altersabhängige maculadegeneration

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altersabhängige maculadegeneration
ALTERSABHÄNGIGE MACULADEGENERATION
(AMD)
Information der Augenklinik Saarbrücken
Prof. Dr. Christian Teping
Sehr verehrte Patientin, sehr geehrter Patient,
bei Ihnen wurde die „altersabhängige Maculadegeneration“ (AMD) festgestellt. Diese
Erkrankung betrifft die Stelle des schärfsten Sehens (Macula) und tritt in der Regel
jenseits
des
50.
Lebensjahrs
auf.
Zunehmende
Ablagerungen
von
Stoffwechselprodukten in bestimmten Schichten unter der Netzhaut stehen am
Anfang und verursachen in der Regel noch keine nennenswerte Beeinträchtigung
des Sehens.
Das Spätstadium dieser Erkrankung umfasst entweder eine sog. „trockene“ oder
„feuchte“ Form.
Über Wissenswertes zur altersabhängigen Maculadegeneration möchte ich Sie im
Folgenden informieren.
Was ist „Altersabhängige Maculadegeneration“?
Die altersabhängige Maculadegeneration (AMD) ist eine Sehstörung, die durch
zunehmende Beeinträchtigung des zentralen, also scharfen Sehens gekennzeichnet
ist. Betroffen ist in erster Linie der Fleck des schärfsten Sehens, die Macula. Die
AMD führt auch im Endstadium nicht zur Erblindung, die Orientierung im Raum bleibt
erhalten. Kennzeichnend sind Sehstörungen im zentralen Gesichtsfeld, die z.B.
die Lesefähigkeit erheblich einschränken können. Die Häufigkeit nimmt mit
steigendem Lebensalter zu. Frühformen der AMD findet man bei 35% der über 75jährigen, das Endstadium bei 5% derselben Altersgruppe. Die Ursache der AMD ist
noch nicht eindeutig geklärt. Man unterscheidet zwei Formen, die häufigere trockene
und langsam fortschreitende Maculadegeneration und die feuchte, häufig schnell
verlaufende Form.
„Trockene“ Maculadegeneration (ca. 80% der Augen)
Bei der „trockenen“ Form wird ein frühes von einem späten Stadium unterschieden.
Das Frühstadium der trockenen Maculadegeneration erkennt der Augenarzt bei der
Spiegelung des Augenhintergrundes an sog. „Drusen“, das sind kleine gelbliche
Ablagerungen unter der Netzhaut. Dabei ist das Sehen allenfalls geringfügig
eingeschränkt. Dieses Stadium kann jahre- oder jahrzentelang bleiben.
Im Spätstadium der trockenen Maculadegeneration gehen Sinneszellen und deren
Ernährungszellen im Zentrum der Netzhaut zu Grunde, sie „atrophieren“. Das
zentrale Sehen verschlechtert sich erheblich. Im Gegensatz zur feuchten
Degeneration schreitet sie aber sehr viel langsamer voran, der Prozess kann sich
über Jahre hinziehen.
„Feuchte“ Maculadegeneration (ca. 20% der Augen)
Bei der „feuchten“ Maculadegeneration, die sich bei einem kleineren Teil der
Patienten aus der trockenen Form entwickelt, wachsen als Reaktion auf die
Drusenablagerungen kleine Gefäßknospen unter die Netzhaut. Diese pathologische
Gefäßmembran nennt man auch „chorioidale Neovascularisation“. Die neu
gebildeten Gefäße sind undicht, weshalb die Netzhautmitte anschwillt
(„Maculaödem“). Auch kann es aus diesen nicht so stabil gebauten Gefäßen bluten.
Sie können schließlich dazu führen, dass sich die Netzhautmitte in eine
bindegewebige Narbe umwandelt und die Sehzellen zu Grunde gehen. Bei der
feuchten Maculadegeneration gibt es wiederum verschiedene Unterformen, die der
Augenarzt mit speziellen Untersuchungen voneinander unterscheiden kann. Ganz im
Gegensatz zur trockenen Spätform kann die feuchte Form mitunter sehr rasch
voranschreiten, kommt aber auch schließlich zum Stillstand, ohne die ganze
Netzhaut in Mitleidenschaft zu ziehen.
Die Diagnose wird durch die augenärztliche Untersuchung gestellt. Hierbei wird unter
anderem zur Prüfung des zentralen Sehfeldes das sog. AMSLER-Gitter verwendet
und, wenn notwendig, eine Darstellung der Netzhautgefäße mit einem Farbstoff
durchgeführt (Fluoreszenzangiographie).
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es ?
Auch wenn ein Durchbruch in der Behandlung, insbesondere Heilung, gegenwärtig
noch aussteht, gibt es doch schon heute Behandlungsverfahren, mit denen der
Krankheitsprozess aufgehalten oder zumindest verlangsamt werden kann.
Vitamine
In einer groß angelegten Studie, der „Age Related Eye Disease Study“ (AREDS)
wurden ca. 4.000 Patienten mit unterschiedlichen Formen der AMD über 7 Jahre
hinsichtlich der Wirkung von hochdosierten Vitamin-Präparaten untersucht. Die
Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Wenn zahlreiche mittelgroße bis große Drüsen in beiden Augen oder wenn in einem
Auge bereits ein Spätstadium der AMD mit Gefäßneubildungen oder trockener
Atrophie aufgetreten ist, kann mit der Hochdosis-Vitamintherapie ein prophylaktischer
Effekt beobachtet werden. Patienten ohne erkennbare Veränderungen oder mit
lediglich einzelnen kleinen bis mittleren Drusen profitieren hiervon aller Voraussicht
nach nicht. Diese Effekte basieren auf einer Behandlung mit täglich: Vitamin C,
Vitamin E, Lutein, Zeaxanthin, Zink und Kupfer.
Über einen sinnvollen Einsatz von Vitaminpräparaten kann nur die klinische
Untersuchung durch einen Augenarzt entscheiden. Es bestehen keine Erfahrungen
bezüglich der Langzeiteinnahme hochdosierter Vitaminpräparate. Raucher und
ehemalige Raucher sollten diese Therapie nicht durchführen.
Laserbehandlung
In frühen Stadien der „feuchten“ Maculadegeneration kann ein Einzelfällen eine
Behandlung mit dem Laserstrahl sinnvoll sein. Dies ist nur in den Augen angezeigt,
bei denen die „Quelle“ der feuchten AMD außerhalb der absoluten Netzhautmitte
liegt. Die Behandlung erfolgt ambulant und ist in aller Regel schmerzfrei. Mit dem
Laserstrahl werden dabei neu aussprossende und undichte Gefäße, die die Macula
schädigen, verödet. Dabei hat sich jedoch gezeigt, dass auch bei zunächst
erfolgreicher Laserbehandlung im weiteren Verlauf wieder neue abnormale Gefäße
aussprossen können.
Photodynamische Therapie (PDT)
Bei dieser Behandlungsform für ein ganz bestimmtes Stadium der feuchten
Maculadegeneration wird zunächst eine Substanz (Verteporfin) in die Armvene
gespritzt, die dann im Auge die Gefäßwucherungen für den Laserstrahl empfindlicher
macht. Es wird mit einem anderen Lasersystem gearbeitet als bei der klassischen
Laserkoagulation. Mit der PDT können abnormale Gefäße behandelt werden, die
sich bereits unter der Netzhautmitte befinden. Allerdings kommen nur ganz
bestimmte Gefäßneubildungen dafür in Frage, was durch den Augenarzt mit der
Gefäßdarstellung (Fluoreszenzangiographie) vorher festgestellt wird. Auch ist diese
Behandlung nur in einem relativ frühen Stadium der feuchten Maculadegeneration
sinnvoll. Die Behandlung muss u.U. mehrfach, typischerweise in Abständen von
einigen Monaten, erfolgen, da sich die Gefäße oft nicht mit einer einzigen Therapie
verschließen lassen. Auch die PDT lässt sich ambulant durchführen. Nach der PDT
sollte sich der Patient kurze Zeit vor Sonnenexposition schützen und erhält eine
Schutzbrille.
Chirurgie
Chirurgische Verfahren einschließlich der Netzhautdrehung mit Verlagerung der
Macula und der Transplantation von Ernährungszellen unter die Netzhautmitte
werden zur Zeit noch klinisch erprobt und kommen daher nicht routinemäßig zum
Einsatz. Ob sie jemals wesentliche Bedeutung erlangen, ist sehr fraglich. Allerdings
sollte bei plötzlich auftretenden ausgedehnten Blutungen unter der Netzhaut oder in
den Glaskörper möglichst rasch ein chirurgischer Eingriff geprüft werden, da damit
oftmals eine gewisse Sehverbesserung erzielt werden kann.
Injizierbare Medikamente
In letzter Zeit wurden einige neue Medikamente für die Behandlung der feuchten
AMD entwickelt, die die Gefäßwucherungen unter der Netzhautmitte beeinflussen
können. Diese Medikamente sind anfänglich noch im Rahmen klinischer Prüfungen
angewendet worden, haben inzwischen jedoch in großem Umfang Eingang in die
klinischen Behandlungsmaßnahmen gefunden. Im Verlauf der letzten zwei Jahre hat
sich zunehmend herausgestellt, das injizierbare Medikamente eine in vielen
Fällenausgezeichnete
Behandlungsmaßnahme
verzweifelten Fällen der feuchten AMD.
darstellen
bei
ansonsten
Die in unserer Klinik verwendeten Medikamente sind: Triamcinolon (4 mg, 25 mg; in
Kombination mit PDT), Pegaptanib (Macugen®), Bevacizumab (Avastin®) und
Ranibizumab (Lucentis®). In erster Linie verwenden wir in Fällen der feuchten AMD
die Wirkstoffe Bevacizumab und Ranibizumab. Einer Injektion dieser Medikamente
muss eine subtile Diagnostik vorausgehen, welche neben der augenärztlichen
Basisuntersuchung spezielle diagnostische Maßnahmen wie die Oculäre
Coherenztomographie (OCT) und die Fluoreszenzangiographie beinhalten. In
geeigneten Fällen wird Avastin oder Lucentis nach sorgfältiger Prüfung in den
Glaskörperraum des Augeninneren (intravitreal) injiziert. Bei diesem Vorgang handelt
es sich unzweifelhaft um eine sogenannte intracaoculare Operation; die
Einspritzungen müssen deshalb nach unserer Überzeugung unter genauester
Beachtung der Sterilitätsansprüche erfolgen. Sowohl die vorbereitenden Maßnahmen
wie auch der Eingriff selbst erfolgen nach den Regeln und Qualitätsansprüchen einer
intraocularen Operation. In der Regel werden Injektionen mehrfach wiederholt; initial
wird meistens eine dreimalige Injektion im Abstand von ca. 4 bis 5 Wochen geplant.
Je nach Entwicklung des Augenbefundes ist die Injektionsbehandlung dann beendet
oder es können weitere Injektionen notwendig werden. Diese intravitrealen
Injektionen können in aller Regel im Rahmen einer ambulaten operativen Maßnahme
durchgeführt werden, d.h. kurze Zeit nach dem operativen Eingriff können sie in
Begleitung wieder nach Hause fahren.
Mit der Injektion von Bevacizumab bzw. Ranibizumab haben wir in unserer Klinik –
wie auch andere Anwender – morphologisch ganz ausgezeichnete Erfahrungen
gemacht.
Eine früher nicht behandelbare feuchte Maculadegeneration kann mit diesen
Wirkstoffen heutzutage in den allermeisten Fällen positiv beeinflusst werden, d.h. der
Ausprägungsgrad der feuchten AMD kann in aller Regel reduziert werden. Das
Behandlungsziel der intravitrealten Injektionen besteht in einer Austrocknung der
feuchten AMD, d.h. in einer Umwandlung der feuchten in eine trockene Form. Auch
dies gelingt durch wiederholte Anwendung der intravitrealen Injektion häufig. –
Funktionell heißt dies für den Patienten allerdings nicht, dass die Austrocknung der
feuchten AMD automatisch mit einer Verbesserung der Sehleistung verbunden ist.
Häufig gelingt es jedoch, das Sehen konstant zu halten bzw. eine hochgradige
Verschlechterung zu vermeiden. Tatsächlich kommt es auch in ca. 20 bis 30% der
Fälle zu einem Anstieg der Sehleistung, was mit früheren Behandlungsmethoden
unmöglich war.
Für die trockene Form der AMD stellen diese Maßnahmen leider keine
Behandlungsmöglichkeiten dar.
Andere Behandlungsansätze
Für andere Behandlungsansätze einschließlich der Strahlentherapie und
„Blutwäsche“ (Rheophorese) gibt es bislang keine Langzeitstudien, die ihren Wert
eindeutig belegen. In Einzelfällen haben wir bei der Strahlenbehandlung mit dem
Linearbeschleuniger gute Entwicklungen beobachtet. Neuere Entwicklungen
umfassen u.a. auch elektronische Netzhautprothesen, dies ist aber noch eine
Zukunftsvision und kommt bei dem jetzigen Stand der Entwicklung für die
Maculadegeneration nicht in Frage.
Zu warnen ist vor Heilmethoden, die viel versprechen und nichts halten: Akkupunktur,
Infusionsbehandlungen, Gabe von Sauerstoff, Spritzen hinter das Auge und was
immer auch an „Wundermitteln“ angepriesen wird. Das alles hilft oft nur dem Anbieter
und kostet Sie viel Geld. Erfolge, von denen die Medien manchmal berichten,
erklären sich zum Teil dadurch, dass die Maculadegeneration von selbst zum
Stillstand kommen kann, und dass die Sehschärfe sich gelegentlich sogar spontan
etwas bessert.
Die AMD ist eine fortschreitende Erkrankung, das Tempo des Fortschreitens ist
jedoch unterschiedlich und nicht vorhersehbar.
Welche Symptome weisen auf die altersabhängige Maculadegeneration hin ?
•
Die AMD verursacht keine Schmerzen.
•
Oft merkt der Patient die ersten Anzeichen beim Lesen. In der Mitte des
Schriftbildes sieht er einen verschwommenen Fleck oder eine grauen
Schatten, der mit der Zeit größer wird. Eine Verschlechterung tritt gewöhnlich
im Zeitraum von Monaten oder Jahren auf. Die Randbereiche des Sehfeldes
werden normalerweise nicht beeinträchtigt.
•
Weitere typische Anzeichen sind eine Veränderung der Sehschärfe und der
Farbwahrnehmung, sowie Verzerrungen; gerade Linien werden verbogen oder
wellig wahrgenommen.
•
Es gibt auch sehr rasche Sehverluste, die durch Blutungen oder sich rasch
entwickelnde Ödeme der Netzhautmitte erklärt sind.
Welche Ursachen hat die AMD ?
Die genaue Ursache der Erkrankung ist noch nicht erforscht.
• Ein gesicherter Risikofaktor ist das Rauchen.
Mehrere Studien haben verschiedene mögliche Risikofaktoren identifiziert:
• Alter
• Veranlagung: Verwandte 1. Grades von AMD-Patienten haben ein dreifach
erhöhtes Risiko, an AMD zu erkranken. Es wird im Falle einer Verwandschaft
eine 2-jährliche Vorsorgeuntersuchung empfohlen.
• Cataract (= Grauer Star) bzw. Zustand nach Staroperation
• Bluthochdruck
• Sonnenexposition
• Weitsichtigkeit
• Helle Haut- oder Augenfarbe
• Frauen ohne Östrogenersatztherapie haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko
Generell kommt die AMD am häufigsten vor bei Frauen, die über 60 Jahre alt sind.
Gesicherte Risikofaktoren sind allerdings nur: Alter, Rauchen und erhöhter Blutdruck.
Kann ich selbst zu einem positiven Verlauf beitragen ?
Keinesfalls müssen Sie auf bisherige Gewohnheiten (Reisen, insbesondere
Flugreisen, Hobbys, Sport) verzichten. Allerdings wird Ihnen empfohlen, das
Rauchen einzustellen. Rauchen und Bluthochdruck sind nachgewiesene
Risikofaktoren bei der altersabhängigen Maculadegeneration. Falls Sie Raucher sein
sollten, wäre Aufhören schon ein erster Schritt in Richtung Prophylaxe. Der Blutdruck
sollte regelmäßig kontrolliert und nach Empfehlung des Hausarztes und Internisten
mit Medikamenten eingestellt werden. Auch wenn die Rolle des Sonnenlichts und der
UV-Strahlung noch nicht ganz geklärt ist, bestehen doch Hinweise darauf, dass man
bei besonders hellem Licht, so besonders in den Bergen, eine Sonnenbrille zum
Schutz tragen sollte.
Wesentlich ist es, dass Sie bei Auftreten von Symptomen, wie sie oben genannt
wurden, besonders auch wenn Ihr zweites Auge betroffen ist, unverzüglich einen
Augenarzt aufsuchen. Die genannten Behandlungsmöglichkeiten sind dann am
aussichtsreichsten, wenn sie zum frühen Zeitpunkt erfolgen.
Gibt es entsprechende Ernährungsempfehlungen ?
Eine ausgewogene Ernährung wird selbstverständlich empfohlen.
Eine spezielle Nahrungsergänzung mit Vitaminpräparaten kann in Einzelfällen
sinnvoll sein. Die „ARED-Studie“ (s.o.) hat gezeigt, dass die Einnahme von
antioxidativen Vitaminen in relativ hohen Dosierungen allerdings nur bei ganz
bestimmten Formen der altersabhängigen Maculadegeneration sinnvoll sein kann,
weil damit das Auftreten der Spätformen etwas verzögert wird. Dies wurde aber nur
für die folgenden Substanzen in relativ hohen Tages-Dosierungen gefunden: Vitamin
C (500 mg), ß-Karotin (15 mg), Vitamin E (400 IE), Zink (80 mg). – Es liegt kein
Beweis dafür vor, dass andere Substanzen oder diese Stoffe in anderen
Konzentrationen hilfreich wären, wie zur Zeit vielfach angepriesen wird. Ihr Augenarzt
kann Ihnen sagen, ob die Einnahme speziell bei den Veränderungen in Ihrem
Augenhintergrund in Frage kommt und sinnvoll ist. Dabei sollten Raucher kein ßKarotin einnehmen, da dies ein erhöhtes Risiko für Lungenkrebs bedeuten kann.
Unabhängig davon, ob Sie das Präparat einnehmen oder das Präparat für Sie nicht
in Frage kommt, etwa weil dies bei dem Stadium der Veränderungen an Ihrer
Netzhaut nicht sinnvoll ist, empfiehlt sich für alle Patienten mit Maculadegeneration
eine gesunde, vitaminreiche Ernährung.
Was bewirken vergrößernde Sehhilfen ?
Vergrößernde Sehhilfen haben Erfolg, wenn im zentralen Bereich der Netzhaut noch
genügend intakte Inseln liegen, so dass z.B. eine vergrößerte Schriftzeile wie die
Überschrift einer Zeitung erkannt wird. Mit steigender Vergrößerung verkleinert sich
allerdings der Textausschnitt, der gesehen wird. Gleichzeitig kommt es zu einem
reduzierten Leseabstand.
Welche Hilfsmittel gibt es ?
Durch Entwicklung und Verbesserung der vergrößernden Sehhilfen haben sich die
Möglichkeiten zu helfen erweitert. Die Anpassung und Auswahl der geeigneten
Sehhilfen erfordert Zeit und Einfühlungsvermögen. In der Regel werden
verschiedene Sehhilfen benötigt. Einen ersten Anhalt für die
Vergrößerung liefert die Sehschärfe, wie an folgender Tabelle gezeigt:
notwendige
Sehschärfe/Sehhilfe
0,2 – 0,4:
verstärkte Lesebrille (Lupenbrille), Leseglas (Lupen)
0,1 – 0,3:
Lupenbrille, Fernrohrlupenbrille
< 0,1:
Bildschirmlesegerät
Optisch vergrößernde Sehhilfen
Hierbei werden überkorrigierte Lesebrillen, Hand- oder Standlupen wie Kopflupen,
Fernrohrbrillen und Fernrohre oder Monokulare unterschieden.
Die einfachste vergrößernde Sehhilfe ist eine Überkorrektur, bei der der Nahteil der
Brille verstärkt wird und somit eine Vergrößerung der Schrift erreicht wird. Dabei
ergibt sich ein sehr kurzer Leseabstand, da die Schrift sonst unscharf wird. Vorteil
sind neben dem unauffälligen Äu0eren die Möglichkeit, beidhändig zu hantieren und
Naharbeit zu verrichten.
Handlupen erlauben ein Lesen in gewohntem Abstand. Mobile Taschenlupen lassen
sich zum Einkauf mitnehmen, andere Formen sind mit Lichtquellen ausgestattet.
Standlupen haben einen festen Arbeitsabstand zum Lesegut, vergleichbar den
Lesesteinen oder Visolett-Lupen. Bei Montage der Lupen an einem beweglichen
Stativ ist beidhändiges Hantieren möglich, wie auch bei den Kopf- oder
Umhängelupen. Außerdem ist hier oft ein größeres Sehfeld vorhanden.
Praktisch sind auch Lupen als Aufstecker auf die Brille, die nur bei Bedarf benutzt
werden.
Fernrohrlupenbrillen gibt es nach dem Galilei- oder Keplersystem in
unterschiedlichster Ausführung. Einige lassen sich sowohl in der Nähe als auch in
der Ferne anwenden. Im Vergleich zu den Lupen ist der Arbeitsabstand deutlich
größer. Die Fernvergrößerung kann bis zu 4-fach betragen und zum Fernsehen
benutzt werden.
Für höhere Vergrößerungen in der Ferne benutzt man Fernrohre oder Monokulare.
Damit können z.B. Straßenschilder erkannt werden. Zur Orientierung sind sie nicht
geeignet.
Optoelektronische Sehhilfen
Wenn mit konventionellen vergrößernden Sehhilfen keine Lesefähigkeit erreicht wird,
kann mit Bildschirmlesegeräten weitergeholfen werden. Hierbei ist eine
zunehmende stufenlose Vergrößerung in beliebiger Höhe möglich. Durch die
wählbare Vergrößerung und die Kontraststeigerung ergeben sich teilweise Vorteile
gegenüber optischen Sehhilfen.
Trotzdem kommen nicht alle Patienten, für die ein Bildschirmlesegerät theroretisch
geeignet wäre, damit zurecht. Wer nur gelegentlich lesen will, wird sich mit dem
Gerät nicht anfreunden. Bei echtem Leseinteresse lohnt sich das anfänglich
beschwerliche Üben häufig.
Bei der Wahl der für den Patienten am besten geeigneten vergrößernden Sehhilfe
müssen medizinische, physiologische, optische und psychologische Vorausetzungen
beachtet werden. Darum ist es sinnvoll, dass diese Hilfsmittel unter Einbeziehung der
augenärztlichen Untersuchung angepasst werden.
Psychosoziale Bedeutung
Schwere Seheinbußen aufgrund verschiedener Augenerkrankungen sind im höheren
Lebensalter relativ häufig (etwa jede 5. Person über 65 Jahre ist betroffen). Diese
können zu negativen psychosozialen Auswirkungen wie Selbstständigkeitsverlust
und Depressivität führen. Besonders belastend werden der Verlust des Autofahrens
und der Leseverlust empfunden. In einer solchen Situation können beratende
Berufsgruppen
wichtig
werden
(Augenarzt,
Hausarzt,
Psychologe,
psychosomatischer Mediziner, sozialmedizinische Dienste, Selbsthilfegruppen); von
besonderer Bedeutung sind aber in jedem Falle Hilfe und Zuspruch durch den
Lebenspartner, Verwandte und Freunde. Denken Sie bitte daran: Sie sind nicht
alleine! Hunderttausende ältere Menschen in Deutschland sind in der gleichen oder
einer ähnlichen Situation! Und, glauben Sie mir bitte: Wenn die medizinischen
Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein sollten, so ist es für Sie ganz
entscheidend, dass man dies und den eingetretenen Sehverlust letztlich innerlich
akzeptiert.
Erst dann sind die Wege wieder offen, andere, vom Sehen nicht so abhängige
Lebensqualitäten schätzen zu lernen, neuen Lebensmut und neue Lebensfreude zu
entwickeln!
Mit den besten Wünschen
Prof. Dr. med. Christian Teping
Chefarzt
Augenklinik Saarbrücken
STAND 09/2008