semesterarbeit deutsch

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semesterarbeit deutsch
SEMESTERARBEIT DEUTSCH
Bearbeitet von
Thomas Nyffenegger & Stefan Röthlisberger
Dozent: Robert Ruprecht
Fachhochschule Bern / HTA Biel
Sommersemester 1998
Semesterarbeit Deutsch Sommer '98
Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
Inhaltsverzeichnis:
1
Abstract
2
2
Allgemeine Darstellung des Werkes
3
2.1
Sprache
3
2.2
Aufbau
3
2.3
Chronologie
3
2.4
Autor
4
3
Kritik der Sprache
5
3.1
Text zu Satzanalyse (Seiten 186-188)
5
3.2
Satzanalyse
6
3.3
Zahlen:
7
3.4
Interpretation:
8
4
Darstellung des Inhalts
10
5
Ein Kultbuch ?
12
5.1
Einleitung
12
5.2
Textstelle 1: Die Erzählung der Kindheit (Seiten 9 bis 17)
12
5.3
Textstelle 2: Unterhaltung mit dem Maler William Westall (Seiten 105 bis 108)
13
5.4
Textstelle 3: Gespräch mit Charles Babbage (Seiten 286 bis 287)
14
5.5
Textstelle 4: Gespräche nach der Rückkehr aus Tasmanien (Seiten 335 bis 340)
14
5.6
Kultbuch oder nur gewöhnlicher Roman ?
15
6
Dr. Orme
16
6.1
Einleitung
16
6.2
Textstelle 1: Ungerechtfertigtes Verurteilen von Menschen (Seiten 86 bis 101)
16
6.3
Textstelle 2: Natur ins Handeln einbeziehen (Seiten 198 bis 209)
17
6.4
Textstelle 3: Wiederherstellung der alten Ordnung (Seiten 297 bis 332)
18
6.5
Schlussfolgerung
19
7
Persönliche Beurteilung des Werkes
20
8
Anhang: Satzanalyse einer zweiten Textstelle
22
8.1
Satzanalyse (Seiten 144/145):
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
22
Seite 1/19
Semesterarbeit Deutsch Sommer '98
1
Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
Abstract
Wir, das heisst Stefan Röthlisberger und Thomas Nyffenegger, konnten aus unserer Arbeit am Buch
von Sten Nadolny interessante Schlüsse ziehen und waren dank des spannenden Buches und
wegen unserem guten Arbeitsfluss stets gut motiviert.
"Die Entdeckung der Langsamkeit" handelt von der wahren Geschichte eines Seemannes, John
Franklin, der ein schwerwiegendes Handicap hat: Er ist langsamer als andere, er braucht immer ein
wenig mehr Zeit zum Handeln und Begreifen, ist aber ein sehr intelligenter Mann .
Er entdeckt aber die Vorteile der Langsamkeit für sich, der Autor macht diese durch den fesselnden
Schreibstil auch dem Leser schmackhaft. Auch von einem geschichtlichen Standpunkt her ist der
Roman sehr attraktiv, da die ganze Erzählung anhand von Geschichtsbüchern nachvollzogen
werden kann.
SR/TN
Biel, im Sommer '98
Abb. 1: John Franklin (1786-1847)
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
Seite 2/19
Semesterarbeit Deutsch Sommer '98
2
Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
Allgemeine Darstellung des Werkes
2.1
Sprache
Das Buch hält sich in seiner Sprache an die eher einfache Ausdrucksweise der Schlüsselfigur des
Romans, John Franklin, ist aber nicht aus der Ich-Perspektive, sondern in der dritten Person
geschrieben. Es werden nur Stellen erzählt, an denen Franklin anwesend ist, es dreht sich wirklich
alles um ihn. Der Anteil an "direkter Rede" macht die Geschichte interessant, ohne dass er
erdrückend wirkt. So liest sich das ganze Buch sehr angenehm und flüssig.
Die Redewendungen sind bis auf die seemännischen Fachwörter, deren Bedeutung man aber
meistens bald herausfindet, in einer gängigen Sprache gehalten. Dies ist relativ einleuchtend, da das
Buch in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde. Der Autor verzichtete
weitgehend auf alte Ausdrücke und lange, unnötig komplizierte, den Rhythmus brechende Sätze,
was der Lesbarkeit des Buches sehr zugute kommt.
2.2
Aufbau
"Die Entdeckung der Langsamkeit" ist in drei grosse Abschnitte unterteilt. Der erste beschreibt
Johns Jugend und den Beginn seines Seemannslebens. Im zweiten Teil dreht sich alles um seine
besten Jahre, seinen Aufstieg zum Kapitän und seine ersten Polarreisen. Schliesslich handelt der
dritte Teil spätere Lebensabschnitte Franklins ab, wo er, jetzt berühmt, als Gouverneur amtet und
letztlich sein Leben in einer weiteren Polarexpedition lassen muss.
Während der ganzen 360 Seiten wird das Werk immer wieder an geeigneten Stellen in handliche
Kapitel unterteilt, man verliert nie die Übersicht über die Handlung, die Zusammenhänge bleiben
stets gut erkennbar.
2.3
Chronologie
Wie oben schon kurz erwähnt, ist das ganze Buch chronologisch sehr korrekt geordnet. Der zeitliche
Ablauf wird selten bis nie von Rückblenden auf vergangene Zeiten unterbrochen. Interessanterweise
wird die Geschichte am Anfang sehr ausführlich und langsam erzählt, man bemerkt aber deutlich die
kontinuierliche Geschwindigkeitszunahme gegen das Ende des Buches.
2.4
2.4.1
Autor
Biographisches
Sten Nadolny wurde 1942 in Zehdenick an der Havel (nördlich von Berlin) geboren. Er erhielt diverse
Literaturpreise, der bekannteste ist wohl der Ingeborg-Bachmann-Preis (1980). Neben der
„Entdeckung der Langsamkeit“ schrieb er in den letzten Jahren noch „Netzkarte“, "Selim oder Die
Gabe der Rede“ sowie „Ein Gott der Frechheit“. Heute lebt Nadolny in Berlin und München.
2.4.2
Beziehung zum Werk
Der Autor bringt in diesem Buch seine „Message“ nicht, wie es in anderen Büchern der Fall ist, durch
seitenlange „predigende“ Monologe an den Leser. Er verrät die Hauptaussage seines Buches schon
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
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Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
im Titel: "Die Entdeckung der Langsamkeit“. Diese Aussage zieht sich, ohne aufdringlich zu
erscheinen, durch das ganze Buch hindurch.
Ein kurzer Artikel aus einem Lexikon, der von John Franklin handelt, hatte mich am Anfang sehr
erstaunt. Wie auch von Nadolny wurde Franklin zwar als grosse Persönlichkeit beschrieben, jedoch
haften ihm in Wirklichkeit einige unrühmliche Gerüchte an, was Nadolny in der bibliographischen
Notiz am Ende des Buches auch zugibt. So soll Franklin für das Verhungern vieler seiner Männer
während der ersten Polarexpedition schuldig gewesen sein, weil er nur die Indianer für die ganze
Expedition jagen liess. Auch von seiner letzten, dann gescheiterten Expedition, wird von seiner oft
ungeschickten Führung berichtet. Im Prinzip wird Franklin aber doch als herzensguter, verständiger
und rücksichtsvoller Mensch dargestellt, der manchmal ein bisschen unbeholfen wirkt, was in
unserem Roman oft durch seine Langsamkeit entschuldigt bzw. dargestellt wird.
Den Ruf des echten John Franklin hat der Autor auf jeden Fall eher aufpoliert als angekratzt.
Wahrscheinlich suchte er einen Entdecker oder Helden, welcher noch nicht so bekannt war, dem er
seine Geschichte auf den Leib schreiben konnte ohne wesentliche Tatsachen zu verfälschen.
Nadolny hatte deshalb am Lebenslauf des echten John Franklin eine gute Vorlage für seine
Geschichte; sie passte ideal zur Idee mit der Langsamkeit, welche er sehr gut umgesetzt hat. Dass
das Langsamsein manchmal besser ist als Eile, bringt der Autor sehr gut zum Ausdruck, und dies ist
auch seine Absicht gewesen. Er verzichtete auf eingeschobene "Moralreden“ und konzentrierte sich
darauf, die Darstellung der Langsamkeit perfekt zu schreiben.
3
3.1
TN
Kritik der Sprache
Text zu Satzanalyse (Seiten 186-188)
(1)Die erste Nacht an Bord. (2)John Franklin hatte Fieber und fröstelte. (3)Im Halbschlaf hörte er
zahllose Stimmen, die Unverständliches mitteilten, Entscheidungen verlangten oder Kritik an etwas
übten, was er angeblich angeordnet hatte. (4)Er warf sich hin und her, knirschte im Traum mit den
Zähnen, schwitzte die Decke durch. (5)Morgens schmerzten seine Nackenmuskeln, mit schiefem
Hals tappte er aus der Kajüte.
(6)Furcht war das, nichts als Furcht, aber schwer zu besiegen. (7)Er ging schweigend durch das
ganze Schiff, erwiderte Grüsse, nahm Meldungen entgegen und versuchte, sich von einem Mitglied
der Horncastler Lesegesellschaft zu einem Kommandanten zu entwickeln.(8)Er kannte das von
früher: die Angst, nichts mehr zu verstehen, nichts zu sein, wenn man ihn einfach überging. (9)Die
Angst, dass niemand sich seinem Tempo anpassen würde und dass er bei dem Versuch, sich dem
der anderen anzupassen, elend scheitern würde.
(10)Nur 250 Tonnen hatte die Trent, aber im Augenblick schien sie ihm riesiger und unbegreiflicher
als sein allererstes, das Handelsschiff auf der Reise nach Lissabon vor achtzehn Jahren. (11)Diese
Art der Angst war ihm vertraut. (12)Sie war bisher stets von der Gewohnheit verjagt worden, jede
Sache zu Ende zu bringen, mit oder ohne Glück. (13)Aber nun kam noch eine andere Angst hinzu:
(14)Wenn er jetzt sterbenskrank wurde, unterging oder abgelöst wurde, hatte er jahrzehntelang
umsonst gewartet und gekämpft.
(15)Die Kraft, Ruhe und Zuversicht, die er auf der Bedford nach der Schlacht von New Orleans
gefunden hatte, schien sich verborgen zu halten – jedenfalls kam sie nicht auf Kommando wieder.
(16)Auch fehlte der Nimbus: eine Narbe, deren Geschichte keiner kannte, half ihm nicht mehr.
(17)Ein gutes Mittel gegen Angst hiess: lernen. (18)Als erstes lernte John die Instruktion der
Admiralität.
(19)Der Nordpol war nicht das Ziel der Reise, sondern nur eine von mehreren Stationen. (20)Er war
für die Krone nur interessant, sofern er in einer offenen See lag, durch die man zum Pazifik segeln
konnte.
(21)Ein Walfänger hatte berichtet, die Eisfelder des hohen Nordens lösten sich immer mehr auf.
(22)Sektretär Barrow hatte auf diese Nachricht gehofft. (23)Er verkündete sofort, er und ein gewisser
Franklin hätten schon längst an ein offenes Polarmeer geglaubt. (24)Die Expedition, zunächst nur
belächelt, schien plötzlich jedermann äusserst wichtig.
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
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Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
(25)Dorothea und Trent sollten zwischen Spitzbergen und Grönland hindurch-, dann über den Pol
hinweg zur Behringstrasse segeln und auf der Halbinsel Kamtschatka den Hafen Petropaulowski
anlaufen, in dem seinerzeit Cook gelandet war. (26)Duplikate der Logbücher, Reisenotizen und
Karten sollten von dort auf dem Landweg nach England geschickt werden, während die Schiffe nach
den Sandwichinseln fuhren, dort überwinterten und im nächsten Frühjahr nach England
zurückkehrten, am besten gleich wieder über den Nordpol.
(27)Es gab noch eine zweite Expedition, die versuchen sollte, direkt am Rand des
nordamerikanischen Kontinents entlang zum Pazifik zu finden. (28)Aber man hielt diesen Weg für
den beschwerlicheren.
(29)Was Politiker und Kaufleute so interessierte! (30)John legte das Schreiben auf den Kajütentisch
und versetzte es mit dem Finger in drehende Bewegung. (31)In seinem Hals klopfte die Aufregung.
(32)Vom Nordpol her fing alles neu an, man musste nur hinkommen.
3.2
Satzanalyse
Nr. Art
Aufbau
Wörter
1
Ell
-
5
2
Z'gez. S
HS -S
6
3
S'gef
HS
4
Z'gez. S
HS -S -S
16
5
S'gef
HS HS
12
6
Z'gez.S
HS -S -S
10
7
S'gef
HS
8
S'gef
HS :
9
(S'gef)
HSEll
10
S'gef
HS
11
ES
HS
12
S'gef
HS
13
ES
HS:
14
S'gef
NS 1Konj
15
S'gef
H−
16
S'gef
HS :
H−
17
(S'verb)
HS :
HS Ell
18
ES
HS
19
Z'gez. S
HS -S
Attr
− S1Rel
Attr
NS 1Rel
Attr
− S1Rel
21
Attr
NS 2Rel
AkkO
− S − S − S NS 1Inf
H−
AkkO
NS 1Inf
Akko
NS 1Inf
N−
Attr
NS 1Konj
26
AkkO
NS 1Inf
Attr
NS 2Rel
Attr
− S1Konj
HS
NS Bed
2Konj
28
2. HS nicht fertig
23
28
7
19
Attr
NS 1Inf
8
Bed
Bed
− S1Konj
Attr
NS 1Rel
Bed
- S1Konj
− S − HS
Attr
NS 1Rel
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
−S
HS
−S
16
30
14
7
8
14
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20
S'gef
HS
Bed
NS 1Konj
21
S'gef
HS
AkkO
NS 1N.eing
22
ES
HS
23
S'gef
HS
AkkO
NS 1N.eing
24
S'gef
H−
Attr
NS 1Part
25
S'gef
HS
Attr
− S NS 1Rel
26
S'gef
HS
Zeit
NS 1Konj
27
S'gef
HS
Attr
NS 1Rel
28
ES
HS
8
29
ES
HS !
7
30
Z'gez. S
HS -S
31
ES
HS
32
S'gef
HS HS
3.3
Verhältnisse:
HS : NS = 43 : 27.5
E'S : K'S = 14 : 18
•
Satzlängen:
∅
= 15.78
Max. = 39
Min.
=5
•
21
Attr
NS 2Rel
14
7
16
−S
10
32
NS Ort
2N.eing
39
Zeit
NS 1Konj
20
AkkO
NS 2Inf
16
6
11
Zahlen:
•
•
Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
•
= 1.56
= 0.78
Satzelemente pro Satz:
Max.
=6
Min.
=1
Grade:
NS 1. Grad:
NS 2. Grad:
23
6
pro Satz
0.72
0.19
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
pro K'S
1.28
0.33
Nebensatzarten
Nach Form:
Rel
Konj
Pron
Inf
Part
N.eing
10
9
5
1
3
Nach Funktion:
Subjekt
Gl. Nom.
Akk.Ob.
Gen.Ob.
Dat.Ob.
Präp.Ob.
Attribut
Ort
Zeit
Art
Grund
Ziel
Folge
Einr
Bed
7
14
1
2
5
Seite 6/19
Semesterarbeit Deutsch Sommer '98
3.4
3.4.1
Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
Interpretation:
Satzlängen:
Die Satzlängen halten sich in einem sehr durchschnittlichen Rahmen, der längste Satz ist mit 39
Wörtern nicht überaus lang. Eine wirkliche Symmetrie in den Satzlängen ist nicht zu erkennen, man
nimmt nur eine von den Abschnitten unabhängige Wellenbewegung wahr.
3.4.2
Satzarten:
Ein gewaltiges Übergewicht an Relativ- und Konjunktionalsätzen ist leicht erkennbar, von den
anderen Formen fehlt nur der Pronominalsatz. Dies führt natürlich dazu, dass nach Funktion fast nur
Attributsätze vorkommen. Dem Text wird durch das Vorherrschen von komplexen Sätzen eher die
Einfachheit entzogen. Dies widerspricht der Aussage über die Wortanzahl pro Satz.
3.4.3
Satzaufbau:
Es handelt sich um einen eher erzählenden (HS:NS 1.56)Text, bei dem fast jeder Satz durch einen
Hauptsatz eingeleitet ist. Das Ganze ist nur wenig verschachtelt, was aus der Gradabstufung der
Sätze ersichtlich wird. Dies deutet, wie schon andere Argumente, auf einen gut verständlichen Text
hin. Aus der Anzahl der Satzelemente pro Satz, die von eins bis sechs reicht, spricht ein weiterer
Anhaltspunkt für gute Verständlichkeit.
3.4.4
Vergleich mit dem Text:
Der Inhalt deckt sich sehr gut mit der Satzstruktur, die aus der Analyse erkennbar ist. Dort wo
komplexere Strukturen auftreten, denkt Franklin über seine Ängste nach und überlegt deren Folgen.
Die meisten Aussagen sind wirklich erzählend, sie beziehen sich auf die bevorstehende
Polarexpedition. Die oben angesprochene Wellenbewegung spiegelt sich im Inhalt wieder, aber auch
dort geht sie einfach über die Abschnitte hinweg.
3.4.5
Allgemeine Textbeurteilung:
Die Wortwahl ist sehr abwechslungsreich und treffend, ohne dass zu viele Fremdwörter auftreten.
Nadolny liebt es, in Relativsätzen zu schreiben, was seinen Stil sehr prägt. Er hätte die Wortstellung
auch anders wählen können, aber dann hätte die Geschichte sehr viel Charme eingebüsst. Der Stil
des Textes passt auch sehr gut zum Inhalt, so wird das Ganze sehr interessant zum Lesen, und die
wichtigen Passagen stechen hervor. Zur inneren Gliederung ist zu sagen, dass die Abschnitte zum
Teil treffend, aber zwischendurch auch sehr eigenartig gewählt sind. Dies gehört aber auch zu
Nadolnys Stil und trägt nichts Negatives zum Eindruck des Textes bei. Die Sätze fliessen meistens
ohne Bruch ineinander über, d.h. sie sind logisch verknüpft.
3.4.6
Gesamteindruck:
Uns blieb von diesem Text, der gut lesbar und leicht verständlich geschrieben ist, ein guter Eindruck.
Zwar hat der Autor seinen eigenen Stil, welcher aber sehr interessant ist und gut zum Inhalt passt.
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
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SR/TN
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4
Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
Darstellung des Inhalts
Das Buch erzählt die Lebensgeschichte John Franklins, der im 19. Jahrhundert an der Küste
Englands lebte. Sein Handicap, dass er länger brauchte, um zu verstehen und zu handeln, nutzten
Spielkameraden aus und verspotteten ihn. Johns Vater ertrug es nicht, einen langsamen Sohn zu
haben und griff oft zu gewalttätigen Erziehungsmethoden. John beschloss eines Tages, seinem
Elend zu entfliehen und flüchtete Richtung Meer, von dem er fasziniert war.
Die Flucht misslang jedoch und John wurde zur Strafe in ein Internat geschickt. Dort lernte er zum
ersten Mal jemanden kennen, der ihm in aller Ruhe zuhörte: Schulvorsteher Dr. Orme, welcher die
Vorteile von Johns Langsamkeit erkannte. Ihm fiel auf, dass John ein extrem gutes Gedächtnis hatte,
dass er die mathematischen Zusammenhänge in der sphärischen Trigonometrie und Navigation, für
welche sich John der Seefahrt wegen interessierte, oft problemlos erkannte. So half Dr. Orme ihm,
einen Job als Midshipsman auf einem Handelsschiff zu finden. Nach einer anfänglichen
Seekrankheit, die seine Zukunftsträume beinahe zerstört hätte, kehrte John wohlbehalten nach
England zurück, wo er bei der Kriegsmarine anheuerte. In der Schlacht von Kopenhagen 1801
bekam er die Brutalität des Krieges mit. Aus Notwehr erwürgte er einen Mann, was ihn in der
folgenden Zeit psychisch schwer belastete.
Mit seinem Onkel, dem Seemann Matthew Flinders, und vielen Wissenschaftlern segelte er nach
Englands Sieg auf einer Forschungsreise nach Australien. Nach dem Auflaufen auf eine Sandbank
und anschliessender Untersuchung des Schiffes in Portsmouth erreichte die Investigator ohne
Zwischenfälle nach dem Kap der Guten Hoffnung die Terra Australis (Australien), wo sich erste
Kontakte mit Eingeborenen ergaben. Dabei entdeckte John, dass die Häuptlinge, anders als in der
westlichen Welt, eher langsame und überlegende Personen waren. Auf dem Weg nach Sydney
karthographierten die Wissenschaftler die Küste Australiens und erforschten die vegetative Vielfalt.
Als einmal am Horizont ein französisches Kriegsschiff gesichtet wurde, hisste John aus einem
Angstreflex heraus die weisse Fahne. Damit rettete er die schwach bewaffnete Investigator.
Auf dem Rückweg nach England lief die Investigator wieder auf eine Sandbank auf. Während der
Kapitän mit einem Boot in Sydney Hilfe holte, verhinderte John auf dem Schiff eine Meuterei und
schützte die Essensvorräte. Franklin kehrte nach England zurück und meldete sich erneut zur
englischen Kriegsmarine, die in die Schlacht von Trafalgar zog. Während dem Krieg wurde John
erster Leutnant. In der letzten Schlacht wurde er schwer am Kopf verletzt, was ihm mehr Respekt
einbrachte, nicht zuletzt der bleibenden Narbe wegen.
Nach dem Kriegsende war Franklin arbeitslos und widmete sich diversen Erfindungen, merkte aber,
dass seine Langsamkeit und Überlegtheit am besten auf dem Meer zum Tragen kam. Wie durch
Zufall erfüllte sich bald sein Knabentraum, und ihm wurde das Kommando über ein Schiff einer
Nordpolexpedition übertragen. Auf dieser Expedition rettete er durch seine Ruhe eine ganze
Mannschaft vor dem Erfrierungstod und beide Schiffe vor dem sicheren Untergang in einem Sturm.
Kurz nachdem die Schiffe ohne Erfolg nach England zurückgekehrt waren, erhielt Franklin das
Kommando über eine ganze Expedition, die einen Handelsweg über den Nordpol suchen sollte. Erst
Jahre später kehrte Franklin mit nur wenigen ausgemergelten Männern von dieser Entdeckungsreise
zurück und galt als Versager. Er veröffentlichte ein Buch über die fehlgeschlagene Expedition, worin
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
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Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
er seine Fehler nicht verschwieg. Sein Buch machte ihn berühmt. Er wurde zum Ritter geschlagen
und danach als Gouverneur von der Strafkolonie Van Diemen’s Land gewählt. Aber schon nach einer
Amtsperiode von fünf Jahren wurde er abgesetzt, nachdem er, gegen den Willen der Oberklasse,
den Sträflingen Rechte zugestanden, die einheimische Bevölkerung unterstützt und die Insel nach
„Tasmanien“ umbenannt hatte.
Wieder in England, mittlerweile sechzig Jahre alt, bekam er sein zweites Kommando über eine
Nordpolexpedition. Auf dieser Reise gerieten die Expeditionsschiffe ins Packeis und sassen darin
fest. Ein Schlaganfall beeinträchtigte Johns Gesundheit derart, dass er die Expedition nur noch mit
wenigen mühsamsten Bewegungen kommandieren konnte, bis er am 11. Juni 1847 einem zweiten
Schlaganfall erlag.
Jahre später fand eine von Franklins Frau unterstützte Suchexpedition Sir John Franklin und seine
verhungerte Mannschaft.
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
SR
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Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
Ein Kultbuch ?
Das Buch ist faszinierend geschrieben. Zudem beruht es auf einer tatsächlichen Biographie, es
erlaubt sich aber, wie der Autor erklärt, einige Freiheiten. Dazu gehören u.a. die Stellen, wo der Autor
plötzlich "abfällt". Eine solche finden Sie z.B. im Gespräch mit Westall über die Verschiedenheit
menschlicher Rassen (Anfang 8.Kapitel, S. 106), eine andere ist die Schilderung der frühen Kindheit
im 1.Kapitel, auch die Gespräche mit Babbage gehören in diese Klasse. Sind es gerade solche
Schwachstellen, die dem Buch seinen besonderen Reiz vermitteln?
5.1
Einleitung
"Die Entdeckung der Langsamkeit" ist als erstes ein Buch, das eine wahre Geschichte genau und
interessant erzählt. In Lexika kann dies mit einem kurzen Blick bestätigt werden, auch der Autor
Nadolny nennt seine Quellen im Anhang, die aus vielen verschiedenen Biographien bestehen. Die
Handlungsfolgen sind sauber, eine Aktion folgt immer der vorangegangenen (sequentiell). Hätte
Nadolny nicht die Langsamkeit der Hauptfigur, John Franklin, ins Spiel gebracht, könnte das Buch
auch "Das Leben des John Franklin" heissen und wäre mehr eine Biographie und sicher niemals ein
Kultbuch. Diese Langsamkeit gibt dem Buch auch seinen Charakter.
5.2
Textstelle 1: Die Erzählung der Kindheit (Seiten 9 bis 17)
Das erste Kapitel des Buches beschreibt John als Zehnjährigen, der mit seinem Problem, seiner
langsamen Art, umgehen muss. Dieses Kapitel wäre für die Geschichte nicht notwendig, es kann auf
den ersten Blick als "abfallende" Stelle im Vergleich zum Rest des Buches angesehen werden. Vom
zweiten Kapitel an handelt dann das Buch von Johns Wunsch, zur See zu fahren.
Meiner Meinung nach ist das erste Kapitel aber die wichtige Einleitung, welche die Neugierde des
Lesers auf John Franklin wecken soll. Es erzählt, wie die anderen Kinder John quälen und seine
Langsamkeit ausnützen. Dies ist natürlich eher eine billige "Herz-Schmerz-Methode", um den Leser
für den armen John zu gewinnen. Ich habe mich beim ersten Lesen gefragt: "Was ist das für ein
komischer Mensch?". Später, als ich interessiert weitergelesen hatte, musste ich sagen, so komisch
ist Franklin gar nicht.
Bei der Erzählung der Kindheitserlebnisse im ersten Kapitel wird geschildert, wie John die Hühner
hasst, weil sie zuckende Bewegungen machen, die für ihn als Stillstand erscheinen. Auch grüsst er
immer erst, wenn die Passanten schon lange vorbei sind. Bei einem Spiel muss er, weil er wegen
seiner Reaktion keinen Ball fangen kann, eine Schnur in die Höhe halten, welche als Hilfsmittel
benötigt wird. Diese lässt er auch nicht los, als er geschlagen wird.
Seine Langsamkeit wird also hier schon aufgezeigt, dies ist auch nötig, um die folgenden Kapitel
wirklich zu verstehen. Deshalb stufe ich diese Textstelle mehr als ein Vorstellen der Langsamkeit als
ein Abfallen des Autors ein.
5.3
Textstelle 2: Unterhaltung mit dem Maler William Westall (Seiten 105 bis 108)
Mit Johns Gespräch mit Westall unterbricht Nadolny den Erzählfluss der Geschichte und macht ein
Intermezzo, das auf den ersten Blick unwichtig erscheint. Die Unterhaltung dreht sich um globale
Fragen, wie "Warum hat ein Strauss Federn und kann doch nicht fliegen?", allgemeine Unterschiede
zwischen den Völkern und auch darum, ob es den Zufall gibt oder nicht.
John bestaunt Westall, der die Dinge nimmt, wie sie kommen und nicht an Zufälle glaubt. John selber
findet es gemein, dass immer die falschen Menschen aus Zufall umkommen und möchte mehr über
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Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
den Zufall wissen. Er erklärt Westall, dass man Statistiken über den Zufall aufstellen sollte. Dieser
Abschnitt führt dem Leser deutlich vor Augen, dass John ein Mensch ist, für den alles erklärbar sein
sollte, der den Zufall nicht akzeptieren kann, im Gegensatz zum kreativen Maler. John möchte, weil
er langsam ist, alles planen können ohne von Zufällen gestört zu werden.
Die Textstelle wirkt, wie auch das erste Kapitel, auf den ersten Blick störend, ist aber wieder eine
Stütze für den Leser, um Franklin zu verstehen, sich für ihn zu begeistern. Beim ersten Lesen des
Buches wird diese Tatsache wahrscheinlich nicht bewusst wahrgenommen. Beim zweiten
Durchgang, wenn man Franklin schon kennt, wird sie einem als wichtig erscheinen.
In dieser Zeit innerhalb der Erzählung ist Johns Art schon akzeptiert. John beginnt dann langsam,
sich sein eigenes System, das Franklin'sche, zurechtzulegen. Das Gespräch mit William Westall gibt
John sicher einige Hinweise dazu, was er alles zu berücksichtigen hat. Weil John Franklins
Denkweise einen wichtigen Punkt im Buch ausmacht, ist diese Textstelle trotz ihrer anfänglich
unwichtig erscheinenden Aussage für mich von grosser Bedeutung. Weil Franklins Denkweise
unmöglich erscheint und doch Erfolg hat, wird diese im Buch zum Kult.
5.4
Textstelle 3: Gespräch mit Charles Babbage (Seiten 286 bis 287)
Bei einem Gespräch Franklins mit dem Wissenschaftler Charles Babbage, der übrigens in der
wirklichen Welt relativ berühmt ist, reden die beiden über das Projekt von Babbage, einer
Rechenmaschine. Babbage erklärt das Prinzip: Sie kann maschinell mit Zahlen rechnen. Franklin
stellt dann aber enttäuscht fest, dass die Maschine Grenzen hat und stets nur das berechnen kann,
was mit "Führungsfragen", die ja oder nein verlangen, zu finden ist. Babbage passt das gute
Auffassungsvermögen Franklins nicht, und sagt, Franklin denke zu rasch, worauf dieser antwortet: "
Nein, ich denke recht mühsam, aber ich höre nie damit auf."
Dieser Teil des Buches ist vom Stil her ähnlich wie die vorher beschriebenen Teile. Er hat auch noch
eine andere Bedeutung, als diejenige, die vordergründig erscheint. So treffen hier zwei ähnliche
Menschen aufeinander, beide haben ihr grosses Ziel und werden es doch nie erreichen. Franklin ist
vom egoistischen Babbage, der nur an seine Ideen denkt, fasziniert.
Die Vorzüge der Langsamkeit werden hier sehr prägnant dargestellt. Der eigentlich als genial
geltende Babbage wird durch Johns besonnene Denkweise, welche die Nachteile von Babbage's
Rechenmaschine zum Vorschein bringt, geradezu in den Schatten gestellt.
Solche Begebenheiten machen das Buch zu etwas Besonderem, weil es den sonst eher einfachen
Franklin mit historisch wichtigen Wissenschaftlern zusammenbringt und ihn diesen als überlegen
gegenüberstellt. Dadurch wird sowohl Franklin wie auch das ganze Buch in einen gewissen
Kultstatus gehoben.
5.5
Textstelle 4: Gespräche nach der Rückkehr aus Tasmanien (Seiten 335 bis 340)
Dies ist der vierte und letzte Abschnitt, wo der Stil des Autors am Anfang als abfallend bezeichnet
werden kann. Es ist auch ein Abschluss der zwei Abschnitte mit den Gesprächen mit Westall und
Babbage. John Franklin spricht nacheinander mit Richardson, Dr. Brown, dem Maler Westall, dem
Reeder Barrow, dem Erfinder Babbage, Peter Mark Roget, Kapitän Beaufort und Premierminister
Peel. Diese Personen sind alles wichtige und bekannte Persönlichkeiten aus Politik und
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Semesterarbeit Deutsch Sommer '98
Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
Wissenschaft. John gibt sich allen gegenüber als 58jähriger Mann, der nicht aufgibt und immer noch
den klarsten Kopf von allen hat, obwohl er ihnen von der Geschwindigkeit her unterlegen ist. Franklin
will zu dieser Zeit eine Nordpolexpedition dem heute sehr berühmten Entdecker James Ross
überlassen. Die ersten Gesprächspartner sind Franklins Freunde, die sich dann für ihn beim
Premierminister einsetzen, weil John ungerechterweise als Gouverneur abgesetzt wurde. Interessant
ist
auch,
dass
neben
Westall
und
Babbage
auch
Roget
(Bilderwälzer)
und
Beaufort
(Windstärkenskala) bis heute wichtige Erfindungen gemacht haben.
Peel will Franklin dann einen schmeichelhaften Job aufdrängen, mit dem Franklin nichts bewirken
könnte, doch er sagt Peel klipp und klar ab.
Diese geschichtlich interessante Stelle, die zum Teil nichts mit der Erzählung zu tun hat, gibt wieder
einen Querverweis in die Wirklichkeit. Sie gibt einen Anhaltspunkt, um Franklins Taten einordnen zu
können. Dass er dabei besser wegkommt als andere Berühmtheiten, gibt dem Buch wieder einen
Beitrag zum Kultstatus.
5.6
Kultbuch oder nur gewöhnlicher Roman ?
Nach der Analyse der vier sogenannt "abfallenden" Stellen, und nachdem ich mir über deren
Bedeutung klar geworden bin, kann ich sagen, dass "Die Entdeckung der Langsamkeit" für mich als
Kultbuch in Erinnerung bleiben wird. Weil die "Message", die Langsamkeit, und die geschichtlichen
Verknüpfungen so prägnant dargestellt wurden, ist es sicher auch nicht ein Buch, welches ich wie
andere einfach wieder vergessen werde.
TN
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
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Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
Dr. Orme
Dr. Orme scheint ein herausragender Pädagog, Wissenschafter und Menschenkenner gewesen zu
sein. Er findet heraus, wo John Franklins Problem liegt und gibt ihm die wesentlichen Impulse. Immer
wieder kommt Franklin auf ihn zurück. Am Anfang des 9. Kapitels macht Dr.Orme eine
bemerkenswerte Aussage: “Eines Tages werden [die Menschen] die Welt entdecken, statt sie zu
verändern.“(S. 128) Franklin realisiert das dank seiner besonderen Langsamkeit. Können wir für uns
daraus etwas gewinnen? Legen Sie Ihre Meinung anhand von Beispielen aus dem Buch dar.
6.1
Einleitung
Der Schriftsteller Sten Nadolny hat mit seinem Buch „Die Entdeckung der Langsamkeit“ ein Thema
angeschnitten, das heute aktueller denn je ist: die Zeit! Beim Erzählen der Geschichte wird dem
Leser aufgezeigt, dass die „Langsamkeit“ oft mehr Vorteile in sich birgt, als schnelles, häufig
unüberlegtes, Handeln.
Da sich das erste Kapitel des Buches oft nur auf Johns erste Lebenserfahrungen beschränkt, habe
ich mich entschlossen, zu drei Textstellen aus dem zweiten und dritten Kapitel Stellung zu beziehen.
6.2
Textstelle 1: Ungerechtfertigtes Verurteilen von Menschen (Seiten 86 bis 101)
Auf der Forschungsreise in die Terra Australis bekam John die Gelegenheit, Menschen aus anderen
Kulturen zu beobachten. Dabei stellte sich bald heraus, dass er durch seine langsame
Beobachtungsgabe oft viel differenzierter unterscheiden konnte als geübte Forscher. So war es für
ihn kein Problem, Menschen auseinanderzuhalten, die von seiner Schiffsmannschaft als
„gleichaussehend“ beurteilt wurden. Auch das fremdartige Verhalten der Eingeborenen, das die
englischen Forscher nicht zu deuten wussten, konnte John nach einer längeren Beobachtungsphase
verstehen und seiner Mannschaft erklären. Ihm wurde mit der Zeit auch bewusst, dass die
Eingeborenen die Ältesten als ihre Stammesführer zu schätzen wussten. Diese Führer waren auch
viel ruhiger und träger im Treffen von Entscheidugen als die englischen Führungskräfte. Von diesem
Zeitpunkt an wusste John, dass auch „langsame“ Personen wichtige Posten besetzten können.
Aus dieser Szene heraus kann man meiner Meinung nach das logische, wenn auch langsame
Vorgehen Johns beim Analysieren einer Situation erkennen. Er beginnt zum Beispiel nicht, wie all
seine Kollegen, über die Einheimischen zu lachen. Stattdessen probiert er diese zu verstehen, was
ihm durch seine Ruhe auch gelingt. Am Schluss versteht er das Verhalten der Einheimischen,
während die anderen Engländer bereits Vorurteile fällen.
Kommt uns das nicht bekannt vor? Wer hat nicht schon, auf Grund des ersten Eindruckes, zu
spotten begonnen. Würde man vielleicht die Ruhe bewahren und kurz mit dieser Person sprechen,
ergäbe sich sehr wahrscheinlich ein ganz anderer Eindruck. Was beim Fällen von Entscheidungen
eine Rolle spielen mag, ist der Gruppendruck. Es ist anzunehmen, dass einer mit Spotten begonnen
hatte und die anderen mitmachten. Dies ist bis heute nicht anders geworden. Trifft man eine Person
und alle rundum verhalten sich demjenigen gegenüber feindlich, färbt dies auch auf das eigene
Verhalten ab. Hört man über eine Person nur Schlechtes, ist dies im Hinterkopf bereits verankert und
wird beim ersten Zusammentreffen mit derjenigen nicht zum grossen „Hallo“ beitragen.
Sind aber nicht all diese Faktoren die Hauptursache des Rassismus? Wie oft werden
Menschengruppen verurteilt, ohne sie näher zu kennen? Es ist klar, dass nicht alle Menschen auf der
Erde die selben Interessen teilen. Man sollte sich jedoch genug Zeit nehmen, ihre Lebensweise zu
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
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Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
beobachten und sich mit ihr zu befassen, und erst dann eine Meinung bilden. Wenn man jedoch
irgend einem Zeitungsartikel Glauben schenkt, läuft man Gefahr, unter Umständen ungewollt ein
Rassist zu werden! Wie war das schon wieder 1933...?
6.3
Textstelle 2: Natur ins Handeln einbeziehen (Seiten 198 bis 209)
Auf seiner ersten Nordpolexpedition bewies Franklin gleich zweimal, dass die Langsamen oft die
Schnellsten sind.
Franklin erkundete mit einem Teil seiner Mannschaft einen Eisberg, als plötzlich Nebel und Wolken
aufzogen. Alsbald bemerkten sie, dass sie im Kreis gingen, obwohl sie sich nach dem Kompass
orientierten. Während viele darauf drängten, einen zufälligen Weg einzuschlagen, bedachte John die
Situation in aller Ruhe. Er kam zum Schluss, dass sich der Eisberg drehen musste, und aufgrund
dieser Feststellung fanden sie zum Schiff zurück. Durch Logik und Berücksichtigung der
Naturgesetze rettete er seine Erkundungsgruppe vor dem sicheren Tod.
Kurz darauf geriet die Expedition in einen Sturm. Franklin bewahrte wiederum Ruhe und beobachtet
ungeniert die Küste. John entdeckte, während die Manschaft sich bereits mit dem Untergang der
Schiffe abgefunden hatte, zwei Fjorde und rettete durch sein überlegtes Handeln beide Schiffe und
ihre Mannschaften.
In beiden Fällen ging John Franklin die Probleme gleich an. Er beobachtete in aller Ruhe die
natürlichen Gegebenheiten und liess sich von niemandem hetzen oder sogar zu übereilten
Handlungen überreden. Danach suchte er die bestmögliche Lösung und handelte.
Es mag logisch erscheinen, dass man so vorgeht. Heutzutage ist jedoch oft unüberlegtes Handeln an
der Tagesordnung.
So wissen beispielsweise alle, dass man Gifte extrem sorgfältig behandeln und sie demnach auch
entsorgen muss. Dennoch werden Chemikalien aus Bequemlichkeit oft illegal entsorgt und zerstören
unsere Umwelt.
Oft erkennt man zwar die Folgen, doch fehlt das angemessene Handeln, weil es als unmöglich oder
noch schlimmer, als „zu teuer“ erscheint. So wissen wir, dass sich die Welt in 40 Jahren kaum noch
bewohnen lassen wird, wenn wir nicht sofort unseren CO2-Ausstoss stoppen. Dies mag allerdings als
unmöglich erscheinen und jeder wird sagen: “Als Einzelner kann ich sowieso nichts ausrichten“!
Würde jedoch jeder gegenteilig handeln, könnte sich das ganze innert kürzester Zeit ändern. Wir
haben immerhin die Möglichkeit, unsere Regierungen zu wählen und auf alternative Energien
(Sonnenenergie, Wasserkraft..) zurückzugreifen.
Die klimatische Apokalypse mit den Franklinschen Lebensrettungsaktionen zu vergleichen, mag wohl
verwundern. Doch, was ich damit zeigen möchte, ist folgendes: Wir ignorieren die Naturgesetze und
wollen die Natur zu unserem Untertan machen. Bereits Franklin hat jedoch festgestellt, dass man die
Natur auf seiner Seite hat, wenn man ihre Gesetzte respektiert. Ob dieses Wissen in unserer
hektischen Zeit verlorengegangen ist?
6.4
Textstelle 3: Wiederherstellung der alten Ordnung (Seiten 297 bis 332)
Als John Franklin den Gouverneursposten der Kolonie „van Diemens Land“ antrat, wurde er von
dessen Bevölkerung herzlich empfangen. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass dieser Empfang
ein Aufruf der Inselbewohner an den Gouverneur war, die miserablen Zustände zu beenden. Das
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
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Land wurde nämlich von Johns Vorgänger dermassen regiert, dass nur noch ein paar wenige das
Sagen über die ganze Insel hatten. Franklin beschloss, die Insel umzustrukturieren, dass sie ein
menschliches und soziales Gesicht bekam. Er änderte den Namen der Insel in „Tasmanien“ und
setzte dadurch ein Zeichen. Danach begann er den ausgestossenen Ureinwohnern Land
zuzugestehen, gab den Gefangenen Rechte und menschenfreundlichere Arbeiten.
Die obige Situation mag nicht mehr direkt auf heute übertragbar sein. Sie enthält jedoch die immer
noch aktuellen Themen der Sklaverei, Unterdrückung und Macht. So nimmt sich beispielsweise
China das Recht, Tibet zu besetzen und dessen Bewohner ihrer Rechte zu berauben und sie zu
unterdrücken. Dasselbe passiert auch in Europa, genauer im Balkan. Die Serben spielen dabei ihre
militärische Überlegenheit aus, um die Macht über den Kosovo zu erhalten. Vor allem im zweiten Fall
sollte es meiner Meinung nach möglich sein, die Regierung der Serben, wenn nötig auch mit Gewalt,
zu ersetzen. Wenn nicht irgendwann angefangen wird, Zeichen für die Menschlichkeit zu setzen, wird
die Unterdrückung wohl nie ein Ende finden.
Worauf die Bevölkerung im reichen Teil der Erde direkten Einfluss nehmen kann, ist die Sklaverei.
Noch immer wird in Asien und Südamerika für den Westen schlechtest bezahlte Arbeit geleistet. So
werden die meisten Sportartikel in Ländern hergestellt, in denen die Menschen nicht auf faire
Arbeitsgesetze zählen können (Die Bälle der Fussball Weltmeisterschaft wurden von chinesischen
Gefangenen genäht und danach mit dem Label Adidas versehen!). Würden die Konsumenten Druck
auf diese Sportartikelfirmen ausüben, wären jene gezwungen, für eine menschenfreundliche und
soziale Produktionsumgebung zu sorgen.
6.5
Schlussfolgerung
Mit den drei Themen Rassismus, Umweltzerstörung und Unterdrückung habe ich probiert, die
Gemeinsamkeiten zwischen gestern und heute zu erkennen. Dabei stellte ich fest, dass der Mensch
bis heute kein bisschen aus seinen Fehlern gelernt hat.
Sir John Franklin wurde zwar seiner „Langsamkeit“ wegen immer heruntergespielt, bewies aber
eindrücklich deren Vorteile. Während wir heute entweder das Entdecken oder Handeln „vergessen“
und dafür immer schneller werden, nahm sich John die Zeit zum Analysieren, Bedenken und
schliesslich zum Handeln.
Welche Vorgehensweise sich als die erfolgreichere herausstellt, wird uns die Zukunft zeigen!
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
SR
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Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
Persönliche Beurteilung des Werkes
Als wir mit dem Lesen des Buches begonnen hatten, glaubten wir, das Buch sei ähnlich mühsam
geschrieben wie John Franklin am Anfang dargestellt wird. Spätestens ab dem zweiten Kapitel
verschwand dieser erste Eindruck und wir fanden das Buch sehr interessant und spannend. Auf
jeden Fall können wir sagen, dass wir an dem Buch mehr Spass hatten als zuvor an der
obligatorischen Schullektüre. Sicher liegt der Grund für dies auch darin, dass es eher ein
unterhaltender als ein philosophischer Roman ist, der aber trotzdem einen tieferen Sinn hat.
Was uns immer wieder beim Lesen fasziniert hatte, ist die Tatsache, dass es sich durchgehend um
wahre geschichtliche Fakten handelt. Dabei kam uns der Gedanke, dass man dieses Buch auch sehr
gut als Lektüre im Geschichtsunterricht (oder allenfalls mit Deutsch kombiniert) verwenden könnte.
Kartenausschnitte, auf denen die Reiserouten Franklins aufgezeichnet sind, wären nicht nur für den
Geschichtsunterricht von Nutzen, sondern hätten das Buch auch so gut ergänzt.
Der Titel, "Die Entdeckung der Langsamkeit", verspricht nicht zuviel, sofern man mehr als das erste
Kapitel liest. Franklin lernt im Laufe seines Lebens mit seinem Handicap, der Langsamkeit,
umzugehen und entdeckt darin sogar Vorteile. Für uns ist das Buch nicht nur ein unterhaltsamer
Roman, sondern auch ein Lehrbuch (nachdem wir uns mit dem Franklin'schen System
auseinandergesetzt hatten) für ein weniger hektisches Leben.
Die Zielgruppe ist relativ gross. Das Buch ist gut verständlich, gut gegliedert, die Handlung läuft sehr
linear ab, d.h. es gibt keine wilden Zeitsprünge zurück und in die Zukunft. Was der Erzählung
vielleicht ein wenig abgeht, sind Emotionen, welche durch Liebe und Freundschaften entstehen. Für
Romantiker ist das Buch deshalb wohl etwas trockener Lesestoff. Der Stil des Buches wird sehr
Intellektuelle wahrscheinlich langweilen, weil er sehr allgemein verständlich ist. Diejenigen, welche
das Buch verschlingen werden, sind die Historiker, weil sie sich an den vielen historischen Details
erfreuen können.
Auffällig am Buch ist, dass die Erzählgeschwindigkeit ständig zunimmt. Das ist vor allem darum
interessant, weil auch Franklin immer schneller wird, bzw. sich der Langsamkeit immer besser
anpasst. Wir haben uns gefragt, ob diese Verbindung gewollt ist oder zufällig entstand. Nach
Überlegungen sind wir zum Schluss gekommen, dass Nadolny das Buch absichtlich so geschrieben
hat, weil er vom späteren Leben Franklins eigentlich mehr Fakten als von seiner Jugend hatte. Falls
er auf das spätere Leben ausführlicher eingegangen wäre, hätte Franklins Entdeckung der
Langsamkeit ihre wichtige Rolle innerhalb der Geschichte eingebüsst.
Wir möchten betonen, dass das Buch zwischenmenschliche Beziehungen und den Umgang mit der
Umwelt aus der Sicht Franklins sehr in den Vordergrund stellt. Es beschreibt, wie er mit der Zeit
diese Beziehungen und Umgänge verbessert. Dies ist eine Aufforderung an uns, unsere Probleme
nicht einfach zu akzeptieren, sondern zu versuchen, sie mit Geduld zu lösen.
Abschliessend gesagt, hat es sich auf jeden Fall gelohnt, sich so tiefgehend mit "Die Entdeckung der
Langsamkeit" auseinanderzusetzen. Wir können das Buch jedermann zum Lesen empfehlen. SR/TN
Thomas Nyffenegger / Stefan Röthlisberger
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Semesterarbeit Deutsch Sommer '98
Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit
Abb. 2: Kartenbeispiel - Von Franklin bereister Polarbereich
8
Anhang: Satzanalyse einer zweiten Textstelle
Freundlicherweise war die Gruppe von Pascal von Allmen, Klasse E1b, welche das selbe Buch
gewählt hatte, zu einem Austausch der Satzanalysen bereit. Anhand der nachfolgend abgedruckten
Satzanalyse der anderen Gruppe kann man erkennnen, dass die bei unserer Textstelle festgellte
Wellenbewegung in den Satzlängen auch hier vorhanden ist. Sonst ist aber ein Vergleich schwierig,
weil es sich hier fast nur um direkte Rede handelt.
8.1
Satzanalyse (Seiten 144/145):
Nr. Art
Aufbau
1
E’S
HS
2
S’gef
Attr
HS HS - S NS1Rel
30
3
Z’gez.S
HS - S
18
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HS
4
20 E’S
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Zeit
HS NS1Konj
7
23 S’gef
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HS
8
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24 S’verb
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7
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27 E’S
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5
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HS
3
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2
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29 Ell
30 E’S
HS !
4
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31 S’gef
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6
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35 E’S
HS
5
dR
36 E’S
HS
6
37 E’S
HS
6
38 E’S
HS :
3
39 E’S
HS
5
dR
40 E’S
AkkO
AkkO
HS NSSubj
NS1n.eing
N − HS −S1n.eing
2Pron
16
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41 E’S
HS
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