Beitrag: Kampf die Lufthoheit – Arabische Airlines

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Beitrag: Kampf die Lufthoheit – Arabische Airlines
Manuskript
Beitrag: Kampf die Lufthoheit –
Arabische Airlines erobern Europa
Sendung vom 11. März 2014
von Joachim Bartz und Reinhard Laska
Anmoderation:
Fluggesellschaften vom Golf sind gnadenlos: Sie schlagen eine
Konkurrenzschlacht, die europäische Airlines alt aussehen lässt.
Selbst die großen wie Lufthansa oder Air France-KLM. Emirates,
Etihad Airways oder Qatar Airways sind eine ungeheure
wirtschaftliche Macht und haben einen Kampfauftrag: sich der
europäischen Passagiere zu bemächtigen. So wird die arabische
Halbinsel nach und nach zum Zentrum des weltweiten
Luftverkehrs. Joachim Bartz und Reinhard Laska haben
recherchiert, wie europäische Luftfahrtunternehmen im
strategischen Wettbewerb bald zu Verlierern werden könnten
Text:
Wer beherrscht den Himmel in Europa, welche Airline hat die
Nase vorn? Das wollen wir herausfinden. In Berlin-Tegel treffe ich
Pilotin Susanne Hertneck, gerade auf Zwischenstopp in Berlin.
O-Ton Frontal21:
Frau Hertneck, wo waren Sie heute schon überall?
O-Ton Susanne Hertneck, Pilotin, Lufthansa:
Wir haben unseren Dienst heute Nachmittag in Frankfurt
begonnen, sind jetzt hier nach Berlin geflogen, fliegen wieder
zurück nach Frankfurt, dann geht‘s weiter nach Madrid. Wir
sind jetzt fünf Tage unterwegs, und das ist der erste.
Vor dem Abflug kontrolliert die Pilotin, ob alles in Ordnung ist am
Flieger. Routine.
Seit 16 Jahren ist Susanne Hertneck bei Lufthansa, eine von fast
9000 Piloten im Konzern. Was hält sie von der arabischen
Konkurrenz, etwa Emirates aus Dubai?
O-Ton Frontal21:
Es gibt ja jetzt schon über hundert deutsche Piloten für
Emirates, wäre das für Sie eine Option?
O-Ton Susanne Hertneck, Pilotin, Lufthansa:
Nein. Also, wir sind sehr gut aufgestellt bei uns im Konzern.
Ich spreche hiermit sicherlich für die große, große Mehrzahl
unserer Piloten. Wir fühlen uns sehr wohl bei uns im
Konzern. Wir haben ein tolles Streckennetz bei uns, wir
haben hochmoderne Flugzeuge, die wir hier bewegen dürfen.
Doch wie lange noch? Am Standort Frankfurt und überall in
Europa herrscht in der Luftfahrtbranche ein gnadenloser
Verdrängungswettbewerb. Mindestens elf Airlines sind in den
vergangenen zwei Jahren in Europa verschwunden.
Im Hauptquartier des Konzerns bin ich mit dem
Vorstandsvorsitzenden von Lufthansa, Christoph Franz,
verabredet. Der Konzern steht unter Druck, durch Billig-Airlines
und durch die arabischen Fluggesellschaften vom Golf. Christoph
Franz gibt offen zu, dass ihn der Erfolgskurs von Emirates
beunruhigt. Weil er Lufthansa Passagiere wegnimmt.
O-Ton Christoph Franz, Vorstandsvorsitzender Lufthansa:
Eins ist klar: Der Wettbewerb und die Kapazitäten sind keine
Kapazitäten, die sich an der Nachfrage-Entwicklung
orientieren, sondern das sind Kapazitäten, die ganz klar
andere Airlines verdrängen. Und in diesem
Verdrängungswettbewerb stellt sich dann die Frage: Wer hat
quasi den längeren Atem, oder man kann auch sagen, das
meiste Geld, um in so einem Verdrängungswettbewerb
durchzuhalten.
Ein internes Lufthansa-Schreiben offenbart, in welch schwieriger
Lage der Konzern steckt:
„Unsere Wettbewerbsfähigkeit leidet erheblich. So sind wir
derzeit auf einem Großteil unserer Strecken strukturell nicht
in der Lage, Gewinne zu erwirtschaften. Seit 2011 wurden in
der Summe wesentlich mehr Destinationen gestrichen als
neue aufgenommen,...“
Den Verdrängungswettbewerb spürt auch Air France. Ich bin auf
dem Weg nach Paris. An Bord des Airbus treffe ich Stephane
Junin. Der 43-jährige Pilot macht sich Sorgen angesichts der
ständig wachsenden Konkurrenz durch Billigflieger und vor allem
durch die arabischen Fluggesellschaften. Worauf kommt es jetzt
an?
O-Ton Stephane Junin, Pilot Air France:
Die große Frage ist, können wir in Europa einfach so
weitermachen wie bisher, wenn sich unsere Konkurrenten
nicht an die Regeln der freien Marktwirtschaft halten. Unsere
Regierungen müssen uns jetzt helfen, so wie ja auch die
arabischen Emirate ihre Fluglinien unterstützen.
Denn schwere Turbulenzen erschüttern Air France. Das
Unternehmen hat mehr als fünf Milliarden Euro Schulden, muss
Arbeitsplätze abbauen, Kosten reduzieren.
Jetzt soll eine Serviceoffensive das Blatt wenden. Im Werbespot
ist das bereits zu sehen. In Wirklichkeit werden noch 20.000
Mitarbeiter geschult.
Wir landen in Paris, Flughafen Charles de Gaulle. Dort bin ich mit
dem Vorstandsvorsitzenden von Air France-KLM verabredet, mit
Alexandre de Juniac. Er wirft den Golf-Carriern unfaire Methoden
vor.
O-Ton Alexandre de Juniac, Vorstandsvorsitzender Air
France:
Die Fluggesellschaften aus dem Golf erhalten eine sehr hohe
Finanzierung durch die Golfstaaten, denen die Airlines
gehören. Sie haben eine weitaus preiswertere Infrastruktur,
und daher ist die Konkurrenz natürlich nicht sehr gerecht.
Wir erwarten deshalb von der Politik, dass sie mit der
Genehmigung für Starts und Landungen in Europa
zurückhaltend ist.
Wunschdenken. Emirates lässt sich nicht aufhalten, wächst
ungebremst. Was ist das für eine Airline vom Golf, die etablierte
Fluggesellschaften in Europa das Fürchten lehrt?
Ich fliege nach Dubai, dem Heimatflughafen von Emirates.
Gegründet 1985, mit drei Verbindungen nach Pakistan und
Indien. Inzwischen fliegt Emirates von Dubai aus zu 141 Zielen.
Als idealer Umsteigepunkt zwischen Europa, Asien und Afrika.
Höher, schneller, weiter – das Motto von Dubai ist auch das Motto
von Emirates. Keine andere Airline fliegt so viele
Großraumflugzeuge vom Typ A380.
140 Flugzeuge diesen Typs hat Emirates bestellt, Lufthansa nur
14. Für Airbus ist Emirates der mit Abstand wichtigste
Auftraggeber. Dubai hat einen eigenen Terminal nur für A380 –
weltweit einmalig.
Crew Briefing vor dem Abflug nach München. Die Besatzung
eines A380 umfasst 24 Personen. Aus aller Herren Länder –
keine hier stammt aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auf
der ganzen Welt sucht Emirates das Personal, auch in
Deutschland.
Flugkapitän Jürgen Juchert war früher einmal bei Lufthansa
Cargo und ist seit 14 Jahren bei Emirates und hat finanziell
ausgesorgt. Sein Gehalt ist vergleichbar mit dem bei Lufthansa,
allerdings in Dubai steuerfrei. Und dann gibt es noch Extras von
Emirates.
O-Ton Jürgen Juchert, Flugkapitän Emirates:
Man kann hier umsonst wohnen. Entweder man bekommt ein
Haus oder eine Wohnung. Kommt drauf an auf den
Familienstatus, und ob man Kapitän oder Copilot ist.
Emirates zahlt auch sehr viel Geld für die Schulbildung der
Kinder. Das ist auch ein sehr großer Aspekt, weil es sind
Privatschulen alles hier. Emirates bezahlt die
Aufenthaltsgenehmigung, die Arbeitsgenehmigung, es gibt
ein Rentenpaket, es gibt Medical-Absicherung – sowas alles.
Es ist ein sehr umfangreiches und gutes Paket.
Emirates gehört der Regierung von Dubai, wurde durch staatliche
Anschubfinanzierung ins Leben gerufen und hat
Traumbedingungen. Ein Nachtflugverbot wie an den meisten
deutschen Flughäfen gibt es in Dubai nicht. Emirates muss kein
teures Kurzstreckennetz betreiben, wie Lufthansa.
Eine Luftverkehrssteuer wie in Deutschland ist hier undenkbar.
Und Betriebsräte, Gewerkschaften oder Streiks gibt es bei
Emirates auch nicht. Und das stört hier niemanden.
Geführt wird Emirates von europäischen Topmanagern wie
Thierry Antinori, früher Air France und Lufthansa. Er kennt seine
Konkurrenten und ihre Vorwürfe genau.
O-Ton Thierry Antinori, Vertriebsvorstand Emirates:
Ich habe sogar ein bisschen Mitleid für die und ich verstehe
die, weil wir haben die Flugzeuge, hat Emirates. Wir haben
die Drehscheibe Dubai, die funktioniert und einen zweiten
Flughafen, der jetzt eröffnet. Wir haben mehr und mehr die
Kunden und die Marke, weil unser Marken-Value, nicht
zuletzt durch unser Sponsorship hat sich extrem gut
entwickelt. Das heißt, sie sind defensiv und suchen
Erklärungen, die uns eigentlich nicht sehr viel beschäftigen.
Zurück in Paris. Mich empfängt Bettina Vitureau, PR-Frau von Air
France, zeigt mir die neue Shoppingmeile.
O-Ton Bettina Vitureau, Public Relations Air France:
Schauen Sie, das ist alles einem unserer schönen Pariser
Plätze nachempfunden. Nur Luxusmarken, wie man sie eben
in Frankreich findet.
Mit Luxus-Offensive auf Kundenfang. Air France Vorstand Bruno
Matheu führt uns in einen eben gelandeten A380. Der bekommt
neue Sitze – Kostenpunkt 100.000 Euro das Stück.
Gesamtinvestition für den Konzern Air France-KLM 700 Millionen
Euro.
Eine Überlebensgarantie für die traditionellen europäischen
Fluggesellschaften will Matheu aber dennoch nicht geben.
O-Ton Bruno Matheu, Vorstand Air France:
Jede Fluggesellschaft kann sterben, das zeigt die
Geschichte. Die traditionellen Fluggesellschaften müssen
sich anpassen, an die Konkurrenz, an das Umfeld, das sich
ändert, an die Bedürfnisse der Kunden, die sich ändern. Sie
müssen sich anpassen, um nicht zu sterben.
Auch in Deutschland geht es um einen Überlebenskampf. Bei
Lufthansa sind 110.000 Menschen beschäftigt. Viele Arbeitsplätze
stehen auf dem Spiel, sollten die Golf-Carrier ihren Siegeszug
fortsetzen.
Abmoderation:
Der Lufthansa drohen die Piloten mit Streik. Seit zwei Jahren
nämlich kann sich der Konzern mit ihnen nicht auf einen neuen
Gehaltstarif einigen. Ende nächster Woche gibt es das Ergebnis
der Urabstimmung dazu.
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