TC Endfassung 25102012 PDF
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KOOPERATIVES LERNEN UND ARBEITEN ALS AUSGANGSPUNKT FÜR KOMPETENZORIENTIERTEN UNTERRICHT IM FACH DEUTSCH AUF EINER 5E Ich versichere hiermit, dass ich die Arbeit „Kooperatives Lernen und Arbeiten als Ausgangspunkt für kompetenzorientierten Unterricht im Fach Deutsch auf einer 5e“ selbstständig angefertigt und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Lieler, den 25 Oktober 2012 Cindy Schanck 2 Cindy Schanck Candidate au Lycée du Nord KOOPERATIVES LERNEN UND ARBEITEN ALS AUSGANGSPUNKT FÜR KOMPETENZORIENTIERTEN UNTERRICHT IM FACH DEUTSCH AUF EINER 5E Wiltz 2012 3 INHALT Die vorliegende Arbeit trägt den veränderten Anforderungen an die Schulen sowie den damit verbundenen Reformen im luxemburgischen Schulsystem, deren Herzstück der kompetenzorientierte Unterricht ist, Rechnung und erprobt im Deutschunterricht einer 5e ein Lernarrangement, das ein konkreteres, aktiveres und nachhaltigeres Lernen verspricht. In diesem Sinne setzt sich die Arbeit in einem ersten Schritt mit der Theorie zur konstruktivistischen Didaktik, vor allem der systemisch-konstruktivistischen Pädagogik wie sie von Kersten Reich vertreten wird, und damit verbundenen konstruktiven Methoden auseinander. Die Vertreter eines interaktionistischen Konstruktivismus gehen davon aus, dass der Aufbau von Wissen und der Erwerb von Kompetenzen sowohl ein aktiver als auch ein konstruktiver Prozess in einem sozialen System ist. In diesem Sinne untersucht die Arbeit in ihrem praktischen Teil, inwiefern große, handlungsorientierte Methoden wie das „Kooperative Lernen und Arbeiten“ sowie das „Situierte Lernen“ einen kompetenzorientierten Unterricht im Fach Deutsch unterstützen und fördern können, in dem die Schüler eigenständig das notwendige Wissen aufbauen und anwenden, sowie das eigenverantwortliche Lernen gefördert wird, wie es insbesondere auch die höheren Klassenstufen (4e bis 1ère) verlangen. Der praktische Teil der Arbeit gliedert sich in vier Phase, die in ihren Anforderungen an die Schüler steigernd angelegt sind. Zunächst erfolgt einer Einführung in das Konzept des Kooperativen Lernens sowie in die hierfür notwendigen Sozialkompetenzen. Die ersten drei Phasen dienen der Festigung der sozialen Kompetenzen der Schüler sowie der Vorgehensweise beim Kooperativen Lernen und bereiten somit die abschließende vierte Phase vor, die mit dem „Jigsaw“ die Königsmethode des Kooperativen Lernens und Arbeitens erprobt. Das Projekt wird anhand der Schülerarbeiten sowie der im Anschluss an jede Phase erfolgten Reflexionen ausgewertet. Die Schüler zeigten sich offen für das Kooperative Lernen und Arbeiten und waren begeistert, doch konnte kein großer Leistungszuwachs beziehungsweise keine überragende Kompetenzerweiterung verzeichnet werden. Es wurde deutlich, dass die Schüler zwar theoretisch um die Bedeutung eines aktiven und eigenverantwortlichen Lernens und Arbeitens wussten, dies allerdings in ihrem praktischen Handeln im Schulalltag überwiegend kaum umsetzen konnten. Gute und fleißige Schüler erzielten auch mit Hilfe des Kooperativen Lernens und Arbeitens gute Resultate, während vor allem lernfaule Schüler immer noch nicht mehr arbeiteten. Es wurde deutlich, dass das individuelle Arbeiten und Lernen zu Hause nicht zu unterschätzen ist und die Methoden die Lehrkraft in eine große Abhängigkeit zu den Schülern bringen. Kurzfristig sind sicherlich keine „Wunder“ vom Kooperativen Lernen und Arbeiten zu erwarten und es bedarf einer langfristigen interdisziplinären Umsetzung des Unterrichtskonzepts, um die Arbeitshaltung der Schüler langfristig beeinflussen zu können. Des Weiteren begünstigen die Rahmenbedingungen wie die Länge der Unterrichtsstunden, die Klassenräume und die Fülle der Klassencurricula keineswegs ein Kooperatives Lernen und Arbeiten. Demnach fällt das Fazit der Arbeit trotz des großen Zeit- und Arbeitsaufwandes für die Lehrkraft und die Schüler ernüchternd aus. 4 INHALTSVERZEICHNIS I) Einleitung und Ziele ............................................................................................ 7 II) Herausforderungen an die luxemburgische Schule des 21. Jahrhunderts....... 9 II. 1) Gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Veränderungen................... 9 II. 2) Probleme traditioneller Unterrichtsansätze .................................................. 12 III) Die Konstruktivistische Didaktik – Eine theoretische Betrachtung ............. 15 III. 1) Der Konstruktivismus: Ausgangspunkte und Grundannahmen................... 15 III. 2) Wichtige Vorläufer einer konstruktivistischen Pädagogik und Didaktik ..... 17 III. 3) Derzeitig vorhandene konstruktivistische Ansätze ..................................... 19 IV) Systemisch-konstruktivistische Pädagogik nach Kersten Reich ................... 21 IV. 1) Die Bedeutung der Kommunikation .......................................................... 21 IV. 2) Die drei Dimensionen der Selbst- und Weltsicht........................................ 23 IV. 3) Konstruktivistische Grundannahmen nach Reich ....................................... 26 IV. 4) Die Lehrer- und Lernerrollen..................................................................... 28 V) Konstruktiver Methodenpool nach Kersten Reich ......................................... 31 V. 1 ) Handlungsorientierte Methoden: Kooperatives Lernen und Arbeiten ......... 32 V. 1. 1) Warum kooperatives Lernen und Arbeiten? ......................................... 32 V. 1. 2) Begriffsbestimmung ............................................................................. 33 V. 1. 3) Die fünf Basis-Elemente des Kooperativen Lernens ............................. 35 V. 1. 4) Das Grundprinzip des Kooperativen Lernens und seine Vorteile ......... 41 V. 1. 5) Das Placemat-Verfahren ..................................................................... 46 V. 2) Handlungsorientierte Methoden: Situiertes Lernen...................................... 47 V. 2. 1) Begriffserklärung nach Reich .............................................................. 47 V. 2. 2) Theorie des Situierten Lernens nach J. Lave und E. Wenger ................ 49 VI) Kooperatives Lernen im Deutschunterricht einer 5e .................................... 55 VI. 1) Unterrichtsvoraussetzungen....................................................................... 55 VI. 2) Methodische und didaktische Vorüberlegungen......................................... 57 VI. 3) Angestrebte Ziele ...................................................................................... 61 VI. 3. 1) Sozialziele .......................................................................................... 61 VI. 3. 2) Fachliche Ziele .................................................................................. 64 VI. 4) Verlauf der Phasen 1 bis 3 ......................................................................... 68 VI. 5) „Rund um Zeitungen“ (4. Phase) ............................................................... 74 VI. 5. 1) Didaktische Analyse des Unterrichtsgegenstandes ............................. 74 VI. 5. 2) Der Verlauf der Unterrichtsreihe ....................................................... 76 VI. 6) Evaluation der vier Projektphasen ............................................................. 84 VI. 6. 1) Sozialziele .......................................................................................... 84 VI. 6. 2) Fachliche Ziele .................................................................................. 91 VI. 7) Auswertung des Unterrichtsmodells .........................................................104 VII) Schlussfolgerung und Ausblick....................................................................109 5 VIII) Literaturverzeichnis ...................................................................................113 VIII. 1) Internetseiten .........................................................................................113 VIII. 2) Nachschlagewerke .................................................................................113 VIII. 3) Primärliteratur .......................................................................................113 VIII. 4) Sekundärliteratur ......................................................................................113 IX) Anhänge .........................................................................................................115 IX. 1) Anhang 1: Ein tabellarischer Überblick ..........................................................116 IX. 2) Anhang 2: Zusammensetzung der Gruppen ....................................................130 IX. 3) Anhang 3: Frage- und Reflexionsbögen .........................................................132 IX. 4) Anhang 4: Arbeitsblätter und Klassenarbeiten ...............................................147 IX. 5) Anhang 5: Schülerarbeiten .............................................................................241 IX. 6) Anhang 6: Evaluation (tabellarischer Überblick) ..........................................264 IX. 7) Anhang 7: deutsch.punkt 4 ............................................................................272 6 I) Einleitung und Ziele Die luxemburgische Schule steht im 21. Jahrhundert einer komplexen Welt gegenüber, die von bedeutsamen und schnell fortschreitenden Veränderungen der Gesellschaft und der Ökonomie geprägt ist. Diese Veränderungen haben selbstverständlich Auswirkungen auf das Verhalten und die Selbstwahrnehmung der in dieser Gesellschaft lebenden Menschen, insbesondere der Kinder und Jugendlichen. Des Weiteren resultiert aus den gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen, dass veränderte Anforderungen seitens des Arbeitsmarktes, der Hochschulen und Universitäten an die Schulabgänger gestellt werden. Um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden sowie die Qualität der schulischen Ausbildung zu erhöhen und gleichzeitig den neuesten Erkenntnissen in den Erziehungswissenschaften Rechnung zu tragen, versucht die luxemburgische Regierung durch grundlegende Reformen des Schulsystems die Kinder und Jugendlichen möglichst gut auf ihre berufliche und private Zukunft vorzubereiten. Herzstück dieser Reformen ist der kompetenzorientierte Unterricht, der bereits in der Grundschule (école fondamentale), wie auch auf den unteren und mittleren Klassen des „régime classique“ (7e – 4e) sowie des „régime technique“ (7e – 9e) eingeführt wurde. Ziel des kompetenzorientierten Unterrichts ist es, dass die Schüler1 die im Unterricht erworbenen Fertigkeiten selbständig in neuen Situationen und auch bei komplexeren Aufgabentypen anwenden können. Dies sowohl in der Schule als auch im Leben. Hierzu zählt auch der Erwerb von Lern- und Arbeitstechniken. Die Schüler sollen demnach durch ein aktiveres und nachhaltigeres Lernen besser auf ihr zukünftiges Leben außerhalb der Schule vorbereitet werden.2 Den Reformen in den angesprochenen Klassen folgen nun die „réformes des classes supérieures de l’enseignement secondaire et secondaire technique“. Zentrale Ziele dieser Reform bestehen darin, neben der Wissensvermittlung die sozialen Kompetenzen (compétences transversales) der Schüler zu fördern und auszubauen. Besondere Aufmerksamkeit wird darauf gelegt, dass die Schüler einen bewussten, verantwortlichen und kritischen Umgang mit Informationen erlernen. Des Weiteren sollen die Schüler mit Lernmethoden vertraut gemacht werden und sich diese aneignen. Ein 1 Bei der hier verwendeten männlichen Form der Personenbezeichnung ist die weibliche Form stets mitgedacht. 2 Vgl. www.men.lu (Stand : 4. Dezember 2011). 7 weiteres Ziel besteht darin, die Selbständigkeit der Schüler zu fördern, damit sie eigenständig Projekte planen und ausführen können.3 In diesem Sinne wird derzeit die Erarbeitung eines „travail d’envergure“ auf den Klassen „2e générale et technique“ diskutiert. In dieser Arbeit sollen die Schüler auf die seit der 7. Klasse erworbenen Kompetenzen und Methoden zurückgreifen, die ebenfalls unerlässlich für ein erfolgreiches Universitätsstudium sind.4 Die vorliegende Arbeit nimmt die genannten Reformen im luxemburgischen Schulwesen als Anlass, um mit der konstruktivistischen Didaktik ein didaktisches Modell zu erproben und zu evaluieren, das vielversprechende Ansätze zur Umsetzung der verlangten Reformziele, vor allem des kompetenzorientierten Unterrichts, verspricht. In einem ersten Schritt gibt die Arbeit einen kurzen Überblick über den gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel in Luxemburg sowie über die Probleme traditioneller Unterrichtsmethoden und die daraus resultierenden Herausforderungen an die luxemburgische Schule des 21. Jahrhunderts. Lösungen werden sich von der konstruktivistischen Didaktik, insbesondere dem interaktionistischen Ansatz von Kersten Reich, sowie dem situierten Lernen und der damit verbundenen „Community of Practice“ erhofft. Insofern erfolgt eine theoretische Auseinandersetzung mit der hierzu erschienen Forschungsliteratur. Speziell sollen das Unterrichtsmodell des Kooperativen Lernens und damit verbundene Methoden zwecks der Förderung des Kompetenzunterrichtes im Fach Deutsch auf einer 5e erprobt werden. Im praktischen Teil der Arbeit wird dann das im Lycée du Nord im Schuljahr 2011 / 2012 auf Grundlage des Kooperativen Lernens und Arbeitens erarbeitete und durchgeführte Projekt vorgestellt und schließlich auch anhand von drei Fallstudien ausgewertet, um die Tauglichkeit des Unterrichtsmodells für die Förderung der in der Einleitung genannten Ziele im Fach Deutsch im luxemburgischen Schulsystem zu evaluieren. 3 MINISTÈRE DE L’ÉDUCATION NATIONALE ET DE LA FORMATION PROFESSIONNELLE : Document d’orientation pour une réforme des classes supérieures de l’enseignement secondaire et secondaire technique. Mars 2011, S. 22. 4 http://www.men.public.lu/priorites/111205_reforme_secondaire/index.html (Stand: 27. August 2012). 8 II) Herausforderungen an die luxemburgische Schule des 21. Jahrhunderts Wie in der Einleitung der Arbeit angedeutet, steht die luxemburgische Schule im 21. Jahrhundert zahlreichen gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen gegenüber, deren Bewältigung eine enorme Herausforderung darstellt. Gleichzeitig zeigt sich immer deutlicher, dass traditionelle Unterrichtsmodelle gravierende Defizite aufweisen. Im Folgenden werden einige wesentliche Herausforderungen und Probleme näher erläutert. II. 1) Gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Veränderungen Das 21. Jahrhundert zeichnet sich durch einen enormen gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Wandel aus, der natürlich direkte Auswirkungen auf das Schulsystem hat, da ein verändertes Umfeld konsequenterweise auch Auswirkungen auf die darin lebenden Kinder und Jugendlichen mit sich bringt. Aufgrund veränderter Familienstrukturen in unserer Gesellschaft fehlen den Kindern und Jugendlichen oftmals eine familiäre Stabilität und Bindung. Zahlreiche Kinder wachsen infolge von Scheidungen nurmehr mit einem Elternteil auf. Zwar wohnen laut einer im Auftrag der „Conférence Générale de la Jeunesse Luxembourgeoise“ durchgeführten Umfrage des STATEC von 2009 in Luxemburg immerhin noch 60 % der Jugendlichen zwischen 12 und 30 mit beiden Elternteilen zusammen.5 Allerdings haben die Statistiker für das Jahr 2008 eine Scheidungsrate von 46,4% für Luxemburg errechnet.6 Dementsprechend lebten 2001 in 2383 Haushalten von 171953 befragten Haushalten eine erwachsene Person mit einem oder mehreren Kindern zusammen.7 Durch diese Trennungserlebnisse sind die Jugendlichen oft verunsichert und zeigen sich unfähig, Beziehungen einzugehen. Zudem lässt sich insgesamt ein Rückgang der Geburtenrate feststellen, so dass viele Kinder nur noch ein oder gar kein Geschwister haben und somit wenig oder überhaupt keine Gelegenheit bekommen, Sozialerfahrungen über Kontakte zu Geschwistern im Alltag zu machen.8 Auch in Luxemburg ist insgesamt ein Geburtenrückgang zu erkennen, wenn man be5 CONFERENCE GENERALE DE LA JEUNESSE LUXEMBOURGEOISE ASBL: A wat denks du? Jugendemfro.lu. Synthèse. Luxembourg. Mars 2009, S. 9. 6 Vgl. PELTIER, François / THILL, Germaine / ZAHLEN, Paul: Nuptialité et divortialité au Luxembourg (1994-2008). Bulletin du Statec n 2. Luxembourg 2010, S. 88. 7 www.statistiques.public.lu: population et emploi - état de la population (Stand : 20.Dezember 2011). 8 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht. Das Arbeitsbuch. Kallmeyer. Seelze 2003, S. 18. 9 rücksichtigt, dass 1950 noch 4252 und im Jahr 2010 noch 3878 Kinder zur Welt kamen. Immerhin ist die luxemburgische Bevölkerung in den letzten 30 Jahren um 140000 Personen angewachsen.9 In Luxemburg haben die meisten Kinder nur noch ein Geschwisterteil. Von 171953 Haushalten in Luxemburg im Jahr 2001 bestanden 23398 Haushalte aus zwei Erwachsenen und einem Kind. 24574 Haushalte bestanden aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern und nurmehr 8187 Haushalte setzten sich aus zwei Erwachsenen und drei Kindern zusammen.10 Hinzu kommt, dass die Kinder und Jugendlichen aufgrund ungünstiger Wohnsituationen kaum noch eine sogenannte „Straßensozialisation“11 erhalten. Zudem sind laut Umfrage des STATEC von 2009 43 % der Jugendlichen zwischen 12 und 30 Jahren weder in einem Sport- noch in einem Jugendverein, einer Jugendorganisation, einer Schülervertretung, einer politischen Jugendgruppierung, den Pfadfindern oder ähnlichem aktiv.12 Somit werden natürliche und ursprüngliche Möglichkeiten des sozialen Lernens wie in Form des Knüpfens von Beziehungen, des Sich-Streitens und Versöhnens stark eingeschränkt und infolgedessen werden die Lehrer13 und Schüler in den Schulen immer häufiger mit sogenannten kleinen „Kaiserinnen und Kaisern“ konfrontiert, die für sich die ungeteilte Aufmerksamkeit fordern und sich nur schlecht im Klassenverband mit anderen einfügen können. Als Folge der mangelnden sozialen Erfahrungen kommt es immer häufiger zu Konflikten mit Mitschülern. Erschwerend kommt hinzu, dass sich in den letzten Jahrzehnten die Werthaltungen und Erziehungsnormen stark verändert haben, so dass der Erziehungsstil einem starken Wandel unterliegt. Oftmals berufstätige Eltern finden nicht mehr die Kraft, den Mut und vielleicht auch die Zeit, ihre Kinder zu erziehen, Forderungen zu stellen und Grenzen zu setzen. Werte wie Gehorsam, Unterordnung, Verzicht und Bescheidenheit sind aufgrund der Veränderungen zurückgegangen. Eltern legen in ihrer Erziehung mehr Wert auf Selbstständigkeit, Durchsetzungsvermögen und Individualität. Mit diesem Wertewandel ist ebenfalls verbunden, dass die Gesellschaft angesichts des Verlustes von verbindlichen Ordnungen und Normen immer offener wird, woraus gerade für Kinder und Jugendliche die Gefahr des Sich-Verlierens in all den angebotenen Lebensformen resultiert. Des Weiteren herrscht in der Gesellschaft 9 www.statistiques.public.lu: population et emploi - état de la population (Stand: 20. Dezember 2011). www.statistiques.public.lu: population et emploi - état de la population (Stand: 20. Dezember 2011). 11 WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 19. 12 CONFERENCE GENERALE DE LA JEUNESSE LUXEMBOURGEOISE ASBL: A wat denks du ?, S. 11. 13 Bei der hier verwendeten männlichen Form der Personalbezeichnung ist die weibliche Form stets mitgedacht. 10 10 des 21. Jahrhunderts ein großer Individualisierungs- und Stilisierungsdruck vor, der hohe persönliche, soziale und kommunikative Anforderungen an jeden Einzelnen stellt, die dieser jedoch oftmals nicht mehr erfüllen kann, da ihm die dafür notwendigen Kompetenzen fehlen.14 Ein weiterer wichtiger Faktor, der großen Einfluss auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen hat, sind die audiovisuellen Medien. Eine 2009 durchgeführte Umfrage im Auftrag des luxemburgischen Ministeriums für Kultur bestätigt dies.15 Insbesondere das Fernsehen und der Computer sowie das Internet nehmen, ebenfalls infolge der bereits genannten Veränderungen innerhalb der Familien, eine große Bedeutung im Alltag der Kinder und Jugendlichen ein. Vielen Jugendlichen sind der Fernseher und der Computer die einzigen verlässlichen Freunde und Bezugspunkte. Die genannte Umfrage zeigt, dass die 16- bis 30-Jährigen in Luxemburg täglich durchschnittlich 158 Minuten vor dem Fernseher und 103 Minuten vor dem Computer verbringen.16 Allerdings weist Margit Weidner richtig darauf hin, dass sich die Jugendlichen mit einer großen Diskrepanz zwischen den durch Werbung und Filme propagierten Werten wie Selbstverwöhnung, Spaß, Gewalt, Brutalität und den durch die Schule vermittelten Werten wie Leistungsbereitschaft, Verzicht, Toleranz und Fairness konfrontiert sehen, die sie nicht verarbeiten können.17 Die Schulen müssen sich als Folge dieses Wandels in ihrem Alltag zunehmend mit Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen, die oftmals große Verhaltensstörungen in Form von Hyperaktivität und Depressionen aufweisen, die zunehmend verrohen und eine enorme Gewaltbereitschaft an den Tag legen. Das Resultat ist häufig das Schulversagen. Mit diesem Wandel im Bereich der Medien ist ebenfalls ein Rückgang der Lektüre von klassischen Zeitungen und Magazinen zu verzeichnen. Während 1999 noch 81% der Befragten angaben, Zeitungen zu lesen, fiel der Anteil der zeitungslesenden Bevölkerung 2009 auf 61%.18 Im Gleichschritt mit den genannten Veränderungen wandelt sich ebenfalls die Wirtschafts- und Arbeitswelt, die heutzutage neben den fachlichen Fähigkeiten 14 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 19 u. 23. Vgl. BARDES, Jules / BORSENBERGER, Monique: Les pratiques culturelles et médiathiques au Luxembourg. Eléments de synthèse de l’enquête Culture 2009. Les cahiers du CEPS / INSTEAD. Population et Emploi 10. Luxembourg 2011, S. 4. 16 Vgl. Ebd., S. 6. 17 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 19. 18 Vgl. BARDES, Jules / BORSENBERGER, Monique: Les pratiques culturelles et médiathiques au Luxembourg, S. 7. 15 11 soziale Kompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein, Kritik- und Entscheidungsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Selbstdisziplin, Pflichtbewusstsein, Durchhaltevermögen, Selbstsicherheit und die Fähigkeit sowie den Mut zum selbständigen und lebenslangen Lernen einfordert. Teamfähigkeit gilt als eine der Schlüsselqualifikationen. Zudem sollen die zukünftigen Arbeitnehmer über kommunikative und interaktive Kompetenzen verfügen.19 Paradoxerweise fordert die Wirtschaft Kompetenzen, die den Kindern und Jugendlichen aufgrund der genannten Veränderungen häufig nicht mehr vermittelt werden. Vor allem die sozialen Fertigkeiten der Jugendlichen nehmen ab. Es wird deutlich, dass somit besondere Herausforderungen an die Lehrer und Schüler gestellt werden, da es der Auftrag der Schule ist, die jungen Menschen schrittweise auf die Anforderungen und Möglichkeiten in ihrem zukünftigem Berufs- und Privatleben vorzubereiten. Die Schule des 21. Jahrhunderts kann sich konsequenterweise nicht mehr nur auf eine reine Wissensvermittlung beschränken, sondern muss viel stärker als bisher sozialerzieherische, kompensatorische Aufgaben übernehmen. Sie wird demnach in die Pflicht genommen und muss nun das leisten, was das direkte soziale Umfeld in Form der Familien nicht mehr gewährleisten kann, nämlich Anreize zu einem sozialen Miteinander bieten und den Schülern die verlangten Kompetenzen vermitteln sowie diese weiterentwickeln.20 Die Reformen der luxemburgischen Schule setzen demnach offensichtlich an einer wichtigen Schwachstelle des Systems an. II. 2) Probleme traditioneller Unterrichtsansätze Traditionelle Unterrichtsansätze wie der lehrerzentrierte Frontalunterricht, die sich an einer kognitivistischen Auffassung von Lernen orientieren, sehen sich seit längerer Zeit einer starken Kritik ausgesetzt, da sie den von der Berufswelt und den weiterführenden Bildungseinrichtungen an die Schulabgänger gestellten Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Zwar hat sich das luxemburgische Bildungssystem lange Zeit als durchaus wirksam herausgestellt, doch gelingt es ihm immer weniger, zahlreichen Problemen beim Unterrichten zu begegnen. Hierzu zählen der Verlust der Motivation, das mangelnde Interesse, Wissenslücken und „träges“ Wissen, geringe 19 20 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 20 u. 23. Vgl. Ebd., S. 8 u. 24. 12 Problemlösefähigkeit und defizitäre Handlungskompetenz.21 Insbesondere das sogenannte „träge“ Wissen erweist sich als zentrales Problem. Demnach verfügen die Schüler zwar über im Unterricht erworbenes Wissen und Fertigkeiten, diese sind also theoretisch vorhanden, allerdings können die Schüler dieses Wissen und diese Fertigkeiten nicht in einem konkreten Fall in der Praxis abrufen oder in einer angemessenen Situation anwenden. Diese Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln resultiert daraus, dass in klassischen Unterrichtsansätzen zwar oftmals eine große Fülle an Wissen vermittelt wird, der Nutzen dieses Wissens außerhalb der ursprünglichen Lernsituation im Klassenzimmer den meisten Schülern jedoch unklar ist, da praktische Anwendungssituationen bei der Wissensvermittlung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Eine 2009 durchgeführte Umfrage bestätigt diese Annahme, da die Mehrheit der Jugendlichen (60%) in diesem Kontext darauf hinwies, dass der Unterricht in Luxemburg zu theorielastig und zu wenig praktisch sei.22 Dabei ist es das zentrale Anliegen der Schule, alles was gelernt wird, in Hinblick auf seinen Gebrauch zu lernen.23 Somit beschäftigt sich die Lernpsychologie nun schon mindestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts unter dem Stichwort „Transfer“ mit dieser Thematik. Unter Transfer versteht man die „Nutzung von früher erworbenem Wissen im Hinblick auf neue Inhalte oder neue Situationen.“24 Es wurde und wird nun immer wieder festgestellt, dass dieser Transfer nicht stattfindet, vorhandenes Wissen und erlernte Fertigkeiten also nicht eingesetzt werden können. Untersuchungen bestätigen die angeführten Überlegungen, denn in der genannten Umfrage von 2009 gaben 53% der befragten 12- bis 30-Jährigen in Luxemburg an, mindestens ein Mal ein Schuljahr wiederholt zu haben. Der gleiche Prozentsatz an Jugendlichen wies darauf hin, sich im Unterricht zu langweilen.25 Angesichts der mit dem gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Wandel einhergehenden Herausforderungen sowie den angesprochenen Problemen des traditionellen Unterrichtens stellen sich den Pädagogen unter anderem folgende zentrale Fragen: Wie lässt sich „träges“ Wissen vermeiden und wie können demnach fachliche 21 REINMANN, Gabi / MANDL, Heinz: Unterrichten und Lernumgebungen gestalten. In: Krapp, Andreas / Weidenmann, Bernd (Hrsg.): Pädagogische Psychologie. Ein Lehrbuch. 5. Auflage. Beltz. Basel 2006, S. 615. 22 Vgl. CONFÉRENCE GÉNÉRALE DE LA JEUNESSE LUXEMBOURGEOISE ASBL: A wat denks du?, S. 40. 23 Vgl. STEINER, Gerhard: Lernen und Wissenserwerb. In: Krapp, Andreas / Weidemann, Bernd (Hrsg.): Pädagogische Psychologie. Ein Lehrbuch. 5. Auflage. Beltz. Basel 2006, S. 164. 24 Ebd., S. 193. 25 Vgl. CONFERENCE GENERALE DE LA JEUNESSE LUXEMBOURGEOISE ASBL: A wat denks du?, S. 41. 13 Kompetenzen gefördert werden? Wie sind Lernende zu spontaner Aktivität und zu Eigenverantwortung zu motivieren? Wie können mangelnde soziale Kompetenzen gefördert werden? Wie kann neues Wissen sinnvoll mit praktisch bedeutsamen Kontexten und Handlungen verknüpft werden? 14 III) Die Konstruktivistische Didaktik – Eine theoretische Betrachtung Die pädagogische Forschung sieht eine mögliche Reaktion auf die dargestellten Herausforderungen und Probleme in der konstruktivistischen Didaktik. Vorausgeschickt sei noch, dass die konstruktivistische Didaktik hinsichtlich des Lernens unterschiedliche Formen wie konstruktives, re- und dekonstruktives, kreatives, soziales, emotionales, individuelles und situiertes Lernen unterscheidet. Es handelt sich hierbei um Perspektiven auf das Lernen, die sich wechselseitig bedingen und ergänzen.26 Die Arbeit bietet im Folgenden zunächst einen kurzen Überblick darüber, was man unter Konstruktivismus versteht. Speziell in der Pädagogik wird eine breite internationale Diskussion über den Konstruktivismus und seine für die Pädagogik bedeutsamen Aussagen geführt, so dass diese nicht nachgezeichnet werden kann. Die Arbeit bietet deshalb einen kurzen Ausblick auf die wichtigsten Vorläufer der konstruktivistischen Pädagogik und derzeitig vorhandene konstruktivistische Ansätze. Im Mittelpunkt der Arbeit steht ein deutscher Beitrag zum konstruktiven Lernen, der im deutschen Sprachraum konkurrenzlos ist: die systemisch-konstruktivistische Pädagogik von Kersten Reich und das damit eng verbundene situierte Lernen. III. 1) Der Konstruktivismus: Ausgangspunkte und Grundannahmen Vor jeder Auseinandersetzung mit dem Konstruktivismus gilt zu bedenken, dass der Konstruktivismus keine einheitliche und fertige Theorie ist, sondern ein philosophisch-erkenntnistheoretisches Erklärungsmodell, das kontinuierlich weiterentwickelt wird und in zahlreiche Wissenschaftsbereiche ausstrahlt. Wichtige Vertreter unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen sind beispielsweise der Professor für Biologie und Neurobiologie Humberto Maturana, der Biologe und Kybernetiker Francisco Varela, der Verhaltensphysiologe Gerhard Roth und der Diplomingenieur und Physiker Heinz von Foerster. Außerdem seien der Kybernetiker und Kognitionspsychologe Ernst von Glasersfeld, der Psychotherapeut und Kommunikationsforscher Paul Watzlawick, der Zoologe Rupert Riedl, der Soziologe und Systemtheoretiker Niklas Luhmanm sowie der Literaturwissenschaftler Siegfried J. 26 Vgl. REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik. Lehr- und Studienbuch mit Methodenpool. Beltz. 4. Auflage. Weinheim 2008, S. 192-231. 15 Schmidt erwähnt.27 Die Vertreter des Konstruktivismus betonen, dass der Mensch die Wirklichkeit nicht sofort erkennen kann und sie behaupten, dass die Wirklichkeit ein Konstrukt des menschlichen Gehirns ist. Den unterschiedlichen Formen des Konstruktivismus liegen eine Reihe von gemeinsamen Annahmen zugrunde, welche die verschiedenen Vertreter jedoch unterschiedlich stark gewichten.28 Die Arbeit kann im Folgenden nur einige der wichtigsten Grundannahmen erläutern und stützt sich bei ihrer Darstellung auf die Ausführungen in „Didaktische Modelle“ von Hilbert Meyer und Werner Jank. Eine erste Annahme besteht darin, dass jedes Lebewesen eine „selbständige, organisatorisch geschlossene“29 Einheit ist. Demnach gibt es keinen Austausch von Wissen und Information zwischen dem Lebewesen und seiner Umgebung. Aus dieser Grundannahme ergibt sich für die Konstruktivisten, dass Wissen nur durch das Handeln eines jeden Lebewesens aufgebaut werden kann. Begründet wird diese Annahme mit Hilfe von Jean Piagets Entwicklungspsychologie und den darin beschriebenen Prozessen der Adaptation, der Organisation und der Äquilibration. Somit entwickelt und verändert der Mensch seine Wirklichkeitskonstruktionen, indem er sich handelnd mit der Welt auseinandersetzt. Der Konstruktivismus verneint interessanterweise die Möglichkeit einer direkten Abbildung von Wirklichkeit, denn es gibt keinen besten beziehungsweise letzten Beobachter. Eine dritte Grundannahme der Konstruktivisten besteht darin, dass die Lebewesen „selbstorganisiert“30 und „selbstreferenziell“31 arbeiten, da sie ihre kognitiven Strukturen selbst organisieren und sich dabei prinzipiell nur auf eigene Zustände beziehen können. Diese Selbstorganisation wird jedoch nicht von der Außenwelt bestimmt, sondern eine eigene „innere Struktur“32 beeinflusst, was und wie ein Lebewesen wahrnimmt, weiß und denkt. Eine weitere Grundannahme ist, dass das Prinzip der Funktionalität die konkrete Gestaltung der genannten Selbstorganisation beeinflusst, da Lebewesen prinzipiell die Verhaltensweisen auswählen, die ihr Überleben sichern. Im Bereich der Kognition bedeutet dies, dass Ideen, Theorien und Konzepte nicht in Widerspruch zur Wahr27 Vgl. JANK, Werner / MEYER, Hilbert: Didaktische Modelle. Cornelsen. 10. Auflage. Berlin 1991, S. 288 / 289. 28 Vgl. Ebd., S. 289. 29 Ebd., S. 290. 30 Ebd., S. 290. 31 Ebd., S. 290. 32 Ebd., S. 290. 16 nehmung der Welt, also zu den Wirklichkeitskonstruktionen des Lebewesens stehen. Des Weiteren gehen die Vertreter des Konstruktivismus davon aus, dass der Aufbau der Wirklichkeitsstrukturen eines Lebewesens „den Vorgaben der Strukturdeterminiertheit sowie den Prinzipien der Viabilität und der Soziabilität folgt“33. Zum einen beeinflusst die Ähnlichkeit der Strukturen von Menschen, die in einer ähnlichen Umgebung leben, auch ähnliche Strukturen der Wirklichkeitskonstruktion. Zum anderen schließt die individuelle Wirklichkeitskonstruktion eines jeden Lebewesens das kognitive Konstrukt seiner Mitmenschen ein. Durch dieses Vorgehen erfährt das Lebewesen, dass ein Wissen oder eine Fähigkeit, die sich für es selbst als viabel erwiesen hat, sich in ähnlicher Weise für andere ebenfalls als brauchbar erweist. Die letzte Grundannahme beruht darauf, dass alles Wissen vorläufig ist, denn alles Wissen kann sich eines Tages unter bestimmten Umständen als weniger brauchbar, also viabel, erweisen, als andere Wissenskonstruktionen.34 Abschließend kann festgehalten werden, dass der Konstruktivismus „eine neue Sicht auf die Vorgänge des Wahrnehmens und Erkennens [propagiert] und [...] radikal auf die Wirklichkeitskonstruktionen des Einzelnen setzt.35 Die Vertreter des Konstruktivismus betonen, dass wir die Wirklichkeit nicht unmittelbar erkennen können, und behaupten“ [, dass die Wirklichkeit, in der wir leben, ein Konstrukt des Gehirns ist.]36 Die Annahmen der Konstruktivisten haben demnach weitreichende Folgen für das bisherige Schulsystem in Luxemburg, welches diese bis zum Zeitpunkt der Reformen im Jahr 2009 kaum berücksichtigte. III. 2) Wichtige Vorläufer einer konstruktivistischen Pädagogik und Didaktik Um das didaktische Modell des Konstruktivismus zu erläutern, soll zunächst ein kurzer Blick zurück auf die historischen Vorläufer der konstruktivistischen Sicht geworfen werden, denn die Vorstellungen, dass Wissenserwerb ein individueller und konstruktiver Prozess ist, das Lernen in authentische und komplexe Situationen eingebettet werden soll und soziale Lernarrangements hergestellt werden sollen, sind nicht neu.37 Die Arbeit beschränkt sich allerdings auf einen Überblick über die Vorläufer im 20. Jahrhundert. 33 JANK, Werner / MEYER, Hilbert: Didaktische Modelle, S. 292. Vgl. Ebd., S. 289- 293. 35 Ebd., S. 289. 36 Ebd., S. 289. 37 Vgl. REINMANN, Gabi / MANDL, Heinz: Unterrichten und Lernumgebungen schaffen. In: Krapp, Andreas / Weidenmann, Bernd (Hrsg.): Pädagogische Psychologie, S. 633. 34 17 Es erweisen sich drei theoretische Ansätze zum Lernen als besonders wichtig. Ihre Vertreter sind John Dewey, Jean Piaget und Lew Wygotsky.38 Der pragmatische Ansatz des amerikanischen Philosophen und Pädagogen John Dewey (1859-1952) kommt aus dem Bereich der hermeneutischen Wissenschaften. Dewey gilt als ein „Wegbereiter einer konstruktivistischen Pädagogik“39. Der Vertreter des sogenannten amerikanischen Pragmatismus geht davon aus, dass im Handeln Wissen aufgebaut und interaktiv konstruiert wird. Das Lernen wird somit als aktiver Vorgang begriffen, der keine äußeren Wirklichkeiten abbildet, sondern während des Prozesses des Handelns erst entsteht. Lernen muss seiner Meinung nach auf Erfahrung aufgebaut sein. Solche Erfahrungen / Handlungen entstehen in Situationen, die Dewey „experience“ nennt.40 Ein weiterer Ansatz stammt von dem Schweizer Entwicklungspsychologen und Epistemologen Jean Piaget (1896-1980), der ein wesentlicher Wegbereiter einer konstruktivistischen Auffassung ist und die Entwicklung als Konstruktionsprozess sieht. Piaget stellt dem Behaviorismus die These einer dynamischen Interaktion zwischen Organismus und Umwelt entgegen und legt besonderen Wert auf die Entwicklungsstufen, die ein Lerner nach und nach durchläuft, um seine konstruktiven Lernfähigkeiten in handelnder, aktiver Auseinandersetzung mit der Umwelt zu regulieren und zu optimieren. Das Handeln wird demnach zum zentralen Bindeglied zwischen dem Denken und den Dingen. Der Lerner entwickelt dabei verschiedene Schemata (Wissensstrukturen), die als verinnerlichte Muster helfen, verschiedene Situationen zu bewältigen.41 Laut Piaget haben drei grundlegende Eigenschaften des menschlichen Geistes große Bedeutung für diese Interaktion: die Adaptation, die Organisation und die Äquilibration. Die kognitive Adaptation (Anpassung) erfolgt zwischen Individuum und Umwelt in Form eines Austauschverhältnisses. Es gibt hierbei zwei Arten der Anpassung: die Assimilation und die Akkomodation. Bei der Assimilation passt das Individuum die Umwelt, also die Außenwelt, an die eigenen inneren Strukturen, demnach das eigene Verhalten, an. Bei der Akkomodation hingegen passt das Individuum das eigene Verhalten an unterschiedliche Umweltbedingungen an. Beide Vorgänge sind dabei 38 Vgl. REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik, S. 71. REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik. Einführung in die Grundlagen einer interaktionistisch-konstruktivistischen Pädagogik. 6. Auflage. Beltz. Weinheim und Basel 2010, S. 197. 40 Vgl. REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik, S. 71. 41 Vgl. Ebd., S. 72. 39 18 unlösbar miteinander verbunden. Als kognitive Organisation bezeichnet Piaget die Tendenz jedes Individuums, Beziehungen zwischen den Wahrnehmungen herzustellen. Die kognitive Äquilibration bezeichnet das Streben eines jeden Organismus nach der Herstellung eines Gleichgewichts zwischen sich selbst und seiner Umwelt.42 Piaget erkennt somit, dass das Lernen subjektiv konstruiert werden muss, beachtet jedoch die Interaktion weniger als Dewey und Wygotsky. Er entwickelt ein überwiegend kognitives Lern- und Lehrverständnis, das sich auf den einzelnen Lerner konzentriert.43 Schließlich muss an dieser Stelle noch auf den russischen Psychologen Lev S. Wygotsky (1896 – 1934) verwiesen werden, der den Zusammenhang von Kognition und Sozialisation betont, und dessen Lerntheorie stärker sozial-kulturell orientiert ist als Piagets Ansatz. Diese Theorie verweist auf einen soziokulturellen Ursprung der Kognition, so dass Wirklichkeitskonstruktionen in einem sozialen Kontext und durch Interaktionen aufgebaut werden. Demnach hat kooperatives menschliches Handeln einen lernsteigernden Effekt. Psychologisch gesehen ist die „Zone der proximalen Entwicklung“ entscheidend für Wygotsky, da die Zusammenarbeit und der Austausch mit kompetenteren Individuen den Lerner antreiben, ein neues Niveau des Wissens und Verhaltens zu erreichen.44 Lerner werden demnach als „aktive Gestalter des eigenen Lernprozesses“45 gesehen. III. 3) Derzeitig vorhandene konstruktivistische Ansätze Es gibt im Anschluss an die historischen Vorläufer unterschiedliche konstruktivistische Ansätze, die heute aktuell sind und welche im Folgenden kurz in Anlehnung an Kersten Reichs Darstellung in der „Konstruktivistische[n] Didaktik“ genannt werden, um dem Leser einen kleinen Überblick zu verschaffen.46 Kersten Reich nennt die konstruktiv-subjektive Psychologie nach George A. Kelly, den Radikalen Konstruktivismus von Foerster und von Glasersfeld, die Systemtheorie nach Niklas Luhmann, den Methodischen Konstruktivismus und Kulturalismus, auch noch als „Erlanger Schule“ bezeichnet, sowie verschiedene sozial-kulturtheoretisch begründete Konstruktivismen wie den Sozialen Konstruktivismus, den Pragmatischen 42 Vgl. JANK, Werner / MEYER, Hilbert: Didaktische Modelle, S. 191-193. Vgl. REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik, S. 72. 44 Vgl. Ebd., S. 72 / 73. 45 Ebd., S. 72. 46 Vgl. Ebd., S. 85-88. 43 19 Konstruktivismus und den von ihm weiterentwickelten Interaktionistischen Konstruktivismus, auf den sich die Arbeit im Folgenden stützt. Der Interaktionistische Konstruktivismus beachtet stärker als der eher subjektivistische Radikale Konstruktivismus und der sprachtheoretische Erlanger Konstruktivismus die Bedeutung der Interaktionen als Bedingung menschlicher Verständigung.47 47 Vgl. http://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/texte/einfuehrung/einf_1.html (Stand: 10. April 2012) 20 IV) Systemisch-konstruktivistische Pädagogik nach Kersten Reich Der deutsche Pädagoge und Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Köln Kersten Reich begründete den Ansatz des Interaktionistischen Konstruktivismus, welcher in direkter Aufnahme und Auseinandersetzung des Pragmatismus, speziell mit Dewey steht.48 Reich liefert komplexe theoretische Analysen und Theorien, in denen er die konstruktivistische Pädagogik nahezu idealisiert, so dass deren praktische Umsetzbarkeit für den Deutschunterricht in Luxemburg erst einmal überprüft werden muss. IV. 1) Die Bedeutung der Kommunikation Da die Interaktion, also demnach auch die Kommunikation, im Interaktionistischen Konstruktivismus von zentraler Bedeutung sind, wird in einem ersten Schritt kurz die Bedeutung der Beziehungen zwischen Lehrern und Lernern, also der Kommunikation und Interaktion aus der Sicht von Kersten Reich erläutert. In seiner „Konstruktivistische[n] Didaktik“ hebt Reich die entscheidende Bedeutung der Beziehungen im Lehren und Lernen hervor, denn in der Kommunikation und Interaktion mit den Lernern stellen Lehrer zwischenmenschliche Beziehungen her, die einen Rahmen und eine Umgebung der Förderung und Forderung für das fachliche Lernen bilden und dieses somit ebenfalls mitbestimmen. Des Weiteren vermittelt der Lehrende seine Glaubwürdigkeit über die Interaktion und die Kommunikation. Reich kritisiert treffend, dass in zahlreichen Schulen ein Mangel an Beziehungen zugunsten einer einseitigen Bevorzugung des Inhalts ersichtlich wird, was jedoch zu falschen Vorbildern in der Sozial – , Methoden- und Fachkompetenz führt, da in der heutigen Arbeitswelt immer mehr Teamfähigkeit gefragt ist. Die zwischenmenschlichen Beziehungen erhalten somit einen hohen Stellenwert. Schließlich stellen Lerner während ihrer Lernprozesse immer wieder Sinn- und Verwendungsfragen, welche kommunikativ vermittelt werden. Jeder Unterricht benötigt demnach Beziehungen, in denen Fragen zum Sinn des Gelernten und zu den eingesetzten Methoden gestellt werden können.49 Folglich ist „eine rein inhaltsdominante Schule oder ein inhaltsbezogenes Lernen ohne Beziehungen [...] nicht nur 48 49 Vgl. REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 197. Vgl. REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik, S. 17-18. 21 eine Illusion, sondern führt laut Reich auch zu einer qualitativ schlechten und ineffektiven Gestaltung der Lehr- und Lernprozesse“50. Kersten Reich zieht in seiner „Systemisch-konstruktivistischen Pädagogik“, die man auch interaktionistisch-konstruktivistische Pädagogik nennen kann, somit neuere Kommunikationsmodelle heran, die sich als konstruktivistisch und systemisch, also interaktionistisch verstehen und die Lehr- und Lernprozesse verbessern sollen. Das konstruktivistische Kommunikationsmodell geht davon aus, dass Wirklichkeiten Konstrukte von Beobachtern sind, welche in Fremd- und Selbstbeobachtung beobachten und beobachtet werden. Es gibt demnach nicht die eine Wirklichkeit unabhängig von den unterschiedlichen Wahrnehmungen der Beobachter, da subjektive Wahrnehmung und Wirklichkeitskonstruktion durch Faktoren wie Erfahrungen, individuelles Befinden und soziale Wahrnehmung beeinflusst werden. Konstruktivistische Kommunikationsmodelle bedürfen zudem eines Beobachtungsfeldes, in dem Dinge und Ereignisse in Kategorien von Systemen beschrieben werden. Es besteht ferner die Notwendigkeit einer Ausdrucksmöglichkeit über die Beobachtungen in Form von Zeichen oder Symbolen als Aussagen über Wirklichkeiten.51 Demnach bilden unterschiedliche konstruktivistische Theorien die reflexive Grundlage für ein neues Verständnis von Kommunikation. Die Kommunikationsmodelle sind systemisch beschreibbar. Beim systemischen Modell steht vorwiegend die Beziehungswirklichkeit im Mittelpunkt. Diese Modelle gehen von zirkulären Prozessen aus, welche von Rückkopplungen und verschiedenen Beobachterpositionen begleitet werden.52 Die systemische Sichtweise im Blick auf Kommunikation geht davon aus, dass es in der Kommunikation eine Wechselwirkung zwischen den Verhaltensweisen der einzelnen Individuen gibt. Demnach ist die Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern entscheidend. Dies verdeutlicht, dass die Kommunikation zirkulär angelegt ist und Kommunikation somit keinen Anfang hat. Jedes Verhalten ist sowohl Ursache als auch Wirkung. Pädagogisch betrachtet bestehen die Vorteile dieser neuen systemischen Sichtweise darin, dass der Beobachter viele Beobachterperspektiven im System oder über ein System zulässt. Die Perspektive ist des Weiteren nicht moralisierend, da es keinen „Täter“ und kein „Opfer“ gibt. Die Sichtweise ist außerdem interaktionsbezogen, denn die Gesamtheit 50 REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik, S. 18. Vgl. REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik., S. 20, 21, 24. 52 Vgl. Ebd, S. 24-25. 51 22 wechselseitiger Beziehungen wird gesehen. Schließlich zwingt sie das Individuum, sich selbst zu betrachten und die Situation zunächst einmal von sich selbst aus zu ändern.53 Zwei sehr bekannte Vertreter eines solchen konstruktivistischen Kommunikationsmodells sind Paul Watzlawick und Friedemann Schulz von Thun.54 Aufgrund der sich abzeichnenden Komplexität der Kommunikation und der daraus resultierenden Probleme empfiehlt sich laut Kersten Reich die Ausübung von „Metakommunikation“, dass heißt die Auseinandersetzung von zwei oder mehr Kommunikationspartnern über ihre Kommunikation.55 Allerdings kann diese Metakommunikation ebenfalls auf der Inhaltsebene erfolgen. In dieser Kommunikation über Inhalte ermöglicht sie es den Kommunikationspartnern nämlich, eine neue Perspektive einzunehmen und somit aus dem vorgegebenen inhaltlichen Rahmen herauszutreten. Sie ermöglicht eine Befreiung aus dogmatischen Gedankenstrukturen und somit inhaltliche Innovationen. Sie erfordert vor allem einen Perspektivwechsel, Kreativität und Kritikfähigkeit. Der Lerner wird demnach selbst tätig.56 Aus den dargestellten Überlegungen heraus plädiert Reich für eine stärkere Berücksichtigung der Beziehungsebene in der Pädagogik der Gegenwart, da sie bisher zugunsten der Inhaltsebene unterbewertet wird.57 Die dargestellten Überlegungen stimmen mit den im luxemburgischen Schulsystemen ausgemachten Defiziten überein, so dass dieser Aspekt der systemisch-konstruktivistischen Pädagogik möglicherweise interessante Ansätze für einen reformierten Kompetenzunterricht in Luxemburg bieten könnte. IV. 2) Die drei Dimensionen der Selbst- und Weltsicht Kersten Reich unterscheidet in seiner „Systemisch-konstruktivistischen Pädagogik“ drei Dimensionen der Selbst- und Weltsicht und stützt sich hierbei auf eine Theorie des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan. Eine erste Dimension ist das Symbolische. Symbole sind laut Reich Mitteilungen, Aussagen über die Welt, die in der Interaktion zwischen zwei oder mehreren Individuen entstehen und ihnen die Verständigung mit anderen ermöglichen. Hierzu zählen Zeichen wie signifikante Gesten, Buchstaben, Worte und Begriffe, Sätze, 53 Vgl. REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 32-33. Vgl. Für weitere Informationen zu beiden Kommunikationsmodellen, siehe: REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 33, 35-37. 55 Vgl. Ebd. S. 49. 56 Vgl. Ebd., S. 60-61. 57 Vgl. Ebd., S. 51. 54 23 Aussagen, die mit Bedeutungen verbunden sind.58 Die zweite Dimension ist das Imaginäre, das Reich zufolge ein inneres Verhalten ist, über das der Betrachter durch Beobachtung des Handelns einer Person wie zum Beispiel der Körpersprache Vermutungen anstellen kann. Andere Menschen haben jedoch keinen direkten Zugang zu diesem Imaginären.59 Die dritte Dimension, das Reale, ist das, was weder symbolisierbar noch imaginär ist. Keine symbolische Rekonstruktion reicht aus, um das Leben in seiner Gesamtheit und seiner ganzen Vielfalt zu erfassen. Symbolische Konstruktionen reduzieren vielmehr die Komplexität des Realen. Auch die Imagination schafft es nicht, ein komplettes Bild der anderen Menschen und der Welt zu erfassen. „Reale Ereignisse sind, so [Reichs] Fazit, immer mehr als symbolische und imaginierte Wirklichkeiten. Sie stellen das Ungeahnte, das Unwahrscheinliche, das Zufällige, die Grenze aller Erkenntnis und Vorstellung dar, die erst im Nachhinein kodiert oder imaginiert wird.“60 Kersten Reich sieht die drei Dimensionen des Symbolischen, des Imaginären und des Realen in einem Wechselverhältnis zueinander, wobei die Beobachter sich die symbolischen Wirklichkeiten zuerst erschließen und imaginäre dadurch ausschließen. Als Folge ist das Imaginäre, vor allem auch in der Pädagogik, unterbewertet, was zu einer unzureichenden Erfassung der Inhalte führt. Die Unterbewertung des Imaginären führt zu einer Gefangenschaft der Beziehungen in der Macht von Klischees und „symbolischer Diszipliniertheit“. Des Weiteren nimmt eine Überbewertung des Symbolischen den Schülern die Möglichkeit, mit Hilfe des Imaginären selbständig Konstruktionen von Wirklichkeit zu schaffen. Abschließend kann festgehalten werden, dass die drei genannten Dimensionen aufeinander bezogen werden müssen, um zuverlässige Wirklichkeitskonstruktionen zu ermöglichen.61 Aus dieser Erkenntnis entwickelt Kersten Reich eine dreifache „Entfaltungsaufgabe“ für den Unterricht. Die erste Strategie besteht in der Entfaltung der symbolischen Realität, danach folgen die Entfaltung der imaginativen und die Entfaltung der Grenzen der Realitätskonstruktionen.62 Reich schlägt als Weg durch diese Entfaltungsaufgabe einen Kreislauf von drei für die Pädagogik neue Beobachterperspektiven vor. Grundlegende Gemeinsamkeit aller 58 Vgl. REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 75 / 76. Vgl. Ebd., S. 87. 60 Ebd., S. 107. 61 Vgl. Ebd., S. 110-111. 62 Vgl. Ebd., S. 115-117. 59 24 Perspektiven ist der Konstruktivismus, der die Position des Beobachters stärkt und ihm Selbstvertrauen und Mut für die eigenen Wirklichkeitskonstruktionen gibt. Mit diesem neuen Denkmuster sind zudem drei Grundforderungen verbunden, die im Folgenden ebenfalls thematisiert werden. Die erste Perspektive einer konstruktivistischen Pädagogik ist die sogenannte „Konstruktion“. Wie auch Piaget stellt die konstruktivistische Pädagogik die Konstruktion, also die aktive Tätigkeit, in den Mittelpunkt. Sie betont aber, anders als Piaget, zusätzlich stärker die interaktive Seite dieser Tätigkeiten, also die Beziehungskommunikation. Sowohl die Inhalte als auch die zwischenmenschlichen Beziehungen sollen konstruktivistisch ausgerichtet werden. Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung greifen somit ineinander. Der Mensch gilt als Erfinder seiner Wirklichkeiten, er soll „selbst erfahren, ausprobieren, experimentieren, immer in eigene Konstruktionen ideeller oder materieller Art überführen und in den Bedeutungen für die individuellen Interessen-, Motivations- und Gefühlslagen thematisieren“63. Im Zusammenhang mit dieser Perspektive formuliert Reich das Postulat „So viel Konstruktion wie möglich“64. In seinem ersten Postulat verdeutlicht Reich, dass die Aneignung von reziptivem Wissen oberflächlich und nicht von Dauer ist. Er fordert somit den „konstruktiven Anteil“ zu erhöhen, „wenn es um den Transfer von Wissen in Handlungen geht, um die Variation und Angleichung an unterschiedliche Handlungsbedingungen, um eigenständige und kreative Umsetzungen auf der Basis eines Wissens“65. Aus der Sicht dieser systemisch-konstruktivistischen Pädagogik soll das selbsttätige Individuum seine eigene Wirklichkeit konstituieren, indem es [...] Konstruktionen herstellt. Sie will eine Beziehungspädagogik sein, „in der die eigene Konstruktionsfähigkeit aller Lerner vor die Übernahme fremder Expertenkonzepte rückt“66. Dem ersten Prinzip der Konstruktion wird die zweite Perspektive der Rekonstruktion zur Seite gestellt. Die Menschen sollen aus der Sicht dieses Prinzips zu den Entdeckern ihrer Wirklichkeit werden, indem sie eigenverantwortlich, selbstbewusst und motiviert kulturelle Leistungen, historische Entwicklungen, Erfindungen und Erkenntnisse gemeinsam rekonstruieren. Alle sollen aktiv an dem Prozess beteiligt werden. Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung sind somit wichtige Elemente. Zudem 63 REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 119. Ebd., S. 122. 65 Ebd., S. 122. 66 Ebd., S. 124. 64 25 sollten Rekonstruktionen wo immer möglich in Konstruktionen überführt werden.67 Das zweite Postulat „Keine Rekonstruktion um ihrer selbst willen“68 verdeutlicht, dass eine Rekonstruktion, die um ihrer selbst willen durchgeführt wird, pädagogisch nicht gerechtfertigt werden kann. Vielmehr sollen die Lerner aktiv an den Rekonstruktionen beteiligt werden, um die Dimension des Symbolischen verlassen und am Imaginären und Realen rühren zu können. Wichtig ist, dass Rekonstruktionen immer einen konstruktiven Anteil haben.69 Die dritte Perspektive der konstruktivistischen Pädagogik wird mit dem von Jacques Derrida geprägten Begriff der Dekonstruktion benannt. Der Mensch soll ebenfalls zum Enttarner seiner Wirklichkeiten werden, denn bei der Dekonstruktion geht es um „die Auslassungen, die möglichen anderen Blickwinkel, die sich im Nachentdecken der Erfindungen Anderer oder in der Selbstgefälligkeit der eigenen Erfindung so gerne verstellen“70. Das dritte Postulat lautet „Keine Konstruktionen ohne Verstörungen“71. Kersten Reich betont in diesem Postulat die zentrale Bedeutung der Dekonstruktion des jeweils Erreichten, denn „damit stören wir unsere symbolischen Gewohnheiten, und wir verstören die vermeintliche Sicherheit unseres Blickens“72. Reich verbindet die drei Dimensionen der Selbst- und Weltsicht mit den drei Perspektiven zu einem didaktischen Kreislauf.73 Es wird überprüft werden müssen, ob dieses neue Muster pädagogischen Denkens sich ebenfalls in der Praxis dazu eignet, die Schüler zu aktivieren und ihre Selbstständigkeit zu stärken. IV. 3) Konstruktivistische Grundannahmen nach Reich Abschließend sollen Kersten Reichs Grundannahmen zu einer konstruktivistischen Didaktik kurz dargelegt werden. Reich orientiert sich bei der Formulation der Grundannahmen einer konstruktivistischen Didaktik zum Teil an den im Vorfeld genannten Grundannahmen von Foerster und Glasersfeld, betont allerdings stärker den interaktionistischen Aspekt. Laut Kersten Reich, und in diesem Punkt pflichtet er Glasersfeld bei, fordert eine konstruktivistische Didaktik, dass der Unterricht zu einem „konstruktive[n] Ort 67 Vgl. REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 133-139. Ebd., S. 133. 69 Vgl. Ebd., S. 133-139. 70 Ebd., S. 121. 71 Ebd., S. 139. 72 Ebd., S. 140. 73 Vgl. Ebd., S. 118-122. 68 26 möglichst weiter eigener Welterfindung“74 wird. Wirklichkeiten sind demnach Konstruktionen. Abbildungen der Wirklichkeit sind konsequenterweise nicht möglich. Reich erläutert überzeugend, dass diese Konstruktionen zeitgebunden sind sowie von spezifischen Beobachtern und Verständigungsgemeinschaften abhängen. In diesem Sinne ist der von Reich vertretene Konstruktivismus ein kultureller, da er davon ausgeht, dass Lernen immer in einem kulturellen Kontext geschieht.75 Demnach können solche Konstrukte keine ewigen Wahrheiten sein und müssen allen Beobachtern hinreichend Chancen zur Teilhabe an der Wirklichkeitskonstruktion bieten.76 Sowohl Lehrer als auch Lerner sollen die Möglichkeit erhalten, „je ihre Konstruktionen von Wirklichkeit zu finden, und zwar in möglichst freien Perspektiven und auch aus ihren je unterschiedlichen Blickwinkeln, die eingewoben in unterschiedlichste Lebensformen und Weltbilder sind“77. Es gibt auch in Reichs Überlegungen keinen letzten oder besten Beobachter. Eine systemisch-konstruktivistische Pädagogik fordert vor diesem Hintergrund also eine Festlegung von Zielen, Inhalten und Wegen zu unterlassen, da die Themen und Inhalte mit dem Ziel der Selbst- und Mitbestimmung gemeinsam durch alle am Unterricht Beteiligten ausgehandelt werden muss. Es wird eine möglichst hohe Selbstbestimmung und Partizipation der Lerner in pädagogischen Prozessen gefordert, die sicherlich einige Probleme im Unterricht mit sich bringen dürfte. Vor allem stellt sich die Frage, ob die Lerner dieser Verantwortung gewachsen sind. Des Weiteren soll unbedingt eine Entfremdung von den Bedürfnissen, praktischen Erfahrungswelten und Erlebenswelten der Lerner vermieden werden, damit die Lerner beim Prozess der Konstruktion an ein Vorwissen anknüpfen können.78 Alles Neue benötigt einen Anschluss, eine Rekonstruktion mit schon Vorhandenem. Nur das, was für die Lerner anschlussfähig ist, wird als ausreichend viabel erlebt.79 In einer zweiten Annahme weist Reich darauf hin, dass die Didaktik keine sichere Theorie mehr ist, die vermitteln kann, wie zu emanzipieren ist und mit welchen Inhalten aufgeklärt werden kann. Somit kommt der Didaktik die Aufgabe zu, die „konstruktiven Akte des Aufklärens und der Reflexion“80 an die Lerner und Lehrer 74 REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 265. Vgl. REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik, S. 78. 76 Vgl. REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 266-267. 77 Ebd., S. 268. 78 Vgl. Ebd., S. 268. 79 Vgl. REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik, S. 79-80. 80 REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 266. 75 27 „in möglichst hoher Selbsttätigkeit“81 zurückzugeben, damit jeder, egal ob Lerner oder Lehrer, seine eigenen Wege findet. „Sie ist deshalb ein sehr offenes Verfahren inhaltlicher und beziehungsmäßiger Vermittlungsperspektiven.“82 Dies klingt in der Theorie natürlich sehr gut, doch stellt sich die Frage, ob die Schüler mit dieser Autonomie umgehen und diese positiv nutzen können. Das dritte Postulat fordert eine Festlegung von Zielen, Inhalten und Wegen zu unterlassen, da die Themen und Inhalte ebenfalls Konstruktionen sind, die mit dem Ziel der Selbst- und Mitbestimmung gemeinsam in Beziehungen durch alle am Unterricht Beteiligten ausgehandelt werden müssen.83 Auch dieses Postulat erscheint mir sehr idealistisch und nur schwer in die Unterrichtsrealität übertragbar. Reichs vierte Annahme geht davon aus, dass die wechselseitigen Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern stärker berücksichtigt werden müssen. Diese Beziehungen sollen neu gestaltet werden und einen Vorrang vor der Vermittlung von Inhalten erhalten. Jeder in pädagogischen Prozessen vermittelte Inhalt steht in einer Beziehung zu den Individuen, die sich im pädagogischen System befinden. Angesichts der formulierten Postulate stellt sich mir die Frage, ob nicht eine zu starke Orientierung am Subjekt stattfindet.84 IV. 4) Die Lehrer- und Lernerrollen Reichs Überlegungen ziehen konsequenterweise eine Veränderung der Lehrer- und Lernerrollen nach sich. Diese sollen im Sinne einer konstruktivistischen Didaktik pragmatisch, konstruktiv und systemisch gestaltet sein und können beispielsweise durch die Unterrichtsform des Kooperativen Lernen und Arbeitens gewährleistet werden. Eine pragmatisch didaktische Einstellung ist an der praktischen Umsetzbarkeit und der realistischen Durchführbarkeit des Gelernten zu erkennen. Diese Pragmatik wird im Verlauf der Arbeit überprüft werden müssen. In Anlehnung an Dewey geht Reich davon aus, dass der Mensch in Erfahrungen, d.h. im Handeln, also aktiv lernt. Um diese Form des Lernens umsetzen zu können, müssen verschiedene pragmatische Kriterien umgesetzt werden. So ist es zentral, dass der Lehrende es dem Lernenden ermöglicht, Erfahrungen zu machen, die in weiteren Erfahrungen genutzt, erweitert 81 REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 266. Ebd., S. 266. 83 Vgl. Ebd., S. 266, 276. 84 Vgl. Ebd., S. 266. 82 28 und verändert werden können. Demnach muss die Lehrkraft sich zurücknehmen und aufhören, jedes auftauchende Problem in den Kleingruppen besprechen zu wollen. Es soll vermieden werden, dass sie alles möglichst schnell und umfassend in die eigenen Hände nimmt und den eigenen Wissens- und Kompetenzvorsprung demonstriert.85 Im Gegensatz hierzu muss die Lehrkraft lernen zuzuhören, abzuwarten und zu beobachten. Daraus dürfte sich oftmals das Dilemma „eingreifen oder nicht“ ergeben.86 Zudem verweist Reich darauf, dass Lernen immer in einer Lernumgebung stattfindet, die durch Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden geprägt wird. Da solche Interaktionen situativ sind, also auf eine bestimmte Situation beruhen, ist es entscheidend, dass die Lernenden zwar ähnliche Lösungen für ähnliche Probleme finden, doch ist es nicht sinnvoll, „schematische Lösungen für alle Fälle“87 vorzugeben. Der Anschluss der alltäglichen Lernumgebung an den kulturellen Kontext und die sozialen Voraussetzungen der Lerner ist ebenfalls maßgebend für erfolgreiches Lehren und Lernen und stellt die Lehrenden sicherlich vor weitere Herausforderungen im Schulalltag. Ein viertes Kriterium besteht darin, dass die Interaktion pragmatisch auf Freiheit und Partizipation beruhen muss, damit die Lerner die Freiheit erhalten, eigene Interpretationen und Deutungen aufzubauen. Dies gelingt wiederum nur hinreichend durch eine umfassende Partizipation. Schließlich muss die Lernumgebung konsequent gestaltet sein, so dass sie es den Lernern ermöglicht, das Lehren und Lernen intrinsisch, aus dem Inneren, dem Bewusstsein und dem Wollen der Lerner heraus zu fördern. Ein pragmatisches Vorgehen hierbei ist ein Vorgehen, das partizipativ und auf eine Freiheit hin ausgelegt ist.88 Erneut stellt sich die Frage, ob die Schüler zur Partizipation bewegt werden beziehungsweise sie die ihnen zugestandene Freiheit nutzen können. Wollen alle Schüler immer lernen? Des Weiteren sollte das didaktische Vorgehen konstruktiv sein, damit die Lerner in ihrem Lernen die Fortschritte machen können, die von ihnen und von anderen erwünscht sind. Um diese Konstruktion zu ermöglichen, muss die Lehrkraft ihre Funktion im Lehr- und Lernprozess verändern. Sie übernimmt nun eine Doppelrolle, da sie einerseits durch ihr Mehrwissen in bestimmten Fächern Experte ist und eine Instruktionsrolle innehat. Andererseits muss sie diese Instruktionsrolle durch eine 85 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 128. Vgl. BAURMANN, Jürgen: Kooperatives Lernen im Unterricht. In: Praxis Deutsch. Zeitschrift für den Deutschunterricht. Friedrich Verlag. September 2007. 34. Jahrgang, S. 7. 87 REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik, S. 24. 88 Vgl. Ebd., S. 23-25. 86 29 Konstruktionsrolle ergänzen, so dass sie zu lernerorientierten Moderatoren der Wissens- und Handlungskonstruktion werden. Ihre Aufgabe besteht darin, die Schüler zu beraten, Hilfen zur Selbsthilfe zu formulieren und ihnen Mut zu machen, weiterzuarbeiten. Der Lehrende tritt somit stärker in den Hintergrund, zeichnet sich jedoch durch seine Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz aus. Zu berücksichtigen ist laut Reich ebenfalls, dass die Lernenden zu Konstrukteuren ihres Lernens werden. Selbst wenn dieses Lernen sehr stark auf Reproduktion angelegt ist, müssen die Lernenden doch aktiv im Lernen sein. In diesem Sinne muss die Lehrkraft lernen und akzeptieren, dass der Lernprozess mindestens ebenso wichtig ist wie die Lernergebnisse und somit muss sie auch Lernum- und Lernirrwege zulassen. Insofern sind sowohl Lehrende als auch Lernende (!) für Reich Didaktiker, da „je mehr der Lernerrolle auf Selbsttätigkeit, Selbstbestimmungsanteile, Steigerung der Selbstverantwortung und des Selbstvertrauens, Zunahme des Selbstwerts hin angelegt ist, desto mehr didaktisiert der Lerner sein eigenes Lernen“89, wenn es denn gelingt. Didaktik sollte zudem systemisch sein. Da die menschlichen Beziehungen, also die Interaktionen in Lehr- und Lernprozessen, wie bereits dargestellt, entscheidend für den Sinn und den Erfolg des Lernens sind, sollte man möglichst ein Lernklima schaffen, das auf Anerkennung, wechselseitiger Entwicklung und kommunikativer Kompetenz beruht. Um ein solches Lernklima zu garantieren, ist es wichtig, bei allen Beteiligten möglichst einen hohen Selbstwert zu erzeugen und wechselseitige Wertschätzung zur Basis der Beziehungen zu machen. Gerade in der Herstellung einer solchen wechselseitigen Wertschätzung wird sicherlich die Herausforderung in einigen Klassen bestehen! Nicht zu unterschätzen ist, dass jede kommunikative Situation zirkulär ist, d.h. man kann sich nicht nicht verhalten und alles, was man tut, hat Rückwirkungen auf die anderen und einen selbst. Aus diesen Überlegungen resultiert ebenfalls die Notwendigkeit systemische, interaktive Bedingungen zu reflektieren.90 Es wird deutlich, dass der Lehrer in eine große Abhängigkeit zum Schüler gerät. 89 90 REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik, S. 29. Vgl. Ebd., S. 31-33. 30 V) Konstruktiver Methodenpool nach Kersten Reich Nach der Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur zur konstruktivistischen Didaktik und vor allem zur systemisch-konstruktivistischen Pädagogik von Kersten Reich, wird im weiteren Verlauf der Arbeit der Fokus auf ausgewählte Methoden gelegt, wie sie Reich in seinem konstruktivistischen Methodenpool anführt. Kritisch anzumerken ist, dass Kersten Reich zwar die Notwendigkeit einer methodischen Offenheit sowie neuer „Methoden der inhaltlichen Vermittlung und der konstruktiven Bearbeitung der Beziehungen“91 erklärt, doch entwickelt er selbst keine neuen Methoden oder Methodenarrangements. Vielmehr greift er auf eine an Célestin Freinet orientierte Aufzählung von Methoden zurück, die er durch Hinweise auf Methoden aus der systemisch orientierten Therapie ergänzt. Reich unterscheidet zwischen einem konstruktiven und einem systemischen Methodenpool. Der konstruktive Methodenpool umfasst sogenannte „klassische Methoden“ wie den Frontalunterricht, die Einzelarbeit, die Partnerarbeit oder die Gruppenarbeit. Dies sind die im traditionellen Schulunterricht üblichen und bekannten Methoden. Eine weitere Untergruppe sind die „großen Methoden“, welche handlungsorientierte Methoden umfassen. Hierzu zählen beispielsweise das Kooperative Lernen, das Gruppen-Experten-Rallye, die Anchored Instruction oder die Cognitive Apprenticeship. Den „großen Methoden“ werden die „kleinen Methoden“ wie Brainstorming, Clustering oder Mindmapping zur Seite gestellt. Man kann sie auch eher als Lehr- und Lerntechniken bezeichnen. Weitere Methodengruppen sind die „Werkstattarbeit“, die „Öffentlichkeitsarbeit“ wie Aufführungen, Ausstellungen, Klassen- oder Schulzeitungen, und die „Demokratie im Kleinen“ mit Formen wie der „Community of Practice“ oder dem Klassenrat. Die systemischen Methoden wie Feedback sind besondere Verfahren der Beziehungsarbeit, welche die eher inhaltsorientierten Methoden in der konstruktivistischen Didaktik ergänzen, erweitern und bereichern.92 Des Weiteren verlangt Reich nach drei wesentlichen Prinzipien, um die „Viabilität eines lernerzentrierten Methodeneinsatzes in der Gegenwart“93 zu gewährleisten. Hierzu zählt das Prinzip der Methodenkompetenz, das eine sowohl bei Inhalten als auch bei Beziehungen kompetente Auswahl von passenden Lernmethoden fordert. Das Prinzip der Methodenvielfalt zielt auf das Vermeiden eines Methodenmonismus 91 Vgl. REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 282. Vgl. Ebd., S. 217-234. 93 REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik, S. 269. 92 31 ab, damit die Lernmethoden in ihrer Vielfalt eingesetzt werden können. Das Prinzip der Methodeninterdependenz verlangt, dass die Methoden in wechselseitiger Bereicherung eingesetzt und nach situativen Erfordernissen kombiniert werden.94 Die im Folgenden theoretisch vorgestellten Methoden sollen im Anschluss in einem praktischen Unterrichtsmodell umgesetzt werden, so dass ihre Tauglichkeit für den kompetenzorientierten Deutschunterricht in Luxemburg überprüft werden kann. V. 1 ) Handlungsorientierte Methoden: Kooperatives Lernen und Arbeiten Die Arbeit greift in ihrem Herzstück auf eine der in Kersten Reichs Methodenpool eher als „große“, auch noch handlungsorientierte Methode bezeichnet, zurück, um ihre Tauglichkeit für die Umsetzung der in der Einleitung genannten Ziele zu überprüfen. V. 1. 1) Warum kooperatives Lernen und Arbeiten? Obwohl bereits ausführlich auf die Gründe für eine konstruktivistische Didaktik eingegangen wurde, soll hier trotzdem noch einmal erläutert werden, warum gerade große Erwartung bezüglich der Förderung des kompetenzorientierten Unterrichts speziell in das Modell des Kooperativen Lernens und Arbeitens gesetzt werden. Gerade das Kooperative Lernen und Arbeiten bietet die Möglichkeit, den Kindern und Jugendlichen am Beispiel der Kleingruppe, die eine Grundform sozialer Beziehungen ist, zu zeigen, was kooperieren ist. Die Schüler lernen also in einem sozialhistorisch definierten Kontext und interagieren. Sie erhalten somit die Möglichkeit, eine sogenannte Community of Practice95 zu bilden. Zudem kommt den Interessen und Bedürfnissen der Jugendlichen generell das Arbeiten in der Kleingruppe entgegen, da sie ein Ort von sozialen und geschlechtsspezifischen Identitätsbildungsprozessen ist. Aufgrund der Notwendigkeit der Selbstregulierung der Interaktionsprozesse innerhalb der einzelnen Gruppen sollte bestenfalls soziales Lernen stattfinden. Man erreicht laut Forschungsliteratur nur Demokratisierung, wenn man es den Schülern zutraut und ihnen auch zumutet, das Lernen als spezifische Tätigkeit der Schüler mehr mitzubestimmen beziehungsweise selbst zu bestimmen. Des Weiteren sollen die Selbständigkeit und die Eigenverantwortung der Schüler gefördert und gestärkt werden, da die Gruppenmitglieder bei Problemlösungen im Sinne einer Community 94 95 Vgl. REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik, S. 269-294. Siehe Kapitel V. 2. 2. 32 of Practice im Prinzip weitestgehend auf sich selbst gestellt sind. Hinzu kommt, dass das Kooperative Lernen mit seiner Kleingruppenarbeit und einer homogenen Gruppenzusammensetzung einerseits eine Unterrichtsform der inneren Differenzierung darstellt, mit deren Hilfe unterschiedliche Interessen, Lern- und Ausgangsvoraussetzungen oder Lerntempi berücksichtigt werden können.96 Andererseits kann die Gruppenzusammensetzung aber auch bewusst heterogen gestaltet werden, während bei der traditionellen Gruppenarbeit die, die sich mögen, zusammenarbeiten und weniger Beliebte ausgeschlossen bleiben.97 Das Unterrichtsmodell scheint zumindest in der Theorie sinnvoll, um sowohl fachliche als auch transversale Kompetenzen zu fördern. V. 1. 2) Begriffsbestimmung Das Kooperative Lernen oder „cooperative learning“ kommt aus den USA und Kanada und geht unter anderem auf John Dewey sowie die Lehr-Lernforschung, also einen Vorläufer der konstruktivistischen Didaktik, zurück.98 Es handelt sich hierbei um eine Form konstruktivistischen Unterrichts, die in engem Zusammenhang zur Demokratie im Kleinen, den „Communities of Practice“, und dem situierten Lernen steht. Letzteres ist ein Ansatz, der bei Reich unter den handlungsorientierten, eher „großen“ Methoden zu finden ist. Zunächst sollte kurz der Begriff „Kooperation“ geklärt werden. Laut Duden versteht man unter „Kooperation“ eine „Zusammenarbeit, besonders auf politischem oder wirtschaftlichem Gebiet“.99 Im Bereich der Erziehungswissenschaften ist damit natürlich „der Einsatz von kleinen Gruppen im Unterricht, in denen Schüler zusammenarbeiten, um ihren eigenen Lernerfolg und auch den der anderen Gruppenmitglieder zu steigern“100 gemeint. Das Kooperative Lernen ist somit zunächst einmal eine Form von Kleingruppenunterricht, denn die Schüler lernen und arbeiten in kleinen Teams von in der Regel maximal vier Schülern miteinander. Das Besondere am Kooperativen Lernen ist, dass 96 Vgl. NÜRNBERGER PROJEKTGRUPPE. Erfolgreicher Gruppenunterricht. Praktische Anregungen für den Schulalltag. Klett. Stuttgart 2001, S. 98. 97 Vgl. BAURMANN, Jürgen: Kooperatives Lernen im Unterricht. In: Praxis Deutsch, S. 7. 98 Vgl. GREEN, Norman / GREEN Kathy: Kooperatives Lernen im Klassenraum und im Kollegium. Das Trainingsbuch. 7. Auflage. Kallmeyer. Seelze 2005, S. 16. 99 DUDEN - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden. 3. Auflage. Bibliographisches Institut F. A. Brockhaus AG, Mannheim 1999. 100 NÜRNBERGER PROJEKTGRUPPE. Erfolgreicher Gruppenunterricht, S. 11 u. 12. 33 für jede Unterrichtseinheit sowohl fachliche Ziele als auch Sozialziele verbindlich festgelegt, systematisch gelehrt, praktiziert und bewusst weiterentwickelt werden. Später werden sie in Bezug auf ihre erfolgreiche Handhabung reflektiert, überprüft, evaluiert und bewertet, um die kooperativen Kompetenzen und ihre Arbeitsstrategien zu verbessern. Beim Kooperativen Lernen werden die sozial-interaktiven Implikationen nicht nur als entscheidende Eingangsbedingung für Gruppenunterricht reflektiert, sondern insgesamt kommt den sozialen Prozessen auch beim Lernen eine besondere Rolle zu, da sie besonders thematisiert, akzentuiert und strukturiert werden. Das soziale Lernen (Beziehungsseite) nimmt demnach, wie es die konstruktivistische Sicht fordert und von den Reformen im luxemburgischen Schulsystem gewünscht wird, neben dem fachlichen Lernen (Inhaltsseite) einen gleichwertigen Stellenwert ein, da es dazu beiträgt, dass die Gruppenprozesse produktiv verlaufen.101 Neben der Sozialkompetenz fordert das Kooperative Lernen ebenfalls eine gewisse Selbstkompetenz vom Schüler, da er sich, damit die Arbeit erfolgreich ist, als Individuum im Dienst der Arbeit am gemeinsamen Produkt einbringen muss. Es wird sich zeigen müssen, ob dies nicht nur ein reines Wunschdenken der Theoretiker ist. Zudem ist es wesentlich, dass die Schüler über Fachkompetenz verfügen, um inhaltlich weiterzukommen.102 Auch in diesem Punkt wird das Unterrichtsmodell auf einigen Klassen sicherlich an seine Grenzen stoßen. Neben den sozialen Fertigkeiten basiert das Kooperative Lernen auf vier weiteren Basiselementen, die im Laufe der Arbeit noch genauer vorgestellt werden. Hierzu gehören die Face-to-Face Interaktion, die Übernahme persönlicher Verantwortung, die positive gegenseitige Abhängigkeit und die Bewertung beziehungsweise Evaluation.103 Es ist wichtig zu wissen, dass das Kooperative Lernen laut Forschung keine Unterrichtsmethode und auch keine Methodensammlung ist, sondern vielmehr der Strukturierung von Unterricht dient. Durch diese Form der Strukturierung wird die Haltung des Unterrichtenden deutlich gemacht, dass Lernen im Unterricht immer sowohl individuell als auch kooperativ erfolgen muss.104 Das hochgesteckte Ziel des Kooperativen Lernens ist somit eine aktive, mentale, selbständige und kooperative 101 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 35. Vgl. NÜRNBERGER PROJEKTGRUPPE. Erfolgreicher Gruppenunterricht, S. 13. 103 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 35. 104 Vgl. BRÜNING Ludger / SAUM, Tobias: Individuelle Förderung durch Kooperatives Lernen. In: Kunze, Ingrid / Solzbacher, Claudia (Hrsg.): Individuelle Förderung in der Sekundarstufe I und II. Schneider Verlag Hohengehren. Baltmannsweiler 2008, S. 86. 102 34 Auseinandersetzung möglichst aller Schüler mit dem Lerngegenstand.105 Die theoretischen Ausführungen zeigen, dass das Kooperative Lernen und Arbeiten dem neuen Anforderungsprofil an die Schüler entgegenkommt und das Lernen im Sinne einer „Community of Practice“ erfolgt, da in einem sozialen Kontext in Interaktion mit anderen gelernt wird, ohne jedoch die Identität des Einzelnen zu vernachlässigen. Es findet ebenfalls wie von Reich gefordert Metakommunikation statt. Das Kooperative Lernen umfasst zahlreiche mehr oder weniger komplexe Lehr-LernArrangements. Bekannte Formen sind beispielsweise die Gruppenanalyse, das Gruppenpuzzle (Jigsaw), die Gruppenrallye, das reziproke Lesen, das Lerntempoduett sowie viele Formen der Partnerarbeit wie das „Erzählen – Ergänzen“, das „Erzählen – Wiederholen“ oder das „Erzählen – Paraphrasieren“.106 V. 1. 3) Die fünf Basis-Elemente des Kooperativen Lernens Die sogenannten fünf Basis-Elemente sind zentraler Bestandteil des Kooperativen Lernen und Arbeitens und machen den größten Unterschied zum traditionellen Gruppenunterricht aus. Dementsprechend sind es gerade diese Elemente, die einen größeren Lernerfolg versprechen. Im Sinne einer konstruktivistischen Didaktik sind zunächst einmal die sozialen Fertigkeiten für die Zusammenarbeit im Team, also die Interaktion, von großer Bedeutung für das Gelingen des Kooperativen Lernens. Diese werden demnach, anders als beim traditionellen Gruppenunterricht, beim sozialen Lernen systematisch gelehrt, praktiziert sowie bewusst weiterentwickelt und nicht vorausgesetzt. Unter Sozialkompetenzen werden „solche Fähigkeiten und Fertigkeiten verstanden, die Menschen helfen, soziale Interaktionssituationen (alters-)angemessen zu erkennen und einzuschätzen sowie darauf aufbauend in diesen erfolgreich zu handeln.“107 Interaktionsformen wie in einer angemessenen Lautstärke sprechen, einander zuhören, sich melden, sich gegenseitig ermutigen, Hilfen anbieten oder sich gegenseitig loben, um nur einige zu nennen, sollen dazu beitragen, dass die Gruppenprozesse sich positiv entwickeln, da diese Fähigkeiten die Kommunikation, das Vertrauen, die Verhandlungsfähigkeit und die Entscheidungsfindung innerhalb der Gruppe verbessern sowie 105 Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen. Strategien zur Schüleraktivierung. Band 1. 5. Auflage. Neue Deutsche Schule Verlagsgesellschaft. Essen 2008, S. 16. 106 Vgl. BRÜNING Ludger / SAUM, Tobias: Individuelle Förderung durch Kooperatives Lernen, S. 86. 107 GREEN, Norm / GREEN Kathy: Kooperatives Lernen im Klassenraum und im Kollegium, S. 18. 35 angemessene Konfliktlösungsstrategien befördern. Die Beziehungsseite wird demnach wie von der konstruktivistischen Didaktik gefordert gestärkt. Im Kontext der Arbeit an den sozialen Fertigkeiten ist es laut Forschungsliteratur wichtig, dass die Schüler verstehen, warum es bedeutsam ist, die entsprechende Sozialfertigkeit zu erlernen und zu beherrschen. Dies kann laut Margit Weidner dadurch erreicht werden, dass man die Schüler ein Rollenspiel zu einer solchen Situation erarbeiten lässt oder indem man ein Tafelbild beziehungsweise ein Poster oder eine Wandzeitung herstellt. Außerdem sollte den Schülern vermittelt werden, wie die entsprechende Sozialfertigkeit konkret aussieht und wie das Sozialziel eingeübt werden kann. Es bietet sich hier das Erstellen eines T-Diagramms mit den Kategorien „Ich höre“ und „Ich sehe“ an sowie das Arrangement kooperativer Gruppenarbeiten, die diese Sozialfertigkeiten erfordern. Die Schüler sollten ebenfalls regelmäßig in Gruppengesprächen oder beim Ausfüllen von Evaluationsbögen evaluieren, wie gut sie und / oder ihre Gruppe das jeweilige Sozialziel bereits handhabt und / oder wie es noch verbessert werden kann.108 Die sozialen Fertigkeiten, welche die Schüler im Idealfall in die Lage versetzen, in positiver, wertschätzender und unterstützender Art und Weise miteinander umzugehen, fördert zudem ein positives Lernklima, das wiederum zum Gelingen des Lernprozesses beiträgt.109 Das zweite Basis-Element, die sogenannte Face-to-Face Interaktion, zielt darauf ab, einen förderlichen Kommunikationsrahmen herzustellen. Es ist wichtig, dass die Gruppenmitglieder nahe beieinander sitzen, so dass sie sich mühelos sehen und hören können, da so die Kommunikations- und Interaktionsprozesse optimiert werden. Des Weiteren ist eine hinreichende räumliche Distanz zwischen den einzelnen Gruppen wichtig, so dass sich die einzelnen Teams bei ihrer Arbeit nicht stören. Dieser äußere Rahmen erleichtert es den Schülern ebenfalls, miteinander zu diskutieren und zu verhandeln, um einen gemeinsamen Konsens innerhalb der Gruppe zu finden.110 Zentral für das Kooperative Lernen ist ebenfalls, dass die Schüler persönliche Verantwortung für die Gruppenprozesse übernehmen. Jedes Gruppenmitglied soll sich sowohl für die eigenen als auch für die Gruppen-Lernprozesse verantwortlich fühlen und jedes Gruppenmitglied sollte im Idealfall so agieren, dass sowohl der Lernerfolg der Gruppe als auch der jedes einzelnen Mitglieds maximiert wird. Dieses 108 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 36. Vgl. Ebd., S. 51. 110 Vgl. Ebd., S. 47. 109 36 Element unterstützt ebenfalls die Identitätsbildung. Beides sind Elemente, die im traditionellen Gruppenunterricht kaum berücksichtigt werden, und den Erfolg des Kooperativen Lernens mitbegründen sollen. Im traditionellen Gruppenunterricht fühlen sich die Einzelnen meist nur sich selbst gegenüber verantwortlich, nicht aber für die anderen Gruppenmitglieder. Demnach sollte sich im Kooperativen Lernen jedes Teammitglied verantwortungsvoll in den gemeinsamen Lernprozess einbringen und dazu beitragen, dass die Gruppenarbeit erfolgreich ausgeführt wird. Jedes Gruppenmitglied sollte individuell erklären können, welche konkrete Aufgabe die Gruppe hatte, was diskutiert und gelernt wurde, welche Lernwege beziehungsweise Umwege beschritten und wie die Arbeitsprozesse gestaltet wurden. Zudem sollte jedes Mitglied im Bedarfsfall anderen Teammitgliedern verlässlich helfen, wenn sie etwas nicht so gut verstehen oder wenn sie sich bei Desinteresse oder Überforderung aus dem Gruppenprozess „ausklinken“ wollen.111 Die Schüler müssen sich demnach aktiver an ihrem Lernprozess beteiligen. Sie sind während der gesamten Unterrichtseinheit weitestgehend ständig aktiviert. Es gibt mehrere Möglichkeiten, um die persönliche Verantwortung zu fördern. Es besteht einmal die Möglichkeit, dass alle Gruppenmitglieder vor der Klasse stehen und jeweils einen Teil der Präsentation übernehmen. Die Nähe der Lehrkraft, die während der Gruppenarbeit umhergeht, beobachtet, Notizen macht und einzelne Schüler anspricht, wirkt ebenfalls motivierend und steigert die persönliche Verantwortung. Des Weiteren können schriftlich verfasste Gruppenreflexionen, die an die Lehrkraft weitergegeben werden, Verantwortung schaffen. Zudem kann jedes Gruppenmitglied seine Statements mit einer anderen Farbe notieren. Die Tatsache, dass einzelne Schüler oder Teams per Zufall aufgerufen werden, um über das Gruppenergebnis zu berichten, erhöht ebenfalls die persönliche Verantwortung der einzelnen Gruppenmitglieder. Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, dass jeder Schüler regelmäßig seinen Lernerfolg in Form einer schriftlichen Arbeit nachweisen muss. Man kann sogar die Gruppe durch einen Bonus belohnen, wenn jedes Gruppenmitglied ein vereinbartes Leistungslevel erreicht oder sogar übertrifft.112 Es wird sich zeigen, ob die Schüler fähig und willens sind, diese Verantwortung zu übernehmen. Erfolgreiche Kooperative Gruppenarbeit geht idealerweise davon aus, dass jedes Teammitglied genau weiß, welches seine persönliche Aufgabe ist und diese dann 111 112 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 47. Vgl. Ebd., S. 53. 37 zuverlässig und verantwortungsvoll erledigt. Es besteht somit natürlich eine enge Verbindung zwischen der Übernahme persönlicher Verantwortung und der positiven gegenseitigen Abhängigkeit. Es ist wichtig, dass alle Gruppenmitglieder in den Gruppenprozess eingebunden sind, indem sie auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Somit muss sich bei den Schülern die Erkenntnis einstellen, dass jedes Gruppenmitglied seinen spezifischen Anteil einbringen muss, um den Erfolg der gesamten Gruppe zu gewährleisten. Wenn der Erfolg eines Gruppenmitgliedes also eng mit dem eines anderen oder der ganzen Gruppe verknüpft ist, so sind sie in einer positiven Weise voneinander abhängig. Es gibt mehrere Möglichkeiten, um eine positive gegenseitige Abhängigkeit zu erreichen. So kann ein gemeinsames Gruppenziel aufgestellt werden, das nur erreicht ist, wenn alle Gruppenmitglieder ihre Teilaufgaben erledigt haben. Eine weitere Möglichkeit ist die Belohnung der Gruppe. Entweder werden alle belohnt, wenn alle Mitglieder erfolgreich waren, oder niemand wird belohnt. Des Weiteren kann die Lehrkraft das Material so verteilen, dass jede Gruppe nur ein Set von Materialien bekommt, so dass man die Gruppe durch das unerlässliche Teilen zu einem gemeinsamen Handeln zwingt. Man kann ebenso positive gegenseitige Abhängigkeit erreichen, wenn man jedem Gruppenmitglied eine komplementäre, für die Gruppenarbeit unverzichtbare Arbeitsrolle wie die des Materialmanagers, des Zeitmanagers, des Lesers, des Schreibers oder des Lautstärkenmanagers zuweist. Man unterscheidet hier zwischen fachlichen Rollen und sozialen Rollen. Dadurch, dass jedes Gruppenmitglied seine individuelle Aufgabe innerhalb einer Gruppe kennt, wird erfolgreiches Handeln erleichtert und ein wesentlicher Vorteil zum traditionellen Gruppenunterricht geschaffen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass die Gesamtaufgabe in sinnvolle Untereinheiten gegliedert und auf die verschiedenen Gruppenmitglieder aufgeteilt sowie in festgelegter Reihenfolge durchgeführt werden. Dann ist das jeweilige Team nur erfolgreich, wenn jedes Gruppenmitglied verantwortlich und zuverlässig seine Teilaufgabe erfüllt. Die Teammitglieder sind also gezwungen, miteinander zu arbeiten, um Erfolg zu haben, und können nicht einfach wie häufig im traditionellen Gruppenunterricht nebeneinander herarbeiten. Es wird eine wirkliche Interaktion im Kontext der Kleingruppe gefordert. In der sogenannten Simulation, einer nächsten Möglichkeit zur Förderung der positiven gegenseitigen Abhängigkeit, bearbeiten die Gruppenmitglieder eine hypothetische Situation wie zum Beispiel das Überleben nach einem Schiffsbruch unter bestimmten Bedingungen, um in dieser fiktiven Ausnahme38 situation ihren Zusammenhalt zu beweisen. Ferner können die Gruppen in Wettstreit zu einer Herausforderung von außen treten, indem sie beispielsweise das Ergebnis des letzten Tests übertreffen sollen. Die Umgebung spielt laut Forschung ebenfalls eine wichtige Rolle, da die Gruppenmitglieder sich durch die räumliche Nähe miteinander verbunden fühlen sollen. Schließlich kann auch das Schaffen einer gemeinsamen Identität durch einen Gruppennamen, ein Gruppenlogo oder ein Gruppenmotto positive gegenseitige Abhängigkeit erzeugen.113 Bei der traditionellen Gruppenarbeit ist dies nicht der Fall. Auch dieses Basis-Element stellt hohe Anforderungen an die Schüler und die Praxis wird zeigen müssen, ob die Schüler diese erfüllen können. Das fünfte Basis-Element, die Bewertung, ist für das Kooperative Lernen von allergrößter Bedeutung, da es als Leitfaden und Orientierungshilfe für zukünftige Handlungen und weiteres Verhalten dient. Zugleich ist es erneut ein Element, das den jungen Schülern in Gestalt der Reflexivität eine hohe Personalkompetenz abverlangt, über die oftmals nicht einmal Erwachsene verfügen. Bewerten oder Evaluieren bedeutet im Kooperativen Lernen, dass man versucht, die Qualität der kooperativen Interaktionsgeschehen zu verstehen sowie diese in der Absicht einer positiven Weiterentwicklung oder Verbesserung in möglichst beobachtbare Kriterien zu übertragen. Hierfür ist es erforderlich, sich Klarheit über den aktuellen Ist-Zustand zu verschaffen, indem man evaluiert, ob und inwiefern das gesetzte Ziel erreicht wurde oder ob die verwendete Methode zweckmäßig ist. Somit hat die Evaluation im Kooperativen Prozess eine Entscheidungs- und Optimierungsfunktion. Die Bewertung bezieht sich, typisch für das Kooperative Lernen, ebenfalls einerseits auf die fachliche (Ergebnisse), also die Inhaltsseite, andererseits aber auch auf die sozialen Ziele (Prozesse), die Beziehungsseite. Beim Kooperativen Lernen ist es wichtig, dass die Schüler neben der Lehrkraft eine aktive Rolle einnehmen. Gerade auch auf die Lehrkraft kommt in diesem Sinne ein hoher Arbeitsaufwand zu, der in großen Klassen von weit mehr als 20 Schülern, wie es heutzutage oft der Regelfall ist, sicherlich nur schwer zu bewältigen ist. Die Lehrkraft erarbeitet und legt gemeinsam mit den Schülern die Evaluationskriterien und – ziele fest. Zudem muss sie sicherstellen, dass die Schüler die Kriterien verstehen und erreichen können. Dann beobachtet die Lehrkraft die Gruppenarbeiten und sammelt Informationen über die Arbeitsprozesse und deren Ergebnisse. 113 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 55 - 66. 39 Zusätzlich ist es die Aufgabe der Lehrkraft, die Schüler durch ein konstruktives Feedback zu unterstützen und zu motivieren. Sie gibt den Schülern des Weiteren konkrete Anleitungen zu einer aussagekräftigen und zuverlässigen Selbstevaluation, wobei die Selbstbeobachtung der Schüler zunächst sicherlich noch durch adäquate Evaluationsverfahren geschult werden muss. Im traditionellen Gruppenunterricht gibt die Lehrkraft hingegen weniger systematisch Feedback. Durch die systematische Selbstbeobachtung und Reflexion über das eigene Verhalten und die eigenen Handlungen im Unterricht, welches eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung von positiven Lernprozessen spielt, wird angestrebt, dass zudem die persönliche Beteiligung an den eigenen schulischen Lernprozessen wächst, was letztendlich positive Auswirkungen auf die weiteren Leistungen hätte, da es zentrale Ziele des Kooperativen Lernens erfüllt, indem es die Eigenverantwortlichkeit erhöht sowie zu mehr Selbstvertrauen in die eigenen Leistungen und Selbstkompetenz führt. Die positive Bewertung der eigenen Leistung stellt nämlich ein Erfolgserlebnis dar, so dass die Schüler sich im Idealfall immer höhere Ziele setzen und die Bereitschaft für eine verstärkte Anstrengung wächst. Allerdings ist die Evaluation nur dann fruchtbar, wenn ein Abgleich der Selbstevaluation der Schüler mit Lehrerbeobachtungen oder anderen Schülerrückmeldungen erfolgt, damit das Risiko von Fehlern und Irrtümern in der Selbsteinschätzung eines Schülers vermindert wird. So soll einer Negativentwicklung vorgebeugt werden. Die Schüler brauchen zudem gezielte Handreichungen der Lehrkraft, um die eigenen Stärken und Schwächen erkennen und benennen zu können sowie konkrete Anleitungen zur Verbesserung der festgestellten Schwächen. Aus dem großen Stellenwert der Gruppenprozesse im Kooperativen Lernen ergibt sich neben der bereits besprochenen formativen Bewertung ebenfalls die Notwendigkeit einer summativen Bewertung. Wichtig ist laut Forschungsliteratur bei der summativen Bewertung, dass Gruppennoten erst dann gegeben werden, wenn die Gruppenmitglieder ausreichend Zeit hatten, sich kennen zu lernen sowie ihre gemeinsamen Arbeitsweisen auszutesten, zu reflektieren und zu optimieren.114 Eine Kombination aus Gruppenbelohnung und Anerkennung des individuellen Lernfortschritts hat sich in der Forschung bisher als sinnvoll erwiesen. Auf jeden Fall, oder besser im Idealfall, sollten alle Schüler im Anschluss an die kooperative 114 40 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 66 - 99. Unterrichtseinheit Fragen aus den einzelnen Gruppen in einer Abschlussarbeit beantworten können. 115 V. 1. 4) Das Grundprinzip des Kooperativen Lernens und seine Vorteile Wie bereits unter Kapitel III) dargelegt, ist es im Sinne des Konstruktivismus wichtig, dass der Lerner das präsentierte Wissen nicht nur übernimmt, sondern die angebotenen Informationen individuell verarbeitet und aktiv in seine Wissensstrukturen integriert. Das Lernen wird somit zu einer individuellen Konstruktionsleistung und gelingt dann, wenn die Schüler die Unterrichtsthemen und ihr eigenes Tun als sinnvoll erkennen und das neue Wissen mit ihrem Vorwissen vernetzen. Es ist ebenfalls wichtig, dass die Schüler ihr Wissen und ihre Erkenntnisse in Kommunikation mit anderen darstellen und diskutieren. Die Interaktion wird demnach gefördert. Sie sollen sich in ihrer Lernumgebung ebenfalls sicher und geborgen fühlen. Des Weiteren müssen die Schüler ihr Lernen bewusst wahrnehmen und reflektieren.116 All dies ist jedoch nur möglich, wenn sich auch alle Schüler am Lernprozess beteiligen, was, wie hinlänglich bekannt, im traditionellen Frontal- und Gruppenunterricht leider oftmals nicht gegeben ist. In diesem Sinne beruht das Grundprinzip des Kooperativen Lernens in Rückgriff auf Kersten Reichs neues Muster pädagogischen Denkens auf dem sogenannten „Dreischritt“, der aus den Elementen „Denken (think)“, „Austauschen (pair)“ und „Vorstellen (share)“ besteht. Dieses Unterrichtsprinzip ist das Herzstück des Kooperativen Lernens und soll eine hohe Aktivierung möglichst aller Schüler in den Arbeitsaufträgen ermöglichen, denn man lernt nachhaltiger, wenn man sich aktiv mit dem zu Lernenden auseinandersetzt.117 Diese Struktur bestimmt somit sowohl die einfachsten als auch die komplexesten Formen des Kooperativen Lernens.118 Alle Lernprozesse enthalten grundsätzlich zunächst eine individuelle Denkzeit, denn Kooperatives Arbeiten braucht unbedingt Einzelarbeit, um wie von Reich verlangt, den „konstruktiven Anteil“119 zu erhöhen. Es handelt sich hierbei um einen vorgegebenen Zeitraum, der dem individuellen Nachdenken gegeben wird und in dem sich die Schüler individuell mit einer Aufgabe auseinandersetzen. In dieser Phase 115 Vgl. BAURMANN, Jürgen: Kooperatives Lernen im Deutschunterricht. In: Praxis Deutsch, S. 11. Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 11. 117 Vgl. Ebd., S. 10, 15 u. 16. 118 Vgl. Ebd., S. 83. 119 REICH, Kersten: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik, S. 122. 116 41 konstruiert der Lernende zunächst eigenaktiv eine Bedeutung, einen Sinn, zu dem die jeweilige Aufgabe in Verbindung mit den Lerngegenständen ihn anregen. Indem die Lehrkraft die Schüler ihre Gedanken in der Einzelarbeitsphase immer schriftlich festhalten lässt, kann sie sicher sein, dass sich auch jeder Schüler mit der Sache auseinandersetzt. Durch Ruhe und Konzentration wird erreicht, dass die Schüler auch wirklich alleine arbeiten. Konsequente und mit Bedacht gewählte Zeitangaben sorgen dafür, dass die Schüler sofort mit der Arbeit beginnen und auch zügig arbeiten. Da der Schüler demnach Vorwissen mit neuem Wissen verbindet, wird diese Denkphase somit auch noch als Phase der Konstruktion bezeichnet. Die Phase des Austauschs oder auch noch Phase der Ko-Konstruktion genannt ist von zentraler Bedeutung und stellt die eigentliche Auseinandersetzung in den Gruppen dar. Sie ermöglicht es den Schülern, sich auszutauschen, bevor der Einzelne oder die Gruppe ihre Ergebnisse vor der ganzen Klasse vorstellen muss. Die Ergebnisse der Einzelarbeit bilden die Grundlage dieses Austausches im Paar oder in der Kleingruppe. Die Partner oder Gruppenmitglieder konfrontieren sich gegenseitig mit ihren Ergebnissen, so dass jeder Schüler die Aussagen mit seinen Konstruktionen vergleichen muss und mitunter eine Revision seiner ursprünglichen Konstruktion unternimmt. Der Mittelpunkt dieser Phase ist die wechselseitige Korrektur oder Ergänzung sowie die Vertiefung des eigenen Verständnisses. Diesem Vorgehen liegt Wygotskys Annahme zugrunde, dass Kinder voneinander lernen und somit nach einem solchen Austausch ebenfalls fähig sein sollten, die Aufgaben in Zukunft selbständig zu lösen.120 Es gibt hierbei laut Forschungsliteratur zwei unterschiedliche Möglichkeiten, diese Austauschphase zu gestalten. Entweder die Schüler tauschen sich über denselben Inhalt aus oder die Schüler erklären sich gegenseitig unterschiedliche Inhalte. Diese Austauschsituation ist anspruchsvoller, da die Schüler in Einzelarbeit unterschiedliche Aufgaben bearbeitet haben.121 Kersten Reich bezeichnet diesen Vorgang als Rekonstruktion. Die dritte Phase des „Vorstellens“ oder auch noch „Instruktion“ genannt wird in der Literatur als die schwierigste Teilphase dargestellt, da am wenigsten für die Lehrkraft voraussehbar. Dadurch erfordert sie besonders viel pädagogischen Takt und 120 Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 15, 16, 21, 23 u. 150. 121 Vgl. BRÜNING Ludger / SAUM, Tobias: Individuelle Förderung durch Kooperatives Lernen, S. 84. 42 didaktisches Fingerspitzengefühl.122 Die Phase besteht darin, dass ein Einzelner oder die Gruppe insgesamt der Klasse die Ergebnisse der Gruppe präsentiert sowie den Lernzuwachs demonstriert. Eine erneute Ko-Konstruktion wird durch die Zuhörer angeregt.123 Bei einer arbeitsgleichen Gruppenarbeit werden die Ergebnisse der einzelnen Gruppen miteinander verglichen, gegebenenfalls korrigiert und erweitert. Wenn die einzelnen Gruppen unterschiedliche Teilaufgaben bearbeitet haben, besteht das Ziel der Präsentation darin, dass die Lernenden über die Ergebnisse der anderen Gruppen informiert werden, sodass das, was die einzelnen Gruppen erarbeitet haben, zum Wissen aller wird. Insgesamt ist es beim Präsentieren wichtig, dass der Vortrag nicht nur rein mündlich ist, da es den Zuhörern selten gelingt, durch einen reinen Vortrag ihr Wissen nachhaltig zu erweitern. Zudem sind die Darstellungen oftmals zu lang und zu komplex, so dass die Schüler weder Einzelheiten behalten noch einen Überblick gewinnen. Demnach ist es unabdingbar, dass das vorgestellte Wissen durch eine grafische Struktur visualisiert wird, damit alle den Zusammenhang des Vortrags vor Augen haben und besser folgen können. Damit sich die Schüler das Wissen auch wirklich aneignen, sollten sie die Endergebnisse unbedingt im Heft festhalten. Es kann ebenfalls sinnvoll sein, bei der Präsentation von Gruppenergebnissen erneut kooperative Phase einzubauen, da diese die innere Aktivität der Zuhörer fördern und somit die Inhalte besser verarbeitet werden.124 Hierbei notiert jeder Schüler das Wesentliche des Vortrags und gleicht es dann mit den anderen Gruppenmitgliedern ab, um es dabei zu ergänzen und zu korrigieren.125 Es ist sinnvoll, beim Abrufen der Einzelergebnisse auf Abwechslung zu achten, um Langeweile zu vermeiden und die Aufmerksamkeit der gesamten Klasse zu gewährleisten. Unterschiedliche Symbolisierungsformen wie der freie verbal-sprachliche Vortrag, das Referat nach Notizen, verschiedene Varianten von Spielen wie das Rollenspiel oder das Standspiel, Grafiken, Tabellen, Diagramme, Bilder, Zeichnungen, Skizzen oder Wandzeitungen sind vorstellbar. Es ist auch wichtig, möglichst alle Gruppen zu Wort kommen zu lassen, um ihre Arbeit zu würdigen und die Schüler für weitere Gruppenarbeiten zu motivieren.126 122 Vgl. NÜRNBERGER PROJEKTGRUPPE. Erfolgreicher Gruppenunterricht, S. 65. Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 15, 16, 21 u. 23. 124 Vgl. Ebd., S. 15, 16, 21 u. 23. 125 Vgl. Ebd., S. 84. 126 Vgl. NÜRNBERGER PROJEKTGRUPPE. Erfolgreicher Gruppenunterricht, S. 66 u. 67. 123 43 Nach der Präsentation muss zudem beachtet werden, dass der Lernprozess häufig noch nicht abgeschlossen ist, da die Ergebnisse der Gruppen vielleicht unverbunden nebeneinander stehen und es keinen thematischen Zusammenhang gibt. Entweder gibt die Lehrkraft den Lernprozess an die Gruppen zurück, indem diese nach den Präsentationen den Gesamtzusammenhang herausarbeiten, der zwischen den Einzelergebnissen besteht, oder die Lehrkraft bespricht die vorgestellten Ergebnisse im Plenum und fasst sie zusammen. Die Schüler brauchen die Sicherheit, dass sich keine Fehler eingeschlichen haben, dennoch sollte die Fehlerkorrektur Margit Weidner zufolge behutsam durchgeführt werden, um schwächere Schüler nicht zu entmutigen. Es ist ebenfalls sinnvoll, die Schüler eine Überblicksgrafik anfertigen zu lassen.127 Die Phase sollte ebenfalls zu einer Metakommunikation über die Inhalts- und Beziehungsaspekte der Kommunikation zwischen den Schülern während der Gruppenarbeit genutzt werden.128 Reich spricht bei dieser Etappe von Dekonstruktion. Der sogenannte „Dreischritt“ beeinflusst den Lernprozess und den Unterricht laut Forschungsliteratur in elementarer Weise und bietet aus Sicht der konstruktivistischen Didaktik zahlreiche Vorteile. Zum einen soll jeder einzelne Schüler aktiviert und gefordert werden, da er zunächst allein mit der Aufgabe ist. Er muss sich der Aufgabe auch stellen, da er nicht weiß, wer aufgerufen wird, um das Ergebnis zu präsentieren. Dieses Prinzip fördert die individuelle Verantwortung für das Lernergebnis. Folglich soll die individuelle sowie die allgemeine Unterrichtsbeteiligung gesteigert werden, denn eine erhöhte Unterrichtsbeteiligung steigert die Zufriedenheit sowohl der Lehrer als auch der (meisten) Schüler, so dass die Motivation aller ebenfalls erhöht werden sollte. Dies dürfte sich positiv auf das weitere Lernen und die Entwicklung der Kompetenzen auswirken. Zum anderen gewinnen laut Brüning und Saum vor allem die stilleren und schwächeren Schüler, die sich nur ungern am Unterrichtsgespräch beteiligen, durch den Austausch in Kleingruppen an Sicherheit und auch an Mut sich zu melden, da sie zunächst die Gelegenheit haben, in einem definierten, „geschützten“ Rahmen nachzudenken und in der Austauschphase Unterstützung erhalten, indem sie sich nicht Verstandenes vom Partner oder anderen Gruppenmitgliedern erklären lassen können. 127 Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 53 u. 57. 128 Vgl. NÜRNBERGER PROJEKTGRUPPE. Erfolgreicher Gruppenunterricht, S. 66. 44 Denkblockaden sollen verhindert und auf diese Art und Weise die Aktivität beim Lernen kontinuierlich hoch gehalten werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Austauschprozess die kommunikativen Fertigkeiten der Schüler sowie die gegenseitige Rücksichtsnahme und die positive Kommunikation fördern könnte, da die Schüler durch Nachfragen und aufmerksames Zuhören ihr Wissen erweitern, beziehungsweise berichten, erklären und informieren müssen. Indem die Schüler paarweise oder in Gruppen arbeiten, müssen sie ihre Antworten und Denkprozesse verbalisieren, während der / die andere(n) Fragen stellt oder kommentiert, was er / sie gehört hat / haben. Die Erklärung der eigenen Antwort ist laut Forschung ein sehr wichtiger Teil der Kooperation, da sie eine Denkfähigkeit auf höherem Niveau repräsentiert und somit auch sehr anspruchsvoll ist. Zudem erwerben die Schüler im Idealfall Fachsprache. Schüler, die sich gegenseitig unterrichten, müssen eine klare Vorstellung vom Lerninhalt entwickeln, den sie darlegen und ihrem Partner mündlich vermitteln.129 Lernen wird somit auch als sozialer Prozess gesehen, in dem die Schüler durch vielfältige Auseinandersetzung mit anderen Wissen und Kompetenzen erwerben. Zudem ist die Kommunikation ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen, das im Unterricht oft zu Störungen führt. Dadurch, dass das Kooperative Lernen die Kommunikation fördert und in der strukturierten Kleingruppensituation in gelenkte Bahnen bringt, soll das Bedürfnis nach Interaktion mit Gleichaltrigen positiv und konstruktiv genutzt und die daraus resultierenden Unterrichtsstörungen gleichzeitig reduziert werden. Die Qualität der Schülerbeiträge dürfte ebenfalls zunehmen, da sich die Schüler gegenseitig stützen und verbessern, Zeit zum Überlegen haben und im Austausch eigene Gedanken weiterentwickeln. Dadurch, dass die Schüler sich immer wieder austauschen, werden bewusst und geplant Situationen geschaffen, in denen Schüler sich gegenseitig Lerninhalte beibringen. Sie helfen sich gegenseitig und bilden so eine unterstützende Gemeinschaft („Community of Practice“), die das Leistungsniveau jedes Einzelnen heben soll. Lernen durch Lehren wirkt erwiesenermaßen sehr nachhaltig. Ferner machen die Schüler die wichtige Erfahrung, dass gemeinsam entwickelte Ideen und Gedanken helfen, eine gestellte Aufgabe oder ein Problem leichter zu lösen.130 Das Kooperative Lernen mit der Grundlage des sogenannten 129 130 BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 45. Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 33 u. 95. 45 „Dreischritts“ ermöglicht somit im Idealfall anspruchsvollere Lernleistungen.131 Dadurch, dass (beziehungsweise wenn) die Schüler gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten und sich gegenseitig unterstützen, haben sie mehr Aussicht auf Erfolg, was zu positiven Unterrichtserfahrungen und Zufriedenheit führt. Durch das Prinzip des Dreischritts gewinnt die Lehrkraft ebenfalls an Raum für die Hinwendung zu einzelnen Schülern. In den Phasen der Einzelarbeit und Kooperation sollte der Lehrkraft nämlich mehr Zeit bleiben, sich einzelnen Schülern und ihren Fragen und Problemen zuzuwenden. Die Möglichkeit besteht im fragendentwickelnden Unterricht sicherlich kaum. Insgesamt werden die Schüler zunehmend mit einem wirksamen Ablauf des Lernens vertraut gemacht, der ihnen selbst und der Gruppe zugute kommt. Die sich aus dem Dreischritt ergebende Ritualisierung ist ebenfalls positiv, da sie den Schülern häufig Sicherheit gibt.132 Des Weiteren bietet der sogenannte „Dreischritt“ eine universelle Struktur für den Unterricht und ist vielseitig einsetzbar, da er einerseits den Ablauf einer mehrstündigen Sequenz strukturieren, andererseits aber auch als Element zu Beginn der Stunde genutzt werden kann und die Aufmerksamkeit aller Schüler auf ein Thema richtet.133 V. 1. 5) Das Placemat-Verfahren Um dem „Dreischritt“ eine Struktur zu geben und den Schüler die Arbeit zu erleichtern, indem die kooperativen Arbeitsabläufe strukturiert werden, Ergebnisse wirksam verglichen und zusammengetragen werden können, bietet sich der Forschungsliteratur zufolge das sogenannte „Placemat-Verfahren“ an. Kersten Reich nennt diese in seinem Methodenpool konstruktivistisch und zählt sie zu den „kleinen Methoden“. Es handelt sich eher um eine Technik.134 Hierbei erhält jede Gruppe einen großen Bogen aus Papier und teilt diesen so auf, dass jeder Schüler ein eigenes Feld vor sich hat und in der Mitte ein Feld für das Gruppenergebnis frei bleibt. Die persönlichen Felder geben den Schülern die Möglichkeit, ihre Gedanken oder Ergebnisse, die sie in der Einzelarbeit entwickelt 131 Vgl. BAURMANN, Jürgen: Kooperatives Lernen im Unterricht. In: Praxis Deutsch, S. 6. Vgl. Ebd., S. 7. 133 Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 15 u. 20. 134 http://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/didaktik/frameset_uebersicht.htm (Stand: 28. April 2012). 132 46 haben, zu notieren. Das Mittelfeld dient dazu, das gemeinsame Gruppenergebnis festzuhalten. Dieses Verfahren könnte sich als wirksam erweisen, da es einerseits zu intensiven Austauschphasen führen kann, weil es den Wechsel von Denken und Austauschen für die Schüler anschaulich werden lässt. Allerdings muss sich der Schüler auch darauf einlassen. Andererseits betont das persönliche Feld, dass jeder Schüler für sich arbeiten soll. Das gemeinsame Feld in der Mitte verdeutlicht, dass das Ziel darin besteht, miteinander zu einem Gruppenergebnis zu kommen, und es bringt die Schüler dazu sich vorzubeugen, so dass der Austausch auch körperlich sichtbar wird und sie nur leise miteinander zu sprechen brauchen. Zusätzlich macht der Papierbogen die Zusammengehörigkeit der Gruppe besonders sichtbar und soll gleichzeitig motivierend wirken, da er die Aufmerksamkeit zentriert und die Schüler im Idealfall bei der Sache hält. Generell evoziert das Verfahren ebenfalls ein hohes Maß an Mitarbeit, da jeder sofort sieht, wer welche Ideen eingebracht hat und wessen Feld leer ist.135 Die Umsetzbarkeit des Verfahrens wird im praktischen Teil der Arbeit ebenfalls überprüft werden. V. 2) Handlungsorientierte Methoden: Situiertes Lernen Die Theorie des Situierten Lernens, wonach Wissen immer durch einen aktiven Konstruktionsprozess beim Lernenden in einem situativen Kontext erfolgt, steht in einem engen Zusammenhang mit dem Kooperativen Lernen und Arbeiten und wird in der deutschsprachigen Literatur häufig im Kontext der Konstruktivismusdiskussion gesehen. Dementsprechend verortet Kersten Reich sie in seinem konstruktivistischen Methodenpool, ebenso wie das Kooperative Lernen, innerhalb der eher „großen“, handlungsorientierten Methoden.136 Inwiefern beide Modelle in der Praxis tatsächlich sinnvoll miteinander eingesetzt werden können, wird im praktischen Teil der Arbeit reflektiert. V. 2. 1) Begriffserklärung nach Reich Die Ansätze des situierten Lernens kommen wie der Konstruktivismus ebenfalls teilweise aus der kognitiven Lernforschung und beschäftigen sich ebenso mit dem Verhältnis von Wissen und Handeln. Die Grundthese des situierten Lernens ist laut 135 136 Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 26. Vgl. http://methodenpool.uni-koeln.de/uebersicht.html (Stand: 12. April 2012). 47 Kersten Reich „konstruktivistischer und interaktionistischer Art“137 und somit eng mit dem von ihm vertretenen Ansatz verbunden: „Menschliche Kognitionen entstehen zwischen intelligenten Individuen in sozialhistorisch definierten Kontexten, in denen sie miteinander interagieren. Die Situationen, in denen wir als Lehrer stehen, werden damit sehr wichtig.“138 In dieser Grundthese spiegeln sich die zwei Hauptbestandteile des situierten Lernens wider: Die sozialhistorisch definierten Kontexte einerseits und andererseits die Interaktion. Reich weist darauf hin, dass es für das Lernen entscheidend ist, dass man einen angemessenen Handlungsrahmen findet, aus dem heraus Handlungen situativ entstehen können. Nur dann erhalten sie Sinn und Geltung. Die situierte Kognition macht zudem darauf aufmerksam, dass das Lernen durch die Einflüsse in einer sozialen Gruppe bestimmt wird. Insofern ist es didaktisch notwendig, dass Lerner in einer gemeinsamen Praxis miteinander interagieren. Man muss eine sogenannte „Community of Practice” (d.h. Gemeinschaft von Praktikern; CoP) schaffen. Des Weiteren erscheint es als sinnvoll, Lernsituationen herzustellen, die einerseits an die Lernerfahrungen der Lerner anschließen, andererseits aber auch Herausforderungen darstellen. Ein weiterer wichtiger Faktor betrifft das Abspeichern von Informationen. Ereignisse, Informationen und Erinnerungen sind aus der Sicht der situierten Kognition nur dann erfolgreich abgespeichert, wenn diese stets in Verbindung mit Aktivitäten, die situativ ablaufen, in Verbindung gebracht worden sind.139 Krapp und Weidenmann fassen das Ziel des situierten Lernens prägnant in wenigen Worten zusammen: „Ziel situierter Lernumgebungen ist es, dass die Lernenden nicht nur neue Inhalte verstehen und die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten flexibel anwenden können, sondern darüber hinaus Problemlösefertigkeiten und andere kognitive Strategien entwickeln und selbstorganisiert zu lernen vermögen.“140 Bekannte Ansätze zum situierten Lernen sind die Anchored Instruction, die Cognitive Apprenticeship, das Problem Based Learning, das Cognitive Flexibility-Ansatzes, das Collaborative Learning und die Metakognition. Insofern gehören die „Comunities of Practice“ im Sinne einer Interaktion der Lerner in einer gemeinsamen Praxis genauso 137 REICH, Kersten: Konstruktivistische Didaktik, S. 207. Vgl. Ebd., S. 207. 139 Vgl. Ebd., S. 208-209. 140 REINMANN, Gabi / MANDL, Heinz: Unterrichten und Lernumgebungen schaffen. In: Krapp, Andreas / Weidenmann, Bernd (Hrsg.): Pädagogische Psychologie., S. 627. 138 48 zu einer guten Lernumgebung wie ein kooperatives Unterrichtsklima und eine insgesamt auf Eigenaktivität und Selbstbestimmung ausgelegte Didaktik.141 V. 2. 2) Theorie des Situierten Lernens nach J. Lave und E. Wenger Jean Lave und Etienne Wenger veröffentlichten 1991 das vielbeachtete und recht theoretische Werk „Situated Learning. Legitimate peripheral participation“. Der englischsprachige Raum nimmt in der Forschung zum situierten Lernen („Situatedness“) eine Vorrangstellung ein, stellt selbst jedoch kaum einen Bezug zum Konstruktivismus her. In ihrem Werk vollziehen Lave und Wenger einen Paradigmenwechsel vom Lernen als kognitivem Prozess über das Situierte Lernen als Handlung eines Individuums in einer bestimmten Situation hin zu einer Sichtweise von Lernen als einer Handlung, die der sozialen Praxis grundsätzlich untergeordnet ist: „The notion of situated learning now appears to be a transitory concept, a bridge, between a view according to which cognitive processes (and thus learning) are primary and a view according to which social practice is the primary, generative phenomenon, and learning is one of its characteristics.“142 Diesen Prozess bezeichnen sie dann als „legitimate peripheral participation“.143 Des Weiteren prägen sie den Begriff der „Community of Practice“. Wenger fordert demnach, das Lernen in den Kontext unser täglichen Lebenserfahrungen zu stellen.144 V. 2. 2. 1) Legitimate peripheral participation – Eine Begriffserklärung Der von Lave und Wenger gewählte Begriff setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen. Einerseits wird die Legitimität („legitimate“) der Teilhabe an Gemeinschaften („participation“) betont, wobei dies nicht nur eine Bedingung für das Lernen, sondern ein entscheidendes Element für die Auswahl des Lerninhalts ist: „The form that the legitimacy of participation takes is a defining characteristic of ways of belonging, and is therefore not only a crucial condition for learning, but a 141 Vgl. http://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/didaktik/situierteslernen/frameset_situiertnetz.html (Stand: 12. April 2012). 142 LAVE, Jean / WENGER, Etienne: Situated learning. Legitimate peripheral participation. Cambridge University Press. Cambridge 1991, S. 34. 143 Vgl. Ebd., S. 32-37. 144 Vgl. WENGER, Etienne: Communities of practice. Learning, meaning, and identity. Cambridge University Press. Cambridge 1998, S. 3. 49 constitutive element of its content.“145 Der Begriff „peripheral“ verdeutlicht, dass es mehrere unterschiedliche Möglichkeiten gibt, an einer Gemeinschaft teilzuhaben und mitzuwirken. Der Perspektivwechsel ist ein wichtiger Bestandteil jedes Lernprozesses, jeder Identitätsentwicklung und jeder Form von Mitgliedschaft.146 Wichtig ist, dass Lave und Wenger ihr Konzept der „legitimate peripheral participation“ nicht als Methode oder pädagogisches Konzept sehen, sondern als analytische Sichtweise auf das Lernen und als Möglichkeit, das Lernen zu verstehen.147 V. 2. 2. 2) Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt – zwischen Individuum und Welt Die Theorie des Lernens als sozialen Praxis widerspricht bisherigen Erklärungsmodellen zum Lernen, die das Lernen als Prozess beschreiben, bei dem der Lernende Wissen verinnerlicht, indem er es entdeckt, es ihm von anderen vermittelt wird oder er es in Interaktionen mit anderen „erfährt“. Diesen bisherigen Erklärungsmodellen liegen die Prinzipien der Übertragung und Angleichung von Wissen zugrunde.148 Aus der Sicht des situierten Lernens bedarf das Lernen der Aushandlung von Bedeutung in der Situation und der Aushandlung in sozialen Bedingungsgefügen. Insofern konstruieren sich die Menschen ihre Welt in einer in einem sozialen Kontext befindlichen Praxis: „Learning as internalization is too easily construed as an unproblematic process of absorbing the given, as a matter of transmission and assimilation.“149 Bei dieser Form des Lernens findet ein Aufbau, eine Ausweitung und eine Änderung von Identität statt, denn das Individuum steht bei der Bedeutungsaushandlung in einer Wechselwirkung mit dem sozialen Kontext, in dem es sich befindet: „The person ist defined by as well as defines these relations.“150 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Ziel des Lernens für die Lernenden nicht in der Kenntnis eines bestimmten Fachwissens und im Beherrschen bestimmter Fertigkeiten besteht, sondern die Teilhabe an der „Community of Practice“ wird zum 145 LAVE, Jean / WENGER, Etienne: Situated learning, S. 35. Vgl. Ebd., S. 36. 147 Vgl. Ebd., S. 40. 148 Vgl. Ebd., S. 47. 149 Ebd., S. 47. 150 Ebd., S. 53. 146 50 eigentlichen Ziel des Lernens. Der Lerngegenstand und das Fachwissen sind dabei nur der Weg zum Ziel an der Teilhabe am sozialen Leben. So gesehen stellen „Communities of Practice“ einen Grund zum Lernen dar und motivieren das Individuum, sein Wissen und seine Fähigkeiten im Austausch mit anderen zu erweitern.151 V. 2. 2. 3) Community of Practice Laut Wenger sind Gemeinschaften von Praktikern „groups of people who share a concern or a passion for something they do and learn how to do it better as they interact regularly”152. Grundlegend hält er fest, dass diese Gemeinschaften von Praktikern überall zu finden sind und jeder Mensch mindestens einer solchen Gemeinschaft angehört.153 Wenger zufolge definieren sie sich über drei Dimensionen. Die Mitglieder einer „community of practice“ bilden aufgrund ihres wechselseitigen Engagements und ihres gemeinsamen Handelns („mutual engagement“) eine soziale Einheit sowie eine gemeinsame Praxis. Des Weiteren haben sie inhaltlich ein gemeinsames Vorhaben („a joint enterprise“), das sie weiterentwickeln und immer wieder neu verhandeln. Schließlich entwickelt sich aus dem gemeinsamen und aufeinander bezogenen Handeln ein gemeinsames Repertoire aus Werkzeugen, Artefakten und Routinen.154 Außenstehende erkennen eine „community of practice“ daran, dass sowohl harmonische als auch konfliktreiche Beziehungen zwischen den Mitgliedern aufrecht erhalten werden.155 Des Weiteren gehören gemeinsame und verbindliche Vorgehensweisen ebenso zu den Indikatoren156 wie die schnelle Verbreitung von Informationen und Erneuerungen untereinander157. Die Gespräche der Mitglieder und die Interaktionen bedürfen zudem keiner einleitenden Worte, sondern sind Fortsetzungen fortlaufender Prozesse. Die Gemeinschaft bildet sich aus einem Fluss von Aktivitäten heraus.158 Die Mitglieder einer „community of practice“ finden sich 151 Vgl. LAVE, Jean / WENGER, Etienne: Situated learning, S. 110. http://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/didaktik/communities/frameset_communitiesnetz.html (Stand: 13. April 2012). 153 Vgl. WENGER, Etienne: Communities of practice, S. 6. 154 Vgl. Ebd., S. 73-85. 155 „sustained mutual relationships – harmonious or conflictual“ 156 „shared ways of engaging in doing things together“ 157 „the rapid flow of information and propagation of innovation“ 158 „absence of introductory preambles, as if conversations and interactions were merely the continuation of an ongoing process“ 152 51 ebenfalls sehr schnell zusammen, um ein Problem zu diskutieren.159 Ein weiterer Indikator ist, dass die einzelnen Mitglieder sich einig sind, wer Teil der Gemeinschaft ist.160 Die Identitäten wurden gemeinsam definiert.161 Die Mitglieder wissen ebenso, was andere wissen, was sie tun können, was sie zum gemeinsamen Vorhaben beitragen können162, und sind fähig, die Angemessenheit der Aktionen und Produkte zu beurteilen163. Die Mitglieder einer Gemeinschaft besitzen spezifische Werkzeuge, Repräsentationen und andere Artefakte.164 Sie zeichnen sich durch eine Art „Insiderwissen“ und eine Art Komplizentum aus, da sie gemeinsame Geschichten und Insiderwitze entwickeln. Die Mitglieder einer solchen Gemeinschaft sind ebenso durch wissendes Lachen165 sowie den Gebrauch von Jargons und Abkürzungen, welche die Kommunikation beschleunigen, miteinander verbunden. Sie besitzen auch die Ungezwungenheit, neue zu entwickeln.166 Gewisse Ausdrucksweisen167 ebenso wie ein gemeinsamer Diskurs, der eine bestimmte Weltsicht widerspiegelt, lassen eine Mitgliedschaft in einer spezifischen „community of practice“ erkennen168. Die genannten Indikatoren verdeutlichen, dass die vorher genannten drei Dimensionen einer „community of practice“ zu einem beträchtlichen Grad vorhanden sind.169 Eine besondere Form der „Communities of Practice“ ist die sogenannte „Learning Community“, die gerade für den schulischen Kontext zentral ist. Wenger zufolge ermöglichen es diese Gemeinschaften den Mitgliedern, sowohl neues Wissen zu erwerben, als auch erworbene Erkenntnisse in neues Wissen zu transformieren.170 Diese Formen des Lernens werden durch die enge Interaktion zwischen Erfahrung und Fähigkeiten ermöglicht: „Mutual engagement in a shared practice can thus be an intricate process of constant fine tuning between experience and competence.“171 159 „very quick setup of a problem to be discussed“ „substantial overlap in participants’ descriptions of who belongs“ 161 „mutually defining identities“ 162 „knowing what others know, what they can do, and how they can contribute to an enterprise“ 163 „the ability to assess the appropriateness oft actions and products“ 164 „specific tools, representations, and other artifacts“ 165 „knowing laughter“ 166 „local lore, shared stories, inside jokes, knowing laughter“; jargon and shortcuts to communication as well as the ease of producing new ones“ 167 „certain styles recognized as displaying membership” 168 „a shared discourse reflectiong a certain perspective on the world“ 169 Vgl. WENGER, Etienne: Communities of practice, S. 125 u. 126. 170 Vgl. Ebd., S. 214. 171 Ebd., S. 214. 160 52 Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass das Lernen im Sinn einer „Learning Community“ nicht als reine Ansammlung von Fähigkeiten und Informationen, sondern als ein Prozess der Identitätsentwicklung des Individuums gesehen wird. In diesem Kontext erhält das Lernen Sinnhaftigkeit für den Einzelnen. Es wird deutlich, dass das Lernen sowohl die Idee der Prozesshaftigkeit, also der Umformung von Wissen, als auch der Ortsgebundenheit in Form eines Kontextes, in dem die „identity of participation“ bestimmt wird, in sich birgt. Wenger schlussfolgert aus diesen Erkenntnissen, dass wenn man das Lernen fördern will, man nicht nur die Wissensaneignung unterstützen sollte, sondern auch einen Ort zur Verfügung stellen sollte, in dem neues Wissen in Gestalt einer solchen Identität entstehen kann. Genauso wichtig für das erfolgreiche Lernen ist, dass solche Gemeinschaften sowohl an die Vergangenheit und das bestehende Wissen des Individuums anknüpfen, als auch Perspektiven für die Zukunft ermöglichen.172 Schlussfolgernd hält Wenger fest: „What makes information knowledge – what makes it empowering – is the way in which it can be integrated within an identity of participation. When information does not build up to an identity of participation, it remains alien, literal, fragmented, unnegotiable. It is not just that it is disconnected from other pieces of relevant information, but that it fails to translate into a way of being in the world coherent enough to be enacted in practice. Therefore, to know in practice is to have a certain identity so that information gains the coherence of a form of participation.”173 172 173 Vgl. WENGER, Etienne: Communities of practice, S. 215. Ebd., S. 220. 53 54 VI) Kooperatives Lernen im Deutschunterricht einer 5e VI. 1) Unterrichtsvoraussetzungen Das Unterrichtsmodell „Kooperatives Lernen“ wurde auf einer 5e Moderne umgesetzt. Die Klasse besteht aus 21 Schülern, 12 Mädchen und 9 Jungen. Zwei Schüler wiederholen die Klassenstufe. Die Klasse wird wöchentlich in 3,5 Stunden in Deutsch unterrichtet, wobei es eine Unterrichtseinheit von 75 Minuten gibt, die dem Kooperativen Lernen und Arbeiten aufgrund ihrer Länge besonders entgegen kommen sollte. Die übrigen Unterrichtseinheiten bestehen aus 50 Minuten, was hoffentlich nicht zu allzu großen Schwierigkeiten bei der Planung und Umsetzung des Unterrichtsprojektes führt. Da ich die Klasse bisher noch nicht unterrichtet habe, allerdings gleich mit der Umsetzung des Kooperativen Lernens anfangen möchte, habe ich die Schüler in einem zu Beginn des Schuljahres ausgeteilten Fragebogen nach ihren Erfahrungen mit Gruppenarbeit befragt.174 Ziel dieses Fragebogens ist es, die Arbeitsvoraussetzungen zu erkunden, das heißt, herauszufinden, inwiefern sie schon Erfahrungen mit Gruppenarbeit gemacht haben, ob sie der Arbeit in Gruppen gegenüber generell aufgeschlossen sind oder eher abgeneigt reagieren. Die Auswertung des Fragebogens ergab, dass die meisten Schüler schon sehr häufig in Gruppen zusammengearbeitet haben und den Gruppenunterricht gegenüber lehrerzentriertem Unterricht bevorzugen.175 Sie begründeten ihre Entscheidung damit, dass Gruppenunterricht mehr Spaß mache und interessanter sei und dass man die Möglichkeit habe, sich gegenseitig zu helfen und zu motivieren. Außerdem rege Gruppenunterricht dadurch, dass jeder mitdiskutieren und seine Meinung äußern könne, zu einer aktiveren Teilnahme am Unterrichtsgeschehen an und ermögliche es vor allem auch schüchterneren und unsichereren Schülern, ihre Meinung zu äußern. Die Schüler sahen weitere Vorteile darin, dass man während des Gruppenunterrichts mehr von den anderen lernt und selbstständiger wird. Andere genannte Vorteile des Gruppenunterrichts sind die Möglichkeit der Zusammenarbeit, also das Aufteilen der Arbeit sowie der Verantwortung, der Austausch untereinander und der Umgang (also vermutlich die Kommunikation) miteinander. Andere interessante Aussagen sind, dass man neue Freundschaften schließt, Teamgeist entwickelt, Respekt lernt und 174 175 Siehe Anhang 3 Frage- und Reflexionsbögen, S. 132-133. Siehe Anhang 6 Evaluation (tabellarische Übersicht), S. 264. 55 gemeinsam Erfolg hat. Erste theoretische Annahmen der konstruktivistischen Didaktik scheinen sich in diesen Meinungsäußerungen und Erfahrungen der Schüler bereits zu bestätigen. Natürlich äußerten auch einige Schüler Bedenken, da Gruppenarbeit oftmals aufgrund unterschiedlicher Meinungen in Streit und Chaos ende, einige Schüler nicht mitarbeiten würden und die Gruppen oft desorganisiert seien. Einige haben auch schon die Erfahrung gemacht, dass man durch die Arbeit in der Gruppe zu sehr von der Aufgabe abgelenkt wird und somit kaum Erfolg hat. Andere Schüler stört zudem, dass oftmals ein Gruppenmitglied das Handeln der Gruppe allein bestimme, dass man von anderen abhängig sei und dass der Respekt der Gruppen untereinander oftmals fehle, so dass der Lärmpegel zu laut für konzentriertes Arbeiten sei. Eine weitere Befürchtung besteht darin, dass man in der Gruppe „Wichtiges übersieht“. Diese Angaben bestätigen die allgemeinen Forschungsergebnisse zu den Vor- und Nachteilen der Gruppenarbeit, und ich kann voraussetzen, dass alle Schüler schon regelmäßig in irgendeiner Form mit anderen zusammengearbeitet und dementsprechend vermutlich zumindest auch schon ansatzweise Kompetenzen in diese Richtung entwickelt haben. Insgesamt scheinen die Schüler der Gruppenarbeit sehr positiv gegenüber zu stehen, doch wird sich zeigen müssen, wie dies in der Realität aussehen wird. Zudem dienen mir die Angaben als Gesprächsgrundlage, um das Kooperative Lernen einzuführen und um die Schüler für die Vorteile des Kooperativen Lernens gegenüber der traditionellen Gruppenarbeit zu sensibilisieren. Die Frage, ob die Schüler sich durch die Gruppenarbeit stärker am Unterrichtsgeschehen beteiligt und selbstständiger gearbeitet haben, wurde genauso oft bejaht wie auch verneint. Allerdings gaben diese jeweils mehrheitlich an, sich für den Erfolg der Gruppe verantwortlich gefühlt (18) und etwas durch die Gruppenarbeit hinzugelernt zu haben (17). Es wird interessant sein, die gleichen Fragen noch einmal nach der Phase des Kooperativen Lernen und Arbeitens zu stellen, um eine mögliche Entwicklung und / oder Veränderung in der Haltung der Schüler aufzuzeigen. In einem Gespräch mit dem Deutschlehrer des letzten Schuljahres habe ich des Weiteren erfahren, dass die Klasse größtenteils im Unterricht zwar gut mitarbeitet und auch aufgeschlossen, mehrheitlich allerdings recht lernfaul ist, so dass oftmals nur mittelmäßige Resultate erzielt werden. Gerade diese Tatsache sehe ich als große Herausforderung, da die theoretischen Betrachtungen zeigen, dass das Gelingen des 56 Kooperativen Lernen und Arbeitens sehr stark von einer positiven Haltung sowie der Mitarbeit der Schüler abhängig ist. VI. 2) Methodische und didaktische Vorüberlegungen176 Das Ziel des praktischen Teils der vorliegenden Arbeit besteht nun darin, im Vorfeld theoretisch betrachtete konstruktivistische Unterrichtsformen und damit verbundene Methoden zu erproben und zu evaluieren, inwiefern diese die Kompetenzen der Schüler im Fach Deutsch fördern und festigen können. Während die ersten beiden Jahre an einem „Lycée“ (7e / 6e – 7e / 8e) sicherlich der Eingewöhnung an das neue Schulumfeld, dem gegenseitigen Kennenlernen der Schüler einer Klasse und Jahrgangsstufe sowie dem Erwerb der notwendigen sozialen Kompetenzen und fachlicher Grundkenntnisse und -kompetenzen gewidmet werden müssen, bietet die Klassenstufe der 5e / 9e erstmals die Möglichkeit, sowohl das in den vorherigen Jahren erworbene Wissen sowie die angeeigneten Kompetenzen, Lern- und Arbeitsmethoden in einer größeren Arbeit zu erproben und umzusetzen, um somit den Zyklus dieser drei ersten Jahre abzuschließen, bevor die Schüler weiterorientiert werden. Gerade in Hinblick auf die derzeit diskutierte „travail d’envergure“ auf 2e erscheint solch ein vorbereitendes Projekt sinnvoll, da die Schüler schrittweise an eine solche Arbeit und die damit verbundenen Anforderungen herangeführt werden müssen. Das Projekt erstreckt sich über die ersten beiden Trimester des Schuljahres 2011 / 2012 und wird am Lycée du Nord in Wiltz durchgeführt. Da die Schüler noch nicht mit dem Kooperativen Lernen und Arbeiten vertraut sind, müssen sie erst langsam auf das effektive Lernen in Kleingruppen vorbereitet werden. Insofern gliedert sich die praktische Umsetzung des Unterrichtsmodells in eine Einführung und vier nachfolgende Phasen, die in ihrem Anspruch an die Schüler steigernd angelegt sind. Es wird nach jeder Phase eine Evaluationsrunde durchgeführt, um die Metakognition und die Reflexivität der Schüler anzuregen sowie die erworbenen Erkenntnisse gleich in die Planung der nachfolgenden Phasen einfließen lassen zu können. Die ersten zwei Phasen dienen der Einführung und Festigung der fünf Basis-Elemente des Kooperativen Lernens und Arbeitens177 sowie des Dreischritts, der allen Partner- 176 Ein tabellarischer Überblick über das Projekt sowie die angestrebten Ziele findet sich in Anhang 1, S. 116-129. 57 und Gruppenarbeiten zugrunde liegt. Beim Dreischritt wird darauf geachtet, dass die Stillarbeiten möglichst als Hausaufgabe erfolgen. Die Austauschphasen sind zudem zeitlich recht knapp bemessen, damit die Schüler konzentriert bei der Arbeit bleiben. Im Anschluss wird jeweils eine gemeinsame Lösung im Heft festgehalten. Ergänzend zum Dreischritt wird punktuell das Placemat-Verfahren eingesetzt. Es werden zunächst klassische Methoden und den Schülern bereits bekannte Methoden aus Reichs konstruktivem Methodenpool wie Einzelarbeit, Partnerarbeit und Gruppenarbeit eingesetzt, da meiner Auffassung nach erst einmal die „Rahmenbedingungen“ stimmen müssen, bevor Inhalt transportiert und angewandt werden kann. Neu hinzu kommt in der zweiten Phase die „Gruppenanalyse“, die in angepasster Form in der ersten Partnerarbeit dieser Phase übernommen wird. Bei dieser Methode setzen sich die Schüler schreibend mit einer Frage auseinander und können schreibend aufeinander reagieren und Bezug nehmen, so dass alle Gruppenmitglieder die Möglichkeit haben, eine Stellungnahme zu der Fragestellung abzugeben.178 In der dritten Phase kommt die Methode „Gruppen-Experten-Rallye“, die ebenfalls Grundlage der vierten Phase sein wird, neu hinzu. Es handelt sich hierbei laut Kersten Reich um eine der „großen“, handlungsorientierten Methoden des kon- struktivistischen Methodenpools: „Die Gruppen-Experten-Rallye ist eine Methode, bei der Lernende gleichzeitig auch als Lehrende agieren. Es werden Stamm- und Expertengruppen gebildet, wobei die Lerner sich erst eigenverantwortlich und selbstständig in Gruppenarbeit exemplarisch Wissen über einen Teil des zu bearbeitenden Themas erarbeiten, welches sie dann in einer nächsten Phase ihren Mitlernern in den Stammgruppen vermitteln. Alle erarbeiten sich so ein gemeinsames Wissen, zu dem jeder einen Beitrag leistet, so dass eine positive gegenseitige Abhängigkeit (Interdependenz) entsteht, wobei alle Beiträge wichtig sind. Wesentlich an der Methode ist es, dass jeder Lerner aktiv (d.h. in einer Phase auch zum Lehrer) wird. [...]“179 Auch im Bereich des Lernstoffes findet eine Steigerung statt, da in der ersten Phase zunächst eine kleine Wiederholung des Stoffes der 6. Klasse erfolgt, damit die Schüler sich zunächst stärker auf die Sozialziele und die neue Arbeitsweise konzentrieren können, ohne gleichzeitig einen völlig neuen Unterrichtsstoff erarbeiten 177 Zu den fünf Basis-Elementen gehören die Sozialkompetenzen, die Face-to-Face-Interaktion, die persönliche Verantwortung, die positive gegenseitige Abhängigkeit und die Evaluation / Reflektion. 178 Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 95. 179 http://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/didaktik/rallye/frameset_rallye.html (Stand : 12. Mai 2012). 58 zu müssen. In der zweiten Phase arbeiten die Schüler mit den Kurzgeschichten erstmals an einem völlig neuen Thema. Der Anspruch an die Schüler wird somit gesteigert, da sie sich in der ersten Phase mit grammatischen Phänomenen beschäftigt haben, während sie nun ganze Texte untersuchen müssen. Da es sich um Kurzgeschichten handelt, ist die Länge jedoch überschaubar. In der dritten Phase erfolgen die Gruppenarbeiten zu einem Werk der Gegenwartsliteratur180, dem Roman „Der Richter und sein Henker“, so dass durch den Umfang des Werkes eine weitere Steigerung der Schwierigkeit vorliegt In den ersten zwei Phasen bearbeiten alle Schüler in Partnerarbeit zudem die gleiche Aufgabenstellung, da dies weniger komplex ist. Sie müssen sich somit auf ein gemeinsames Ergebnis einigen, indem sie ihre Lösungen vergleichen und diskutieren. Die Ergebnisse der Teams können so leichter miteinander verglichen und gegebenenfalls korrigiert und erweitert werden. Des Weiteren erleichtert die Arbeit in Zweierteams den Schülern den Einstieg in das Kooperative Lernen, da sie sich dann nur auf eine(n) Schüler(in) konzentrieren müssen und die Redebeiträge sowie die Informationsfülle reduziert werden.181 Zudem kann zwischen zwei Schülern schneller Nähe und Vertrautheit aufgebaut werden als in der Kleingruppe und die Partnerarbeit bietet die Möglichkeit zu einem intensiveren Austausch.182 Diese Gruppierung ist insbesondere auch in der Phase der Implementierung des Kooperativen Lernens und Arbeitens, wenn Zusammenarbeit und soziale Interaktionsfertigkeiten gelernt und eingeübt werden sollen, günstig.183 Über die Partnerarbeit soll die Gruppenarbeit der Phasen 3 und 4 in Gang gesetzt werden. Durch die Arbeit in Gruppen wird der für konstruktivistische Lernumgebungen wesentliche Faktor der multiplen Perspektiven noch besser gewährleistet als bei der Partnerarbeit. Ich verzichte aufgrund der geringen zur Verfügung stehenden Zeit und der Tatsache, dass die Schüler sich schon seit drei Jahren kennen, auf weitere teambildende Maßnahmen. Die Tatsache, dass die Schüler sich zunächst einen Arbeitspartner auswählen dürfen, mit dem sie zusammenarbeiten, dem sie vertrauen und den sie mögen, soll ihnen den Einstieg 180 Vgl. www.men.lu: horaires et programmes : enseignement secondaire : division inférieure : 5e moderne, S. 2 (Stand : 12. Mai 2012). 181 Zur Zusammensetzung der Gruppen und zur Namensgebung, siehe Anhang 2, S. 130-131. 182 Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 60. 183 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 137. 59 ebenfalls erleichtern und sie zusätzlich motivieren. In der zweiten Phase wird den Schülern dann durch ein Losverfahren ein Partner zugeteilt.184 Die vierte Phase unter dem Titel „Rund um Zeitungen“ beginnt mit dem zweiten Trimester und stellt den Höhepunkt des Projektes dar, da mit dem „GruppenExperten-Rallye“ die „Königsmethode“185 des Kooperativen Arbeitens ausführlich angewandt und erprobt wird. Es wird erstmals eine komplette Unterrichtseinheit erarbeitet, in der die Probleme und das zu erwerbende Wissen wie von den konstruktivistischen Lernumgebungen verlangt in einen größeren Kontext eingebettet wird. Es werden multiple Anwendungskontexte geschaffen, um den flexiblen Umgang mit dem erworbenen Wissen zu fördern. In dieser Phase des Kooperativen Lernens werden leistungsheterogene Gruppen durch die Lehrkraft zusammengestellt, da sich erhofft wird, dass sich Schüler mit unterschiedlicher Leistungsstärke besonders anregen.186 Indem leistungsstärkere Schüler leistungsschwächeren Schülern Dinge erklären, verstehen sie das, was sie erklären, oft besser oder erkennen, dass sie doch nicht alles verstanden haben. Leistungsstärkere Schüler haben zudem die Möglichkeit, ihre soziale Kompetenz zu stärken. Der Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass Schüler manchmal etwas besser verstehen, wenn Mitschüler ihnen etwas erklären, weil diese noch näher an den Verstehensproblemen als die Lehrer sind und eher ihre Sprache sprechen.187 Da die vorliegende Arbeit großen Wert auf eine praxisorientierte Position des Lehrens und Lernens legt, beruhen alle Unterrichtsreihen auf einer Kombination von Phasen der Instruktion durch die Lehrkraft sowie Phasen der Konstruktion, da ein guter Unterricht auf dem Wechsel von verschiedenen Unterrichtsmethoden, vor allem von unterschiedlichen sowohl lehrer- als auch schülerdominierten Unterrichtsformen, beruht. Beide Vorgehensweisen sollen in Kombination miteinander ergänzend wirken. Da die Schüler beim Lehrervortrag die vorgestellten Informationen nicht aktiv verarbeiten und mit ihren eigenen Wissensstrukturen verbinden können, erinnern sie sich oftmals nur an bestimmte Einzelheiten und erkennen die dargestellten Zusammenhänge nicht ausreichend. Der Frontalunterricht in Form des Lehrervortrags ist jedoch wesentlich, um den Schülern zunächst einmal grundlegende Informationen zu einem Thema oder Phänomen vermitteln zu können, Aufmerksamkeit herzustellen 184 Zur Zusammensetzung der Gruppen und zur Namensgebung, siehe Anhang 2, S. 130-131. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 118. 186 Zur Zusammensetzung der Gruppen und zur Namensgebung, siehe Anhang 2, S. 130-131. 187 Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 124. 185 60 und Wissensvoraussetzungen zu aktivieren. In der darauffolgenden kooperativen Phase können dann Verbindungen hergestellt werden. Vorträge gelten somit als Ausgangspunkt intensiver Lernprozesse.188 Wird der Frontalunterricht in Form des Lehrervortrags jedoch zu lange und zu einseitig praktiziert, nimmt die Lernfreude bei den Schülern ab. Außerdem ist der Lehrervortrag wenig geeignet für die Förderung des selbständigen Arbeitens, kooperativen Problemlösens sowie kreativen Denkens.189 Wenn man den Frontalunterricht nun durch kooperative Arbeitsformen ergänzt, soll erreicht werden, dass die Schüler zur Verarbeitung der neuen Informationen angeregt werden. Demnach bietet sich ein Wechsel von Instruktion und Kooperation an.190 VI. 3) Angestrebte Ziele Im Verlauf des Unterrichtsprojektes werden, wie beim Kooperativen Lernen und Arbeiten vorgesehen, sowohl soziale als auch fachliche Ziele verfolgt. Während die fachlichen Ziele und Kompetenzen je nach Unterrichtsthema variieren, bleiben die angestrebten Sozialziele die gleichen. Gemäß dem Kooperativen Lernen und Arbeiten werden die Sozialziele und die Fachziele durchweg gleichwertig gefördert. VI. 3. 1) Sozialziele Die sozialen Ziele setzen sich aus den fünf Basis-Elementen des Kooperativen Lernens und Arbeitens zusammen. Die Schüler festigen ihre sozialen Kompetenzen, indem sie ... - den höflichen Umgang miteinander üben. - das Einhalten einer angemessenen Lautstärke einüben. - lernen, dem Gesprächspartner aktiv zuzuhören. - üben, den Gesprächpartner aussprechen zu lassen. - sich das Geben von positivem Feedback aneignen. Da sich im Verlauf der ersten Phase zeigte, dass die Kompetenzen „aktiv zuhören“, „positives Feedback geben“ und „bei der Aufgabe bleiben“ den Schülen die meisten Schwierigkeiten bereiteten, wurden diese in den folgenden drei Phasen des Unterrichtsprojektes intensiver eingeübt. Die drei genannten Sozialkompetenzen sind zentral, da sie einen wesentlichen Unterschied zur traditionellen Gruppenarbeit 188 Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 84. Vgl. NÜRNBERGER PROJEKTGRUPPE. Erfolgreicher Gruppenunterricht, S. 14. 190 Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 84. 189 61 darstellen. Phasen der Instruktion und des fragend-entwickelnden Unterrichts eignen sich besonders zur Einübung und Festigung dieser Kompetenzen, da die Schüler die Kompetenzen beim Vorlesen und Besprechen der Hausaufgaben einüben können. Hierbei werden die Kompetenzen unter meiner Anleitung geübt, indem ein Schüler jeweils die wesentlichen Ideen der vorgetragenen Hausaufgabe kurz wiedergeben muss. Danach benennt ein weiterer Schüler zunächst einmal die positiven Aspekte der Hausaufgabe, bevor Kritik geübt wird und Verbesserungsvorschläge gemacht werden. Ich lasse ebenfalls das Gesagte nach Lehrervorträgen regelmäßig zusammenfassen. In den späteren Phasen wählen die Schüler jeweils eine Sozialkompetenz aus, an der sie mit ihrem Team gezielt arbeiten. Die Schüler ... - üben das Einnehmen einer Sitzordnung, welche die Face-to-Face-Interaktion begünstigt. - erfahren ihre persönliche Verantwortung, indem der persönliche Beitrag eines jeden Schülers für den Lehrer und alle anderen sichtbar auf dem Placemat festgehalten wird, so dass für alle erkennbar wird, ob und wie sich die einzelnen Schüler aktiv beteiligt haben. Wichtig ist, dass kein Schüler sich hinter der Arbeit des Teampartners verstecken kann und dass deutlich wird, wie gründlich die einzelnen Schüler in der Einzelarbeit gearbeitet haben. Des Weiteren wird jeweils per Zufall ein Mitglied des Teams aufgerufen, um die Ergebnisse zu präsentieren191, ich sammele die schriftlichen Arbeiten ein192 und die Fachkompetenz wird in einer abschließenden Klassenarbeit abgeprüft193. Alle Schüler sind demnach angehalten aktiv mitzuarbeiten. - erleben positive gegenseitige Abhängigkeit, indem sich die Teammitglieder eine gemeinsame Identität durch einen Gruppennamen schaffen. Hierbei wird wert darauf gelegt, dass der Anfangsbuchstabe des Vornamens eines jeden Teammitglieds enthalten ist. Dadurch soll im Sinne einer „Community of Practice“ der Aufbau einer Teamidentität gefördert und das Zusammengehörigkeitsgefühl gesteigert werden.194 Des Weiteren arbeiten die Mitglieder eines Teams mit jeder Partner- oder Gruppenarbeit auf ein gemeinsames inhaltliches Ziel hin, wobei die 191 Siehe Partnerarbeiten 1 a) und c). Siehe Partnerarbeit 1 a), b) und c). 193 Siehe Partnerarbeit 1 b) und c). 194 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 124. 192 62 vierte Phase das übergeordnete Ziel ist. Zudem erhält jedes Team nur ein Set für das Placement-Verfahren, das es sich teilen muss. Eine weitere Fördermaßnahme besteht darin, dass die Mitglieder erfolgreicher Teams am Ende des Trimesters bis zu 4 Zusatzpunkte auf dem Trimesterdurchschnitt erhalten können. Schließlich bereiten sich die Schüler ebenfalls gegenseitig auf eine abschließende Klassenarbeit zum Konjunktiv und zu indirekten Rede vor, so dass sie nicht nur Verantwortung für den eigenen Lernprozess, sondern auch für den des Teampartners tragen. In der dritten Phase kommt die Übernahme bestimmter komplementärer Rollen neu hinzu. Die Gruppenmitglieder verteilen unter sich die Rollen des Schreibers, des Zeitwächters, des Lesers und des Wächters über die Einhaltung der sozialen Kompetenzen. Die Rollen wechseln mit jeder Gruppenarbeit, damit jeder Schüler möglichst eine große Anzahl verschiedener Rollen erproben kann.195 Erschwerend wirkt, dass sich die Schüler das zur Verfügung gestellte Material nun in einer Vierer-Gruppe teilen müssen. In der vierten Phase wird das Element gegenseitige positive Abhängigkeit und damit auch die persönliche Verantwortung zusätzlich gewährleistet, indem die Experten jeweils komplementäre Unterthemen aufarbeiten und präsentieren. Die gesamte Gruppe kann nur erfolgreich sein, wenn jedes Gruppenmitglied verantwortlich und zuverlässig seine Teilaufgabe erfüllt. - üben eine Selbstevaluation und geben anderen Feedback. Die einzelnen Phasen enden mit einer formativen Evaluationsphase, in der die Schüler ihre eigenen sozialen Kompetenzen in der Partnerarbeit reflektieren und eine Fremdeinschätzung durch ihren Arbeitspartner erhalten.196 Die Evaluation dient der Lehrkraft ebenfalls als Feedback für den Unterricht, damit sie möglichst schnell auf auftauchende Probleme reagieren und die nachfolgenden Arbeitsphasen gegebenenfalls umändern oder anpassen kann. In dieser ersten Evaluationsrunde reflektieren die Schüler zunächst die Sozialkompetenzen, indem sie eine Einschätzung der eigenen Sozialkompetenzen sowie der Sozialkompetenzen der Partnerin / des Partners vornehmen. Zudem sollen sie darüber nachdenken, welche Sozialkompetenz sie an sich verbessern können, um den eigenen Lernzuwachs und den des Partners noch positiver zu beeinflussen, und halten diese fest. Die Schüler haben ebenfalls die Möglichkeit, einen Wunsch an den Partner zu äußern. 195 196 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 59. Siehe Anhang 3 Frage- und Reflexionsbögen, S. 135-144. 63 Der zweite Teil des Evaluationsbogens reflektiert die gewählten Arbeitsmethoden. Die Schüler denken darüber nach, inwieweit die Zusammenarbeit mit einem Mitschüler die eigene Einstellung zum Unterricht, das eigene Lernen und das Arbeiten sowie die Mitarbeit beeinflusst hat. Es ist ebenfalls zentral, dass die Schüler die Bedeutung des Dreischritts für das eigene Lernen evaluieren. Der dritte und letzte Teil des Evaluationsbogens betrifft das Team. Die Schüler bewerten die Zusammenarbeit im Team und ob sie sich zusammengehörig, also auch für einander verantwortlich gefühlt haben. Hier wird deutlich, ob sich aus Sicht der Schüler eine „Community of Practice“ angebahnt hat. Der Evaluationsbogen sieht ebenfalls einen Platz für abschließende Bemerkungen, Kritiken und Verbesserungsvorschläge der Schüler vor. Die für konstruktivistische Lernumgebungen wichtigen Faktoren Artikulation und Reflexion werden gewährleistet. Abgeschlossen wird die Evaluation durch eine schriftliche Lehrerrückmeldung, die auf Basis der Beobachtungen im Unterricht, der Qualität der Teamarbeiten und der Evaluationsbogen der jeweiligen Teammitglieder erfolgt. Die Schüler sammeln ihre Evaluationsbögen in einem Schnellhefter, um so wie in einem Portfolio ihre eigene Entwicklung aufzuzeichnen und nachvollziehen zu können. Durch die Reflexion sollen die kommunikativen Prozesse innerhalb des Teams weiter vertieft und ein Gespräch über die Arbeit in der Gruppe angeleitet werden. Des Weiteren soll nach jeder Teamarbeit ebenfalls auch auf eine kurze mündliche Evaluationsrunde zurückgegriffen werden. Die Beziehungsseite, also der soziale Kontext mit seinen Beziehungen der Lehrenden untereinander und zu der Lehrkraft, wird demnach gestärkt. VI. 3. 2) Fachliche Ziele Der Deutschunterricht bietet sich zumindest in einer theoretischen Betrachtung aufgrund seiner vielen komplexen Anforderungen und seinem Angebot an vielschichtigen Aufgaben besonders für das Kooperative Lernen an. Die Bildungsstandards zum Fach Deutsch auf einer 5e nennen zahlreiche Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sich auf den ersten Blick hervorragend mit dem Kooperativen Lernen verbinden beziehungsweise üben lassen. 64 Im Fokus nahezu aller Phasen des Projektes197 steht die Kompetenz „Leseverstehen“. Der Kompetenzbereich „Lesefertigkeiten beherrschen“ wird in den Phasen 2 und 3 immer wieder gefördert, indem die Schüler üben ... - ausgewählte, dem Alter und der Jahrgangsstufe angepasste Texte198 in angemessener Zeit still zu lesen und sowohl global als auch in vielen Einzelheiten zu verstehen (PA 2 a, b, c / GA 3 a, b, c / GA 4 b, c) Die Lesetechniken und Lesestrategien werden ebenso in allen Phasen gefestigt, indem die Schüler ihre Strategien und Techniken des Textverstehens erweitern. Sie üben ... - das suchende (PA 1 a / GA 3 b, c) das überfliegende (PA 2 a / GA 3 a / GA 4 b) das genaue (PA 2 b ) und das erschließende (PA 2 c / GA 4 a, c) Lesen von Texten. - Vorwissen zu aktivieren und inhaltsbezogene Hypothesen anzustellen (PA 2 a / GA 4 a). - den Aufbau eines fiktionalen Textes zu erkennen und jeden Gliederungspunkt in einem Satz zusammenzufassen (PA 2 b / GA 3 a). Die Förderung des Leseverstehens erfolgt über den Kompetenzbereich „Literarische Texte verstehen und weiterverarbeiten“. Hierzu werden aufgabenspezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten angewandt, die darin bestehen, dass die Schüler lernen, literarische Texte mit einfachen Verfahren der Textanalyse und Textinterpretation zu erschließen sowie epische Texte199 zu untersuchen und zu interpretieren, indem sie deren Inhalt, Struktur und Figurenkonstellation erfassen. In diesem Sinne lernen und üben die Schüler ... - Merkmale der Textsorte Kurzgeschichte am Text herausarbeiten (PA 2 c). - sprachliche und inhaltliche Einzelbeobachtungen an einem literarischen Text zu einer Gesamtdeutung des Textes zusammenführen (PA 2 c / GA 3 b, c). - handelnde Figuren charakterisieren, ihre Entwicklung aufzeigen (GA 3 b, c). Ein weiterer Bereich der Kompetenz „Leseverstehen“, der gefördert werden soll, ist das Verstehen, das Reflektieren und das kritische Einschätzen von Sachtexten. Dieser Kompetenzbereich wird in der vierten Phase durch Fähigkeiten und Fertigkeiten wie das Verstehen und die Einschätzung der Wirkungsweise altersstufengemäßer, kurzer 197 Lediglich die erste Phase fokussiert schwerpunktmäßig die Kompetenz Sprache untersuchen und Sprache gebrauchen. 198 Hierzu zählen Kurzgeschichten und ein Roman der Gegenwartsliteratur, aber auch Sachtexte in Form von journalistischen Textsorten. 199 Hierzu zählen Kurzgeschichten und ein Roman der Gegenwartsliteratur. 65 oder längerer Sachtexte, der Erschließung von Sachtexten mit den erprobten Verfahren der Textanalyse sowie der Untersuchung kontinuierlicher Sachtexte vorgenommen. Die Schüler lernen und üben ... - zu unterscheiden, ob ein Text sachlich berichtet oder ob der Leser zu etwas überredet oder von etwas überzeugt werden soll (GA 4 c). - journalistische Darstellungsformen (Bericht, Reportage, Interview, Kommentar, Glosse, Rezension) zu unterscheiden und zu bewerten, indem sie die Merkmale der Textart am Text herausarbeiten (GA 4 c). - Informationen zu verknüpfen und somit Zusammenhänge zwischen Texten herzustellen, indem sie die Informationen aus verschiedenen Texten oder Textteilen zusammentragen, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen (GA 4 b). - die wesentlichen Gestaltungsmittel alternativer Sachtexte erkennen und benennen sowie den Zusammenhang zwischen Inhalt und Form deutlich machen (GA 4 b). - wichtige Fachbegriffe zur Untersuchung medial vermittelter Texte (GA 4 b). Neben einer intensiven Förderung der Kompetenz Leseverstehen erfolgt ebenfalls eine kurze Festigung der Kompetenz „Sprache gebrauchen und Sprache untersuchen“. Die Kompetenz wird über den Bereich „Über die Sprache und den Sprachgebrauch nachdenken“ und durch die „Arbeit an Wörtern, Sätzen und Texten“ bearbeitet. Zu den aufgabenspezifischen Fertigkeiten und Fähigkeiten gehört, dass die Schüler sprachliche Formen und Strukturen in ihrer Funktion untersuchen und beschreiben. Sie festigen ... - die Verben in verschiedenen Modi (hier: Konjunktiv) zu erkennen und anzuwenden (PA 1 b). - wörtliche Rede in indirekte Rede umzuwandeln (PA 1 c). Ausführlich wird die Kompetenz „Texte schreiben“ im Verlauf des Projektes gefördert. Insbesondere der Kompetenzbereich „Den Schreibprozess eigenständig planen“ steht aufgrund aufgabenspezifischer Fähigkeiten und Fertigkeiten wie dem Planen von Texten, dem Schreiben eines Textentwurfes, dem Überarbeiten von Texten und dem Bringen von Texten in die Reinschrift im Fokus. Der Bereich „Pragmatisch Schreiben“ wird ebenso weiterentwickelt. Die Schüler üben ... - bei der inhaltlichen Gestaltung eines Textes auf Vorwissen zurückzugreifen (z. B. Allgemeinbildung, Aktualitätswissen ...) (EA 4). 66 - eigene Texte unter Berücksichtigung texttypischer Merkmale verfassen (EA 4). - zusammenhängende, strukturierte [...] Texte zu verfassen und einen Schreibprozess zu planen und zu gestalten. Sie können dabei adressaten- und situationsbezogen schreiben, bei guter Beherrschung der Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung und unter Verwendung eines abwechslungsreichen, altersgemäßen Wortschatzes (PA 2 c / GA 3 b, c / GA 4 c / EA 4). Insbesondere üben sie den Aufbau, den Inhalt und den Stil hinsichtlich der Aufgabenstellung zu überprüfen (z.B. mithilfe von Schreibchecklisten) und den Text entsprechend zu überarbeiten (EA 4). - Texte sprachlich zu überarbeiten. Sie erkennen Rechtschreib- und Grammatikfehler in selbst verfassten Texten und verbessern sie. Dabei wenden sie Strategien der Überprüfung der sprachlichen Richtigkeit und Rechtschreibung an bzw. nutzen die entsprechenden Funktionen von Textverarbeitungsprogrammen und korrigieren auf diese Weise Fehler selbst (EA 4). - Texte zu verstehen und unter Berücksichtigung formaler und sprachlicher Besonderheiten zu analysieren und mit Textstellen zu belegen. Insbesondere üben sie formale und sprachliche Gestaltungsmittel und ihre Wirkungsweisen an Beispielen zu belegen (GA 4 c). - einen Sachtext / literarischen Text selbständig oder mithilfe von Fragen auf Wirkung und Intention hin zu untersuchen und zu bewerten und ihre Darstellungen mit Textstellen zu belegen (GA 4 c). Schließlich wird ebenfalls der Kompetenzbereich „Schreibfertigkeiten beherrschen“ unterstützt, indem die Schüler lernen ... - Texte am PC optisch angemessen zu gestalten (GA 4 c / EA 4). Während des gesamten Projektes wird in allen Partner- und Gruppenarbeiten die Kompetenz „Sprechen, reden und zuhören“ gefördert, indem die Schüler Fertigkeiten und Fähigkeiten wie das sach- und adressatengerechte Weitergeben von Informationen sowie den Austausch von Argumenten und Standpunkten trainieren. Die Schüler üben ... - die Meinungen anderer zu respektieren und im Gespräch auf den anderen einzugehen. - ihren eigenen Standpunkt sachlich darzulegen und zu begründen und sich situations- und adressatenbezogen mitzuteilen. 67 - eigene Interpretationsansätze darzustellen und zu begründen. - Informationen zu beschaffen, adressatenbezogen weiterzugeben und dabei frei vorzutragen (Kurzvortrag). Dazu sollen sie auch Formen der Präsentation und Visualisierung (Handout) sachgerecht einsetzen (GA 4 c).200 Das Kooperative Lernen eröffnet somit im Deutschunterricht authentische Situationen kommunikativen Handelns und deren Analyse201, deren Umsetzbarkeit und Tauglichkeit in der Praxis im Folgenden überprüft wird. VI. 4) Verlauf der Phasen 1 bis 3 Die Einführung In einer kurzen Einführung wird die Klasse mit dem Projekt „Kooperatives Lernen und Arbeiten“ bekannt gemacht und das Funktionieren des Unterrichtsmodells wird in einer Phase der Instruktion durch die Lehrkraft erläutert. Um die Reflexivität der Schüler anzuregen sowie im Hinblick auf ein Nachvollziehen der Entwicklung der Schüler im Laufe des Projektes, füllen sie den im Kapitel VI. 1 bereits ausgewerteten Fragebogen zum Thema „Gruppenarbeit“ aus, so dass ihre bisherigen Erfahrungen deutlich werden. Die Metakognition der Schüler wird ein erstes Mal angeregt. Dann erfolgt die Einführung der für erfolgreichen Gruppenunterricht notwendigen sozialen Kompetenzen. Wichtig ist, dass in dieser Phase ebenfalls Begriffe wie „(soziale) Kompetenz“ und „Sozialziel“ erklärt werden. Da es sich um eine 5e handelt und die gesamte Klasse schon in Gruppen zusammengearbeitet hat, wird diese Einführungsphase recht kurz gehalten. Die Schüler sollten in ihrem Alter schon weitestgehend mit den gesammelten Kompetenzen vertraut sein, so dass diese gefestigt und vertieft werden können. In einem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch werden die für die Zusammenarbeit wichtigen Kompetenzen erfragt und an der Tafel sowie im Ordner der Schüler festgehalten. Zu nennen wären hier beispielsweise: eine angemessene Lautstärke einhalten, einander aktiv zuhören, höflich miteinander umgehen, bei der Aufgabe bleiben, konstruktives Feedback geben, gut mitarbeiten und einander helfen. 200 Die genannten Kompetenzen finden sich : Ministère de l’Education nationale et de la Formation professionnelle, Enseignement secondaire technique (Hrsg.) : horaires et programmes, cycle inférieur, 5e, allemand. ( www.men.lu). (Stand: 12. Mai 2012) 201 Vgl. BAURMANN, Jürgen: Kooperatives Lernen im Deutschunterricht. In: Praxis Deutsch, S. 9. 68 Zusammenarbeit mit einem „Wunschpartner“ (1. Phase) In der ersten Partnerarbeit (PA 1 a) wird jedem Schülerpaar eine Kompetenz zugeteilt, die zuvor in der Einführung genannt wurde, so dass jede Kompetenz zwei Mal vergeben wird. Dies führt dazu, dass mit Kontrollpaaren gearbeitet werden kann, welche die Ergebnisse des ersten Paares ergänzen können, da es mehr Schülerpaare gibt, als dass Kompetenzen vergeben werden. Die Schüler sollen dann mit Hilfe des Dreischritts in Partnerarbeit Konkretisierungs- und Operationalisierungsarbeit mit dem T-Diagramm leisten. Zunächst notiert jeder Schüler selbständig auf einem eigens vorbereiteten Arbeitsblatt in Stichwörtern, inwiefern ein Beobachter verbal (Ich höre) und non-verbal (Ich sehe) wahrnimmt, dass die zugeteilte Sozialkompetenz in einer Gruppe umgesetzt beziehungsweise aber auch nicht umgesetzt wird.202 So können die Schüler zur Kompetenz „einander aktiv zuhören“ beispielsweise notieren, dass man im Fall einer Umsetzung der Kompetenz positive Aussagen wie „gut“ hört, dass nachgefragt wird, dass der Sprecher ermuntert wird und dass vor allem immer nur ein Schüler spricht. Als Beobachter könnte man sehen, dass sich die Teammitglieder dem Sprecher zuwenden und ihn aufmerksam anschauen. Mit Hilfe des PlacementVerfahrens und auf Basis der erfolgten Einzelarbeiten erstellen die Teams in einer zehnminütigen Austauschphase eine gemeinsame Lösung in Form eines Plakats. Abschließend präsentiert jeweils ein Team eine Sozialkompetenz. Das Plenum hat die Möglichkeit, auf das Gesagte zu reagieren und darüber zu diskutieren, wobei insbesondere die Kontrollgruppen gefragt sind, um die vorgestellte Lösung gegebenenfalls noch zu erweitern. Leitfragen der Diskussion sind hier ebenfalls, warum es so wichtig ist, die entsprechende Sozialfertigkeit zu lernen und zu beherrschen, oder wie die Sozialfertigkeit konkret aussieht. Es wird jeweils ein ergänztes TDiagramm in der Klasse aufgehängt. Der Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass später in der Präsentation der Ergebnisse die erstrebenswerten Verhaltensweisen, welche die Schüler in diesem Alter im Prinzip schon kennen, noch einmal konkret benannt und erklärt werden. Die Schüler sollen sich die erarbeiteten Verhaltensweisen im Laufe der Arbeit und insbesondere während der Phasen der Evaluation immer wieder vor Augen führen und ihr eigenes Verhalten am positiven Verhaltensmodell messen, so dass die 202 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 148. 69 kommunikativen Prozesse und damit das Lernen und Arbeiten erleichtert und verbessert werden.203 Vor der zweiten Partnerarbeit (PA 2 b) wird den Schülern dann verdeutlicht, dass nun nicht mehr nur das Einüben der sozialen Kompetenzen im Vordergrund steht, sondern sie sich in Form der Partnerarbeiten ebenfalls gegenseitig auf die nachfolgende Klassenarbeit vorbereiten. Somit wird die für konstruktive Lernumgebungen wichtige Authentizität erstmals angebahnt und es wird ein komplexes Ausgangsproblem gestellt. Die zweite Partnerarbeit der ersten Phase erfolgt im Rahmen einer Wiederholung des Konjunktivs II. Nach einer Auffrischung des Gebrauchs und der Bildung des Konjunktivs II in einem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch, verfasst jeder Schüler eine fiktive Reisebeschreibung auf den Meeresgrund, in der er konditionale Satzgefüge mit dem Konjunktiv II verwenden muss. Allerdings müssen die Schüler vier Fehler im Bereich des Konjunktivs II einbauen.204 In der anschließenden Phase des Austauschs finden sich die Schüler mit ihrer Reisebeschreibung in der eingeübten Sitzordnung in ihrem jeweiligen Zweierteam ein und legen sie dem Teampartner vor. Im Gegenzug erhalten sie die Reisebeschreibung des Partners. Jeder Schüler hat im Folgenden zehn Minuten Zeit, die Reisebeschreibung des Partners zu lesen, die Fehler zu finden und zu korrigieren. Im Anschluss tauschen sich die Partner über die gefundenen Fehler aus und überprüfen sich gegenseitig. Abschließend halten sie in einem Satz fest, ob alle Fehler gefunden wurden und ob es eventuell Unstimmigkeiten oder Unsicherheiten gab. Die Lehrkraft sammelt die Reiseberichte ein und korrigiert sie ebenfalls, um sie abschließend mit einem kurzen Feedback versehen an die Schüler zurückzugeben. Die Vorstellungsphase in der Klasse wird somit leicht abgewandelt und an die Gegebenheiten angepasst, denn es ist unmöglich, eine gemeinsame Sicherung der Partnerarbeit vorzunehmen, da es 21 unterschiedliche Texte gibt. Einige der gelungensten Reiseberichte werden mit ihren Fehlerquellen in der Klasse vorgelesen und besprochen. Das Ziel dieser Partnerarbeit, die in leicht abgewandelter Form der Methode „Berichten – Korrigieren“ entspricht, nur dass sie schriftlich stattfindet, um so die Konzentration der Schüler zu erhöhen, besteht darin, das aufmerksame Lesen und den kritischen Blick der Schüler zu 203 Vgl. WEIDNER, Margit: Kooperatives Lernen im Unterricht, S. 38. Arbeitsauftrag: Stell dir vor, du könntest auf den Meeresgrund reisen. Beschreibe diese Reise. Benutze dazu konditionale Gefüge (Wenn-dann-Sätze) und natürlich den Konjunktiv. Deine Reisebeschreibung muss mindestens 12 Sätze umfassen. Baue in deine Beschreibung 4 Fehler im Bereich des Konjunktivs ein! (siehe deutsch.punkt 4. Aufgabe 4, Seite 76) 204 70 stärken205, da sie auch im späteren Projekt „Rund um Zeitungen“ die Arbeiten der anderen Teammitglieder Korrektur lesen müssen. Die dritte und somit letzte Partnerarbeit dieser Phase (PA 1 c) verfolgt das Ziel, dass die Schüler üben, wörtliche Rede in indirekte Rede umzuwandeln. Die Schüler müssen in einem ersten Schritt zwei Aussagen zur Sciencefiction-Literatur in die indirekte Rede umwandeln und auf einem vorbereiteten Arbeitsblatt notieren.206 Anschließend vergleichen sie ihre Lösung mit der Lösung des Teampartners und verfassen eine gemeinsame Variante. Erneut arbeiten die Schüler wie in der ersten Partnerarbeit beschrieben mit einem Placemat, welches an diese Partnerarbeit angepasst ist.207 In der Vorstellungsphase werden anschließend zufällig zwei bis drei Zweierteams ausgewählt, die ihre Ergebnisse im Plenum vorstellen, um dann eine gemeinsame Variante an der Tafel und im Heft festzuhalten. Zusammenarbeit mit einem „Zufallspartner“ (2. Phase) Im Verlauf der zweiten Phase erarbeiten die Schüler Aufgaben, die ebenfalls auf die Arbeitsweisen des Projektes „Rund um Zeitungen“ vorbereiten, da die Schüler später auch mit Texten arbeiten und gemeinsam Aussagen zum Inhalt und zum Aufbau der Texte machen sowie die Texte analysieren müssen. Die erste Partnerarbeit der zweiten Phase (PA 2 a) besteht in der Analyse des Titels der Kurzgeschichte „Der Schmarotzer“ von Herbert W. Franke.208 Nach der ersten Lektüre des Textes erklären die Schüler in einer fünfminütigen Einzelarbeit auf einem vorbereiteten „Placemat“ den Titel des Textes und erläutern kurz, inwiefern dieser ihrer Ansicht nach zum Text passt. Im Anschluss tauschen sie sich im Team über ihre Stellungnahmen aus und versuchen sie sich gegenseitig zu erklären, so dass sie ihre Gedanken verbalisieren und im Idealfall mit Hilfe des Textes begründen müssen.209 Ziel ist es, dass sie sich darin üben, aus den Stellungnahmen von zwei Personen eine einzige Stellungnahme zu verfassen.210 Zudem lernen sie, ihre eigene Interpretation zu begründen und gegebenenfalls zu überdenken. Falls es unterschiedliche Auffassungen 205 Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 63. Arbeitsauftrag: Gebt die beiden Äußerungen in indirekter Rede wieder. Beginnt dabei jeweils mit einem Einleitungssatz, in dem der Urheber der Aussage genannt wird. (siehe deutsch.punkt 4. Aufgabe 3, S. 78) 207 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 149. 208 Siehe Anhang 7 deutsch.punkt 4, S. 274-275. 209 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 152. 210 Vgl. BRÜNING, Ludger / SAUM, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen, S. 63. 206 71 zum Text gibt, wird so eine erste kleine Diskussion angeregt. Im Anschluss werden zufällig zwei bis drei Teams ausgewählt, die ihre Stellungnahme vortragen. Auf Basis dieser Präsentationen entsteht hoffentlich eine kleine Diskussion im Plenum, im Laufe derer Unsicherheiten geklärt werden, so dass im Anschluss eine gemeinsame Antwort im Heft festgehalten werden kann. Die zweite Partnerarbeit (PA 2 b) erfolgt zum gleichen Text, ist jedoch anspruchsvoller, da um einiges umfangreicher als die bisherigen Aufgaben. Hierbei müssen die Schüler in Einzelarbeit den Aufbau des Textes „Der Schmarotzer“ untersuchen, indem sie den Text in Sinnabschnitte gliedern und sich dabei an den Figuren orientieren. Zusätzlich müssen sie jeden Abschnitt in ein bis zwei Sätzen zusammenfassen, so dass das Textverständnis gesichert werden kann.211 Sie beschäftigen sich also mit den einzelnen Erzählabschnitten und der Figurenkonstellation.212 Im Anschluss an diese Aufgabe können dann die Aspekte Erzählverhalten und Erzählperspektive eingeführt werden. In der darauffolgenden Stunde setzen sich die Teams wieder zusammen und tauschen sich über ihre Ergebnisse aus, um eine gemeinsame Lösung festzuhalten.213 Im Anschluss präsentieren wieder zwei bis drei zufällig ausgewählte Teams ihre Lösung an der Tafel. Die dritte Partnerarbeit (PA 2 c) stellt eine weitere kleine Steigerung dar, da die Schüler, nachdem sie die Merkmale der Kurzgeschichte in der Klasse erarbeitet haben, nachweisen müssen, warum es sich bei dem ihnen bekannten Text „Zu Hause“ von Marie-Louise Kaschnitz214 um eine Kurzgeschichte handelt. Die Schüler müssen demnach ein erstes Mal eine umfangreiche schriftliche Stellungnahme verfassen, die sie ebenfalls auf die abschließende Klassenarbeit zum Thema „Kurzgeschichten“ vorbereitet. Im Ansatz ist die Aufgabe auch schon arbeitsteilig, da die Mitglieder eines jeden Teams in der Einzelarbeit (Hausaufgabe) unterschiedliche Merkmale der Kurzgeschichte am Text „Zu Hause“ nachweisen müssen. Es überschneidet sich jeweils nur ein Merkmal, so dass jedes Teammitglied also Experte für sein Merkmal ist.215 In der nächsten Unterrichtsstunde tauschen sich die Schüler, ohne auf den Text zurückzugreifen, über ihre Arbeit aus und verfassen eine gemeinsame Stellungnahme. Die Zeitangabe für die Austauschphase musste ich allerdings verlängern, da ich 211 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 153. Vgl. www.men.lu: horaires et programmes : enseignement secondaire : division inférieure : 5e moderne, S. 3 (Stand : 12. Mai 2012) 213 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 153. 214 Siehe Anhang 7 deutsch.punkt 4, S. 273. 215 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 154-156. 212 72 bemerkt habe, dass die Teams trotz intensiver Arbeit nicht fertig wurden. Die Präsentation erfolgt nach den Allerheiligenferien. Dies ist sicherlich nicht ideal, doch aus zeitlichen Gründen anders nicht umsetzbar. Positiv ist, dass die Besprechung der Aufgabe nach den Ferien als Auffrischung vor der Klassenarbeit zum Thema „Kurzgeschichten“ dienen kann. Die Lehrkraft sammelt die Arbeitsblätter ein, korrigiert und kommentiert sie über die Ferien. Ein erstes Mal wird eine Ziffernnote vergeben, die für die Bewertung mit + 4 / - 4 zählt. Nach den Ferien lesen beispielhaft zwei oder drei Teams ihre Arbeiten vor, so dass diese im Plenum diskutiert werden können. Ich verzichte bewusst darauf, dass sich die Schüler zunächst mit einem Schüler austauschen, der die gleichen Merkmale erarbeitet hat. Die Schüler sollen durch diese Partnerarbeit nochmals dafür sensibilisiert werden, wie wichtig es ist, dass jedes Teammitglied seine Aufgabe aufs Gründlichste erledigt (persönliche Verantwortung), da sich die anderen auf es verlassen müssen (positive gegenseitige Abhängigkeit). Zudem sollen sie merken, dass keine Zeit da ist, um die Aufgabe des Partners noch einmal grundlegend zu überarbeiten, sondern dass höchstens nur noch kleine Veränderungen vorgenommen werden können. Im anschließenden Gespräch hoffe ich darauf, dass die Schüler die Tatsache, dass man für die Merkmale völlig auf sich gestellt war, kritisieren, so dass ich im Ansatz schon das Prinzip und die Vorteile des Gruppenpuzzles mit seinen Experten- und Stammgruppen erläutern kann. Gruppenarbeit mit „Wunschpartnern“ (3. Phase) Das Ziel der ersten Gruppenarbeit (GA 3 a) besteht darin, die zwei Handlungsstränge des Romans „Der Richter und sein Henker“, also die „Tschanz-Geschichte“ und die „Gastmann-Geschichte“, die im Laufe des Geschehens miteinander verflochten werden, in arbeitsteiligen Aufträgen in eine Chronologie zu bringen.216 Diese Stillarbeit wird in die Hausaufgabe verlegt. In der darauffolgenden Unterrichtsstunde treffen sich dann alle Experten in Gruppen, so dass es aufgrund der vier Arbeitsaufträge vier Expertengruppen gibt. Die Experten teilen die einzelnen Rollen untereinander auf und tauschen sich über ihre Arbeitsergebnisse aus. Veränderungen und Ergänzungen sollen sie in Farbe vornehmen, damit man diese nachvollziehen 216 Vgl. Einfach Deutsch. Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker. Unterrichtsmodell. Erarbeitet von Martin Kottkamp und Astrid Staude. Hrsg. von Johannes DIEKHANS. Schöningh Verlag. Braunschweig 2004, S. 18-20. 73 kann.217 In einer nächsten Phase finden sich alle Experten wieder in ihrer Stammgruppe ein. Sie informieren ihre Teammitglieder über ihre Ergebnisse und erstellen gemeinsam auf einem extra dafür vorgesehenen Arbeitsblatt eine Abfolge der Ereignisse in ihrer zeitlichen Reihenfolge. Übereinstimmungen in beiden Handlungssträngen sollen sie mit einer Farbe verbinden. Abschließend findet eine gemeinsame Ergebnissicherung statt, bei der unterschiedliche Teammitglieder aufgefordert werden, die Ergebnisse ihres Teams darzustellen. Die zweite Gruppenarbeit (GA 3 b) verfolgt das Ziel, anhand vorgegebener Textpassagen, die noch einmal genau gelesen werden sollen, aus den dort dargestellten wesentlichen Aktionen beziehungsweise Äußerungen, Verhaltensmuster und Charakterzüge zu den Figuren Bärlach, Gastmann, Tschanz und Lutz abzuleiten sowie diese in einem Satz zu charakterisieren.218 Jedem Gruppenmitglied wird demnach eine Figur zugeteilt. In der darauffolgenden Unterrichtsstunde werden die Rollen innerhalb den Gruppen neu verteilt und es tauschen sich zunächst wiederum alle Experten, welche die gleiche Figur behandelt haben, aus, bevor sie in ihre Stammgruppe zurückkehren und alle gemeinsam auf einem dafür vorgesehenen Arbeitsblatt vier Figurencharakterisierungen gegenüber stellen.219 Die dritte Gruppenarbeit (GA 3 c) strebt das Ziel an, Bärlachs Denken und Handeln am Beispiel der sogenannten „Henkersmahlzeit“ zu entlarven. Diesmal werden pro Team aufgrund des Sachverhalts lediglich zwei Arbeitsaufträge vergeben, so dass die Expertengruppen ausnahmsweise größer wurden. Einige Teams charakterisieren jeweils Bärlach während der Mahlzeit. Die anderen Teams untersuchen Tschanz’ innere Verfassung während der Mahlzeit und verfassen einen kurzen Überblick hierüber.220 Auch diese Einzelarbeit erfolgt als Hausaufgabe. Das weitere Vorgehen entspricht dem der vorherigen beiden Phasen.221 VI. 5) „Rund um Zeitungen“ (4. Phase) VI. 5. 1) Didaktische Analyse des Unterrichtsgegenstandes Der Kern des Unterrichtsversuchs ist eine Unterrichtsreihe zum Thema „Rund um Zeitungen“. 217 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 159-163. Vgl. Einfach Deutsch. Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker, S. 25-27. 219 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 164-170. 220 Vgl. Einfach Deutsch. Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker, S. 57-60. 221 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 171-173. 218 74 Das Programm für eine 5e sieht im Fach Deutsch vor, dass die Schüler der besagten Klassenstufe nicht-fiktionale Texte wie die Reportage, das Interview, den Zeitungsbericht und den Kommentar lesen und erarbeiten, damit sie unterschiedliche journalistische Textsorten und ihre Merkmale kennen lernen sowie lernen, nichtfiktionale Texte zu planen und selbstständig zu verfassen.222 Somit sieht auch die Programmkommission für das Fach Deutsch weiterhin die Notwendigkeit, die Schüler mit den Printmedien vertraut zu machen, da die Zeitung auch im Zeitalter der digitalen Medien immer noch das Leitmedium ist, da „ein unentbehrliches Mittel der Verständigung (Kommunikation) in der Gesellschaft: ein Mittel der Information, der Meinungsbildung und der Unterhaltung“.223 Die Zeitung gewährt ihren Lesern nämlich tagtäglich Einblick in das unmittelbare Weltgeschehen und trägt entscheidend dazu bei, „die immer undurchsichtiger und komplizierter werdenden Vorgänge der Umwelt zu durchleuchten und dem Leser den Zugang zu ihnen zu eröffnen“224. Zudem stellt die Zeitung ein wichtiges „Kontrollorgan“225 dar, da sie das „gesetz- und rechtmäßige Handeln von Regierung, Parlament, Verwaltung, Rechtsprechung und von Institutionen im öffentlichen Raum überwacht“226. Darüber hinaus übernimmt die Presse heutzutage auch eine Bildungsfunktion, da sie zur „Vermittlung von aktuellem und latentem Wissen und von gesellschaftlichen Normen zur Jugend- und Erwachsenenbildung beiträgt“227. Die Menschen leben mittlerweile im 21. Jahrhundert in einer „Mediengesellschaft“228, in der sie tagtäglich einer ungeheueren Informationsflut ausgesetzt sind, die zum Teil zu Verwirrung und Desorientierung führen kann. Zudem wird ihre Sicht der Dinge entscheidend von den Massenmedien beeinflusst. Die Zeitung ist demnach von enormer Bedeutung und der kritische und gekonnte Umgang mit diesem Medium ist für den mündigen Bürger des 21. Jahrhunderts unerlässlich. Die Jugendlichen müssen folglich zu informationskritischen und medienkompetenten Bürgern erzogen werden, welches ein Hauptanliegen der Schule und insbesondere des Deutschunterrichts 222 Vgl. www.men.lu: horaires et programmes : enseignement secondaire : division inférieure : 5e moderne, S. 3 (Stand : 12. Mai 2012). 223 SCHULZE, Volker: Die Zeitung. Ein medienkundlicher Leitfaden. 3.Auflage, Hahner Verlagsgesellschaft, Aachen- Hahn 2005, S. 13. 224 Ebd., S. 14. 225 Ebd., S. 13. 226 Ebd., S. 13. 227 Ebd., S. 15. 228 DELHEY, Norbert: Bildung durch Zeitunglesen. In: Brand, Eva/ Brand, Peter (Hrsg.): Die Zeitung im Unterricht. 1. Auflage, Hahner Verlagsgesellschaft, Aachen- Hahn 2007, S.34. 75 geworden ist, damit die Schüler lernen, wie Medien funktionieren und wie sie sich in diesem „Wirrwarr von Informationen, Reklame und Propaganda zurechtfinden“229 können. So ist es unerlässlich, dass die Schüler lernen, mit dieser Informationsfülle umzugehen. Sie erhalten durch den Unterricht eine Anleitung für die Auswahl, die Aufnahme, das Verstehen und das Weiterverarbeiten von Informationen und lernen, wie sie wichtige von unwichtigen Nachrichten unterscheiden können, woran sie eine Information, eine persönliche Meinung oder einen Kommentar erkennen.230 Darüber hinaus sind Zeitungen als ein „Fundus für einen aktualitätsbezogenen Unterricht“231 anzusehen. Im Gegensatz zu Sachtexten in Schulbüchern, die sehr schnell veraltet sind, setzen sich die Lernenden bei der Analyse von Zeitungen gleichzeitig mit aktuellen und brisanten Themen auseinander. Dadurch rückt der „Unterricht zeitlich näher an die Lebenswirklichkeit der Schüler heran“232 und wird sozusagen ein „Bindeglied zwischen Schulraum und (der wirklichen) Welt“233. Die Schüler lernen folglich in einem konkreten, lebensnahen Kontext, ganz so, wie es das situierte Lernen fordert. Das Thema „Zeitungen“ bietet des Weiteren eine gute Möglichkeit, die Bedeutsamkeit der Kooperation für den Erfolg zu verdeutlichen, da eine Zeitung nur durch die Zusammenarbeit der einzelnen Redaktionsmitglieder entstehen kann. Es handelt sich bei einer solchen Redaktion um eine „Community of Practice“. VI. 5. 2) Der Verlauf der Unterrichtsreihe Die Unterrichtssequenz zum Thema „Rund um Zeitungen“ besteht aus insgesamt etwa 16 Unterrichtsstunden. Die Unterrichtssequenz beginnt mit einer Phase der Instruktion234, da die Schüler in das Thema eingeführt und dafür sensibilisiert werden sollen. Nach der Vorstellung des Projektes durch die Lehrkraft erfolgt als Einstieg eine Einstimmung der Klasse auf das Thema anhand eines Bildes, das unterschiedliche Medien wie die Telekommunikation, Zeitungen, Zeitschriften, das Fernsehen, das Internet und den 229 DELHEY, Norbert: Bildung durch Zeitunglesen. In: Brand, Eva/ Brand, Peter (Hrsg.): Die Zeitung im Unterricht, S. 36. 230 Vgl. Rund um Zeitungen. Kopiervorlagen für den Deutschunterricht. Hrsg. von Ute FENSKE. Cornelsen. Berlin 2009, S. 5. 231 DELHEY, Norbert: Bildung durch Zeitunglesen, . In: Brand, Eva/ Brand, Peter (Hrsg.): Die Zeitung im Unterricht, S. 13. 232 Ebd., S.31. 233 Ebd., S.31. 234 1. Unterrichtsstunde à 75 Minuten. 76 Rundfunk visualisiert.235 In einem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch beschreiben die Schüler die unterschiedlichen Medien und erkennen, dass sich dieser Oberbegriff in zwei Unterbegriffe, nämlich Printmedien und elektronische bzw. digitale Medien, untergliedern lässt. Zur Visualisierung wird das zu den „kleinen Methoden“ zählende „Mindmapping“ eingesetzt. Die Lehrkraft leitet dann zum eigentlichen Thema, den Zeitungen, über und in einem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch erfolgt eine Unterscheidung zwischen Zeitungen und Zeitschriften. In einem nächsten Schritt werden Tages-, Wochen- und Boulevardzeitungen unterschieden und die Schüler nennen jeweils Beispiele für bekannte deutschsprachige Zeitungen in Luxemburg und Deutschland.236 Am Ende der Stunde erfahren die Schüler, dass sie sich nun in den kommenden Unterrichtsstunden Wissen und Kompetenzen aneignen müssen, um später selbst als Journalist tätig zu werden und einen Artikel verfassen zu können. Nach der Phase der Instruktion erfolgt in der 2. Unterrichtsstunde (50 Minuten) eine erste Form der Kooperation zum Thema „Eigenschaften des Journalismus und des Zeitungswesens“. Diese dient der erneuten Einführung in die Methode nach den Weihnachtsferien und der Teambildung. Der Dreischritt und das Placemat-Verfahren werden eingesetzt. In Vorbereitung auf diese zweite Unterrichtsstunde erhält jeder Schüler ein Zitat zum Zeitungswesen, indem er das ihm zugeteilte Zitat in eigenen Worten wiedergibt. Da alle Zitate vier Mal vergeben wurden, finden sich die Schüler mit dem gleichen Zitat zusammen und bilden ein Team. Alle Teams geben sich einen Namen und verteilen die Rollen untereinander. Anschließend tauschen sie sich über ihr Zitat aus.237 In einer dritten Phase stellen alle Gruppen ihr Zitat und ihre dazu gehörigen Erläuterungen vor. Auf Grundlage der Zitate und in dem sich anschließenden Unterrichtsgespräch werden dann einerseits die positiven Eigenschaften des Journalismus wie das Aufdecken von Missständen, die Dokumentation von Zeitgeschehen und das Anregen zum Nachdenken herausgearbeitet. Andererseits sind Zeitungen gerade im Vergleich zu den elektronischen Medien aber auch sehr langsam, sie beeinflussen Menschen und sie befriedigen die Sensationsgier der Leser. Das Mind-Map wird erneut angewandt, um einen Überblick im Heft festzuhalten. 235 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 176. Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 177. 237 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 178-183. 236 77 Die dritte und die vierte Unterrichtsstunde238 gliedern sich in die Unterthemen „Der Aufbau von Tageszeitungen“, „Der Inhalt: Sparten / Ressorts und Rubriken“ sowie „Nachrichtenagenturen - Der Weg einer Nachricht“ und sind wieder stärker lehrerzentriert, da in beiden Unterrichtsstunden neue Lerninhalte vermittelt werden. In einer Hausaufgabe bereiten sich die Schüler auf das Thema „Der Aufbau von Tageszeitungen“ vor, indem sie sich mit der größten deutschsprachigen Tageszeitung in Luxemburg, dem „Luxemburger Wort“, vertraut machen. Hierzu zählt, dass die Schüler im Internet recherchieren, wo, wie oft und wann die Tageszeitung erscheint. Des Weiteren sollen sie sich darüber informieren, wie hoch die verkaufte Auflage der Zeitung ist und welche Leserschaft sie anspricht. Schließlich sollen die Schüler mit Hilfe einer beispielhaften Analyse einer Titelseite in ihrem deutsch.punkt 4 die Titelseite einer Ausgabe des „Luxemburger Wort“ beschriften. Die Ergebnisse werden anschließend in einem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch diskutiert und gesichert. Darüber hinaus wird die Funktion der einzelnen Elemente einer Titelseite bestimmt sowie die verschiedenen Gestaltungsmittel des Layouts wie die Schriftgröße, die Schriftart, die Farbgebung, die Verwendung und Anordnung von Balken, Rahmen, Fotos sowie Grafiken werden analysiert. In Vorbereitung auf die vierte Unterrichtsstunde untersuchen die Schüler in einer Hausaufgabe den Inhalt des tagesaktuellen „Luxemburger Wortes“ (09. Januar 2012), indem sie den Aufbau in Sparten / Ressorts und Rubriken untersuchen.239 In einem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch werden die Ergebnisse erneut diskutiert und gesichert. Zudem beschäftigen sich die Schüler mit den Abkürzungen der Nachrichtenagenturen, indem sie diese aufschlüsseln. Anschließend reflektieren sie, was denn eigentlich eine Nachrichtenagentur ist, welche Aufgaben sie hat und wie eine Nachricht in die Zeitung gelangt.240 Die dritte und vierte Unterrichtsstunde dienen der Vorbereitung der Schüler auf die folgenden drei Unterrichtsstunden241 zum Thema „Klassische Tageszeitung vs. Boulevardzeitung – Ein Vergleich“, in denen die Schüler erneut im Team arbeiten. Dementsprechend folgt auf die instruktive Phase wiederum eine kooperative Phase, in der die Schüler das Gelernte nun praktisch anwenden sollen. In dieser Phase wird ein erstes Mal die Methode „Jigsaw“ angewandt. 238 Beide Unterrichtsstunden bestehen jeweils aus 50 Minuten. Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 184-185. 240 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 186-187. 241 Die 5. und 6. Unterrichtsstunde bestehen aus 50 Minuten, die 7. Stunde hat 75 Minuten. 239 78 Das Ziel der folgenden Unterrichtsstunden besteht darin, dass die Schüler eine klassische Tageszeitung (Süddeutsche Zeitung) mit einer Boulevardzeitung (BILDZeitung) in Bezug auf die Aspekte „Allgemeine Informationen“, „Die Titelseite“ und „Die gesamte Zeitung“ vergleichen. Zu den allgemeinen Informationen zählen die verkaufte Auflage sowie die Leserschaft und die Zielgruppe. Bei der Analyse der Titelseite machen die Schüler Angaben zum Layout (Schriftgröße, Farbgebung), untersuchen die Funktion des Layouts, den Aufmacher sowie dessen Gestaltung, den Text-Bildanteil sowie den Werbeanteil und die Werbeprodukte. Die Analyse der gesamten Zeitung lenkt den Blick der Schüler auf die Themenauswahl und Themenschwerpunkte, die Gliederung in Sparten und Ressorts, den Text-Bildanteil, die Funktion der Bilder, die Qualität des Inhalts und der Informationen der Artikel, sprachliche, stilistische Besonderheiten sowie den Werbeanteil und die Werbeprodukte in der Zeitung. Die Arbeit wird mit bis zu + 2 / -2 Punkten im Trimesterdurchschnitt berücksichtigt. In den folgenden Unterrichtsstunden sollen die Schüler nun mit Hilfe der Methode „Jigsaw“ auf das bisher erworbene Wissen und die eingeübten Kompetenzen zurückgreifen und sie in einem neuen Zusammenhang anwenden. Grundlage der kooperativen Unterrichtsstunden ist erneut der Dreischritt. Auf das Placemat-Verfahren wird aus Platzgründen und aufgrund mangelnder Umsetzbarkeit verzichtet. Die Mitglieder einer jeden Stammgruppe erhalten unterschiedliche Arbeitsaufträge. Jeweils zwei Schüler beschäftigen sich mit der klassischen Tageszeitung. Ein Schüler untersucht die Analysekriterien „Allgemeine Informationen“ und „Titelseite“. Der zweite Schüler behandelt die Kriterien „Allgemeine Informationen“ und „Analyse der gesamten Zeitung“. Die gleiche Aufteilung findet sich bei der Boulevardzeitung242, so dass in jeder Stammgruppe Experten für jeden Zeitungstyp präsent sind. Aus didaktischen Gründen verteilt die Lehrkraft die Arbeitsaufträge, so dass sich die leistungsstärksten Schüler beispielsweise mit der „Süddeutschen Zeitung“ und deren Inhalt beschäftigen müssen, während die leistungsschwächsten Schüler eines Teams die Titelseite der „BILD-Zeitung“ untersuchen. Mit dem Arbeitsauftrag erhalten die Schüler jeweils ein Exemplar der von ihnen zu untersuchenden Tageszeitung, da nicht alle Schüler die Möglichkeit haben, kurzfristig die betreffende Zeitung zu erwerben. 242 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 187-205. 79 Die erste Phase der Konstruktion erfolgt in einer Hausaufgabe. Die fünfte Unterrichtsstunde (50 Minuten) dient der Arbeit im Expertenteam. Alle Experten eines Themas, also jeweils vier, setzen sich in dieser Unterrichtsstunde zusammen, um sich gegenseitig ihre Ergebnisse zu präsentieren, diese zu diskutieren und gegebenenfalls Veränderungen und Ergänzungen vorzunehmen. In der sechste Unterrichtsstunde gehen die einzelnen Experten in ihre Stammgruppen zurück, um dort die anderen über ihre Erkenntnisse zu informieren. Jede Stammgruppe erstellt gemeinsam ein Lösungsblatt zu dem gesamten Themenkomplex. Die siebte Unterrichtsstunde dient der Sicherung des Vergleichs. Einzelne, zufällig aufgerufene Schüler stellen die Ergebnisse ihres Teams vor und es besteht die Möglichkeit, darüber zu diskutieren. In dieser Phase übernimmt die Lehrkraft hauptsächlich die Rolle des Moderators. Um die Sicherung abzukürzen, erhalten die Schüler einen Lückentext, den sie während der Vorstellungsphase ergänzen und in ihrem Ordner abheften.243 Im Anschluss findet eine erste Evaluationsphase der Arbeit im Team statt. Nach der kooperativen Phase der vorherigen Unterrichtsstunden folgt nun wieder eine lehrerzentrierte Phase der Konstruktion244, da neuer Unterrichtsstoff vermittelt wird, der die Grundlage für die abschließende kooperative Phase des Projektes bildet. Das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch dient als Basis der kommenden drei Unterrichtsstunden. Es findet ebenfalls eine Steigerung der Anforderungen an die Schüler statt, da sie sich im Folgenden mit den unterschiedlichen journalistischen Textsorten in Zeitungen beschäftigen. Zunächst einmal erfahren sie, dass journalistische Textsorten grundsätzlich zwei Absichten verfolgen können, indem sie informieren und Meinung bilden. Die Schüler ordnen den sieben ausgewählten Textsorten (Meldung / Nachricht, Bericht, Glosse, Interview, Kommentar, Reportage und Rezension) in einer Hausaufgabe eine passende Definition zu. Auf der Grundlage dieser Definition können sie tabellarisch festhalten, welche Textsorten schwerpunktmäßig informieren (Meldung / Nachricht, Bericht, Interview) und welche eher eine Meinung äußern (Glosse, Rezension, Kommentar, Reportage). Die Hausaufgabe wird in einem Unterrichtsgespräch gesichert. Danach wird der Schwerpunkt auf die Textsorte „Meldung/Nachricht“ gelegt. Die Schüler lesen den Nachrichtentext „Der 243 244 80 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S.206-212. Es folgen die Unterrichtsstunden 8 bis 10 (2 x 50 Minuten / 75 Minuten). "schiefe Turm" von Köln steht wieder gerade“245 und sie untersuchen den Text in Bezug auf die Kategorien „Umfang“, „Inhalt“, „Aufbau“, „Sprache“ und „Wirkungsabsicht“. Ihre Ergebnisse halten sie schriftlich fest. Die Ergebnisse werden erneut in einem Unterrichtsgespräch besprochen und in Form eines Lückentextes, den die Schüler parallel ergänzen, gesichert. Der Lückentext dient ihnen als Modell für die nächste kooperative Phase.246 Abschließend wandeln die Schüler die Ballade „John Maynard“ von Theodor Fontane in eine Nachricht um, indem sie zunächst die WFragen herausarbeiten und daraufhin den Nachrichtentext verfassen.247 Die Hausaufgabe wird in einer Schreibkonferenz untersucht und kommentiert.248 Beispielhaft werden einige Arbeiten in der Klasse besprochen und eine Modellantwort wird im Heft festgehalten. Die Schüler verfassen einen ersten kurzen, eigenen Artikel, indem sie die Merkmale der Textsorte anwenden. Nachdem ein Überblick über die Textsorten gegeben und eine erste journalistische Textsorte näher untersucht wurde, beschäftigen sich die Schüler nun mit weiteren Textsorten in Zeitungen. Hierfür erhalten sie ein Arbeitsblatt, das jeweils ein Beispiel für eine Nachricht / Meldung, eine Rezension, eine Glosse, ein Interview, einen Bericht, einen Kommentar und eine Reportage enthält.249 In einer Hausaufgabe müssen die Schüler alle Artikel aufmerksam lesen sowie den einzelnen Artikeln die richtige Textsorte zuordnen. In einem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch wird der Inhalt der einzelnen Text kurz zusammengefasst und die Ergebnisse werden diskutiert und gesichert. Im Unterrichtsgespräch wird ebenfalls bereits unter der Berücksichtigung der bekannten Kategorien „Umfang“, „Inhalt“, „Aufbau“, „Sprache“ und „Wirkungsabsicht“ nach Merkmalen für die einzelnen Textsorten gesucht. Die Schüler sollen sich selbständig Notizen machen. Daraufhin setzen sich die Stammgruppen wieder zusammen und entscheiden gemeinsam, welches Teammitglied welche Textsorte (Bericht, Reportage, Kommentar, Interview) näher untersucht. Die Schüler werden selbstverständlich darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Textsorten Reportage und Kommentar am anspruchsvollsten sind, so dass sie die Stärken des einzelnen Teammitglieds gezielt einsetzen können. In einer Hausaufgabe muss jeder Schüler seine Textsorte in Bezug auf den 245 Siehe Anhang 7, deutsch.punkt 4, S. 275. Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 216. 247 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 213-215. 248 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 217. 249 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 218-220. 246 81 Aufbau, den Inhalt, die Sprache und die Wirkungsabsicht untersuchen, indem er Fragen hierzu beantwortet und mit Textbeispielen belegt.250 Die folgenden Unterrichtsstunden sind erneut kooperativ angelegt und beziehen sich auf die vorherigen Stunden zu den journalistischen Textsorten, so dass die Schüler ihr Wissen und die erworbenen Kompetenzen in einem neuen Kontext anwenden müssen. Die elfte und die zwölfte Unterrichtsstunde251 finden in der Bibliothek statt, da diese sich aufgrund der Anordnung der Arbeitstische besser für eine Gruppenarbeit eignet. Des Weiteren stehen den Schülern dann auch Nachschlagewerke, Computer mit Internetanschluss und Kopierer zur Verfügung. In der elften Unterrichtsstunde setzen sich die Schüler in Expertenteams zusammen, so dass alle Schüler, die sich in der Hausaufgabe mit der gleichen Textsorte beschäftigt haben, sich treffen. Die Schüler machen sich in den nächsten zwei Unterrichtsstunden (11 und 12) zu Experten für die jeweilige Textsorte, damit sie später ihre Stammgruppe über ihre Textsorte informieren und auf die abschließende Klassenarbeit vorbereiten können. Erneut werden die Rollen innerhalb des Expertenteams verteilt. Jedes Expertenteam erhält nun zusätzlich einen theoretischen Informationstext zu seiner Textsorte, den sie sich teilen müssen.252 Der Text enthält die Merkmale der jeweiligen Textsorte in den Kategorien Inhalt, Aufbau, Sprache und Wirkungsabsicht. Allerdings sind die Merkmale mit den Merkmalen einer weiteren journalistischen Textsorte durcheinander geraten, so dass die Expertenteams die auf ihre Textsorte zutreffenden Merkmale heraussuchen müssen. In einem nächsten Schritt greifen die Schüler auf ihre vorbereitende Hausaufgabe zurück. Die von ihnen bearbeiteten Fragen passen auf die Merkmale der jeweiligen Textsorte, so dass sie die Merkmale nun mit Textbeispielen belegen können. Die Experten sollen sich nun über ihre Hausaufgaben austauschen und sich auf jeweils eine gemeinsame Lösung einigen. Sie müssen die Hausaufgabe gegebenenfalls verbessern und überarbeiten. Die zwölfte Unterrichtsstunde soll dafür genutzt werden, am PC ein eigenes Handout zu der jeweiligen Textsorte zu erstellen, das die Merkmale der Textsorte sowie Textbeispiele enthält. Hierbei können sich die SchülerInnen an dem Handout aus der achten Unterrichtsstunde orientieren. Das Handout soll in Form eines Lückentextes erstellt werden, damit die Experten später anhand des Handouts überprüfen können, 250 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 221-233. Die Unterrichtsstunden bestehen aus jeweils 50 Minuten. 252 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 221-233. 251 82 inwiefern ihre Stammgruppe ihrem Vortrag gefolgt sowie diesen verstanden hat. Des Weiteren sollen die Experten den bereits erwähnten informierenden Vortrag einüben. Schließlich müssen die Experten in Vorbereitung auf die dreizehnten Unterrichtsstunde ihr Handout selbst kopieren. Den Schüler bleibt es frei überlassen, ihre Zeit einzuteilen oder gegebenenfalls Arbeiten vorbereitend zu Hause zu erledigen. Ihnen wurden lediglich Hinweise zum Zeitmanagement gegeben. Die dreizehnte und vierzehnte Unterrichtsstunde253 dienen der Unterrichtung innerhalb der Stammgruppe sowie der Evaluation der Teamarbeit. Die Schüler treffen sich in beiden Unterrichtsstunden erneut in ihrer Stammgruppe. Reihum präsentiert zeitgleich jeder Experte seine Textsorte, während die anderen Mitglieder der Stammgruppe zuhören und das Handout ergänzen. Abschließend korrigiert der Experte zusammen mit den anderen Schülern das Handout und beantwortet Fragen. Ich höre mir die Vorträge zu den einzelnen Textsorten in jeweils einer anderen Stammgruppe an und mache mir gegebenenfalls Notizen für eine mögliche Nachbesprechung. Um das erworbene Wissen zu festigen und in Vorbereitung auf die abschließende Klassenarbeit, müssen die Schüler in einer Hausaufgabe selbst eine Textsorte ihrer Wahl aus einer Zeitung aussuchen, ausschneiden und aufkleben. Zusätzlich notieren sie, aus welcher Zeitung und aus welcher Ausgabe der Artikel stammt. Dann verfassen sie einen Text zu dem Artikel, in dem sie abhandeln, inwiefern es sich bei dem gewählten Artikel inhaltlich, in Bezug auf den Aufbau und bezüglich der Sprache um die entsprechende Textsorte handelt. Die Hausaufgabe wird eingesammelt, korrigiert und kommentiert.254 Die folgenden Unterrichtsstunden255 bestehen weitgehend aus einer Einzelarbeit, so dass die Schüler die in der Unterrichtseinheit erworbenen Kompetenzen und das Wissen möglichst selbständig anwenden und umsetzen müssen. Die nun erfolgende Einzelarbeit ist somit die Krönung der bisherigen Förderung des selbstverantwortlichen Arbeitens. Das Ziel besteht darin, dass jeder Schüler einen eigenen Artikel zum Thema „Schulleben im Lycée du Nord“ oder „Wiltz und Umgebung“ verfasst. Mögliche Themen werden vorgegeben.256 Der Artikel wird mit 30 Punkten (Schreiben) bewertet und ist Teil der Klassenarbeit II, 1. Bewertet werden die 253 Die 13. Unterrichtsstunde besteht aus 75 Minuten, die 14. Unterrichtsstunde aus 50 Minuten. Siehe Anhang 4 Schülerarbeiten und Klassenarbeiten, S. 234. 255 15. und 16. Unterrichtsstunde (75 Minuten / 50 Minuten). 256 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 235. 254 83 Originalität der Idee, die Umsetzung der Merkmale der Textsorte, die sprachliche Korrektheit, die Präsentation sowie die Überarbeitung des Artikels nach erhaltenem Feedback.257 Eine Auswahl der Artikel wird im „Joërbuch“ der Schule veröffentlicht. Damit alle Schüler unter ähnlichen Bedingungen arbeiten, müssen sie entweder einen Bericht und einen Kommentar, ein Interview oder eine Reportage verfassen. In Vorbereitung müssen die Schüler zu dem von ihnen gewählten Thema im Internet oder in Büchern recherchieren beziehungsweise wichtige Personen befragen und das Material für die fünfzehnte Unterrichtsstunde mitbringen. Beide Unterrichtsstunden finden parallel in der Bibliothek und in einem Multimediaraum statt, da die Schüler die Artikel am PC verfassen müssen. Die Arbeit am PC erleichtert ebenfalls das Überarbeiten der Artikel. Während der fünfzehnte Unterrichtsstunde arbeiten die Schüler an ihrem Artikel, wobei sie auf alle Materialien der Bibliothek und des Deutschheftes zurückgreifen können. Es steht ihnen frei, sich ebenfalls gegenseitig zu beraten. Am Ende der Unterrichtsstunde müssen sie eine erste Fassung an die Lehrkraft abgeben. Sie erhalten diese kommentiert zu Beginn der nächsten Stunde zurück. Sprachliche Fehler werden unterstrichen, jedoch nicht berichtigt, um die Schüler noch stärker für die Fehler zu sensibilisieren. Die sechzehnte Unterrichtsstunde steht im Zeichen der Überarbeitung der Artikel. Die Endfassung muss am Ende dieser Stunde abgegeben werden. Abschließend findet noch eine vorrangig das Leseverstehen abprüfende Klassenarbeit zum Thema „Zeitungen“ statt. VI. 6) Evaluation der vier Projektphasen Die Evaluation der einzelnen Phasen erfolgt sowohl auf Grundlage der Lehrerbeobachtungen als auch auf Basis der ausgewerteten Schülerfragebögen und der einzelnen Arbeiten. Der Übersicht halber wird in der vorliegenden Arbeit ein Gesamtüberblick über die Auswertung der vier Projektphasen vorgenommen, wobei allerdings nach jeder Phase auf die gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen wurde, um diese für die darauffolgende Phase zu nutzen. VI. 6. 1) Sozialziele Die Auswertung der Fragebögen verdeutlichen, dass die einzelnen Sozialkompetenzen258 den Schülern unterschiedlich hohe Schwierigkeiten bereiteten. 257 84 Siehe Anhang 4 Arbeitsblätter und Klassenarbeiten, S. 236. Während die Kompetenzen „einander helfen“ und „höflich miteinander umgehen“ den Schülern durchweg kaum Probleme bereiteten und ihrer Einschätzung nach gut umgesetzt werden konnten, taten sie sich mit der Umsetzung der Kompetenzen „aktiv zuhören“, „aussprechen lassen“, „positives Feedback geben“ und „bei der Aufgabe bleiben“ durchaus schwer. Die Kompetenz „aktiv zuhören“ setzten die Schüler in der Tat kaum um, da sie insbesondere in der ersten Phase, während ich den Arbeitsauftrag noch erklärte, häufig kaum zuhörten, sondern schon anfingen, untereinander zu diskutieren. An diesem Punkt musste ich immer wieder eingreifen und für Ruhe sorgen. Die genannten Kompetenzen konnten zwar durch gezielte Übungen im lehrerzentrierten Unterricht während der ersten zwei Phasen nachweislich verbessert und in der dritten Phase gefestigt werden, doch gab es, abgesehen von der Kompetenz „angemessene Lautstärke“, die durchweg verbessert wurde, in der vierten Phase eine Verschlechterung der genannten Sozialkompetenzen. Dieses Phänomen erklärt sich sicherlich durch die Komplexität der Aufgabenstellungen der vierten Phase, so dass die Schüler die Sozialkompetenzen aus dem Blick verloren. Auffällig ist ebenfalls, dass andere soziale Kompetenzen jedoch teilweise unter der Konzentration auf die „Problemkompetenzen“ litten. So verschlechterten sich beispielsweise die Kompetenz „einander helfen“ stark in der zweiten Phase. Die Auswertung der Sozialkompetenzen über einen Zeitraum von zwei Trimestern zeigt, dass die Schüler doch größere Probleme haben, sich auf die unterschiedlichen Aspekte des kooperativen Lernens zu konzentrieren, und dass die Einübung eines kooperativen Arbeitsverhaltens langfristig erfolgen muss. Um die Sozialkompetenzen bewusster fördern zu können, sollten die Schüler einen Verbesserungsvorschlag für sich selbst beziehungsweise ihr Team und einen Wunsch an den Partner formulieren. Wenn sie dies denn taten, bestand dies den bisherigen Beobachtungen entsprechend mehrheitlich darin, aktiver zuzuhören, stärker bei der Aufgabe bleiben sowie häufiger positives Feedback geben zu wollen. Die Schüler merkten auch sehr schnell, dass die Zeit nicht ausreicht, um sich noch über andere Dinge zu unterhalten, und dass es von Vorteil ist, die Hausaufgabe dabei zu haben. Die Viererteams nahmen sich meist vor, konzentrierter, schneller und ernsthafter zu arbeiten. 258 Eine tabellarische Übersicht über die Entwicklung der Sozialkompetenzen im Verlauf der Phasen findet sich in Anhang 6, S. 266. 85 Insgesamt bewertete die Mehrheit der Schüler ihre Fortschritte in Bezug auf das von ihnen gewählte Sozialziel als „mäßig“. Die Schüler, die sich ihrer Meinung nach kaum verbessern konnten, bemängelten, dass sie Probleme mit der neuen Arbeitsweise sowie dem ihnen zugeteilten Partner hatten, da dieser häufig keine Hausaufgaben hatte. Schüler B meinte sogar, es habe sich kaum etwas verändert, da er auch schon vorher alles gut umgesetzt habe.259 Es ist interessant zu sehen, dass sich die Selbst- und die Fremdeinschätzung während der drei Phasen die Waage hielten und ebenfalls mit den Beobachtungen der Lehrkraft übereinstimmten. Die Auswertung der Sozialkompetenzen bestätigt zudem die Einschätzung des Deutschlehrers des vergangenen Schuljahres sowie meine ersten Beobachtungen, dass die Schüler das genaue Lernen und Arbeiten nicht gewohnt sind, da sie Probleme mit den Kompetenzen „bei der Aufgabe bleiben“ und „Feedback geben“ hatten. Das Basis-Element der Face-to-Face-Interaktion wurde in der ersten Partnerarbeit der ersten Phase nicht zufriedenstellend erfüllt, so dass während der Partnerarbeit eine größere Unruhe herrschte. Allerdings lag der Fehler bei mir, da ich den Schülern lediglich die Anweisung gab, sich so hinzusetzen, dass alle in Ruhe arbeiten können. Dies gelang natürlich nicht, da alle zunächst aufgeregt herumeilten und sich schließlich alle Gruppen sehr nah zusammensetzten. Den Schülern fehlte die notwendige Selbständigkeit, die Situation selbst zu lösen. In den folgenden Partnerarbeiten zeigte ich den einzelnen Teams genau, wo sie sich hinsetzen sollten. Dies setzten sie in den folgenden Partner- und Gruppenarbeiten dann auch immer um und es wurde weniger Zeit durch unnötiges Herumirren und Lärmen verloren. Im Verlauf der vierten Phase sollten die Schüler dann in der Bibliothek arbeiten, doch einige fanden diese tatsächlich nicht! Des Weiteren wussten die Schüler zunächst nicht, wie sie sich in dem neuen Umfeld „Bibliothek“ zusammenfinden sollten, um arbeiten zu können. Es bedurfte klarer Anweisungen meinerseits zur Sitzordnung, so dass die Selbstständigkeit der Schüler noch zu wünschen übrig lässt. In diesem neuen Kontext der Bibliothek waren sie zunächst völlig verloren und konnten die bisher eingeübte Sitzordnung zur Förderung der Face-to-Face-Interaktion nicht übertragen. Die Elemente persönliche Verantwortung und positive gegenseitige Abhängigkeit waren zu Beginn des Projektes kaum vorhanden und konnten im Verlauf der 259 86 Für eine tabellarische Übersicht, siehe Anhang 6, S. 266. einzelnen Phasen nur geringfügig ausgebaut werden, obwohl diese im Unterrichtsgespräch immer wieder thematisiert wurden. So fehlten gerade für eine 5e viel zu häufig die Hausaufgaben260 oder sie wurden nur zum Teil beziehungsweise sehr oberflächlich gelöst, so dass die Teams nicht ordentlich arbeiten konnten. Dies verdeutlicht ebenfalls eine negative Haltung der Arbeit und der Schule gegenüber. Nach der zweiten Phase gab auch ein Schüler an, das Sozialziel seines Partners, an dem gemeinsam gearbeitet werden sollte, nicht einmal gekannt zu haben. Da sich die Situation in der dritten Phase besserte, scheint es also doch langsam zu einem Umdenken bei den einzelnen Schülern gekommen zu sein, so dass sie sich ihrer Verantwortung und der gegenseitigen Abhängigkeit im Team zumindest ansatzweise bewusst wurden. Ein weiteres Problem war, dass einige Schüler vor allem in den ersten beiden Phasen immer wieder ihre Vorlage für das Placemat verloren oder nicht ausgeschnitten hatten. Somit kam es in deren Teams häufig zu Zeitverlust, so dass sie die Aufgaben nicht in der vorgegebenen Zeit lösen konnten. Die Teampartner waren dementsprechend frustriert. Die Übeltäter schämten sich allerdings auch keineswegs, ihre oftmals mangelhaften Arbeiten abzugeben. Einige Schüler konnten insbesondere in der ersten Phase die Teamergebnisse in den Vorstellungsphasen auch nur mäßig gut präsentieren, so dass der Teampartner eingreifen musste. In der vierten Phase kam es dann bei der Präsentation der einzelnen Textsorten erneut in einigen Teams zu katastrophalen Vorträgen. Diese wenigen Schüler haben sicherlich nicht verstanden, dass sie eine Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess sowie den der anderen tragen und dass eine positive gegenseitige Abhängigkeit zwischen den einzelnen Teampartnern besteht. Dies besserte sich zwar im Verlauf des Projektes, war allerdings für eine 5e oftmals nicht zufriedenstellend. Die Anbahnung der positiven gegenseitigen Abhängigkeit über einen Gruppennamen verlief von Anfang an sehr gut, da sich die Schüler begeistert daran machten, sich Teamnamen auszudenken und sich oftmals dann auch gegenseitig mit diesen ansprachen.261 Entgegen meiner Befürchtungen war ihnen dieses Vorgehen offensichtlich nicht zu kindisch, so dass ich dieses in den weiteren Phasen des Projektes beibehielt. Die gemeinsame Identität und das Zusammengehörigkeitsgefühl zeigte 260 261 Für eine tabellarische Übersicht, siehe Anhang 7. 267. Zur Zusammensetzung der Gruppen und zur Namensgebung, siehe Anhang 2, S. 130-131. 87 sich auch dahingehend, dass einige Teams sich das Aufschreiben der gemeinsamen Lösung teilten, so dass jeder einen Teil niederschrieb.262 Die Teams funktionierten laut Schülerrückmeldungen und meinen eigenen Beobachtungen zufolge generell sowohl im Zweier- als auch im Viererteam gut, wobei die Zusammenarbeit in mit selbst gewählten Partnern gering besser bewertet wurde, als die Zusammenarbeit mit „Zufallspartnern“. In der vierten Phase arbeiteten die Schüler eigenen Angaben zufolge erstmals auch mit dem „Zufallspartner“ genauso gut zusammen, wie mit denen von ihnen selbst gewählten Partnern.263 Die Schüler begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Sozialkompetenzen gut umgesetzt wurden, ein gutes Arbeitsklima im Team herrschte, man sich immer auf eine gemeinsame Lösung einigen konnte und das Endprodukt immer besser war als die Einzelarbeiten. Zudem mochten sie es, wenn sie gute Ergebnisse erzielten und zudem noch Spaß hatten. Nach der dritten Phase wurde mehrfach besonders positiv hervorgehoben, dass die Hausaufgaben und das Material nun immer da waren und man sich aufeinander verlassen konnte. Die Bewertung des Zusammengehörigkeitsgefühls in den einzelnen Teams264 entspricht konsequenterweise der Bewertung der Zusammenarbeit im Team. Diese Einschätzung begründeten die Schüler generell damit, dass sie sich für das Endprodukt mitverantwortlich fühlten und erkannten, dass man nur voran kommt, wenn alle ihre Aufgaben sorgfältig erledigen. Einige notierten auch, dass sie ein schlechtes Gewissen hätten, wenn die Hausaufgabe fehlt. Zwei Schüler brachten die Aspekte „persönliche Verantwortung“ und „positive gegenseitige Abhängigkeit“ schön auf den Punkt, indem sie anmerkten, dass man sich in einer absoluten Abhängigkeit voneinander befinde, da wenn einer die Aufgaben nicht habe, alles schief gehe. Einer allein schaffe die Aufgaben nicht, so dass man zusammenarbeiten müsse. Eine andere Schülerin hatte Angst davor, den Partner zu enttäuschen und genoss die gemeinsame Freude, wenn eine Aufgabe gelang. Eine weitere Schülerin wollte ebenfalls nicht für ein schlechtes Abschneiden des Teams verantwortlich sein. Zudem gefiel vielen, dass man sich gegenseitig helfen und unterstützen konnte. Dennoch machte ich die Feststellung, dass die Schüler oft dazu neigten, sich bei 262 Ein Beispiel hierfür ist das Team „LEGO“ um die Schülerin A in der Partnerarbeit 1 b). Für einen tabellarischen Überblick, siehe Anhang 7, S. 267, 269. 264 Für einen tabellarischen Überblick, siehe Anhang 7, S. 269. 263 88 Problemen sofort an die Lehrkraft zu wenden, anstatt diese im Team zu besprechen, so dass ich sie jedes Mal auf ihre Partner verweisen musste. Nach den einzelnen Phasen setzten sich die Schüler jedes Mal sehr ähnliche Ziele. Hierzu gehörte, dass man die Hausaufgaben (ernsthafter) zu machen, mehr positives Feedback geben und besser bei der Aufgabe bleiben wolle. Die Wünsche an den Partner waren nach nahezu jeder Phase identisch. So wurde formuliert, dass der Partner seine Hausaufgaben (sorgfältiger) machen und auch mitbringen sowie besser bei der Aufgabe bleiben solle. Des Weiteren merkten wenige Schüler an, dass der Partner bei der Verbesserung des eigenen Sozialziels sehr gut mitgearbeitet habe und auf Fehlverhalten hingewiesen habe. Ein Schüler notierte sogar, dass die Fortschritte des Partners ihn dazu angespornt hätten, sich selbst ebenfalls zu verbessern. Die meisten schätzten die Hilfe des Partners bei der Verbesserung des Sozialziels eher als „mäßig“ ein. Das eigene Verdienst bei der Verbesserung des Sozialziels bewerteten die meisten Schüler jedoch nur als „mäßig“265. Somit schätzen die Schüler ihren Beitrag vermutlich als weniger hoch ein, als er denn tatsächlich ist. Dies habe ich ihnen dann im Unterrichtsgespräch auch versucht zu verdeutlichen. Man muss jedoch auch anmerken, dass ein Team in der zweiten Phase (Team „Majo“) überhaupt nicht funktionierte, da es kurz vor der Zusammenarbeit zu einem heftigen Streit zwischen beiden Schülern kam. Beide konnten diese Differenzen in der Klasse nicht beilegen, so dass ich immer wieder eingreifen musste. Ich selbst hatte bei meinen Beobachtungen den Eindruck, dass der Zusammenhalt der Vierer-Teams größer war als der der Zweierteams. Bisher neigten die Zweierteams immer dazu, sich nach den anderen Teams umzusehen. Dies ließ mit der Bildung von Vierergruppen stark nach. Meine Beobachtung wird durch die Evaluationsbögen der Schüler bestätigt.266 Die Schüler begründeten ihre Entscheidung mit den besseren Resultaten und dem größeren Spaßfaktor. Positiv wurde auch bewertet, dass es in einem Viererteam zu mehr Austauschmöglichkeiten komme und auch mehr Ideen entstehen würden. Ein Schüler merkte jedoch auch kritisch an, dass es eventuell ebenfalls mit dem behandelten Thema zusammenhänge. Die Zusammenarbeit wurde zudem durch die unterschiedlichen Rollen erleichtert, da jedes Gruppenmitglied 265 266 11 Schüler. Für eine tabellarische Übersicht, siehe Anhang 6, S. 265. 89 genau wusste, was es zu tun hatte. Einige Teams notierten auf dem Placemat sogar immer, wer welche Rolle übernommen hatte.267 Das Ausfüllen von Evaluationsbögen, also die Evaluation und Reflexion, war nahezu allen Schülern unbekannt. Sie taten sich gerade zu Beginn schwer damit und es schien ihnen häufig lästig, obwohl ich Unterrichtszeit dafür zur Verfügung stellte. Nur wenige Schüler füllten den Bogen sorgfältig aus. Sie zeigten sich im Verlauf der einzelnen Phasen zunehmend offener für eine Reflexion über ihre Leistungen und ihr Verhalten, da sie ausführlicher darüber diskutierten und zum Teil auch ausführlicher begründeten. Einige wenige jedoch verweigerten sich auch in der vierten Phase noch teilweise, indem sie ihre Aussagen in den Evaluationsbögen nicht begründeten. Wie erhofft kam es in den mündlichen Reflexionsgesprächen zu Kritik seitens der Schüler, wie zum Beispiel, dass sie sich bei der letzten Partnerarbeit der dritten Phase mit niemandem absprechen konnten, bevor sie in die Austauschphase gingen, so dass ich ganz natürlich auf die Vorteile des Gruppen-Experten-Rallye verweisen und so in die 3. Phase überleiten konnte. Des Weiteren ist auffällig, dass die Schüler zwar die Methoden sowie die Partnerarbeit als positiv einschätzen, ihre Leistungen, insbesondere in der Klassenarbeit, jedoch schlecht sind. Sie erkennen ganz offensichtlich keinen Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und ihren Resultaten bzw. können praktisch nichts dagegen tun. Dies bestätigt ebenfalls die bisher gemachte Beobachtung, dass die Schüler zwar im Unterricht mitarbeiten und insbesondere während der Kooperativen Phasen aktiv sind, sie jedoch zu Hause nicht (genau genug) lernen und wiederholen. Es fehlt ihnen oftmals an Konzentration und Ernsthaftigkeit. Im Unterrichtsgespräch wurden die Schüler darauf hingewiesen, dass viele unter ihnen ihre Einstellung der Arbeit gegenüber grundlegend ändern müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Reflexionsbögen deutlich zeigen, dass die Schüler theoretisch verstanden haben, was von ihnen verlangt wird und was sie tun können, um sich zu bessern. Sie wissen beispielsweise im Prinzip, dass sie ihre Hausaufgaben machen, zusammenarbeiten und im Hinblick auf die Präsentation der Gruppenergebnisse gut aufpassen müssen, damit das Team, und damit auch sie selbst, erfolgreich sind. Doch verdeutlicht ihr tatsächliches Verhalten, dass sie ihre Überlegungen in der Praxis nicht umsetzen können, da beide Elemente für sie offen- 267 90 So beispielsweise alle Teams der drei untersuchten Schüler in der Gruppenarbeit 1 c). sichtlich nur schwer greifbar sind. Somit stellt sich die Frage, warum dann in der Praxis nicht dem Theoriewissen entsprechend gehandelt wurde. Vermutlich müssen die Schüler die Erfahrungen der gegenseitigen Abhängigkeit und der persönlichen Verantwortung über einen längeren Zeitraum machen und reflektieren, um ihr Handeln dementsprechend zu verändern. Es ist sicherlich auch sinnvoll und notwendig, sich die Zeit zu nehmen, den Schülern die Elemente der „persönlichen Verantwortung“ und „positiven gegenseitigen Abhängigkeit“ gleich zu Beginn ganz praktisch und anschaulich näher zu bringen, indem man im Vorfeld der Unterrichtsreihe kleine Übungen hierzu durchgeführt hätte. Denkbar wäre, dass die Schüler eines Teams zum Beispiel gemeinsam einen Turm bauen müssen, ohne sich dabei zu unterhalten. VI. 6. 2) Fachliche Ziele Die Auswertung der Fachkompetenzen erfolgt auf Grundlage der Schülerproduktionen und der Klassenarbeiten. Um eine Entwicklung nachvollziehen zu können, habe ich drei Schüler ausgewählt, die ich im Verlauf des gesamten Projektes besonders beobachten und deren Arbeiten ich beispielhaft auswerten werde. Es handelt sich hierbei einmal um eine sehr ruhige und ernsthafte Schülerin (A), um einen Schüler, der die Klasse wiederholt (B)268 und um einen mittelmäßigen Schüler (C), der im Unterricht jedoch sehr gut mitarbeitet.269 Insgesamt zeichnen sich die Schülerproduktionen und die Klassenarbeiten viel zu häufig durch Unvollständigkeit, Ungenauigkeit und mangelnde Tiefgründigkeit aus, was im Verlauf der einzelnen Phasen nicht wesentlich verbessert werden konnte. Bereits die erste Partnerarbeit (PA 1 a) zu den Sozialkompetenzen offenbarte die genannten Mängel, denn die Schüler hatten oftmals Schwierigkeiten, präzise Indikatoren für die ihnen zugeteilte Sozialkompetenz zu benennen. Es wurden beispielsweise häufig nur Stichworte genannt, die nicht erläutert wurden oder in keinem Zusammenhang mit der zu untersuchenden Kompetenz standen. Demnach war den Schülern die Umsetzung der jeweiligen Kompetenz nicht so klar, wie sie glaubten. So notierte der Teampartner des Schülers C zur Kompetenz „angemessene Lautstärke“ folgende Indikatoren zur non-verbalen Kommunikation: „nicht 268 Da Schüler B häufig keine Hausaufgaben dabei hatte (PA 1 a, c / PA 2 a, c / GA 3 a), wird er in der Analyse der Schülerproduktionen weniger berücksichtigt. 269 Für einen Überblick über die Zusammensetzung der Teams in den einzelnen Phase, siehe Anhang 2, S. 130-131. 91 schlagen“, „gut mitarbeiten“, „die Zeit im Auge behalten“, „sauber schreiben“. Schüler C hingegen notierte zum Teil präzisere und passendere Indikatoren.270 Eine besserere Arbeit lieferte als eine der wenigen Schülerin A ab. Auch sie arbeitete mit Stichworten, doch sind diese präziser und passen zu der bearbeiteten Kompetenz „bei der Aufgabe bleiben“.271 Die Beobachtungen verdeutlichen klar, dass die Kompetenz Leseverstehen zu Beginn des Schuljahres nur zufriedenstellend entwickelt war und auch nicht wesentlich verbessert werden konnte. Während die Schüler Lesefertigkeiten durchaus beherrschten, da sie problemlos ausgewählte, dem Alter und der Jahrgangsstufe angepasste Texte in Form von Kurzgeschichten, dem Roman „Der Richter und sein Henker“ und journalistischen Textsorten in angemessener Zeit still lesen und sowohl global als auch in vielen Einzelheiten verstehen konnten. Die Lesetechniken bereiteten ihnen größere Probleme. Diese wurden zwar im Verlauf des Projektes immer wieder gefördert, doch blieben sie allgemein eher zufriedenstellend. Insbesondere das suchende Lesen konnte nur mäßig trainiert werden, da den Schülern das oftmals notwendige Fachwissen hierfür häufig fehlte. Sie beherrschten den gelehrten Unterrichtsstoff und die deutsche Sprache (Grammatik, Rechtschreibung, Ausdruck, Aufbau von Antworten) oft nicht gut genug, um gezielt nach Fehlern oder bestimmten Phänomenen suchen zu können. So war die zweite Partnerarbeit zum Konjunktiv II (PA 1 b) dadurch geprägt, dass viele Schüler die Verblisten zum Konjunktiv II nicht gelernt hatten und somit die Formen nicht kannten sowie nicht korrekt anwenden konnten.272 Zudem waren gar bei fünf Teams Fehler in den Beschreibungen enthalten, die so nicht von den Schülern vorgesehen waren und auch nicht vom Teampartner verbessert wurden.273 Andere Teams hielten sich einfach nicht an die Arbeitsanweisungen, so dass der Teamname nicht genannt wurde, die Arbeit wie bei Team „Mesh Numbeldore“ keinen abschließenden Satz zur Partnerarbeit enthielt oder die Fehler zwar unterstrichen, aber nicht berichtigt wurden. Dementsprechend konnte der Kompetenzbereich Über die 270 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 241. Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 242. 272 So auch Schüler B: „So fanden wir viele merkwürdige, außerordentliche und ungewöhnliche Tiere.“ oder „Ich würde ein paar Freunde mitnehmen auf das U-Boot.“ Schülerin A notierte: „Ich würde Steine untersuchen und würde Proben nehmen.“ 273 Schüler C: „... in einem Fahrzeug, mit dem man so weit wie es nur geht untertauchen könne ...“ / „... man könnte so lange unter Wasser bleiben, wie man nur wolle ...“. 271 92 Sprache und den Sprachgebrauch nachdenken274 ebenfalls nicht wie geplant gefördert werden. Insgesamt lieferten nur die Teams „Tati-Mati“ mit dem Schüler B und das Team „LEGO“ mit der Schülerin A gute Arbeiten ab. Das Fehlen der Hausaufgabe bei der Partnerarbeit (PA 1 a) und die damit verbundenen Konsequenzen für das Team schienen zunächst einmal auf Schüler B gewirkt zu haben. Erstaunlicherweise konnte Schülerin A die gute Leistung in der abschließenden Klassenarbeit jedoch nicht bestätigen, da diese mangelhaft war. Schüler B hatte das schlechteste Ergebnis der drei untersuchten Schüler, Schüler C hingegen erreichte die Hälfte der Punkte. Die Resultate können nur auf eine fehlende Vorbereitung und eine mangelnde Konzentration zurückzuführen sein. Das Aktivieren von Vorwissen und vor allem auch das Anstellen inhaltsbezogener Hypothesen bereitete den Schülern durchweg größere Probleme. Gleich in der zweiten Phase (PA 2 a) gelang es den meisten kaum, den Titel „Der Schmarotzer“ mit Hilfe ihres Vorwissens sinnvoll zu erklären und auf Basis dieser Überlegungen Hypothesen zum Inhalt der Kurzgeschichte anzustellen. In diesem Sinne kamen nur wenige gute Schülerarbeiten zustande. Schüler C ist hierfür ein Beispiel, denn er erklärt den Begriff Schmarotzer überhaupt nicht und bezieht sich auch nicht auf die Kurzgeschichte.275 Schülerin A hingegen zeigt ein gutes Vorgehen, da sie den Begriff „Schmarotzer“ erklärt und dann auch sinnvoll in einen Zusammenhang mit dem Inhalt der Kurzgeschichte bringt.276 In der vierten Phase sollten die Schüler dann erneut inhaltsbezogene Hypothesen, diesmal zu einem Zitat zum Zeitungswesen (GA 4 a), anstellen und somit auch erschließendes Lesen üben. Die Ergebnisse dieser Arbeit waren immerhin besser, doch überwiegend immer noch nur zufriedenstellend. Schülerin A setzte die Kompetenz etwas weniger gut um als zum Titel der Kurzgeschichte, denn sie begreift das Zitat von Axel Springer277 nicht gänzlich und umschreibt es im Grunde nur, anstatt eine präzise Aussage zu formulieren.278 Die gemeinsame Lösung ihres Teams („ice-cream“) ist zwar umfangreicher, lässt den Aspekt der Einflussnahme der Zeitungen auf die Meinungsbildung der Bevölkerung aber ebenfalls nicht erkennen.279 Die Deutung des Zitats „Die Presse ist der Zahnstocher der Nation“ von Roberto Benigni durch Schüler C ist nicht 274 Kompetenz Schreiben. Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 245. 276 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 245. 277 „Wahr ist, was morgen in der Zeitung steht.“ 278 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 252. 279 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 252. 275 93 zufriedenstellend, da konfus und oberflächlich. Er schafft es absolut nicht, die Aussage des ihm zugeteilten Zitats präzise zu erfassen, kann also keine inhaltsbezogenen Hypothesen anstellen.280 Die gemeinsame Lösung des Teams „No Name“ kann ebenso kaum überzeugen, denn dass die Presse ebenfalls Missstände aufzeigt, kommt den Schülern nicht in den Sinn.281 Schüler B hingegen erfasst das ihm zugeteilte Zitat von Saul Bellow282 besser, indem er die Aussage des Zitats präzise wiedergibt. Die Lösung seines Teams ist auch gut, da sie seine Überlegungen aufgreift. In seinem Fall scheint die Kompetenz weiter entwickelt zu sein.283 Er kann offensichtlich insgesamt gute Leistungen erbringen, so lange er sich nicht vorbereiten muss. Im Bereich „Leseverstehen“ hatten die Schüler ebenfalls größere Probleme damit, den Aufbau eines fiktionalen Textes zu erkennen und jeden Gliederungspunkt in einem Satz zusammenzufassen. Insofern muss das genaue Lesen unbedingt weiter gefördert werden. Da die Fähigkeiten in der zweiten Phase (PA 2 b), als die Schüler den Aufbau der Kurzgeschichte „Der Schmarotzer“ untersuchten, die Geschichte gliederten und jeden Abschnitt in einem Satz zusammenfassen sollten, mittelmäßig umgesetzt wurden, steigerte ich den Anspruch in der dritten Phase (GA 3 a). Bei der Analyse der Kurzgeschichte fasste Schülerin A die Sinnabschnitte präzise und knapp zusammen und orientierte sie sich bei der Gliederung des Textes zwar an Abschnitten, jedoch nicht an den Figuren, also dem Perspektivewechsel.284 Da Schüler B keine komplette und der dritte Teampartner überhaupt keine Hausaufgabe hatte, kämpfte das Team „Die Fantastischen Drei“ mit dem Problem, dass lediglich eine komplette Hausaufgabe vorhanden war. Die gemeinsame Lösung des Teams zeigt einen sehr guten Anfang, da nun richtige Einteilungen vorgenommen wurden, die sich am Perspektivwechsel orientierten. Des Weiteren sind die Zusammenfassungen (inhaltlich) gelungen. Ab Zeile 40 stimmt die Einteilung dann allerdings nicht mehr. An diesem Punkt endet ebenfalls die Einzelarbeit von Schüler B, so dass offensichtlich nur noch die Vorlage von Schülerin A zur Verfügung stand. Es folgen auch kaum noch Zusammenfassungen der Abschnitte, was vermutlich auf ein Zeitproblem schließen lässt. Immerhin hat das dritte Teammitglied dann den gemeinsamen Lösungs280 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 252. Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 252. 282 „Das Problem der Zeitungsberichterstattung liegt darin, dass das Normale uninteressant ist.“ 283 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 252. 284 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 246, 247. 281 94 vorschlag notiert, um ebenfalls etwas zum gemeinsamen Produkt beizutragen. Dies lässt zumindest auf ein Minimum von Verantwortungsgefühl für das Team schließen.285 Schüler C zeigte in seiner Einzelarbeit ebenfalls gute Ansätze, da auch ihm die Gliederung gelang. Die Zusammenfassungen sind jedoch weniger gelungen, da ungenauer.286 Als die Schüler in der dritten Phase die gleiche Kompetenz dann bei einem umfangreicheren literarischen Text, nämlich den Roman „Der Richter und sein Henker“, anwenden sollten (GA 3 a), offenbarten sich doch größere Schwächen. Kein Team schaffte es, die wesentlichen Geschehnisse herauszuarbeiten sowie das jeweilige Hauptgeschehnis kurz und knapp im Nominalstil zusammenzufassen und zu formulieren. Demnach hatten die Schüler insgesamt Probleme damit, die Einzelheiten der Handlungen des Romans richtig zu verstehen und sie in eine Chronologie zu bringen. So notiert Schüler B beispielsweise: „Tschanz will in der Nacht Schmieds Mappe von Bärlach stehlen, die jedoch vorher von Gastmann mitgenommen wurde.“ In der Modelllösung wurde beispielsweise nur „Tschanz’ Attentat auf Bärlach“ notiert. Auch achteten viele Teams nicht auf die zeitliche Reihenfolge, so dass sie die Wette in der „Gastmann-Geschichte“ nicht an erster Stelle notierten. Positiv zu bewerten ist jedoch, dass dennoch alle Teams versuchten, die Aufgabe zu lösen und auch richtige Aspekte notierten. Wahrscheinlich gerade wegen der Schwierigkeiten im Unterrichtsgespräch zeigten sie sich sehr interessiert und arbeiteten mit. Alle Einzelarbeiten der drei ausgewählten Schüler zeigten auch nach der ersten Austauschphase Merkmale von Überarbeitungen auf, die jedoch oftmals wenig sinnvoll waren. An diesem Punkt wird sicherlich noch gearbeitet werden müssen. Die Schüler wiesen zunächst im Kompetenzbereich „Literarische Texte verstehen“ größere Mängel auf. Die meisten Schüler schafften es somit nicht, die Merkmale der Textsorte Kurzgeschichte am Text nachzuweisen und die sprachlichen und inhaltlichen Einzelbeobachtungen zu einer Gesamtdeutung des Textes zusammenzuführen (PA 2 c). Die Antworten blieben häufig oberflächlich und nichtssagend. In dem Team „Die Fantastischen Drei“ hatte nur Schülerin A eine zufriedenstellende Hausaufgabe vorzuweisen, da sie die Merkmale präzise benennt und auch mit konkreten Textbeispielen benennt.287 Die gemeinsame Lösung des Teams war jedoch nicht ausreichend. Das Team hat lediglich die Einzelarbeiten der Teampartner aneinander 285 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S.246, 247. Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 246, 247. 287 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 248. 286 95 gereiht, so dass es zu keinem Austausch gekommen ist. Der Teil von Schüler B fehlt völlig.288 Die Arbeit des Teams „Die Fantastischen Drei“ wurde dementsprechend auch mit mangelhaft bewertet (7/20). Die Einzelarbeit von Schüler C ist absolut mangelhaft und wurde vermutlich noch schnell vor Unterrichtsbeginn notiert, denn sie besteht aus gerade mal zwei Sätzen.289 Obwohl die Einzelarbeit der Teampartnerin besser, aber auch nicht überragend ist, enthält die gemeinsame Lösung der beiden doch sehr gute Ansätze, so dass es in diesem Team nachweislich zu einer Kooperation gekommen ist. Die Arbeit gehört zu einer der besseren (11/20). Die beste gemeinsame Lösung dieser Arbeit stammt von Team „Jamaica“. Die Antwort zeigt gute Ansätze, da die Merkmale möglichst genau genannt und mit Beispielen illustriert werden.290 In der dritten Phase (GA 3 c) wurde die Fertigkeit sprachliche und inhaltliche Einzelbeobachtungen zu einer Gesamtdeutung des Textes zusammenführen erneut gefördert, indem die Schüler das Verhalten der Hauptfiguren Bärlach und Tschanz während der sogenannten Henkersmahlzeit in Dürrenmatts „Der Richter und sein Henker“ analysierten. Diese Aufgabenstellung wurde von allen Teams gut gelöst, da die Schüler recht präzise vorgingen, sie also das suchende Lesen nun besser umsetzen konnten sowie sprachliche und inhaltliche Einzelbeobachtungen nun auch besser zu einer Gesamtdeutung zusammentragen konnten. Schülerin A und Schüler B verfassten beispielsweise Einzelarbeiten zu Tschanz’ innerer Verfassung. Schülerin A verwendet zahlreiche treffende Ausdrücke und sie arbeitet Tschanz Verzweiflung gut heraus. Die Steigerung dieser Verzweiflung wird sogar ansatzweise erkennbar. Positiv ist auch der abschließende zusammenfassende Satz. Leider fehlen jedoch konkrete Beispiele aus dem Text.291 Die gemeinsame Antwort des Teams „Glücksbringer“ ist erneut besser, da sie sich stärker auf die genannten Buchseiten bezieht. Die Charakterisierung der handelnden Figur Tschanz ist gelungen, eine Entwicklung im Ansatz erkennbar.292 Schüler B hingegen bezieht sich stärker auf den Kontext, arbeitet aber weniger genaue Aussagen heraus und Tschanz’ zunehmende Verzweiflung wird auch nicht deutlich.293 Die gemeinsame Lösung des Teams „Jumkees“ ist wie beim vorherigen Team ebenfalls genauer, da die in den zu untersuchenden Buchseiten 288 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 248. Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 248. 290 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 249. 291 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 250. 292 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 250. 293 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 250. 289 96 angelegte Steigerung herausgearbeitet wird.294 Schüler C verfasste mit seinem Team „Black Cops“ die Charakterisierung Bärlachs. Auch in diesem Fall ist die Arbeit des Schülers C aufgrund von Begriffen und Formulierungen wie „lebensvoll“ oder „er ist in seinem Element“ viel ungenauer und oberflächlicher als die gemeinsame Lösung des Teams.295 Dennoch konnte die Kompetenz Leseverstehen in diesem Bereich offensichtlich weiterentwickelt werden. Die Resultate der Klassenarbeit zur Kurzgeschichte (Phase 2) sind durchwachsen und stützen die Beobachtungen während der Unterrichtsstunden. Schülerin A und Schüler B erreichten lediglich zufriedenstellende Resultate, während Schüler C nicht einmal die Hälfte der Punkte erreichte.296 Das Verstehen, das Reflektieren und das kritische Einschätzen von Sachtexten konnten die Schüler recht gut umsetzen. Die angestrebten Kompetenzen konnten sicherlich aufgrund der guten Arbeitsergebnisse der Teams gefestigt werden und es fand offensichtlich ein Wissenstransfer statt. Die Teams schafften es durchaus, im Vorfeld kennen gelernte Fachbegriffe zur Untersuchung medial vermittelter Texte richtig anzuwenden und zu verstehen (GA 4 b, c). So verstanden die Teams Begriffe wie „Layout“, „Aufmacher“, „Sparten / Ressorts“ und konnten die Analysekriterien ohne Nachfrage einsetzen. Es gelang ihnen auch, für die Analyse selbst auf die jeweiligen Fachbegriffe zurückzugreifen. Sie konnten ebenfalls die wesentlichen Gestaltungsmittel der klassischen Tageszeitung und der Boulevardzeitung benennen sowie einen Zusammenhang zwischen Inhalt und Form herstellen und deutlich machen. Dadurch, dass die Schüler Informationen aus zwei unterschiedlichen Zeitungstypen zusammentragen mussten, um den Vergleich zwischen der Süddeutschen Zeitung und der Bildzeitung herstellen zu können, gelang es ihnen auch, Informationen miteinander zu verknüpfen und Zusammenhänge zwischen den beiden Zeitungen herzustellen, um eine Gegenüberstellung anfertigen zu können. Das Team „ice-cream“ um Schülerin A arbeitete genau.297 Auch die Arbeit des Teams „Wonder Pets“ um Schüler B zeigte gute Ansätze.298 Den meisten Teams gelang es, sprachlichstilistische Gestaltungsmittel aufzuzeigen, doch gingen sie meist nicht auf ihre 294 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 250. Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 251. 296 Siehe Anhang 6 Evaluation (Tabellarische Übersicht), S. 272. 297 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 253, 254. 298 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 254. 295 97 Wirkungsweisen ein und es fehlte oftmals an Beispielen.299 Insgesamt arbeiteten die Schüler aktiv und sehr motiviert mit. Insbesondere die Analyse der BILD-Zeitung begeisterte und interessierte die Klasse. Bei der Arbeit mit journalistischen Textsorten wie der Nachricht, dem Bericht, der Reportage, dem Kommentar, der Glosse oder der Rezension zeigten die Schüler die kaum Probleme bei der Unterscheidung, ob ein Text nun sachlich berichtet und informiert oder ob Meinungsbildung betreibt. Sie konnten die einzelnen journalistischen Darstellungsformen auch problemlos unterscheiden und bewerten (GA 4 c). Als der Anspruch dann jedoch gesteigert wurde, indem die Schüler die Merkmale der Textarten Bericht, Interview, Reportage oder Kommentar am Text herausarbeiten mussten, taten sie sich wesentlich schwerer. Die Arbeiten zu den Textsorten (GA 3 c) waren inhaltlich katastrophal. Zahlreiche Expertengruppen hielten sich beispielsweise nicht an die Anweisungen auf dem Angabenblatt. Es scheint so, als ob sie den Arbeitsauftrag gar nicht oder nicht gründlich gelesen hätten. So glaubten einige Teams, jedes Gruppenmitglied müsse ein Handout erstellen. Insbesondere die Expertengruppe zur Reportage um Schüler C hatte große Probleme, die Merkmale herauszuarbeiten, so dass das Handout fehlerhaft und nicht komplett war. Sie taten sich schwer damit, die Merkmale der Textsorten Interview und Reportage voneinander zu unterscheiden. Ich werde beide Textsorten in der Tat auch nicht mehr miteinander vermischen, da sie oftmals ähnliche Merkmale enthalten. Die Textbeispiele passten auch nicht immer beziehungsweise notierten die Schüler Textbeispiele, wo gar keine verlangt waren. Die Reihenfolge im Aufbau war ebenfalls fehlerhaft und sie übernahmen Elemente, die keinen Sinn ergaben.300 Das Handout der Expertengruppe „Interview“, der die Schülerin A und der Schüler B angehörten, ist inhaltlich besser als die Arbeit zur Reportage, da korrekter, doch ist auch diese Arbeit nicht vollständig. So wurden Merkmale gar nicht oder nicht vollständig übernommen. Andere Analysekriterien wie „Umfang“ waren nicht verlangt. Auch dieses Team notierte, entgegen der Angaben im Arbeitsauftrag, ein Textbeispiel zum Inhalt.301 In diesem Sinne gelang es den Schülern vermutlich auch nicht immer, die in der vorbereitenden Hausaufgabe gestellten Fragen zum Aufbau, zum Inhalt, zur Sprache und zur Wirkungsabsicht des Textes zu beantworten. 299 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 254. Eine detaillierte Analyse der Schülerarbeit findet sich im Anhang 5, S. 255, 256. 301 Eine detaillierte Analyse der Schülerarbeit findet sich im Anhang 5, S. 257, 258. 300 98 Da alle Arbeiten, bis auf das Handout zur Textsorte „Kommentar“, kaum zufriedenstellend, da fehlerhaft und nicht komplett, waren, habe ich mich dazu entschlossen, die Handouts in einer zusätzlichen Stunde zu kommentieren und zu berichtigen. Die Schüler mussten sich selbständig ergänzende und berichtigende Notizen machen. Diese Unterrichtsstunde bot ich, aufgrund fehlender Zeit, in einer Mittagspause an. Es kamen tatsächlich auch alle Schüler der Klasse, doch brachten zwei nicht einmal ihre Unterlagen mit. Dies reflektiert doch dramatisch die Einstellung einiger Schüler zur Arbeit und zur Schule. Es wäre besser gewesen, wenn ich alle Handouts eingesammelt und kommentiert hätte. Im Anschluss hätte ich den Schüler noch einmal Zeit geben können, um die Handouts zu überarbeiten und dann erst in die Stammgruppen zu gehen. Die Kritik wurde ebenfalls von einigen Schülern geäußert. Dieses Vorgehen hätte die Qualität der Handouts sicherlich stark verbessert und den Lernzuwachs der Schüler ebenfalls vergrößert, allerdings wäre die Arbeit dann wiederum vom Lehrer gemacht worden. Um das Gelernte dieser kooperativen Phase weiter zu festigen, mussten die Schüler in Einzelarbeit einen Artikel aus einer Zeitung ausschneiden, situieren und die Merkmale am Text herausarbeiten. Die anderen Arbeiten waren zufriedenstellend, was mich aufgrund der schlechten Hand-outs überraschte, so dass die angestrebten Kompetenzen doch entwickelt werden konnten. Die meisten Schüler wählten einen Bericht oder ein Interview, da bei diesen die Merkmale am einfachsten zu finden und zu erkennen sind. Schülerin A wählte einen Artikel aus dem Luxemburger Wort vom 4. Februar 2012: „Weiterhin Extremkälte in Europa“. Sie erkannte richtig, dass es sich bei dem Artikel um einen Bericht handelt, und sie konnte auch die Merkmale nennen sowie mit Textbeispielen belegen. Allerdings scheiterte sie am Umschreiben sowie am Verfassen einer zusammenhängenden, strukturierten Antwort, da sie stark mit Stichworten arbeitete. Insgesamt gehört die Arbeit jedoch zu den besten.302 Schüler C wählte ebenfalls einen Bericht („"Lizenz zum Töten" für Assad“) aus dem Luxemburger Wort vom 6. Februar 2012. Er schaffte es noch weniger, einen zusammenhängenden Text zu verfassen, arbeitete nur mit Stichworten und mit wenigen konkreten Beispielen.303 Schüler B hat keine Aufgabe abgegeben. Die abschließende Klassenarbeit zu den journalistischen Textsorten bestätigt die Beobachtungen aus den kooperativen Phasen. Das Leseverstehen ist insgesamt bei den 302 303 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 258. Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 259. 99 meisten Schülern der Klasse lediglich zufriedenstellend entwickelt, wobei Schülerin A mit Abstand am besten abschneidet, Schüler B ein miserables Ergebnis erzielt und Schüler C knapp die Hälfte der Punkte erreicht.304 Die Kompetenz Sprache gebrauchen und Sprache untersuchen, die in Form einer Wiederholung des Stoffes der 6. Klasse gefördert werden sollte, blieb mangelhaft. Wie bereits dargestellt schafften es die Schüler nicht wirklich, Verben im Konjunktiv zu erkennen und anzuwenden (PA 1 b). Das Umwandeln der wörtlichen Rede in die indirekte Rede verlief in der Partnerarbeit (PA 1 c) besser als die Partnerarbeit zum Konjunktiv II, so dass sich die Schüler offensichtlich langsam an die Vorgehensweise gewöhnten. Sechs Teams lieferten sehr gute Arbeiten ab, in denen in der Endlösung nur ein Fehler oder überhaupt kein Fehler mehr zu finden war. Hierzu zählen die Arbeit der Schülerin A sowie der gemeinsame Lösungsvorschlag des Teams „LEGO“.305 Dann gab es noch zwei mäßige Arbeiten, darunter die Arbeit des Teams „Tati-Mati“ um Schüler B. Allerdings schaffte er es erneut, obwohl er nicht vorbreitet war, dafür zu sorgen, dass die gemeinsame Endlösung weniger Fehler enthielt als die Einzelarbeit seiner Teampartnerin. Jedoch gab es auch zwei schlechte Beiträge, die sogar inhaltliche Fehler enthielten.306 Neben den Verbformen bereiten ebenfalls die Personalpronomen Probleme. Insgesamt waren die Endresultate der Partnerarbeiten auch diesmal besser, als die individuellen Produktionen, da weniger Fehler enthalten waren. Die Klassenarbeit enthüllte jedoch gnadenlos die Schwächen der Schüler, da die Resultate katastrophal waren. Schülerin A und Schüler B erreichten wie der Durchschnitt der Klasse nicht einmal die Hälfte der Punkte, Schüler C erzielte genau die Hälfte der Punkte. Diese katastrophalen Leistungen können nur auf eine mangelnde oder fehlende Vorbereitung der Schüler zu Hause zurückzuführen sein. Der Kompetenzbereich Pragmatisch schreiben bedarf noch zahlreicher weiterer gezielter Fördermaßnahmen. Die meisten Schüler, darunter alle drei untersuchten Schüler, hatten trotz mehrfacher Einübung und Thematisierung immer wieder Probleme damit, zusammenhängende, strukturierte Texte in Form einer Antwort zu verfassen und einen Schreibprozess zu planen und zu gestalten. Die Schülerproduktionen zeigen, dass immer wieder der Einleitungssatz fehlte oder dass nicht auf strukturierende Konjunktionen und Überleitungen zurückgegriffen wurde. Zum Teil 304 Siehe Anhang 6 Evaluation (Tabellarische Übersicht), S. 272. Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 243. 306 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 244. 305 100 wurde einfach in Stichworten und nicht in ganzen Sätzen geantwortet und die Antwort enthielt keinen erkennbaren Aufbau. Des Weiteren beherrschen die Schüler die Grammatik, die Rechtschreibung und die Zeichensetzung nicht ausreichend, so dass es viel zu häufig zu grotesken Fehlern kommt. Diese finden sich in nahezu allen Schülerarbeiten. Folglich hatten die Schüler insgesamt häufig Probleme damit, den Aufbau, den Inhalt und den Stil ihrer Texte hinsichtlich der Fragestellung zu überprüfen. Noch weniger gut funktionierte die sprachliche Überarbeitung der Texte, da sie die Rechtschreib- und Grammatikfehler in selbst verfassten Texten häufig sogar mit meiner Hilfe nicht erkannten und somit auch nicht überarbeiten konnten. Ein dramatisches Beispiel für Schwächen in Grammatik und Rechtschreibung ist das Handout zur Reportage des Teams um Schülers C.307 Insgesamt konnten alle Schüler, wenn auch unterschiedlich stark, von der Lehrerrückmeldung zur ersten Fassung des Artikels profitieren, um ihre Artikel inhaltlich zu überarbeiten, doch blieben die Erfolge angesichts des für mich nicht unbedeutenden Zeit- und Arbeitsaufwands hinter meinen Erwartungen zurück. Schülerin A hat ihre Artikel inhaltlich gut überarbeitet, da sie die Schlagzeile des Kommentars, den Einstieg sowie den Mittelteil überarbeitet, indem sie schon eine Wertung vornimmt und ihre Meinung nun auch im Mittelteil deutlicher macht. Sie konnte die Artikel auch bezüglich des Ausdrucks verbessern und die meisten anderen sprachlichen Fehler reduzieren. Schüler B schaffte es ebenfalls den „Kopf“ seines Berichts zu vervollständigen und er ergänzt den Kommentar wie aufgefordert um eine Zusammenfassung der Gedanken. Schüler C wählt leider keine aussagekräftigere Schlagzeile, überarbeitet das Interview jedoch sprachlich. Er weist große Schwächen, insbesondere in den Bereichen Rechtschreibung und Ausdruck auf. Es gab aber auch Erfolgserlebnisse, denn so schafften es Schülerin A und Schüler B sowie ihr Team, ein fehlerfreies Handout zur Textsorte „Interview“ abzugeben.308 Die Gruppenarbeit zu den journalistischen Textsorten (GA 3 c) zeigte zudem, dass die Schüler größere Schwierigkeiten damit hatten, die ihnen zugeteilte journalistische Textsorte unter Berücksichtigung formaler und sprachlicher Besonderheiten zu verstehen und mit Textstellen zu belegen. Es gelang ihnen zwar, die journalistischen Textsorten in Bezug auf die Wirkung und die Intention hin zu untersuchen, doch ihre Handouts konnten sie dann häufig nicht mit sinnvollen und passenden Textbeispielen 307 308 Siege Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 255, 256. Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 257. 101 belegen. Insbesondere Schüler C und sein Team, die die Reportage vorstellen sollten, stehen hierfür exemplarisch. Die Resultate der Klassenarbeiten verdeutlichen ebenfalls die Probleme der Schüler im Bereich Schreiben, da diese generell nur ausreichend waren. Erstaunlicherweise schnellten die Resultate in der vierten Phase dann in die Höhe, da die Schüler gut mit dem Verfassen eigener Artikel zurecht kamen (EA 4). Inhaltlich waren diese wirklich gelungen. Sie schafften es problemlos, bei der inhaltlichen Gestaltung ihrer Artikel auf Vorwissen zurückzugreifen. So gab es Interviews mit Schülern des LN, die im Bereich Sport erfolgreich sind. Hierzu zählen zwei Interviews mit Mitschülerinnen der Klasse, die Basketball spielen, und ein Interview mit einem ehemaligen Schüler, der nun das Sportlyzeum besucht und erfolgreich Tischtennis spielt. Zudem wurde jeweils ein Interview mit einem verantwortlichen Schüler des Coffe-Houses, mit einer Mitarbeiterin des SPOS, mit Mitarbeitern des Jugendhauses in Wiltz und ein Interview mit einem Schüler der Abschlussklasse zum Thema „Studentebaal“ geführt. Des Weiteren gab es Berichte und Kommentare über die extremen Temperaturen des Winters, den „Studentebaal“, das Wiltzer Festival, das Café „Prabbeli“, das Ginsterfest, die „Nuit des Lampions“ oder die Turngala. Sie schafften es auch allesamt, für ihre Artikel auf texttypische Merkmale zurückzugreifen sowie adressaten- und situationsbezogen zu schreiben. Es wagte sich jedoch kein Schüler an die Textsorte Reportage. So verwenden Schülerin A und B bewusst unterschiedliche Sprachstile für den objektiv informierenden Bericht und den doch eher meinungs-bildenden Kommentar. Schüler C achtet bei seinem Interview ebenfalls auf eine höfliche und genaue Sprache. Der Aufbau der einzelnen Schülerartikel entspricht ebenfalls den Vorgaben, da beispielsweise die Berichte der Schüler A und B eine Schlagzeile enthalten, die durch eine Unterüberschrift und durch einen „Kopf“ ergänzt wird. Abschließend informiert der „Körper“ dann jeweils über Einzelheiten, Hintergründe und Zusammenhänge. Die Schüler beachten ebenfalls das Prinzip der abnehmenden Wichtigkeit. Die Kommentare sind auch gelungen, da sie eine Schlagzeile, eine Unterüberschrift und den Namen des Kommentators beinhalten. Der Einstieg bereitete den Schülern häufig etwas Probleme. Mittelteil und Schluss sind dann wieder gelungen, wobei es im Mittelteil manchmal etwas an Ausführlichkeit fehlt. Das Interview von Schüler C erfüllt mit der Schlagzeile, dem Einleitungstext und der Anordnung der Fragen ebenfalls alle wichtigen Kriterien. Sprachlich musste ich die Artikel jedoch stark überarbeiten. 102 Die optisch angemessene Gestaltung der Texte am PC waren die Schüler offensichtlich nicht gewohnt und dementsprechend mäßig waren die Resultate. Die Gestaltung des Handouts zur Reportage ist katastrophal, da die Experten nicht wie verlangt einen Lückentext erarbeiteten und eine Kopfleiste mit Angaben zur Klasse, zum Thema sowie die Namen der Experten fehlte. Der Aufbau des Handouts zur Textsorte „Kommentar“ ist nicht übersichtlich. Es wäre sicherlich sinnvoll gewesen, wenn ebenfalls ein Informatiker anwesend gewesen wäre, um grundlegende Aspekte der Textverarbeitung mit den Schülern zu thematisieren. Das Handout der Expertengruppe „Interview“, der die Schülerin A und der Schüler B angehörten, ist besser als das Handout zur Reportage, da weniger Fehler gemacht wurden, doch ist auch diese Arbeit nicht vollständig. So fehlen Angaben zum Datum sowie die Namen.309 Die Kompetenz Sprechen, reden zuhören konnte insgesamt gut umgesetzt werden. Die Schüler schafften es insgesamt gut in den kooperativen Phasen die Meinungen anderer zu respektieren und auf diese einzugehen, den eigenen Standpunkt sachlich darzulegen und zu begründen und sich situations- und adressatenbezogen mitzuteilen sowie eigene Interpretationsansätze darzustellen und zu begründen, da ich kaum Beschwerden bezüglich der Zusammenarbeit aus den einzelnen Teams erhielt. Lediglich in der zweiten Phase mussten zwei Schüler zusammenarbeiten, die zerstritten sind. Diese konnten ihre Auseinandersetzung auch nicht für die Zeit der Partnerarbeit beilegen, so dass die Resultate dieses Teams mangelhaft waren. Ein weiteres Negativbeispiel ist das Team um Schüler B, welches in der vierten Phase die Textsorte Reportage vorstellen sollte. Die Experten arbeiteten nicht gut zusammen, sie kamen nur langsam voran und stritten häufig. Auch angesichts ihrer Verantwortung für ihre jeweiligen Stammgruppen sowie deren Abhängigkeit von der Arbeit dieser Expertengruppe, die ich ihnen immer wieder ins Gedächtnis rief, konnten sich die Schüler nicht zusammennehmen. Als Folge konnten sie ihre Arbeit nicht in der vorgegebenen Zeit beenden. Die Kompetenz Informationen zu beschaffen, adressatenbezogen weiterzugeben und dabei frei vorzutragen (GA 4 c) konnte nur mäßig gefördert werden. Die Präsentation durch den Schüler C, die ich mit angehört hatte, war beispielsweise katastrophal, da er selbst nichts mehr mit dem Handout anfangen konnte und völlig unvorbereitet war. Es gelang ihm demnach überhaupt 309 Siehe Anhang 5 Schülerarbeiten, S. 255-258. 103 nicht, die erarbeiteten Informationen an seine Stammgruppe weiterzugeben und dabei frei vorzutragen. Die angestrebten Kompetenzen konnten somit insgesamt durchaus gefördert werden, wobei die Resultate meist nur mäßig waren. VI. 7) Auswertung des Unterrichtsmodells Auf Grundlage der Lehrerbeobachtungen, der Evaluation der Arbeitsprodukte, der Klassenarbeiten und einer abschließenden Schülerreflexion310 wird im Folgenden ausgewertet, inwiefern das Kooperative Lernen und Arbeiten sowie die in diesem Kontext angewandten Methoden der Partner- und Gruppenarbeit, des Dreischritts, des Placemat-Verfahrens und der Gruppen-Expertenrallye einen Lernzuwachs sowie eine Kompetenzerweiterung im luxemburgischen Schulsystem unterstützen können. Obwohl die Klasse sehr schwierig war und klare Defizite im Bereich der Arbeitseinstellung, der Kompetenzen und des Fachwissens aufwies, stagnierten oder verbesserten in den meisten Fällen zumindest minimal. Es stellt sich die Frage, ob das mangelnde Fachwissen darauf zurückzuführen ist, dass viele Einzelarbeiten in de Hausaufgabe verlegt wurden und die Schüler somit überfordert waren. Ebenso wie der Durchschnitt der Klasse konnte sich Schülerin A beispielsweise stetig verbessern, so dass sicherlich eine Aneignung von Wissen sowie eine Kompetenzerweiterung stattgefunden hat. Schülerin A ist jedoch eine sehr gewissenhafte Schülerin, so dass sie auch in den anderen Klassenarbeiten gute Resultate erzielte, da sie immer fleißig und sorgfältig arbeitete. Die Resultate von Schüler B sind sprunghaft und gerade für einen Schüler, der die Klasse wiederholt, lediglich zufriedenstellend. Er konnte aufgrund des Kooperativen Lernens und Arbeitens sicherlich weder zusätzlich motiviert noch zu einem Umdenken gegenüber der Schule bewogen werden. Schüler C konnte sich bis auf die zweite Phase ebenfalls verbessern und profitierte von den angewandten Arbeitsmethoden.311 Auffällig ist ebenfalls, dass insbesondere die Ergebnisse der ersten Klassenarbeit besonders schlecht waren, die Schüler diese dann aber bereits in der zweiten Phase im Vergleich stark verbessern konnten. Bis auf Schüler C fiel keiner der untersuchten Schüler hinter das Ergebnis der ersten Klassenarbeit zurück.312 Positiv bewerte ich zumindest, dass es keine dramatischen 310 Siehe Anhang 3 Frage- und Reflexionsbögen, S. 145-146. Für eine tabellarische Übersicht, siehe Anhang 6, S. 271. 312 Für eine tabellarische Übersicht über die Ergebnisse der Klassenarbeiten, siehe Anhang 6, S. 272. 311 104 Leistungsabfälle aufgrund der gewählten Methoden gab. Die zum Teil doch schwachen Leistungen geben mir hinsichtlich einer zu verfassenden „travail d’envergure“ auf 2e doch sehr stark zu denken. Die stete minimale Verbesserung der Resultate ist sicherlich auf eine zunehmende Schülermotivation und -aktivierung zurückzuführen, die ebenfalls in den meisten Fällen eine stärkere Unterrichtsbeteiligung bewirkt haben.313 Die Schüler der Klasse gaben im abschließenden Fragebogen an, dass sie sich aufgrund der Arbeit in den Gruppen stärker am Unterricht beteiligt hätten, da sie gezwungen waren, sich selbst mit dem Unterrichtsstoff zu befassen und mitzuarbeiten, damit die Gruppe gute Resultate erzielen konnte. Vor allem sei die Arbeit in der Gruppe interessanter als der Frontalunterricht. Zahlreiche Schüler fühlten sich durch die Gruppenarbeit stärker gefördert und motiviert. Andere, die sich selbst als schüchtern bezeichneten beziehungsweise anmerkten, dass sie immer viel im Unterricht mitarbeiten, konnten keine Veränderung in ihrem Verhalten feststellen. Kritiken kamen häufig von Schülern, die Teil einer weniger gut funktionierenden Gruppe waren. Des Weiteren merkten die Schüler mehrheitlich an, dass das Kooperative Lernen und Arbeiten ihre Selbständigkeit gefördert habe.314 Sie begründeten ihre Aussage damit, dass jeder selbständig arbeiten und sich vorbereiten musste, damit die Gruppe funktionierte und erfolgreich war. Viele wollten unbedingt Teil der Gruppe sein und sich so möglichst viel Wissen aneignen. Einige fügten an, sie hätten gelernt, allein zu lernen und Probleme alleine zu lösen. Zudem hätten sie eingesehen, dass man sich selbst gut vorbereiten muss, um anderen weiterhelfen zu können und selbst erfolgreich zu sein. Die Beobachtungen verdeutlichen, dass das Kooperative Lernen und Arbeiten sich insgesamt dafür eignet, die Schüler zu aktivieren und zu mehr Selbstständigkeit anzuregen, allerdings zeigen die Schülerrückmeldungen ebenfalls, dass sie selbst keinen großen Unterschied zur traditionellen Gruppenarbeit feststellen konnten.315 Diese Aussagen machen erneut deutlich, dass die Schüler die Elemente „positive gegenseitige Abhängigkeit“ und „persönliche Verantwortung“ nicht wirklich verinnerlicht haben. Der Dreischritt, eine Methode, um die Selbständigkeit der Schüler zu fördern und sie zu aktivieren, wurde von nahezu allen Schülern als besonders positiv hervor313 Für eine tabellarische Übersicht, siehe Anhang 6, S. 270. Für eine tabellarische Übersicht, siehe Anhang 6, S. 270. 315 Für eine tabellarische Übersicht, siehe Anhang 6, S. 270. 314 105 gehoben316, da er ihnen ihrer eigenen Einschätzung zufolge dabei geholfen hat, auf eigene Fehler aufmerksam zu werden. Die Aufmerksamkeit wurde insgesamt gesteigert und vor allem die Tatsache, dass die Arbeiten durch den Dreischritt umfangreicher, vollständiger und besser wurden, hat den Schülern und mir gut gefallen. Sie schätzten es auch, unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen zu einem Problem zu hören. Des Weiteren gaben einige Schüler an, dass sie durch den Dreischritt erstmals einen Sinn in den Hausaufgaben gesehen hätten. Sie hätten sich bei den Hausaufgaben besonders angestrengt, um später den anderen helfen und gut zusammenarbeiten zu können. Insbesondere scheint der Dreischritt wirksam bei der Förderung des Verständnisses eingesetzt werden zu können, da sich die Schüler mehrfach mit einem Problem auseinander setzen. Diese Methode erwies sich somit als sinnvoll und praktisch für den alltäglichen Einsatz im Unterricht und kann sicherlich auch unabhängig vom Kooperativen Lernen und Arbeiten punktuell und ohne großen Aufwand eingesetzt werden, um die Kooperation, den Wissenserwerb und die Erweiterung der Kompetenzen zu fördern. Zudem ermöglicht er eine minimale innere Differenzierung, da die Schüler je nach Bedarf unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung haben und die stärkeren Schüler den schwächeren Schülern helfen können. Ähnlich positiv wurde das Placemat-Verfahren bewertet.317 Die Schüler schätzten den durch dieses Vorgehen ermöglichten direkten Vergleich untereinander sowie die dadurch geförderte Zusammenarbeit. Allerdings muss man anmerken, dass durch das Aufkleben immer wieder Zeit verloren ging. Des Weiteren ist auf den Placemats gerade für Schüler mit großen Handschriften oftmals nicht ausreichend Platz vorhanden und die Lösungen größere Aufgabenstellungen können ebenfalls aus Platzgründen kaum auf einem Placemat festgehalten werden. Es zeigte sich im Reflexionsbogen ebenfalls, dass sich die Schüler häufig mit der Tatsache schwer taten, dass es nicht die eine richtige Antwort gibt, sondern dann mehrere Ansätze richtig sein können. Gerade um die Schüler für unterschiedliche Interpretationsansätze zu sensibilisieren, scheint dieses Verfahren sich zu eignen, doch kann das Verfahren nur punktuell sinnvoll eingesetzt werden und bedarf doch einiger Vorbereitung durch die Lehrkraft. Das Verfahren bietet sich weniger für den Wissenserwerb und die Kompetenzerweiterung an als der Dreischritt, kann aber in einigen Fällen den Dreischritt unterstützen. 316 317 Für eine tabellarische Übersicht, siehe Anhang 6, S. 271. Für eine tabellarische Übersicht, siehe Anhang 6, S. 271. 106 Die Arbeit in Experten- und Stammgruppen sowie das damit verbundene Unterrichten hat den Schülern nach eigener Einschätzung ebenfalls beim Lernen und Verstehen geholfen, wobei man hervorheben muss, dass diese Methode hohe Anforderungen an die Schüler stellt, denen die Schüler dieser 5e sicherlich nicht gerecht werden konnten. Wenn man diese Methode einsetzen möchte, muss man sich auf jeden Fall bewusst sein, wie zeitaufwendig und arbeitsintensiv sie für die Lehrkraft ist, so dass sie sich sicherlich nicht für den alltäglichen Einsatz eignet. Die Methode entwickelt vermutlich auch erst auf höheren Klassen ihre gesamte Wirkung, da die Schüler erst etappenweise auf die dazu notwendige Selbständigkeit vorbereitet werden müssen. Die Schüler mochten jedoch, dass sie durch diese Methode gezwungen wurden, sich möglichst gut vorzubereiten, um den anderen Gruppenmitgliedern später den Unterrichtsstoff erklären zu können. Die Verantwortung für die Stammgruppe spornte einige Schüler zu Höchstleistungen an. Sie bemerkten auch, dass sie den Unterrichtsstoff durch das Erklären oftmals selbst noch besser verstanden. Zudem schätzten sie, dass man sich in der Expertengruppe das Problem erklären lassen konnte und dass man eventuell Zusatzinformationen bekam. Interessanterweise bewerteten viele Schüler im Anschluss an das Unterrichtsprojekt den Gruppenunterricht und den Frontalunterricht als gleich wichtig.318 Dies verdeutlicht die Bedeutung eines abwechslungsreichen und sich ergänzenden Unterrichtens. Die Schüler sahen in der Kombination beider Unterrichtsformen den Vorteil, dass sie in den lehrerzentrierten Phasen wichtige Erklärungen und Informationen erhielten, die sie dann in den Phasen der Gruppenarbeit selbst anwenden mussten. Es kam demnach zu einem Wissenstransfer. Der hohe Grad an Reflexivität einiger Schüler zeigte sich auch in Äußerungen wie die, dass der lehrerzentrierte Unterricht sich gerade für den Einstieg in ein Thema eigne und als Ergänzung sowie zur Ausmerzung von Fehlern dienlich sei. Die Methode ermöglicht ebenfalls eine innere Differenzierung, da den Schülern ihren Fähigkeiten angepasste Aufgaben erteilt werden konnten. Zudem kann man schwächeren Schülern zusätzliche Hilfen mitgeben und die einzelnen Gruppen heterogen beziehungsweise homogen gestalten, je nachdem, wie man die einzelnen Schüler fördern möchte. Besonders gut gefallen am Kooperativen Lernen und Arbeiten hat den Schülern die lockerere Atmosphäre und das selbständige Arbeiten während des Unterrichts, die 318 Für eine tabellarische Übersicht, siehe Anhang 6, S. 271. 107 Raumwechsel, die Zusammenarbeit sowie den Vergleich mit Freunden und die Tatsache, dass ihnen Verantwortung übertragen wurde. Demnach spielen die Beziehungsseite sowie das Lernumfeld in der Tat eine wichtige Rolle. Sie mochten es, ihr Wissen an die Mitschüler weiterzugeben und dabei noch Spaß zu haben. Viele betonten auch, dass der Unterricht weniger langweilig sei und die Zeit schneller vergehe. Das situierte Lernen scheint demnach durchaus sinnvoll zu sein, um die Kompetenzen der Schüler zu festigen und einen Wissenstransfer zu fördern. Probleme bereitete ihnen die Tatsache, dass oftmals Gruppenmitglieder ihre Hausaufgabe nicht hatten und / oder sich nicht an der Arbeit im Team beteiligten. Zudem mochten sie nicht, wenn es innerhalb der Gruppen zu Auseinandersetzungen kam und wenn sie unter Zeitdruck gerieten. Schließlich machten einige Schüler noch interessante Kritiken und Verbesserungsvorschläge. Kritisiert wurde häufig die zu knapp bemessene Zeit. Hier werde ich in Zukunft sicherlich noch ausprobieren müssen, wie viel Zeit für die jeweilige Aufgabe notwendig und sinnvoll ist. Andere Schüler wollen zukünftig bei der Wahl ihrer Arbeitspartner mitreden können, da sie nicht mehr mit den „Trittbrettfahrern“ der Klasse zusammenarbeiten möchten. Einige Schüler forderten interessanterweise dazu auf, jetzt nicht ganz zu einem Gruppenunterricht überzugehen, sondern die Kombination von Frontal- und Gruppenunterricht beizubehalten, da sie diese als positiv empfanden. Des Weiteren haben einige Schüler auch anderen Lehrern der Klasse vom Kooperativen Lernen erzählt und sie gefragt, ob man nicht auch in ihrem Unterricht so arbeiten könne. Die Lehrer kamen daraufhin auf mich zu, um zu erfahren, was dies denn eigentlich sei und wie sie vorgehen könnten, so dass auch innerhalb der Lehrer der Klasse eine Diskussion über das Kooperative Lernen angeregt wurde. 108 VII) Schlussfolgerung und Ausblick Insgesamt hat sich im Laufe der Umsetzung und Auswertung des Unterrichtsmodells gezeigt, dass das Kooperative Lernen und Arbeiten sowie die in diesem Kontext angewandten Methoden einige wesentliche Vorteile bieten und eine Ergänzung zum klassischen Frontalunterricht im luxemburgischen Schulwesen sein können. Ein Vorteil des Kooperativen Lernens besteht nachweislich in der Stärkung der Motivation der meisten Schüler. Das Unterrichtsmodell trägt ebenfalls zur Persönlichkeitsentwicklung der Schüler bei, da sie ein positives Selbstkonzept erhalten und ihr Selbstwertgefühl gestärkt wird. Zudem bietet das Kooperative Lernen Raum für vielseitiges soziales Lernen, so dass die sozialen Kompetenzen und die Kommunikationsfähigkeit, die für die Teamfähigkeit und die spätere Berufswelt unerlässlich sind, gefördert und gestärkt werden. Die Auswertung des Projektes zeigt allerdings auch deutlich, dass das Kooperative Lernen und Arbeiten sicherlich nicht als Allheil- und Wundermittel missverstanden werden darf, das es erlaubt, aus allen Schülern Musterschüler mit Bestnoten zu machen. Auch das Kooperative Lernen garantiert nicht, dass wirklich alle Schüler erreicht und dazu angeregt werden, das Beste aus sich herauszuholen. Dies geht in der Literatur zum Kooperativen Lernen und Arbeiten leider häufig unter. Aufgrund der Ergebnisse der Klassenarbeiten kann man davon ausgehen, dass das Wissen und die Fertigkeiten im Fach Deutsch durchaus gefördert und ausgebildet wurden. Es kommt demnach zu einem Leistungszuwachs bei den Schülern, der jedoch je nach Schüler unterschiedlich ausgeprägt ist. Es hat sich erneut bewahrheitet, dass fleißige und gute Schüler auch im Kooperativen Lernen und Arbeiten gute Resultate erzielen, während Schüler, die stören, und faul sind, auch weiterhin stören und schlechte Leistungen erbringen. All die ausprobierten Methoden sind schön und gut, doch muss deutlichst unterstrichen werden, dass man keineswegs aus dem Blick verlieren darf, dass das individuelle Lernen zu Hause absolut unerlässlich und eine wichtige Ergänzung ist. Man muss ebenfalls ganz kritisch anmerken, dass das Kooperative Lernen den Lehrer während der kooperativen Phasen zwar entlastet, allerdings im Vorfeld eines langwierigen und zeitaufwendigen Planungsaufwandes bedarf, den man sicherlich in diesem Maße nicht für sämtliche Klassen leisten könnte. Wenn man dann noch leistungsdifferenzierte Aufgaben erstellen möchte, steigt der Arbeitsaufwand weiter. Des Weiteren braucht das Kooperative Lernen mehr Zeit als der lehrerzentrierte 109 Unterricht, so dass man dies in den Lehrplänen berücksichtigen müsste, wenn man verstärkt mit diesem Modell arbeiten möchte. Der Unterrichtsstoff müsste entsprechend gekürzt werden und man müsste darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoller wäre, etwas weniger Stoff zu unterrichten, der aber dann dafür auch wirklich von den Schülern angewandt werden kann. Zudem steht das Gelingen des Unterrichts in einem großen Abhängigkeitsverhältnis zu den Schülern, denn wenn zu viele Schüler keine Aufgaben dabei haben oder sich verweigern, ist die Kooperation in Gruppen nahezu unmöglich und man muss als Lehrkraft kurzfristig darauf reagieren können. Dies erfordert eine gewisse Unterrichtserfahrung und ist leider auch nicht immer möglich. Als hinderlich zeigte sich ebenfalls die Länge der Unterrichtseinheiten im luxemburgischen Schulsystem. Während die 50-minütigen Einheiten von Vorteil für den lehrerzentrierten und fragend-entwickelnden Unterricht sind, bräuchte man für die kooperativen Phasen mindestes 75-minütige, wenn nicht sogar 100-minütige Einheiten, um den Unterricht sinnvoll abschließen zu können und die Schüler nicht unter Zeitdruck zu setzen. Diese hatte ich jedoch nicht zur Verfügung, so dass die Planung sehr stark von der Dauer der im Stundenplan vorgesehenen Unterrichtseinheiten abhängig war. Der Raum der Klasse eignete sich ebenfalls kaum für die Kooperation, da nicht genug Platz vorhanden war, um die Bänke zügig und problemlos umstellen zu können. Die Gruppen saßen ebenfalls sehr nah zusammen, was eine günstige Face-to-Face-Interaktion erschwerte. Negativ zu bewerten ist ebenfalls, dass es oftmals nahezu unmöglich war, einen Computerraum zu bekommen, der für die Arbeit an den Artikeln unerlässlich war. Die zeitliche und logistische Planung war demnach enorm. Sollten das Ministerium und die Schulen gerade im Hinblick auf eine „travail d’envergure“ wirklich das selbständige Arbeiten über das Kooperative Lernen fördern wollen, müssten im Bereich der Dauer der Schulstunden sowie der Ausstattung und der Größe der Klassenräume sicherlich ein Umdenken und einschneidende Veränderungen stattfinden. Es müsste zunächst einmal eine geeignete Lernumgebung geschaffen werden. Problematisch ist ebenfalls, wenn man als „Alleinkämpfer“ tätig ist, denn dann muss man das gesamte Konzept des Kooperativen Lernens erst einmal allein mit der Klasse einüben und umsetzen, was enorm zeitaufwendig ist und auf Kosten der eigenen Unterrichtszeit geht. Es stellt sich einem doch die Frage, ob die Ergebnisse den enormen Zeitaufwand rechtfertigen. Würde das Unterrichtsmodell jedoch seit der siebten Klasse von mehreren Lehrern einer Klasse auch in anderen 110 Fächern verbindlich eingesetzt, hätten die Schüler Zeit, sich nach und nach daran zu gewöhnen. Kurzfristig erreicht man während eines Schuljahrs wie ersichtlich wurde sicherlich nur minimale Erfolge, das Kooperative Lernen und Arbeiten kann das Arbeitsverhalten der Schüler kurzfristig nicht verbessern. Demnach muss so ein Unterrichtsmodell langfristig über Jahre systematisch umgesetzt werden, damit sowohl Schüler als auch Lehrer vollends von den Vorteilen profitieren können. Die Resultate der Klasse zeigen zudem deutlich, dass die Schüler noch nicht wirklich selbständig und eigenverantwortlich arbeiten können und so drängt sich mir die Frage auf, wie diese Schüler in drei Jahren eine „travail d’envergure“ verfassen sollen. Abschließend stellt sich allerdings die berechtigte Frage, ob man den gleichen Lernzuwachs und eine ähnliche Kompetenzerweiterung nicht ebenfalls in einem traditionellen Unterricht erreicht hätte. Hierzu wäre es interessant gewesen, parallel eine 5e klassisch zu unterrichten und die Ergebnisse anschließend zu vergleichen. 111 112 VIII) Literaturverzeichnis VIII. 1) Internetseiten www.men.lu (4/12/2011) www.men.lu: horaires et programmes : enseignement secondaire : division inférieure : 5e moderne (12/5/2012). www.men.public.lu/priorites/111205_reforme_secondaire/index.html (27/08/2011) www.statistiques.public.lu: population et emploi - état de la population (20/12/2011). http://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/texte/einfuehrung/einf_1.html (10/04/2012). http://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/didaktik/frameset_uebersicht.htm (28/04/ 2012). http://methodenpool.uni-koeln.de/uebersicht.html (12/04/ 2012). http://www.unikoeln.de/hf/konstrukt/didaktik/situierteslernen/frameset_situiertnetz.html (12/04/ 2012). http://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/didaktik/communities/frameset_communitiesnetz.html (13/04/2012). http://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/didaktik/rallye/frameset_rallye.html (12/05/2012). 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