in Stammheim - Söhne Stammheims

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in Stammheim - Söhne Stammheims
JUGENDSEITE
Freitag, 20. Februar 2009
Gelöster Knastrock im Sitzen
Die Jugendredaktion begleitet die Böbinger Band Die Söhne Stammheims zu „Rock im Knast“
JUGEND
REdAKTION
GRUSSECKE
Guten Morgen, liebe Hanna aus Neresheim. Alles Gute zum Geburtstag
wünschen dir
Jana u Luca
Hallo, liebste Schnulli-Oma und
liebster Schnulli-Opa. Alles Gute
zum 44. Hochzeitstag! Viel Spaß im
Theater wünschen euch
Susi, Yase und Ersa
Wir wünschen unserer Anja u. ihrem
Oliver heute eine schöne Hochzeit u.
dass die Kleine bald gesund das
Licht der Welt erblickt.
Alex, Marcus u. Sina
Guten Morgen, m. gel. Tiger, sind die
Nächte noch so kalt, wenn ich an
dich denke, wird mir warm,
d. d. l. Schnecker
Ja, ich hab himmlisch geschlafen
und nur von dir geträumt! Teufele
Der Arbeitstag ist lang, die Abende
anstrengend, die Nächte kurz. Trotzdem bist du als Papa unschlagbar.
Ich hab dich ganz doll lieb.
Deine Sina Marie
Hallo, mein Schatz, alles Liebe und
Gute zu deinem Geburtstag wünscht
dir
deine Kleine
Hab dich lieb.
Hallo Kai! Alles Liebe und Gute zum
18. Geburtstag wünschen dir M J S A
Guten Morgen, Katja, wir wünschen
dir alles Gute zu deinem Geburtstag!
Liebe Grüße,
deine Wörles
SMS-Grußadresse
für die Jugendseite:
Schreibe SPGT, dann ein Leerzeichen, deinen Text und sende ihn an
8 24 44.
Für Spät-Schreiber:
Wir können morgen nur Grüße veröffentlichen, die heute bis spätestens 17 Uhr bei uns sind.
Die Böbinger Band Die Söhne
Stammheims rockt im Knast – und
zwar in Stuttgart-Stammheim.
Mit dabei: die Jugendredaktion
dieser Zeitung. Was die Jugendredakteurinnen erleben? Ein spannendes und anderes Konzert mit
130 inhaftierten Männern, drei
Polizisten, zwei Organisatoren
und vier Musikern.
JULIA WAGENHALS UND MARIE ENSSLE
Freitag, 11 Uhr: Wir – die Jugendredakteurinnen Julia Wagenhals, Larissa
Hübener, Jessica Wädt und Redakteurin Marie Enßle – treffen uns im Zug
nach Stuttgart. Wie das Konzert mit den
Söhnen Stammheims wird? Ob uns die
Inhaftierten angaffen? Wir haben dezente Kleidung ausgewählt, ohne Minirock. Treffen wir Massenmörder? Und
Vergewaltiger? Oder nur Hütchenspieler? Wir sind gespannt.
12.30 Uhr, Stuttgart-Stammheim:
Mitten im beschaulichen Wohngebiet
steigen wir aus. Wir latschen durch Reihenhaussiedlungen, vorbei am Bolzplatz und stehen direkt vor der hohen
Gefängnismauer.
13 Uhr: vor dem unauffälligen Eingang. Sieht aus wie der Empfang einer
Versicherungsgesellschaft. Dass dem
nicht so ist, merken wir, als ein Polizist
mit zwei „Neuzugängen“ vor uns steht.
eine Ecke. Aber keise sind wir jetzt schon blau“, sagt Sänner tut uns was.
ger Michel. Und fordert – nicht ganz
13.20 Uhr: Die
ernsthaft – Bier für alle! Im Raum ist es
Söhne Stammheims
dunkel, die Rollos sind unten, alle sitzen
legen los. Die 130
und reden, die Stimmung ist gut, aber
Inhaftierten setzen
so ganz anders als bei einem Festival
sich in die Stuhlreidraußen. Die Musik spielt nur eine Nehen,
manche
benrolle, aber eine wichtige, denn es
rocken mit, die
geht durch die Mucke gelöst zu. Auch
meisten unterhalwir sind locker. Es ist toll!
ten sich. Hin und
14.30 Uhr: Die Söhne Stammheims
wieder tauschen sie
sagen „Tschüß“, alle stehen auf und
die Plätze, um mit
verlassen geordnet den Saal. Einer beanderen zu quatdankt sich bei uns: „Toll, dass ihr heute
schen. Die Band
da wart, ihr habt mir meinen Tag verschönert.“
Leben hinterm Stacheldraht – rund um die Uhr im Knast. spielt Heavy Metal
von Metallica, Maw Infos zu „Rock im Knast“ gibt’s unter
Wir müssen unsere Ausweise abgeben
nowar, Iron Maiden, J.B.O. und ein verwww.rock-im-knast.com, Infos zur
und die Taschen einschließen. Polizist
rocktes Heino-Medley. „NormalerweiBand: www.soehnestammheims.de
Thomas Listner ist für die Betreuung
der Gefangenen zuständig und führt
uns durch die Gänge. Wir gehen über
den Hof, die Häftlinge rufen uns von ihren Zellen aus „Hallo“ und „Schaut
doch mal“ zu. Wir sehen aber niemand.
In den Gängen hören wir die großen
Schlüsselbunde rasseln, alle drei Meter
muss Listner eine Tür aufschließen.
13.15 Uhr: Wir stehen im Konzertsaal,
es sieht aus wie im Gemeindehaus. Die
Söhne Stammheims machen sich
warm. Türen gehen auf, die Inhaftierten
Stammheims gehen – ohne Handschellen, aber im Jogginganzug – ganz nah an
uns vorbei, schauen uns an. Uns ist es
sehr mulmig. Wir verdrücken uns in
Die Söhne Stammheims rocken, 130 Häftlinge hören zu – wir auch.
Als 17-Jähriger in den Knast
Ganz nah an den
RAF-Leuten dran
Interview mit einem Häftling der Justizvollzugsanstalt Stammheim
Buchtipp: „Stammheim“
Die Jugendredaktion sprach bei
„Rock im Knast“ mit einem Inhaftierten. Der Mann ist 50 Jahre alt und sitzt zum vierten Mal
in Stammheim ein. Das erste
Mal saß er mit 17.
Wie hat Ihnen das Konzert gefallen?
Die Söhne Stammheims sind gut. Bis
vor zwei Jahren wurden keine solchen
Konzerte im Knast veranstaltet, deshalb
ist es für uns immer eine willkommene
Abwechslung. Als Mitglied der Knastband freue ich mich besonders.
fen die meisten am Wochenende.
Die Finanzkrise ist draußen ein großes
Thema. Für Sie auch?
Ja, auch wir im Knast bekommen das zu
spüren. Beim Einkauf in der Knastapotheke ist mir schon aufgefallen, dass die
Auswahl geringer und viele Produkte
teuer werden. Auch der Kaffee ist teuerer als draußen. Da die meisten einen
Wie sieht Ihr Tagesablauf hier aus?
Um sechs Uhr gibt es Frühstück, was
man nicht so nennen kann. Jede Mahlzeit wird auf die Zelle gebracht. Ich arbeite in Gefängnis-Betrieben, in einer
Schreinerei oder in einer Schlosserei.
Der Arbeitstag beginnt um 6.50 Uhr.
Wer in Untersuchungshaft sitzt, geht
nicht zum Arbeiten. Das heißt: 23 Stunden auf der Zelle. U-Häftlinge dürfen
nur zweimal die Woche duschen. Wer
arbeiten geht, jeden Tag. Einen Fernseher kann man sich auch auf die Zelle
stellen, dieser kostet 15 Euro im Monat.
Es gibt Einzelzellen und Viererzellen.
Wenn man mit drei Anderen zusammen ist, gibt es schon auch mal Schwierigkeiten.
ich Schwulenhochzeiten miterlebt. Für
mich spielt Liebe im Knast keine Rolle.
Haben Sie noch Kontakt zu Freunden?
Die meisten habe ich verloren. Bei den
Freunden, die man noch hat, kann man
sich aber sicher sein, dass es wahre
Freunde sind. Ich habe hier auch Leute
getroffen, die ich noch von draußen
kenne. Wir Häftlinge entwickeln auch
untereinander Freundschaften. Besuch
erhält man nur, wenn man nicht in
U-Haft sitzt. Wenn man wegen Drogen
hier ist, darf man keinen Besuch empfangen.
Stammheim ist bekannt durch die RAFHäftlinge. Ist davon heute noch etwas zu
spüren?
Die Jugendredakteurinnen Jessy, Julia
und Larissa (von links) mit Rock-imKnast-Organisator Klaus Boshart.
Fernseher haben und wir uns Zeitschriften kaufen, wissen wir, was draußen abgeht. Das Nichtrauchergesetz
betrifft uns ja genauso. Früher durften
wir auf den Gängen rauchen, mittlerweile nur auf der Zelle oder draußen auf
dem Hof.
Was machen Sie am Wochenende?
Wie sieht es mit Liebe im Knast aus?
Gar nichts. Ich sage immer, der Mensch
ist ein Gewohnheitstier, deshalb schla-
Hier sind 850 männliche Inhaftierte. Als
ich in Heimsheim gesessen bin, habe
Da ich mit 17 Jahren das erste Mal hier
war, kann ich mit der RAF (Rote-ArmeeFraktion) noch etwas anfangen. Viele,
die hier sitzen, wissen nicht einmal, was
die RAF ist, deshalb spielt das Thema
keine Rolle. Die Zellen, in denen Andreas Baader und Gudrun Ensslin saßen,
gibt es noch, aber sie sind umgebaut.
Haben Sie vor etwas Angst? Wünsche?
Angst habe ich vor meiner Zukunft,
aber ich muss abwarten, was in drei
Jahren ist. Und Wünsche? Mein größter
Wunsch ist momentan, von Stammheim weg zu kommen und in das Gefängnis nach Heimsheim zu wechseln.
Dort gibt es mehr Möglichkeiten, wie
man sich beschäftigen kann. Zum Beispiel selber kochen oder backen. hubi
Autor Kurt Oesterle hat die Gefangenen der RAF als Zeitzeuge
erlebt: Mit Horst Bubeck, damals
als Vollzugsbeamter tätig, sprach
er und schrieb anschließend das
Buch „Stammheim“.
MAX LÄNGE
Es ist der 28. April 1974, der Beginn einer neuen Stammheimer Zeitrechnung. Horst Bubeck
wartet auf den
Hubschrauber, der
die RAF-Terroristinnen Ulrike Meinhof und Gudrun
Ensslin in die JVA
Stuttgart-Stammheim bringen soll.
Das
komplette
siebte Stockwerk
wurde für sie freigeräumt. Ein halbes
Jahr später kommen Jan-Carl Raspe
und Andreas Baader hinzu. Im Gespräch mit Autor Oesterle erzählt Horst
Bubeck von geduldeter Gewalt, palasthaften Zellenbedingungen und endlosen Hungerstreiks. Er zeigt auf, dass aus
seiner Sicht die Vollzugsbeamten in
dieser JVA selbst gefangen waren.
„Stammheim“ ist eine packende Erzählung für alle, die mehr über einen Gefängnisalltag und den Kampf der RAF
mit der Justiz erfahren wollen.
w Das Buch aus dem Heyne-Verlag gibt
es im Handel für 14,90 Euro.
Quer durch die
Welt der Gefühle
Auf Deutsch und
gut gelungen
Farin Urlaub
auf Solopfaden
Pausenlos Musik hören
Der Juli-Klassiker: „Es ist Juli“
Finkenhauer: „Unter Grund“
„Die Wahrheit übers Lügen“
Wir über euch (Teil 67): Philip Willi Müller aus Bettringen
Deutscher Pop
mit einem Schuss
Rock – so präsentiert Juli ihr Album „Es ist Juli“ –
schon fast ein
Klassiker.
Dass
deutschsprachige Musik
nicht in Belanglosigkeit abdriften
muss, zeigt die
Scheibe „Unter
Grund“.
Gewohnt gute
Liedtexte und experimentelle Melodien
finden
sich auf dem dritten Album des
FURT.
Philip Willi Müller ist 18 Jahre alt.
Der Auszubildende wohnt in
Bettringen und erzählt heute in
„Wir über euch“ von seinen
liebsten Hobbys.
In seinen Liedern verarbeitet das Quintett Juli alle Seiten der Gefühlswelt. Große Liebe verbunden mit Wehmut und
dem Gefühl, verlassen worden zu sein.
Emotional, manchmal aber auch laut.
Sängerin Eva Briegel leitet durch die
Songs mit einer glasklaren, oft auch rotzigen Stimme. Die Band bezeichnet sich
selbst als sommerliche und trotzdem
melancholische Gitarrenband und ihr
Album beweist, dass deutsche Popmusik
sehr gut mit englischen Songs mithalten
kann.
yule
➔ (8 / 10 Punkte)
➔ Wir sind Helden, Silbermond
Künstler wie Ingo Pohlmann und Clueso haben bereits bewiesen, dass auch
deutsche Songschreiber ihr Fach beherrschen und mit englischsprachigen Liedern durchaus mithalten können. Pascal
Finkenhauer spielt ebenfalls in der Liga
der Songwriter mit Zukunft: angenehme
Arrangements, intelligente Texte und die
einprägsamen Vocals Finkenhauers –
das sind die Zutaten für seine durchaus
gelungene Scheibe „Unter Grund“. Von
ihm werden wir bestimmt noch einiges
hören!
els
➔ (7,5 / 10 Punkte)
➔ Pohlmann, Max Mutzke
Mit „Die Wahrheit übers Lügen“ erscheint das dritte Album des Farin Urlaub Racing Teams (FURT). Ärztegitarrist Farin wird tatkräftig von seinen Bläsern und dem Chor unterstützt. In den
15 meist rockigen Liedern geht es um
Trennungsschmerzen, Krieg und Liebe.
Natürlich bleibt bei Farin Urlaub der Humor nicht aus und so gibt es zum Album
eine Mini-CD, auf der sich das Racing
Team experimentell zeigt und Abstecher
in Ska und Reggae macht. Gute Texte
und fetzige Melodien.
ach
➔ (8,5 / 10 Punkte)
➔ Die Ärzte
R Wenn ich einen Promi treffen
könnte, wäre das Amy Winehouse.
R Meine (bisher) beste Ausrede für
Notfälle: muss auf den Geburtstag von
meinem Cousin.
R Wenn ich nachts nicht schlafen
kann, dann schau ich aus dem Fenster,
schau den Himmel an und schnappe
frische Luft.
R Wenn mir 50 Euro geschenkt würden, dann würde ich das Geld sinnlos
ausgeben.
R Glück heißt für mich Freunde, Familie und Musik.
R Meine absolute Lieblings-CD ist:
gibt’s nicht.
R Diesen Film könnte ich 1000 mal
anschauen: Herr der Ringe.
R Liebe ist für mich: vollkommen.
R Das könnte ich den ganzen Tag machen: Essen und Musik hören und mit
Freunden abhängen.
R Das gefällt mir
an der Jugendseite:
interessante
Themen
super
aufgepimpt.
Drei Leute, die
ich grüßen möchte: Manuel Wamsler, Stefan Fuchs
und Fabio Pacella.
R Meine
Message: „Bettringen
for life.“
Das Interview führte Manuel Wamsler.