Davids Söhne – Eselreiter Gottes
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Davids Söhne – Eselreiter Gottes
Davids Söhne – Eselreiter Gottes Predigt zum 1. Advent 2006 in der St. Jacobikirche Göttingen 1. Einleitung Womit ein Mensch sich fortbewegt, sagt eine Menge. Ob jemand auf dem hohen Ross sitzt oder sich auf Schusters Rappen fortbewegt, ob jemand Trabi fährt oder Mercedes, ein Mountainbike mit 20 Gängen oder Omas altes Damenfahrrad, bunt bemalt. Womit ein Mensch sich fortbewegt, sagt eine Menge. Jesus reitet auf einem Esel. Was das über Jesus sagt? Schwer zu sagen, die wenigsten Menschen kennen heute noch richtige Esel. Dumm sollen sie sein, und störrisch. Aber Asinologen, lachen sie nicht – die gibt’s wirklich, Eselkundler, die bestreiten das. Einen Bekannten habe ich gefragt, von dem ich weiß: Der versteht etwas von Eseln. Der hat selber drei im Stall. Der hat mir einiges erzählt: „Störrisch, nein, wie kommen Sie denn darauf? Esel sind ‚sensibel‘, wie man das heute nennt. Die nehmen Dinge wahr und reagieren darauf, lange bevor Menschen etwas wahrnehmen. Und dann sagen sie: Esel sind dumm und störrisch. Nicht mal die Tierärzte kommen mit Eselkrankheiten zurecht, weil sie damit zu wenig Erfahrung haben.“ Womit ein Mensch sich fortbewegt, sagt eine ganze Menge über ihn selber. Aber warum Jesus reitet auf einem Esel? Klar, da sind die Worte aus dem Propheten, Sacharja 9. Aber was erklärt das? Als ob man eine Unbekannte durch eine andere erklären könnte? Wie will man den Einzug Jesu mit Sacharja erklären, wenn man Sacharja letztlich auch nicht versteht? Darum werde ich Ihnen heute erzählen von den Eseln und den Eselreitern Gottes. Lied 14,1 Dein König kommt in niedern Hüllen, ihn trägt der lastbarn Es'lin Füllen, empfang ihn froh, Jerusalem! Trag ihm entgegen Friedenspalmen, bestreu den Pfad mit grünen Halmen; so ist's dem Herren angenehm. 2. Eselreiter – Davidssohn Erzählen will ich Ihnen von König David. Vielleicht erinnern Sie sich? 1. Könige 1? David war alt geworden, ein Pflegefall, so alt und gebrechlich, dass er sich für nichts mehr so richtig erwärmen konnte, nicht einmal für die schöne Abischag von Schunem. Da entbrannte ein Streit unter den Söhnen Davids um die Nachfolge. Einer von ihnen: Adonja, vom Vater verwöhnt, der Schönste und Charmanteste, wahrscheinlich seinem Vater sehr ähnlich. Adonja – ein moderner Herrscher will er werden, ein modernes Königtum will er aufbauen. Er beschafft sich 50 Pferdewagen und kutschiert damit durch die Stadt. Macht schon mal Werbung für seinen neuen Führungsstil. Hinter dem Rücken seines Vaters, unterstützt von einer kleinen, aber feinen Lobby am Hof, lässt er sich zum König ausrufen und gibt ein Riesenfest-bankett. Aber der Prophet Nathan, jener Prophet, der David einst auf seine Schuld angesprochen hatte, die unselige Geschichte mit Bathseba und Uria, jener Prophet, der den David immer wieder an den Gott Israels erinnert hat, der bekommt es mit, das Auffahren mit Wagen und Pferden, die Königsausrufung, das Festbankett. Und Nathan erzählt es dem altersschwachen David in seiner Matrazengruft. Wieder erinnert und mahnt der Prophet seinen König. Er erinnert ihn daran, was er seiner Frau Bathseba und ihrem gemeinsamen Sohn Salomo mit gutem Grund versprochen hat: Salomo soll König werden. Nathan erinnert daran, und David lässt sich erinnern. Seite 1 Er erinnert sich an die Zeit, bevor er König wurde, und an die Traditionen seines Volkes. Noch vor zwei Generationen hatten nicht Könige regiert, sondern Richterinnen und Richtern. Gottbegnadete Frauen und Männer, die dem Volk Recht erkämpften gegen die Nachbarn. Die fuhren nicht mit Pferdegespannen durch die Gegend – die ritten auf Eseln. Eselreiter waren sie. Auf saharasandweißen Eseln die Richter, ihre Söhne, ihre Enkel (Richter 5,10, 12,14). Das Tier des Volkes war auch das Tier der Führer. Auch David war zeitlebens auf einem Esel geritten, zuletzt auf einem Halbesel. Stadtbekannt, das königliche Tier, der Maulesel Davids. Zugeben, kein gewöhnliches, zugegeben, mit einer Spur Pferd, aber doch: der Esel des Alten, der Esel Davids. Und David erhebt sich aus seinen Kissen und sagt zum Propheten Nathan: „Holt meine Minister! Holt den großen Priester Zaddok – und holt meinen Esel! Setzt meinen Sohn Salomo auf meinen Esel. Und dann zieht hinunter zur Quelle des Lebens, zur Gihonquelle am Fuße der Stadt. Dort salbt Salomo zum König. Und dann lasst ihn auf meinem Esel in die Stadt einziehen und posaunt es hinaus: Es lebe König Salomo.“ Auf einem Esel reitend, der wahre König: Salomo. Ein weiser König wurde er, der Sohn Davids. Seitdem sind richtige Davidssöhne Eselreiter, Gottes Eselreiter, wie Salomo. Der verstand die Herzen der Menschen und wurde ihnen ein weiser und gerechter König, der Davidssohn und Eselreiter. Lied 14,2 O mächtger Herrscher ohne Heere, gewalt'ger Kämpfer ohne Speere, o Friedefürst von großer Macht! Es wollen dir der Erde Herren den Weg zu deinem Throne sperren, doch du gewinnst ihn ohne Schlacht. 3. Eselreiter – Mosessohn Seit jeher ritten sie auf Eseln, die Israeliten, ehemalige Eselnomaden. So selbstverständlich scheinbar, dass in der Bibel selten davon berichtet wird. Und umso bemerkenswerter, wenn es dennoch geschieht. Seite 2 Darum will ich Euch heute erzählen vom Eselreiter Mose. Erinnern Sie sich? 2. Buch Mose? Mose war in Ägypten geboren, aus dem Wasser gezogen, und aufgewachsen im Land der Pferdewagen, wo man die Pferde liebte und über Esel seine Witze machte. Als Mose sah, wie die Israeliten als Sklaven in Ägypten zu leiden hatte, erschlug er einen der Sklavenschinder und musste fliehen, flüchtete in die Wüste, nach Midian. Dort heiratete er Zippora, die Frau eines Priesters, und bekam einen Sohn, den nannte er Gerschom, d.h. der Fremdling. Und dann kommt die Erscheinung Gottes im brennenden Dornbusch und der Auftrag an Mose, Sie erinnern sich: „Geh zurück nach Ägypten und führe mein Volk in die Freiheit.“ Aber Mose hat Angst: · „Wer bin ich denn, dass ausgerechnet ich zu meinem Volk gehe? · Was soll ich denn sagen, wer mich schickt? · Was ist, wenn sie mir nicht glauben? · Ach, ich bin doch auf den Mund gefallen! · Gott, schicke doch bitte jemand anders.“ „Die Flucht nach Ägypten“ aus der Sonntagsseite des St. Jacobialtars Fünf mal weigert sich Mose. Dann wird es Gott zu viel: „Jetzt geh endlich. Nimm deinen Hirtenstab und geh.“ Und Mose geht. Endlich geht er. Endlich glaubt er und besiegt seine Angst. Und er sattelt – seinen Esel, Zusammen mit seiner Frau Zippora und seinem Sohn Gerschom bricht er auf, Richtung Ägypten. (2. Mose 4,20). Mose, Zippora und Gerschom, die heilige Familie auf dem Weg nach Ägypten. Und Mose führte sein Volk in die Freiheit. Selbst Roß und Wagen der Ägypter konnten den Zug der Israeliten in die Freiheit nicht aufhalten. Gott warf Roß und Wagen ins Meer. Und all das begann damit, dass Mose den Esel sattelte und nach Ägypten ritt. Mose, auch er ein Eselreiter Gottes. Lied 14,4 Und wo du kommest hergezogen, da ebnen sich des Meeres Wogen, es schweigt der Sturm, von dir bedroht. Du kommst, dass auf empörter Erde der neue Bund gestiftet werde, und schlägst in Fessel Sünd und Tod. 4. Jesus – Davids- und Mosessohn Womit ein Mensch sich fortbewegt, sagt eine Menge. Wenn Jesus als Eselreiter in Jerusalem einzieht, dann sind all diese Geschichten gegen-wärtig. Er kommt wie ein rechter Davidssohn, ein Gesalbter. Jesus Christus, unser Heiland, Davids-sohn, einer wie Salomo, einer, der die Herzen der Menschen versteht und ihnen ein weiser und gerechter Helfer ist. Jesus Christus, unser Heiland, Mosessohn, einer wie Mose, einer, der in die Freiheit führt, einer, der Angst hat, wie Mose, aber er nimmt den Auftrag Gottes, in die Freiheit zu führen, an und reitet auf einem Esel in Jerusalem ein. Seite 3 Die Alten, wie der Meister des Göttinger Jacobialtars, die haben von solchen verborgenen Zusammenhängen gewusst. Wie sonst käme der Esel auf die Sonntagsseite unseres Altars? In das Bild von der Flucht nach Ägypten? Können Sie es sehen – oder zumindest ahnen? Oberste Reihe, das 5. Bild: Der Aufbruch der Heiligen Familie nach Ägypten. Der neugeborene Erlöser muss auf die Flucht vor den Todesschergen des Kindermörders Herodes. Er muss schleunigst fort aus Bethlehem und nach Ägypten. Das Jesuskind sitzt auf dem Schoß der Maria, und die – sitzt auf einem Esel. Im Evangelium des Matthäus Kap. 2 suchen Sie diesen Esel vergeblich. Den haben erst die Alten wie der Maler des Jacobialtars hineingeholt in diese Geschichte. Der erste Weg Jesu, von Bethlehem nach Ägypten, Anfang der neuen Freiheit der Kinder Gottes, dieser Weg beginnt mit einem Aufbruch nach Ägypten, mit diesem Weg nach Ägypten beginnt der Weg der Erlösung und der Freiheit, dieser Weg beginnt auf einem Esel - und er endet auf einem Esel, beim Einzug in Jerusalem. Vielleicht können Sie jetzt nachvollziehen, warum es beim Propheten Sacharja heißt, Kapitel 9: Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter, einer, dem geholfen wird. Ohnmächtig ist er vor seinem Gott, und reitet auf einem Esel, auf einem starken Eselshengst. Ich schaffe die Pferde und Streitwagen ab in Jerusalem und in ganz Israel. Zerbrochen wird der Kriegsbogen und er spricht für die Völker den Frieden. Seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufratstrom bis an die Enden der Erde. Lied 14,5-6 O Herr von großer Huld und Treue, o komme du auch jetzt aufs neue zu uns, die wir sind schwer verstört. Not ist es, dass du selbst hienieden kommst, zu erneuen deinen Frieden, dagegen sich die Welt empört. O lass dein Licht auf Erden siegen, die Macht der Finsternis erliegen und lösch der Zwietracht Glimmen aus, dass wir, die Völker und die Thronen, vereint als Brüder wieder wohnen in deines großen Vaters Haus. Pastor Harald Storz Seite 4