Flüchtige Verderbsmarker bei MAP-Hähnchen
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Flüchtige Verderbsmarker bei MAP-Hähnchen
TWB FORUM WISSENSCHAFT Flüchtige Verderbsmarker bei MAP-Hähnchen Echtzeit-Detektion mit Protonentauschreaktions-Massenspektrometrie Einleitung Fleisch bietet aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung einen sehr guten Nährboden für Mikroorganismen und ist daher sehr leicht verderblich. Unter aeroben Bedingungen verdirbt Hähnchenfleisch überwiegend durch Pseudomonaden [1, 2]. Im Vergleich dazu ist die Mikroflora von Schutzgas verpacktem (MAP; modified atmosphere pack aged) Hähnchenfleisch hauptsächlich durch Brochothrix thermosphacta und Milchsäurebakterien wie Lactobacillus oder Carnobacterium charakterisiert [3, 4, 5]. Während des Verderbs von Fleisch werden flüchtige organische Verbindungen (VOCs; volatile organic compounds) gebildet und freigesetzt; viele davon sind geruchsaktiv und geben dem Verbraucher ein erstes Zeichen, dass das Fleisch nicht mehr verzehrbar ist. In den letzten Jahren wurde intensiv angestrebt, diese VOCs im Hinblick auf ihre Verwendung als mögliche Verderbsindikatoren zu identifizieren und darauf basierend intelligente Verpackungen wie Frischeindikatoren (FFI; food freshness indicators) zu entwickeln. Trotz einiger bestehender Patente zu FFIs ist die Verwendung auf dem Markt Abbildung 1: 2,3-Butandion (Diacetyl) im Kopfraum von mit C. divergens beimpftem MAP-verpacktem Hähnchenfleisch. 46 VERPACKUNGS-RUNDSCHAU stark begrenzt. Das Funktionsprinzip der meisten FFIs beruht auf einer pH-Reaktion [6, 7, 8, 9]. Somit ist die Anwesenheit von sauren oder basischen VOCs eine Voraussetzung für die meisten FFIs. Gaschromatographie mit Massenspektrometrie (GC-MS) ist derzeit die gängigste Methode für die Analyse von VOCs im Kopfraum von Fleisch [1, 10, 11]. Jedoch erlaubt diese Technik durch die aufwendige Probenvorbereitung nur diskontinuierliche offline Analysen. Eine alternative Technik bietet die Protonentauschreaktion-Massenspektrometrie (PTR-MS). PTR-MS basiert auf einer chemischen Ionisation, wobei protoniertes Wasser (Hydronium) als Reagenz ionen für die Protonentauschreaktion mit VOCs im Probengas eingesetzt wird. Diese Ionisierungsart ist durch die niedrige Reaktions energie sehr sanft, sodass in der Regel das Mutter-Ion als Reaktionsprodukt entsteht, mit geringer Fragmentierung. PTRMS ermöglicht somit eine schnelle und quantitative Detektion von etlichen VOCs in der Gasphase bei geringer Nachweisgrenze im unteren pptv-Bereich und über einen breiten Dynamikbereich. Mit dieser Autor Corinna Franke , Jonathan Beauchamp2 1 TU München, Lehrstuhl für Lebensmittelverpackungstechnik, [email protected] 2 Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, Freising [email protected] 1 Technik ist eine Probenvorbereitung, wie eine Extraktion und anschließende Vorkonzentrierung, nicht notwendig und ermöglicht dadurch die Online-Analysen von VOCs [12, 13]. PTR-MS wurde bereits für diverse Lebensmittelverderbsuntersuchungen angewandt und zeigte vielversprechende Ergebnisse [14, 15, 16, 17]. Untersuchungen Um die Bildung und Freisetzung von VOCs während des Verderbs von Fleisch zu untersuchen, wurden für jeden Versuch drei Stücke frische Hähnchenbrust mit typischen Fleisch verderbenden Mikroorganismen beimpft (106 KBE/cm2; B. thermosphacta und C. divergens) und unter Schutzgasatmosphäre (30 % CO2, 70 % O2) verpackt. Die Änderungen der VOCs wurden bei 4 °C über einen Versuchszeitraum von 7 Tagen online mittels PTR-MS überwacht und anschließend mit mikrobiellen Keimzahlen verglichen. Der Versuch wurde in einer Dreifachbestimmung durchgeführt. B. thermosphacta und C. divergens konnten sich ab dem ersten Tag der Experimente gegen die Ausgangsflora durchsetzen. Die bei 4 °C messbaren charakteristischen VOCs (ca. 20) wurden im Kopfraum der Fleischproben während des Verderbs durch PTR-MS detektiert. Bei den mit B. thermosphacta und C. divergens beimpften 12/2015 Quelle: Fraunhofer IVV Proben wurde ein Anstieg von diversen flüchtigen Verbindungen festgestellt, u.a. von 3-Hydroxy-2-butanon, 2,3-Butandion, Essigsäure, 3-Methyl-1-butanol sowie 3Methylbutanal. Abbildung 1 zeigt einen typischen Trend, der für VOCs im Fleischkopfraum beobachtet wurde. Einige VOCs konnten in allen Proben detektiert werden, während andere nur in einzelnen Proben nachgewiesen wurden. Die Konzentrationsverläufe vieler VOCs wiesen Ähnlichkeiten mit der bekannten Wachstumskurve von Mikroorganismen (Anlaufphase, exponentielle Phase, etc.) auf, Kurvenverläufe anderer VOCs hingegen zeigten unterschiedliches Verhalten, beispielsweise einen sofortigen Anstieg (siehe Abbildung 2). Die Bildung und Freisetzung von VOCs hängt von vielen Faktoren ab, vorwiegend von der Fleischzusammensetzung (Nährstoffe), der Ausgangsflora, dem Wachstumsverhalten der Mikroorganismen, der Temperatur und vom pH-Wert des Fleisches. Schlussfolgerung Diese Studie zeigte erfolgreich, dass PTR-MS eine geeignete Technik ist, um VOCs während der Lagerung von MAP-Hähnchen in Echtzeit zu detektieren. Die kontinuierlichen Messungen erlauben eine Visualisierung des Verderbsprozesses und geben Hinweise auf VOCs als mögliche Verderbsmarker. Des Weiteren ist es möglich, mit dieser Technik Optimierungspotenziale für Lagerbedingungen zu finden, was zu einer Erhöhung der Lebensmittelqualität und der Gewährleistung der Verbrauchersicherheit führt. In zukünftigen Experimenten werden der Einfluss auf die Bildung der VOCs bei höheren Temperaturen und Temperaturänderungen wie Kühlkettenunterbrechung untersucht sowie die Bildung von VOCs bei verderbendem Fleisch. Basierend auf der Tatsache, dass nur sehr wenige bei MAP-Hähnchen gebildete flüchtige Stoffe in der Lage sind, eine pHÄnderung in eine saure oder basische Richtung hervorzurufen und die meisten FFIs pHaktiv sind, könnten wesentliche Änderungen der gegenwärtigen Strategien für Verderbsmarker notwendig sein. Danksagung Diese Studie wurde im Rahmen des IGF-Vorhabens 17803 N der Industrievereinigung 12/2015 Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Horst-Christian Langowski, Fraunhofer IVV. Dr. Maria Wagenstaller, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fraunhofer IVV. Abbildung 2: 2-Propanon (Aceton) im Kopfraum von mit B. thermosphacta beimpftem MAP-verpacktem Hähnchenfleisch. für Lebensmitteltechnologie und Verpackung e. V. (IVLV) über eine AiF Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert. Die Ergebnisse dieser Studie wurden teilweise bereits auf dem 27th IAPRI Symposium on Packaging in Valencia, Spanien (8.-11. Juni 2015), präsentiert. Literatur [1] A. Sahar, É. Dufour, LWT-Food Sci. Technol., 2014, 56(2), 315-320. [2] S. M. Jiménez, M. S. Salsi, M. C. Tiburzi, R. C. Rafaghelli, M. A. Tessi, V. R. Coutaz, J. Appl. Microbiol., 1997, 83, 613-618. [3] Gallas, E. Standarová, I. Steinhauserová, L. Steinhauser, L. Vorlová, Acta Vet. Brno, Suppl., 2010, 79(9), 107–116. [4] A. I. Doulgeraki, D. Ercolini, F. Villani, G.-J. E. Nychas, Int. J. Food Microbiol., 2012, 157(2), 130–141. [5] A. Casaburi, P. Piombino, G.-J. Nychas, F. Villani, D. 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We explored the possibility of using proton transfer reaction-mass spectrometry (PTR-MS) as a novel tool for real-time monitoring of VOCs in the headspace of meat. Keywords: PTR-MS, food freshness indicator (FFI), chicken, modified atmosphere packaging (MAP) Schlagworte: PTR-MS, Frischeindikator (FFI), Hähnchen, Schutzgasverpackung (MAP) VERPACKUNGS-RUNDSCHAU 47