Durchgängige Sprachförderung im Kindergarten „Regenbogen“
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Durchgängige Sprachförderung im Kindergarten „Regenbogen“
Protestantischer Kindergarten „Regenbogen“ und Institut für Bildung im Kindes- und Jugendalter Durchgängige Sprachförderung im Kindergarten „Regenbogen“ GERMERSHEIMER MODELL - Dokumentation - 2009 Vorwort Die vorliegende Dokumentation präsentiert den Ertrag einer dreijährigen Entwicklungsarbeit, zu der sich der Kindergarten „Regenbogen“ in Germersheim und das Institut für Bildung im Kindes- und Jugendalter der Universität Landau zusammengetan haben. An dem Projekt war das gesamte Team des Kindergartens beteiligt: die Leiterin Hilde Weber, die Erzieherinnen Sema Bilgiç, Tayyure Dündar, Erika Grab, Jessica Michel, Bärbel Schönhöfer, Alexandra Volk, Angelika Wollensah und Bea Zehe, sowie zeitweise Anja Knaus, Sarah Bauchhenß, Ilona Csabai, Irina Git und Tatjana Zander-Walter. Auf Seiten der Universität lag die Projektleitung bei Hans H. Reich und Susanna Roux, sie wurden unterstützt durch Birte Bremer, Silvia Kempf-Diehl, Melanie Kling, Anne Müller und Magali Schüssler. Alle genannten Personen haben zum Inhalt der vorliegenden Dokumentation beigetragen. Zusammengestellt wurde die Dokumentation durch Silvia Kempf-Diehl, Hans H. Reich und Susanna Roux. Die beiden Teams danken dem Träger des Kindergartens, insbesondere Herrn Dekan Rainer Lamotte, für die nachhaltige Unterstützung der Arbeit, dem Diakonischen Werk, insbesondere Herrn Ingo Klein, für fachliche Beratung und entscheidende Hilfen bei der Organisation der Fachtage, dem Verein Interkultur für seine Initiative und die treue Verwaltung des Projekts. Finanziell gefördert wurde das Projekt durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz, ferner durch die Robert Bosch Stiftung, die Zukunftsund Innovationsstiftung der Sparkasse Germersheim-Kandel, den Lions Club Germersheim und die Protestantische Kirchengemeinde Germersheim. Ihnen allen gilt unser herzlicher Dank. Wir übergeben diese Dokumentation der Öffentlichkeit in der Hoffnung, dass sie andere Einrichtungen zu eigenen Initiativen, Widerspruch oder Weiterentwicklung anregt und dadurch der Sprachförderung insgesamt dient. Germersheim und Landau im September 2009 Protestantischer Kindergarten Regenbogen Institut für Bildung im Kindes- und Jugendalter 2 1 Einführung ......................................................................................................................................................... 5 1.1 Zur Entstehung des Projekts ........................................................................................................................... 5 1.2 Voraussetzungen ............................................................................................................................................. 7 1.2.1 Räume ................................................................................................................................................... 7 1.2.2 Zeiteinteilung ........................................................................................................................................ 7 1.2.3 Personalausstattung ............................................................................................................................... 8 1.2.4 Ressourcen im Team ............................................................................................................................. 8 1.2.5 Sprachen der Erzieherinnen ................................................................................................................ 10 1.3 Projektablauf im Überblick .......................................................................................................................... 14 1.3.1 Erwartungen ........................................................................................................................................ 14 1.3.2 Arbeitsweise ........................................................................................................................................ 15 1.3.3 Themen................................................................................................................................................ 16 1.3.4 Weitergabe an andere .......................................................................................................................... 17 2 Ziele und Prinzipien ........................................................................................................................................ 19 3 Modell der durchgängigen Sprachförderung................................................................................................ 21 3.1 Übersicht ...................................................................................................................................................... 21 3.2 Spracherziehungspartnerschaft mit Eltern ................................................................................................... 22 3.3 Sprachbeobachtung ...................................................................................................................................... 24 3.4 Individueller Förderplan .............................................................................................................................. 28 3.4.1 Auswertung der Sprachbeobachtungen ............................................................................................... 29 3.4.2 Von Beobachtungsergebnissen zu Förderentscheidungen................................................................... 30 3.5 Sprachförderung ........................................................................................................................................... 33 3.5.1 Alltägliches sprachliches Handeln der Erzieherinnen ......................................................................... 34 3.5.2 Sprachbildung in der Regelgruppe ...................................................................................................... 36 3.5.3 Integrierte Sprachförderung ................................................................................................................ 43 3.5.4 Spezielle Sprachförderung in Kleingruppen ....................................................................................... 53 3.5.5 Wertschätzung und Einbeziehung der Familiensprachen .................................................................... 54 3.5.6 Organisation der besonderen Sprachförderung – offene Fragen ......................................................... 58 4 Fazit und Ausblick ........................................................................................................................................... 62 5 Anhang ............................................................................................................................................................. 64 5.1 Tabellarische Darstellung des Förderkreislaufs .......................................................................................... 65 5.2 Leitfaden für das erste Gespräch mit den Eltern .......................................................................................... 66 5.3 Checkliste für weitere Elterngespräche ........................................................................................................ 67 3 5.4 Leitfaden für die Interpretation von Kindertexten ........................................................................................ 68 5.5 Beobachtungsbogen Sprachgebrauch ........................................................................................................... 69 5.6 Beispiel eines ausgefüllten Beobachtungsbogens ......................................................................................... 70 5.7 Stufen kindlicher Sprechhandlungen ............................................................................................................ 71 5.8 Stufen des kindlichen Wortschatzes im Deutschen........................................................................................ 72 5.9 Stufen des Grammatikerwerbs im Deutschen ............................................................................................... 73 5.10 Individueller Förderplan.......................................................................................................................... 74 5.11 Beispiel eines individuellen Förderplans ................................................................................................. 75 5.12 Naturwissenschaftliche Angebote als Gelegenheit der Sprachförderung ................................................ 76 5.13 Dokumentation der Sprachförderaktivitäten ............................................................................................ 77 4 1 Einführung 1.1 Zur Entstehung des Projekts Der „Regenbogen“ ist ein multikultureller Kindergarten, wie es viele gibt: ein Produkt der Migration. Germersheim liegt an der Rheinschiene, wo es seit den späten 1950er Jahren Zuwanderung in allen Phasen gegeben hat. Hier siedeln die Familien türkischer „Gastarbeiter“, Aussiedler und Spätaussiedler aus Osteuropa, Asylbewerber aus aller Welt; dazu kommen die besonderen multikulturellen Akzente, die der „Fachbereich für Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft“ setzt, an dem Dolmetscher und Übersetzer für viele Sprachen ausgebildet werden, die selber aus vielen Weltgegenden nach Germersheim kommen. Der „Regenbogen“ wird zu 80 bis 90 Prozent von Kindern besucht, die zwei- oder dreisprachig sind und deren Migrationshintergründe die Zuwanderung nach Deutschland in lebendiger und vielfältiger Weise widerspiegeln. Die am meisten vertretenen Familiensprachen sind zur Zeit des Projekts Türkisch, Russisch, Albanisch, Tamilisch, Bosnisch und Serbisch. Der „Regenbogen“ hat es nicht immer leicht gehabt. Manche Kinder begegnen der deutschen Sprache im Kindergarten zum ersten Mal, andere weisen sowohl in ihrer Familiensprache als auch in der deutschen Sprache bereits fortgeschrittene Kompetenzen auf. Das verlangt sehr viel Differenzierung bei der Bildungsarbeit. Nicht alle Eltern sind leicht anzusprechen, nicht alle sind kooperativ. Das verlangt viel Geduld und langen Atem und manchmal ein schwieriges Abwägen zwischen kultureller Toleranz und dem Wohl des Kindes. Das gesellschaftliche Umfeld ist nicht unbedingt hilfreich. Das verlangt den Willen und die Kraft zur Selbstbehauptung. Es gibt aber auch stützende Kräfte. Eine davon ist der Verein „Interkultur“, der sich vor Ort für die Verbesserung der Lage der Migranten und ein gutes Zusammenleben von einheimischer und zugewanderter Bevölkerung einsetzt. Er wurde im Jahr 2000 gegründet, 2005 hat er den Ehrenamtspreis des Landes erhalten. Unterstützung der Bildungsarbeit in Germersheim ist eines der von ihm ehrenamtlich verfolgten Anliegen. 2006 war „Interkultur“ dabei, an Perspektiven im Elementarbereich zu arbeiten. Man hatte die geringe Reichweite unverbindlicher Fortbildungsangebote erkannt und drängte auf eine folgenreichere Entwicklungsarbeit in frühpädagogischen Einrichtungen. Man war unzufrieden mit der spät, im letzten Kindergartenjahr erst, einsetzenden besonderen Sprachförderung und verfolgte den Gedanken einer durchgängigen Sprachförderung von Anfang an. Da man sich der Idee des interkulturellen Lebens und Lernens verpflichtet hatte, war es selbstverständlich, dass Sprachförderung nicht nur Deutschförderung bedeuten, sondern 5 auch die andern Sprachen der Kinder einbeziehen sollte. Das war und ist durchaus im Einklang mit den Empfehlungen des Landes Rheinland-Pfalz, wo es heißt, Sprachförderung „wird als zentrale und dauerhafte Aufgabe während der gesamten Kindergartenzeit verstanden“, und diese generelle Aussage durch den auf die zweisprachigen Kinder bezogenen Hinweis ergänzt wird: „ihre eigene Mutter- bzw. Familiensprache soll dabei einbezogen werden“.1 Die Aufgabe bestand und besteht darin, diese einmütigen Postulate Realität werden zu lassen. Der Verein „Interkultur“ hat diese Aufgabe angepackt. Er fand in der Leitung des Kindergartens „Regenbogen“ eine Partnerin, die Interesse daran bekundete, das Profil ihrer Einrichtung durch einen Schwerpunkt Sprachförderung zu stärken, und im „Institut für Bildung im Kindes- und Jugendalter“ der Universität Landau einen Partner, der Interesse daran hatte, die Möglichkeiten und Grenzen einer Sprachförderung im Elementarbereich wissenschaftlich so genau, aber auch so nahe an der Praxis wie möglich auszuloten. „Interkultur“ brachte ein Gespräch zwischen der Kindergartenleitung und der Universität zustande, auf dem man sich über die Grundsätze einig wurde. Es folgte ein Gespräch mit dem gesamten Team des Kindergartens, bei dem geklärt wurde, dass die Erzieherinnen insgesamt das Projekt mittragen würden und seine allgemeinen Zielvorstellungen teilen. Der Träger des „Regenbogen“ stellte einen Antrag auf Unterstützung aus dem Landesprogramm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“, und der Verein „Interkultur“ brachte zusätzliche Unterstützung zustande. Es war von Anfang an klar, dass die Erfahrungen der Erzieherinnen und die konkreten räumlichen und personellen Bedingungen vor Ort als Ausgangssituation der Weiterentwicklung zu verstehen seien und dass diese Weiterentwicklung gemeinsam zu verantworten sei. Das angestrebte Modell der Sprachförderung stellt in diesem Sinne kein „Fertigprodukt“ dar, sondern ein Ziel, das sich im Miteinanderdenken und Miteinanderhandeln von Personen und Institutionen realisiert. Auch die vorliegende Dokumentation präsentiert kein fertiges und kein allgemeingültiges System. Sie präsentiert den Erkenntnisstand, den das Projekt erreicht hat, und der andere Einrichtungen dazu motivieren soll, eigene Entwicklungsarbeiten anzupacken. Umso besser, wenn sie dabei von den Germersheimer Erfahrungen profitieren; dann würde sich der Aufwand nicht nur für den „Regenbogen“ gelohnt haben. 1 Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend, Rheinland-Pfalz: Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz, Weinheim und Basel: Beltz 2004, S. 41 und 43. 6 1.2 Voraussetzungen 1.2.1 Räume Das Gebäude, in dem der „Regenbogen“ untergebracht ist, wurde 1971 erbaut und 2005 umfang- reich renoviert. Vier Gruppenräume stehen zur Verfügung, dazu die Kindertoilette, ein Büro, eine Küche und ein Mehrzweckraum, der am Mittag als Schlafraum genutzt wird. Vormittags finden hier die Zusatzangebote, insbesondere die zusätzliche Sprachförderung, statt. Der große Flur wird in den Morgenstunden als Elterncafé, und außerhalb der Öffnungszeiten zu Besprechungen und Fortbildungen genutzt. Das Außengelände verfügt über einen naturbelassenen Baumbestand, eine Wiese und Rasenflächen. Den Kindern stehen Klettergeräte, Schaukel, Rutsche und Sandkasten zur Verfügung. Es gibt es auch einen gepflasterten Weg, auf dem sie mit Dreirädern fahren können. In einem Tiergehege sind Hase und Meerschweinchen untergebracht, die von den Kindern und Erzieherinnen gefüttert und versorgt werden. 1.2.2 Zeiteinteilung Die Kinder können die Einrichtung entweder ganztägig (7.00 – 17.00 Uhr), in durchgängiger Teilzeit (8.00 – 14.00 Uhr) oder in geteilter Teilzeit (7.45 – 12.15 Uhr und 14.00 – 16.00 Uhr) besuchen. Die ersten Kinder kommen ab sieben und werden gemeinsam bis acht Uhr in der Frühgruppe betreut. Anschließend gehen sie in ihre Gruppe. Jede der Gruppen plant ihren eigenen Tagesablauf, es gibt aber zum Teil gleichartige Aktivitäten. Eine solche Gemeinsamkeit ist der „Wind-und- 7 Wetter-Tag“, an dem die Kinder – möglichst bei jedem Wetter – ins Freie gehen, oft zu kleinen Exkursionen in die Stadt, zum Park, zur Festung, zu ausgewählten Einrichtungen, zu den Häusern, in denen die Kinder wohnen . . . Der Tag beginnt in der Regel mit Freispiel, gegen zehn Uhr wird in jeder Gruppe gemeinsam gefrühstückt. Danach geht die Gesamtgruppe in das Außengelände oder es wird ein Stuhlkreis durchgeführt. Ab zwölf Uhr werden die Teilzeitkinder abgeholt – die übrigen Kinder gehen zur Toilette, waschen sich die Hände und versammeln sich im jeweiligen Gruppenraum zum Mittagessen. Nach dem Essen wird gemeinsam das Geschirr zusammengestellt und in die Küche gebracht, die Kinder putzen sich die Zähne, die jüngeren gehen schlafen, für die älteren gibt es gezielte Angebote. Um vierzehn Uhr ist die Abholzeit für die Kinder der durchgängigen Teilzeit und Neubeginn für die Kinder der geteilten Teilzeit. Ab sechzehn Uhr werden die Kinder abgeholt. Die letzten verlassen den Kindergarten bis spätestens siebzehn Uhr. 1.2.3 Personalausstattung Im „Regenbogen“ arbeiten acht Erzieherinnen in unterschiedlichen Ar- beitszeitmodellen, was einigen und AbstimmungsKommunikations- aufwand mit sich bringt. Zwei der vier Gruppen orientieren sich an der Montessori-Pädagogik; mindestens eine der in diesen Gruppen tätigen Erzieherinnen hat eine Montessori-Ausbildung. Das Team wird ergänzt durch zwei externe Kräfte, die die besondere Sprachförderung nach den Vorgaben des rheinland-pfälzischen Landesprogramms in Basis- und Intensivkursen durchführen. 1.2.4 Ressourcen im Team Jede Erzieherin bringt ihre Person in die Projektarbeit ein. Das birgt Chancen und Risiken und sollte darum bewusst wahrgenommen werden. Am „Regenbogen“ ist das Team sehr bunt zu8 sammengesetzt, aus unterschiedlichen Temperamenten mit unterschiedlichen sprachlichen Profilen. Bei einer kleinen Umfrage „Was können die Kolleginnen gut?“ ergab sich ein Bild vielfältiger Stärken und Fähigkeiten. Hier eine kleine Auswahl aus den gegenseitigen Charakterisierungen: .UHDWLYPLW&KDRV 6HKUJHGXOGLJXQGDXVGDXHUQG .DQQGLH/HXWHJXWHLQVFKlW]HQ 6LHKlOWGHQ/DGHQLQ2UGQXQJRKQHVLHZUGHYLHO&KDRVKHUUVFKHQ +DWHLQHQJXWHQ'UDKW]X%HK|UGHQ ,VWRUGHQWOLFKVDFKOLFKXQGNRUUHNW .DQQJXWRUJDQLVLHUHQXQGGHP7DJGHU.LQGHUHLQHNODUH6WUXNWXUJHEHQ +DW6SDDQGHU$UEHLWLVWHLQIDOOVUHLFKXQGNRPPXQLNDWLY .DQQ.LQGHUEHJHLVWHUQXQG)U|KOLFKNHLWYHUEUHLWHQ .HQQWMHGHQLQ*HUPHUVKHLP .DQQ*LWDUUHVSLHOHQXQGVXSHUEDVWHOQ 9HUEUHLWHW5XKHXQG*HODVVHQKHLW HLQ3&*HQLH HLQ%DVWHO*HQLH Speziell zu den sprachlichen Stärken finden sich folgende Charakteristiken: .DQQVSRQWDQ7H[WHVFKUHLEHQDXIGHP&RPSXWHU 6SULFKWYLHOPLWGHQ.LQGHUQ .DQQJXWHUNOlUHQXQGEHJUQGHQ .DQQ%HZHJXQJPLW6SUDFKHYHUELQGHQ %HREDFKWHWXQGGRNXPHQWLHUWVRUJIlOWLJ (U]lKOWJHUQ 5HGHWPLW+lQGHQXQG)HQ .DQQGHXWOLFKXQGVSDQQHQGYRUOHVHQ +DWHLQJXWHV6SUDFKYHUVWlQGQLVIU.LQGHU .DQQ/HXWHJXWQDFKPDFKHQ .HQQWVLFKJXWPLW6SUDFKHDXV]%*UDPPDWLN ,VWHLQH+LOIHEHLP)RUPXOLHUHQ +DW,QWHUHVVHDQDQGHUHQ6SUDFKHQ Es hat Anstrengung gekostet, soviel Unterschiedlichkeit unter das Dach eines Projektes zu bringen. Aber unter diesem Dach hat die gemeinsame Arbeit von den unterschiedlichen Stärken in vielfacher Weise profitiert. 9 1.2.5 Sprachen der Erzieherinnen Der Beruf der Erzieherin ist ein „sprechender Beruf“. Wie die Erzieherin im Alltag spricht, das ist nicht nur einfach Ausdruck ihres „sprachlichen Ich“, sondern zugleich Grundlage ihres professionellen sprachlichen Handelns, das Vorbild und Anstoß für die sprachliche Entwicklung der Kinder sein soll. Zu einem frühen Zeitpunkt im Projekt wurde daher ein Schritt zur Bewusstmachung der eigenen Sprachbiographie der Erzieherinnen gegangen. Ein erprobtes Mittel dazu sind die „Sprachenporträts“ – bunte Darstellungen der eigenen Sprachen, die in Umrissfigürchen eingetragen und biographisch kommentiert werden. Hans-Jürgen Krumm hat solche Sprachenporträts von Kindern und Jugendlichen gesammelt und zusammen mit Eva-Maria Jenkins herausgegeben2, eine sehr anregende Veröffentlichung. Die Methode ist bei Erwachsenen ebenso gut wie bei Schulkindern und bei Jugendlichen anwendbar. Die Erzieherinnen verfertigten und kommentierten also ihre eigenen Sprachenporträts und berichteten von den Erfahrungen, die hinter diesen Darstellungen stehen. Insgesamt zeigte sich, dass die Mitglieder des Teams über viele unterschiedliche Spracherfahrungen verfügen. Gemeinsam wurde darüber nachgedacht, wie die eigene Sprachbiographie und die sprachlichen Aspekte der Arbeit im Kindergarten miteinander zusammenhängen. So ist zum Beispiel der pfälzische Dialekt für einen Teil der Erzieherinnen ein wichtiger Bestandteil ihrer sprachlichen Identität. 2 Hans-Jürgen Krumm / Eva-Maria Jenkins (Hrsg.): Kinder und ihre Sprachen – lebendige Mehrsprachigkeit, Wien: eviva 2001. 10 Das kommt auch im Kindergartenalltag hörbar zur Geltung und war im Projekt ein Anlass, über den angemessenen Gebrauch von Dialekt und Hochsprache im Kindergarten miteinander zu sprechen. Eine Lösung, die eine Erzieherin, eine besonders begeisterte Dialektsprecherin, für sich gefunden hat, war die, das Pfälzische „von Herzen“ im direkten Umgang mit den Kindern zu sprechen, sich aber bei sachgebundenen Bildungsaktivitäten, bei Erklärungen und selbstverständlich beim Vorlesen um hochdeutschen Sprachgebrauch zu bemühen. 11 Die Erfahrungen der Erzieherinnen im Umgang mit Zweisprachigkeit nehmen bei der Sprachförderung im vielsprachigen Kindergarten eine Schlüsselstelle ein. Im „Regenbogen“ haben zwei Erzieherinnen Türkisch als Muttersprache. Eine von ihnen fungiert als Integrationskraft. Eine weitere Erzieherin und eine der externen Sprachförderkräfte sind russische Muttersprachlerinnen. 12 Auch hier war die Bedeutung dieser sprachlichen Mehrausstattung der Erzieherinnen für den Kindergartenalltag ein Thema: 0LWGHQ.LQGHUQNDQQLFKLQGHU(LQJHZ|KQXQJVSKDVHEHVVHUDXIGHUHPRWLRQD OHQ(EHQHNRPPXQL]LHUHQ6LHLQLKUHU0XWWHUVSUDFKHWU|VWHQ )UGLH.LQGHUDXFKIUPLFKVHOEHULVWHVKLOIUHLFKGDVVLFKPDQFKH6LWXDWLR QHQLQ]ZHL6SUDFKHQEHVSUHFKHQNDQQEHVVHUXQGXPIDQJUHLFKHUEHVFKUHLEHQ HU]lKOHQNDQQ Das folgende Begebnis ist ein Beispiel dafür: :LUZDUHQDXIGHP6SLHOSODW]XQG%HWOKDWWH]XYRUHLQ6DODPLEU|WFKHQJHJHVVHQ $OV ZLU ]XUFN ]XP .LQGHUJDUWHQ DXIEUDFKHQ IRUGHUWH LFK %HWO DXI PLU LKUH UHFKWH+DQG]XJHEHQGDPLWZLU]ZHLXQG]ZHL]XUFNODXIHQN|QQHQ%HWOZDU YHUOHJHQ XQG ZROOWH QLFKW 6FKOLHOLFK VDJWH VLH DXI 7UNLVFK Å/WIHQ EHQLP VD÷ HOLPLWXWoQNVROHOLPLOHVDODP\HGLP\D÷Oı´ Die Erzieherin kommentiert das Begebnis folgendermaßen: Å'DLFKVHOEVW7UNLVFKDOV0XWWHUVSUDFKHVSUHFKHNRQQWHLFKYHUVWHKHQGDVV%HWO VLFK DXV 5FNVLFKWQDKPH DXI PLFK ZHLJHUWH PLU GLH UHFKWH +DQG ]X JHEHQ $XI 'HXWVFK NRQQWH VLH GDV GDPDOV QRFK QLFKW DXVGUFNHQ +lWWH LFK LKUH 6SUDFKH QLFKW YHUVWDQGHQ KlWWH %HWO YHUVXFKHQ PVVHQ GDV ZDV VLH JHPHLQW KDW QRQ YHUEDODXV]XGUFNHQRGHUHVZlUH]XGHP0LVVYHUVWlQGQLVJHNRPPHQGDVV%HWO VLFKDXV7URW]ZHLJHUWH,KUVR]LDOHV9HUKDOWHQZlUHGDQQY|OOLJIDOVFKYHUVWDQGHQ ZRUGHQ´ Von großer Bedeutung ist die Zweisprachigkeit der Erzieherinnen auch im Kontakt mit den Eltern: 'LH(OWHUQN|QQHQLKUH:QVFKHbQJVWH6RUJHQEHVVHU]XP$XVGUXFNEULQJHQ6LH IKOHQVLFKYHUVWDQGHQXQGJHKROIHQ0DQFKH)DPLOLHQSUREOHPHGLHPLW.XOWXU XQG5HOLJLRQ]XVDPPHQKlQJHQNDQQLFKEHVVHUYHUVWHKHQ (VLVWVFKRQ|IWHUVYRUJHNRPPHQGDVVEHLGHU$QPHOGXQJHLQHVQHXHQ.LQGHVGLH 13 (OWHUQEHUUDVFKWXQGHUIUHXWVLQGZHQQLFKPLWLKQHQGHQ%RJHQDXI5XVVLVFK EHVSUHFKHQNDQQ$OLQDV0DPDNRQQWHPLUDXI5XVVLVFKDOOLKUH6RUJHQXQG bQJVWHEHVVHUHUNOlUHQ=XP6FKOXVVVDJWHVLH]XPLUÅ,FKELQVRIURKGDVVLFK PLFKJHQDXDXVGUFNHQNRQQWH:HQQLFKGDVDXI'HXWVFKDOOHVVDJHQPVVWH N|QQWHLFKGDVVRQLFKW´ %HLP$XVIOOHQYRQ)RUPXODUHQNDQQLFKGLH(OWHUQHQWODVWHQ,QGHQ6FKXOHQ XQGEHL%HK|UGHQJlQJHQGROPHWVFKHQ0DQFKPDON|QQHQGLHVH6LWXDWLRQHQ DXFKEHUKDQGQHKPHQXQGPLFKEHODVWHQ6FKHLGXQJVSUREOHPHILQDQ]LHOOH 3UREOHPHGHU)DPLOLHQ 1.3 Projektablauf im Überblick 1.3.1 Erwartungen Zu Beginn wurden im Rahmen eines Fortbildungstags Erwartungen an das Projekt im Plenum diskutiert. Die Erzieherinnen äußerten Wünsche und Hoffnungen: 0LWGLHVHP3URMHNWZROOHQZLUHLQHSRVLWLYH$XHQZLUNXQJHUUHLFKHQ*HUDGHGLH EHVRQGHUVVFKZLHULJH6LWXDWLRQLQXQVHUHP.LQGHUJDUWHQVHKUKRKHU$QWHLODQ .LQGHUQPLW0LJUDWLRQVKLQWHUJUXQGVROOWHDXFKHQGOLFKPDODQHUNDQQWZHU GHQ8QGHVVROOWHJH]HLJWZHUGHQGDVVZLUXQVLQEHVRQGHUVKRKHP0DIUGLH .LQGHUHQJDJLHUHQ 'LH=XVDPPHQDUEHLWPLWGHU8QLPDFKWQDWUOLFKDXFKGHQ5HL]DXV'LH 6SUDFKI|UGHUXQJVFKRQIU'UHLMlKULJHZDVZLUVFKRQLPPHUIUQ|WLJKLHOWHQ VROOWHHQGOLFK]XP7KHPDZHUGHQ *HUDGHGLH)RUWELOGXQJHQQXUIUXQVXQGGDVSDVVHQG]XPMHZHLOLJHQ=HLW SXQNWLQWHUHVVLHUWXQVVHKU:LUZROOHQIUGLH.LQGHUXQVHU%HVWHVJHEHQ1D WUOLFKZDUHQZLUXQVLFKHUREZLUDXFKHLQJXWHV6SUDFKPRGHOOIUGLH.LQGHU DEJHEHQ (LQH6HQVLELOLVLHUXQJIU6SUDFKHXQG6SUDFKHQWZLFNOXQJGHU.LQGHUZDUXQVH UH(UZDUWXQJ $XFKGHP%HREDFKWHQXQGJHQDXHQ'RNXPHQWLHUHQGHP(UOHUQHQGHUGDIU Q|WLJHQ0HWKRGHQVHKHQZLUPLW6SDQQXQJHQWJHJHQ 14 Aber auch Bedenken wurden vorgebracht: 6LQGZLUDOOGLHVHQ$QIRUGHUXQJHQJHZDFKVHQ" :LHYLHO=HLWPVVHQZLU]XVlW]OLFKLQYHVWLHUHQ":HUGHQZLUDOOGLHVH'LQJH EHUKDXSWLQGHQ$OOWDJLQWHJULHUHQN|QQHQ":LUGHVYLHO6FKUHLEDUEHLW'R NXPHQWDWLRQJHEHQ" 6FKDIIHQZLUGDVZLUNOLFK":LUKDEHQVFKRQGXUFKXQVHUHEHVRQGHUH6LWXDWLRQ HLQHVFKZHUH/DJHZLUGGDVDOOHVQLFKWQRFKVFKZLHULJHU" :DVZHUGHLFKEHUPLFKVHOEVWHUIDKUHQPXVVLFKPHLQH6SUDFKHlQGHUQ² PXVVLFK+RFKGHXWVFKÅOHUQHQ´" /RKQWVLFKGDVDOOHV" %ULQJWHVGHQ.LQGHUQZLUNOLFKHWZDVIUGDV(UOHUQHQGHUGHXWVFKHQ6SUDFKH" 1.3.2 Arbeitsweise In der Folge wechselten Phasen des Inputs, der praktischen Erprobung und der Reflexion einander ab. Die einzelnen Themen des Projekts wurden auf Teamfortbildungen und Teamsitzungen eingeführt, gemeinsam für die Situation in der Einrichtung bearbeitet und zur praktischen Erprobung gegeben. Sie wurden auf der Grundlage der dabei gemachten Erfahrungen auf späteren Sitzungen reflektiert. Mehrfach haben Vertreter der Universität in der Einrichtung hospitiert. Dieser Wechsel von Information/Planung – Erprobung – Reflexion hat sich bewährt. Er ist eine Bedingung dafür, dass die kognitiv vermittelten und diskutierten Vorstellungen ihren Weg in die Praxis finden, im positiven Falle übernommen, im negativen Falle modifiziert und erneut erprobt werden. Die Praxisteilnahme der Fortbildner ist in jedem Falle hilfreich, auch und gerade wenn dabei Unterschiede in der Wahrnehmung erkannt und damit diskutierbar werden. Im Germersheimer Projekt wurde kritisiert, dass die Hospitationen eher zu selten stattgefunden haben. Zum Teil konnte dieser Mangel dadurch ausgeglichen werden, dass die Erzieherinnen sprachliche Aktivitäten der Kinder und eigene Förderaktivitäten auf Video dokumentiert haben. Die Aufnahmen wurden dann in der Fortbildung angesehen und analysiert, so dass eine gemeinsame Anschauung für didaktische Diskussionen gegeben war. Zum Projektabschluss gab es im Juni 2009 eine Begegnung im „Regenbogen“, zu der die Eltern mit ihren Kindern eingeladen waren und an der sich Vertreter des Vereins „Interkultur“ und des 15 Trägers aktiv beteiligt haben. Es wurden Videos vorgeführt, Beispiele der Förderarbeit erläutert, viele Gespräche am Rande geführt, und die Kinder haben zusammen mit ihren Erzieherinnen und Eltern und Geschwistern gesungen und getanzt. 1.3.3 Themen Thematisch war das Projekt in drei größere Abschnitte eingeteilt. Die drei Hauptthemen waren: (1) Sprachbeobachtung und Elterngespräche, (2) Sprachstandsanalyse und Förderplanung und (3) Methoden der Förderung. Diese Hauptthemen entsprechen den Schwerpunktsetzungen des ersten, zweiten und dritten Projektjahrs. Im Einzelnen werden die Inhalte dieser Arbeiten in Kapitel 3 bei der Darstellung des Modells der durchgängigen Sprachförderung ausgeführt. Neben diesen sprachbezogenen Einzelthemen spielten aber auch durchgehende Themen eine Rolle. Die zu Beginn des Projekts geäußerten Bedenken der Erzieherinnen waren sehr gerechtfertigt. Es gab bei der Arbeit an den Projektthemen vielfach Anlass, sich auch mit allgemeineren 16 Aspekten der Kindergartenarbeit auseinanderzusetzen, die die Rahmenbedingungen für jede Projektarbeit darstellen. Mit der Teilnahme lassen sich ja alle Beteiligten auf einen Veränderungsprozess ein, der ihnen Vieles abverlangt – auch und vielleicht gerade dann, wenn sie ihn aktiv wollen. Sie müssen bisherige Gewissheiten, pädagogische Routinen, eingespielte und liebgewonnene Mechanismen hinterfragen und aufgeben und sich neu orientieren. Das ist belastend und führt zu Irritationen oder Widerständen, die zu überwinden zusätzliche Kraft kostet. Im Rahmen des Möglichen und zum Teil auf ausdrücklichen Wunsch des Teams wurden daher zusätzlich, über die direkt sprachbezogene Arbeit hinaus auch die folgenden Themen behandelt, wobei externe Referentinnen und Referenten tätig geworden sind: Interkulturelle Elternarbeit, Kommunikation im Team, Präsentation von Arbeitsergebnissen, Zeitmanagement. Dass dies notwendigerweise zu behandelnde Themen waren, wurde zwar früh erkannt, aber erst im ferneren Verlauf des Projekts Stück um Stück angegangen. Im Nachhinein kann man sagen, es wäre besser gewesen, die Belastungen für Träger, Leitung, Team, Eltern und auch Kinder vor Projektbeginn genauer, als es geschehen ist, herauszuarbeiten und zeitliche und personelle Ressourcen zu ihrer Überwindung einzuplanen. Generell tut man gut daran tut, sich bei Beginn eines solchen längerfristigen Vorhabens der Belastbarkeit des Systems möglichst eingehend zu versichern. Dazu gehören grundlegend die Rückendeckung durch den Träger und klar erkennbare Verantwortungsbereiche der Leitung und der übrigen Mitglieder des Teams. Im Projektverlauf werden dann Ressourcen für die Prozessbegleitung benötigt, insbesondere für Zeiten, die den Kommunikationsfluss innerhalb des Teams und zu den Eltern absichern, für neutrale Unterstützung bzw. Moderation bei zielführenden Entscheidungsprozessen und bei der Bewältigung von Konflikten sowie schließlich für personelle Vorsorge im Fall gravierender Ausfälle. 1.3.4 Weitergabe an andere Zu dem Projekt gehörte von Anfang an die Vorstellung einer Weitergabe der Projektergebnisse an andere. Diese Vorstellung wurde folgendermaßen umgesetzt: Bei Abschluss des ersten Projektjahrs, im November 2007, organisierte der „Regenbogen“ einen Fachtag in Kandel, zu dem Vertreter aller Kindertagesstätten im Landkreis eingeladen waren. Das Programm wurde vom Team des „Regenbogen“ gestaltet: Die Leitung und die Erzieherinnen stellten gemeinsam die Einrichtung, ihr soziales Umfeld und das Förderkonzept dar. Einzelne Aspekte des Konzepts wurden in Workshops behandelt. Je zwei Erzieherinnen boten einen Workshop an zu den Themen 17 • Elternarbeit • Zweisprachigkeit • Individueller Förderplan • Beobachtung und Dokumentation Zusätzliches Gewicht erhielt die Veranstaltung durch ein bildungspolitisches Statement und einen wissenschaftlichen Vortrag: Das Grußwort des Bildungsministeriums sprach Lucia Stanko, Referentin des Referats Leitstelle Partizipation, Sprachförderung in Kindertagesstätten, Tagespflege. „Mit dem Germersheimer Projekt, aber auch mit weiteren Projekten, an denen das Land beteiligt ist und welche es fördert“, so fasste sie ihre Erwartungen zusammen, „versprechen wir uns in den nächsten 1 – 2 Jahren Methoden und Materialien, die die alltägliche Sprachförderarbeit in den Kindertagesstätten sys- 18 tematisieren und unterstützen helfen und die wir als Land den Kindertagesstätten im Land zur Verfügung stellen möchten.“3 Gudula List, Professorin für Sprachpsychologie an der Universität zu Köln, sprach über das Thema: „Durchgängige Sprachförderung – Was könnte das aus der Sicht der Entwicklungspsychologie bedeuten?“ Ein besonders wichtiger Punkt in diesem Vortrag war die Aussage, „dass Sprachförderung – umfassend verstanden – keineswegs nur Sprach- sondern insgesamt Entwicklungsförderung ist.“ Im Kindergartenalter beginnen Kinder, „über das zu reden, was sie sich ausdenken, und zeigen damit, dass sie anfangen zu wissen, wie und warum man etwas macht, welche Folgen es hat, und was man anders machen könnte. Die Sprache beginnt, Kognition und Handeln über den Augenblick hinaus anzuleiten.“4 Im zweiten Projektjahr haben Erzieherinnen des „Regenbogen“ als Referentinnen an zwei Fachtagen mitgewirkt: Im Juni 2008 wurde ein Workshop „Durchgängige Sprachförderung von Anfang an“ auf dem Fachtag „Sprachförderung“ der Caritas in Neustadt an der Weinstraße angeboten. Unter einem ähnlichen Titel („Durchgängige Sprachförderung im Kindergarten“) stand die Arbeitsgruppe, die vom „Regenbogen“ auf der Fachtagung „Hast du Worte . . . Sprachliche Förderung in der Kita“ im Oktober 2008 in Mainz gestaltet wurde. Veranstalter dieser Fachtagung waren das Sozialpädagogische Fortbildungszentrum und das Bildungsministerium Rheinland-Pfalz. Ein abschließender Fachtag wird im September 2009 wieder in Kandel durchgeführt. 2 Ziele und Prinzipien „Durch Sprache erhalten Kinder die Möglichkeit, ihre Bedürfnisse, Gefühle, Gedanken und Fantasien zum Ausdruck zu bringen und andere an Erfahrungen und Erlebnissen teilhaben zu lassen. Sprache und Sprechen helfen den Kindern, Aktivitäten und Phänomene der Umwelt zu verarbeiten, die dingliche Welt um sie herum zu bezeichnen und zu begreifen. Sie lernen sich mitzuteilen, aber auch, dass ihnen jemand zuhört. Über die Sprache nehmen Kinder Kontakt zu ihrer Umwelt auf und stellen Beziehungen zu anderen Menschen her. In bildungspolitischer und gesellschaftlich-politischer Dimension gesprochen bedeutet dies: Sprachliche Bildung und Förderung bereits im frühen Kindesalter sind unerlässlich, um Kindern bestmögliche Entwicklungs- 3 Lucia Stanko: Grußwort zum Projekt in Germersheim „Durchgängige Sprachförderung im Kindergarten“, unveröffentlichtes Manuskript 2007, S. 4. 4 Gudula List: Durchgängige Sprachförderung – Was könnte das aus der Sicht der Entwicklungspsychologie bedeuten?, unveröffentlichtes Manuskript 2007, S. 1 und 5. 19 chancen für ihr persönliches und gesellschaftliches Leben zu geben“. So die Vertreterin des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums auf dem Kandeler Fachtag 2007. Es sei ein Anliegen der Landesregierung, fügte sie hinzu, „sowohl in den Kindertagesstätten als auch in den Schulen die Sprach-, Lese- und Schreibkompetenz aller Kinder und im Besonderen von Kindern mit Migrationshintergrund zu fördern“ (Hervorhebung im Original).5 Im Antrag auf Förderung wird die Zielsetzung folgendermaßen zusammengefasst: „Nach Ablauf des Projekts sollen sich die Erzieherinnen in der Lage sehen, Kinder aller Altersstufen in ihrer sprachlichen Entwicklung gemäß ihren sprachlichen Voraussetzungen bestmöglich zu fördern. Dadurch soll auch ein sprachlich unbelasteter Übergang in die Grundschule ermöglicht werden“ 6. Daraus ergeben sich die folgenden Teilziele der Qualifizierung: • Fähigkeit zur Spracherziehungspartnerschaft mit den Eltern • Fähigkeit zur Ermittlung des Sprachstandes jedes einzelnen Kindes 5 Lucia Stanko: Grußwort zum Projekt in Germersheim „Durchgängige Sprachförderung im Kindergarten“, unveröffentlichtes Manuskript 2007, S. 2. 6 Protestantische Kirchengemeinde Germersheim/Verein Interkultur (2006). Sprachförderung als zentrale und dauerhafte Aufgabe im Kindergarten. Antrag auf Förderung eines Entwicklungsvorhabens in den Jahren 2007 bis 2009. Germersheim, S. 3. 20 • Fähigkeit zur Planung von Förderangeboten, die auf den Sprachstand des einzelnen Kindes zugeschnitten sind • Fähigkeit des sprachförderlichen Handelns in unterschiedlichen Organisationsformen • Fähigkeit der Dokumentation, Reflexion und Revision der Sprachförderung Dass die Realisierung solcher Ziele bei weitem kein Selbstläufer ist, sondern ein mitunter kräftezehrendes Unterfangen darstellt, wurde oft genug erfahren. Es wurde auch klar, dass an der Stabilisierung und Aktualisierung dieser Ziele nach Ablauf des Projekts weiter gearbeitet werden muss. Es sind aber bei Projektende Ergebnisse erreicht, die einem Konzept folgen und als Modell einer durchgängigen Sprachförderung gelten können. Sie werden im Folgenden dargestellt. 3 Modell der durchgängigen Sprachförderung 3.1 Übersicht Die Sprachförderung orientiert sich prinzipiell am einzelnen Kind. Sie wird kontinuierlich durchgeführt, beginnend mit dem ersten und endend mit dem letzten Kindergartentag. Sie basiert auf den Ergebnissen der Sprachbeobachtung und vergewissert sich in regelmäßigen Abständen der Fortschritte des Kindes. In diesem Sinne kann sie auch als Kreislauf (besser noch als Spirale) dargestellt werden: 21 Die ersten Sprachbeobachtungen beginnen mit dem Eintritt des Kindes in die Einrichtung. Nach wenigen Wochen wird das erste Elterngespräch zur Spracherziehung durchgeführt. Nach ungefähr sechs Monaten Beobachtungszeit wird aufgrund der Analyse dieser Beobachtungen der erste individuelle Förderplan für das Kind erstellt. Dieser dient als Grundlage für die weiteren Fördermaßnahmen. Halbjährlich wiederholt sich dieses Vorgehen, sodass bei einem dreijährigen Kindergartenaufenthalt durchschnittlich fünf Förderplanungen vorliegen. Das erste Elterngespräch wird durch jährlich im Rahmen der ohnedies stattfindenden Entwicklungsgespräche wiederholt. Im Anhang findet sich eine detaillierte tabellarische Darstellung des Förderkreislaufs. 3.2 Spracherziehungspartnerschaft mit Eltern Angesichts der zunehmend unterschiedlichen Sprachenverhältnisse ist es immer dringender erforderlich, dass Eltern und Erzieherinnen die Sprachentwicklung und die sprachliche Bildung und Erziehung des Kindes als gemeinsames Thema verstehen. Das sprachliche Aufwachsen vollzieht sich nicht „von selbst“, sondern fordert Entscheidungen auf beiden Seiten. Diese wiederum setzen Information und Verstehen voraus. Im Gespräch sollten die Erzieherinnen erkennen, welche Rolle die Sprachen im Leben der Familien und in ihren Zukunftsplänen für die Kinder spielen. Die Eltern sollten das Sprachbildungskonzept der Einrichtung kennen lernen und ihre Vorstellungen einbringen. Nur so kann es gelingen, sich gegebenenfalls über unterschiedliche Meinungen auszutauschen und Anregungen weiterzugeben. Am „Regenbogen“ ist der Anteil mehrsprachiger Kinder sehr hoch. Zu fragen ist nach dem Wert, den die Eltern den Sprachen beimessen, wie sie die Spracherziehung zuhause handhaben und welche Erwartungen sie dem Kindergarten entgegenbringen. Zu fragen ist nach dem Entwicklungsstand der Kinder in der Erstsprache und in der Zweitsprache, nach der angemessenen Förderung des Deutschen als Zweitsprache und nach der angemessenen Berücksichtigung der Familiensprache, wie sie von den Bildungsempfehlungen des Landes gefordert wird. Gerade unter den Bedingungen der Mehrsprachigkeit ist das nicht einfach. Um Anhaltspunkte für solche Gespräche zu haben, wurde in Germersheim ein ausführlicher „Leitfaden für sprachbezogene Elterngespräche“ eingesetzt. Er bezieht sich auf das erste dieser Gespräche und wird ergänzt durch eine „Checkliste für die Thematisierung sprachbezogener Fragen“ in den beiden nachfolgenden Entwicklungsgesprächen. Beide sind im Anhang wiedergegeben. 22 Der Leitfaden beinhaltet Fragen nach • Sprachen, die zu Hause gesprochen werden, • Sprachen, die das Kind im Umfeld erlebt, • der Spracherziehung im Elternhaus, • der Wichtigkeit der deutschen Sprache und der Herkunftssprache, und • dem Eindruck der Eltern von der Spracherziehung im Kindergarten. Die Erfahrungen im „Regenbogen“ zeigen, dass die Fragen des Leitfadens als nützliche Unterlage empfunden wurden, um die komplexe Sprachsituation der zweisprachigen Kinder zu erfragen. Anfangs wurde es als entlastend empfunden, diese Gespräche als Erzieherinnen zu zweit durchzuführen, so dass eine Erzieherin fragen, die andere Notizen machen konnte. Ziel sollte es aber sein, die Leitfragen gut genug zu kennen, um ein freies Gespräch führen zu können. Den Erzieherinnen wurde bewusst, dass die Gespräche besonders fruchtbar verlaufen, wenn sich die Partner vorurteilslos begegnen und sich gegenseitig wertschätzen. Eine solche Haltung lässt sich jedoch nicht erzwingen, sie verlangt die Bereitschaft beider Seiten. Hierzu einige konkrete Äußerungen der Erzieherinnen: 0DQFKHGHUEHIUDJWHQ(OWHUQlXHUWHQVLFKIUHLEHUIDPLOLlUH+LQWHUJUQGH RKQHGDQDFKJHIUDJW]XZHUGHQ²VRZXUGHXQV]%NODUGDVV.LQGHU]XVSlW NRPPHQZHLOGLH0XWWHUEHUIRUGHUWLVW (VJDEDXFK(OWHUQGLHVLFKQLFKWDXIGDV*HVSUlFKHLQOLHHQDXFKGDVPXVVDN ]HSWLHUWZHUGHQ 0DQVSUWHDXFKEHL(OWHUQGDVVGLHVHV*HVSUlFK]XP$QODVVJHQRPPHQZXUGH VLFKEHU6SUDFKHE]Z=ZHLVSUDFKLJNHLW*HGDQNHQ]XPDFKHQ (VVROOQLFKWGHU&KDUDNWHUHLQHUÅ$EIUDJH´HQWVWHKHQVRQGHUQHLQ*HVSUlFKDXI JOHLFKHU$XJHQK|KH]%GXUFKHLQHQORFNHUHQ)UDJHVWLO Die Gespräche ließen erkennen, dass die Eltern den Sprachen einen sehr hohen Wert beimessen: „Das Wichtigste ist die Sprache“; „Lernt das Kind die Sprache gut, ist es ein reiches Kind, ohne Sprache ist es ein armes Kind“; „Kind soll gut sprechen, besser als Eltern“. Meist werden beide 23 Sprachen – das Deutsche und die Herkunftssprache der Familie – als gleich wichtig angesehen: „Kind soll beide Sprachen sprechen“; „Sprachen sind eine Bereicherung“; „Solange Türkisch nicht gut wird, wird auch Deutsch nicht gut sein“. Wenn ein Unterschied gemacht wird, dann meistens zugunsten des Deutschen: „Sprache soll Deutsch sein, Russisch nicht verlernen“; „Man lebt in Deutschland. Man soll keinen Unterschied hören, ob türkisch oder deutsch“; „Wenn man hier lebt: Keine Sprache – kein Beruf, keine Sprache – keine Zukunft“. Aber auch davon gibt es gelegentlich eine Ausnahme: „So wichtig wie Deutsch für die Deutschen ist Türkisch für uns“. Für die Erzieherinnen, vor allem für die einsprachig deutschen Erzieherinnen, waren die Elterngespräche ein Anlass, sich mit der Mehrsprachigkeit der Kinder und den Spracherziehungswünschen der Eltern eingehender als zuvor auseinanderzusetzen. 3.3 Sprachbeobachtung Es herrscht Einigkeit darüber, dass Sprachbildung und Sprachförderung auf dem jeweils gegebenen Sprachstand des Kindes aufbauen sollen. Dazu ist es wünschenswert, den Sprachstand nicht nur „intuitiv“, sondern durch bewusste Beobachtung kennen zu lernen. In allen Vorschlägen, die dazu gemacht werden, wird eine Kombination aus Beobachtung von sprachlichem Handeln in Situationen und sprachlichen Fähigkeiten im engeren („linguistischen“) Sinne angestrebt. Zur Einführung in die Kunst der Sprachbeobachtung wurden im Germersheimer Projekt sprachlich-kommunikative Szenen analysiert, die die Erzieherinnen zuvor auf Video aufgenommen und transkribiert hatten. (Das Schema, das für die Transkription verwendet wurde, ist aus einem früheren Hamburger Projekt übernommen.7) Solche Analysen sind wie eine gemeinsame Entdeckungsfahrt in das Reich der Sprache. Im Gespräch der Erzieherinnen über den Kindertext lassen sich immer wieder neue Erscheinungen im sprachlichen Handeln der Kinder herausfinden und diskutieren. Man gewinnt dadurch nicht nur einen neuen, genaueren Blick auf die Sprache des einzelnen Kindes, sondern lernt auch schon Vieles über den kindlichen Spracherwerb, was dann in der Arbeit mit allen Kindern gebraucht werden kann. 7 Auf CD bei der Veröffentlichung von Hans H. Reich und Gerlinde Knisel-Scheuring: Sprachförderung im Kindergarten, Weimar und Berlin: verlag das netz 2008. 24 Als Beispiel wird im Folgenden Betüls Nacherzählung der „Kleinen Raupe Nimmersatt“ 8 analysiert: Transkription der Erzieherin 5DXSH1LPPHUVDWW'HU0DQQHLQ0lGFKHQXQGHLQH-XQJHXQGGHU 'HU0DQQKDWGDV%XFKJHVFKULHEHQ +LHUZDUHLQNOHLQHV(L'DVZDUNOHLQH5DXSH1LPPHUVDWW $XVGHU6FKDOHNQDFNNDSXWWJHJDQJHQ 8QGGLH6RQQHVFKHLQWXQGGHU5DXSH1LPPHUVDWWKDWWHODQJH 'HUKDWWHHLQHQ$SIHOJHJHVVHQGDQQ]ZHL%LUQHQGUHL3IODXPHQJHJHVVHQ GDQQKDWWHQVLHFLOHN (UGEHHUHQJHJHVVHQ )QI2UDQJQJHJHVVHQZDUQRFKQLFKWIHUWLJHLQ.XFKHQ*XUNH6WFN.l VH VRVLV :XUVWHLQ6WFN/XVFKHUHLQ6WFN3L]]D.XFKHQELUWDQHGHNDUSX] XQGHLQ6WFN:DVVHUPHORQHXQGHLQJURHV%ODWWJHJHVVHQ 'HUZDUQLFKWPHKUNOHLQJURJHZDFKVHQ 'HUZDUGRUWHLQ3XQNWXQGLVWGDKLQJHJHKW 'DQQZDUGHUHLQEXQWHU6FKPHWWHUOLQJ Analyse von Betüls Erzählung durch die wissenschaftliche Begleitung Betül nimmt die Erzählaufgabe ohne weiteres an und erledigt sie, ohne Hilfen der Erzieherin zu beanspruchen. Die Form der Erzählung gelingt ihr schon recht gut: Sie formuliert eine Überschrift und eine Einleitung, die deutlich vom eigentlichen Erzähltext abgesetzt sind. Der letzte Satz der Erzählung ist klar als Schluss-Satz erkennbar. Die Erzählung selbst gestaltet sie abwechslungsreich mit den Sprechhandlungen der Beschreibung (Zeile 3 und 10), der Vorgangsschilderung (Zeile 4, 6 bis 9 und 11) und der Feststellung (Zeile 2 und 12). Für Lebendigkeit sorgen ein lautmalendes Element (in Zeile 4), ein kommentierender Einschub (in Zeile 8) und die kontrastierende „Rückblende“ (in Zeile 10). Die Darstellung des Erzählzusammenhangs gelingt noch nicht so gut: Zwischen den Zeilen 3 und 4, 4 und 5, 5 und 6, 10 und 11, 11 und 12 bewegt sich die Erzählung sprunghaft, wie es für Erzählungen im Kindergartenalter typisch ist. Umso mehr sind daher die Elemente hervorzuheben, die für einen gewissen Zusammenhang sorgen: 8 Eric Carle: Die kleine Raupe Nimmersatt, dt. von Viktor Christen, Hildesheim: Gerstenberg Verlag 1967 25 das „das“ in Zeile 3, das „und“ in Zeile 5, das „der“ in Zeile 6, 10, 11 und 12, das „dann“ in Zeile 12. Inhaltlich werden alle wichtigen Punkte der Vorlage aufgegriffen. Dabei gelingt ihr die Darstellung des Fressens gut; sie lässt allerdings das dadurch verursachte Magenweh aus und kann darum auch die Pointe des grünen Blattes als „Schonkost“ nicht wiedergeben. Der Vorgang des Schlüpfens (Zeile 4) bereitet ihr sprachliche Mühe und der Vorgang der Verpuppung (Zeile 11) wird in einer so rudimentären Weise dargestellt, dass er nicht nachvollzogen werden kann. Betüls deutscher Wortschatz umfasst außer den einfachen Nomen Mädchen, Junge, Mann auch die etwas fortgeschritteneren Elemente Buch, Sonne, Blatt, Punkt, Schmetterling, dazu die Bezeichnungen der Obstsorten und der übrigen essbaren Dinge und als „Spitzen“ die differenzierten Begriffe Schale und Raupe. Bei den Verben erscheinen neben dem einfachen sein noch kaputtgehen, scheinen und hingehen sowie das etwas fortgeschrittenere Wort schreiben. Neben den einfachen Adjektiven klein und groß finden sich noch fertig und das fortgeschrittenere bunt. Mehrfach zeigen sich Lücken in Betüls deutschem Wortschatz. In Zeile 1 scheint ihr eine Bezeichnung für „Verfasser“ zu fehlen, gekonnt umschreibt sie den Begriff in Zeile 2. In Zeile 4 fehlt ihr anscheinend das in der Vorlage stehende Wort „schlüpfen“; auch hier schafft sie eine Umschreibung, nicht ganz so elegant, aber nachvollziehbar. Dreimal überwindet sie Wortschatzlücken durch das Einsetzen türkischer Bezeichnungen (Zeile 7 und 9). Betül kann schon Sätze miteinander verbinden, durch „dann“ in Zeile 6 und 7, durch „und“ in Zeile 11. Differenziertere Mittel verwendet sie nicht. In Zeile 10 drückt sie recht gut den Gegensatz von Vorher und Nachher aus, eine Konjunktion wie „sondern“ steht ihr aber noch nicht zu Gebote. Gefüge aus Haupt- und Nebensätzen kommen noch nicht vor. Die Grundformen des einfachen Satzes mit Zweitstellung des Verbs und Satzklammer werden sicher beherrscht. Überwiegend wird die Normalstellung „Subjekt – finites Verb – sonstige Satzglieder – nicht-finiter Verbteil“ verwendet. Ein Vorziehen anderer Satzglieder als des Subjekts an die erste Stelle im Satz („Inversion“) findet sich nur im Zusammenhang mit „war“ in Zeile 3 und 12. Vielleicht hängt der Satzabbruch in Zeile 4 auch damit zusammen, dass nach dem ehrgeizigen Anfang eine Inversion mit Vollverb folgen müsste. Betül zeigt, dass sie schon in der Lage ist, Adjektive mit den richtigen Endungen vor die Nomen zu setzen (Zeile 3, 9 und 12). Sie verwendet bestimmte und unbestimmte Artikel richtig und hat nur ein kleines Problem mit der Raupe (vgl. Zeile 3), die sie fälschlich als maskulin auffasst (Zeile 6 und 10 bis 12). Vergangenheitsformen als Erzähltempus werden mit einer Ausnahme (in Zeile 5) überall durchgehalten. Dass das Präteritum nur in der Form „war“ erscheint, ist für Kinder im Kindergartenal26 ter normal. Interessant ist, dass Betül ein „Erzählperfekt“ benutzt, das sie mit der Präteritumsform des Hilfsverbs („hatte“) konstruiert (Zeile 5 bis 7) und vom Feststellungsperfekt mit der Präsensform des Hilfsverbs (in Zeile 2) unterscheidet. Von den starken Partizipformen sind geschrieben, kaputtgegangen, gegessen und gewachsen richtig gebildet, nur bei hingegeht wird fälschlich die schwache Form verwendet. Sind erste Textanalysen durchgeführt, dann lässt sich auch das Vorgehen systematisieren, so dass eine gewisse Routine entstehen kann. Aus den Germersheimer Analysen ist ein „Leitfaden zur Interpretation von Kindertexten“ entstanden, der im Anhang abgedruckt ist. Natürlich sind Analysen von Kindertexten sehr zeitaufwändig, sie haben ihren Platz in der Fortbildung, nicht in der Praxis. Für die Praxis werden handlichere Instrumente gebraucht. In Germersheim wurden zunächst Erfahrungen mit dem eingeführten Beobachtungsverfahren sismik9 gemacht. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde dann ein eigener Beobachtungsbogen „Sprachgebrauch“ erstellt. Dieser sollte praxistauglich sein und die berufliche Kompetenz der Erzieherinnen ansprechen. Er ist im Anhang wiedergegeben. Der Germersheimer „Beobachtungsbogen Sprachgebrauch“ nimmt Anregungen zur situativen Beobachtung aus dem sismik auf, hält aber die Zahl der zu beobachtenden Situationen geringer und sieht auch zusammenfassende Aussagen über das sprachliche Handeln des Kindes im Allgemeinen vor. Darin sind Aspekte der Zwei- und Mehrsprachigkeit integriert. Die Eingewöhnungszeit wird bei erstmaligem Einsatz – vor allem mit Blick auf die Dreijährigen – eigens angesprochen. Anstelle des Ankreuzens vorgegebener Antworten formulieren die Erzieherinnen ihre Eintragungen selbst; dafür werden Formulierungshilfen gegeben. Die Anleitung zu eigenen Formulierungen wird dem bloßen Ankreuzen vorgezogen, weil sie die Kompetenz der Erzieherin in stärkerem Maße herausfordert, weil sie Raum für Nuancierungen und Besonderheiten lässt und weil die eigenen Formulierungen einen höheren Wiedererkennungswert haben und eine bessere Grundlage für den kollegialen Austausch darstellen. Für die Beobachtung von Sprechhandlungen, Wortschatz und Grammatik wurde ein eigenes Verfahren entwickelt. Sprachwissenschaftliche Kenntnisse werden bisher in der Erzieherinnen- 9 Michaela Ulich / Toni Mayr: sismik. Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen, Freiburg: Herder 2004. Begleitheft zum Beobachtungsbogen 2005. 27 ausbildung nicht vermittelt, auf genauere Sprachbeobachtungen sollte aber nicht verzichtet werden. Nach einigem Probieren wurde folgende Lösung gefunden: Die Erzieherinnen notieren „im Alltag“ einzelne Kinderäußerungen, die ihnen auffallen, und erfassen auf diese Weise die „Besten Sprechhandlungen“, „Besten Sätze“, „Besten Wörter“ eines Kindes. (V KDW VLFK DOV KLOIUHLFK HUZLHVHQ DQ GHU :DQG HLQ %ODWW DXI]XKlQJHQ DXI GHP VFKQHOO HLQPDO HLQ 6DW] QRWLHUW LVW 'DQQ EUDXFKW PDQ QLFKW HUVW XP VWlQGOLFK2UGQHURlKHUDXV]XKROHQ$XHUGHPYHUJLVVWPDQVFKQHOOGHQJH QDXHQ:RUWODXW Insbesondere bei längeren Äußerungen der Kinder sowie bei muttersprachlichen Äußerungen erwies es sich als sinnvoll, Videoaufzeichnungen (z. B. von Kind-Kind-KommunikationsSituationen) zu machen, und daraus beste Wörter, Sätze usw. zu filtern. Diese Beobachtungen zeigen, was das Kind sprachlich kann. Im Anhang sind Beispiele solcher Beobachtungsergebnisse wiedergegeben. Zu einer ruhigeren Zeit werden die Äußerungen des Kindes den Stufen der Sprachentwicklung zugeordnet. Dazu bedarf es einer vorausgehenden Fortbildung und einer gewissen Übung. Der „Erstbeobachtungsbogen Sprachgebrauch“ wird durch die Gruppenerzieherinnen ausgefüllt, sobald sich das Kind eingelebt hat. Es ist erwünscht, dass die Erzieherinnen sich dabei ergänzen und miteinander besprechen. Die sprachlichen Fortschritte des Kindes werden dann in weiteren Beobachtungsbögen in etwa halbjährlichem Abstand festgehalten. 3.4 Individueller Förderplan Die Sprachbeobachtung ist kein Selbstzweck, auch wenn immer wieder die Erfahrung gemacht wird, dass schon durch das Beobachten allein eine andere, eine offenere und zugewendetere Einstellung zur Sprache der Kinder entsteht. Das ist für sich selbst etwas Wertvolles, trotzdem reicht der Zweck der Sprachbeobachtung darüber hinaus: Sprachbeobachtung soll der planvollen Förderung des einzelnen Kindes zugute kommen. Anders gesagt: die Förderung soll sich auf die Ergebnisse der Sprachbeobachtung stützen. Wie kann das gehen? Zwei Schritte sind erforderlich: die Auswertung der Beobachtungen und die Erstellung der individuellen Förderpläne. In Germersheim wurde beides im ersten Jahr mit allen Erzieherinnen in 28 der Fortbildung geübt. Seit dem zweiten Jahr liegt diese Arbeit bei den Gruppenerzieherinnen, die miteinander, d. h. in der Regel zu zweit, über den Sprachstand und die Sprachentwicklung der einzelnen Kinder beraten. 3.4.1 Auswertung der Sprachbeobachtungen Die Auswertung der Sprachbeobachtungen sucht Antwort auf zwei Leitfragen: • Wie geht das Kind grundsätzlich mit Sprache um? In welchen Situationen, zu welchen Themen ist es am ehesten ansprechbar und am ehesten daran interessiert, sich sprachlich zu äußern? • Auf welchem Entwicklungsstand befindet sich das Kind hinsichtlich seiner Sprechhandlungen, seines Wortschatzes und seiner Grammatik im Deutschen? Grundlage zur Beantwortung der ersten Leitfrage sind die Eintragungen unter den Punkten 1 und 2 des „Beobachtungsbogens Sprachgebrauch“. Die Eintragungen unter Punkt 1 lassen erkennen, ob das Kind die Sprache aktiv einsetzt, in welchem Maße und in welcher Weise es an den Gesprächen teilnimmt, ob es lieber mit der Erzieherin allein oder mit anderen Kindern spricht usw. Gefragt wird auch, wie die zweisprachigen Kinder mit ihren Sprachen umgehen. Hier geht es also insgesamt um das sprachliche Temperament des Kindes. Die Eintragungen unter Punkt 2 fächern diese allgemeinen Eindrücke nach verschiedenen typischen Situationen auf: Wie setzt das Kind Sprache in Spiel- und Essenssituationen ein? Kann es an der „sprachlichen Erfindung von Situationen“ im Rollenspiel teilnehmen? Zeigt es Interesse an Geschriebenem und Gedrucktem? Unter Punkt 3 ist Raum für sonstige Eintragungen. Grundlage zur Beantwortung der zweiten Leitfrage sind zunächst einmal die Aufzeichnungen der „Besten Sprechhandlungen“, der „Besten Wörter“ und der „Besten Sätze“ des Kindes durch die Erzieherinnen. Unter „Sprechhandlungen“ versteht man die willentlichen Tätigkeiten, zu deren Ausführung die (mündliche) Sprache verwendet wird. Dazu zählen beispielsweise Zustimmungen, Handlungen des Aufmerksam-Machens, Beschreibungen, Willensbekundungen, Gefühlsäußerungen, Vorschläge, Drohungen, Bitten, Erzählungen, Ankündigungen oder Vermutungen. Diese werden dreistufig von einfach bis anspruchsvoll eingeschätzt. Knappe Ablehnungen, Benennungen, namentliches Ansprechen einer Person und emotionale Ausrufe stehen am Anfang des Erwerbs der Sprechhandlungsfähigkeit. Sie beziehen sich immer schon auf ein kommunikatives Gegenüber. Anspruchsvollere Handlungen werden in der Auseinandersetzung mit Anderen allmählich aufgebaut. Anspruchsvollere Mitteilungen zeichnen sich zum Beispiel dadurch aus, dass das Kind 29 den gemeinten Sachverhalt mit einer gewissen Ausführlichkeit darlegt und ggf. eine Begründung mitliefert („Ja, ich gehe jetzt, dann ich kann snell in Hof mit di Anna spiele“). Bei der Einordnung helfen die Beispiele für die Stufen von Sprechhandlungen, die im Anhang enthalten sind. Die „Besten Wörter“ werden ebenfalls dreistufig differenziert und nach Verben, Substantiven und Adjektiven eingeteilt. Auf der anfänglichen Stufe nutzen die Kinder allgemeine Wörter mit konkreter Bedeutung (z. B.: „gehen“, „Frau“, „klein“), auf der nächsten und übernächsten Stufe folgen bereits differenzierte, nicht alltägliche Bezeichnungen (z. B.: „abhauen“, „Haarspange“, „gefährlich“). Bei der Einordnung helfen die Beispiele für die Stufen des kindlichen Wortschatzes, die im Anhang enthalten sind. Die „Besten Sätze“ dienen zur Analyse der kindlichen Grammatik. An der Form und Stellung des Verbs im Satz und an der Art der Satzverbindungen, die das Kind benutzt, ermitteln die Erzieherinnen anhand der „Stufen des Grammatikerwerbs“, die im Anhang abgedruckt sind, auf welcher Stufe sich das Kind aktuell befindet. Die Ergebnisse werden in den „Beobachtungsbogen Sprachgebrauch“ unter Punkt 4 eingetragen. 3.4.2 Von Beobachtungsergebnissen zu Förderentscheidungen Anhand der Eintragungen im Beobachtungsbogen (und natürlich aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen) bilden sich die Gruppenerzieherinnen im Gespräch miteinander eine Vorstellung vom sprachlichen Profil des Kindes und überlegen, wie sie pädagogisch am besten darauf eingehen können: • Wo liegen die sprachlichen Stärken des Kindes? Wie können sie bei der Sprachbildung genutzt werden? • Wie ist bei zwei- oder mehrsprachigen Kindern der Entwicklungsstand der Familiensprache im Vergleich zum Entwicklungsstand im Deutschen einzuschätzen? Was ergibt sich daraus für das Vorgehen in der Deutschförderung? • In welchen Situationen fühlt sich das Kind sprachlich sicher und handelt sprachlich aktiv? In welchem Umfang und in welcher Weise kommen diese Situationen bei der Sprachbildung zur Geltung? Soll das Kind zur Bewältigung weiterer Situationen angeregt und dabei eigens gefördert werden? • Für welche Themen interessiert sich das Kind am meisten? Wann und wie können diese Themen bei der Sprachbildung aufgegriffen werden? 30 Im Anschluss an diese Überlegungen ist über die Vorgehensweise zu entscheiden, die bei der Förderung eingeschlagen werden soll. Nach Möglichkeit sollen die Stärken des Kindes auch und gerade zu den Zwecken der Förderung genutzt werden: Eine Stärke kann in einer hohen Kommunikationsbereitschaft des Kindes liegen, auch wenn seine sprachlichen Mittel noch gering sein sollten. Dann sollten häufige Gespräche über Erlebnisse des Kindes vorgesehen werden. Eine Stärke kann in der Fähigkeit des Kindes zur konzentrierten Beschäftigung mit einer Sache bestehen, aus der sich ein sprachliches Interesse an Beschreibungen und Erklärungen entwickeln kann. Dann sollten sprachlich begleitete Experimente, genaue Beobachtungen, die in Sprache umgesetzt werden, und Gespräche über bestimmte Gegenstände und ihre Funktionen innerhalb wie außerhalb der Einrichtung in der Förderung eine Rolle spielen. Eine gut entwickelte Grammatik kann eine Stärke sein im Verhältnis zu einem weniger entwickelten Wortschatz, ebenso umgekehrt ein reichhaltiger Wortschatz im Verhältnis zu einer noch unfertigen Grammatik. Im ersten Falle sollten in der Förderung zusammenhängende Beschreibungen und Nacherzählungen, angeregt werden, bei denen die Erzieherin das Kind unterstützt, wenn es ins Stocken gerät, Sätze abbricht oder sehr allgemeine Ersatzausdrücke verwendet, indem sie passende Ausdrücke zur Verfügung stellt. Im zweiten Falle sollten Bilderbuchbetrachtungen vorgesehen werden, bei denen das Kind Dinge und Personen benennt und von der Erzieherin darin unterstützt wird, die Vorgänge, in die diese Dinge und Personen verwickelt sind, zu schildern. Das Verhältnis von Erst- und Zweitsprache gibt Hinweise auf das Tempo der Förderung. Bei einem Kind, das sich mit der Sprachaneignung in der Erst- und in der Zweitsprache schwer tut, ist eine sorgfältige Förderung in kognitiver und sprachlicher Hinsicht (möglichst in beiden Sprachen) angezeigt (und die Frage der Notwendigkeit therapeutischer Maßnahmen zu prüfen). Bei einem Kind, bei dem die Erstsprache normal, die Zweitsprache aber erst gering entwickelt ist, kann man zunächst einmal darauf vertrauen, dass es in der Kommunikation mit der Erzieherin und mit anderen Kindern auch in der Zweitsprache aufholen wird, auch wenn das zunächst nicht ganz so offensichtlich ist. Ein Beispiel ist Dennis, ein russisch-sprechendes Kind, das dreijährig ohne Deutschkenntnisse in den „Regenbogen“ kam. Er war in der Eingewöhnungszeit ganz auf seine Erzieherin fixiert, er war schüchtern und in sich gekehrt und sprach kein Wort, beobachtete aber sehr viel. Die Kollegin mit Russischkenntnissen stellte fest, dass er bei russischer Ansprache korrekte, wenn auch knappe Antworten geben konnte. Die Mutter sagte im Elterngespräch, dass Dennis zuhause unentwegt plappere. Nach einiger Zeit musste Dennis krankheitshalber zwei Wochen zuhause bleiben. Die Mutter berichtete, er habe in dieser Zeit für sich selbst „Kindergarten“ gespielt, dabei Teile von deutschen Liedern und Spielen vor sich hingesagt und Lü31 cken durch Lautnachahmungen gefüllt. Nach der Krankheitsphase hat Dennis langsam an Selbstbewusstsein gewonnen, und in dem Maße, in dem er selbstbewusster wurde, auch begonnen, mit den Erzieherinnen Deutsch zu sprechen. Ein Jahr später unterhält er sich ohne Probleme mit anderen Kindern, traut sich auch fremde Erwachsene anzusprechen und erzählt den Erzieherinnen ausführlich und zusammenhängend von seinen persönlichen Erlebnissen. Die bevorzugten Kommunikationssituationen geben Hinweise darauf, bei welchen Spiel- und Gesprächspartnern das Kind am ehesten bereit ist, Sprache zu gebrauchen (und aufzunehmen und weiter zu verarbeiten), so dass Förderung daran ansetzen kann. Geht das Kind offen und ohne große Unterschiede zu machen, auf andere ein, dann ist Sprachförderung in einer nicht zu kleinen Gruppe von Kindern erst einmal das Beste. Ist dies nicht der Fall, dann ist aktives Zuhören der Erzieherin vorerst die wirksamere Unterstützung. Sucht das Kind die Nähe von Personen gleicher Erstsprache, dann ist nach den am ehesten akzeptierten Partnern für deutschsprachige Kommunikation zu suchen. Wenn es sich bevorzugt an jüngere Kinder hält, ist gleichermaßen zu überlegen, welche gleichaltrigen Kinder am ehesten als Kommunikationspartner in Betracht kommen. Die bevorzugten Themen, seien es Tiere, Autos, Pflanzen, Käfer, Kleider oder was auch immer, sollten in der Förderung zumindest dann und wann auftauchen und mit höheren sprachlichen Anforderungen verbunden werden. Sie können Türöffner sein für die erreichbaren Ziele. In nächster Linie geht es dann um die sprachliche Feinarbeit: • Wie weit ist die sprachliche Handlungsfähigkeit des Kindes entwickelt? Wie kann es zu kognitiv und sozial anspruchsvolleren Sprechhandlungen, vor allem in der Kommunikation mit anderen Kindern, angeregt und ggf. dabei unterstützt werden? • Auf welchem Entwicklungsstand (A, B oder C) ist der aktive Wortschatz des Kindes? Ist es der gleiche bei allen drei Hauptwortarten? Bei welchen Themen sollten welche Wörter der nächst höheren Stufe eingebracht, verwendet und ggf. erklärt werden? • Welche Entwicklungsstufe hat das Kind in der Grammatik (Formen und Stellung des Verbs, Satzverbindungen) erreicht? Welche sprachlichen Aktivitäten sind geeignet, Entwicklungen zur nächst höheren Stufe hin anzuregen und zu unterstützen? In allen drei Bereichen gibt es bei der Sprachaneignung ein Voranschreiten vom Einfacheren zum Schwierigeren und Komplexeren. Die Förderung wird sich an diesem Entwicklungsgang orientieren und dem Kind nur die jeweils nächsten, die nächst erreichbaren Ziele vorschlagen. 32 Ein Kind, das bei der Bilderbuchbetrachtung nur die Dinge und Personen benennt, die es sieht, kann als Nächstes lernen, die Vorgänge zu schildern, in die diese Dinge und Personen verwickelt sind. Ein Kind, das diese Fähigkeit erworben hat, kann lernen, sich zu möglichen (nicht sichtbar abgebildeten) Ursachen oder Folgen der dargestellten Vorgänge, zu Motiven oder Gefühlen der dargestellten Akteure zu äußern. Eine weitere Fähigkeit ist es dann, die Vorgänge zu kommentieren, mit anderen Vorgängen zu vergleichen, die Personen zu beurteilen usw. Darüber hinaus kann sich das Kind die Fähigkeit aneignen, die Art der bildlichen Darstellung zu thematisieren. Die im Anhang wiedergegebenen „Beispiele für Sprechhandlungen“ geben Hinweise auf die bei einem gegebenen Stand nächst erreichbaren Förderziele. Auch beim Wortschatz gibt es eine solche Höherentwicklung im Sinne einer zunehmenden Differenzierung (Präfixbildungen, Zusammensetzungen, schwierigere Bedeutungen), gleichzeitig aber auch ein Ausgreifen in die Breite (Wortschatz verschiedener Sachgebiete). Bei der Festlegung von Förderzielen ist beides zu bedenken. Die im Anhang wiedergegebenen „Beispiele für Stufen des Wortschatzes“ geben Hinweise. Für die Aneignung der Grammatik gibt es eine ziemlich gut erforschte Reihenfolge hinsichtlich der Formen und Stellungen der Verbs und der Satzverbindungen, an der sich der Stand eines Kindes und das nächste Förderziel erkennen lassen. Auf die „Stufen des Grammatikerwerbs“ im Anhang wird verwiesen. Im Anschluss an diese Überlegungen ist zu entscheiden, wo das Hauptziel und wo die Einzelziele der Förderung im nächsten halben Jahr liegen sollen. Das Hauptziel kann ein Ziel aus der sprachlichen Feinarbeit oder ein Ziel aus dem Bereich des allgemeinen sprachlichen Handelns sein, also z. B. das Erreichen von Niveau B im Wortschatz bei einer größeren Zahl von Themen oder die Stärkung des sprachlichen Selbstbewusstseins in der Gruppe, die Aneignung des Perfekts oder die Entfaltung der Erzählfähigkeit usw. Die Ergebnisse werden in den „Individuellen Förderplan“ eingetragen. Das Formblatt dazu ist im Anhang wiedergegeben. An diesen Eintragungen orientieren sich dann die konkreten Aktivitäten der Sprachbildung und der Förderung. Am Ende des Halbjahres wird der Erfolg der Förderung reflektiert und der „Individuelle Förderplan“ entsprechend revidiert. 3.5 Sprachförderung Die rheinland-pfälzischen Empfehlungen definieren, wie bereits erwähnt, Sprachförderung als „zentrale und dauerhafte Aufgabe während der gesamten Kindergartenzeit“ und sprechen von einer „alltäglichen Sprachförderung“, die ggf. „durch spezielle Sprachförderangebote zu ergänzen“ 33 sei.10 Im Germersheimer Projekt hat sich eine Unterscheidung in vier Ebenen herausgebildet: alltägliches sprachliches Handeln der Erzieherinnen, allgemeine Sprachbildung in der Regelgruppe, integrierte Sprachförderung in der Regelgruppe und Sprachförderung in speziellen Kleingruppen. Die Wertschätzung der Familiensprachen kommt auf allen vier Ebenen zur Geltung. 3.5.1 Alltägliches sprachliches Handeln der Erzieherinnen Dass der Alltag im Kindergarten reich an Sprache sein soll, wissen alle. Die rheinlandpfälzischen Empfehlungen sagen es mit aller Eindrücklichkeit. Sie fordern von den Erzieherinnen: • emotionale Zuwendung, die sich auch in Sprache ausdrückt, • zuhören und dem, was Kinder sagen, Beachtung schenken, • Förderung des aktiven Zuhörens der Kinder, • Nutzung aller geeigneten Situationen im Alltag, Kinder zum Sprechen anzuregen, sie dazu zu ermuntern, sich mit ihren Wünschen, Gefühlen und Erlebnissen mitzuteilen.11 Und doch ist es nicht leicht zu verwirklichen. Der Lärm im Raum, die alltäglichen Zwischenfälle, die ein sofortiges Eingreifen erfordern, die organisatorischen Arbeiten, die zu erledigen sind, das Bedürfnis, auch einmal nicht reden zu müssen – es gibt viel zuviel Hindernisse, die den Weg zu einem bewussten Sprechen im Alltag, das auch Vorbild und Anregung für das Sprechen der Kinder sein soll, erschweren. Im Germersheimer Projekt wurden zwei Instrumente eingesetzt, die helfen sollen, diesen Weg zu bahnen. Das erste hat einen allgemein sprachpädagogischen Charakter, das zweite betrifft die sprachliche Feinarbeit. Über ein ganzes Jahr hinweg waren die „Merksätze zum sprachlichen Handeln im Alltag des Kindergartens“ die ständigen „stillen Begleiter“ der Erzieherinnen: 10 Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend, Rheinland-Pfalz: Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz, Weinheim und Basel: Beltz 2004, S. 41. 11 Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend, Rheinland-Pfalz: Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz, Weinheim und Basel: Beltz 2004, a. a. O. 34 Merksätze zum sprachlichen Handeln im Alltag des Kindergartens 1. Die Themen der Kinder aufgreifen, ihren Interessen folgen, über das sprechen, was die Kinder persönlich berührt. 2. Sprachintensive Situationen, z. B. bei den Mahlzeiten oder bei Konflikten, kommunikativ nutzen. Dabei möglichst auch Kind-Kind-Kommunikationen anregen. 3. Themen aus den Bildungs- und Erziehungsbereichen (vgl. Bildungs- und Orientierungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz, Kapitel 3) daraufhin abklopfen, ob sie zwanglos mit Zielen der Sprachbildung verbunden werden können. 4. Sich Zeit zum Zuhören nehmen, die Kinder überlegen und aussprechen lassen, auch wenn längere Pausen entstehen. Kinder direkt ansprechen und Blickkontakt aufnehmen; nicht allgemein in den Raum rufen. Zurückhaltende Kinder nicht übersehen. 5. Bei Fehlverhalten des Kindes das von dem Kind übertretene Gebot (die „Regel“) ausdrücklich nennen, das angemessene Handeln positiv formulieren, ggf. negative Folgen des Fehlverhaltens erklären. Schimpfen und schroffe Befehle vermeiden. 6. Selbst sprachliches Vorbild sein: ausführlich und verständlich sprechen, Höflichkeitsregeln auch dem Kind gegenüber beachten. 7. Das eigene Handeln in Anwesenheit der Kinder sprachlich begleiten. 8. Impulse so formulieren, dass das Kind zu eigenem Sprechen angeregt wird (vgl. die Zusammenstellung „Sprachförderliche Impulse der Erzieherin“). 9. Rückmeldungen zu sprachlichen Äußerungen des Kindes auf den Inhalt beziehen, möglichst in einer weiterführenden Weise, sprachliche Richtigstellungen „nebenbei“ mitlaufen lassen („korrektives feedback“), sprachliche Leistungen des Kindes loben, wenn es angebracht ist („ehrliches Lob“). 10. Sprachanregende Räume/Umgebungen schaffen: Bücher für die Kinder zugänglich und gut sichtbar aufbewahren. Gelegenheiten zum Rollenspiel ebenso wie zum Handpuppenspiel etc. und zur Mediennutzung. Überfluss an Spielzeug vermeiden. 35 Von Treffen zu Treffen hat sich jede Erzieherin einen dieser Merksätze zur Beherzigung vorgenommen, und beim nächsten Mal kurz über ihre Selbsterfahrungen berichtet. Was die Merksätze formulieren, sind die Selbstverständlichkeiten, die im Stress des Alltags leicht unterzugehen drohen und darum erst wieder bewusst zu Selbstverständlichkeiten gemacht werden müssen: die Themen der Kinder aufgreifen, viele Situationen zur sprachlichen Kommunikation nutzen, sich Zeit zum Zuhören nehmen, sprachliches Vorbild sein, sprachanregende Umgebungen schaffen usw. Sich für eine Reihe von Tagen auf eine dieser Selbstverständlichkeiten zu konzentrieren hilft, das eigene Handeln besser kennen zu lernen und sich selber neue Gewohnheiten des alltäglichen sprachlichen Handelns zu schaffen. Das andere Instrument waren die „Beispiele für förderliches Sprachhandeln“ und – zum Erschrecken – die „Beispiele für nicht förderliches Sprachhandeln“. Sie präsentieren sprachliches Handeln von Erzieherinnen zusammen mit den sprachlichen Reaktionen der Kinder und veranschaulichen so die öffnende oder eben nicht oder weniger öffnende Kraft bestimmter Formulierungen. Sie sind entnommen aus einem früheren Projekt in Hamburg.12 3.5.2 Sprachbildung in der Regelgruppe Auf diese Ebene der Spracharbeit wurden im Germersheimer Projekt die folgenden Empfehlungen des Landes bezogen: • vielfältiges Anregen der sprachlichen Aktivitäten des Kindes durch den Dialog über Themen und Sachverhalte, die das Interesse der Kinder wecken, • Wertschätzung der sprachlichen Leistungen der Kinder, • intensive Arbeit mit sprachbezogenem Material (Bilderbücher, Geschichten erzählen, vorlesen, Kassetten, Videos . . . ).13 Diese Aktivitäten gehören zum klassischen Inventar der Bildungsarbeit im Kindergarten und sind auch von der Ausbildung her bekannt. Das Projekt versteht sich hier als Vertiefung von grundsätzlich vorhandenen beruflichen Fähigkeiten. Zur vertiefenden Behandlung ausgewählt wurden: Literacy-Erziehung, Erzählen, Rollenspiel, Sprache bei naturwissenschaftlichen Experimenten und Sprache bei der Behandlung geschichtlicher Themen. 12 Auf CD in der Veröffentlichung von Hans H. Reich und Gerlinde Knisel-Scheuring: Sprachförderung im Kindergarten, Weimar und Berlin: verlag das netz 2008. 13 Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend, Rheinland-Pfalz: Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz, Weinheim und Basel: Beltz 2004, S. 41. 36 Das Vorgehen entsprach der unter Punkt 1.3.2 skizzierten Arbeitsweise: Das Thema wurde im Rahmen der Fortbildung zunächst im Wechsel von Erfahrungsaustausch und Input eingeführt, dann wurden Erprobungsvorhaben abgesprochen, die bis zum nächsten Fortbildungstermin durchzuführen waren. Die Erprobungen selbst wurden vielfach auf Video dokumentiert. Beim nächsten Fortbildungstermin wurden dann Erfahrungen referiert, Videos angesehen und im Hinblick auf sprachförderliche Elemente analysiert. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden zusammengetragen und schriftlich festgehalten. Literacy-Erziehung Mit der Bezeichnung „literacy“ wird in der neueren Elementarpädagogik eine begriffliche Erweiterung der pädagogischen Aufgaben angedeutet, die früher als „Lesen- und Schreibenlernen“ Aufgabe der Grundschule waren und dann als „Hinführung zur Schrift“ auch in die Vorschulpädagogik einbezogen wurden. Der neue Begriff geht von einem umfassenderen Bildungsprozess aus, durch den sich das Kind die Welt des Geschriebenen und Gedruckten zueigen macht, in die es hineinwächst.14 Viele Aktivitäten, die seit je zum Kernbestand der Kindergartenpädagogik gehören, wie Bilderbuchbetrachtung, Vorlesen und Nacherzählen sind in diesem neuen Begriff enthalten. Hinzu kommen das Aufbewahren, Sortieren und Auswählen von Büchern, das Kennenlernen von Bibliotheken, das Herstellen von Plakaten und eigenen Büchlein, das Diktieren von Texten („Kinderdiktate“), die Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Schriften und eigene Schreibaktivitäten aller Art, vom Nachgestalten eines Buchstabens bis zum Schreiben erster Wörter. Am „Regenbogen“ wurde in den einzelnen Gruppen „vor Ort“ die Neugestaltung der Bücherund Leseecke für Kinder diskutiert, umgesetzt und die Nutzung durch die Kinder reflektiert. Außerdem verständigten sich die Erzieherinnen darauf, z. B. in Rollenspielhandlungen vermehrt Literacy-Elemente aktiv einzubringen (z. B. Thema „Einkaufen“: einen Einkaufszettel erstellen; einen Kassenzettel ausfüllen; die Öffnungszeiten bildlich darstellen). Auch die gängige „Vorlese“- Praxis wurde reflektiert. Durch das Vorlesen eines Bilderbuches (in französischer Sprache) durch eine französische Muttersprachlerin im Gesamtteam wurde den Erzieherinnen beispielsweise deutlich, dass weniger die eng am Text orientierte Wiedergabe der Inhalte wichtig ist, sondern die lebendige Auseinandersetzung mit dem Buch. Um die aktive Teilnahme der Zuhörenden zu erwecken, empfehlen sich z. B. persönliche Bezüge (z. B.: „il 14 Martin R. Textor: Literacy-Erziehung im Kindergarten, in: Martin R. Textor (Hrsg.): Kindergartenpädagogik – Online-Handbuch. 37 s´appelle Pierre, et toi, comment t´appelles-tu?“, der Einbau bereits bekannter Wörter und Formeln (z. B. „bonjour“, „merci“) oder die direkte Ansprache durch die Vorlesende (z. B.: „Marie, regarde! C´est Pierre“). Auch die Kinder nutzten gerne die Gelegenheit, für andere „vorzulesen“. Wie das auf Video festgehaltene Beispiel von Rathusan zeigt, greifen auch sie dabei auf Strategien zurück, die sie ihren Erzieherinnen abgeschaut haben. Erzählen „Das freie lebendige Erzählen (das in vielen Familien Kindern kaum noch geboten wird) ist das Eingangstor in die Welt der Geschichten, nicht nur der Literatur, sondern auch der Medien und Computerspiele. Beim Erzählen wie beim Vorlesen wird die Fähigkeit der Kinder geschult, längere sprachliche Äußerungen außerhalb des Gesprächszusammenhangs aufzunehmen und zu verstehen. Ihr Textverständnis wird angeregt, das wiederum eine Voraussetzung dafür darstellt, dass sie später in der Schule Texte werden schreiben können.“15 Am „Regenbogen“ wurden eine Märchenerzählung „Rotkäppchen und der Wolf“ als Beispiel für die Nacherzählung eines literarischen Textes und eine freie Erzählung über die manuelle Zerkleinerung von getrockneter Paprika im Heimatdorf der Erzieherin als Beispiel für eine biographische Erzählung aufgezeichnet. Nach der Betrachtung der beiden Aufzeichnungen wurden die folgenden Aussagen als Ergebnis festgehalten: 'LH(U]lKOXQJVROOVLFKYRPEULJHQ6SUHFKHQDEKHEHQHVVROOHLQH+LQIKUXQJ RGHU(LQOHLWXQJXQGHLQHQ6FKOXVVJHEHQXQGGHU=XVDPPHQKDQJGHU(U]lK OXQJVROOLPPHUJHJHQZlUWLJEOHLEHQ*HUDGHEHL0lUFKHQHU]lKOXQJHQLVWHLQ GXUFKJHKHQGHUÅ(U]lKOWRQ´HLQJXWHV0LWWHOXPGLH(U]lKOXQJDOVHWZDV%HVRQ GHUHVKHUDXV]XKHEHQ*HVWLNXQG6WLPPHVROOHQLP(LQNODQJPLWHLQDQGHUVWHKHQ 'LH(U]lKOXQJVROODEHUQLFKWY|OOLJÅPRQRORJLVFK´VHLQVLHVROORIIHQVHLQIUGL UHNWH$QVSUDFKHQRGHU)UDJHQDQGLH.LQGHUXQGIUGHUHQ5FNIUDJHQ9HUPX WXQJHQXQG*HIKOVlXHUXQJHQ]XGHU*HVFKLFKWH'LH,QLWLDWLYHQGHU.LQGHU VROOHQP|JOLFKVWLQGLH(U]lKOXQJHLQJHEXQGHQZHUGHQXQGQDFKGHQ,QLWLDWL 15 Johannes Merkel: Verfahren der Kommunikations- und Spracherziehung, in: Martin R. Textor (Hrsg.): Kindergartenpädagogik – Online-Handbuch. 38 YHQGHU.LQGHUVROOGLH(U]LHKHULQZLHGHU]XP=XVDPPHQKDQJGHU*HVFKLFKWH ]XUFNIKUHQ 'LH(U]lKOXQJVROOVSDQQHQGXQGOHEHQGLJVHLQ'D]XKHOIHQDXVGUXFNVYROOH %OLFNNRQWDNWHXQG0LHQHQ3DXVHQDQHQWVFKHLGHQGHQ6WHOOHQ0RGXODWLRQGHU 6WLPPHMHQDFKÅ6WLPPXQJVODJH´RGHUHWZDGDV(LQIOHFKWHQYRQGLUHNWHU5HGH 'LH(U]lKOXQJVROOYHUVWlQGOLFKVHLQZLFKWLJH:|UWHUZHUGHQGXUFKHLQH*HVWH YHUDQVFKDXOLFKWRGHUGXUFKHLQH8PVFKUHLEXQJHUNOlUW Rollenspiel Rollenspiele sind ein wichtiges Stadium auf dem Weg der Kinder von einem noch ganz der Situation verhafteten zu einem freieren, bewusster gesteuerten Sprechen. Im Rollenspiel verarbeiten die Kinder das Sprechen der anderen, der Erwachsenen vor allem, sie lernen, verschiedene Sprechweisen (Sprechen in verschiedenen Rollen) und verschiedene Ebenen des Sprechens (Sprechen in der Rolle – Zuweisung der Rollen) zu unterscheiden und sich auf das Sprechen der anderen einzustellen. Sie sind eine der wichtigsten Formen der Kind-Kind-Kommunikation. Am „Regenbogen“ wurden Rollenspiele zu den Themen „Familie“, „Einkauf im Lebensmittelgeschäft“ und „Handy-Shop“ erprobt und aufgezeichnet. Aus den Erfahrungen bei der Durchführung und aus der Analyse der Video-Aufzeichnungen wurden folgende Ergebnisse erarbeitet: 5ROOHQVSLHOHZHUGHQYRUDOOHPGXUFKHQWVSUHFKHQGH5DXPHLQULFKWXQJXQG0DWH ULDODQJHERWHLQ*DQJJHVHW]W6LHHQWVWHKHQVSRQWDQGXUFK6SLHOLGHHQGHU.LQGHU 'LH(U]LHKHULQNDQQ5ROOHQVSLHOHGXUFKEHVWLPPWH$QJHERWH([NXUVLRQHQ%LOG EHWUDFKWXQJHQ(U]lKOXQJHQLQKDOWOLFKYRUEHUHLWHQVLHN|QQHQGDQQÅJHKDOW YROOHU´ZHUGHQZHLOGLH.LQGHUPHKU(UIDKUXQJHQDXFKPHKUVSUDFKOLFKH(UIDK UXQJHQHLQEULQJHQ ,P5ROOHQVSLHOILQGHWVHKUYLHOVSUDFKOLFKH6HOEVWELOGXQJGHU.LQGHUVWDWW'LH(U ]LHKHULQKlOWVLFK]XUFNVRODQJHGLH.LQGHUGDV6SLHOYRQVLFKDXVYRUDQWUHL EHQ6LHNDQQI|UGHUQGHLQJUHLIHQZHQQGDV6SLHOVWRFNWRGHUVLFKQXUQRFKLP .UHLVGUHKW )|UGHUQGH,PSXOVHVLQGHLQHP.LQGVRXIIOLHUHQZHQQHVQLFKWZHLWHUZHLHLQ QHXHV8WHQVLOLQV6SLHOEULQJHQHLQ3UREOHPIUGHQ+DQGOXQJVYHUODXIDXIZHU IHQVHOEVWHLQH5ROOHLP6SLHOEHUQHKPHQ 39 Sprache bei naturwissenschaftlichen Experimenten Sprachförderung mit der Arbeit in anderen Bildungsbereichen zu verbinden ist eine Idee, die sich mit dem Bildungsauftrag des Elementarbereichs wie mit dem kommunikativen Ansatz der Sprachbildung gut verträgt. Durch neuere Entwicklungsarbeiten des Deutschen Jugendinstituts hat sie einen mächtigen Aufschwung erfahren.16 Im Germersheimer Projekt wurde dieser Gedanke vor allem anhand naturwissenschaftlicher Themen verfolgt. Dabei ist zu beachten, dass die Verbindung von sprachlicher und naturwissenschaftlicher Bildung nur dann sinnvoll ist, wenn beide zu ihrem Recht kommen. Es darf nicht darum gehen, ein naturwissenschaftliches Thema mit irgendwelchen sprachlichen Aktivitäten zu garnieren, so wie es auch nicht darum geht, den Kindern naturwissenschaftlich richtige Erklärungen in korrekter Terminologie beizubringen. Es geht darum, dass sich die Kinder denkend und sprechend, handelnd und beobachtend mit Erscheinungen der natürlichen Welt auseinandersetzen. Sprache wird dann zu einem festen Bestandteil der naturwissenschaftlichen Aktivität. Am „Regenbogen“ wurden Aktivitäten zu verschiedenen Themen erprobt: Atemluft in der Tüte, Verbrennen und Asche („Geburtstagsrakete“), pflanzliches und tierisches Leben auf einer kleinen Rasenfläche, Dörren von Obst. Zwei Aktivitäten zum Thema „Wasser“ wurden auf Video aufgezeichnet: „Wasser wird zu Eis“ und „Was löst sich in Wasser auf?“. Die beiden Aufzeichnungen wurden von allen Erzieherinnen gemeinsam angesehen und analysiert, als Ergebnis wurden die folgenden Aussagen festgehalten: $P$QIDQJVWHKWHLQH)UDJH²DPEHVWHQHLQHGLHYRQGHQ.LQGHUQVHOEVWNRPPWHV NDQQDEHUDXFKHLQHYRQGHU(U]LHKHULQHLQJHEUDFKWH)UDJHVHLQGLHGDV,QWHUHVVH GHU.LQGHUILQGHWXQGLKUH3KDQWDVLHDQUHJW (VVROOZHLWJHKHQG6DFKHGHU.LQGHUVHLQP|JOLFKH$QWZRUWHQDXIGLH)UDJH]XILQ GHQ+LHULVW.LQG.LQG.RPPXQLNDWLRQDQJHVDJWYHUPXWHQZLGHUVSUHFKHQGLVNX WLHUHQDUJXPHQWLHUHQ'LH5ROOHGHU(U]LHKHULQLQGLHVHU3KDVHLVWHVGDV:HLWHUODX IHQGHU'LVNXVVLRQÅPRGHULHUHQG´]XXQWHUVWW]HQGLH9RUVFKOlJHGHU.LQGHUDXVGHU 'LVNXVVLRQKHUDXV]XKHEHQXQG]XQRWLHUHQ'DEHLZHUGHQDOOH9RUVFKOlJHJOHLFK 16 Karin Jampert / Kerstin Leuckefeld / Anne Zehnbauer / Petra Best: Sprachliche Förderung in der Kita. Wie viel Sprache steckt in Musik, Bewegung, Naturwissenschaften und Medien?, Weimar und Berlin: verlag das netz 2006; Karin Jampert / Anne Zehnbauer / Petra Best / Andrea Sens / Kerstin Leuckefeld / Mechthild Laier (Hrsg.): Kinder-Sprache stärken! Sprachliche Förderung in der Kita: das Praxismaterial, 4 Hefte, Weimar und Berlin: verlag das netz 2009. 40 HUQVWJHQRPPHQ (VLVWLQGHU5HJHODXFKGLH$XIJDEHGHU(U]LHKHULQGLHQlFKVWH3KDVHHLQ]XOHLWHQ LQGHPVLHGHQ*HGDQNHQHLQHU%HDQWZRUWXQJGHU)UDJHGXUFKHLQ([SHULPHQWHLQ IKUWXQGGLH)UDJHQDFKGHQGDIUEHQ|WLJWHQ8WHQVLOLHQDXIZLUIW'DV3ODQHQXQG 'XUFKIKUHQGHV([SHULPHQWVVROOWHGDQQZLHGHUVRZHLWZLHP|JOLFK6DFKHGHU.LQ GHUVHLQ :lKUHQGGHV([SHULPHQWVXQGGDQDFKJLOWHVEHREDFKWHWH9RUJlQJHXQG6DFKYHU KDOWH]XEHVFKUHLEHQ9HUJOHLFKHDQ]XVWHOOHQXQGP|JOLFKH(UNOlUXQJHQ]XIRUPXOLH UHQ „Was gibt es auf der Wiese?“ 41 Im Anhang ist ein idealtypischer Verlauf eines sprachlich begleiteten naturwissenschaftlichen Angebots wiedergegeben, der als Unterlage für die Planung weiterer Aktivitäten dienen kann. Sprache bei der Behandlung geschichtlicher Themen Kinder im Kindergartenalter haben noch kein historisches Bewusstsein, können es noch nicht haben. Sie begegnen aber Stoffen und Figuren, die – für Erwachsene – historischen Charakter haben: „Pirat“, „Cowboy“, „Prinzessin“, „Ritter“, „Burgfräulein“, „Wikinger“, „Römer“, „Dinosaurier“. Für die Kinder sind diese Stoffe und Figuren „Erzähltes“, d. h. genau so „gegenwärtig“ wie Märchenerzählungen, Bilderbuchgeschichten und Kindersendungen. Es ranken sich aber um solche Stoffe und Figuren zahlreiche Einzelheiten und Motive, die für die Kinder eine „Erzählwelt“ bilden, in der sie sich mehr und mehr auskennen lernen. Zu „Pirat“ gehören das „Piratenschiff“ und die „Piratenflagge“, „Säbel“ und „Pistole“, „Schärpe“ und „Augenklappe“, „entern“ und „kapern“, „Schätze“ und „Beute“. Solche Erzählwelten können schon auch Bausteine eines sich später entwickelnden historischen Bewusstseins sein. Und weil sie viele ungewöhnliche, nicht-alltägliche Vorstellungselemente enthalten, eignen sie sich sehr wohl für Ziele der Sprachförderung, namentlich im Bereich des anspruchsvolleren sprachlichen Verstehens und des differenzierten Wortschatzes. Am „Regenbogen“ wurde ein Projekt zum Thema „Ritter“ in Kooperation mehrerer Gruppenerzieherinnen durchgeführt. Es umfasst einen Einstieg, bei dem im Gespräch anhand von Bildern und Modellen grundlegende Begriffe angesprochen wurden, sprachlich begleitete gestaltende Aktivitäten (Herstellen von Wappen und Spießen), eine Exkursion, bei der u. a. die Statue eines Ritters zu besichtigen war, die Lebenserzählung eines Ritters, die auch auf DVD vorliegt, eine Übernachtung mit Ritterschlag, Lagerfeuer und Ritter-Abendessen und eine Reflexion des Ganzen eine Woche später. 42 'UHL9RUJHKHQVZHLVHQPLWXQWHUVFKLHGOLFKHQVSUDFKOLFKHQ$QIRUGHUXQJHQ(U]lK OXQJ9HUNOHLGXQJ%HVLFKWLJXQJ (U]lKOXQJYRQHLQ]HOQHQ0HQVFKHQXQGNRQNUHWHQ6DFKHQVSUHFKHQHLQ*HIKO YRQ9HUJDQJHQKHLWYHUPLWWHOQDEHUDEVWUDNWH(SRFKHQEHJULIIHXlYHUPHLGHQ XQJHZ|KQOLFKH%HJULIIHYHUDQVFKDXOLFKHQ*HJHQVWlQGH%LOGHUVSDQQHQGXQG OHEHQGLJHU]lKOHQ 9HUNOHLGXQJP|JOLFKVWPLW6SUDFKHYHUELQGHQKDQGOXQJVEHJOHLWHQGHV6SUHFKHQ EHVVHUUROOHQVSLHODUWLJHbXHUXQJHQRGHUHQWIDOWHWHÅKLVWRULVFKH5ROOHQVSLHOH´ %HVLFKWLJXQJ.LQGHUEHVFKUHLEHQ*HElXGH*HJHQVWlQGHVWHOOHQ9HUPXWXQJHQEHU 1XW]XQJRGHU)XQNWLRQVZHLVHDQ 3.5.3 Integrierte Sprachförderung Sprachförderung im engeren Sinne richtet sich an Kinder, deren Stand im Deutschen erkennbar niedriger ist als beim Durchschnitt der Gleichaltrigen. Dabei werden – bewusst oder unbewusst – fast immer die einsprachig deutschen Kinder als Vergleichsmaßstab genommen. Für die zweioder mehrsprachigen Kinder bedeutet dies, dass an sie ein Maßstab „von außen“ angelegt wird, der oft nicht ihrer Sprachsituation entspricht. Er ist nur durch den Blick auf die spätere Bildungslaufbahn der Kinder zu rechtfertigen. Die Förderangebote beruhen auf der Annahme, dass ein solcher Abstand durch erleichternde Bedingungen für die Sprachaneignungsarbeit des Kindes verringert, vielleicht sogar ausgeglichen werden kann. Dabei spielt es selbstverständlich eine Rolle, ob sich das Kind insgesamt mit der Sprachaneignung schwer tut – das müsste sich dann in der Erstsprache und in der Zweitsprache gleichermaßen bemerkbar machen – oder ob es sich nur um einen Rückstand im Deutschen bei einer ansonsten normal verlaufenden Sprachentwicklung handelt. Im einen wie im andern Falle ist der Förderbedarf der Bedarf des einzelnen Kindes, und die Förderangebote müssen sich nach seinem Sprachenprofil und nach seinem Sprachstand richten. Dieser Bedarf kann aber nur gedeckt werden durch Kommunikation mit Anderen. Die pädagogische Aufgabe besteht darin, das einzelne Kind im Gespräch, aber auch im Gruppenhandeln zu fördern. Das geeignete Verfahren ist die Regelung des „Mittelpunktkindes“17: Die Erzieherin orientiert sich im Rahmen eines Förderangebots am individuellen Förderplan eines Kindes und wendet sich diesem Kind in besonde- 17 Näher beschrieben in der Veröffentlichung von Hans H. Reich und Gerlinde Knisel-Scheuring: Sprachförderung im Kindergarten, Weimar und Berlin: verlag das netz 2008, S. 61 und 65f. 43 rer Weise zu. Beim nächsten Förderangebot ist dann ein anderes Kind das Mittelpunktkind, so dass reihum alle Kinder mit Förderbedarf diese besondere Zuwendung erfahren. Am „Regenbogen“ wurde vereinbart, dass jede Gruppenerzieherin einmal täglich ein solches Förderangebot in der Gruppe durchführt und kurz dokumentiert. Dies setzt selbstverständlich eine abgesprochene Arbeitsteilung der Erzieherinnen voraus. Für die Dokumentation wurde ein Schema entworfen, das im Anhang abgedruckt ist. Das Schema wurde wochenweise von den Erzieherinnen ausgefüllt und zum Teil mit zusätzlichen Dokumenten ergänzt, seitens der wissenschaftlichen Begleitung erfolgte etwa vierteljährlich eine Rückmeldung. Im Folgenden werden zunächst drei Wochendokumentationen vollständig wiedergegeben, die das Prinzip erkennen lassen und zugleich die unterschiedlichen Herangehensweisen der Erzieherinnen an die Aufgaben der Sprachförderung repräsentieren: 44 7XQFD\ 0DUWD 1LFROD 6WHYHQ Mi Do Fr Gruppe / Erzieherin: =ZHUJHQJUXSSH-HVVLFD 1LFROD $\NXW $PDWHODK 6HOLQ Di /XQD -DQQLN .DGLUH (PLO\ Weitere teilnehmende Kinder &DQ Mittelpunktkind Uhrzeit Mo Datum )RUWELOGXQJ 1RPHQ8QWHUKRVH6WUXPSIKRVH-HDQV6WRIIKRVH-RJJLQJDQ]XJ6FKODIDQ]XJREHU WHLO9HUEHQVWHFNHQLQHWZDVVFKOSIHQ]XNQ|SIHQ$GMHNWLYHEXQWHLQIDUELJ NDULHUWJHVWUHLIW *HVSUlFKEHLP$Q]LHKHQEHUGLHHLQ]HOQHQ.OHLGXQJVVWFNH]XU:RUWVFKDW]HUZHL WHUXQJ6WXIH& ,FK]LHKHPHLQHQ3XOORYHUDQ ,FKPDFKHPHLQH-DFNH]X +DQGOXQJVEHJOHLWHQGHV6SUHFKHQEHLP$Q]LHKHQQDFKGHP6FKODIHQ)HVWLJXQJ GHU)RUPHQGHVHLQIDFKHQ6DW]HVYHUEDOHU:RUWVFKDW]DXI6WXIH% GXEHNRPPHQ .LQG,FK.DIIHHQHKPHQXQG.XFKHQ (U]LHKHULQ'XP|FKWHVWQRFK.DIIHHXQG.XFKHQPLWQHKPHQ-DJXW'DVNDQQVW .LQG,FK0LOFKNDXIHQ (U]LHKHULQ'XP|FKWHVW0LOFKNDXIHQ'LHVWHKWKLHULP5HJDO $XIJUHLIHQYRQbXHUXQJHQGHU.LQGHULP5ROOHQVSLHOXQG:HLWHUIKUHQPLWNRU UHNWLYHP)HHGEDFN]XU)HVWLJXQJGHU)RUPHQGHVHLQIDFKHQ6DW]HV VWHLO 1RPHQ6WUDH.QRFKHQVWHLQH7HHU6FKLOGHU6WDQJHQ0RWRUUROOHU+RO]EDONHQ %HWRQU|KUH6DQG(UGH%OlWWHU*UDV5LQGHQPXOFK%DXPULQGH9HUEHQUROOHQ VSULQJHQVWROSHUQUHQQHQNOHWWHUQKRFK]LHKHQ$GMHNWLYHODQJVDPKDUWZHLFK *HVSUlFKEHLP6SD]LHUHQJHKHQXQGDXIGHP6SLHOSODW]]XU:RUWVFKDW]HUZHLWHUXQJ 6WXIH%XQG& Förderaktivität (OL]D $OPLU 7KXYDUDND (LQ]HOI|UGH UXQJ Mi Do Fr Gruppe / Erzieherin: :LFKWHOJUXSSH%HD $OOH.LQGHU GHU:LFKWHO JUXSSH 7KXYDUDND $OPLU 0DWKXPLKD (OL]D 7KXYDUDND 5DELD Di $OOH.LQGHU GHU:LFKWHO JUXSSH Weitere teilnehmende Kinder Mittelpunktkind Uhrzeit Mo Datum 0LVFKHQGHU)DUEHQ*HOE5RWXQG%ODX:LHGHUKROXQJGLDORJLVFKHV6SUH FKHQEHU9RUJlQJHXQG(UJHEQLVVH *HVSUlFKEHLP)UKVWFNEHUGDVPLWJHEUDFKWH(VVHQ %HWUDFKWHQGHV%LOGHUEXFKVÅ(LQ7DJLP/HEHQYRQ%DE\%RUQ´GLDORJLVFKHV 9RUOHVHQ )DUEHQPLVFKHQ.LQGHUEHQHQQHQ*HJHQVWlQGH:DVVHU3LQVHOGLH)DU EHQKDQGOXQJVEHJOHLWHQGHV6SUHFKHQGHU(U]LHKHULQ 6WXKONUHLV*HVSUlFKEHUGDV:RFKHQHQGH(UOHEQLVVHGHU.LQGHULFKKHOIH EHLGHQ)RUPXOLHUXQJHQ Förderaktivität -DURVODYD $OOH.LQ GHUGHU .REROG *UXSSH $\NXW $\NXW 0HUW Di Mi Do Fr Gruppe / Erzieherin: .REROGJUXSSH%lUEHO (LQ]HOI|U GHUXQJ $OOH.LQ GHUGHU .REROG *UXSSH 1DGLUD -DQD (LQ]HOI|U GHUXQJ ² 0DUWD Weitere teilnehmende Kinder Mo Mittelpunktkind Uhrzeit Datum :LUVLW]HQDP7LVFKXQGVSLHOHQHLQ%UHWWVSLHO(VKDQGHOWYRQ)DUEHQXQG)RUPHQ XQGGHUHQ=XRUGQXQJ :LUVLW]HQDP(VVWLVFKXQGZDUWHQDXIGDV(VVHQ$\NXWLVWJDQ]DXIJHUHJWHU PXVVXQVÅVHLQHQ.LQRILOP´EHUHLQHQ+XQGHU]lKOHQ,FKXQWHUVWW]HVHLQH*H VFKLFKWHLQGHPLFK:|UWHUHUJlQ]HGLHHUQLFKWZHLXQGZLHGHUKROH]XPEHVVH UHQ9HUVWlQGQLVLPPHUZLHGHUHLQ]HOQH$EVFKQLWWHGHU*HVFKLFKWH :LUVLW]HQ]XVDPPHQDP7LVFKXQGVSLHOHQ8QR+DQGOXQJVEHJOHLWHQGHV6SUH FKHQ:DVOHJHLFK":DUXP":LUEHQQRFK)DUEHQXQG=DKOHQGDEHL :LUVLW]HQDP)UKVWFNVWLVFK]XVDPPHQ-DURVODYDHU]lKOWYRQ]XKDXVH:LU VSUHFKHQEHULKUHÅ0DPD´.HYLQ3DSD,KUWXWGLHQHXH0DPDJXW :LUVLW]HQ]XVDPPHQDP7LVFKXQGVSLHOHQHLQ%LOGHUVWHFNVSLHO0DUWDVWHFNWXQ WHUVFKLHGOLFKEXQWH3HUOHQLQHLQHQ5DKPHQ:LUEHQGLH)DUEHQURW²URVVR D]]XUUR²EODXXQGFDVD²+DXVXQGEHJOHLWHQXQVHU6SUHFKHQPLW%HZHJXQJ Förderaktivität Es folgen exemplarische Darstellungen einzelner Förderaktivitäten, durch die einzelne Ziele und Formen der integrierten Sprachförderung veranschaulicht werden. Zum Teil haben die Erzieherinnen ihre Förderaktivitäten auch in genauerer Weise durch Mitschriften dokumentiert. Diese lassen die sprachliche und pädagogische Feinstruktur der Förderung erkennen: das konkrete Förderziel, die Impulse der Erzieherin, die Wahrnehmung und Verarbeitung dieser Impulse durch die Kinder, ihre sprachlichen Anstrengungen und ihre Lernerfolge (mit oder ohne Unterstützung durch die Erzieherin oder durch andere Kinder). Sie sind damit zugleich sehr hilfreiche Unterlagen für die Reflexion des Förderhandelns im Rahmen der Fortbildung. Im Folgenden werden fünf solcher Mitschriften wiedergegeben. Sie beziehen sich auf sprachliches Handeln, Wortschatz und Literacy-Erziehung: Datum Di Uhrzeit Mittelpunktkind Weitere teilnehmende Kinder 5DWKXVDQ (PUH $OSHU $OOH.LQGHUGHU 6FKOPSIH *UXSSH Förderaktivität 6WXKONUHLVJHVSUlFKEHUGDV '|UUHQYRQ2EVW Gruppe / Erzieherin: 6FKOPSIH*UXSSH7D\\XUHXQG$OH[DQGUD Vorgangsbeschreibung im Stuhlkreis – Regelgruppe (U]LHKHULQ:LUKDEHQGLHVHV*HUlWKLHUOHW]WH:RFKHDXVSURELHUW:HUZHLGHQQ QRFKZLHHVKHLWXQGZRIUHVJHEUDXFKWZLUG" 5DWKXVDQ'|UUPDVFKLQH (U]LHKHULQ,FKZDUMDDQGLHVHP1DFKPLWWDJQLFKWGDDOVLKUGHQ'|UUDSSDUDW DXVSURELHUWKDEW:DVJHQDXKDEWLKUJHPDFKW" (PUH:LUKDEHQJHPDFKWWURFNQHQ²%DQDQHJHJHVVHQXQGGDQQLVWJDQ]VFKQHOO 6FKDKLGJHNRPPHQXQG$KPHGXQG.RUD\XQGQRFKLFKZDUGD $OSHU%DQDQHJHWURFNQHWXQG$SIHOJHWURFNQHWXQG0DQGDULQHJHWURFNQHWXQG QRFKHLQ%DQDQHXQGHLQ$SIHO (U]LHKHULQ*HWURFNQHWH)UFKWHKDEHLFKVFKRQJHJHVVHQbSIHOXQG%DQDQHQ $EHU0DQGDULQHQ".DQQPDQGLHDXFKWURFNQHQ" (U]LHKHULQ'LH0DQGDULQHQNRQQWHPDQQLFKWHVVHQGLHZDUHQWRWDOOHHUJH WURFNQHW².LQGHUN|QQWLKU$OH[DQGUDHU]lKOHQZDVZLUJHPDFKWKDEHQXP GLH)UFKWH]XWURFNQHQ" ,PDQ'DLVWHLQ6WRSIGLH0DVFKLQHDXI]XPDFKHQ 5DWKXVDQ'|UUPDVFKLQH'|UUJHUlW $OSHU(LQH%DQDQHUHLQOHJHQ (U]LHKHULQ(LQH%DQDQHOLHJWGDGULQ",FKVHKHNHLQH%DQDQH:RVROOGLH%D QDQHVHLQ" ,PDQ6FKHLEHQ'LHVLQGVRZLH6FKHLEHQ'LHVLQGKDUWJHZRUGHQZHLOGHU6DIWLVW UDXVJHJDQJHQ'LH0DVFKLQHWXWHVUDXV (U]LHKHULQ-D,PDQKDWUHFKW(ULQQHUWLKUHXFK":LUKDEHQGLHNUXPPHJHOEH %DQDQH]XHUVWJHVFKlOWXQGGDQQGLHKHOOHZHLFKH%DQDQHLQ6FKHLEHQJHVFKQLW WHQ8QGGLHVH6FKHLEHQKDEHQZLULQGHQ'|UUDSSDUDWJHOHJW'RUWKDWGLH0D VFKLQHGLH%DQDQHQVFKHLEHQHQWVDIWHWGDVKHLWGHQ6DIWUDXVJH]RJHQXQGEULJ JHEOLHEHQVLQGKDUWH6FKHLEHQ Datum Do Uhrzeit Mittelpunktkind Weitere teilnehmende Kinder 5DWKXVDQ $OSHU'HQ QLV Förderaktivität 7KHPD.DXJXPPL Gruppe / Erzieherin: 6FKOPSIH*UXSSH7D\\XUH Argumentation in der Kleingruppe 5DWKXVDQ7D\\XUHGUIHQ(UZDFKVHQH.DXJXPPLNDXHQ" (U]LHKHULQ-D 5DWKXVDQ8QGGLH.LQGHU" (U]LHKHULQ,P.LQGHUJDUWHQQLFKW:HLOGLH.LQGHUPLWGHP.DXJXPPLVSLHOHQ XQGHVDQGLH+DDUHNOHEHQRGHUXQWHUGLH7LVFKH,FKPXVVWHVRJDUHLQPDOYRQ HLQHP0lGFKHQHWZDV+DDUHDEVFKQHLGHQGDPLWLFKGDV.DXJXPPLHQWIHUQHQ NRQQWH 5DWKXVDQ.RUD\V9DWHUKDWDEHU.DXJXPPLLP.LQGHUJDUWHQJHNDXW(UGDUI QLFKWLP.LQGHUJDUWHQNDXHQ (U]LHKHULQ:DUXP" 5DWKXVDQ:HLOHVLQGHQ+DDUHQNOHEHQ $OSHU,FKNOHEHQLFKWLQPHLQH+DDUHLFKVSLHOHQLFKW,FKNDXHDXFK.DXJXPPL LFKNOHEHQL[ 'HQQLV,FKVDJHPHLQH%UXGHUHUK|UWPLFKXQGNOHEWQLFKWLQGLH+DDUH 49 :lKUHQGGHV*HVSUlFKVNRPPW.RUD\V9DWHULQGLH*UXSSH(UKDW.DXJXPPLLP 0XQG 5DWKXVDQ'XGDUIVNHLQ.DXJXPPLLP.LQGHUJDUWHQNDXHQ .RSUD\V9DWHU:DUXP" 5DWKXVDQ6RQVWNOHEWHVLQGHLQH+DDUH .RUD\V9DWHUQLPPWGLH.DSSHYRP.RSIDEXQGVDJW,FKKDEHNHLQH+DDUH VFKDX8QGDXHUGHPVSLHOHQ(UZDFKVHQHQLFKWPLW.DXJXPPL 5DWKXVDQVFKDXW.RUD\V9DWHUPLWXQJOlXELJHQ$XJHQDQ Datum Fr Uhrzeit Mittelpunktkind Weitere teilnehmende Kinder 6WHYHQ-RQHV &DQ$FHO\D .DGLUH - Förderaktivität 7KHPD:LHHQWVWHKW3RSFRUQ" Gruppe / Erzieherin: =ZHUJHQJUXSSH-HVVLFD Wortschatzerweiterung in der Kleingruppe :LUKDEHQYRQGHU6FKOPSIH*UXSSHHLQHNOHLQH6FKVVHO3RSFRUQEHNRPPHQ (U]LHKHULQ:DVKDEHQZLUGHQQKLHUDXIGHP7LVFKVWHKHQ" -RQHVXQG6WHYHQ3RSFRUQ (U]LHKHULQ:LHNRPPWLKUGDUDXIGDVVHV3RSFRUQLVW" -RQHV,FKNHQQGDV,FKKDEGDVVFKRQJHJHVVHQ'DVZDUJHQDXVR (U]LHKHULQ5LFKWLJHUNDQQW(VLVW3RSFRUQ:DVPHLQWLKU":RPLWPDFKWPDQ 3RSFRUQ" &DQ0LWHLQHU6SLQQHPLWHLQHU6FKVVHO $FHO\D0LW=XFNHU .DGLUH0LW6DO] $FHO\D0LWNOHLQHQRUDQJHQHQ'LQJHUQ (U]LHKHULQ,FKJODXEHGXPHLQVW3RSFRUQPDLV $FHO\D-D (U]LHKHULQ:DVPDFKHQZLUPLWGHP0DLV" 6WHYHQ(VVHQ (U]LHKHULQ6RZLHHULVW" -RQHV1HLQGHQPXVVPDQUHLQPDFKHQ (U]LHKHULQ:RUHLQVROOPDQGHQ0DLVPDFKHQ? 50 &DQ,QHLQH6FKVVHO .DGLUH,QHLQHQ7RSI $FHO\D,QHLQHQ7RSI (U]LHKHULQ:DVN|QQWHPDQPLWGHP7RSIPDFKHQ? .DGLUH'HQ'HFNHOGUDXIGDQQIOLHJHQGLHQLFKWKRFK -RQHV'DQQIOLHJHQGLHUXQWHU &DQ7RSIVWHOOHQDXIHLQUXQGHV'LQJ (U]LHKHULQ:LVVWLKUZLHPDQGDVUXQGH'LQJQHQQWRGHUZDVPDQGDPLWPDFKW" -RQHV&DQ$FHO\DXQG.DGLUH1HLQ 6WHYHQ$QPDFKHQ (U]LHKHULQ'DVUXQGH'LQJLVWHLQH+HUGSODWWHXQGGLHNDQQPDQDQVFKDOWHQ -RQHV8QGDXV (U]LHKHULQ:DVSDVVLHUWGHQQZHQQGHU7RSIPLWGHP3RSFRUQPDLVDXIGHP+HUG VWHKW" &DQ:LUGKHLGLHIOLHJHQUXQWHU .DGLUH'LH0DLVN|UQHUN|QQHQZHQQ·VKHLLVWIOLHJHQ $FHO\D :HQQPDQGLHEUDWHWIOLHJHQGLHUDXIXQGUXQWHU'DQQNDQQPDQGLH HVVHQ Datum Fr Uhrzeit Mittelpunktkind $OSHU Weitere teilnehmende Kinder (LQ]HOI|UGH UXQJ Förderaktivität %HWUDFKWXQJYRQ)RWRV²hEHQXQG 9HUWLHIHQYRQ9HUEHQ Gruppe / Erzieherin: 6FKOPSIH*UXSSH7D\\XUH Vertiefen von verbalem Wortschatz in Einzelförderung )RWRYRQHLQHP:DOGEUDQG $OSHU'DV+DXVEUHQQW'LH)HXHUZHKUNRPPHQ'LHPDFKHQ:DVVHU%lXPH EUHQQHQ)HXHU (U]LHKHULQ'DV+DXVEUHQQW(VLVWHLQJURHV)HXHUZHLOGLH)ODPPHQELVKRFKLQ GLH%lXPHVFKODJHQ VFKODJHQ'LH)ODPPHQEUHQQHQJHOE'LH)HXHUZHKUYHUVXFKW]XO VFKODJHQ O| VFKHQ0LW:DVVHU$EHUREVLHVRYLHO:DVVHULQLKUHP/|VFKZDJHQKDEHQ"2EHV VFKHQ UHLFKW" 51 )RWRYRQHLQHP0DQQGHUVHLQH0XVNHOQ]HLJW $OSHU'HU0HQVFKIKOWVLFKEHVVHUZHLOGHUYLHOH0XVNHOQKDWXQG.UlIWH (U]LHKHULQ:RUDQVLHKVWGXGDV" $OSHU%HL%LOG=HLJWDXIGLH0XVNHOQ VLHKVWHVDQVHLQHQGLFNHQ0XVNHOQ:HLOHUVHLQHQ$UPDQVSDQQW (U]LHKHULQ'XVLHKVWHVDQ VLHKVWHVDQ $OSHU'HU0HQVFKOHEWVLFKDOOHLQ (U]LHKHULQ-DGXVDJVWHU]HLJWVHLQH.UDIWXQGJLEW JLEWGDPLWDQ DQ(UZLOO]HLJHQ JLEW DQ ,FKELQGHU6WlUNVWH )RWR YRQ ]ZHL 0lQQHUQ GLH DXIPHUNVDP DXI HLQH 8QWHUODJH VFKDXHQ HLQHU GDYRQLQ3ROL]HLXQLIRUP $OSHU 3ROL]HLVW GLH W|WHQ GLH 'LHEH 3LVWROHQV EHL 7DVFKH XQG GLH UHGHQ YRQ GHQ 'LHEHQ (U]LHKHULQ -D]ZHL0lQQHUUHGHQPLWHLQDQGHU9LHOOHLFKWVLQGVLH3ROL]LVWHQ6LH EHWUDFKWHQ EHWUDFKWHQ %LOGHU GLH DXI GHP 7LVFK OLHJHQ XQG ]HLJHQ GDUDXI 9LHOOHLFKW VSUH VSUH FKHQ VLH EHU EHU 'LHEH 9LHOOHLFKW HUNOlUW HUNOlUW GHU HLQH 0DQQ GHP DQGHUHQ ZLH VLH GLH 'LHEHIDQJHQ IDQJHQN|QQHQ IDQJHQ Datum Mi Uhrzeit Mittelpunktkind (PUH Weitere teilnehmende Kinder (LQ]HOI|UGH UXQJ Förderaktivität 6HQVLEOH3KDVH²,QWHUHVVHDQ%XFK VWDEHQ Gruppe / Erzieherin: 6FKOPSIH*UXSSH7D\\XUH Literacy-Erziehung in Einzelförderung (PUHNRPPWLQGHQ.LQGHUJDUWHQQLPPWJOHLFKHLQ%ODWW]XU+DQGXQGVDJW 7D\\XUHLFKPXVVOHUQHQ (U]LHKHULQ:DVP|FKWHVWGXOHUQHQ" (PUH%XFKVWDEHQ (U]LHKHULQ:DVEUDXFKHQZLUIU0DWHULDOLHQXP%XFKVWDEHQOHUQHQ]XN|QQHQ" (PUH3DSLHUXQG%XFKVWDEHQ (U]LHKHULQ.RPP(PUH :LUKROHQJHPHLQVDPGLH6DQGEXFKVWDEHQDXVGHU.LVWH (PUH1RFKVR'HXWHWDXIGDV/LQHDO 52 (U]LHKHULQ:HLWGXZLHGDVKHLW" (PUHVFKWWHOWGHQ.RSI (U]LHKHULQ'DVKHLWDXI7UNLVFKFHWYHOXQGDXIGHXWVFK/LQHDO (PUHXQJOlXELJ&HWYHO" (U]LHKHULQ+lOWVWGXGDV/LQHDOGDQQ]LHKHLFKGLH/LQLHQ (PUH*HOO7D\\XUHGDVEUDXFKWPDQGDQQLVWJUDGH (U]LHKHULQ(PUHPLWZHOFKHP%XFKVWDEHQP|FKWHVWGXDQIDQJHQ" (PUH0LW2:LHVLPLW 6HVDPNULQJHO2GHUZLH%RQERQ (U]LHKHULQ:HOFKH:|UWHUIDQJHQPLW2DQ" (PUH2PD2SD (U]LHKHULQ0LUIlOOWQRFKRWREVDXI7UNLVFKHLQ 3.5.4 Spezielle Sprachförderung in Kleingruppen Das rheinland-pfälzische Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“, durch das zusätzliche Mittel für die Sprachförderung bereit gestellt werden, geht davon aus, dass sprachförderbedürftige Kinder in eigenen Gruppen vorwiegend im letzten Kindergartenjahr gefördert werden sollten. Auch am „Regenbogen“ sind solche Gruppen eingerichtet, die von externen Förderkräften geführt werden. Diese „besondere Sprachförderung“ bietet die Chancen einer weiteren individuellen Zuwendung in der Kleingruppe und eines noch genaueren Achtens auf die sprachlichen Aspekte in der Durchführung der Förderung. Die Förderkräfte am „Regenbogen“ haben diese Chancen genutzt und durchweg nahe positive Beziehungen zu den Kindern aufgebaut, so dass diese die Sprachförderzeiten als willkommenes Angebot und Abwechslung vom Alltag empfunden haben. Zur Didaktik der besonderen Sprachförderung heißt es in der einschlägigen Verwaltungsvorschrift des Landes lediglich, dass „Kindern vor dem Übergang zur Grundschule Deutsch bzw. Deutsch als Zweitsprache handlungsbegleitend und erlebnisbezogen zu vermitteln“ sei.18 Diese Aussage ist wohl so zu verstehen, dass sie von einer schulförmigen systematisierenden Spracharbeit abrät und eine Befolgung der allgemeinen Grundsätze der Elementarpädagogik einfordert. Am „Regenbogen“ haben die Förderkräfte je eigene Vorstellungen verwirklicht. 18 Förderung von Sprachfördermaßnahmen in Kindergärten sowie von Maßnahmen der Vorbereitung des Übergangs vom Kindergarten zur Grundschule. Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend vom 28. Dezember 2005, Punkt 2.1.5. 53 Eine der drei Kräfte, die im Projektzeitraum tätig wurden, arbeitete vorwiegend mit vorhandenen Materialien, die sie zu einem bestimmten Thema zusammenstellte: Spielen, Geschichten, Bildern sowie Legegeschichten, die ein besonders günstiges Verhältnis von Kinderaktivität und Sprachinput durch die Erzieherin ermöglichen. Die zweite orientierte sich an den Anforderungen des Übergangs in die Grundschule und arbeitete mit Elementen zur Förderung des Sprachbewusstseins: Segmentierung von Wörtern in Silben und Laute, Artikel des Nomens, Formen des Verbs, Syntax des einfachen Satzes im Deutschen. Die dritte setzte vor allem auf den Zusammenhang von Sprache und Bewegung. Sie arbeitete demgemäß mit Bewegungsspielen, Liedern und Tänzen, aber auch Dialogen in der Gruppe. Das Nebeneinander von „besonderer“ und „integrierter“ Sprachförderung wirft eine Reihe von Fragen auf, die im Germersheimer Projekt nicht mehr in vollem Maße bearbeitet werden konnten. Hierüber wird unter Punkt 4 eigens berichtet. Um zu einer gewissen Abstimmung zwischen besonderer Sprachförderung und Regelförderung zu gelangen, wurde die Didaktik der Förderkräfte auf Teamsitzungen thematisiert. Zum andern wurde vereinbart, dass eine Förderkraft einmal wöchentlich ihre Förderung im Rahmen der Regelgruppe anbietet; dabei können auch die Förderkinder etwas aus ihrer Spracharbeit aktiv in die Regelgruppe einbringen. Über die Erfahrungen mit diesem Hineingehen in die Gruppen wurde einerseits berichtet, dass es für die Kinder, die an der besonderen Sprachförderung teilnehmen, ein Erlebnis war, das ihnen die Zugehörigkeit der Förderkraft zum Kindergarten verdeutlicht und das Vertrauensverhältnis zur Förderkraft gestärkt habe. Andererseits sei dieses Hineingehen aber auch als Störung empfunden worden, und im Bestreben, sich in die Arbeit der Regelgruppe einzufügen, sei es manchmal nicht möglich gewesen, die eigentlichen Fördervorhaben konsequent durchzuführen. 3.5.5 Wertschätzung und Einbeziehung der Familiensprachen In den Empfehlungen des Landes Rheinland-Pfalz heißt es mit Bezug auf die Kinder, deren Mutter- oder Familiensprache nicht das Deutsche ist, die sprachbezogenen Aktivitäten im Alltag seien bei ihnen zu intensivieren, „ihre eigene Mutter- bzw. Familiensprache soll dabei einbezogen 54 werden.“19 Mit Bezug auf alle Kinder in der Kita heißt es, ihnen „soll die Möglichkeit gegeben werden, zu erfahren und zu entdecken, dass es viele verschiedene Sprachen gibt.20 Am „Regenbogen“ wurden diese Empfehlungen auf allen vier Ebenen der Sprachbildung und Sprachförderung umgesetzt. Im alltäglichen sprachlichen Handeln gilt auf jeden Fall das Gebot sprachlicher Offenheit, die Kinder sind frei, ihre Sprache zu wählen. Das kann manchmal zu etwas lustigen Situationen führen: Während der Projektzeit wurde Amatelah, ein arabischsprachiges Mädchen, im Alter von fünf Jahren neu in die Einrichtung aufgenommen, offenbar ein sehr kommunikationsfreudiges Kind. Sie sprach unbekümmert und in völligem Vertrauen auf das Funktionieren der arabischen Sprache auf Arabisch auf die Erzieherinnen ein. Diese „antworteten“ auf Deutsch, ohne Amatelah in ihrem arabischen Spracheifer zu bremsen – eine völlig richtige Entscheidung, wie sich herausstellte. Nach drei Monaten bildete sie deutsche Sätze, nach einem Jahr, am Ende ihres Aufenthalts am „Regenbogen“ konnte sie freie Erzählungen auf Deutsch formulieren. Dass die Kenntnis einer nicht-deutschen Familiensprache eine Hilfe im Alltag sein kann, wurde bereits unter Punkt 1.2.4 angesprochen. Es kommt vor, dass auch Kinder solche Hilfen gewähren. Einmal sagt Gobiha, ein tamilisches Mädchen, zu Sümeyra, einem türkischen Mädchen: Sümeyra, das kannst du essen, das ist tavuk (= Geflügelfleisch). Im Normalfall geht es um das Akzeptieren von nicht-deutschsprachiger Kommunikation unter Kindern gleicher Familiensprache. Die Bitte um Teilhabenlassen, um eine deutschsprachige Erklärung oder Übersetzung steht nicht im Widerspruch dazu. Eine bemerkenswerte Rolle für die Förderung der Mehrsprachigkeit spielt die Verwendung einzelner nicht-deutscher Ausdrücke im Alltag, die die Erzieherinnen – in unterschiedlichem Maße – verstehen, so dass sie darauf reagieren können, und die sie zum Teil selber verwenden. So war z. B. das abwehrend-aufschiebende russische patóm (= Später!) eine Zeitlang ein geflügeltes Wort am „Regenbogen“. Es kommt vor, dass auch Kinder sich solche Ausdrücke in anderen Sprachen aneignen. Eine Erzieherin hat gehört, wie Rathusan, ein tamilischer Junge, zu Alper, einem türkischen Jungen, sagt: Alper, otur! (= Setz dich!). Es kommt vor, dass sich Kinder Ausdrücke in anderen Sprachen abfragen, sich sogar ganze Sätze sagen lassen und diese wiederholen. Hasan-Hüseyin kommt zu seiner rin, die Deutsch und Russisch spricht, und fragt: Wie sage ich Jaroslava: „Du bist schön, du bist hübsch“? Sie übersetzt ihm das Gewünschte auf Russisch und er wiederholt es in Jaroslavas 19 Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend, Rheinland-Pfalz: Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz, Weinheim und Basel: Beltz 2004, S. 43. 55 Beisein. Er ist hinterher verlegen, aber auch stolz auf seine Leistung, ihr das Kompliment in ihrer Muttersprache gemacht zu haben. Parallel zu den deutschen Aktivitäten der Sprachbildung in den Regelgruppen gibt es am „Regenbogen“ das Vorlesen in den Familiensprachen. Mehrere Mütter, die Mitglieder des Elternbeirats sind, konnten dafür gewonnen werden, einoder zweimal die Woche in ihrer Erstsprache vorzulesen. Kinder, die diese Sprache verstehen, kommen dazu in einer Kleingruppe zusammen. Auf dem Foto sieht man die tamilische Gruppe. Gelegentlich gestalten die zweisprachigen Erzieherinnen im Rahmen ihrer regulären Arbeit bilinguale Angebote oder führen Gespräche in der Familiensprache eines Kindes, vor allem, wenn es um persönliche Themen geht. Auszüge aus der Förderdokumentation und eine Mitschrift sollen es verdeutlichen: [Regelgruppe mit Jaroslava, Bruno, Nadina und anderen Kindern in Koboldgruppe (Erika)] :LUKDEHQDXI'HXWVFK XQG 5XVVLVFK GDV 0lUFKHQ'RUQU|VFKHQHU]lKOW'LH 5XV VLVFKVSUHFKHQGHQ.LQGHUKDEHQPLWHU]lKOW [Einzelgespräch mit Selin in Zwergengruppe (Sema)] (LQ]HOJHVSUlFKDXI7UNLVFKXPGHQ6SUDFKVWDQGLQGHU0XWWHUVSUDFKHIHVW]XVWHO OHQ 20 Ebd., S. 42 56 [Einzelgespräch mit Jaroslava in Koboldgruppe (Erika)] 6LHLVWVHLWODQJHPZLHGHUGD:LUKDEHQXQVDXI5XVVLVFKXQWHUKDOWHQ-DURVODYD HU]lKOWHYRQGHUQHXHQ:RKQXQJYRQGHU.UDQNKHLW Gespräch in der Familiensprache über ein persönliches Thema Datum Mi Uhrzeit Mittelpunktkind <DVHPLQ Weitere teilnehmende Kinder (LQ]HOI|UGH UXQJ Förderaktivität <DVHPLQHU]lKOWLKUH(UIDKUXQ JHQPLWGHU,PSIXQJ Gruppe / Erzieherin: 6FKOPSIH*UXSSH7D\\XUH <DVHPLQ %LOL\RUPXEXUDPDGRNWRULJQH\DSWÖELUGH3IODVWHU\DSWÖ(= Weißt du, hier hat der Doktor eine Spritze gemacht und ein ‚Pflaster’ gemacht.) 7D\\XUH 1HGHQ" (= Warum?) <DVHPLQdQNEXUD\D (deutet auf ihren Kopf) PLNURSJLUL\RU\DRQODUÖQ|OPHVL LoLQLJQH\DSWÖHJHULJQH\DSPDVDNR]DPDQ|OU](= Weil hier Mikroben rein- kommen, damit diese sterben, hat er die Spritze gemacht. Wenn man die Spritze nicht macht, dann sterben wir.) 7D\\XUH6HQLQFDQÖQDFÖGÖPÖ" (= Hat es dir wehgetan?) <DVHPLQ %LUD]FÖNDPDEHQDJODPDGÖP%HQLPEXUDPDFÖ\RUNROXPDJUÖ\RU <DWÖQFDUDKDWVL]ROX\RPX\DQ\Ö\RUVXP%LOL\RUPXQHNDGDUoRNDFÖ\RU"(= Ein kleines bisschen, aber ich habe nicht geweint. Mir tut es hier weh, mein Arm schmerzt. Wenn ich mich hinlege, ist mir nicht gut, werde ich wach. Weißt du, wie weh es tut?) Während der integrierten Sprachförderung nutzen die Erzieherinnen die Sprachenkenntnisse der Kinder gelegentlich, um eine Hilfestellung zu geben, vor allem aber um das Bewusstsein für die persönliche Zweisprachigkeit des Kindes und die Vielsprachigkeit der Gruppe wachzurufen und zu bestärken. Einige Auszüge aus der Dokumentation der Förderaktivitäten sollen es verdeutlichen: [Einzelförderung Volkan-Yusuf in Schlümpfe-Gruppe (Tayyure)] :LU VSLHOHQ 0HPRU\ (U NHQQW GDV 6SLHO QRFK QLFKW 6SLHOUHJHOQ EHVSUHFKHQ DXV]lKOHQ 3DDUH ILQGHQ QXU 3DDUH 1DPHQ GHU $EELOGXQJHQ DXI 7U NLVFKEHQHQQHQ 57 [Förderung in der Kleingruppe in Koboldgruppe (Bärbel)] ,QGHU/HVH(FNHODVXQGHU]lKOWHLFK0DUWDHLQH*HVFKLFKWHYRPNOHLQHQ%lU1L FNL ZDU PHLQ 'ROPHWVFKHU 6R OHUQWHQ EHLGH QHXH GHXWVFKH :|UWHU XQG LFK HWZDV ,WDOLHQLVFK [Förderung in der Kleingruppe in Koboldgruppe (Bärbel)] -DURVODYDKDWHLQUXVVLVFKHV.LQGHUEXFKPLWJHEUDFKW'DLFKQLFKWUXVVLVFKOHVHQ NDQQKDWVLHXQVÅYRUJHOHVHQ´ [Förderung in der Regelgruppe mit Bruno als Mittelpunktkind in Koboldgruppe (Erika)] :LUIHLHUQ*HEXUWVWDJXQGOHUQHQGLH=DKOHQYRQ²DXI5XVVLVFK,WDOLHQLVFK 7UNLVFK]XVDPPHQ [Förderung in der Kleingruppe mit Jaroslava, Bruno, Nadina in Koboldgruppe (Erika)] :LUKDEHQGHQ.UELVDXVJHK|KOWIUGLH6XSSHGDV*HPVHJHVFKlOWJHVFKQLWWHQ EHUGDV(VVHQXQVXQWHUKDOWHQ:DVNRFKWGLH0DPD]XKDXVH":LHKHLW6XSSH DXI'HXWVFK5XVVLVFKXQG8VEHNLVFK" Bei der Sprachförderung in speziellen Kleingruppen geht es um die deutschen Sprachkenntnisse, doch kann auch auf dieser Ebene die Familiensprache hilfreich sein. Für Wladimir, der, neu zugewandert, d. h. ohne Deutschkenntnisse im Alter von fünf Jahren in den „Regenbogen“ eingetreten ist, war es ein Segen, dass seine Sprachförderkraft Russisch sprach, so konnte er von Anfang an in der Kleingruppe „dabei“ sein und mit Verstand mitmachen. 3.5.6 Organisation der besonderen Sprachförderung – offene Fragen Das Sprachförderprogramm des Landes Rheinland-Pfalz gewährt, ähnlich wie dies auch in anderen Bundesländern der Fall ist, für die Förderung von Kindern, die in der deutschen Sprache Förderbedarf haben, pauschalierte Personalkostenzuschüsse. Diese gelten in der Regel für die Förderung von Kindern innerhalb des Jahres vor ihrer Einschulung in Gruppen von mindestens fünf Kindern. Die Förderkräfte leisten 100 Zeitstunden (Basisförderung) oder 200 Zeitstunden (intensive Förderung), wovon ein Fünftel für Vor- und Nachbereitung sowie Kooperationsgespräche mit dem Team und Elterngespräche verwendet werden kann. Fachkräfte der Einrichtung 58 dürfen nur eingesetzt werden, wenn die Förderstunden außerhalb ihrer Arbeitszeit liegen.21 Diese Regelungen führen dazu, dass ein Großteil der bezuschussten Sprachförderung durch externe Honorarkräfte versorgt wird, deren Arbeit nicht ohne weiteres in ein Modell durchgängiger Sprachförderung einzufügen ist. Soweit die Förderkräfte nicht zum Team gehören, besteht natürlicherweise ein geringerer Kontakt als zu den hauptamtlichen Kolleginnen. Dies wirkt sich auch auf die Intensität des fachlichen Austauschs aus.22 Ein in der Regel geringer Grad an didaktischer Abstimmung ist die Folge. Insbesondere können die Förderkräfte nicht oder nur in geringem Maße an den sprachdiagnostischen Arbeiten beteiligt sein, d. h. Diagnose und Förderung liegen gewöhnlich nicht in einer Hand. Die Förderkräfte „fahren ihr eigenes Programm“, zu bestimmten Zeiten und in einem eigenen Raum. Je nach lokalen Umständen können daraus auch Konkurrenzen um Räume und Zeiten entstehen. Die hauptamtlichen Erzieherinnen ihrerseits verfügen in ihrem Arbeitszeitbudget nicht über eigene Deputate für die Abstimmung mit den Förderkräften. Es kann ihnen in gewissem Sinne nur recht sein, wenn diese ihr eigenes Programm fahren. Doch besteht dabei die Gefahr, dass die hauptamtlichen Erzieherinnen die besondere Sprachförderung ganz und gar den Förderkräften überlassen und sich selbst nicht in der Mitverantwortung sehen. Wird jedoch von den hauptamtlichen Erzieherinnen Sprachförderung bewusst und systematisch betrieben, erhebt sich umso dringlicher das Postulat der didaktischen Abstimmung, dessen Erfüllung, wie gesagt, an enge Grenzen stößt. Für die Arbeit in festen Gruppen bedeutet die Herausnahme der Förderkinder aus der Gruppe eine gewisse Störung, die von manchen Erzieherinnen auch als recht gravierend erlebt werden kann, vor allem dann, wenn es noch weitere übergreifende Angebote gibt, zu denen Kinder aus der Regelgruppe herausgenommen werden. Aus sprachpädagogischer Sicht ist darauf hinzuweisen, dass eine zusätzliche Förderung im Umfang von 80 bzw.160 Stunden im letzten Kindergartenjahr wahrscheinlich nicht nachhaltig genug wirkt. Anzustreben ist eine Durchgängigkeit auch der besonderen Sprachförderung für die in besonderem Maße sprachförderbedürftigen Kinder. Ein solcher Sprachförderbedarf kann schon in 21 Förderung von Sprachfördermaßnahmen in Kindergärten sowie von Maßnahmen der Vorbereitung des Übergangs vom Kindergarten zur Grundschule. Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend vom 28. Dezember 2005, Punkt 2.1. 22 Bei 100 Stunden Basisförderung entfallen 80 Stunden auf die Arbeit am Kind. Werden die verbleibenden 20 Stunden auf die vier allgemeinen Aufgaben (Vorbereitung, Nachbereitung, Kooperationsgespräche, Elterngespräche) gleichmäßig verteilt, verbleiben 5 Stunden im Jahr (!) für Kooperationsgespräche mit dem Team. 59 der Eingewöhnungszeit erkannt werden, und die Erzieherin kann darauf eingehen, indem sie „Botschaften des Verstehens“ übermittelt – durch Zuwendung, durch nonverbale Kommunikation, durch Bestätigung auch von Äußerungen in der Erstsprache und durch Bestärkung auch unscheinbarer Äußerungen in der Zweitsprache Deutsch. Schließlich berührt die hier aufgeworfene Thematik auch das Berufsbild der Erzieherin. Ihrer ganzen Bedeutung nach gehört Sprachförderung zu den zentralen Aufgaben des Erzieherberufs. Vieles spricht dafür, dass diese Aussage auch und gerade für die besondere Sprachförderung gelten sollte. Die Erzieherin ist es, die dauerhaften Kontakt zu den Kindern hat und daher leichter ihr Vertrauen erwerben kann. Sie ist es, die die Sprachen der Kinder nächst den Eltern am besten kennt, sie ist es, die in vielfältigen Situationen spontan auf die Kinder eingehen kann und die am ehesten in der Lage ist, ihre Förderangebote professionell anzulegen und zugleich in die pädagogische Konzeption der Einrichtung einzupassen. Im Germersheimer Projekt wurden mögliche Lösungen der hier angesprochenen Probleme intensiv und mehrfach diskutiert und teilweise erprobt, ohne dass eine endgültige Lösung gefunden werden konnte. Dabei ist insbesondere auch zu bedenken, dass die Probleme wachsen, wenn nicht nur Kinder des dritten Kindergartenjahres, sondern auch des ersten und zweiten in die Förderung einbezogen werden. Zu unterscheiden sind drei mögliche Strategien: 1. Integration der besonderen Sprachförderung in die Regelgruppenarbeit: Die Förderkraft kommt (als „dritte Kraft“) zu bestimmten Zeiten, am besten wenn ohnedies eine Unterbrechung vorgesehen ist (z. B. nach dem Morgenstuhlkreis), in die Regelgruppe und bietet für die besonders förderungsbedürftigen Kinder sprachfördernde Aktivitäten an. Der Vorteil dieser Strategie ist es, dass ein dauernder Kontakt der Förderkräfte mit den Gruppenerzieherinnen gewährleistet ist und die Probleme des Herausholens aus der Gruppe entfallen. Probleme können bei dieser Strategie dadurch entstehen, dass die akustischen und sozialen Verhältnisse in den Gruppenräumen in aller Regel für eine besondere Sprachförderung eher ungünstig sind und es auch der Förderkraft schwer machen, eine eigene Planung konsequent zu verfolgen. Zu überlegen ist in diesem Fall, ob und wie die Gestaltung der Räume der Aufgabe besser angepasst werden kann. Zu stärken ist die Fähigkeit, der Förderkraft, auch unter diesen Umständen die von den Kindern kommenden Impulse aufzugreifen, ohne ihre Förderziele aufzugeben. 2. Entlastung der hauptamtlichen Kräfte für Aufgaben der besonderen Sprachförderung: 60 Die Erzieherinnen der Gruppe führen die besondere Sprachförderung außerhalb des Gruppenraums mit den dafür vorgesehenen Kindern durch, für die Regelgruppe steht in dieser Zeit (einschl. der Zeit für Vor- und Nachbereitung und für weitere Qualifizierung) eine Ersatzkraft („Springer“) zur Verfügung, die aus den Mitteln des Landesprogramms bezahlt wird. Der Vorteil dieser Strategie ist es, dass die besondere Sprachförderung in die Hände der hauptamtlichen Erzieherinnen gelegt wird, ohne dass die zusätzlichen Mittel verloren gehen und ohne dass eine wesentliche Benachteiligung der nicht-förderbedürftigen Kinder eintritt. Hinzu kommt, dass die Zeiten (sofern die Raumsituation nicht entgegensteht) dem Rhythmus der Regelgruppenarbeit angepasst werden können. Bei dieser Strategie können allerdings die Störungen, die die Herausnahme der Kinder verursacht, durch das Hinzukommen einer anderen Bezugsperson noch etwas verstärkt werden. Ein ernstes Problem besteht hier aber vor allem darin, dass die derzeitigen Bezuschussungsbedingungen eine solche Handhabung (noch) nicht erlauben. Die erstgenannte Schwierigkeit fordert die Entwicklung von Kooperationsgewohnheiten – auch dies eine schwere und oft langwierige Aufgabe. Ganz anderer Art ist das an zweiter Stelle genannte Problem; es ist nicht innerhalb der Einrichtung zu lösen, sondern fordert das Handeln der Verwaltung. 3. Zeitweise Auflösung der Regelgruppen: Zu bestimmten Zeiten in der Woche nehmen alle Kinder an übergreifenden Angeboten für Neigungs- oder Altersgruppen teil, eines davon ist die besondere Sprachförderung. Sie wird von der externen Förderkraft durchgeführt, kann bei entsprechenden personellen und räumlichen Voraussetzungen aber auch von einer hauptamtlichen Erzieherin, ggf. mit Unterstützung durch eine Förderkraft, durchgeführt werden. Der Vorteil dieser Strategie ist es, dass die besondere Sprachförderung hier in einer allgemeinen Zeitorganisation aufgehoben ist und keine Sonderstellung beanspruchen muss. Die Probleme des Herausholens einzelner Kinder aus der Gruppe entfallen. Hauptamtliche Erzieherinnen könnten zumindest teilweise Aufgaben der besonderen Sprachförderung übernehmen und das könnte die Aufgabe der didaktischen Abstimmung mit den Förderkräften erleichtern. Die Kindergärten, die nach dem Regelgruppenprinzip arbeiten, müssten beim Einschlagen dieser Strategie allerdings eine erhebliche Umstellung ihrer Organisation und ihrer Raumgestaltung vornehmen, die außer der Sprachförderung noch eine Reihe weiterer pädagogischer Aufgaben und deren personelle Versorgung berühren würde. Sofern Halbtagesangebote in nennenswertem 61 Umfang gemacht werden, würden auch die zeitlichen Spielräume für eine solche Umorganisation recht knapp sein. Das Germersheimer Projekt hat keine endgültige Entscheidung für sich getroffen, es hat zur Analyse der Probleme beigetragen, die sich bei einem Nebeneinander von durchgängiger und besonderer Sprachförderung stellen, und Argumente hinsichtlich möglicher Lösungsstrategien geliefert. Es wird Aufgabe des Teams sein, sich mit diesen Argumenten auseinanderzusetzen, um auch in diesem Punkt zu einer dauerhaften und „durchgängigen“ Entscheidung zu gelangen. 4 Fazit und Ausblick Das Germersheimer Projekt ist angetreten mit dem Ziel, ein Modell der durchgängigen Sprachförderung zu entwickeln, das auf den Kompetenzen der Erzieherinnen beruht, nicht auf Materialpaketen oder Programmen, die (angeblich) in allen Situationen einsetzbar sind. Das Modell sollte praxistauglich und auf Nachhaltigkeit hin angelegt sein. Es sollte den Gegebenheiten der Mehrsprachigkeit Rechnung tragen und die Eltern mit einbeziehen. Dabei war von Anfang an die Mitarbeit des gesamten Teams gefordert, und dies hat bedeutet: mit unterschiedlichen Temperamenten und ungleichen Vor-Qualifikationen zu arbeiten. Die dadurch verursachten Probleme sind aber die Probleme der Praxis, und nur wenn sie mit bearbeitet werden, haben die Projektergebnisse eine Chance, in der Praxis zu überdauern. Es war auch von Anfang an klar, dass zur Verwirklichung der Projektziele ein gutes Stück Fortbildungsarbeit zu leisten sein würde. Bewährt hat sich der Wechsel von Information / Planung – Erprobung – Reflexion. Er gewährleistet den Zusammenhang zwischen Fortbildung und Praxis. Natürlich kann die Zahl der Themen, die auf diese Weise bearbeitet werden, nicht groß sein; hier muss eine Auswahl getroffen werden. Stärker, als es im Germersheimer Projekt der Fall war, sollte dabei auf exemplarisches Lernen geachtet und der exemplarische Charakter der einzelnen ausgewählten Themen ausdrücklich herausgearbeitet werden. Die vorliegende Dokumentation markiert das Ende des Projekts, nicht das Ende der Entwicklungsarbeit. Diese ist kontinuierlich weiterzuführen; es bleiben wichtige Themen, die zu behandeln sind. Es bleibt die Aufgabe der Stabilisierung der Projektergebnisse in der Praxis, wenn der Rahmen der Projektarbeit entfällt. Das verlangt, dass die Aufgaben von Sprachbildung und Sprachförderung, z. B. bei Teamsitzungen, weiterhin thematisiert werden. Es verlangt ein Stück gemeinsamer Organisation. Es verlangt die planvolle Einführung neu hinzukommender Kräfte in das Konzept und seine Umsetzung. Auch in der Zeit nach dem Projekt wird die Unterstützung durch den Träger und die Fachberatung wichtig bleiben. Entscheidend aber wird sein, dass das 62 Team das Konzept der durchgängigen Sprachförderung auch weiterhin als sein Konzept betrachtet und sich durch neue Aufgaben, die sicherlich kommen werden, nicht davon abbringen lässt, das Erarbeitete festzuhalten und weiter zu entwickeln. 63 5 Anhang 64 5.1 Tabellarische Darstellung des Förderkreislaufs 65 KIND Gruppe __ : Geburtsdatum: Eintrittsdatum: Familiensprachen: 1. Jahr Erstes Gespräch mit den Eltern (EG I) Förderplan Beobachtungsbogen Nr. 1 Förderplan Geplante Durchführung nach Eintritt bald bis 2 Monate bis 6 Monate bis 6 Monate 2. Jahr Elterngespräch (EG II) Beobachtungsbogen Nr.2 Förderplan Beobachtungsbogen Nr. 3 Förderplan 1 Jahr 12 Monate 12 Monate 18 Monate 18 Monate 3. Jahr Elterngespräch (EG III) Beobachtungsbogen Nr. 4 Förderplan Beobachtungsbogen Nr. 5 Förderplan Bemerkungen: 2 Jahre 24 Monate 24 Monate 30 Monate 30 Monate Datum Sonstiges 5.2 Leitfaden für das erste Gespräch mit den Eltern 66 >ĞŝƚĂĚĞŶƌĚĂƐĞƌƐƚĞĞƐƌćĐŚ ŝƚĚĞŶ!ůƚĞƌŶ "ŵ # $ ' # $ & ' Ɖ'Ĩƺŵ$ ' '()*+$ %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% ŵ*' Ɖ ,$ %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% -. // * 0 -.%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% '/Ɖ/ 3.%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% Ɖ1 4.%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% (2+ 5 /Ɖ' Ź54 .ŵ$ 3. 6/Ɖ Ɖ/ŵ 1 %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% .ŵ$ 4. 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Beobachtungen der Eltern: o Entwicklungen im sprachlichen Handeln des Kindes in der Familie und im näheren sozialen Umfeld o Veränderungen im Anteil des Deutschen an der Familienkommunikation o Erzählungen aus dem Kindergarten in der Familie o Evtl. Aufenthalte im Land der Herkunftssprache und deren sprachliche Auswirkungen Beobachtungen der Erzieherinnen: o Entwicklungen im sprachlichen Handeln des Kindes in der Einrichtung o Fortschritte im Deutschen und in der Herkunftssprache o Ggf. Art der Verwendung der Herkunftssprache in der Einrichtung Zu informieren ist über den aktuellen individuellen Förderplan für das Kind. 5.4 Leitfaden für die Interpretation von Kindertexten 68 Was lässt sich aus Sprachaufnahmen über die Sprachfähigkeiten eines Kindes entnehmen? - Ein Leitfaden für die Interpretation von Kindertexten 1. Eine Sprachaufnahme ist immer nur eine kleine Stichprobe aus der großen Masse dessen, was ein Kind sagen kann. Sie lässt die Sprachfähigkeiten erkennen, die das Kind in der Aufnahmesituation zur Geltung bringt, über die es also auf jeden Fall verfügt. Ob und welche weiteren Fähigkeiten es sich angeeignet hat, können nur weitere Beobachtungen zeigen. 2. Um das Sprechen des Kindes richtig einschätzen zu können, muss man sich zuerst bewusst machen, in welchem Rahmen es stattgefunden hat: Um was für ein Gespräch (oder Selbstgespräch) handelt es sich? In welcher Situation findet es statt? Vom Gesprächsrahmen hängt es weitgehend ab, was von dem Kind bei der jeweiligen Aufnahme überhaupt erwartet werden kann. 3. Als Nächstes sollte man fragen, wie das Kind an dem Gespräch beteiligt ist: Ergreift es die Initiative? Bringt es eigene Gedanken ein? Oder reagiert es nur auf Impulse (der Erzieherin oder anderer Kinder)? Erhält es bei seinen Bemühungen, sich auszudrücken, Unterstützung von seinen Gesprächspartnern? Oder spricht es längere zusammenhängende Passagen von sich aus? Wie geht es mit Ausdrucksnot um? Benutzt es viele nonverbale Ausdrucksmittel? Wechselt es die Sprachen? Die Antworten auf diese Fragen sagen etwas über die Kommunikationsgewohnheiten des Kindes aus. Sie geben Hinweise auf die angemessene Gestaltung von Fördersituationen. 4. Eine genauere Betrachtung kann sich auf die einzelnen Sprechhandlungen des Kindes richten: Was will es erreichen, indem es spricht? Äußert es (überwiegend) knappe Ablehnungen, Bekundungen von Unwissen, Aufforderungen, Benennungen, Mitteilungen, Zustimmungen? Oder finden sich auch Fragen, Berichte über Selbsterlebtes, Beschreibungen von Bildern und Mitteilungen etc. in „gewöhnlicher“ Ausführlichkeit sowie einfache Äußerungen von Gefühlen? Äußert das Kind darüber hinaus Erklärungen, Begründungen, Beurteilungen, Deutungen von Bildern, Vorschläge, Rechtfertigungen seines Handelns? Die Antworten auf diese Fragen sagen etwas aus über den kognitiv-kommunikativen Entwicklungsstand des Kindes. Sie geben Hinweise auf das Niveau der Anforderungen, die bei der Sprachförderung gestellt werden sollten. 5. Danach kann weitergefragt werden nach den verfügbaren sprachlichen Mitteln: Aussprache, Wortschatz, Grammatik. 5.1. Die Aussprache des Kindes sollte in erster Linie darauf hin beobachtet werden, ob es verständlich und zusammenhängend spricht. In zweiter Linie kann man darauf achten, ob es bestimmte Laute oder Lautverbindungen noch nicht angemessen artikuliert. Auffällige Undeutlichkeiten oder stark stockendes Sprechen können ein Hinweis darauf sein, dass das Kind zunächst an Sicherheit für sein Sprechen gewinnen muss. Im schlimmsten Falle sind sie Anzeichen einer Sprechstörung, die logopädisch behandelt werden muss. Abweichende Artikulation von Einzellauten oder Lautverbindungen sind zunächst einmal ganz normale Durchgangsstadien im Spracherwerb des Kindes. Nur wenn sie längere Zeit anhalten, sollte man logopädischen Rat einholen. 5.2. Beim Wortschatz im Kindergartenalter stellt sich vor allem die Frage nach der Differenziertheit, man kann auch sagen: nach der Reichhaltigkeit der Ausdrucksmöglichkeiten: Verwendet das Kind nur oder überwiegend Wörter, die nach Form und Bedeutung einfach sind (wie z. B. „Mann“, „Nase“, „Haus“, Auto“, „Wauwau“; „gehen“, „kommen“, „spielen“, „wollen“; „klein“, „rot“)? Oder auch Wörter mit speziellerer Bedeutung (wie z. B. „Freund“, „Wimper“, „Damm“, „Giraffe“; „klettern“, „füttern“, „bringen“, „warten“; „schön“, „komisch“, „tief“)? Verwendet es zusammengesetzte Substantive (wie z. B. „Krankenwagen“, „Abschleppauto“, „Schulaufgaben“, „Bananenschale“)? Verwendet es Verben mit Präfixen („rausgehen“, „runterfallen“, „anmalen“, „weitergehen“, „wegziehen“; „bezahlen“, „erleben“, „zerdrücken“)? Auch reflexive Verben (wie „sich freuen“, „sich zanken“, „sich überlegen“)? Die Antworten auf diese Fragen sagen etwas aus über den Wortschatzumfang des Kindes. Sie geben Hinweise auf die Möglichkeiten und Erfordernisse der Wortschatzerweiterung in der Sprachförderung. 5.3. Bei der Grammatik ist vor allem auf die Verben zu achten: Verwendet das Kind überhaupt Verben? Stehen sie im Aussagesatz an der zweiten Stelle? Verwendet es Modalverben mit Infinitiv? Verben mit abgetrennter Vorsilbe? Perfektformen? Bildet es Nebensätze mit Endstellung des Verbs? In zweiter Linie kann nach den Präpositionen gefragt werden: Werden überhaupt Präpositionen verwendet? Fehlen sie gelegentlich dort, wo sie erwartet werden? Wie viele verschiedene Präpositionen werden verwendet? Die Antworten auf diese Fragen sagen etwas aus über den Entwicklungsstand der Grammatik. Sie zeigen an, welche „Zone der nächsten Entwicklung“ in der Sprachförderung angesteuert werden kann. 5.5 Beobachtungsbogen Sprachgebrauch 69 ĞŽďĂĐŚƚƵŶŐƐďŽŐĞŶ^ƌĂĐŚŐĞďƌĂƵĐŚ "ŵ # $ Dŵ,$ # ŵDŵ$ ,)$ %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% - ",/0, #ŵJ#,ŵŵ0'/ŵ B0, GJ(&0'+$%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% ϭ͘ !ŝŶŐĞǁƂŚŶƵŶŐĚĞƐ<ŝŶĚĞƐ 6Ĩ'G # 18 # ƉLJ (ĨĨ,0*0+*1> # Ɖ,1 '/Ɖ1> #,***#Ĩ,ŵŵ1> ŵ ŵ,ŵŵ1> 6ƺ J1. %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% Ϯ͘ ĂƐŐĞŐĞŶǁćƌƚŝŐĞƐƌĂĐŚůŝĐŚĞ,ĂŶĚĞůŶĚĞƐ<ŝŶĚĞƐ 'ŵ MƉ > # 0 , ' / * : 6, ',ŵŵ. 3.-#,ŵŵ >)/ƉĨ) /Ɖ / MƉ ,ŵŵ> # (*.. *ƺ*, K,ĨĨ0 KƉ 0 ,ŵ K0 ' K Ĩ, ŵ0 ', K ',+ ŵ > Ĩ /ƉĨ (*.. * 0 ŵ /Ɖ Ɖ ) Hŵ ) ŵ+ Ĩ /Ɖ (*.. 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Name des Kindes: _____(5=$______________________________________ Zeitraum der Beobachtungen: _____-DQXDU______________________________ Alter des Kindes in diesem Zeitraum:_____________________________________________ Beobachter: _7D\\XUH+LOGH$OH[DQGUD___________________ 1 Notieren Sie bitte hier, ob das Kind regelmäßig in den Kindergarten kommt/ wie viele Stunden am Tag, ob es größere Unterbrechungen gab (Dauer, Grund): (U]DNRPPWWlJOLFKDP9RUPLWWDJLQGHQ.LJD__________________________ ________________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________________ 1. Das gegenwärtige sprachliche Handeln des Kindes Gemeint ist das typische Handeln des Kindes, so wie sie es in den letzten 4 Wochen wahrgenommen haben. 1.1 Kommunikatives Handeln / Sprechfreude / Interesse an Sprache Bitte charakterisieren Sie das typische kommunikative Handeln des Kindes in der Einrichtung (z. B. zurückgezogen – offen, aktiv – passiv, dominant – nachgiebig, eigenwillig – folgsam, wortreich – wortkarg) auch im Hinblick auf seine Sprechfreude (z.B. erzählt gerne und viel, macht bei Sprachspielen / Reimen / Liedern gern mit) und auf sein Interesse an Sprache (z.B. fragt nach Bedeutungen, korrigiert sich selbst, hat einen spielerischen Umgang mit Sprache): (U]D LVW HLQ RIIHQHV .LQG (UZDFKVHQHQ JHJHQEHU 6LH HUILQGHW VHOEVW /LHGHU XQG VLQJW VHKU JHUQH 6LH LVW ZRUWUHLFK ZHQQ VLH GLH (UOHEQLVVH YRQ ]XKDXVH HU]lKOW KDXSWVlFKOLFK YRQ LKUHU MQJHUHQ 6FKZHVWHU /LROD_________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________________ 1.2 Beteiligung am Gespräch / Initiative Bitte charakterisieren Sie die typischen Beteiligungen des Kindes am Gespräch mit der Erzieherin und mit anderen Kindern in der Einrichtung (z.B. ist unbeteiligt / ist aufmerksam aber beteiligt sich nicht aktiv am Gespräch / reagiert, wenn es angesprochen wird. Ergreift die Initiative / zieht durch sein Sprechen die Aufmerksamkeit anderer Kinder auf sich / führt Äußerungen anderer weiter, etc.) (U]DUHDJLHUWZHQQVLHDQJHVSURFKHQZLUG)KUW$XIIRUGHUXQJHQDXV %LWWHWXP+LOIH]%EHLP$QXQG$XV]LHKHQ.DQQLKUH:QVFKHXQG *HIKOHlXHUQ]%LFKELQNUDQNLFKELQWUDXULJ._____________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ 2 ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ 1.3 Bevorzugung von Kommunikationssituationen Bitte schreiben Sie auf, welche Situationen das Kind im Kindergarten bevorzugt. Unterscheiden sie dabei nach bevorzugten Gesprächspartnern (z. B. mit sich alleine, mit wenigen Kindern, mit Kindern gleicher Familiensprache, mit Älteren / Jüngeren, mit Erwachsenen, etc.), nach Sozialform bzw. Gruppengröße (im Zweiergespräch, in Kleingruppen, in großen Kindergruppen), nach Situationen (draußen, bei Regelspielen, im Stuhlkreis, beim Essen, etc.) und nach Themen (z. B. Geschichten, Bilder, Bücher, Spielzeug, Tiere, Natur, Sport, etc.) *HJHQEHU GHU (U]LHKHULQ LVW VLH RIIHQ DEHU LP 7DJHVDEODXI PLW___DQGHUHQ .LQGHUQ VSLHOW XQG EHVFKlIWLJW VLH VLFK DOOHLQH +DW NHLQHIHVWH%H]XJVSHUVRQ)UHXQGH6FKDXWVLFKJHUQHDOOHLQH%FKHUDQ XQGWXWDOVREVLHOHVHQZUGH____________________________________________ 7KHPHQ GLH VLH PDJ 3XSSHQVSLHOH 3ULQ]HVVLQ 3DSD 0DPD .LQG._________________________________________________________________________ 1.4 Verwendung des Deutschen und der Familiensprache Hier geht es um die Verwendung der beiden Sprachen durch das Kind in der Einrichtung, z.B. häufige Verwendung der einen oder der anderen Sprache, Verwendung der Familiensprache bei Bring- und Abholsituationen sowie im Spiel mit gleichsprachigen Kindern, Einstellung auf die Sprachkenntnisse der Partner, Mischung der Sprache, Vermeidung und Verweigerungen. Bitte notieren Sie, was Ihnen im Blick auf das Kind typisch erscheint. (U]DVSULFKWLP.LJDGHXWVFKGDDXFKNHLQH.LQGHULQGHU*UXSSH VLQGGLHLKUH0XWWHUVSUDFKHVSUHFKHQDOEDQLVFK__________________ %HLGHU$EKROSKDVHVSULFKWVLHPLWLKUHU0XWWHUPHLVWHQVDOEDQLVFK ____________________________________________________________________________ ____________________________________________________________________________ ____________________________________________________________________________ 3 2. Das sprachliche Handeln des Kindes in ausgewählten Situationen Hier sollen Sie das sprachliche Handeln des Kindes in 6 Kindergartensituationen beschreiben. Dabei sollte Folgendes (siehe oben die Formulierungsvorschläge) beschrieben werden: Kommunikatives Handeln, Beteiligung am Gespräch, Bevorzugung von sozialen Situationen und Themen sowie alles, was Sie sonst wichtig finden. 2.1 Im Freispiel %HVFKlIWLJW VLFK (U]D DOOHLQ VLH EHYRU]XJW %XFKVWDEHQVSLHOH %XFKVWDEHQVFKUHLEHQ%LOGHUEFKHU$XVPDOELOGHU6LHVFKUHLEWLKUHQ 1DPHQ XQG LVW IU LKU $OWHU LQ GHU )HLQPRWRULN VHKU IRUWJHVFKULWWHQ 'LH .RPPXQLNDWLRQ PLW GHQ .LQGHUQ LQ GHU *UXSSH LVW ZHQLJ________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 2.2 Im Außengelände (U]DVSLHOWLP)UHLHQPHLVWLP6DQGNDVWHQDOOHLQEDFNWVLFK.XFKHQ XQG VSULFKW PLW VLFK VHOEVW 6FKDXNHOW JHUQH XQG VLQJW GDEHL YRU VLFK KLQ___________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________________ 2.3 Beim Frühstück / Mittagessen (U]DEHWHLOLJWVLFKVHKUVHOWHQDQ*HVSUlFKHQZlKUHQGGHV)UKVWFNV 6LHVXFKWVLFKJHUQHHLQHQ3ODW]DXVDQGHPVLHDXFKDOOHLQHVLW]HQ NDQQ6LHEHREDFKWHWDOOHUGLQJVGDEHLGLHDQGHUHQ.LQGHUXQGK|UW EHLGHQ*HVSUlFKHQ]X____________________________________________________ _____________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________ 4 2.4 Im Rollenspiel (Kind-Kind-Kommunikation) $Q 5ROOHQVSLHOHQ QLPPW (U]D DNWLY WHLO 'RUQU|VFKHQVSLHO .|QLJ 6FKQXUUEDUW 3ULQ]HVVLQ DXI GHU (UEVH VLQG LKUH /LHEOLQJVVSLHOH 6LH lXHUW LKUH :QVFKH EHL GHU 5ROOHQYHUWHLOXQJ (U]D OLHEW HV VLFK ]X YHUNOHLGHQXQG]XVFKPLQNHQ_____________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ 2.5 Im Einzelgespräch mit der Erzieherin 8QV (U]LHKHULQQHQ HU]lKOW VLH YRQ VLFK DXV (UOHEQLVVH YRQ ]XKDXVH bXHUW LKUH :QVFKH XQG %HGUIQLVVH =HLJW LKUH QHXHQ 6DFKHQ XQG P|FKWH HLQ /RE K|UHQ = % PDJ VLH HV ZHQQ PDQ VDJW 'DV LVW DEHU ÅVFKLFN´______________________________________________________________________ ________________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ 2.6 Bei Bilderbuchbetrachtungen und im Umgang mit Schrift :HQQ VLFK GLH 9RUVFKXONLQGHU PLW %XFKVWDEHQ EHVFKlIWLJHQ EHVWHKW (U]D GDUDXI XQG VDJW Å,FK P|FKWH DXFK VR PDFKHQ´ 6LH VFKUHLEW VFKRQ HLQLJH %XFKVWDEHQ VHKU VDXEHU XQG RUGHQWOLFK %FKHU VFKDXW VLHVLFKDQXQGP|FKWHDXFK*HVFKLFKWHQYRUJHOHVHQEHNRPPHQ_______ ________________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________________ 5 3. Sonstiges / Sprachliche Stärken des Kindes Hier haben Sie noch die Möglichkeit sonstige Notizen einzutragen, die für die Erstellung des Förderplans wichtig sein können. :HQQ PDQ GLH IUKHUHQ 6SUDFKDXI]HLFKQXQJHQ YRQ (U]D YHUJOHLFKW NDQQ PDQ IHVWVWHOOHQ GDVV VLFK GHU :RUWVFKDW] VRZLH GDV VSUDFKOLFKH +DQGHOQYHUEHVVHUWXQGHUZHLWHUWKDEHQ__________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ 4. Sprechhandlungen / Wortschatz / Grammatik 4.1. Sprechhandlungen %HJUHQ YHUDEVFKLHGHQ ]XVWLPPHQ EHVWlWLJHQ IUDJHQ ELWWHQ PLWWHLOHQ EHULFKWHQ EHVFKZHUHQ *HIKOH lXHUQ /LHGHU XQG *HVFKLFKWHQHUILQGHQ5H]LWLHUHQYRQ/LHGHUQXQG)LQJHUVSLHOH____ _____________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ Ergebnis: __1LYHDX%_____________________________________________ 4.2 Wortschatz Beste Wörter Nomen (Kategorie: A, B, C) Kat. Verb Kat. Adjektiv %DE\ % YHUVFKZXQGHQ & JOFNOLFK :XUVW % JHJHKW $ NDSXWW Kat. & $ *XUNH %URW 6DODPL =lKQH % % % % JHKHQ NDXIHQ JHVXFKW JHK|UW $ % % % NUDQN % 6 +DXV 6FKDXNHO 6FKZHVWHU $ % % JHWURFNQHW JHVDJW PDFKVW 3ULQ]HVVLQ % (UEVH & +DDUH $ *URPXWWHU % +XQG $ bUJHU & 6WUDH $XWR *HVXQGKHLW +DXVVFKXKH $ YHUVWHKW NULHJVW ZDUWHQ JHJXFNW VHKHQ JHOHVW JHVFKODIHQ & $ $ & $ % $ $ % % $ & % Ergebnis: ____YLHO.DWHJRULH%HLQLJH:|UWHU&_____________________________ 5.3 Grammatik (Stufen des Verbs 1-7 / Satzverbindung 1+2 [ S-V 1 + S-V 2]) Beste Sätze +LOGHPHLQ%DE\LVWYHUVFKZXQGHQ ,FKKDEHVLHJHVXFKWDEHUVLHLVWQLFKWGD ,FKKDEHWROOH)UKVWFNVWFN ,FKKDEH:XUV*XUN%URW 'HQQLVNDQQQLFKWVFKDXNHOGDQRFKPHKUNOHLQLVWVRZLH PHLQH6FKZHVWHU 0LW0DPDKDEHQZLU6DODPLJHNDXIHQGDQQKDEHLFK JHNDXIHQÅ5RVV´ZRGLH=lKQHQLFKWNDSXWWJHKW ,FKKDEGDVQLFKWJHK|UW 'HU3ULQ]HVVLQDXIGHU(UEVHKDWJHVDJW 0HLQH+DDUHVLQGJHWURFNQHW 'DQQKDWVHLQH0DPDJHVDJWÅ+HMPHLQ.LQGZDUXPPDFKVW GXVRZDV"´ 3ULQ]HVVLQZHLWGXZDV" 'XNULHJVWbUJHU .RPP3ULQ]HVVLQZLUZDUWHQDXIGLFK 1XULQGLH6WUDHNDQQPDQGLH$XWRGDKLQVWHOOHQ 8QGGDQQKDEHQGLHJHJXFNW.HLQ$XWRLQGLH6WUDH ,FKKDEHVHKU*HVXQGKHLW 'DQQKDELFK+DWVFKLJHPDFKW'DQQKDWPHLQH0DPD Å*HVXQGKHLW´JHVDJW 'DQQVLQGZLUJOFNOLFK Stufen: 69 69 69 9 7 ErgebnisB6lW]HELV6WXIHHLQIDFKH6DW]YHUELQGXQJHQHLQPDO+DXSWVDW] 1HEHQVDW] 8 5.7 Stufen kindlicher Sprechhandlungen 71 6WXIHQNLQGOLFKHU6SUHFKKDQGOXQJHQ1LYHDX$%& 1LYHDX$HLQIDFK NQDSS]XVWLPPHQEHMDKHQ NQDSSDEOHKQHQYHUQHLQHQ NQDSS8QZLVVHQEHNXQGHQZHLQLFKW NQDSSDQWZRUWHQ DQVSUHFKHQ.DWULQ DXIPHUNVDPPDFKHQ*XFNPDO NQDSSPLWWHLOHQ NQDSSIHVWVWHOOHQVWLPPW DXVUXIHQ EHJUHQ YHUDEVFKLHGHQ %LOGHOHPHQWHEHQHQQHQ 1LYHDX% ]XVWLPPHQ EHVWlWLJHQ :LVVHQRGHU8QZLVVHQEHNXQGHQ (LQVLFKWEHNXQGHQ LQJHZ|KQOLFKHU$XVIKUOLFKNHLWDQWZRUWHQ IUDJHQ ELWWHQ *HVSUlFKEHHQGHQ GDVHLJHQH+DQGHOQVWHXHUQEHJOHLWHQ PLWWHLOHQ VLWXDWLYEHVFKUHLEHQ EHULFKWHQ 6HOEVWHUOHEWHVHU]lKOHQ YHUPXWHQ DQNQGLJHQ YRUVDJHQ VLFKEHNODJHQEHVFKZHUHQ YRUZHUIHQ IHVWVWHOOHQ EHVFKLPSIHQ *HIKOlXHUQLFKKDEH$QJVW HLQHHUIXQGHQH*HVFKLFKWHHU]lKOHQ %LOGEHVFKUHLEHQ9RUJlQJH6DFKYHUKDOWH UH]LWLHUHQ*HGLFKW/LHG6SUFKH« 1LYHDX&DQVSUXFKVYROO EHJUQGHW]XVWLPPHQ EHJUQGHWDEOHKQHQ GHPHQWLHUHQ XP%HVWlWLJXQJELWWHQ DXVIKUOLFKDQWZRUWHQ YRUVFKODJHQ GURKHQ DXVIKUOLFKPLWWHLOHQ H[WUDVLWXDWLYEHVFKUHLEHQ .RPPXQLNDWLRQWKHPDWLVLHUHQ]%GLH*OWLJNHLWRGHUGLH*ODXEZUGLJNHLWHLQHU $XVVDJH DUJXPHQWLHUHQ EHJUQGHWEHXUWHLOHQ NRPPHQWLHUHQ HUOlXWHUQ HUNOlUHQ OHJLWLPLHUHQ HLQ*HIKOlXHUQDXVIKUOLFK ]XVDPPHQIDVVHQ *HK|UWHVQDFKHU]lKOHQ %LOGHUEXFKQDFKHU]lKOHQ %LOGLQWHUSUHWLHUHQ %LOGNRPPHQWLHUHQ $UWGHUELOGOLFKHQ'DUVWHOOXQJWKHPDWLVLHUHQ 6SUDFKHWKHPDWLVLHUHQ 5.8 Stufen des kindlichen Wortschatzes im Deutschen 72 6WXIHQGHVNLQGOLFKHQ:RUWVFKDW]HVLP'HXWVFKHQ 6WXIH$ 9HUEHQ 6XEVWDQWLYH IDKUHQ $XJH JHEHQ $XWR JHKHQ %DXP KDEHQ %HWW KHLHQ )UDX NRPPHQ +DDU N|QQHQ +DQG NULHJHQ +DXV ODFKHQ +XQG PDFKHQ -XQJH%XE PVVHQ .OHLG QHKPHQ 0DQQ VDJHQ 0XQG VHKHQ 1DVH VHLQ 2KU 0XWWHU0DPD VSLHOHQ 9DWHU3DSD ZLVVHQ 6WUDH ZROOHQ :DVVHU $GMHNWLYH JDQ] NOHLQ URW VFKZDU] 1 6WXIH% EDXHQ EULQJHQ GUIHQ HVVHQ IOLHJHQ JXFNHQ NOHWWHUQ ODVVHQ ODXIHQ OHJHQ OLHJHQ P|JHQ UHQQHQ VFKODIHQ VLW]HQ VROOHQ VSULQJHQ WULQNHQ WXQ ZHLQHQ ZHUGHQ 9HUEHQ DQ]LHKHQ KLQIDOOHQ KLQIOLHJHQ KLQOHJHQ PLWQHKPHQ UDXVJHKHQ UHLQJHKHQ UXQWHUIDOOHQ EHUIDKUHQ YRUOHVHQ ZHJIOLHJHQ ZHJODXIHQ HU]lKOHQ VSD]LHUHQ JHKHQ 6XEVWDQWLYH $GMHNWLYH EODX $QJVW $XWREDKQ EUDXQ %DOO )HUQVHKHQ JUDX %DXFK )HXHUZHKU %HLQ .LQGHUJDUWHQ JUR %OXPH .UDQNHQKDXV JXW %XFK .UDQNHQZDJHQ NDSXWW NRPLVFK 'LQJ ODQJ 'RNWRU ULFKWLJ (LV VFKQHOO (OHIDQW YLHO )DKUUDG )HQVWHU )LQJHU )UHXQG *DUWHQ +DOV +DVH +RVH .LQG .LQQ .QLH .|QLJ .|QLJLQ .RSI /RFK 0HVVHU 0LOFK 0W]H 3IHUG 3IODVWHU 3ROL]HL 3ULQ]HVVLQ 3XSSH 6FKXK 6FKXOH 6FKZHLQ 6HLWH 6SD 6WHLQ 6WRFN 7LVFK 7U 8QIDOO 9RJHO :DOG :LQWHU =DKQ =XQJH 2 6WXIH& EHOOHQ EUDXFKHQ EUHPVHQ HLWHUQ IUHVVHQ KDOWHQ KDXHQ NHQQHQ NLW]HOQ NQDFNHQ NQDOOHQ NUDFKHQ NXOOHUQ QlKHQ UHFKQHQ UHLWHQ UXWVFKHQ VDXVHQ VFKUHLEHQ VWHOOHQ VWHUEHQ VWROSHUQ VWRHQ VWUHLFKHOQ WUHIIHQ ZHUIHQ ZKOHQ ]LHKHQ 9HUEHQ DEKDXHQ DEWURFNQHQ DQIDQJHQ DQNRPPHQ DQPDOHQ DXIGUHKHQ DXIHVVHQ DXIIUHVVHQ DXIK|UHQ DXISDVVHQ DXIUHLHQ DXIVWHKHQ DXIVWHLJHQ DXIZDFKHQ DXVUHLHQ GUDXIVHW]HQ HLQVFKODIHQ HLQVSHUUHQ HQWODQJJHKHQ KLQVWHOOHQ UDXVJXFNHQ UHLQIDOOHQ UXPVSLHOHQ UXPWREHQ UXQWHUNRPPHQ UXQWHUUXWVFKHQ UXQWHUVSULQJHQ YRUEHLNRPPHQ ZHJQHKPHQ ZHJ]LHKHQ ZHKWXQ ZHLWHUIDKUHQ ZHLWHUJHKHQ ZHLWHUVSLHOHQ ZLHGHUNRPPHQ ]XPDFKHQ ]XVDPPHQVWRHQ 6XEVWDQWLYH EHNRPPHQ %DQG $XJHQEUDXH EH]DKOHQ %DXHU %OPFKHQ HUVFKLHHQ &RXFK %UDXQElU HUVFKUHFNHQ 'UHFN 'UHLUDG (XWHU JHK|UHQ )DKUVFKXOH SDVVLHUHQ )DVDQ )HOGZHJ VLFKIUHXHQ )XWWHU )XZHJ VLFK]DQNHQ *ROG *XPPLKXQG YHUJHVVHQ *UDEHQ +DDUVSDQJH YHUOLHUHQ +DKQ +DOVEDQG +DXSWVWUDH YHUVWHFNHQ +DNHQ +lXVFKHQ +HFNH +DXVWU +HX .DVSHUWKHDWHU -lJHU .lW]FKHQ .lILJ .UDQNHQVFKZHVWHU .HOOHU .UlQ]FKHQ .LQR .QSSHO /lPPFKHQ 0RKUUEH .UDQ .UDQNHU 0RWRUUDGIDKUHU .UDW]HU 2KUULQJ 3XSSHQVWXEH .UHLV .NHQ 3XSSHQWKHDWHU 3XU]HOEDXP .XUYH /DSSHQ 5DGIDKUHU 5HQQZDJHQ /HLWHU /HQNHU 6DQGNDVWHQ 6FKODI]LPPHU /XIW 9|JHOFKHQ 0DUNW 0DWWH 0HLVWHU 3DDU 3HO] 3XSLOOH 4XDOP 5DGLR 5DQG 5LQGH 5LWWHU 5FNHQ 6DQLWlWHU 6FKDIIQHU 6FKDOH 6FKHLEH 6FKXOG 6SXU 8QJOFN 9HUVWHFN 9RUIDKUW :HOW $GMHNWLYH DOEHUQ DOOHLQ DOW EHLGH EORQG ERFNLJ EXQW GLFKW GLFN GRRI GXQNHO GQQ HLQIDFK IUHFK IURK IUK JHIlKUOLFK JOFNOLFK JROGLJ JURE JUQ KlVVOLFK KHLO KEVFK NOXJ OHEHQGLJ OLHE OLOD OXVWLJ QLHGOLFK URVD UXKLJ UXQG VFKLHI VFKODX VSLW] VWHLO WRW ZWHQG ]DUW GXQNHOEODX GXQNHOURW KHOOJUDX KHOOURW 3 5.9 Stufen des Grammatikerwerbs im Deutschen 73 Stufen des Grammatikerwerbs im Deutschen Ein guter Maßstab für die sprachliche Entwicklung des Kindes sind auch die grammatischen Fähigkeiten. Achten kann man z. B. auf die Entwicklung der Verneinung (nein, nix, nicht, kein, niemand), die Entwicklung der Präpositionalgruppen (Kindagarte gehen, gehe in die Kindagarte, ich gehe in den anderen Kindergarten), die Stellung von nur und auch im Satz u. a. , am aussagekräftigsten sind aber die Verwendung des Verbs und die Verbindung von Sätzen. Diese beiden Erscheinungen werden im Folgenden näher dargestellt. 1. Formen und Stellung des Verbs im Satz Formen und Stellung des Verbs haben sich in vielen Untersuchungen als verlässliche Anzeichen der sprachlichen Entwicklung der Kinder im Deutschen bewährt. (Übrigens auch bei Erwachsenen, die Deutsch als Zweitsprache lernen). Anhand der Ergebnisse dieser Untersuchungen und mit Beispielen aus den Sprachbeobachtungen des Projekts kann man eine „Stufenleiter“ konstruieren, an der sich der Fortschritt der Kinder erkennen lässt. Wir unterscheiden sieben Stufen: I Nur ein „Satzteil“ wird geäußert, es gibt noch keine Unterscheidungen von Subjekt und Prädikat, von Nomen und Verb. Beispiele aus den Sprachbeobachtungen des Germersheimer Projekts: Muzzäfer: Can: Laurenz: Laura: Arnita: II Messer? Nein! Mach so. Glitzer. Misgeling (= Schmetterling) Ein Buch. Fertich. Die Äußerungen bestehen aus zwei Teilen; der eine Teil sagt etwas über den anderen aus. So bilden die beiden Teile eine „Aussage“. Auf dieser Stufe hat die Aussage aber noch nicht die Form eines grammatischen Satzes aus Subjekt und Prädikat. 1 Beispiele aus den Sprachbeobachtungen des Germersheimer Projekts: Arnita: Can: Muzzafer: Laurenz: Geschenk Mama. Da Haus. So im Kreis. Allein aber. Wo ein Stern? Ich blau. III Es erscheinen Verben als Prädikate, noch ohne richtige Endungen und meist am Ende des Satzes; es gibt noch keine Hilfsverben zu den Vergangenheitsformen. Beispiele aus den Sprachbeobachtungen des Germersheimer Projekts: Laurenz: Can: Laura: Aber ich kucken Nicht kaput gegeht. Anja, ich dort fahre Teddybär schlaf. IV Die Verben rücken an die zweite Stelle im Satz und erhalten richtige Endungen. An der ersten Stelle steht das Subjekt. Beispiele aus den Sprachbeobachtungen des Germersheimer Projekts: Mathumiha: Ich bin vier. Das stinkt voll, gell Bea? Des riecht voll lecker. Mein Bruder macht das net. Laura: Die guckt obn. Ich hab mich eina dihause. Laurenz: Guck, da hat Milch. Mathumithan: Ich mache eine Krone. Can: Ich hab schon. Die ist ganz schnell. Auto ist da oben Rathusan: Tayyure hat große Haare. Nur die Jungs haben Schnurrbart. Fragesätze mit dem finiten Verb an der ersten Stelle: Can: Kommt die Yassin? 2 Anja, spielen wir des noch mal? V Es erscheinen zweiteilige Prädikate: Ein Teil des Prädikats (der finite Teil, das heißt der Teil mit der Personalendung) steht an der zweiten Stelle im Satz, ein anderer (der nicht-finite Teil) steht am Satzende, das kann ein Infinitiv oder ein Partizip oder eine abgetrennte Vorsilbe sein. In den folgenden Beispielen sind die beiden Teile des Prädikats fett geschrieben. Beispiele aus den Sprachbeobachtungen des Germersheimer Projekts: Mathumiha: Mama, ich muss „Kaka“ machen. (im Rollenspiel) Wo legen wir die „Wiese“ hin? Meine Mama hat gesagt, wir müssen ABC lernen. Rathusan: Er hat die Blume abgerissen. Ich habe die Ameise rausgemacht. Ich mach das hier rein, Spinne. Tayyure, ich muss Pipi machen. Willst du Milch haben darüber? Can: Die rennt nur weg. Ich kann nicht meine Jacke reinmachen. Ich gehe meine Jacke ausziehen. Im Fragesatz rückt das finite Verb an die erste Stelle: Solln wir das kucken? Die Zweiteiligkeit, die für die Sprachbeobachtung wichtig ist, ist auch in diesem Fall zu erkennen. Ebenso verhält es sich beim Befehlssatz. Beispiele aus dem Germersheimer Projekt: Can: Geh da rein! Rathusan: Mach mal die Tür auf! VI Es werden Sätze gebildet, in denen nicht das Subjekt an der ersten Stelle steht, sondern ein anderer Satzteil. Das Verb bleibt an der zweiten Stelle, das Subjekt rückt hinter das Verb („Inversion“). „Das ist“-Sätze und „Was ist“-Sätze bleiben hier außer Betracht. In den folgenden Beispielen ist das Subjekt unterstrichen. 3 Beispiele aus den Sprachbeobachtungen des Germersheimer Projekts: Mathumiha: Dann arbeitet er an Küche. Dann spielt er in Auto. Was hat dir die Bärbel gegebt? Das mag ich gerne. Nein, das mag ich nicht. Can: Wem khört das? Wo geh ich? Wo ist mei Dos? Rathusan: Dann darf Koray nicht Schokopudding essen. VII Nähere Angaben („adverbiale Bestimmungen“) erscheinen im Satzinneren nach dem finiten Verb. In den folgenden Beispielen sind diese näheren Angaben unterstrichen. Beispiele aus den Sprachbeobachtungen des Germersheimer Projekts: Rathusan: Er darf nicht im Kindergarten bauen. Iman: Die Leiter muss eigentlich hier zwischen sein. 2. Verbindung von Sätzen I. Es werden Sätze gebildet, die aus zwei (oder mehr) Teilsätzen bestehen. Jede Aussage hat ein Prädikat, die beiden Aussagen zusammen bilden eine Satzverbindung. Die beiden Aussagen werden durch Wörter wie und, und dann, oder, aber miteinander verbunden. Beispiele aus den Sprachbeobachtungen des Germersheimer Projekts: II Mathumiha: Dann macht er spielen und dann sitzt er und guckt Fernseher. Rathusan: Ich war einmal in Stadt gegeht und dann hab ich Eis gegessen. Dennis: Der Ente hat nicht aufgeräumt und jetzt räumt es. Es werden Sätze aus zwei (oder mehr) Teilsätzen gebildet, bei denen die eine Aussage der anderen untergeordnet ist. Die beiden Aussagen bilden ein Satzgefüge. Die beiden Aussagen werden durch Wörter wie wenn, weil, als, wie miteinander verbunden. In dem untergeordneten Satz („Nebensatz“) steht das finite Verb am Ende. 4 Beispiele aus den Germersheimer Sprachbeobachtungen: Rathusan: Guck mal, wie der Alper isst. Kadire: Die Maiskörner können, wenn es heiß ist, fliegen. Acelya: Wenn man die bratet, fliegen die rauf und runter. Koray: Dann sind sie nach hause gegangen, ihre Beeren gezeigt, und auch die weißen Dinge, die sie gepflückt haben. Iman: Dicky will, dass der Junge Coca-Cola trinkt. 3. Bedeutung der Sprachbeobachtungen für Sprachaneignung und Sprachförderung Zu fragen ist immer: Wie weit ist das Kind schon? Was sind die „fortgeschrittensten“ grammatischen Formen, zu denen es fähig ist? Man muss allerdings ein wenig achtsam sein, manche „fertigen“ Formen können „als Ganze“ gelernt worden sein, d. h. sie werden noch nicht als Anwendungsfälle einer grammatischen Regel produziert, sondern gewissermaßen „auswendig“ geäußert. Man erkennt sie an ihrer formelhaften Verwendung. Interessant sind die grammatischen „Fehler“, die die Kinder während des Aneignungsprozesses machen. Oft kann man an „unfertigen“ Formen erkennen, dass ein Kind gerade dabei ist, sich eine bestimmte grammatische Form zu „erobern“. Zum Beispiel: Eine nähere Angabe steht an der ersten Stelle des Satzes, aber dann folgt trotzdem erst das Subjekt und danach das Verb: Vielleich da is nass. Das ist eine Vorform der Inversion. Oder das Kind bildet zweiteilige Prädikate, die zeigen, dass es die Zweiteiligkeit bemerkt, aber noch keinen klaren grammatischen Sinn damit verbinden kann: Dann waren wir im Kindergarten trinkt. Das ist eine Vorform zum Perfekt (mit Hilfsverb und Partizip). Mit Blick auf die Sprachförderung sollte man fragen: Was ist das nächste Ziel, die nächste Stufe, welche das Kind erreichen wird? Wenn man diesen Schritt zur nächsten Stufe unterstützt (durch Vorbilder, durch korrigierende Wiederholung und Weiterführung, durch geeignete Fragen), dann kann man hoffen, dass das Kind mit dieser Unterstützung auch wirklich etwas anfangen kann, dass sie ihm in seiner Sprachaneignung weiter hilft. 5 5.10 Individueller Förderplan 74 IndividuellerFörderplan NamedesKindes:__________________________ AlterdesKindes:_____________ Erstelltam:__________________von:______________________ aufgrunddesBeobachtungsbogensNr.____ 1.FörderzieleundVorgehenbeiderFörderung a)imBereichdessprachlichenHandelns b)desWortschatzes c)derGrammatik 2.HauptzielderFörderung 1.a) b) c) 2. NächsteAktualisierungvorgesehenimMonat:______________________________ Reflexion: ©UniversitätLandauArbeitsbereich"InterkulturelleBildung" 5.11 Beispiel eines individuellen Förderplans 75 Individueller Förderplan Individueller Förderplan für das Kind: _________(5=$_________________ Erstellt aufgrund der Beobachtungen und der Analyse im Zeitraum: _____________ Alter des Kindes im vorgesehenen Förderzeitraum: _____________ (Jahre; Monate) 1. Förderziele und Vorgehen bei der Förderung im vorgesehenen Zeitraum: a) im Bereich des sprachlichen Handelns b) des Wortschatzes c) der Grammatik 2. Hauptziel der Förderung 1. a) .OHLQJUXSSHQDUEHLW(UP|JOLFKHQYRQ*HVSUlFKHQPLWDQGHUHQ .LQGHUQ b) (LQVHW]HQYRQPHKU$GMHNWLYHQGXUFK)KOHQYRQYHUVFKLHGHQHQ 6LQQHVPDWHULDOLHQ c) 0lUFKHQOHVHQXQGQDFKHU]lKOHQODVVHQ 2. 0HKU.RQWDNWKHUVWHOOHQ]XJOHLFKDOWULJHQ.LQGHUQLQGHUJUXSSH XQGGDGXUFK]XPHKU*HVSUlFKHQDQUHJHQ Nächste Aktualisierung vorgesehen im Monat: ______-XOL_______________ Reflexion: 'D (U]D HLQ VWLOOHV XQG UXKLJHV .LQG LVW GDV JXW DOOHLQH NODUNRPPW IlOOW VLH LP $OOWDJ ZHQLJ DXI :LU PVVHQ MHW]W YHUVWlUNW XQVHU $XJHQ PHUNDXIVLHULFKWHQGDPLWVLHPHKU(LQELQGXQJEHNRPPW 5.12 Naturwissenschaftliche Angebote als Gelegenheit der Sprachförderung 76 EĂƚƵƌǁŝƐƐĞŶƐĐŚĂƚůŝĐŚĞŶŐĞďŽƚĞĂůƐĞůĞŐĞŶŚĞŝƚĚĞƌ^ƌĂĐŚƂƌĚĞƌƵŶŐ 7 , 2GLJ ƌnjŝĞŚĞƌŝŶ)# /Ɖ # ŵĨ 5. ͣtĂƐƉĂƐƐŝĞƌƚŵŝƚ>ĞďĞŶƐŵŝƚƚĞů͕ĚŝĞůćŶŐĞƌĞĞŝƚ ŽĨĨĞŶŐĞůĂŐĞƌƚǁĞƌĚĞŶ͍͞(.H, 'G$ /Ɖ/Ɖŵ#+ >MƉ, ' ŵŵ. ͣtĂƐŐůĂƵďƐƚƵ͕ǁĂƐŵŝƚĚĞŵŝ͕ĚĞŵƌŽƚ ƉĂƐƐŝĞƌƚ͍ͬͣ͞/ŶǁĞůĐŚĞŵĞŝƚƌĂƵŵ͍ͬͣ͞tĂƐ ǀĞƌćŶĚĞƌƚƐŝĐŚƐĐŚŶĞůů͕ůĂŶŐƐĂŵ͍ͬ͞ĞƚĐ͘ ;& G, ,ŵŵ #ƺ <);& ŵŵ0' 'ŵ 0,ŵŵ#ƺ }<)~ ŵ00 0 0 ŵ 2# 'Ĩ (M*) ŵ 2+ ͣtŝĞŬƂŶŶĞŶǁŝƌĚŝĞ/ĚĞĞŶďnjǁ͘DĞŝŶƵŶŐĞŶĚĞƌ <ŝŶĚĞƌĨĞƐƚŚĂůƚĞŶ͍tĂƐďƌĂƵĐŚĞŶǁŝƌ͍͞ ;6GŵĨ 0' C # .< , 0Ɖ 2 5ƉƺĨ ͣtŝĞŬƂŶŶĞŶǁŝƌĞƐƌĂƵƐĨŝŶĚĞŶ͍͞ ;6G ŵ ŵ#ƺ , 0Ɖ ŵ#ƺ <);6 G/,>* 0 ƺ<.;6ŵ 5,, <. ƉŵĨ ;D ,/ ŵ #ƺ 0 ĨB< Ɖ Ɖŵ 0 80 8,Æ , ;&6 '0 , *,< ; ,ŵŵ/ŵŵĨ. ,' 7*0' < ;& , ,0'*/Ĩ < 00 ƺ00 ,ŵ (#+ 28ŵ #. ;./ 0 ,,''ƺ<. 0ŵ 5 ,. ;6 Ĩƺŵ0 #ƺ 1< Ĩ 5.13 Dokumentation der Sprachförderaktivitäten 77 0LWWZRFK 'RQQHUVWDJ )UHLWDJ *UXSSH(U]LHKHULQBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBBB 'LHQVWDJ 0RQWDJ 'DWXP 8KU]HLW 0LWWHOSXQNWNLQG 7HLOQHKPHQGH.LQGHU )|UGHUDNWLYLWlW 'RNXPHQWDWLRQGHU6SUDFKI|UGHUDNWLYLWlWHQ 'RNXPHQWDWLRQGHU6SUDFKI|UGHUDNWLYLWlWHQ 6SUDFKI|UGHUDNWLYLWlWHQ