Grundlagen der Informationsstruktur Übersicht
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Grundlagen der Informationsstruktur Übersicht
Kompaktseminar Zur Semantik der Spezifizität bei bei indefiniten DPs und Satztopiks Grundlagen der Informationsstruktur Cornelia Endriss Institut für Kognitionswissenschaft Universität Osnabrück Tübingen Juli/August 2008 1 Übersicht • Informationsstruktur • Fokus – Grundlagen – Pragmatische & wahrheitskonditionale Effekte (Common Ground Management vs. Common Ground Content) • Topik – Grundlagen – Pragmatische & wahrheitskonditionale Effekte (Common Ground Management vs. Common Ground Content) – Analyse – Einbettungen – Bimanuale Koordination Tübingen Juli/August 2008 2 Informationsstruktur • Ursprüngliches Verständnis des Terminus Informationsstruktur: Wie präsentiert ein Sprecher Information, um dem Hörer das Verstehen zu erleichtern? • Scheinbar unabhängig von Fragen der wahrheitskonditionalen Semantik. • Beispiel: in der Vergangenheit kaufte sich eine Person namens Dena ein Pferd. • Mögliche Versprachlichung: (1) Dena hat sich ein Pferd gekauft. • Genauere Betrachtung der Defaultaussprache: Akzent auf Pferd ( Fokussierung der VP) (2) Dena [hat sich ein PFERD gekauft.]Fokus Tübingen Juli/August 2008 3 Informationsstruktur (2) Dena [hat sich ein PFERD gekauft]Fokus • Natürliche Einteilung von (2) in zwei Teile (cf. Molnar, 1993): – die faktische Ebene: was wird gesagt ( Kommentar) vs. worüber wird es gesagt ( Topik) – die hörerbezogene Ebene: was ist neu für den Hörer ( Rhema) vs. was ist dem Hörer bekannt ( Thema) – die sprecherbezogene Ebene: was ist relevant aus Sprechersicht ( Fokus) vs. was ist weniger wichtig ( Hintergrund) • In (2): Dena hat sich ein Pferd gekauft Tübingen Juli/August 2008 Topik = Thema = Hintergrund Kommentar = Rhema = Fokus 4 Informationsstruktur • Prinzipiell können Konzepte verschiedener Ebenen übereinstimmen, überlappen oder disjunkt sein: (3) A: Was ist mit Joachim? Was trinkt der gerne? B: Joachim trinkt gerne Whisky. [Joachim]Topik [trinkt gerne Whisky]Kommentar [Joachim trinkt gerne]Hintergrund [Whisky]Fokus [Joachim trinkt gerne]Thema [Whisky]Rhema • Diese Konzepte können sogar geschachtelt vorkommen. (4) Fokus im Topik (= kontrastives Topik): Gestern habe ich einige Pferde gesehen. [[DREI]Fokus (der) Pferde]Topik waren gescheckt. (5) Topik im Fokus: Gestern saßen wir am Lagerfeuer und sprachen über Fledermäuse. Und jetzt rate mal, was heute passiert ist! [Maria hat sich ein BUCH über [Fledermäuse]Topik gekauft]Fokus Tübingen Juli/August 2008 5 Fokus • Fokus zeigt die Existenz von Alternativen zum fokussierten Ausdruck an, die für die Interpretation der Äußerung wichtig sind. • Im Fall von freiem Fokus wie in (2): (2) Dena [hat sich ein PFERD gekauft]Fokus es wäre theoretisch denkbar, dass Dena eine alternative Tätigkeit ausgeübt hätte (…ist Fahrrad gefahren, …hat sich die Nase geputzt) – die geäußerte (…hat sich ein Pferd gekauft) ist aus Sprechersicht allerdings die relevanteste bzgl. des Fortschreiten des Diskurses Diskurspragmatische Effekte nach Krifka (2007a): Common Ground Management Tübingen Juli/August 2008 6 Diskurspragmatische Effekte von Fokus • Wie ein Sprecher Information durch Fokussierung präsentiert, bestimmt die Angemessenheit in einem bestimmten Kontext. (6) A: Was ist mit Dena los? / Was hat Dena gemacht? B: Dena [hat sich ein PFErd gekauft.]Fokus # [DEna]Fokus hat sich ein Pferd gekauft. (7) A: Wer hat sich ein Pferd gekauft? B: # Dena [hat sich ein PFErd gekauft.]Fokus [DEna]Fokus hat sich ein Pferd gekauft. (8) A: Wohin fährt Karl morgen? B: Karl fährt morgen [nach BRAMsche.]Fokus # Karl fährt [MORgen]Fokus nach BRAMsche. (9) A: Wann fährt Karl nach Bramsche? B: #Karl fährt morgen [nach BRAMsche.]Fokus Karl fährt [MORgen]Fokus nach Bramsche. Tübingen Juli/August 2008 7 Wahrheitskonditionale Effekte von Fokus • Im Kontrast hierzu (bekannt spätestens seit Rooth, 1985): Wahrheitskonditionale Effekte nach Krifka (2007a): Common Ground Content • Ersichtlich an Fällen von gebundenem Fokus … mit Quantifikationsadverbien wie immer. (10) a. … weil Karl immer sonntags [nach BRAMsche]Fokus fährt. (Was Karl jeden Sonntag tut, ist nach Bramsche zu fahren) b. … weil Karl immer [SONNtags]Fokus nach Bramsche fährt. (Wann immer Karl nach Bramsche fährt, ist es Sonntag) (11) a. In English, a ‘U’ always follows a ‘Q’. (Im Englischen folgt jedem Q ein U wahr) b. In English, a ‘U’ always follows a ‘Q’. (Im Englischen folgt jedes U einem Q falsch) Tübingen Juli/August 2008 8 Wahrheitskonditionale Effekte von Fokus • … mit fokussensitiven Operatoren wie only/nur. (12) a. John only introduced Bill to [SUE]Fokus. (John hat den Bill nur der Sue vorgestellt.) b. John only introduced [BILL]Fokus to Sue. (John hat nur den Bill der Sue vorgestellt.) • ... mit Determinierer-Quantoren (Herburger 2000) (13) a. Viele Osnabrücker fahren sonntags [nach BRAMsche.]Fokus (relativ viele der Osnabrücker Sonntagsausflügler fahren nach Bramsche) b. Viele Osnabrücker fahren [SONNtags]Fokus nach Bramsche. (relativ viele der Osnabrücker Bramschebesucher fahren sonntags dorthin) Tübingen Juli/August 2008 9 Topikalität • Verbreitete Sichtweise für Satztopiks: Das Topik ist derjenige Ausdruck (oder diejenige Entität), um den/um die es im Satz geht (Reinhart, 1981). (Aboutness-Topik) • Informeller Test: Wenn X das Topik eines Satzes ist, dann ist als Antwort auf die Frage: ‘Kannst Du mir etwas über X sagen?’ angemessen. (14) a. Dena hat Clarissa ein Kochbuch verkauft. (intuitiv über Dena) b. Clarissa hat ein Kochbuch von Dena gekauft. (intuitiv über Clarissa) • Korrespondiert mit dem Begriff des logischen Subjekts (Brentano 1874, Kuroda 2005). Analogie: Topik ⇔ Kommentar Tübingen Juli/August 2008 Subjekt ⇔ Prädikation 10 Topikalität • Urteile mit einer solchen Subjekt-Prädikat-Gliederung (sog. Doppelurteile) bzw. in Topik und Kommentar gegliederte Sätze werden kategorisch genannt. • Einfache Urteile ohne Subjekt-Prädikat-Gliederung bzw. topiklose Sätze (bzw. Sätze mit Ereignistopik) nennt man thetisch. (15) a. kategorisch: Das Telefon von Maria hat 24 TAsten. Topik: Das Telefon von Maria Kommentar: hat 24 Tasten b. thetisch: Das TElefon klingelt. Topik: Gesamtereignis des Telefonklingelns • Im kategorischen Fall: Adressenmetapher Das Topik ist die Adresse, an der die übermittelte Information des Kommentars abgespeichert wird. Tübingen Juli/August 2008 11 Topikmarkierung • Syntaktische Subjekte tendieren zur Topikhaftigkeit (16) Der PapstSubj hat Frau Merkel geküsst. out of context über den Papst im Kontext Was ist denn mit der Bundeskanzlerin los? über Frau Merkel • Syntaktisch werden Topiks oft (aber nicht immer) durch Voranstellung markiert (z.B. Linksversetzung). (17) [Den Rektor]Topik, den kann keiner leiden. • Im deutschen Mittelfeld kann die Position vor dem Satzadverbial nur von Topiks besetzt werden (s. Frey, 2004a). (18) … weil [den Rektor]Topik überraschenderweise keiner leiden kann. Tübingen Juli/August 2008 12 Topikmarkierung • Rechtsdislokation kann auch topikmarkierend sein (vgl. AveritsevaKlisch 2008) (19) a. Sie geht jeden Tag joggen, [die Christine]Topik. • Desweiteren findet man morphologische Markierungen, z.B. im Japanischen mittels wa (im Koreanischen mittels nun). (vgl. Kuroda 1972) (20) a. Inu wa hasitte iru. “Der (erwähnte) Hund rennt.” (kategorisch; über den Hund) b. Inu ga hasitte iru. “Der/Ein Hund rennt” (thetisch; Bericht einer Situation) • Es gibt aber auch Sprachen, die keine ausgewiesenen Mittel zur Topikmarkierung bereitstellen (z.B. Englisch). Tübingen Juli/August 2008 13 Topikmarkierung • Es scheint eine sehr enge Beziehung zwischen Topikalität und Kontrastivität zu geben. • Die meisten (alle?) Strategien, die zur Topikmarkierung eingesetzt werden, dienen gleichzeitig auch zur Auszeichnung von Kontrastivität. • Z.B. Japanisch wa and Koreanisch nun (Kuno 1972); Linksversetzung (Frey 2004b). Tübingen Juli/August 2008 14 Prototypische Topiks • Prototypische Topiks: Eigennamen, definite DPn. • Daher wird oft Familiarität als definierendes Merkmal für Topiks angenommen (Hockett 1958). • Gegenevidenz: Indefinita können (im Gegensatz zu anderen Quantoren) topikmarkiert werden (21) a. [EInen Linguisten]Topik, den kennt jeder. b. [DREI Artikel]Topik, die sollte jeder Student gelesen haben. • Auch Nicht-DPn können topikmarkiert sein: Temporale/lokale PPn, Adverbiale, Antezedenten von Konditionalen... (22) a. [In der Küche]Topik, da hat der Koch das Schnitzel gebraten. b. [Ohne Müsli am Morgen]Topik, da flippt die Maria aus. c. [Wenn Du Hunger hast]Topik, da ist Pizza im Kühlschrank. Tübingen Juli/August 2008 15 Prototypische Topiks • In diesen Fällen kann man nicht so einfach vom „logischen Subjekt der Prädikation“ sprechen. • Man spricht hier eher von Rahmensetzern (Frame Setting): Das Topik gibt den (temporalen/lokalen/etc.) Rahmen an, in dem die Kernaussage stattfindet. (23) a. [In der Küche]Topik, da hat der Koch das Schnitzel gebraten. Der Koch hat das Schnitzel gebraten; lokaler Rahmen: in der Küche b. [Ohne Müsli am Morgen]Topik, da flippt die Maria aus. Maria flippt aus; kausaler Rahmen: ohne Müsli am Morgen c. [Wenn Du Hunger hast]Topik, da ist Pizza im Kühlschrank. Pizza ist im Kühlschrank; „Relevanzrahmen“: wenn Du Hunger hast Tübingen Juli/August 2008 16 Diskurspragmatische Effekte der Topikalität Satztopiks: • Adressenmetapher: Das Topik ist die Adresse, an der die übermittelte Information des Kommentars abgespeichert wird. Informationsstrukturierung im eigentlichen Sinne des Wortes Diskurstopiks: • Topikalität ist nicht nur ein Satzphänomen, sondern spielt auch auf der Diskursebene eine Rolle (vgl. Question under Discussion). • Viele Sprachen markieren Topik-Shifts oder -Continuation. • Insgesamt Tendenz das Topik soweit wie möglich konstant zu halten (Topic Chains). Diskurspragmatische Effekte nach Krifka (2007a): Common Ground Management Tübingen Juli/August 2008 17 Nicht-literale Bedeutungseffekte der Topikalität Metaphern: (24) a. Butchers are surgeons. b. Surgeons are butchers. Präsuppositionen (vgl. Strawson 1964): (25) a. #Die Frau des Papstes hat in diesem Jahr die Oscarverleihung moderiert Präsupponiert: die Frau des Papstes existiert; intuitiv nicht evaluierbar. b. Die Oscarverleihung wurde in diesem Jahr von der Frau des Papstes moderiert. Präsupponiert nichts; intuitiv falsch. Pragmatische Effekte und trotzdem nach Krifka (2007a): Common Ground Content Tübingen Juli/August 2008 18 Wahrheitskonditionale Effekte von Topikalität Topikale Indefinita… a) erhalten weiten Skopus/sind spezifisch/sind referentiell (Firbas, 1966; Cresti, 1995; Endriss, erscheint). (26) a. [EInen Song von Frank Zappa]Topik, den kennt doch jeder. Nämlich Bobby Brown. Skopusverhältnisse: ∃ song > ∀ b. Einen Song von Frank Zappa kennt doch jeder. Jeder irgendeinen. Skopusverhältnisse: ∃ song > ∀ oder ∀ > ∃ song (27) a. [DREI Artikel]Topik, die sollte jeder Student gelesen haben. Skopusverhältnisse: 3 artikel > ∀ b. Drei Artikel sollte jeder Student gelesen haben. Skopusverhältnisse: 3 artikel > ∀ oder ∀ > 3 artikel Tübingen Juli/August 2008 19 Wahrheitskonditionale Effekte von Topikalität Topikale Indefinita… b) werden im Restriktor von Quantifikationsadverbien interpretiert (Quantificational Variability-Lesarten) (Partee 1991) (28) [Ein Hund]Topik, der ist meistens gefräßig. Die meisten Hunde sind gefräßig. c) werden generisch interpretiert (Kuno 1972) (29) [Ein Pferd]Topik, das hat vier Beine. In der Regel haben Pferde vier Beine. Wahrheitskonditionale Effekte nach Krifka (2007a): Common Ground Content Tübingen Juli/August 2008 20 Analyse Topikalität • Topiks müssen in einem separaten Sprechakt der Topik-Etablierung eingeführt werden, der einem referrierenden Sprechakt gleicht (cf. Endriss erscheint, Jacobs 1984, Lambrecht 1994, Searle 1969). • Diese Topik-Etablierung stellt einen Diskursreferenten für die topikale Entität bereit. • In dem verbleibenden Sprechakt (z.B. einer Assertion), wird dieser Diskursreferent anstelle des Topiks verwendet, d.h. der Kommentar als Prädikation über selbigen verwendet. • Schematisch: REFd(X) & ASSERT [P(d)] Wobei: REF X d P – – – – Akt der Topik-Etablierung topikmarkierte Konstituente durch REF etablierter Diskursreferent Kommentar Tübingen Juli/August 2008 21 Analyse Topikalität • Also: Akt der Topik-Etablierung geht dem Assertionsakt voraus; alle anderen Quantoren werden innerhalb der Assertion interpretiert. • Im Fall von Eigennamen und definiten DPn: Topikalität hat nur informationsstrukturierenden und keinen wahrheitskonditionalen Effekt • Im Fall von Indefiniten: REFd(’einen Song von Frank Zappa÷) & ASSERT [ ∀x[kennt(x,d)] ] zusätzlicher kernsemantischer/wahrheitskonditionaler Effekt; DP nimmt weiten Skopus (siehe a)) Tübingen Juli/August 2008 22 Analyse Topikalität Bei QV-Lesarten: Topikalität indirekt • nicht die markierte DP ist Argument des REF-Aktes, sondern Menge von (minimalen) Situationen S. Im Fall von (28): die Situationen S, die einen Hund enthalten. (28) [Ein Hund]Topik, der ist meistens gefräßig. • Resultat für (28): die meisten Situationen in S sind Situationen, in denen ein Individuum gefräßig ist. Wahrheitskonditional äquivalent zu: Die meisten Hunde sind gefräßig. QV-Lesarten von topikalen Quantoren (siehe b)) Generische Sätze mit topikalen Indefiniten: analog zu obigem QV-Fall • Koverter generischer Operator statt overtem QV-Adverb generische Lesarten von topikalen Quantoren (siehe c)) Tübingen Juli/August 2008 23 Topikalität und Einbettungen • Bislang stillschweigendes Einverständnis: Topik-Kommentar-Gliederung grundsätzlich nur auf oberste Satzebene möglich. • D.h. Gliederung eines abhängigen eingebetteten Satzes in Topik und Kommentar nicht möglich. • Gliederung in das Worüber und das Was einer Aussage intuitiv tatsächlich zunächst nur sinnvoll auf oberster Ebene. • Insbesondere unter der Sichtweise der zweistufigen Aktualisierung des Redehintergrunds. • Wenn Topik und Kommentar durch zwei verschiedene (Sprech-)Akte realisiert werden, scheint dies zunächst nur in nicht-eingebetteten Strukturen sinnvoll. Tübingen Juli/August 2008 24 Topikalität und Einbettungen: Konzeptuell • Seit jüngster Zeit wird diskutiert: ist Informationsstrukturierung auch für eingebettete Strukturen möglich und sinnvoll (Kuroda 2005, Portner erscheint, Tomioka 2007)? • Verschiedene linguistische Phänomene legen nahe: ja! – Aber nicht immer! • Ob eine solche Gliederung möglich ist, scheint vielmehr vom einbettenden Verb abzuhängen. • Konzeptuell: man kann von jemandem etwas glauben, jedoch nicht von jemandem oder über jemanden etwas bedauern. • bedauern lässt nur unstrukturierte Propositionen als Einbettungen zu, glauben dagegen strukturierte Propositionen. Tübingen Juli/August 2008 25 Topikalität und Einbettungen: Empirisch • Konzeptuell macht es Sinn, nur manche Operatoren als TopikKommentar-Einbetter anzusehen. D.h. nicht alle Operatoren können Topik-Kommentar-Strukturen einbetten. • Genau das finden wir auch empirisch. • Frage: Welche Operatoren sind dies genau, und was sind ihre gemeinsamen Eigenschaften? • Wir schauen uns an: – Sprachen, die Topikalität morphologisch markieren (z. B. Japanisch oder Koreanisch). Sie zeigen: Topiks sind auch in eingebetteten Strukturen auffindbar (s. Kuroda 2005). – Topikmarkierende Konstruktionen im Deutschen. – Deutsche V2-Komplementsätze, die immer wieder als “protoassertiv” bezeichnet wurden. Tübingen Juli/August 2008 26 Einbettungen im Japanischen • Topiks werden im Japanischen overt durch ein wa-Morphem markiert. • Verkomplizierung: der wa-Markierer im Japanischen markiert auch Kontrastivität. • Also muss man sich eingebettete Kontexte anschauen, wo für die wa-markierte Konstituente keine kontrastive Lesart erzwungen ist. Hier kann sie also topikal sein. • Kuroda (2005) nennt diese Kontexte “indirekte Sprechkontexte”. • Laut Kuroda (2005) eröffnen Verben wie glauben und wissen “indirekte Sprechkontexte”. • Verben wie bedauern hingegen eröffnen “non-statement-making contexts”. Tübingen Juli/August 2008 27 Einbettungen im Japanischen Kuroda (2005): Nicht notwendigerweise kontrastive Lesart der wa-markierten Konstituente u wa markiert Topikalität u Eingebettete Topik-Kommentar-Gliederng (30) nicht notwendig kontrastiv: John wa [Mori-san wa Toyota nosyain de-aru to] John TOP Mori-san TOP Toyotaof employee be omotte-iru. that think-be ‘John believes that Mori-san is an employee of Toyota.' (31) notwendig kontrastiv: John wa [Mori-san wa Toyota no hira-syain de-aru koto o John TOP Mori-san TOP Toyota of flat-employee be zannen-ni] omotte-iru. fact Dat pity think-be 'John regrets that Mori-san is an employee of Toyota.' Tübingen Juli/August 2008 28 Einbettungen im Japanischen • Erste Ergebnisse unserer (sehr eingeschränkten) Datenerhebung (Dank an Yurie Hara, Shinichiro Ishihara, und Kimiko Nakanishi für ihre Hilfe): • Topik-Kommentar-Einbettung im Japanischen: – glauben, sagen, ankündigen, berichten, erzählen • Keine Topik-Kommentar-Einbettung im Japanischen: – bedauern, überrascht sein, wollen • Unklare Fälle im Japanischen: – wissen, hoffen Tübingen Juli/August 2008 29 Einbettungen im Deutschen • Betrachte Linksversetzung und Mittelfeldtopiks bzgl. Einbettungen. • Eingebettete Mittelfeldtopiks sind erstaunlicherweise mit jeder Art von Operator möglich (Dank an Maria Sumpf für diese Daten): (32) Ich muss nochmal mit dir reden, weil... a. … Peter offenbar glaubt, dass Hans wahrscheinlich das Rennen gewinnt. b. … Peter glücklicherweise erzählt/gesagt/berichtet hat, dass Hans vermutlich gelogen hat. c. … Peter offenbar angekündigt hat, dass Hans vielleicht nicht zur Party kommt. d. … Peter interessanterweise bedauert, dass Hans offenbar gelogen hat. e. … Peter offenbar überrascht ist, dass Hans vermutlich gelogen hat. f. … Peter komischerweise will, dass Hans vielleicht auch zur Party kommt. Tübingen Juli/August 2008 30 Einbettungen im Deutschen • Eingebettete Linksversetzung ist wieder nur mit den üblichen Verdächtigen möglich (vgl. Frey, 2008 und wieder Dank an Maria Sumpf für die Daten): (33) a. Werner glaubt, seinen Doktovater, dass den jeder zur Hochzeit einladen würde. b. ?Peter hat gesagt/erzählt/berichtet, den neuen Kollegen, dass den keiner mag. c. ?Max hat angekündigt, den Mathelehrer, dass den niemand wählen wird. d. *Christian bedauert, den Hans, dass den keiner gesehen hat. e. *Maria ist überrascht, den neuen Kollegen, dass den keiner mag. f. *Paula will, den Pfarrer, dass den keiner beleidigt. g. ??Tina h. ??Tim weiß, den Radiomoderator, dass den jeder nervig findet. hofft, den Daniel, dass den keiner anspricht. Tübingen Juli/August 2008 31 Einbettungen im Deutschen Erste Ergebnisse dieser (noch sehr unsystematischen) Datenerhebung: • Mittelfeldtopiks verhalten sich anders als erwartet. • Linksversetzung ist ein besserer Test. • Topik-Kommentar-Einbettung im Deutschen: – glauben, sagen, ankündigen, berichten, erzählen • Keine Topik-Kommentar-Einbettung im Deutschen: – bedauern, überrascht sein, wollen • Unklare Fälle im Deutschen: – wissen, hoffen Tübingen Juli/August 2008 32 V2-Komplemente im Deutschen • Im Deutschen haben dass-Komplemente normalerweise Verbletztstellung. (34) Maria glaubt/hat gesagt/hat angekündigt/hat berichtet/hat erzählt/ bedauert/ist überrascht/will, dass Peter nicht zu Max’ Party kommt. • Manche Verben jedoch erlauben eingebettete Sätze mit V2-Stellung (s. Truckenbrodt, 2006 und Referenzen darin). (35) Maria glaubt/hat gesagt/hat angekündigt/hat berichtet/hat erzählt/ *bedauert/*ist überrascht/*will, Peter kommt nicht zu Max’ Party. • Eingebettete V2-Sätze haben gewisse Ähnlichkeit zu echten Assertionen. • Eingebettete Sätze haben sogenannte assertive Proto-Kraft (Gärtner, 2002). • Assertionen können in Topik und Kommentar gegliedert werden. • V2-Komplemente sind also gute Kandidaten für eingebettete TopikKommentar-Strukturen. Tübingen Juli/August 2008 33 V2-Komplemente im Deutschen • Eingebettete Linksdislokation auch mit V2-Sätzen möglich. (36) a. Werner glaubt, seinen Doktovater, den würde jeder zur Hochzeit einladen. b. Peter hat gesagt/erzählt/berichtet, den neuen Kollegen, den mag keiner. c. Max hat angekündigt, den Mathelehrer, den wird niemand wählen. d. ?Tina weiß, den Radiomoderator, den findet jeder nervig. e. ?Tim hofft, den Daniel, den spricht keiner an. • Die Lesart von (d) wird in der Literatur als “Doppelpunktlesart” bezeichnet. Es handelt sich demanch nicht um echte Einbettung. Tübingen Juli/August 2008 34 Einbettungen • Wir haben also verschiedene Indikatoren für eingebettete Topik-Kommentarstrukturen/ (Proto-)Assertionen: wa LV V2 glauben + + + sagen + + + – topikales wa im Japanischen ankündigen + + + – Linksversetzung im Deutschen berichten + + + – eingebettete V2- Komplemente erzählen + + + bedauern - - - überrascht sein - - - wollen - - - hoffen ? ? ? wissen ? ? ? im Deutschen Verb Tübingen Juli/August 2008 35 Bimanuale Koordination und Topik-Kommentar-Struktur Grundlegende Ähnlichkeiten (nach Krifka 2007b) • Grundlegende Verwandtschaft von Topik/Kommentar und nichtdominante/dominante Hand: – Die nicht-dominante Hand ergreift und fixiert einen Gegenstand, bildet den Rahmen; die dominante Hand operiert in diesem Rahmen und verändert den Gegenstand. – Der Topikausdruck identifiziert einen Begriff; der Kommentarausdruck modifiziert diesen Begriff, indem er Informationen hinzufügt. • Ähnlichkeiten in der zeitlichen Entwicklung – Die nicht-dominante Hand agiert zuerst, indem sie das Objekt greift; die dominante Hand agiert erst später, indem sie das gegriffene Objekt verändert. – Das Topik wird in der Regel zuerst genannt; der Kommentar folgt dem Topik. Tübingen Juli/August 2008 36 Bimanuale Koordination und Topik-Kommentar-Struktur • Ähnlichkeiten in der Grob- und Feinkörnigkeit – Die nicht-dominante Hand bewegt sich in einer gröberen raumzeitlichen Auflösung, die dominante Hand führt mehr und feiner gesteuerte Bewegungen aus. – Das Topik wird typischerweise deakzentuiert realisiert und ist einfach aufgebaut, der Kommentar ist akzentuiert und typischerweise komplexer. Tübingen Juli/August 2008 37 Thank you Thank You! Tübingen Juli/August 2008 38 Literatur Brentano, F. (1874). Psychologie vom empirischen Standpunkt . Endriss, C. (erscheint). Quantificational Topics – A Scopal Treatment of Exceptional Wide Scope Phenomena. Studies in Linguistics and Philosophy, Springer. Firbas, J. (1966). Non-Thematic Subjects in Contemporary English. Travaux Linguistique de Prague 2, 239–256. Frey, W. (2004a). A Medial Topic Position for German. Linguistische Berichte, 153–190. Frey, W. (2004b). 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