aux Pujas et aux enseignements
ensemble. Maintenant pour les bâtiments, ils sont quand même séparés ; le bâtiment des
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moines, c’est le bâtiment central, et les nonnes ont une place en-bas dans le nouveau bâtiment,
et ensuite il y a l’étage des femmes et l’étage des hommes.
Les règles au sujet des hommes et des femmes, ou des moines et des nonnes sont-elles
précisées dans les doctrines ?
C’est précisé dans ce qu’on appelle le Vinaya. L’enseignement du Bouddha peut être classé en
trois groupes principaux, on appelle ça les « Trois Corbeilles », Tri Pitaka, composées des
Sutras, du Vinaya et de l’Abhidharma. Les Sutras sont essentiellement les enseignements qui
ont pour objet les méthodes de méditation ; le Vinaya, c’est les enseignements qui ont, pour
sujet principal, les règles d’éthique et notamment les règles monastiques ; et l’Abhidharma,
c’est la phénoménologie.
Donc la source de toutes les règles monastiques se trouve dans ces enseignements de
Bouddha.
Le bouddhisme enseigné et pratiqué ici est-il « celui » du Dalaï-Lama ? Si non, quelles
différences existe-t-il (dans les pratiques, les sacrifices, les fêtes, les règles de conduite,
morales,…) ?
Le bouddhisme tibétain a une particularité, c’est de combiner les Sutras et les Tantras. Enfin,
tout d’abord, il faudrait dire que le bouddhisme tibétain appartient au Mahayana, donc au
Grand Véhicule, et parmi ces autres formes de bouddhisme appartenant au Grand Véhicule se
distingue du fait qu’il combine les Sutras et les Tantras, c’est-à-dire qu’il y a énormément de
rituels, qui proviennent des Tantras, qui sont effectués couramment dans le bouddhisme
tibétain, chose qu’on voit beaucoup moins dans d’autres traditions.
Au Tibet même, il y a ensuite quatre traditions, qui sont des traditions un peu chronologiques,
tout d’abord la tradition Nyingmapa, qui a été la première, lors de la première introduction du
bouddhisme au Tibet, ensuite est venu, avec d’autres grands maîtres, qui ont refait, révisé des
traductions des textes qui avaient été tout d’abord introduits au Tibet en Sanscrit, donc une
deuxième tradition, la tradition Kagyupa ; la troisième est la tradition Sakyapa ; nous nous
appartenons à la tradition Gelugpa, qui est un petit peu l’héritière des autres traditions. Elle a
été fondée la dernière, par le maître Je Tsongkhapa.
A l’origine, Sa Sainteté le Dalaï-Lama appartient aussi à cette même école, mais il est quand
même considéré par toutes les traditions tibétaines comme un grand maître et comme le chef
religieux et politique du Tibet ; il est en même temps aussi, puisque, dans le gouvernement
tibétain, il n’y a pas de séparation entre le temporel et le spirituel, il est à la fois le chef
temporel et le chef spirituel du Tibet.
Au fond, dans ce bouddhisme, quelle est la croyance au sujet du Nirvana ?
Alors, le Nirvana… Nirvana, cela signifie l’état qui est au-delà de toutes les souffrances, en
fait, la libération du cycle des existences. Pour nous, qui appartenons à une tradition
mahayaniste, le Nirvana n’est pas un des but final. En fait le Nirvana n’est qu’un but
intermédiaire, le but final étant l’état de pleine illumination, l’état de Bouddha, donc l’état de
perfection complète.
Et, pour y arriver, il faut donc passer par « le cycle des réincarnations » ?
De toute façon le cycle des réincarnations se produit, qu’on le souhaite ou non ; selon la
philosophie bouddhiste, les êtres sont sans commencement, il n’y a pas de créateur, les êtres
ont toujours existé et existeront toujours ; et ces êtres prennent des renaissances dans le cycle
des existences, en fonction des actions qu’ils ont accomplies.
On distingue six types d’existences : trois types d’existences inférieures, et trois types
d’existences supérieures, classées en fonction des souffrances que l’on ressent dans ces
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différents types d’existences. Suivant les actions accomplies, les êtres se réincarneront dans
une forme d’existence ou dans une autre.
La réincarnation n’est pas un passage voulu et obligé pour atteindre l’illumination, la
libération, mais c’est un fait, une constante. Les êtres ont la possibilité d’atteindre la libération
du cycle des existences, c’est-à-dire ne plus avoir à se réincarner sous l’effet du Karma et des
perturbations mentales, en éliminant les perturbations mentales, et notamment l’ignorance, qui
est la source principale de toutes les actions qui ont un résultat dans le cycle des existences. Il
y a donc la possibilité d’atteindre ainsi la libération.
Cela ne concerne donc pas seulement les bonzes ; il n’y a pas besoin d’avoir été bonze, enfin
moine ou nonne, un certain nombre d’années de sa vie ?
Non, on peut atteindre la libération et même l’illumination, qu’on ait pris des vœux
monastiques ou non ; mais il est dit dans certains textes qu’il faut avoir au moins une fois pris
des vœux monastiques pour pouvoir atteindre l’illumination. Mais enfin, les êtres ont des
existences innombrables, et ne sachant pas quel a été leur passé, ils ne peuvent pas savoir s’ils
ont déjà pris les vœux monastiques ou non. En tout cas, les vœux monastiques s’appellent des
vœux de libération individuelle, donc libération individuelle, ça signifie Nirvana, et sont
dénommés ainsi parce que la cause principale permettant d’atteindre la libération individuelle,
c’est la pratique de l’éthique. Et ces vœux correspondent à une pratique de l’éthique, par
l’abandon des actions négatives.
Que pensez-vous de cette « mode du bouddhisme » en Europe ? On voit de nombreux films à
ce sujet (Martin Scorsese : Kundun, Jean-Jaques Annaud : Sept ans au Tibet, Khyentse
Norbu : Phörpa (The Cup)), des célébrités qui s’y intéressent, c’est une sorte d’explosion…
Je crois qu’à l’origine il y a un peu plus qu’une mode, il y a quand même une recherche de
beaucoup de gens, il n’y a qu’à voir combien le bouddhisme s’est rapidement répandu en
Occident depuis que les Tibétains notamment ont été obligés de s’exiler à cause de l’invasion
chinoise. Il n’y a pas d’ailleurs que les courants tibétains qui ont des adeptes, il y a aussi
d’autres traditions, notamment la tradition Zen, qui compte aussi beaucoup d’adeptes et
depuis longtemps, donc, cela correspond quand même à un besoin de certaines personnes.
Parce qu’évidemment les êtres étant tous différents, un seul chemin spirituel ne peut pas
convenir à tous, et là, maintenant avec la facilité des communications, par la médiatisation, on
a accès beaucoup plus facilement aux cultures d’autres pays. Et, par conséquent, des
personnes qui n’auraient peut-être pas pu rencontrer le bouddhisme ou d’autres traditions,
peuvent le rencontrer plus facilement et font peut-être ce choix, parce que cela convient mieux
à leur tempérament, à leur capacité.
Je pense qu’il y a plus, à l’origine ; ce n’est pas seulement une mode, cela correspond à un
besoin, mais évidemment tout ce qui paraît susciter un phénomène, peut-être pas de masse,
mais qui semble intéresser la population, est immédiatement repris par les médias, et ça
devient aussi un petit peu une mode.
Alors tous ces films sur le Tibet, oui, c’est pas mal, mais ce sont des films qui montrent un
aspect exotique du Tibet, et ne correspondent pas tellement à la réalité, et qui, en tout cas,
peuvent peut-être plaire à certaines personnes ; mais on ne peut pas dire que c’est à cause de
tels films que la philosophie bouddhiste va se répandre.
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Quelle est la signification de la tenue des bonzes, qui ont une longue bure brun-bordeaux et la
tête rasée ?
Le fait de se couper les
cheveux est un signe de
renoncement. Quant aux
vêtements, ce sont les
vêtements qui ont été donnés
par Bouddha Sakyamuni luimême, qui sont décrits dans
les textes du Vinaya, les
couleurs aussi étaient
choisies
p a r Bouddha
S a k y a m u n i , la couleur
principale est le jaune, donc
ne l’avons pas fait
aujourd’hui pour cette
cérémonie particulière, mais
en général pour les prières
nous mettons par-dessus un
autre vêtement jaune, parce
que la couleur jaune, c’est la
couleur de l’élément Terre, et
c’est aussi la couleur qui
symbolise l’éthique. De la
même manière que toutes les
récoltes poussent sur la terre,
toutes les bonnes qualités
croissent sur la base de
l’éthique. Donc, pour que les
moines et les nonnes se
souviennent toujours de
pratiquer l’éthique, ils portent
ce vêtement jaune.
Maintenant quant aux autres couleurs qui ont été données comme convenable pour les
vêtements monastiques, ce sont le bleu et le rouge, alors suivant les traditions, c’est l’une ou
l’autre de ces couleurs qui a été privilégiée. Les traditions telles que celle de Thaïlande ou de
Sri Lanka ont choisi le jaune, donc les moines et les nonnes portent des vêtements jaunesorangés ; au Tibet, la couleur rouge a été préférée parce qu’elle est plus chaude, le Tibet est
un pays froid, et parce que les Tibétains savaient mieux faire des vêtements en laine de cette
couleur qu’en jaune ; et d’autres traditions telles que les traditions coréennes ou
vietnamiennes, sont habillées en gris ou en bleu-gris, ce qui vient donc de la couleur bleue qui
a été donnée par Bouddha Sakyamuni.
Connaissez-vous le livre « Siddhartha » de Hermann Hesse ? Vous semble-t-il digne
d’intérêt ?
Oui, mais je le trouve un peu discutable. C’est un peu son type de philosophie à lui. Je ne
pense pas qu’on puisse considérer cela vraiment comme un livre décrivant la vie de Bouddha
Sakyamuni, et comme un livre exposant quelque chose de véritablement exact sur la
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philosophie bouddhiste. Ceci dit, ce n’est pas un livre désagréable à lire, mais il ne faut pas le
prendre pour plus que pour un divertissement, pas comme un livre d’enseignement.
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LEXIQUE
Abhidharma : « enseignements supérieurs » qui présentent les enseignements des Sutras
sous la forme d’analyses de l’expérience humaine. Ils définissent les Dharmas. Ils sont rédigés
en langage psycho-philosophique. Ils varient en fonction des différentes écoles.
Bodhisattva : « être (satta) qui se consacre à réaliser l’Illumination (bodhi) parfaite. ». Etre
promis à l’Eveil (bodhi), celui qui pourrait devenir un « bouddha », mais qui renonce au
nirvâna afin d’y faire parvenir avec lui tous les êtres.
Bouddha : au sens propre, l’« Eveillé » ou « Illuminé », celui qui a pris conscience de la
Réalité absolue. Cela désigne en fait un état, celui dans lequel tous les obstacles ont été
éliminés et les qualités amenées à la perfection. Tous les êtres ayant atteint cet état sont des
Bouddhas, c’était le cas de Bouddha Sakyamuni.
Bouddha Sakyamuni : C’est le surnom de Gotama. Il naquit dans la petite république des
Sakka (Sakya en sanskrit), aujourd’hui située sur la frontière du Népal et de l’Inde. C’est sa
naissance dans ce clan qui lui donna le surnom de Sakyamuni, « le sage des Sakya », dans la
tradition du Mahayana.
Cinq vœux : les cinq abstentions consistent à s’abstenir de : « Nuire aux êtres », « Prendre ce
qui n’est pas donné », « l’inconduite concernant les plaisirs sensuels », « la parole
mensongère », « des états dénués de lucidité dus à l’alcool ou aux drogues ».
Dalaï-Lama : « Océan (de sagesse) ». Chef spirituel et religieux du Tibet.
Dharamsala : lieu situé au nord de l’Inde.
Dharma : « vérités éternelles et loi d’ordre cosmique découvertes par le(s) Bouddha(s) ».
C’est la « structure fondamentale de la nature de la réalité ». Cela désigne d’un côté
l’ensemble des phénomènes existants et se définit comme « ce qui tient sa propre entité ».
C’est la loi de tout ce qui existe, la loi qui régit l’univers tout entier. D’un autre côté cela
désigne les enseignements du Bouddha ainsi que les réalisations obtenues en mettant ces
enseignements en pratique, en particulier le Nirvana. C’est en quelque sorte « le guide » pour
atteindre cette libération. Il est le courant continu des phénomènes physiques et mentaux dont
nous faisons l’expérience. Le bouddhisme consiste essentiellement en la compréhension, la
pratique et la réalisation du Dharma.
Gelugs-pa : « la tradition vertueuse ». C’est la dernière grande école du bouddhisme tibétain.
Elle fut instituée par Tsongkhapa au XVe siècle. On l’appelle aussi Ecole des bonnets jaunes,
car les moines de cette école se distinguent des autres que par la couleur jaune des coiffes de
cérémonie. L’accent est mis sur la discipline monastique, sur le Vinaya. C’est le chef de cette
école, qui, au XVIe siècle reçut le titre de Dalaï-Lama (Lama : « Océan (de sagesse) »). Elle
deviendra l’Eglise officielle au Tibet au XVIIe, après l’invasion monghole.
Geshe : docteur en Dharma de premier ou second degré.
Gesche Rabten : il est né en 1920 au Tibet. Avant de s’enfuir en Inde, il étudia près de vingt
ans près de Lhasa, où il obtint son titre de « Geshe », ce qui correspondrait à peu près à un
titre de « docteur de Métaphysique ». Il fut l’assistant philosophique du Dalaï-Lama. Il fut le
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premier à enseigner à des Occidentaux à Dharamsala en 1969 ; de même, il fut le premier à
donner un enseignement en Occident en 1974. Une année plus tard, il fut nommé abbé dans
un monastère en Suisse. Il fonda en 1977 le Centre « Tharpa Choeling ». Dans les années
suivantes, d’autres centres furent fondés, comme « Tashi Rabten », en Autriche, « Rabten
Ghephel Ling », à Milan, « Changchub Choeling », à Hamburg et « Phüntsok Rabten », à
Münich. Il décéda en 1986.
Gonsar Rinpoche : Le nom de Gonsar vient d’un moine qui, au temps du huitième DalaïLama ouvrit un couvent près de Lhassa. Il était arrivé quelques temps auparavant, très pauvre,
dans un monastère, où il étudia et fut connu sous le nom de Maître Ngawang Thöndrup.
Lorsque les gens virent plus tard son monastère, ils le nommèrent Lama du nouveau
monastère, ce qui se dit Gonsar en tibétain. Ce nom se perpétua durant les générations. La
quatrième incarnation voyagea et devint l’un des plus célèbres maître de Mongolie. La famille
du 14ème Dalaï-Lama fait partie de ses élèves.
L’actuel Gonsar Rinpoche est né en 1949 au Tibet. Il fut reconnu comme la cinquième
incarnation à l’âge de trois ans. Il reçut des enseignements du Dalaï-Lama ainsi que de
nombreux autres maîtres. Il s’enfuit en 1959 du Tibet, avec Geshe Rabten en Inde. Il vint en
1975 en Suisse en suivant Geshe Rabten, appelé par le Dalaï-Lama à fonder un Centre.
Depuis la mort de Geshe Rabten en 1986, il reprit toutes ses activités. Il est actuellement le
directeur du Centre du Mont-Pèlerin, de celui de Feldkirch, de Münich et d’un en Inde. Il
éduque aussi l’incarnation de Geshe Rabten qu’il a lui-même trouvée.
Je Tsongkhapa : Vécut de 1357 à 1410. Il réforma l’école Kadampa et fonda l’école
Gelugpa.
Kagyu-pa (ou Ka-rgyud-pa) : « Adeptes de la transmission orale ». Cette école apparut au
XIe siècle. L’accent y est mis sur la méditation. On y enseigne un système de Yoga et
d’instructions secrètes « chuchotées de maître à disciple ».
En même temps que cette école naquirent deux autres : Kadampa, « Liés par le précepte (de la
discipline monastique) » et Sakya.
Karma : « action ». Ce sont les conséquences positives ou négatives des actes réalisés au
cours de l’existence présentes ou antérieures. La loi du karma gouverne le processus de
renaissance, c’est-à-dire que les êtres renaissent selon la nature et la qualité de leurs actes
passés. C’est une loi naturelle, même les dieux y sont soumis. C’est « l’impulsion
psychologique gouvernant un acte qui est karma ». Les actes doivent donc être intentionnels.
Les aspects de la vie tels que la renaissance, la classe sociale, le caractère et les événements
de sa vie sont les résultats du karma.
Katags (ou Khata) : longue écharpe blanche de coton ou de soie appelée « écharpe de
félicité ». C’est un signe de lien d’amitié avec un être saint.
Kyabje Trijang Chogtrul Rinpoche : en 1996 il visita l’Europe, ainsi que le Centre Rabten
Choeling. Il est la réincarnation de Sa Sainteté Kyabje Trijang Dorje Chang, qui était le plus
fameux maître du bouddhisme tibétain de notre époque et qui est décédé en 1981. Il avait le
Dalaï-Lama comme disciple. Il le servit tout d’abord en tant qu’assistant philosophique, puis
en tant que tuteur personnel, pendant une durée totale de cinquante ans. Il fut aussi un des
piliers de la lutte contre l’occupation chinoise du Tibet. Il aida le Dalaï-Lama dans sa fuite du
Tibet en 1959. Une année après sa mort, après de nombreuses recherches, on trouva sa
réincarnation parmi cent candidats. Kyabje Trijang Chogtrul Rinpoche avait alors trois ans. A
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six ans il entra dans une université monastique, et à huit ans, il reçut l’ordination de novice du
Dalaï-Lama. Actuellement, il a quinze ans et étudie en Inde
Ladakh : région d'Asie centrale, située dans le nord de l'Inde, l'est du Pakistan et l'ouest de l
Chine. Le Ladakh est une région très montagneuse et aride, la plus haute région habitée du
monde. le Ladakh est traversé par l'Indus. Les habitants du Ladakh descendent des Tibétains
et des Dardes. La population est en majorité de religion bouddhiste (lamaïste) ou
musulmane (chiite). Il existe une petite communauté chrétienne. La langue parlée de la
région est le Ladakhi, un dialecte tibétain.
Lama : « supérieur » ; c’est un maître, un guide spirituel, sorte de Guru. Il peut être un moine,
une nonne ou un pratiquant laïque avancé.
Lama Choepa : nom d’un rituel très couramment pratiqué ; littéralement ce nom signifie
offrande aux maîtres.
Mahayana : Grand Véhicule. Ce mouvement apparut au début de l’ère chrétienne. Il
comporte deux caractéristiques : la dévotion à un certain nombre de saints êtres salvateurs et
plusieurs philosophies, prolongements des enseignements primitifs. Il adopte totalement la
voie du Boddhisattva.
Nirvana (ou Nibbana) : « extinction ». C’est le « sans-naissance, sans-vieillesse, sansdecrépitude, sans-mort, sans-souffrances, sans-souillure, la libération de tout
asservissement ». C’est le terme de l’existence conditionnée, le retour au Principe absolu, la
délivrance du cycle des naissances et des morts (Sansara) et le parfait épanouissement de
l’être. C’est l’un des trois buts ultimes possibles pour les écoles Hirayanistes, un but
intermédiaire seulement pour les traditions Mahayanistes. Il est atteint par éradication de
toutes les perturbations mentales : ignorance, haine, attachement, etc.
Nying-ma-pa : « adeptes des (Tantras) anciens ». Elle met l’accent sur le tantrisme et les
pratiques ésotériques. Elle est apparue au IXe siècle.
Prosternation : on se prosterne trois fois devant les objets sacrés en signe de respect envers
les « trois Refuges » (le Bouddha, le Dharma et le Sangha). La personne joint les mains dans
le geste « namaskara », les porte à la tête, aux lèvres et au cœur. Cela symbolise le respect
exprimé par le corps, la parole et l’esprit. Puis l’on s’agenouille. Une fois à genou, on place
ensuite les coudes, les mains et la tête contre le sol.
Puja : « Acte ou rite de vénération ou d’hommage ». Il comprend les prosternations, les
offrandes et les chants psalmodiés.
Sakyapa : cette tradition tire son nom de son premier monastère
Sangha : « Communauté » bouddhiste, formée des moines et des nonnes, ordre mendiant.
Sansara : Cycle interminable des naissances et des morts, dans lequel les actes des vies
antérieures (karma) entraînent les êtres vivants jusqu’à ce qu’ils parviennent à la délivrance
finale, le Nirvana.
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Sutras (Pitaka): « discours religieux», enseignement oral (sermons et eplorismes) du
Bouddha. Ils contiennent les principaux enseignements du bouddhisme. Ils sont divisés en
cinq Nikaya ou « Recueils », contenant chacun plusieurs volumes. En tout, il existe 270 textes
réunis en 30 volumes. Rédigés en langage ordinaire.
Tantras : Ce sont plus de 300 textes réunis en 22 volumes. Ils constituent la base du
bouddhisme tantrique. Ils expliquent des systèmes de méditation qui comprennent des rituels,
des pratiques magiques et de nombreux symboles. Ils se répandirent aux environs du VIe
siècle. Leur langage étant très complexe, l’aide d’un guru, d’un lama (« supérieur ») est
nécessaire à leur compréhension.
Tri Pitaka : « trois Corbeilles ». Sorte de bible du bouddhisme. C’est le code de la discipline
monastique. Elles contiennent le Vinaya Pitaka, les Sutras Pitaka et l’Abhidharma.
Tsok : fête à laquelle on convie les bouddhas, bodhisattvas et les êtres des royaumes
inférieurs. On leur offre « un repas ». Pour les bouddhas et bodhisattvas, on le fait en signe de
reconnaissance. Pour les êtres inférieurs, cela sert à apaiser leur souffrances.
Vinaya (Pitaka) : « ce qui mène hors (de la souffrance) », discipline monastique. Règle la vie
de la « Sangha ». 13 volumes.
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BIBLIOGRAPHIE
Bücher :
- BÖTTGER, Fritz, Hermann Hesse : Leben, Werk und Zeit, Verlag der Nation, Berlin, 1974
- BOWKER, John, Religions du monde, Ed. Mondo, Paris, 1998
- BROSSE, Jacques, Les maîtres spirituels, Ed. Bordas, Paris, 1988
- HARVEY, Peter, Le bouddhisme, Ed. Seuil, Paris, 1993
- HESSE, Hermann, Siddhartha, eine indische Dichtung, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am
Main, 1953
- MICHELS, Volker, Hermann Hesse Leben und Werk im Bild, Insel Verlag, Frankfurt am
Main, 1973
- UNSELD, Siegfried, Hermann Hesse Werk und Wirkungsgeschichte, Suhrkamp Verlag,
Frankfurt am Main, 1985
Sites im Internet :
http://www.buddhism.edu
http://www.rabten.com
http://www.fondation.rabten.com
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