Predigt am Gründonnerstag 2015 in St. Ottilien / Erzabt Wolfgang
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Predigt am Gründonnerstag 2015 in St. Ottilien / Erzabt Wolfgang
Predigt am Gründonnerstag 2015 in St. Ottilien / Erzabt Wolfgang Öxler OSB Schürze statt Stola Jesus nimmt uns an Es gibt Augenblicke, da zählen Zeichen mehr als große Worte; da geht eine schlichte Geste tiefer unter die Haut als noch so brillante Reden. Am Ende des Lebens Jesu steht nicht eine große Predigt sondern ein schlichtes Zeugnis, eine zeichenhafte Handlung: Der Sohn Gottes macht sich geschürzt und schweigend, mit einer Waschschüssel hantierend daran die Füße zu waschen . Er setzt ganz unten an. Man könnte sagen er widmet sich unserem Stehvermögen. Er berührt den Menschen an einer sensiblen Stelle. Richard Rohr schreibt einmal in einem Buch: „Nur wer absteigt kommt an „Handelt auch ihr so, wie ich an euch gehandelt habe“ (Joh.13,15). Das ist sozusagen sein Einsetzungsbericht! Die Fußwaschung zeigt uns auf anschauliche Weise, was in jeder Eucharistie geschieht, dass wir mit unserer Schuld angenommen sind, dass unsere Schuld abgewaschen wird und wir ganz eins werden mit Jesus. Wenn wir seinen Leib essen, beugt er sich zu uns herab bis zu den Füßen und nimmt uns an. Schürze statt Stola Wer hierzulande zum katholischen Priester geweiht wird, bekommt meistens eine Stola überreicht. Zeichen der Vollmacht des Priesters. Was nicht im liturgischen Kleiderschrank hängt und noch nie einem Priester zur Weihe geschenkt worden ist, davon berichtet das Johannesevangelium in der Erzählung von der Fußwaschung (13,1-12). Das einzige liturgische Kleidungsstück, von dem im Testament Jesu berichtet wird, ist die Schürze. Wo der Evangelist das Abendmahl Jesu beschreibt, das Urbild der Eucharistiefeier, heißt es schlicht: „Es fand ein Mahl statt.“ Nichts von Brot und Wein. Nichts von Tischsegen und Mahlzeit. Nichts von Teilnehmern. Nichts von einer Tischrede. Jesus hat beim Letzten Abendmahl als liturgische Kleidung die Schürze eingeführt. Er gibt sich die Blöße, im Dienst der Welt zu arbeiten: Fußwaschung als Kern des Abendmahls. Wie aber bringe ich die Schürze Jesu zusammen mit der Stola der Kirche? Wie gehe ich damit um, dass im Lauf der Geschichte die Stola, die Schürze verdrängt hat? Für Priester gilt: Das, was die Stola am Priester hervorkehrt, was ihn speziell macht, ist der Auftrag, „Kirche der Schürze“ zu leben. Es ist der Auftrag, für jene Blöße zu wirken, die sich der göttliche Menschensohn gibt, wenn er seine Schürze umzieht, um im Dienst der Welt zu arbeiten. Der „Jesus der Schürze“ ist das Allerheiligste, ist das Modell für jeden. Heute am Gründonnerstag ist in einem römischen Gefängnis, die „Kirche der Schürze“ am Werk: Papst Franziskus, der Strafgefangenen, bekleidet mit der Schürze , die Füße wäscht - im Dienst an der Welt. Fusswaschung Realpäsenz Christi Wenn nun der Evangelist Johannes an die Stelle des Einsetzungsberichtes, den Bericht von der Fußwaschung setzt, dann heißt das doch, dass für ihn die Gegenwart Jesu im konkreten Dienst am Mitmenschen genauso gegeben ist, wie bei der Feier der Eucharistie. Ganz in diesem Sinne ist ein Wort von Mutter Teresa zu verstehen, die einmal gesagt hat: „Ich kommuniziere jeden Tag zweimal: Einmal morgens in der Kapelle und das zweite Mal untertags draußen auf den Straßen von Kalkutta, wenn ich Christus in den Armen und Sterbenden begegne und berühre“. So ist beim Eingang unserer Kirche in der ersten Bodenplatte die Inschrift zu lesen: In den Slums, im zerstörten Leib, in den Kindern, sehen wir Jesus und berühren Ihn, sagt Mutter Teresa. Die Zeichenhandlung der Fußwaschung, die bei der Feier der Eucharistie am Gründonnerstag einen festen Platz hat, will uns an den wichtigen, unabdingbaren Zusammenhang von Gottesdienst und Menschendienst erinnern. Es erinnert mich an meinen Abtspruch: „Gottesvoll und den Menschen nah.“ Jesus berühre mich Es ist die Stunde, in der auf den Punkt gebracht wird, was ER verkündigte und was ER lebte: vorbelhaltlose Liebe! Eine Liebe, die bereit ist bis zum Äußersten. Diese Liebe findet ihren zeichenhaften Ausdruck in dem, was Jesus an den Jüngern tut. Er wäscht nicht den Kopf, sondern die Füße. ER bückt sich vor dem Menschen. Eine Verkehrung aller Verhältnisse: der Meister dient dem Jünger. Gott ist dem Menschen zu Diensten. Jesus bückt sich vor mir, nimmt all das in die Hand, was ich vielleicht nicht anschauen möchte, das, was ich nicht an mir leiden mag, was ich ablehne… ER berührt das, was ich an mir als schmutzig, unansehnlich verurteile, was ich am liebsten verdrängen möchte…ER berührt es, ER berührt mich… zärtlich und liebevoll. ER kennt meine Widerstände, meine verkopften Argumente und Abwehrmechanismen… ER lässt sich nicht davon abhalten, mir nahe zu sein. Ich darf mit diesen Liebesdienst gefallen lassen. Ich bin gerufen, selbst immer bereiter und freier zu werden für diese Liebe und wie ER als liebender Mensch zu leben – immer mehr.