Eine unheimlich gute Serie
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Eine unheimlich gute Serie
Sport. | Samstag, 11. Mai 2013 | Seite 41 «Ich habe brutal Angst vor Kobras» 6HDUHDKVDHRR/QNjANWDQ QMNKC&IDQFI@IŘADQCHD2BGK@MFDCHDHGLRDHMDMăADQM@LDMFHAS Von Andreas W. Schmid Basel. BaZ: Arnold «The Cobra» Gjergjaj, was wäre, wenn Sie alleine im Ring mit einer Kobra stehen würden? Arnold Gjergjaj: Was dann wäre? Ich würde sofort abhauen. Es gäbe keinen Kampf? Nein, nach einer Sekunde wäre ich schon draussen. Der Ringrichter müsste den Kampf abbrechen. Das Publikum hätte also nicht viel von so einem Kampf. Ich habe brutal Angst vor Kobras, überhaupt vor Schlangen. Als ich mit der Lehre als Heizungsmonteur anfing, mussten wir uns vorstellen. Ich sagte: «Ich heisse Arnold Gjergjaj und habe Angst vor Schlangen.» Kürzlich traf ich einen Kollegen von damals, der sich noch daran erinnerte. «Ausgerechnet du», sagte er, «ausgerechnet du heisst nun ‹The Cobra›.» Es sind aber nicht nur Schlangen. Alles, was kriecht, ist mir unheimlich. Auch Ratten finde ich ganz schlimm. Sind Sie schon mal einer Schlange begegnet? In der Schweiz nur im Zolli, früher in Kosovo in freier Natur. Da hatte es viele giftige Schlangen. Gebissen hat mich aber noch nie eine. Zum Glück. Wie viel wiegt eine Kobra? 5 Kilogramm? Kommt auf die Kobra-Art an. Königskobras werden bis zu 20 Kilogramm schwer. Wie schwer sind Sie? 112 Kilogramm ist mein ideales Kampfgewicht. Wie gross kann eine Kobra werden? Zweieinhalb Meter? Es gibt Exemplare, die über dreieinhalb Meter lang werden können. Königskobras werden sogar bis zu 5 Metern lang. Da bin ich mit meinen 1,97 Metern ja ein Zwerg dagegen. Ein Grund mehr, um so schnell wie möglich aus dem Ring abzuhauen! g MFDKN&@KKHM@LTRR MHBGSADEŘQBGSDMC@RR HBGHGMUDQRBGKHMFD$Q ADG@MCDKSLHBGE@HQu Was isst eine Kobra? Ich glaube, die isst alles, was ihr gerade in den Weg kommt. Und ganz bestimmt besonders gerne Fleisch. Kleine bis mittelgrosse Säugetiere, Vögel, Schlangen, Eidechsen, Amphibien. Und Sie? Sicher keine Eidechsen. Am liebsten habe ich Pasta mit viel Tomatensauce. Oder mageres Fleisch. Und ich liebe weisse Bohnen, die habe ich früher als Kind in Kosovo immer gegessen. Ganz schlimm finde ich rohes Fleisch. ich fühlte mich sehr fremd. Mir fehlten meine Freunde. Ich habe damals wohl jeden dritten Tag geweint. Heute habe ich mich gut eingelebt hier, ich fühle mich wohl. Ich glaube, heute würde ich in Kosovo jeden dritten Tag weinen, wenn ich dort leben müsste. Ich gehe pro Jahr zwar einbis zweimal zurück, doch leben möchte ich in der Schweiz. Wie viel haben Sie vom Krieg mitbekommen? Es war eine schlimme Zeit. Krieg verändert das Leben auf einen Schlag. Ich lebte in einem kleinen Dorf, in dem alle bestens miteinander auskamen. Unsere Nachbarn waren Serben und unsere besten Freunde. Als der Krieg ausbrach, war nichts mehr wie vorher. Unsere Nachbarn brachen den Kontakt ab. Ich konnte es nicht verstehen. Es war irgendwie unwirklich. Krieg hatte doch immer irgendwo anders stattgefunden. Weit weg von uns auf anderen Kontinenten. Und nun war er plötzlich bei uns und wir mittendrin. Heute kommt es mir vor, als hätte ich zwei Leben gelebt – eins vor und eins nach dem Krieg. Ja, von einem Huhn. Angelo Gallina bedeutet zu Deutsch ja Huhn, sein .DPSIQDPHKLHVVí6SHHG\&KLFNHQûbò zu Deutsch: schnelles Huhn. Ach so. Nein, Gallina muss nicht befürchten, dass ich ihn verschlinge. Damit würde ich mir selber schaden. Er behandelt mich fair und versucht mit dem Stil zu arbeiten, den ich von Natur aus mitbringe. Im Übrigen wissen Kampfhühner, wie sie sich am besten verteidigen können: Zum Beispiel, indem sie das Auge ihres Gegners ausstechen. Wird es am Samstag nach dem Kampf gegen Nelson Dario Dominguez heissen: Die «Cobra» hat wieder zugebissen? Das werden wir sehen. Ich weiss, dass Dominguez keiner ist, der lange abwartet. Er ist schnell und hat einen guten Punch. Ich muss deshalb machen, was ihm nicht passt. Folgt die Kobra ihrem Dompteur, gibts zur Belohnung einen Happen. Was bekommen Sie von Ihrem Promoter? Ich kann Ihnen jetzt nicht mal sagen, wie viel es ist. Geld hat für mich keine Priorität. Natürlich hätte ich nichts gegen einen guten Zahltag. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich in den Ring steige. Ich habe beim Boxen noch nie daran gedacht. Ich boxe, weil ich diesen Sport liebe und besser sein will als meine Gegner. Und weil ich Weltmeister werden will. Das geht auch deshalb, weil ich von meiner Familie unterstützt werde und mit wenig Geld auskommen kann. Welche Happen können Sie schlucken, welche wären noch eine Spur zu gross? Wladimir Klitschko wäre derzeit wohl unverdaulich. Er hat mehr Erfahrung, ist körperlich und mental unglaublich stark. Und nicht zuletzt hat er perfekte Trainingsbedingungen. Vor seinem Kampf gegen Pianeta wurden ihm jede Woche neun Sparringpartner vor die Fäuste gestellt. Das ist natürlich traumhaft. Möchte ich Sparring machen, steht mir gerade mal Nuri Seferi zur Verfügung. Weitere Trainingspartner müssen wir einfliegen lassen. Welches ist Ihr Lieblingstier? Sie werden lachen: Es sind Hühner. Wir hatten früher in unserem Garten in Kosovo diese kleinen farbigen Hühner, die wild herumrannten. Ich fand die witzig. Hätte ich heute einen Garten, würde ich mir sofort ein paar von diesen kleinen Tieren besorgen. Wie wurden Sie zur «Cobra»? Ein Kollege fragte mich, ob ich mal im Kickbox-Training vorbeischauen will. Ich ging hin, bekam am nächsten Tag fürchterlichen Muskelkater. Trotzdem machte ich weiter. Mein Vater war jedoch dagegen. «Geh lieber zum Basketball mit deiner Grösse!», sagte er. In den Ferien ging ich dann jobben und verdiente 1000 Franken. Damit zahlte ich die Mitgliedschaft im Thaibox-Gym und die Ausrüstung. Ich hielt meinem Vater den Vertrag hin und forderte ihn auf, zu unterschreiben. Seitdem hat er nie mehr etwas gegen den Kampfsport gesagt. Später wechselte ich zum Boxen, wo ich Angelo Gallina begegnete. Wir verstanden uns sofort, nach dem Schweizer Meistertitel wurde ich schliesslich vor viereinhalb Jahren Profi. Angelo fand, dass ich einen Kampfnamen benötige. Da kam er auf «The Cobra», weil ich im Ring so unvermittelt zuschlug, wie eine Kobra zubiss. Zuerst wollte er mich «Baby-Cobra» nennen, doch das fand ich gar nicht gut. «The Cobra» gefällt mir. Ist es nicht ein wenig heikel, dass Sie als Kobra von einem Huhn betreut werden? Von einem Huhn? Mit reiner Weste Basel. Seit viereinhalb Jahren ist Wer ist der gefährlichste Feind der $UQROG*MHUJMDM3URĺER[HU6HLWYLHUHLQhalb Jahren ist Gjergjaj auch unbeKobra? Das weiss ich, das habe ich in einem VLHJW(UJHZDQQDOOH.ÁPSIH Dokumentarfilm gesehen. Das sind PDOYRU]HLWLJ.HLQ:XQGHU Adler sowie Mungos. Die sind sehr HUVFKHLQWHUDOOPÁKOLFKDXIGHP5DGDU schnell – zu schnell für die Kobra. GHUEHVWHQ%R[VWÁOOH8QOÁQJVWEHVWULWW HUPLWGHQEHLGHQ:0'XHOODQWHQ:ODWer ist Ihr gefährlichster Feind? GLPLU.OLWVFKNRXQG)UDQFHVFR3LDQHWD Wladimir Klitschko. Kobras kommen in Asien und Afrika vor. 6SDUULQJ$P6DPVWDJER[W*MHUJMDM Sie sind in Kosovo geboren. Wann QXQDP%R[HRLP*UDQG&DVLQR NDPHQ6LHLQGLH6FKZHL]XQGZLHJHðHO Basel gegen den Argentinier Nelson 'DULR'RPLQJXH]GHUYRQ.ÁPSIHQ es Ihnen in Ihrem neuen Territorium? Ich kam mit 14 in die Schweiz, und JHZRQQHQKDWaws «Ich würde aus dem Ring abhauen.»$UQROG*MHUJMDMLVWPLW 0HWHUQHLQ+ÙQHGRFK QHEHQHLQHU.REUDIÙKOWHUVLFKVRNOHLQ ZLHHLQ=ZHUJ )RWRPRQWDJH%D=)RWRV'RPLQLN3OÙVVXQG.H\VWRQH Nämlich? Es ist klar, dass ich das hier nicht verraten darf. Aber ich hoffe, dass man es im Kampf sehen wird. Eine Kobra hat keine Ziele. Sie hingegen schon. Da muss ich Ihnen widersprechen. Auch eine Kobra hat ein Ziel: Einmal pro Monat muss sie etwas Schönes zwischen die Zähne kriegen. Mein Ziel ist es, ganz nach oben zu kommen. Ich möchte dies jedoch nicht durch Reden erreichen, sondern durch harte Arbeit. Haben Sie manchmal Zweifel, ob es gelingt? Ich glaube, die hat jeder Boxer. Denken Sie nur daran, wie sehr Wladimir Klitschko nach seinen drei K.o.-Niederlagen an sich gezweifelt hat. Heute ist er der unbestrittene Weltmeister. Eine Kobra hat sicher kein Vorbild. Sie KLQJHJHQVFKRQòZHOFKHV" Lennox Lewis. Ich habe den Briten genau studiert. Er beobachtete zuerst den Gegner und suchte Schwächen und Lücken. Wenn er sie dann gefunden hatte, war für den Gegner zumeist Feierabend. Lewis hatte schnelle Fäuste und einen harten Schlag. Eine unheimlich gute Serie ,@W'DHMYDQJ@MMADHL&/!DQMCDMCQHSSDM2HDFHM%NKFDGNKDMlC@RG@SUNQHGLMNBGJDHMDQFDRBG@EES Von Dominic Willimann Bern. So gut ist Max Heinzer noch nie in eine Saison gestartet. Bei fünf von sechs bisherigen Weltcup-Starts tauchte sein Name in den Top 8 auf, in Legnano und Tallinn stand das Aushängeschild der Fechtgesellschaft Basel sogar zuoberst auf dem Treppchen. «Manchmal», erzählt der fünffache Weltcupsieger, «kommt mir diese Serie unheimlich vor.» Und dennoch sagt Heinzer kurz vor dem Grand-Prix Bern, dem Heimweltcup vom Sonntag, «dass ich mich nicht in derselben Topform befinde wie in den letzten beiden Jahren». Damals, im Frühjahr 2011 und 2012, Die Nummer 1 der Welt.0D[+HLQ]HU sicherte sich der Innerschweizer in der 'HJHQVSH]LDOLVWGHU)HFKWJHVHOOVFKDIW Hauptstadt in bestechender Manier den %DVHO)RWR.H\VWRQH Titel. Gelingt ihm morgen bei der 49. Austragung der nächste Coup, hätte der 25-Jährige als erster Fechter in der Geschichte des GP Bern den Event dreimal in Folge gewonnen. Ein prominenter Eintrag in der Historie des Schweizer Fechtsports wäre ihm damit gewiss. «Ich setze mich deswegen aber nicht unter Druck», sagt der Rechtshänder. Die Ferse als Problemzone Die momentane Zurückhaltung der Weltnummer 1 hat ihren Grund. Im April machte sich in seiner linken Ferse eine Entzündung bemerkbar, die fortan seinen Trainingsrhythmus bestimmte. «Ich musste einen Weg zwischen sinnvoller Be- und Entlastung finden», sagt Heinzer. Deshalb ist es für ihn nach der intensiven ersten Saisonhälfte auch wichtig, der Erholung einen grossen Stellenwert beizumessen – wie etwa in den Tagen vor dem GP Bern. Der Weltcup in Paris am Wochenende, den er auf Platz 5 beendete, hat an Heinzers Kräften gezerrt. «Montag und Dienstag musste ich regenerieren», sagt der Olympiateilnehmer von London. Auch gestern begab sich der Schwyzer nicht auf die Planche. «Ich musste in Paris in jedem Gefecht Vollgas geben», erklärt er seine zahlreichen trainingsfreien Tage in dieser Woche. Diese Situation ist für Heinzer neu. Denn in den letzten Jahren war das Wochenende vor dem Heim-GP jeweils turnierfrei, nun hat sich der Kalender und somit auch die Konstellation geändert. Die Ausgangslage ist für alle Spitzenfechter jedoch dieselbe – mit dem kleinen Vorteil für die Schweizer Delegation, dass ihr eine weite Anreise zum Turnier erspart bleibt. Heinzer wird erst heute Abend nach Bern fahren und sich nach der Auslosung ins Hotel zurückziehen. «So wie in den letzten Jahren», sagt er. Aber spätestens wenn er am Sonntagmorgen die Wankdorfhalle betritt, wird Heinzer «so aufgepusht sein wie immer, wenn ich vor vielen bekannten Gesichtern fechte». Übersteht er die erste Runde, ist auch dank seines grossen Selbstvertrauens vieles möglich. Und reicht es trotz Top-Besetzung erneut ganz nach oben, wäre dies, um es in Heinzers Worten auszudrücken: «Eine nächste unheimliche Serie.»